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MEDIZINISCHE
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Melsunge
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s Wissenschaft
Herausgegeben von
B. BRAUN-
Dipl.-Chem. Dr. med. Bernd Braun
zu seinem 70. Geburtstag
gewidmet
Band 50
Suppl. I
1976
Vorwort
Im Jahre 1976 können wir auf 60 Jahre unserer Firmen-Hauszeitschrift, die
„Melsunger Medizinischen Mitteilungen“, zurückblicken — ein Anlaß, Rechen-
schaft abzulegen über ein Vorhaben, das in unruhigen Zeiten als „Kriegskind“,
wie es im ersten Heft heißt, begonnen wurde.
Im 77. Jahr der Firmengeschichte begann B. Braun mit den M.M.M. ein Forum
zu schaffen, auf dem neue medizinische und naturwissenschaftliche Erkennt-
nisse in offener Form diskutiert werden konnten.
Über 60 Jahre hinweg kamen in den M.M.M. namhafte Wissenschaftler zu Wort,
um über neue Entwicklungen, Trends und Erfahrungen aus der Praxis zu be-
richten. Dieser Gedankenaustausch hat — so glauben wir heute mit Recht
sagen zu können — dazu beigetragen, Fortschritte in gemeinsamer Arbeit auf
einer Vielzahl von Gebieten zu erzielen. Fortschritte der Wissenschaft umzu-
setzen in für den Arzt und seine Patienten nutzreiche Realitäten war und ist
stets die vornehmste Aufgabe von B. BRAUN MELSUNGEN.
Dem Leser im Jahr 1976 soll anhand einer kleinen, aber vielleicht repräsen-
tativen Faksimile-Auswahl von Beiträgen aus weit über 100 Heften ein Bild ver-
mittelt werden, wie stark Engagement und Beteiligung von BRAUN MELSUNGEN
an der Entwicklung der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft ist.
Entscheidend geprägt wurde das Unternehmen in den letzten 40 Jahren
durch seinen wissenschaftlichen und technischen Leiter Herrn Dipl.-Chem.
Dr. med. Bernd Braun, dem diese Ausgabe der M.M.M. zu seinem 70. Geburtstag
von Herzen gewidmet sein soll.
Viele der geführten Diskussionen sind heute nur liebenswerte Historie, manche
aber sind in ihrer Problematik noch heute von aktuellem Interesse, einige leben
über Jahrzehnte immer wieder neu auf und werden uns auch in Zukunft
beschäftigen.
ln den ersten rund 40 Jahren ihres Bestehens sahen die Herausgeber der
M.M.M. ihre erste Aufgabe darin, ein Medium für den Informationsaustausch
zwischen klinischer und industrieller Forschung zu sein. Als jedoch nach dem
Ende des 2. Weltkrieges die von unserem Hause in Kassel und andernorts ver-
anstalteten Symposien diese Funktion weitgehend übernahmen und sich zu
einer erweiterten Diskussionsplattform entwickelten, war es die logische
Konsequenz der ursprünglichen Zielsetzung, die dort gehaltenen Referate
einem breiteren Leserkreis zur Kenntnis zu geben.
Medizinische Firmenzeitschriften sind ein Bestandteil des ständigen Dialogs,
wie er zwischen der medizinischen Fachwelt und der Industrie geführt werden
muß, um Fortschritte in Behandlungs- und Therapiemethoden zu erzielen. Die
vorliegende Retrospektive soll dazu dienen, diese These zu stützen, ihre über
Generationen hinweg gültige Bedeutung auch für die Zukunft zu untermauern.
J. Schnell
Index
1916
1917
1919
Zum Geleit Von Dr. Hans Braun, Melsungen Heft 1 1916 1
Über den Ersatz der Gummirohre Von Dr. Emil Schepelmann, leitender Arzt der chirur- gischen Abteilung des evangelischen Krankenhauses und des Speziallazaretts für verkrüppelte Krieger in Hamborn am Rhein Heft 1 1916 2
Beiträge zur Geschichte des Lanolins Von Dr. Hans Braun Heft 1 1916 10
Sterile Arterien zur Umhülsung bei der Sehnennaht Aus dem chemisch-bakteriologischen Laboratorium der Firma B. Braun, Melsungen Heft5 1917 12
Gallertröhrchen Aus dem chemisch-bakteriologischen Laboratorium der Firma B. Braun, Melsungen HeftS 1917 12
Achtzig Jahre „B. Braun-Melsungen“. Ein Rückblick in die Vergangenheit bei der Einweihung der neuen Fabrik-Anlage Von Dr. Hans Braun Heft 11 1919 14
Aus der Praxis. Die Katgutindustrie im Weltkrieg Von Dr. H. Früchte Heft 13 1919 33
Die Narbenbehandlung durch elastischen Druck Kasuistischer Beitrag von Oberstabsarzt Dr. Braun Heft 13 1919 38
Ein neuer Mischapparat zur Herstellung einwandfreier Injektionsflüssigkeit Von Zahnarzt Heinrich Blum, Berlin-Wilmersdorf Heft 16 1919 39
Arbeiten aus dem chemisch-bakteriologischen Labo- ratorium der Firma B. Braun, Melsungen Schlechte Behandlung von Katgut-Packungen Von Dr. Hans Braun Heft 16 1919 47
Über Quellstifte aus Laminariastielen und Tupeloholz Von Dr. phil. Hans Braun Heft 17 1920 49
Zur Technik der intravenösen Injektion Von Dr. med. G. Baller Heft19 1920 83
Winke zum Gebrauch der Venenspritze nach Katz Von Dr. Karl Döhmann Heft 27 1922 85
Originalarbeiten. Jodonascin, ein neues Jod abspal- tendes Dauerantiseptikum Aus dem chemisch-pharmazeutischen Laboratorium der Firma B. Braun, Melsungen Heft 28 1922 88
Originalarbeiten. Vorläufige Erfahrungen mit Jod- onascin in der Chirurgie Von Prof. Machol, Erfurt Heft 28 1922 90
Originalarbeiten. Aus dem St.-Norbert-Krankenhause zu Berlin-Schöneberg. Katgutauflösung - Katgut- eiterung Von F. Kuhn, Chefarzt des Krankenhauses Heft 31 1923 94
Über Jontophorese, Elektrophorese und Kataphorese Von Dr. A. Heermann in Cassel Heft 31 1923 99
Originalarbeiten. Die Verwendung sterilisierter Rin- derfascie zur Heilung des Totalprolapses Von Dr. Schubert, Beuthen (O.-Schl.) Heft 32 1923 101
1920
1922
1923
1924
1925
1926
1927
Braunspritze mit festem Metallansatz Heft 32 1923 104
Briefkasten. Intravenöse Infusion Doppelheft 34/35 1923 105
Für die Praxis. Über den gegenwärtigen Stand der Fabrikation chirurgischer Instrumente aus rostfreiem Krupp-Stahl Heft 38 1924 106
Originalarbeiten. Nahtlose Nervenvereinigung, ein Vorschlag Von S.-Rat Dr. Hügelmann, Chefarzt des Knapp- schafts-Krankenhauses Hohenmölsen Heft 41 1925 108
Für die Praxis. Ein praktischer Glaskonus für intra- venöse Einspritzungen Von Dr. Erich Eisner, Hindenburg (O.-Schl.) Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Strahlenbehandlung Heft 41 1925 109
Referate. Zur Technik der Lumbalpunktion Von Dr. S. Seeliger, Facharzt für innere Krankheiten Doppelheft 42/43 1925 110
Originalarbeiten. Aus dem Wilhelminenheim in Sindel- fingen bei Stuttgart (Leitender Arzt Dr, A. Gußmann). Apparat zur Transfusion von Citratblut Von Dr. A. Gußmann Heft 47 1926 116
Das Steril-Katgut-Kuhn. Ein Jubiläum Heft 47 1926 120
Ein Heißluftball für Injektionskanülen Heft 47 1926 124
Georg Wolfsohn: „Ober die Verwendung von tierischen Faszienfäden“ Aus Archiv für klin. Chirurgie, Band 147, Heft 3, Seite 479 Heft 51 1927 125
1928
Originalarbeiten. Gefäßchirurgie Von Prof. Dr. H. F. 0. Haberland, Köln Heft 55 1928 127
Die Technik der Bluttransfusion Von A. Tzanck Heft 55 1928 131
Aus der chirurg.-orthopäd. Klinik „Eduardus-Haus“ der Jos.-Gesellsch. in Köln. Resorbierbare Knochen- nägel Von Dr. Wiemers, Leiter der Klinik Doppelheft 58/59 1929 140
Aus dem Städt. Krankenhause Rathenow, Chefarzt Dr. A. Schäfer, Novutox, ein neues Lokalanästhetikum Von Dr. Hans Köhl Doppelheft 58/59 1929 142
Referate. Das Lokalanästhetikum „Novutox“ Von Polizei-Med.-Rat Dr. E. Bergin (Deutsche Medizin. Wochenschrift Nr. 44, Jahrg. 1929) Doppelheft 58/59 1929 143
Originalarbeiten. Über „physiologische Kochsalzlö- sungen“ und „Sterofundin“ Von Dr. F. Hammer Doppelheft 62/63 1931 144
Über den Bau der Submukosa des Dünndarms Von Bernd Braun Doppelheft 62/63 1931 147
Originalarbeiten. Über das „neue physiologische Nahtmaterial Carnofil“ Von Dr. Hammer, Melsungen Heft68 1935 151
Aus der Praxis — für die Praxis. Neue Nahtmaterial- Aufbewahrungs- und -Entnahmegefäße Heft68 1935 156
Sterosilk Heft68 1935 163
1929
1931
1935
1937
1938
1941
1948
1949
1950
Originalarbeiten. Synthofil, das neue synthetische Nahtmaterial Von Dr. B. Braun Heft 69 1937 164
Aus der Praxis — für die Praxis. Neuartige Stero- fundin-Ampulle und ihre Anwendung Heft 69 1937 170
Über die Verwendung physiologischer Infusions- lösungen Von Dr. B. Braun, Melsungen Heft 71 1938 171
Augenplomben Heft 72 1941 174
Zum Geleit! Heft 73 1948 180
Über ein neues, nichtresorbierbares chirurgisches Nahtmaterial Von Dr. B. Braun, Melsungen Heft 73 1948 181
Die Warburg-Apparatur. Modell Braun-Melsungen Von Dr. sc. nat. habil. K. Koch, Melsungen Heft 74 1949 185
Aus der Medizinischen Universitäts-Klinik Frankfurt/ Main, Dir. Prof. Dr. Dr. h. c. Franz Volhard. Perforationssicheres Sternalgerät (Punktionsgerät) nach Braun Von Dr. L. Heller Heft 74 1949 195
Referat aus Zbl. Chir. 75, S. 730-741. Collafil. Neue Möglichkeiten der Herstellung und Anwendung eines resorbierbaren Nahtmaterials von absoluter Sterilität Von Dr. Bernd Braun, Dr. Emil Braun und Dr. med. habil. Franz Niedner Heft 78 1950 202
211
Die modernen Kunststoffe und ihre Anwendung in
der Chirurgie
Von Dipl.-Chemiker u. Dr. med. B. Braun, Melsungen
Heft 81 1954
Kunststoffe in der Medizin
Heft 81 1954
Atraumatische Nadeln 218
Heft 81 1954
Aus der Rheinischen Landesfrauenklinik Wuppertal- 219
Elberfeld, Direktor: Prof. Dr. K. J. Anselmino. Zur
operativen Behandlung der schweren Harninkontinenz
der Frau. Eine vereinfachte Schlingenoperation unter
Verwendung von Perlonband
Von K. J. Anselmino
Heft 82 1954
Intravenöse und perorale Ernährungstherapie 221
Von Dr. F. Speier
Heft 82 1954
Aus der Lungenheilstätte Stadtwald-Melsungen, Chef- 224
arzt Dr. Thomsen. Infusionsbehandlung mit PAS
Von Dr. U. Bormann
Heft83 1955
Aus der Abteilung Apparatebau der Firma B. Braun. 226
Der Warburg-Apparat in der Klinik
Von Dipl.-Ing. O. Koelle
Heft 85 1956
Aus der Forschungsabteilung der Firma B. Braun, 229
Melsungen. Der Plastik-lnfusor. Eine Kombination
von Infusionsbehälter und Infusionsgerät aus Kunst-
stoff für sterile Infusionslösungen
Von Dr. B. Braun
Heft 86 1956
1954
1955
1956
Der Plastikinfusor
Heft 87 1957
233
1957
1960
1961
Neue Infusionsgeräte (Zwillingssysteme) 233
Heft 87 1957
1. Deutsches Elektrolyt-Symposium 234
Heft 88 1957
Aus der Praxis — für die Praxis 235
Fragen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes
Heft 87 1957
Verleihung des 1. Karl-Thomas-Preises, anläßlich des 237
3. Deutschen Symposiums über Fragen des Elektrolyt-
und Wasserhaushaltes
Heft 93 1960
ünita I und Unita II — Dauerinfusionsspritzen 239
Heft 93 1960
Aus der Praxis — für die Praxis 240
Peritofundin für die peritoneale Dialyse
Heft 95/96 1960
Heidelberger Verlängerungsstücke 241
Hest 95/96 1960
Sauerstoffbrille 241
Heft 95/96 1960
Braun-Portex-Sterilisationsfolie 241
Heft 95/96 1960
Aus der med.-wiss. Abteilung von B. Braun, 242
Melsungen. Die parenterale Ernährung mit Fett
Von Dr. rer. nat. H.-J. Kümmell
Heft 97 1961
Aus der med.-wiss. Abteilung von B. Braun, 251
Melsungen. Kritischer Rückblick auf durchgeführte
Elektrolyt-Symposien bzw. -Colloquien
Von Dr. med. Franz Speier
Heft 97 1961
Aus der Praxis — für die Praxis
Braunüle — die neue Plastikkanüle
Heft 97 1961
260
Symposium über die parenterale Ernährung
Sonderheft mit den Vorträgen des Elektrolyt-Sympo-
siums 1962
Symposium über I. Kunststoffe in der Medizin,
II. Osteogenese — Osteosynthese
Band 37 Heft 100 1963
Symposium über Coma hepaticum — Coma uraemicum
und Symposium über Intravenöse Ernährungs- und
Flüssigkeitstherapie bei kinderchirurgischen Erkran-
kungen
Band 37 Heft 101 1963
Symposium über I. latrogene Störungen des Wasser-
und Elektrolyt-Haushaltes, II. Intravenöse Ernährung
Band 39 Heft 103 1965
Symposium über I. Dialytische Behandlungsmethoden
renaler Erkrankungen
Band 39 Heft 104 1965
Symposium über I. Dialytische Behandlungsmethoden
renaler Erkrankungen, II. Postoperative Komplika-
tionen
Band 39 Heft 105 1965
Symposium über Schock und parenterale Ernährung
Band 40 Suppi. I 1966
Symposium über I. Metabolische Probleme in der
Chirurgie, II. Calciumstoffwechsel und Skelettbiody-
namik
Band 40 Heft 106 1966
Symposium über I. Metabolische Probleme in der
Chirurgie, II. Calciumstoffwechsel und Skelettbiody-
namik
Band 40 Heft 107 1966
Einführung in die Peritonealdialysetherapie. Nach ei-
nem Praktikum der Peritonealdialyse an der I. Medi-
zinischen Klinik der Freien Universität Berlin
Band 41 Suppi. I 1967
262
1962
263
1963
267
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1965
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1966
268
268
269
1967
269
1968
1969
Symposium über I. Prophylaxe und Therapie respira-
torischer Störungen, II. Transplantation kollagener
Gewebe
Band 41 Heft 108 1967
I. Intensivpflege und parenterale Ernährung
II. Wundheilungsstörungen
Band 41 Suppl. II 1967
Symposium der Ungarischen Chirurgischen Gesell-
schaft. Vorträge der deutschen Referenten
Band 42 Suppl. I 1968
Symposium über
I. a) Spätergebnisse des Kieler Knochenspans im
Vergleich zum autologen und homologen Span
b) Wirbelverblockung
II. Kreislauf-, Schock- und Stoffwechselprobleme bei
Neugeborenen und jungen Säuglingen
a) Schock- und Kollapsprobleme bei Neugebore-
nen und jungen Säuglingen
b) Parenterale Ernährung bei Neugeborenen und
Säuglingen
Diese Vorträge werden nicht als „Melsunger Me-
dizinische Mitteilungen" erscheinen, sondern als
Buch im Verlag Urban & Schwarzenberg
III. Anwendung von Klebstoffen in der Medizin
Band 42 Heft 110 1968
Symposium über die Bedeutung und Therapie von
Störungen des Säure-Basenhaushaltes in der klini-
schen Praxis und der Peritonealdialyse
Band 43 Suppl. I 1969
Symposium über Niere im Schock und Schockniere
Band 43 Suppl. II 1969
Lyophilisierte Dura
Struktur, Immunbiologie, Pathologische Anatomie und
Klinik
Band 43 Heft 112 1969
269
269
270
270
270
271
Die Intensivpflege der operativen Fächer I. Ausgewählte Kapitel der Intensivpflege II. Raumplanung einer Intensivpflegestation unter den Gesichtspunkten einer Organtransplantation III. Feststellung des Todes und die Beschaffung von Vitalkonserven IV. Ausgewählte Fragen der Intensivpflege Band 44 Heft 113 1970 271 1970
V. Round-Table-Konferenz über die Zusammenarbeit der Intensivpflege-Abteilung mit Bluttransfusions- dienst, Laboratorium und Röntgen-Abteilung sowie spezielle Fragen der postoperativen Schmerzbe- kämpfung in der Wachstation Band 44 Heft 114 1970 271
Symposium über Transplantation und Ersatz von Ge- webe Band 45 Suppl. II 1971 271 1971
Intensiv-Überwachung und -Therapie in der Geburts- hilfe und Gynäkologie Band 45 Heft 115 1971 271
Probleme der modernen parenteralen Ernährung Band 46 Suppl. I 1972 272 1972
Verletzungen peripherer Nerven Band 46 Heft 116 1972 272
Wundheilung und Wundverschluß Band 47 Heft 117 1973 272 1973
Symposium über Schock, Wasser- und Elektrolyt- haushalt, Parenterale Ernährung Band 48 Suppl. 1 1974 272 1974
Praxis der parenteralen Ernährung Band 48 Suppl. II 1974 272
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Melsunger
Medizinisch - pharmazeutische
Mitteilungen
aus Wissenschaft und Praxis
Heraasgegeben von der Firma
B. BRAUN-MELSUNGEN
Inhaber: Apotheker Carl Braun
gegründet 1839
Rosen-Apotbcke □ Fabrik pharmazeutischer Präparate □ Katgnt-Fabrlk.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Hans Braun, Melsungen.
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1916.
Melsungen.
Heft 1.
Zum Geleit.
Als ein Kriegskind kommt diese Zeitschrift zur Welt!
Sie soll dem Arzt zeigen, dass der Krieg unsere Werkstätten
des Geistes und der Hände nicht hat veröden lassen. Im Gegenteil!
Ein weites grosses Feld der Tätigkeit hat sich, wie auf allen Gebieten
des öffentlichen Lebens, auch der medizinisch-pharmazeutischen
Wissenschaft geöffnet. Der Krieg hat uns nicht gebunden — nein,
er hat uns frei gemacht. Wir wollen es deshalb auch mit diesem
Kriegskind so halten, wie es jetzt Brauches ist. Nicht reden, sondern
handeln.
Das Wort Bismarcks, mit welchem er das Deutsche Reich
einstens über die Taufe hielt, mag auch hier in abgeänderter Form
Anwendung finden; »In den Sattel ist es gesetzt, nun soll es zeigen,
dass es reiten kann«. Die Schriftleitung.
Die »M. M. M.« werden in zwangloser Reihenfolge erscheinen.
1
Über den Ersatz der Gummirohre
Melsunger
Medizinisch - pharmazeutische
Mitteilungen
aus Wissenschaft und Praxis
Herausgegeben von der Firma
B. BRAUN-MELSUNGEN
Inhaber: Apotheker Carl Braun
gegründet 1839
Rosen-Apotheke □ Fabrik pharmazeutischer Präparate □ Katmit-Fabrik.
Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Hans Braun, Melsungen.
1916.
Melsungen.
Heft I.
INHALT.
Originalarbeiten: Dr. Schepelmann: lieber den Ersatz der Gummirohre. — Dr. Fr.
Kuhn: Spare mit Katgut. — Dr. Hans Braun: Beiträge zur Geschichte des Lanolins. — Ans der
Praxis: Steril-Gläschen-Braun. — Pro- und Supinations-Stehschaukel.
OriginalarMten.
lieber den Ersatz der Gummirohre.
Von Dr. Emil Schepelmann, leitend. Arzt der chirurgischen Abteilung des
evangelischen Krankenhauses und des Speziallazaretts für verkrüppelte Krieger
in Hamborn am Khein.
Wenn auch schon im Frieden verschiedene Materialien als
Ersatz für Gummidrains eingeführt wurden und namentlich die
Glasdrains sich einer weiten Verbreitung erfreuten, so kann man
doch nicht leugnen, dass ein völliges Verzichten auf Gummidrains
schwer möglich ist. Bei allen Vorzügen der Glasdrains haftet ihnen
— abgesehen von dem keineswegs gleiehgiltigen Druck des
harten und schweren Materials auf empfindliche Gewebe — der
grosse und schwerwiegende Nachteil an, dass sie sich nicht einzeln
den augenblicklichen Anforderungen anpassen lassen, sondern dass
eine grosse Auswahl in dicken und dünnen, kurzen und langen,
geraden und gebogenen, rechtwinklich und schräg abgeschnittenen
Drains stets vorrätig gehalten werden muss; ein Gummirohr aber
1916
2
lässt sich, sobald man die Wahl bezüglich der Dicke getroffen, hin-
sichtlich Länge, Biegung, Schnitt, Beschaffenheit der Augen etc.
dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend zurichten.
Der Krieg bringt nun die Notwendigkeit grösster Sparsamkeit
mit unseren Gummivorräten mit sich, und die militärische Bedeutung
dieser Sparsamkeit lässt uns auch leicht über Unbequemlichkeiten
hinwegsehen, auf die wir uns im Frieden nicht eingelassen haben
würden. Während sonst die Einführung neuer Präparate oder Hilfs-
mittel die bessere Beschaffenheit derselben zur Voraussetzung hat
oder wenigstens haben sollte, darf es jetzt keineswegs allein darauf
ankommen, ein dem Gummi gleichwertiges (ein besseres ist wohl
überhaupt kaum denkbar) Material zu liefern, sondern nur ein
Material, welches bei bescheidenen Ansprüchen gestattet, mehr oder
weniger ganz auf das Gummi zu verzichten. In diesem Sinne möchte
ich meine in Gemeinschaft mit der Firma B. Braun in Melsungen
angestellten Versuche aufgefasst und von vornherein einen allzu
strengen Vergleich mit dem Gummi selbst ausgeschaltet wissen.
Wohl aber glaube ich behaupten zu dürfen, dass die von mir zu
beschreibende Ersatzmasse mit allen sonstigen Materialien, die zur
Drainage verwendet werden, namentlich mit Glas, die Probe aus-
halten wird.
Eine zweite wichtige Frage ist diejenige des Preises, wenn-
gleich sie unter den heutigen Verhältnissen nicht so bedeutungsvoll
ist als sonst, weil die Kriegswirtschaft uns auch ein Opfer in dieser
Beziehung verhältnismässig leicht machen würde. Indessen wird es
aller Wahrscheinlichkeit nach gelingen, den Preis unseres Gummi-
ersatzes weit unter den des natürlichen Gummis herabzudrücken,
weil wir uns eines Materials bedient haben, das bisher als wert-
loser Abfallstoff der Schlachthöfe betrachtet wurde: der tierischen
Schlagadern.
Die grosse Menge von Schlachttieren, die täglich allein für
das deutsche Heer benötigt wird, bietet eine sichere Gewähr, dass
auch eine genügende Zahl von Arterien gewonnen werden könnte,
um den Bedarf an ihnen in der Chirurgie zu decken.
Schon vor längerer Zeit hatte ich mich mit der Verwendung
tierischer Blutgefässe zur Trockenlegung beschäftigt,1) und so lag der
Gedanke nahe, aus ihnen durch weitere Präparation Materialien zu
gewinnen, deren physikalische Eigenschaften denen des Gummis
möglichst nahe kommen.
J) E Schepelmann. Experimente zur plastischen Ascitesdrainage, zugleich ein Beitrag
zur Histologie implantierter Formolgefässe. Yirchows Archiv für pathol Anatomie und Physiologie
und für klinische Medizin 214 Band 1913
Ders. Klinische Erfahrungen mit meiner Methode der plastischen Ascitesdrainage. Archiv
für klinische Chirurgie. Band 106 H. 4. 1915.
Fig. 2.
4
Zunächst versuchte ich es mit formolisierten Art. iliacae von
Kälbern; doch reichte ihre Elastizität nicht völlig aus: die Wand
gab dem Druck der Gewebe nach und machte eine wirksame
Trockenlegung2) unmöglich. Dasselbe ereignete sich mit jenen Arterien,
wenn sie leicht oder stark jodiert und dann in Alkohol auf bewahrt
waren. Ein dem Gummi jedoch — selbst in der Farbe — ausser-
ordentlich ähnliches Material wurde durch Gerben der Iliakalarterien
2) Drainage.
Fig. 3.
5
mit Lohe oder Tannin und Auf bewahren in Formol, Alkohol oder
wässeriger Jodlösung gewonnen; namentlich letztere eignet sich, weil
antiseptisch und gleichzeitig reizlos, gut zum Konservieren. Die
lohgegerbten Gefässe sehen braun, die ihnen aus hygienischen Gründen
vorziehenden tanningegerbten gelb aus, sind starr und doch genügend
elastisch, lassen sich bequem schneiden, perforieren, biegen etc. Die
glatte Intima sorgt für ungehinderten Durchfluss der Wundsekrete,
des Eiters, Blutes und dergleichen, während die nur ganz wenig
rauhe Oberfläche (Externa) das schmerzlose Gleiten in der Wunde
ermöglicht. Um aber auch letzteren Punkt noch mehr zu berück-
sichtigen, haben wir die Gefässe umgewendet, sodass die Intima
nach aussen, die Externa nach innen kam; nach der Gerbung war
dann die Oberfläche vollständig glatt und glänzend wie die des
natürlichen Gummis, und die Innenfläche nach sorgfältiger Säuberung
von anhängenden Gewebsteilen, Gefässästen etc. und Aufspannen
auf Glasstäben ebenfalls glatt genug, um dem Wundsekret nicht
stö.end entgegen zu stehen. Die Festigkeit der Arterien reicht
völlig aus, um eine Sicherheitsnadel anzubringen und um beim Ent-
fernen des Drains nach längerem Verweilen in der Wunde einen
Bruch zu verhüten.
Wie beim Gummi, so hält man sich auch hier verschiedene
Stärken vorrätig und gewinnt in jedem einzelnen Falle die Länge
durch Abschneiden mit der Schere; auch die Seitenlöcher — Augen
— bringt man mit Cooperscher Schere an. Der Länge ist aller-
dings nach oben hin durch die natürliche Länge der Arterien eine
Grenze gesetzt; sie beträgt bei Kalbsbeckenschlagadern etwa 20 cm,
bei Aorten 30 cm, also ein Mass, das wohl für die meisten Drai-
nagen ausreicheu dürfte.
Weitere Versuche ergaben nun, dass auch andere Schlagadern,
namentlich aber Carotis und Aorta von Kälbern, Schweinen und
Schafen sehr brauchbar für die Zwecke der Trockenlegung sind; durch
die Verwendung solcher verschiedener Gefässe von verschiedenen
Tieren gelingt es dann leicht, eine ganze Serie von Drain-Nummern
zu schaffen, die den meisten Ansprüchen in der Chirurgie genügen
können. Die stärksten, aus Rindsaorten gewonnenen Präparate
haben eine Länge von 30 cm und einen Durchmesser von 4 cm
oder mehr, die kleinsten von Halsschlagadern von Schafen sind von
der Stärke eines dünnen Taschenbleistiftes. Noch dünnere Drains
würde man bei Benutzung der Halsschlagadern von kleineren Haus-
tieren erhalten können, doch haben wir vorläufig von ihrer Her-
stellung abgesehen.
Die an sich schon starre Aorta habe ich auch in manchen
| Fällen ungegerbt, einfach in Formol gehärtet, benutzt, doch ist es
dann erforderlich, sie vor Gebrauch gut in steriler Kochsalzlösung
zu wässern, mindestens 24 Stunden, weil sonst das Formol einen dele-
j tären Einfluss auf die benachbarten Gewebe ausüben konnte, wie ich es
in Tierversuchen in Gestalt langwieriger, tiefgreifender Nekrosen be-
I obachtet habe. Dass sonst die Asepsis der formolisierten Gefässe garan-
tiert ist, geht am besten aus meinen früheren Experimenten hervor, wo
; ■ . ich doch derart behandelte Gefässe bei Tieren und Menschen dauernd
zur Einheilung brachte (siehe Figur 1 und 2). Auch die gegerbten
; und in wässeriger Jodlösung auf bewahrten Schlagadern lassen In-
fektionen nicht befürchten. Die Art der Präparation und die voll-
ständige Durchtränkung mit Jod werden für die Keimfreiheit der
Präparate, die ich in zahlreichen Fällen von aseptischen und sep-
tischen Operationen ohne den geringsten Nachteil angewendet habe,
: bürgen. Was die Haltbarbeit betrifft, so können die Schlagadern
Fig. 4.
im Gegensatz zum Gummi monate- bis jahrelang vor der Ver-
wendung aufbewahrt werden, ohne auch nur im geringsten an ihrer
Güte Einbusse zu erleiden. Bezüglich der Formolgefässe reicht
meine eigene Erfahrung bereits über fünf Jahre zurück, während
welcher ich sie in Gläsern wie das nebenstehend abgebildete
(Figur 3) aufbewahrte und sogar beobachten konnte, dass ihre
Brauchbarkeit zum Zwecke der Trockenlegung mit der Zeit noch
wuchs.
Von Wichtigkeit ist nun das Verhalten der Adern in der
Wunde; man muss da von vornherein unterscheiden zwischen Aorten
7
und distalen Körperschlagadern. Während die Aorten infolge ihrer
sehr dicken Wandungen dauernd starr und elastisch bleiben und
sich zum Beispiel in meinen früheren Versuchen auch nach Monaten
im menschlichen Körper von den Bauchdecken nicht zusammen-
pressen Hessen (Figur 4), sind die Becken- und Halsschlagadern
Fig. 5.
weniger widerstandsfähig und geben in manchen Fällen nach einiger
Zeit dem Druck der Körpergewebe etwas nach, sodass das Lumen
etwas abgeflacht wird; eine Störung der Trockenlegung habe ich dadurch
jedoch nicht beobachtet; bei aseptischen Wunden kommt dieser Um-
stand auch weniger in Frage, weil man die Drains für gewöhnlich
nach 1 bis 2 Tagen aus der Wunde entfernen wird; bei septischen
Wunden hingegen, wo täglicher Drain Wechsel die Kegel, ist man
bei Verwendung der distalen Körperschlagadern gezwungen, nach
einigen Tagen ein neues Drain zu nehmen. Die Wiederverwendung
8
der Arterien für andere Patienten, wie es beim Gummi durch Aus-
kochen möglich ist, ist nicht statthaft. Gebrauchte Arterien werden
vielmehr vernichtet; nur beim Drainwechsel am selben Patienten
lassen sie sich durch fliessenden Wasserstrom ausspülen und dann
in Sublimat, Alkohol oder wässeriger Jodlösung desinfizieren.
Während sich für Krankenanstalten die Konservierung der
gegerbten oder formolisierten Arterien in den oben beschriebenen
grossen Standgefässen empfiehlt, bringt die Firma B. Braun in
Melsungen zu Versuchen oder für Bedarf im Kleinen Glasröhren
(Fig. 5) in den Handel, in denen die Ersatzdrains luftdicht und
keimfrei eingeschlossen sind und aus denen sie nötigenfalls durch
Abbrechen des oberen Teiles des Röhrchens entnommen werden.
(Fig. 6.)
Von den zahlreichen von uns angestellten Versuchen ist noch
einer erwähnenswert, nämlich das intensive Jodieren frischer Gefässe
und nachherige Aufbewahren der getrockneten Stücke in
Glyzerin; man erhält auf diese Weise nach dem Umwenden der
Gefässe ausserordentlich glatte und schlüpfrige, dabei sehr starr-
elastische Röhren, die durch Schrumpfung auf ein Drittel des Durch-
messers im frischen Zustande gestatten, sehr dünne Drains herzu-
stellen. Während der Kriegszeit kommt mit Rücksicht auf unsere
Pflicht zur Sparsamkeit mit Glyzerin die Aufbewahrung in ihm
zwar nicht in Frage, doch lässt sich ein ganz ähnlicher Erfolg mit
dem Ersatzstoff Perka-GIyzerin erzielen.
Beiträge zur Geschichte des Lanolins
Beiträge zur Gescliieilte des Lanolins.
Von Dr. Hans Braun.
Das Wort Lanolin, ist mit dem Namen des berliner Pharmako-
logen Liebreich eng verknüpft. In der Literatur ist immer nur
von Lanolin-Liebreich die Rede, und es dürfte an der Zeit sein,
besonders, da die beiden beteiligten Leute nicht mehr am Leben
sind, über den geschichtlichen Hergang der Entdeckung des heutigen
Lanolins etwas Klarheit zu verbreiten.
Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass das Wollfett bereits
den alten Griechen bekannt war, welche es zum Einsalben des
Körpers benutzten, ehe sie zum Ringkampf in das Gymnasium
hinauszogen. In Johann Jakob Woyts »Gazophylacium medico-physi-
cum«, Leipzig 1761, Seite 584 findet sich weiter folgende Bemerkung:
»Das Wollfett ist diejenige Schmeere und Fettigkeit, welche, wenn
man die gemeine Schaafwolle waschet, oder in warmem Wasser siedet,
oben auf dem Wasser schwimmet, welche abgeschäumet durch ein
Tuch gedrückt und in kleine Fässlein geschlagen wird; muss neu
gemachet, frisch, nicht stinkend seyn, und graulicht weiss aussehen.«
Liebreichs Verdienst ist es, ihn in reinerer Form als Lanolin wieder
in die Medizin eingeführt zu haben.*)
Liebreich ist aber nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen,
sondern sowohl das Präparat wie das Wort Lanolin stammt aus der
Rosen-Apotheke in Melsungen.
Als der Apotheker Julius Wilhelm Braun, der im Jahre 1839
nach Melsungen gekommen war, das Zeitliche gesegnet hatte, hinter-
liess er drei Söhne. Bernhard, der ältere, übernahm das väterliche
Geschäft, Otto, der zweite (ein früherer Schüler Bunsens), hatte im
Anschluss an das Apotheken-Laboratorium eine kleine Untersuchungs-
station eingerichtet, in welcher er hauptsächlich über die Reinigung
des Wollfettes arbeitete. Die melsunger Tuchfabrikanten hatten ihn
zu dieser Arbeit angeregt und schliesslich wurde aus den Versuchen
ein kleines Fabrikunternehmen. Das aus den Woll wasch wässern
gewonnene Fett, eine braunschwarze, schmierige Masse, wurde zu
allerlei Schmiermaterialien, Stiefelwichse und dergleichen verarbeitet.
Als das Unternehmen grösser zu werden begann, verlegte
Dr. Otto Braun seine Fabrik von Melsungen nach Berlin, um sie
dort in Gemeinschaft mit seinem Bruder Georg, der den kauf-
männischen Teil des Unternehmens leitete, zu erweitern und zu ver-
grössern. Die Erfolge der Firma Brüder Braun waren zunächst
*) Real-Enzyklopädie der gesamten Pharmacie. Bd. 1, Seite 248.
1916
10
wenig gute. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 hemmte die
Entwicklung des Unternehmens ganz bedeutend. Schliesslich wurde
die Fabrikation nach Belgien verlegt in den Mittelpunkt der Textil-
industrie.
Inzwischen hatte Otto Braun sich einem anderen Gedanken
zugewendet, welcher dazu führte, eine Milch-Zentrifuge so zu kon-
struieren, dass die Sahne gleichmässig auf der einen, die entrahmte
Milch auf der anderen Seite abfloss. Nun nahm Otto Braun seinen
alten Gedanken über die Reinigung des Wollfettes wieder auf, und
es gelang ihm, mit Hilfe dieser ersten kontinuierlich arbeitenden
Milch-Zentrifuge ein fast reinweisses Präparat zu erhalten. Er nannte
den neuen Körper „Lanolin“ und trat mit Liebreich in Verbindung,
welchem dann das Verdienst zugefallen ist, den neuen und doch
alten Fettkörper der Medizin als eine äusserst wichtige Salben-
grundlage zugeführt zu haben. Es hat zwischen Braun und Lieb-
reich noch viele Jahre ein Prozess geschwebt, der zu Brauns
Gunsten entschieden wurde. Doch hierüber möge Gras gewachsen
bleiben. Uns liegt nur daran, an dieser Stelle festgestellt zu haben,
dass das Lanolin eng mit der Geschichte der Rosenapotheke in
Melsungen verknüpft ist.
11
Sterile Arterien zur Umhülsung bei der
Sehnennaht
Gallertröhrchen
Sterile Arterien zur Umhülsung bei der Sehuenuaht.
Um zu verhindern, dass fremdes Gewebe sich in die Sehnen-
naht hineindrängt, hat sich zur Umhülsung dieser Nähte, besonders
bei starken Sehnen, die Anwendung von Arterien sehr gut bewährt.
Um die Resorption des fremden Körpers zu verzögern, und
dadurch die Naht möglichst lange zu schützen, sind die Arterien
mit Jod behandelt. Es handelt sich in diesen Fällen um die Illiaca
des Rindes. Ihre Gerbung schliesst gleichzeitig eine gute Desinfektion
in sich und hat sich bis jetzt ganz gut bewährt.
Gallertröhrcheu.
In einer Arbeit über die Regeneration des entarteten Nerven,
D. med. W. No. 25. 1917, die sich im Wesentlichen mit den his-
tologischen Vorgängen beschäftigt, schreibt Herr Prof. Edinger
über die Agarröhrchen das Folgende:
»Im Februar 1916 habe ich den Vorschlag gemacht, zwischen
das zentrale und das peripherische Stück eines getrennten Nerven
eine mit einer gallertigen Substanz gefüllte Röhre zu schalten.
Dem lag theoretisch der Gedanke zugrunde, dass die zentrale Faser
allemal auswächst, wenn ihr kein Widerstand entgegensteht, etwas,
was experimentell oft nachgewiesen war. Unbekannt war, wie lange
das zentrale Stück werden kann ohne Beihilfe des peripherischen,
unbekannt, ob auch gerade Agar, das als Zwischensubstanz versucht
wurde, das geeignetste als Füllmasse wäre. Das wurde auch nicht
verschwiegen, auch zunächst von Tierversuchen abgesehen, weil es
eben darauf ankam zu erfahren, wie das Verhalten am Menschen
sich gestaltete. Inzwischen habe ich, experimentell trefflich unter-
stützt von den Herren Enderlen und Lobbenhofer in Würzburg,
zahlreiche Tierversuche mit der Silbermethode Bielschowskis
nachprüfen können, habe auch klinische Erfahrungen gesammelt
und habe dabei erfahren müssen, dass Agar leider total versagt,
weil es in Kochsalzlösungen — und wohl auch im Serum — durch
Diffusion knorpelhart wird. Das war schon im Sommer 1916
erkannt, und ich habe die ausführende Firma Braun in Melsungen,
der ich für ihre nicht erlahmende Hilfe bei den zahlreichen Vor-
versuchen sehr dankbar bin, sofort davon in Kenntnis gesetzt.
Auf Enderlens Wunsch hin unterblieb damals eine literarische
Mitteilung, weil ein besseres Verfahren in Aussicht stand und
dieses zugleich mit dem Zurückziehen des ersten Vorschlages ver-
1917
1917
12
öffentlicht werden sollte. Inzwischen haben die Herren Spielmeyer
und Wollenberg mitgeteilt, was wir aus ganz den gleichen Prä-
paraten, wie jene sie abbilden, gut bekannt war, dass die Nerven
nicht durch das Agar hindurch wachsen, dass ihre Enden vielmehr
Neurome bilden. Der Agar zerfällt in Kugeln, diese werden von
Fresszellen aufgenommen, und durch die frei werdenden Räume
ziehen dann nur zuweilen einige wenige Fasern. In voller Ueber-
einstimmung mit mir haben dann, die Spielmayersche Mitteilung
beantwortend, Enderlen und Lobbenhofer das alles mitgeteilt,
sie haben dann darauf hinweisen können, dass in den Hundever-
suchen, die wir anstellten, eine Füllung mit Eigenserum des Tieres
ganz andere Resultate gab. Hier wurde ein mehrere Zentimeter
grosser Zwischenraum glatt von den reichlichsten Fasern durch-
wachsen. Diese Versuche, speziell auch ihre Uebertragung auf den
Menschen, sollen später, wenn man genügende Erfahrung hat, mit-
geteilt werden. Irgendeine Polemik zwischen den Würzburger
Herren und mir, wie es nach der Wollenbergschen Mitteilung
scheinen möchte, besteht natürlich nicht, wir arbeiten zusammen
dem gleichen Ziele zu.
13
Achtzig Jahre B. Braun-Melsungen
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Melsunger
Medizinisch - pharmazeutisch©
Mitteilungen
aus Wissenschaft und Praxis
Herausgegeben von der Firma
B. BRAUN-MELSUNGEN
Inhaber: Apotheker Carl Braun
gegründet 1839
KoRem-Apotheke □ Fabrik pharmazeutischer Präparate □ Katgut-Fabrlk.
Verantwortlich: Dr. Hans Braun, Melsungen.
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Melsungen.
Heft 11.
Achtzig Jahre „Braun-Melsungen“.
Ein Rückblick in die Vergangenheit bei der Einweihung der
neuen Fabrik-Anlage.
Von Dr. Hans Braun.
Die Firma B. Braun hat ein neues Heim bezogen, ein Umstand,
der Veranlassung gibt, einmal rückwärts zu schauen und die Ent-
wicklung von ihren kleinen Anfängen an bis auf den heutigen Tag,
der Zeitraum reicht über 80 Jahre, zu verfolgen.
In der dritten Geschlechtsfolge schon befindet sich das Geschäft
in der Hand einer Familie. In heutiger Zeit eine Seltenheit. Aus
der hiesigen Apotheke heraus hat sich unter den fleissigen Händen
von drei Besitzern im Laufe der Zeit ein Unternehmen entwickelt,
welches das Schlagwort »B. Braun, Melsungen« über Europa hinaus
in alle Kulturländer trug und es bei Aerzten und Apothekern
bekannt machte. Aus kleinen unscheinbaren Anfängen hat sich ein
Weltgeschäft entwickelt, welches dem alten Julius Wilhelm Braun,
der am 5. Dezember 1835 die Verwaltung der hiesigen BrambeeF-
schen Apotheke übernommen, gewiss nicht vorgeschwebt hatte, und
woran auch Bernhard, sein ältester Sohn, noch nicht gedacht haben
1919
14
mag. Wie das alles so gekommen, wie die Brauns überhaupt zu
einer ausgesprochenen Apothekerfamilie wurden, ähnlich wie die
Merck, Trommsdorf, Krause, Scheering, Mylius und manche andere,
das alles sind Nachrichten, die zwei bis drei Jahrhunderte zurück-
reichen.
Die Vorliebe für die Pharmazie vererbte sich nicht im Mannes-
stamm, sie wurde vielmehr von weiblicher Linie in die Familie
Braun hineingetragen. Es ist nicht gelungen, unter den Familien-
nachrichten der Brauns, deren Kunde bis in das 13. Jahrhundert
reicht, einen Apotheker zu entdecken. Die meisten Mitglieder des
Geschlechtes Braun, ehedem in Fritzlar ansässig, waren in der Zeit
der Gegenreformation (Anfang des 17. Jahrhunderts) genötigt gewesen,
die Mauern ihrer Vaterstadt zu verlassen. Cuius regio, illius religio.
Das heisst, der Landesherr hat den Glauben seiner Untertanen zu
bestimmen. Die Brauns als richtige hessische Dickköpfe wollten
sich damals den Anordnungen des Erzbischofs und Kurfürsten von
Mainz nicht fügen und wanderten von Fritzlar — heute noch eine
katholische Insel im protestantischen Hessen — nach dem nahe-
gelegenen hessischen Obermöllrich aus. So wurden die Städter zu
Bauern, bis nach dem dreissigjährigen Krieg ein Angehöriger unserer
Sippe durch die Gnade des Landgrafen Carl als Vogt der Eisen-
hütte des Klosters Haina zu Fischbach angestellt wurde. Die
Tätigkeit eines Hüttenvogtes würden wir heute etwa mit der eines
technischen Leiters benennen.
Die Söhne des Hüttenvogtes zogen nach Cassel und wurden
dort Handwerker, meistens Sattler, und verschwägerten sich u. a.
auch mit der Kupferschmiedefamilie Kraut und Francke. Ein
Francke hat die Kupferarbeiten am Hessendenkmal in Frankfurt
a. M. ausgeführt, sein Schwiegervater aber war jener Otto Küper,
der den Herkules auf Wilhelmshöhe getrieben, der jetzt zwei Jahr-
hunderte lang in das Fuldatal hinabsieht und uns Brauns stets
eine stille Mahnung ist, der Ahnen und ihrer Werke nicht zu ver-
gessen.
Doch nun zu der weiblichen Linie, welche die Beziehungen
zur Pharmazie in die Braun'sche Familie trug.
War da etwa um das Jahr 1597 herum ein Valten Ranspach
nach Cassel gekommen. Woher, konnte nicht festgestellt werden.
1607 erwarb er das Bürgerrecht der Stadt Cassel — so meldet das
erste Casseler Bürgerbnch. Und bald finden wir den Sattler Rans-
pach auch als Mitglied des Bundes der Hansegrebeiv — eine logen-
artige Vereinigung von Handwerkern und Kaufleu.ten, welche in
ihrer Bedeutung für die Gesamtheit etwa den heutigen Handels-
kammern entspricht. Zu beachten ist hierbei, dass die öffentliche
15
Stellung der Handwerker und Kaufleute damals eine ganz andere
gewesen ist als heute. Wir wollen uns doch nur daran erinnern,
dass der Sänger und Dichter Hans Sachs sogar Schuhmacher gewesen
ist. Der Sänger und Dichter hat es viele gegeben, aber einen, der
zugleich Schuhmacher war, das war damals einzig. Reichte doch,
um ein anderes Beispiel zu nennen, der Einfluss der Schmalkal-
dischen Stahlschmiedemeister, die nur mit einem oder zwei Gesellen
arbeiten durften, schon zu Zeiten Luthers weit über die Grenze des
Reiches hinaus. Es dürfte nicht jedem bekannt sein, dass der Ein-
fluss des Eisen- und Stahlschmiedemeisters Valentin Röder, ein
Vorfahre des preussischen Finanzministers, soweit ging (er hatte in
Leipzig und Jena die Universitäten besucht), dass er — es war Ende
des 17. Jahrhunderts — die Preise für Kleinhandwerkszeug für ganz
Mitteleuropa diktierte. Seine Geschäftsverbindungen reichten bis
über Moskau hinaus. Gerade an diesem Beispiel sieht man, wie
geistige Veranlagungen sich vererben. Es ist doch offenbar, dass
dem heutigen Röder von seinem Ahnherrn Valentin Finanz-Fähige
keiten überkommen sind.
Eine Enkeltochter jenes erwähnten Valten Ranspach heiratete
1699 den Hofsattler Melchior Braun. Ein Bruder der jungen Frau
übte als Pfarrer in Heiligenrode bei Cassel die Seelsorge aus. Wenn
wir also in der nächsten Generation diese Namen gegenseitig als
Paten in den Familien finden, so ist das etwas ganz selbstver-
ständliches.
Ein Bruder der Gertrud Elisabeth Braun geborenen Rans-
pach ist der Hofsattlermeister Johannes Ranspach, bei dessen
zweitem Kind 1722 zum ersten Male eine Beziehung zur Apo-
thekerei nachzuweisen ist. Im Taufregister der Freiheiter-Gemeinde
zu Cassel wird als Pate Johann Wilhelm Arnold »ein apoteker-
gesell« genannt.
Dorothea Elisabeth, des Pfarrer Ranspachs Tochter war in
erster Ehe verheiratet mit Heinrich Mönch, dem Besitzer der Ein-
horn-Apotheke in Cassel, in zweiter Ehe mit Friedrich August
Rüde, dem Besitzer der Casseler Rosen-Apotheke, die damals noch
am Marställer Platz lag — die heutige Hofapotheke. Die Söhne
aus beiden Ehen haben ausgesprochene pharmazeutische Veranlagung
von ihren Vätern geerbt.
Conrad Mönch, der die väterliche' Einhorn-Apotheke über-
nommen hatte, war ein Mann, dessen Bedeutung weit über den
Rahmen seines Faches hinausging. Seine pharmazeutische Tätigkeit
hatte er in Süddeutschland und in der Schweiz begonnen, hatte
dann in Strassburg die Vorlesungen Spielmanns über Chemie,
Botanik und auch physiologische Kollegs besucht. Die naturwissen-
16
schaftliche Literatur verdankt ihm eine Reihe wichtiger Veröffent-
lichungen über Untersuchungen der hessischen Flora und Mineralien.
Diese Arbeiten sind erschienen in
»Beckmanns physikalisch-oekonomischer Bibliothek«;
»Erlangischen Beiträge«;
»Zeitung für Staats- und Gelehrten-Sachen in Frankfurt«;
»Allgemeinen deutschen Bibliographie«;
»üsters Magazin für die Botanik in Zürich«;
»CrelFs chemischen Journal«;
»Grelles neusten Entdeckungen in der Chemie«;
»Leipziger Gelehrteu-Zeitung«;
»Hessischen Beiträge für Gelehrsamkeit und Kunst«;
»Casselischen Polizey- und Gommers-Zeitung«;
»Baldingers medizinischen Journal«
und in anderen Blättern.
Hofrat Dr. med. Conrad Mönch war später Professor der
Chemie und Botanik an der Universität Marburg und starb am
2. Januar 1785.
Mönchs Halbbruder, Dr. pharm. Georg Wilhelm Rüde, der von
seinem Vater die Casseler Rosen-Apotheke geerbt hatte, war
Medizinal-Assessor und Dozent an der Akademia Carolina.
Mönch sowohl wie Rüde haben auf die Braun’schen Kinder,
deren Paten sie gewesen, einen grossen Einfluss ausgeübt in jeg-
licher Beziehung. Die ausgestopften Krokodile, die grossen See-
igel oder Teufelsfische, die damals in jeder Apotheke über dem
Rezeptiertisch hingen, und beim Oeffnen der Apothekentür im Zug-
wind langsam hin und her schaukelten, reizten die Phantasie der
Kinder schon frühzeitig. Die pharmazeutischen Zuckerwaren der
damaligen Zeit, Morsellen, Confectio Citri, Confectio Zingiberis waren
etwas für den Gaumen derber Jungen, und der schleckerige Leder-
zucker und die Zuckersteinchen etwas für kleine Mädchen. Zucker
war damals noch mehr als jetzt zur Zeit des Weltkrieges eine grosse
Seltenheit und in den Familien wurde er in den heute noch bekann-
ten verschliessbaren Zuckerdosen aufbewahrt, deren Schlüsselchen
die Mutter am Bunde führte.
Friedrich August Braun, ein Patenkind des alten Friedrich
August Rüde, war in der Apotheke seines Paten auch ausgebildet
worden und hat dann 1799 die »Neue Apotheke«, die heutige Adler-
Apotheke in Eschwege übernommen, welche immer noch im Besitz
seiner Erben ist (die Eschweger Linie der Familie Braun).
Rüde und Mönch sind es vermutlich auch gewesen, welche
Friedrich August Braun dazu veranlasst haben, in der Schweiz und
in Frankreich, in Süddeutschland, in Bremen und in Hamburg
17
pharmazeutische Fachkenntnisse zu sammeln, Friedrich August
Braun war der zweitjüngete Sohn des Hofsattlermeisters Johannes
Braun, eines sechzehnfachen Vaters, welcher die schwere Zeit des
siebenjährigen Krieges in Cassel mit durchgemacht hat.
Cassel gehört zu den wenigen Städten des Deutschen Reiches,
an dessen Mauern die stürmischen Wogen des dreissigjährigen
Krieges abgebrandet waren, ohne das Innere der Stadt zu verletzen.
Im siebenjährigen Krieg aber, als die hessischen Truppen neben
Friedrich dem Grossen in Schlesien gegen Oesterreich siegreich
fochten, rückte der Franzose in das entblösste Cassel ein. Ein
Rauben, Morden, Sengen und Brehnen begann, und was nicht niet-
und nagelfest war, dessen die Eroberer mitgehen. Damals gaben
die Casseler Familien nicht nur alles bare Geld, allen alten Gold-
schmuck, alles Silberzeug für das Vaterland, auch alles Kupfer- und
Zinngeschirr verschwand aus den Casseler Küchen und Stuben.
Damals haben unsere Ahnen kennen gelernt, was es heisst, unter
französischer Herrschaft leben zu müssen, und wer heute spricht, es
sei ihm gleichgiltig, ob der Staat von Deutschen oder Franzosen
beherrscht werde, der versündigt sich an seinen Eltern, der frevelt
gegen sein eigenes Fleisch und Blut. Alle, die so denken, sollten
die Geschichte des siebenjährigen Krieges lesen*) und die Zeit von
1806 bis 1814, sie würden dann erfahren, welche Qualen und
welches Elend die Franzosen über unser hessisches Volk gebracht
haben. Der dreissigjährige Krieg mit allen seinen Opfern an Gut
und Blut hat dem Hessenlande nicht so geschadet, als der sieben-
jährige Krieg mit seinem Verderb der Sitten*) und der Kultur in
jeder Beziehung. Damals, im siebenjährigen Krieg und 1806 ist
das Hessenland wirklich arm geworden. Und wenn der liebe Herr-
gott nicht ein Wunder geschehen lässt, wird es dem heutigen Volke
noch viel schlechter ergehen als unseren Vorfahren.
Als dann endlich unter der Führung des Herzogs Ferdi-
nand von Braunschweig hessische Truppen anrückten und Cassel
belagerten, das von Franzosen verteidigt wurde, benutzten die
Fremden, von aller Einfuhr abgeschnitten, das Mobiliar als Brenn-
holz, die Türen wurden zerschlagen, Häuser eingerissen, um Feuerungs-
stoff zu bekommen. Es gab in Cassel kein unversehrtes Haus mehr.
Und in der napoleonischen Zeit ist es trotz der Freiheit, die
1789 die französische Revolution gebracht, um keinen Deut besser
1) Brunner: Cassel im siebenjährigen Krieg.
Brunner: Geschichte der Residenzstadt Cassel.
2) Brunner: Cassel im siebenjährigen Krieg; Seite 189. Auf 6 Kinder
kamen 1762 zwei uneheliche.
18
bei uns gewesen. Kriegssteuern wurden von dem Franzmann mit
unerhörter Härte erhoben, bis die Kassen des Staates, der Städte
und der Bürger geleert waren. Wie tief diese Kriegssteuerlasten
*uf dem deutschen Volke ruhten, Jahrzehnte, ja mehr als ein Jahr-
hundert lang, geht daraus hervor, dass z. B. die Stadt Königsberg
i. Pr. 1912 die Kriegsschuld noch nicht abgetragen hatte, die 1807
»ufgenommen werden musste, um die Einäscherung der Stadt zu
verhüten und den Forderungen der Franzosen gerecht zu werden.
Die Schuld wurde 1913 auf Staatsrechnung übernommen.
Die jungen und alten Männer wurden 1807 ausgehoben, um
in französischen Regimentern Kriegsdienste zu leisten gegen England
und Russland. Hunderttausende kehrten nicht wieder und mussten
elend auf russischen Eisfeldern verhungern und erfrieren. Das war
französische Herrschaft, nach der sich mancher heute sehnt in
törichter Verblendung und Unkenntnis. Und als der Hesse endlich
wieder sein rot-weisses Banner über dem alten Landgrafenschloss
— heute steht der Justizpalast dort — aufsteigen sah (1813), war
die ganze Bevölkerung an den Bettelstab gekommen. Unsere Ahnen
haben damals hungern und darben müssen, es gab keine Kleidung
und keine Arbeit — nur Armut und Elend.
Auch der Familie Braun war 1762 alles genommen. Der Hof-
sattlermeister Johannes Braun, ein wohlhabender Bürger Cassels,
mit seinem reichen Kindersegen war gänzlich verarmt. Der Vater
war alt und grau, und die Mutter krank und elend. Den Eltern
blutete das Herz, wenn sie die Kinder hungrig in das Bett schicken
mussten und ihnen statt Brot nur Worte bieten konnten. Alte
schriftliche Nachrichten berichten uns, wie .Johannes Braun um
Arbeit gebettelt. So arm war das Land, dass selbst der Landgraf
nicht helfen, keine Arbeit vergeben konnte. Das Herz zittert jedem,
wenn er solches in den alten Akten liest. Und solche Jahre stehen
wieder vor der Tür.
In jener furchtbaren Zeit übernahm der zweitjüngste Sohn des
Johannes Braun, Ludwig Theodor, mit starker Hand die Leitung
der Geschicke seiner Geschwister. Seinem Bruder Friedrich August
Braun konnte er sogar in späteren Jahren, wie erwähnt, die Esch-
weger Apotheke kaufen, seinem Sohn Heinrich August Braun aber
die Löwen-Apotheke in Cassel und seinem jüngsten Sohn Julius
Wilhelm Braun die BrambeePsche Apotheke in Melsungen.
Ludwig Theodor Brauns Grabstätte auf dem heutigen Luther-
platz in Cassel ist noch erhalten. Sie wird immer noch geschmückt
in Erinnerung daran, dass er der Wohltäter der ganzen Familie
gewesen. Die Alten zeigen den Jungen gern die Ruhestätte eines
Mannes, der allen als leuchtendes Vorbild inniger Eltern- und
Geschwisterliebe, aber auch allgemeiner christlicher Nächstenliebe
genannt werden kann.
Als Julius Braun nach Melsungen kam, wusste er, was er
wollte. Reiche Fachkenntnisse standen ihm zur Seite. Wie seine
Verwandten Mönch und Rüde war auch er in grossstädtischen
Apotheken, in Berlin, Hamburg und Bremen tätig gewesen. In
kaufmännischer Beziehung brachte er ebenfalls reiche Erfahrungen
mit, die er hauptsächlich seinem Vater verdankte. Hatte dieser
doch zu den Männern gehört, welche in Cassel Sturm gelaufen
hatten gegen das veraltete Zunftwesen. Ludwig Theodor Braun
war trotz seiner freiheitlichen Gesinnung, oder vielleicht auch gerade
deshalb Obermeister der Sattlerzunft gewesen Jahrzehnte lang, und
hatte in seinen Bestrebungen in dem Vater seiner Schwiegertochter,
dem Kommerzienrat Nerong, Inhaber der Kattun- und Zitzfabrik in
Bettenhausen in Firma Ahnesorge u. Co., reiche Unterstützung
gefunden.
Während der Landgraf Carl zu Anfang des 18. Jahrhunderts
seine ganze staatsmännische Kunst dazu aufgeboten hatte, in den
Städten des Hessenlandes Industrie zu wecken und die Gewerbe
zu pflegen, hatte der letzte Landgraf und erste Kurfürst Wilhelm
hundert Jahre später andere Ansichten. Ein bis auf die Knochen
konservativer Herr, der nach seiner Rückkehr aus der Verbannung
1814 bei den Soldaten sogar den Zopf wieder einführen wollte,
schraubte Industrie und Gewerbe rückwärts, war jeglicher Neuerung
abgeneigt und hat in dieser Beziehung wenig zum Segen seines
Landes gewirkt. Die Zunftgesetze schränkten die Betriebe in enge
Bande ein in Bezug auf die Art der Arbeit und die Arbeiterzahl.
Schliesslich war es Ludwig Theodor doch gelungen, aus einer be-
scheidenen Werkstatt ein Unternehmen aufzubauen, welches heute
noch in Cassel besteht, die Firma Coss, Wagenbau-Anstalt in der
Unteren Königstrasse.
Mit ähnlichen Kämpfen war auch das Leben des alten Nerong
ausgefüllt gewesen, des Schwiegervaters des Casseler Löwen-Apo-
thekers. Das Streben und die Kämpfe dieser Männer mussten ganz
selbstverständlich auch die Interessen der Söhne berühren und auf
deren Lebensanschauungen einwirken. Ihr Gesichtskreis wurde
erweitert, sie lernten schon frühzeitig durch die Unterhaltung im
elterlichen Hause und bei den Geschwistern die Sorge um das
Fortkommen kennen. Nur wer mit einer gehörigen Menge Selbst-
vertrauen ausgestattet war, konnte es übernehmen, die Brambeer’-
sche Apotheke in Melsungen zu kaufen.
Damals bestanden hier in Melsungen noch zwei Apotheken.
Die alte Schwanen-Apotheke, im heutigen Walkerschen Haus, hatte
20
sich schon durch vier Generationen hindurch in der Familie ßrandau
fortgeerbt und war ein Unternehmen, welches im besten Rufe stand.
Die Brandaus werden mehrfach als Mitglieder des Rates und als
Bürgermeister genannt. Die Brambeer’s dagegen, die Besitzer der
zweiten Apotheke, suchten gern im Trüben zu fischen und wer die
Akten*) der damaligen Zeit genauer durchsieht, findet, dass die In-
haber der Brambeer’schen Apotheke im beständigen Kampf lagen
mit Bürgermeister und Rat und mit der Regierung in Cassel. Der
Vorliebe vieler Melsunger Bürger für starke Getränke, so heisst es
in den alten Berichten, wussten die Brambeers zum Nachteil des
Stadtsäckels gern nachzugeben. Die Stadt besass das Privileg des
Branntweinschenkens. Einen bitteren Apothekerschnaps, den man
bis in die grosse Zehe fühlte, oder einen kräftigen Korn konnte
man in der BrambeeFschen Apotheke im Hinter Stübchen immer noch
bekommen. Deshalb Hess die Stadt die Töpfergasse, die heutige
Brückenstrasse, gern »durch den Zollbereuter vigilieren, ob nicht
ein Fässgen Nordhiser Brandewin« in der Apotheke heimlich ab-
geladen würde. Als Julius Braun die Brambeersche Apotheke für
vierzehntausend Taler käuflich übernahm, wurde mit der Vergangen-
heit gebrochen. Schon die Namensänderung der Apotheke weist
darauf hin. Julius wählte das Sinnbild der Rose, zunächst wohl in
Anlehnung an die Rosen-Apotheke seines Oheims Rüde in Cassel.
Die Rose aber trägt Dornen und voller Dornen war sein Lebensweg.
Zwar blieb die Destillationsblase im Laboratorium im Gange,
aber nicht mehr heimlich und des Nachts, sondern öffentlich und
bei Tage. Starke Getränke wurden nicht mehr hergestellt, wohl
aber heilkräftige Arzneien, Extrakte und Tinkturen, und zwar in
grossem Massstabe aus Kräutern und Wurzeln, die die Wälder
rings um Melsungen in Hölle und Fülle boten. Dabei kamen ihm
die Winke und Ratschläge seines Oheims Conrad Mönch besonders
zu statten, weil dieser über die Flora von Spangenberg und Um-
gegend viel geschrieben und veröffentlicht hatte.
Damals gingen grosse Ballen getrockneter Blätter, Blüten,
Wurzeln und Kräuter an die Grossdrogengeschäfte nach Leipzig
und Frankfurt und reicher Segen belohnte die Arbeit und das Streben
dos jungen Apothekers.
Ein Jahr, nachdem Julius nach Melsungen gekommen, hatte
er sich mit Wilhelmine, der Tochter des Kaufmanns Bernhard
Sebold in Homberg, verheiratet, ein Mann, der neben realen
Bestrebungen einen ausgeprägten Idealismus besass, der soweit
*) Staatsarchiv Marburg.
21
ging, dass er kein Geld an fasste. Dieser Idealismus hatte sich von
dem Grossvater fortgeerbt auf Kind und Kindeskinder, denen die
Arbeit und deren Erfolg stets die Hauptsache, der Geldverdienst
aber nebensächlich war.
Als Julius nach fünfzehnjähriger Ehe, für die Seinen viel zu
früh, zu den Ahnen abgerufen wurde, da merkte seine Gattin sehr
bald, dass der Verstorbene recht daran getan, sie so zeitig in das
Geschäftsleben einzuführen. Die Sorge nicht nur um das Fort-
kommen der drei Söhne, sondern auch die Schwierigkeiten der
ganzen Weiterführung der Apotheke und der pharmazeutischen
Fabrikation haben der Frau manche schlaflose Nacht bereitet. Die
Apotheke wurde verwaltet, bis sie der älteste Sohn Bernhard im
Jahre 1864 übernehmen konnte. Der zweite Sohn wollte Chemiker
werden. Liebigs Lehren hatten es dem jungen Otto*) Braun angetan.
Seine ersten Studien machte Otto in der Agrikulturchemischen
Versuchs-Station des landwirtschaftlichen Zentral-Vereins in Alt-
morschen. Nach einigen Jahren ging Otto nach Heidelberg, wurde
Bunsens Assistent und promovierte summa cum laude. Das Hessen-
heimweh zog ihn aber bald aus der schönen Neckarstadt in das
alte, enge Melsungen zurück. Das Laboratorium der väterlichen
Apotheke wurde das Feld seiner Tätigkeit.
Von seiten eines hiesigen Tuchfabrikanten — ich glaube, es
war Gleim — war damals die Frage aufgeworfen worden, ob es
möglich sei, das Fett der Wollwaschwässer auf irgend eine Weise
nutzbringend zu verwerten. Otto Braun vertiefte sich in dieses
Thema und bald gelang es ihm, eine dunkelbraune, zähe, fettartige
Masse zu gewinnen, die sich als ein recht gutes Rohmaterial für
Wagenschmiere und zur Herstellung von Perleberger Glanzwichse
erwies. Während dieser Arbeiten war er aber immer noch mit der
landwirtschaftlichen Versuchsstation in Altmorschen in Verbindung
geblieben. Das Milchthema beschäftigte ihn stark, und das Erzeugnis
seiner Gedankenarbeit bestand in einem kleinen Maschinellen, welches
heute nicht nur jeder Melsunger, sondern die ganze Welt kennt.
Es war die erste Zentrifuge, mit welcher man Magermilch und Sahne
trennen konnte. Die Milchzentrifuge hat inzwischen ihren Sieges-
lauf durch die Weit angetreten, aber sie sollte auch noch einem
pharmazeutischen Präparat als Wiege dienen. Otto benutzte die
*) Er true; den Namen seines Paten Otto Philipp Braun, des Gros«-
marschalls von Montenegro, der ihn von Otto Philipp Köper, Hofkupferschmiede-
meister (Herkules) erhalten hatte.
22
Zentrifuge später dazu, um das Wollfett durch häufiges Waschen
und Ausschleudern zu reinigen. Schliesslich bekam er dabei eine
zähe, wachsgelbe Masse, welche keinen bituminösen Geruch mehr
besass und sich mit Wasser bis zur sechsfachen Menge mischen
liess. Bald reichten die Räumlichkeiten in Melsungen nicht mehr
aus und Otto verlegte das Feld seiner Tätigkeit nach Berlin, um
dort im Grossen das Entfetten von Wolle zu betreiben. Das
Berliner Unternehmen wurde aber, weil die Wolle zuerst mit Benzin
und Aether gereinigt wurde, in keiner Feuerversicherung aufge-
nommen. Die Fabrik am Salzufer in Charlottenburg brannte eines
Tages ab, Otto Braun hatte sein Vermögen verloren. In seiner Not
ging er zu dem Berliner Pharmakologen Liebreich, setzte ihm die
Gewinnung des Wollfettes auseinander, zeigte ihm das gereinigte
Präparat und schlug es als Salbengrundlage vor. Liebreich meldete
das ßraun’sche Verfahren aber als sein Patent an und als Lanolin-
Liebreich ging die Ware in die Welt hinaus. Das Liebreich’sche
Patent war inzwischen von der Firma Jaffe & Darmstädter über-
nommen worden. Otto Braun aber hat den siegreichen Ausgang
seines jahrelangen Patentstreites mit Liebreich nicht mehr erleben
dürfen. Das Urteil lautete, dass das Lanolin in Zukunft die Patent-
nummer der ersten Braun’schen Milchzentrifuge zu führen habe.
Während seiner Melsunger Tätigkeit hatte Otto Braun aber
noch auf einem anderen Gebiete gearbeitet, welches gerade jetzt in
der Zeit der schweren Not und des Mangels an Rohstoffen wieder
allgemeine Bedeutung erlangt. Otto Braun hat sich damals viel
mit der Gewinnung von Nesselfasern beschäftigt. Mehrere Patente
zeugen von seinem Fleiss. Wer heute die Urania in Berlin besucht,
findet dort überhaupt so manches, was an Otto Braun erinnert.
Ich gedenke zunächst seines Geschwindigkeitsmessers, eine um ihre
Längsachse drehbare dicke Glasröhre, die etwa zu einem Drittel mit
Glyzerin gefüllt ist. Durch die Drehung dieser Röhre steigt das
Glyzerin an den Innenwänden empor und bildete bei der höchsten
Schnelligkeit einen tiefen Trichter. Die Röhre ist aussen graduiert
und gestattet das Ablesen der Umdrehungszahl. Dieses Gyrometer
ist viele Jahre lang auf prtussischen Lokomotiven in Gebrauch
gewesen.
Der jüngste Sohn von Julius Braun namens Georg war zuerst
Kaufmann, widmete sich aber sehr bald der Photographie und ist
Jahrzehnte lang — er starb im zweiten Kriegsjahr — ein stiller,
aber fleissiger Mitarbeiter im Grossen Generalstab gewesen. Die
vielen Spezialapparate, besonders die photogrammetrischen, mit
welchen Aufnahmen vom Luftballon und später vom Flugzeug aus
gemacht wurden, sind seine stillen Arbeiten, die ihn auch bald mit
23
der Landesaufnahme in regen Verkehr gebracht haben. Nach aussen
hin ist die Tätigkeit Georg Brauns nicht hervorgetreten, er hat im
Stillen ohne fremde Hilfe die Aufgaben erfüllt, welche ihm in
Berlin am Königsplatz in dem ruhigen Moltke-Haus gestellt worden
waren.
Hätte Julius Braun nur die Hälfte von dem erleben dürfen,
was von seinen Söhnen hier erzählt ist, er hätte eitel Freude und
Wonne an seinen Kindern gehabt. In seinen beiden jüngsten Söhnen
ist der Idealismus und der Realismus in prächtiger Weise gepaart
gewesen, ebenso bei Bernhard, dem ältesten, bei ihm traf alles genau
ebenso zu, ja, es trat noch manches viel mehr in äussere Erschei-
nung, weil Bernhard durch seinen Beruf mit einem grossen Kreis
in Berührung kam.
Bernhard Braun hat den Arbeiten seiner beiden Brüder Otto
und Georg stets das vollste Interesse zugewendet und sie mit seinen
Erfahrungen unterstützt, wo und wie er nur konnte. Das pharma-
zeutische Unternehmer seines Vaters, welches in den Jahren der
Verwaltung nur unbedeutend vorwärts gekommen war, bedurfte
dringend einer neuen Arbeitskraft. Während der alte Julius Wil-
helm Braun sich nur mit der Herstellung galenischer Präparate
beschäftigt hatte, bevorzugte Bernhard zunächst die Herstellung
chemischer Präparate. Er war, ehe er nach Marburg ging, in
Heidelberg ein Schüler Bunsens gewesen und hatte sich gern mit
chemisch-synthetischen ^Arbeiten beschäftigt Als er nun Herr in
des Vaters Laboratorium geworden, nahm er seine Lieblings-
beschäftigung wieder auf, die sich in der Herstellung chemisch-
pharmazeutischer Präparate ausdrückte, ganz besonders solcher,
welche in der Pharmacopoea Hassiaca noch nicht aufgenommen
waren, die Pharmacopoea Borussica aber vorschrieb. So entstand
allmählich eine Gross-Defektur. Liquor Aluminii acetici, Liquor
Ammonii und Kalii acetici, Liquor Plumbi subacetici, Liquor ferri
oxydati und albuminati waren die wichtigsten Präparate. Bernhard
war eine praktische Natur und besass einen offenen Blick für die
Bedürfnisse seiner Zeit. Deshalb nahm er auch sofort die Her-
stellung von volumetrischen Lösungen auf, welche zum ersten Mal
1882 bei der Prüfung der officinellen Chemikalien im Arzneibuch
vorgeschrieben wurden. Die galenischen Präparate wurden aber
dabei etwa nicht vernachlässigt, sondern im Gegenteil ihre Her-
stellung erweitert. Da kam englisches Heftpflaster hinzu, Sublimat-
pastillen, Salmiakpastillen und Lederzucker, oder wie er im Volks-
mund heisst »Jungfernleder«. Bernhard Braun war einer der ersten,
der im Deutschen Reiche Migränestifte herstellte und die englischen
Fabrikate vom deutschen Markt verdrängte. Alles ging in grossen
24
Posten an die Drogenhäuser nach Berlin, Leipzig, Magdeburg,
Nürnberg und Frankfurt usw.
Das Apothekengeschäft selbst war gegen früher nicht bedeutend
vorwärts gekommen. Für zwei Apotheken war Melsungen eben zu
klein, und hätten Julius und Bernhard nicht nebenbei pharmazeu-
tische Präparate im Grossen hergestellt, sie hätten gewiss nicht so
viel erworben, die Ihrigen zu ernähren. Bernhard verstand es, den
Besitzer der Schwanenapotheke, Helwig, davon zu überzeugen, dass
einer das Feld räumen müsse. Helwig stellte auf Bernhards Ver-
Julius Wilhelm Braun
geh. Cassel 1808 V. 2.
gest. Melsungen 1850X11.12.
Bernhard Braun
geh. Melsungen 1837IX. 18.
gest. Melsungen 1900 XI. 7.
Carl Braun
Inhaber der Finna:
B. Braun, Melsungen.
25
anlassung der preussischen Regierung sein Apothekenprivileg zur
Verfügung und erhielt eine Personalkonzession in Guxhagen. Bern-
hard Braun zahlte dagegen Helwig eine Entschädigung.
Als Bernhard Braun im Jahre 1900 die Augen schloss, ging
Apotheke und pharmazeutische Fabrik auf seinen ältesten Sohn
Carl über, welcher zu den früheren Artikeln noch die Herstellung
von Alaun-, Kupfer- und Höllensteinstiften, von Asthma-Zigaretten
und ähnlichen Präparaten auf nahm. (Abt. A heisst die Apotheke,
Abt. B die Fabrik pharmazeutischer Präparate.)
Vor etwa 9 Jahren trat Dr. Kuhn an die Firma Braun heran,
um sie zu veranlassen, ein neues Katgutpräparat auf den Markt zu
bringen. Carl Braun ging auf den Gedanken ein, und das Unter-
nehmen, welches jetzt ein eigenes Heim bezogen hat, wurde als
dritte Abteilung (C) in der Firma Braun eingerichtet.
Durch diese Ausdehnung der Firma erhielt das Geschäft einen
neuen Kundenkreis. Während es sich früher hauptsächlich auf rein
pharmazeutischem Gebiet bewegt hatte, führte das neue Präparat
zu unmittelbaren Verbindungen mit Aerzten und grossen Kranken-
anstalten.
Die Gedanken, welche Dr. Kuhn der medizinischen Welt vor-
gelegt, waren so neuartig, dass zunächst mit einem grossen Wider-
stand der ärztlichen Kreise zu rechnen war. Dies lag daran, dass
die Darmfäden, welche seither vom Arzt benutzt wurden, den an
sie gestellten Anforderungen durchaus nicht entsprachen.
Vor einem Menschenalter hatte Lord Lister vorgeschlagen,
Darm als chirurgische Nähfäden zu benutzen. Er wählte zu seinen
Versuchen die Violinsaite. Welche Umstände ihn dazu bewogen
hatten, diese Fäden gerade Catgut zu nennen, wissen wir nicht.
Soviel steht aber fest, dass Katzendärme zur Herstellung von
chirurgischen Nähfäden damals nicht benutzt worden sind, und auch
heute nicht verwendet werden. Der Ausgangsstoff für diesen wich-
tigen ärztlichen Nähfaden ist genau derselbe, wie bei der Her-
stellung der Musiksaite, nämlich der Hammeldarm.
Die Herstellung solcher Musiksaiten ist eine uralte Fabrikation.
In grauer Vorzeit wurde der Darm in gedrehtem Zustand schon
als Seil und Strick verwendet und unkultivierte Völker benutzen
ihn heute noch in derselben Weise.
Der vom Kot gereinigte Darm wird zu einem Faden gedrillt,
genau wie es bei der Herstellung von Zwirn oder Bindfaden
geschieht.
Diese Grundsätze der Herstellung liegen also auch der Katgut-
fabrikation zu Grunde.
26
Als Lister seine ersten Versuche anstellte, hatte er den ganz
richtigen Gedanken, dass die Violinsaite erst keimfrei gemacht
werden müsse. Er legte sie deshalb in ein Gemisch von Carbol-
säure und Oel, in der Annahme, dass beide Flüssigkeiten den
Faden allmählich durchdringen und die vorhandenen Darmkeime
abtöten würden.
Nach der Lister’schen Methode hat die medizinische Welt sich
viele Jahre lang das Katgut bereitet — allerdings mit grösstem
Misserfolg. Man schob dies zunächst auf die Desinfektionsmittel.
Als man gefunden hatte, dass Carbolsäure den Faden nicht keimfrei
macht, ging man zum Sublimat über. Eine Besserung trat auch
hierbei nicht ein.
Dann wurde die Sterilisation mit Chromsäure, mit Formal-
dehyd, mit Cresolen und mit ätherischen Oelen, insonderheit mit
Eukalyptus- und Juniperus-Oel vorgeschlagen. Auch diese Methoden
führten zu keinem Ziel.
Erwähnt sei auch noch die Sterilisationsmethode durch Hitze.
Man legte das Katgut in Cumol, einen benzolartigen Körper,
welcher bei 130° siedet, wodurch dem Faden aber alles Wasser
entzogen wird. Dadurch wird er spröde und hart, bricht beim Ein-
fädeln, ist aber dennoch nicht steril, weil ja bekannt ist, dass
besonders im Kot Sporen Vorkommen, aus der Gruppe der Kartoffel-
und Heubazillen, welche noch viel höhere Temperatur vertragen.
Es ist und bleibt ein Verdienst Kuhns, daraufhin gewiesen
zu haben, dass es sehr schwer sei, einen Faden, der von Beginn
der Herstellung an nicht hygienisch einwandsfrei ist,' wirklich
steril zu machen.
Werfen wir einmal einen Blick in eine Werkstatt, in welcher
neben Violinsaiten auch Katgut hergestellt wurde. Die Musiksaiten-
industrie ist in Sachsen zu Hause. In den Dörfern des Erzgebirges
sitzen die Musiksaitenmacher unter den ärmlichsten Verhältnissen.
In den letzten Jahren vor dem Kriege hat sich ja manches gebessert.
Früher aber ist häufig Arbeitsraum, Schlafstube und Küche eins
gewesen. Von Hygiene und wirklicher Sauberkeit keine Spur.
Grössere Meister beschäftigten einige Gesellen und diese arbeiteten
dann wenigstens in einer besonderen Werkstatt, und so ist es auch
heute noch.
Wenn der Chirurg, der so peinlich auf Sauberkeit in seinem
Operationssaal und an seinen Händen achtet, wenn dieser Chirurg
nur einen Blick hineinwerfen würde in eine solche Werkstatt, wo
die Tische voll Staub, die Schürzen und Hände der Arbeiter voll
Schmutz sind, wo auf dem Fussboden und an den Wänden Schimmel-
27
pilze in herrlichster Flora gedeihen, der würde sich voll Schaudern
abwenden und es für unmöglich halten, dass man jemals ein
Material, das aus einer solchen Werkstatt stammt, dem menschlichen
Körper einverleibt hat.
Musiksaiten werden im Handel ziemlich hoch bezahlt, es ist
also klar, dass man hierfür die besten Hammeldärme verwendet.
Das, was sich zur Musiksaitenherstellung nicht mehr eignet, war
gut genug für die Katgutfabrikation. Das Missverhältnis im Preis
zwischen Katgut und Musiksaiten hat sich während des Krieges
noch bedeutend zu Ungunsten des Katguts verschoben. Zur Zeit
werden für Musiksaiten als Luxusgegenstände Preise bezahlt, an die
der Musiksaitenfabrikant früher nicht zu denken wagte. Wenn im
Frieden das Rohmaterial für ein Katgut im Kuhn’schen Sinne schon
schwer zu beschaffen war, so ist die Möglichkeit der Erlangung von
Därmen augenblicklich noch bedeutend gesunken. Dem Musiksaiten-
hersteller kann man es nicht verargen, wenn er seine Ware zu einem
möglichst hohen Preise absetzt. Man muss den Leuten doch ihren
Verdienst von Herzen gönnen.
Auf einem anderen Gebiet aber liegt die Frage, ob es zulässig
ist, dass ein Material, welches von krankheitserregenden Keimen
wimmelt, ohne sachgemässe Behandlung zur Herstellung chirurgischer
Nähfäden benutzt wird. Man kann es vom Musiksaitenfabrikant
nicht verlangen, dass er Bescheid weiss um die Gefährlichkeit von
Keimen, welche schwere Eiterungen, Wundstarrkrampf und viele
andere schwere Erkrankungen der Wunde hervorrufen. Wohl aber
müsste der Staat dafür sorgen, dass nur das Material zu Katgut-
fäden verarbeitet wird, welches hygienisch einwandsfrei gewonnen
und hygienisch einwandsfrei verarbeitet wird. Es ist ein unbestreit-
bares Verdienst Dr. Kuhns, in dieser Richtung bahnbrechend gewirkt
zu haben. Seinen unermüdlichen Arbeiten, seinen Veröffentlichungen
ist es zu danken, dass die Regierung im Jahre 1911 Verordnungen
erliess, über die Einrichtung und Herstellung chirurgischer Nähfäden
aus Darm.
Wenn diese Verordnung nach Ansicht der Firma Braun auch
noch lange nicht weitgehend genug war und besonders unter den
heutigen Verhältnissen nicht durchgreifend genug au'sgeübt wird, so
muss man dies eigentlich im Interesse gerade der vielen verwundeten
Feldgrauen herzlich bedauern.
Der kleine Saitenmacher besitzt kein Verständnis für die
Wichtigkeit der Reinlichkeit bei der Herstellung von Katgut. Er
dreht seinen Faden, wie er es vom Grossvater gelernt hat, er ver-
kauft ihn zu einem möglichst hohen Preis, alles andere ist ihm
28
gleichgültig. Ob der Mensch, der mit diesem Faden genäht wird,
an Wundstarrkrampf oder Blutvergiftung eingeht, ist für ihn ganz
ohne Interesse. Der Arzt mag ja zusehen, wie er es fertig bringt,
dem Faden diese gefährlichen Keime zu nehmen.
Die so hergestellte Waare ist das sogenannte Rohkatgut, also
ein gedrehter Darmfaden, der ohne die Verantwortung irgend einer
massgebenden oder sachverständigen Person gedreht ist.
Nach Kuhn'scheu Vorschriften ist das Rohkatgut zum medi-
zinischen Gebrauch vollständig zu verwerfen und je weiter wir in
wissenschaftlicher Hinsicht in die Katgutfrage eindringen, um so
mehr muss man diese Forderung Kühnes unterstreichen.
Hier ist auch die Stelle, wo Kuhn’s neuer Gedanke einsetzt.
Der Darm muss vom Hammel nicht nur sauber entnommen, vor
äusseren Verunreinigungen geschützt, sondern er muss auch sofort
seines Inhaltes entleert und auch weiterhin hygienisch behandelt
werden. Dazu gehört eine ausgiebige Spülung mit Wasser, um
auch die kleinsten Kotteile zu entfernen. Diese Forderung lässt
sich aber nur dann erreichen, wenn das Wasser die Innenwände
des Darmes ausgiebig bespülen kann.
Weil eine Umwendung des Hammeldarmes, so, dass die innere
Wand nach aussen kommt, wie es bei der Reinigung anderer Därme
geschieht, beim Hammeldarm ausgeschlossen ist, wird der Darm der
Länge nach in zwei Teile zerlegt. Wir haben es in der Fabrikation
daher nicht mehr mit einer Röhre, sondern mit zwei Bändern zu
tun. Die einzelnen Darmteile werden dann mit der Schleimmaschine
bearbeitet. Hierbei wird die Schleimhaut mit stumpfen Messern
abgekratzt. Dann folgt die Behandlung der Darmteile mit mehreren
Chemikalien, bis die Fäden schliesslich in abgemessenen Längen in
eine Jodlösung gelangen, worin sie gegerbt und dann auch gedreht
werden.
Während der Friedeusjahre waren auf grossen deutschen
Schlachthöfen in den Darmyerarbeitungs-Anstalten besondere Vor-
richtungen getroffen, die Harameldärrae für das Kuhn’sche Katgut
hygienisch zu bearbeiten. Die deutsche Produktion an Hammel-
darm reichte aber bald bei weitem nicht mehr aus und man ging
dazu über, auch von den Schlachthöfen anderer Kulturstaaten,
Schweiz, Frankreich, England einwandsfreien Darm zu beziehen.
Der Weltkrieg hat den Handel mit diesen Ländern natürlich
unterbunden und die Industrie ist genötigt, Material aus Bulgarien,
der europäischen und asiatischen Türkei zu verarbeiten. Die Industrie
war also jetzt vor neue Aufgaben gestellt worden.
Als 1908 die Katgutfabrikation nach den Kuhn’schen Vor-
schriften aufgenommen wurde, ergab die einfache Berechnung der
Herstellungskosten, dass das neue Katgut das alte, sogenannte Roh-
katgut um ein mehrfaches im Preise übertraf. Der Arzt war bis-
her nicht gewöhnt, so viel Geld für einen Nähfaden anzulegen, man
musste also Zusehen, den Preis des Fadens ganz bedeutend zu ver-
mindern. Dies war nur möglich dadurch, dass die Katgutherstellung
als Hauptbetrieb, die Herstellung von Musiksaiten als Nebenbetrieb
eingerichtet wurde. Alle Abfälle, welche zur Katgutfabrikation
nicht verwendbar waren, sollten zu Musiksaiten oder zu technischen
Schnüren verarbeitet werden. Die Grundlage der Herstellung für
das Kuhn’sche sterile Katgut war also genau die umgekehrte wie
bisher. Die Firma Künzel & Co. in Markneukirchen, Inhaber Ernst
Künzel, ist auf die Kuhn’schen Vorschläge eingegangen und hat
kürzlich einen Betrieb errichtet, der für die Katgutherstellung als
mustergiltig, man darf wohl sagen, mustergiltig für die ganze Welt,
dasteht, lieber hundert Männer und Frauen sind dort beschäftigt,
um in grossen luftigen Sälen, die ebenso wie die Melsunger Ver-
suchswerkstatt eingerichtet sind, den Darm nach Kuhn’schen Vor-
schriften vorzubereiten. Es hat unendliche Mühe und grosse
Unkosten verursacht, die Arbeiter an hygienische Reinlichkeit zu
gewöhnen und es bedarf einer strengen Kontrolle, diese Vorschriften
auch durchzuführen.
Die bakteriologische Nachprüfung der Fäden ist heute so weit
ausgebaut, dass im vergangenen Betriebsjahre mehr als V4 Million
Fäden auf ihre Keimfreiheit hin geprüft werden konnten. Das
chemische Laboratorium hat aber nicht nur die Aufgabe, zu kon-
trollieren und nachzuprüfen, sondern auch Neues zu schaffen und
das Thema »Darm« weiter auszubauen. In den wissenschaftlichen
Laboratorien arbeiten ein Chemiker und ein Chirurg, eine Assistentin
und eine Laborantin. Jeder, der näheren Einblick geniesst in dieses
weite Arbeitsgebiet, wird sofort erkennen, was alles noch zu tun,
zu schaffen und zu leisten ist, bis endlich die Ziele erreicht sind,
die man sich stecken muss.
Die Abteilung C des Unternehmens befasst sich ausserdem
mit der Sterilisation aller anderen chirurgischen Nähfäden. Da
werden Seide, Zwirn, Silkworm, Pferdehaare entkeimt, um in zweck-
entsprechenden Packungen dem Chirurg zugänglich gemacht zu
werden. In einer eigenen Drechslerei werden Laminariastifte her-
gestellt, welche hauptsächlich in der Gynäkologie sich von neuem
wieder einführen, seit es gelungen ist, die Stifte dem Arzte durch
entsprechende Armierung, vor allen Dingen aber keimfrei anzubieten.
In den mechanischen Werkstätten werden orthopädische Apparate,
Extensions- und Lagerungs-Schienen hergestellt. Die Glasbläserei
befasst sich mit der Fabrikation von medizinischen Glaswaren aller
Art. Die Errichtung dieses Zweiges des Unternehmens war nötig
geworden, weil eine grosse Reihe von chirurgischen Gegenständen
in Glasgefässen verpackt, zugcschmolzen und sterilisiert werden
mussten. Der Ausbau der Glasbläserei erfolgte in den letzten
Jahren ziemlich schnell, sodass es auch nötig war, eine Glasschleiferei
mit anzugliedern. In diesen glastechnischen Werkstätten werden
Spritzen, Drains in den verschiedensten Ausführungen und Formen,
Mutterrohre, Klystierrohre, Scheidenpulverbläser, Inhalationsapparate,
Gebläsepumpen, Blutdruckmessapparate und viele andere ärztliche
Gebrauchs- Gegenstände hergestellt.
Zu all diesen Arbeiten aber gehört Ruhe und Sammlung, nicht
nur in den wissenschaftlichen und kaufmännischen Räumen, sondern
auch in den weiten Arbeitssälen. Unser gutes Melsungen ist bisher
Gott sei Dank verschont geblieben von den Unruhen, welche die
grossen Umwälzungen im Reiche mit sich gebracht haben. Das
Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist bei der Firma
B. Braun immer ein so gutes gewesen, dass beide Teile sich nur
wünschen können, dass in Zukunft alles bleiben möge, wie bisher,
wenn auch unter einer anderen Regierung.
In Friedenszeiten hätle man gelegentlich der Einweihung einer
neuen Fabrikanlage bei der Erinnerung an die vergangene Zeit gern
Freunde und Angestellte der Firma zu einer einfachen Festlichkeit
geladen. Nachdem aber das Schicksal durch unersättliche Feinde
seine Hand schwer auf unser deutsches Vaterland gelegt hat und
die Zukunft immer dunkler erscheinen lässt, ist in keinem deutschen
Herz mehr Sinn für eine fröhliche Stunde. Die Scharten, die der
Weltkrieg geschlagen hat, sind zu tief.
Zur Linderung der Not von Witwen und Waisen gefallener
Aerzte hat die Firma B. Braun dem Leipziger Aerzte-Verband
.Mj 10000 überwiesen, dieselbe Summe wurde dem Deutschen
Apotheker-Verein zu dem gleichen Zweck in seinen Kreisen zur
Verfügung gestellt und mit 50 000 wurde eine Versorgungskasse
für Angestellte der Fa. B. Braun gegründet. Auch der Gefallenen wurde
gedacht. Die schöne Erinnerungstafel von derMeisterhand W.O. Prack’s,
Frankfurt a. M. (einem Melsunger Kind) geschaffen, ist in aller
Einfachheit und Stille enthüllt worden. Zwölf Namen stehen auf
der Marmortafel eingegraben und lassen uns nicht vergessen, dass
von einem Kreis von nicht ganz hundert Personen zwölf Männer aus
dem Weltkrieg nicht heimgekehrt sind. Die Firma glaubt das
Andenken dieser Braven nicht besser ehren zu können, als wenn
sie jeden, der auf dem Treppenhaus an dieser schönen Tafel
vorübergeht, an die einstige Grösse unseres Vaterlandes erinnert,
an die ernste Zeit, der wir entgegengehen und uns immer wieder
mahnt, unsere Pflicht zu tun bis zum Aeussersten. Nur Arbeit
und Fleiss können uns helfe:;.
Im Stuhle für die Obrigkeit der St. Martinskirche der Stadt
Cassel liest man auf einer grossen Tafel den Kern des politischen
Testamentes von Hessens grösster Landgräfin Amalie Elisabeth, der
Frau, die es verstanden hat, mit weiser Hand ihr Volk durch die
schlimmsten Stürme des dreissigjährigen Krieges zu führen. Den
hier ausgesprochenen Wunsch können wir in dieser traurigen Zeit
auch zu dem unserigen machen.
»Vivite felices
Et assidua ad coelum vota pro Principum vestrorum salute suscipite
Ut sub aequo illorum Imperio
Nihil vobis desit ad beatam vitam.
Ita faxit Jehova.«
Zu deutsch in freier Uebersetzung mit einem Wort von
Ernst Moritz Arndt und der heutigen Zeit angepasst:
»Und hebt die Herzen himmelan
Und himmelan die Hände.«
Damit Ihr einer guten Zukunft entgegengeführt werdet.
Seid glücklich! Das walte Gott!«
32
Aus der Praxis
Die Katgutindustrie im Weltkrieg
1919
Aus der Praxis.
Die Katgutindustrie im Weltkrieg.
Von Dr. H. Früchte.
Das Ausgangsmaterial für die chirurgische Darmsaite ist bekannt-
lich der Hammeldarm.
Listen, der schon auf die Verwendung der Yiolinsaite als
chirurgischen Nähfaden aufmerksam machte, versuchte damals
gedrehten Hammeldarm, also Musiksaiten, mit einer Mischung von
Carbolsäure und Ocl keimfrei zu machen. Heute ist uns bekannt,
Weshalb dieses Lister’scho Verfahren keinen Erfolg haben konnte.
Alle Körper, die zur Keimfreimachung von Darmsaiten benutzt
wurden, besitzen die Eigenschaft, mit Eiweisskörpern Niederschläge
zu bilden. Diese wasserunlöslichen Verbindungen der Eiweisskörper
mit Sublimat, Carbolsäure, Cresolen, Formaldehyd, Salizylsäure usw.
bilden an der äusseren Schicht der Darmsaite eine wasserundurch-
lässige Haut und verhindern, dass das Desinfektionsmittel in die
Tiefe dringt. Das alte chemische Gesetz: »Corpora non agunt nisi
fluida« ist ausser acht gelassen worden. Die Keime, welche auf der
Oberfläche der Darmsaite angesiedelt waren, wurden vielleicht
abgetötet, nicht aber die, welche im Innern des Fadens liegen. Da
die Darmwand keine absolut glatte Fläche darstellt, sondern eine
Zellschicht mit vielen Spalten, Gewebstäschchen und -Falten, in
denen sich Keime und Sporen festgesetzt haben, so erhellt aus
dieser Tatsache durch logische üeberlegung schon, dass eine Des-
infektion mit Eiweiss-fällenden Mitteln ausgeschlossen ist. In seiner
Arbeit über »Chemotherapie und Desinfektion« hat Professor Morgen-
roth1) erst kürzlich wieder darauf aufmerksam gemacht«, dass es aus-
geschlossen ist, eine desinfizierende Wirkung gegenüber pathogenen
Bakterien und Sporen im Gewebe zu erzielen, wenn das Desinfizienz
Eiweiss-fällende Eigenschaften besitzt.
Auch praktisch ist diese Kenntnis im hiesigen Laboratorium
festgelegt worden. Seit mehreren Jahren wird Rohkatgut des Handels
in etwa 70 °/0igem Alkohol auf bewahrt, welchem alle paar Monate
Proben zur Prüfung auf Keimfreiheit entnommen werden. Es hat
sich dabei herausgestellt, dass der Alkohol die Fäden nicht durch-
dringt, denn sonst würden sich die im Innern des Fadens vorhandenen
widerstandsfähigen Sporen aus der Gruppe der Heu- und Kartoffel-
bazillen im geeigneten Nährboden nicht weiter entwickeln.
Die Misserfolge List er s sind uns heute also vollkommen klar.
Erst die Arbeiten Dr. Kuhns haben bewiesen, dass.ein Darm-
faden unter hygienischen Bedingungen vom Hammel entnommen
J) Jahreskurse für ärztliche Fortbildung 1919. I.
33
einen Faden liefert, der den Ansprüchen des Chirurgen in jeder
Beziehung genügt. Und Kuhn hat immer wieder in seinen Ver-
öffentlichungen darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte
Rohkatgut, welches von Musiksaitenfabrikanten und kleinen Hand-
werkern als Nebenartikel hergestellt und in den Handel gebracht
wird, keinen Faden darstellt, auf den sich der Chirurg unter allen
Umständen verlassen kann. Dieses Rohkatgut wurde in der Regel
aus minderwertigem Darm hergestellt, weil der Musiksaitenmacher
die besten Därme zur Herstellung von Mnsiksaiten verwendet. Diese
letzteren standen aber schon vor dem Weltkrieg um ein bedeutendes
höher im Preis als der chirurgische Darmfaden. Deshalb kam vor
etwa 20 Jahren die medizinische Welt immer mehr davon ab, jenes
Katgut überhaupt zu benutzen.
Die Verordnungen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes über die
Einrichtung von Katgutfabriken und die Herstellung chirurgischer
Nähfäden aus Darm haben nur ausnahmsweise den gewünschten
Erfolg erzielt, die Katgutindustrie allgemein auf bessere hygienische
Grundlage zu stellen. Diese Verordnung hat wenigstens das Gute
gezeitigt, dass die Kuhn sehen Gedanken, der Darm müsse vor dem
Drehen gespalten und desinfiziert werden, allgemein zur Geltung
kamen, und es ist anzunehmen, dass auch das Rohkatgut, welches
heute von Musiksaitenmachern in den Handel gebracht wird, aus
gespaltenem Darm gedreht ist. Im feindlichen Auslande hat man
sich diesen Grundsatz bei der Katgutherstellung noch lange nicht
überall zu eigen gemacht. Uns sind mehrfach Proben von Beute-
Katgut in die Hand gekommen, welches aus ungespaltenem Darm
hergestellt war. Hieraus erklärt sich u. a. auch die grosse Vorliebe
der Chirurgen in Frankreich und England für Steril-Katgut-Kuhn
und ihr Bestreben, sich gerade dieses Präparat auch während des
Krieges wegen seiner Zuverlässigkeit zu verschaffen.
Kuhn hat s. Zt. schon gefordert, dass nicht der schlechteste,
sondern der beste Darm auf Katgut verarbeitet werde. Bei der
Herstellung von Steril-Katgut-Kuhn wurde schon im Frieden darauf
gehalten, dass auch der Darm unter hygienischen Bedingungen dem
Schlachttier entnommen, seines Inhaltes entledigt, geschleimt und
dann weiter verarbeitet wurde. Auf den grossen Schlachthöfen
des Deutschen Reiches gab es damals vielfach besondere Abteilungen,
in denen der Darm nach Kuhn scher Vorschrift behandelt wurde.
Die Produktion des Kuhnschen Katguts steigerte sich im Laufe
der Jahre so sehr, dass auch in anderen Kulturländern (Schweiz,
Frankreich, England) Darm für die Herstellung von Kuhnschem
Katgut gewonnen wurde.
Als der Krieg dann kam, änderten sich diese Verhältnisse
34
selbstverständlich sehr schnell. Die Zufuhr aus dem feindlichen
Auslande hörte gänzlich auf, und man war zunächst nur auf den
Anfall der Inlandsdärme angewiesen. Schon damals hatte man es
sich angelegen sein lassen, den Kuhn sehen Gedanken der Darm-
reinigung auch weiter zu nehmen und auf den gewöhnlichen Darm
des Handels auszudehnen.
Es dürfte den meisten Aerzten und Apothekern nicht bekannt
sein, dass der Darm einen sehr wichtigen Handelsartikel abgibt.
Nicht nur der Darm vom Rind und Pferd wird der Technik zuge-
führt, sondern auch der Hammeldarm besitzt eine grosse wirtschaft-
liche Bedeutung. Erwähnt sei nur, dass der Schweine- und Rinder-
darm zur Wurstfabrikation verwendet wurde. Der Dünndarm des
Hammels diente zur Herstellung der bekannten Frankfurter und
Halberstädter Würstchen und ähnlicher Wurstarten. Vom Rinder-
darm werden die Goldschlägerhäutchen gewonnen, welche bei der
Herstellung von Schaumgold und Schaumsilber ausgedehnte Ver-
wendung finden und in der Ballonindustrie während des Krieges
von ganz hervorragender Bedeutung waren. Weiter sei darauf auf-
merksam gemacht, dass alle anderen Sorten Därme zur Herstellung
von technischen Schnüren und Treibriemen verwendet werden.
Zunächst muss man sich doch sagen, dass eine Anstalt, in
welcher derartige technische Erzeugnisse hergestellt werden, wohl
nicht der richtige Ort ist, um gerade chirurgische d. h. keim- und
schmutzfrei, also aseptische Präparate zu gewinnen. Hierzu sei aber
ausdrücklich bemerkt, dass die Herstellung von Katgut unbedingt
mit der Herstellung von Musiksaiten Hand in Hand gehen muss.
Würde eine Anstalt sich nur mit der Herstellung von Katgut
abgeben und auf die Weiterverarbeitung des für Katgut untauglichen
Materials verzichten, so wäre der Preis des Steril-Katgut-Kuhn schon
während des Friedens um das zwei- oder dreifache höher gewesen.
Bei der Herstellung von Kuhnschem Katgut ist diese Frage in der
Weise gelöst worden, dass die Herstellung von Saiten und Katgut
sowie die Keimfreimachung der fertigen Nähfäden von drei, räumlich
von einander getrennten Stellen und von anderen Arbeitskräften
ausgeführt wird. Die Arbeitsräume für Katgut sind mit abwasch-
baren Wänden (weissen Kacheln) versehen, Arbeiter und Arbeiterinnen
gehen in weissen Mänteln, bedeckten Kopfhaaren einher und die
meisten Arbeiten werden handfrei, nur mit der Pinzette ausgeführt.
Die Grundregeln der Asepsis sind bei der Sterilisation des Katgut-
Kuhn vollständig durchgeführt. Dazu die ständige Kontrolle der
Arbeiten durch einen Arzt und die Prüfung des Darmes und der
halbfertigen und fertigen Fäden im chemisch - bakteriologischen
Laboratorium.
Mit dem Einsatz der feindlichen Blockade wurde der Katgut-
industrie selbstverständlich auch klar, dass man versuchen müsse,
den gewöhnlichen Hammeldarm des Handels auf einen einwands-
freien Nähfaden zu verarbeiten. Jahrelang ist an dieser Frage sowohl
in hygienischer, wie auch in bakteriologischer und klinischer Rich-
tung gearbeitet worden. Dies führte zur Entwicklung einer Reihe
neuer Verfahren, die es ermöglichten, dem Chirurgen einen ein-
wandsfreien Faden zu übergeben.
Schon in Friedenszeiten hatte Dr. Kuhn darauf aufmerksam
gemacht, dass es ein grosser Fehler in der Herstellung von Katgut
sei, den gedrehten Darm äusserlich durch Schleifmittel solange zu
bearbeiten, bis er gleichmässig sei. Durch die Behandlung der
Fäden mit Bimsstein und einem Fettlappen wurde der Gehalt an
widerstandsfähigen Sporen und die Infektionsgefahr für die Wunde
ganz bedeutend erhöht. Bei einem klinischen Präparat kommt es
aber in erster Linie darauf an, dass es bakteriologisch einwandsfrei,
aseptisch ist, auf Schönheit des Fadens darf nicht gesehen werden.
Die alten Verbraucher von Steril-Katgut-Kuhn waren deshalb auch
daran gewöhnt, einen rauhen Faden zu verwenden. Der Krieg mit
all seinen wirtschaftlichen Schäden brachte es nun mit sich, dass
man in dieser Richtung mehr als früher nachsichtig sein musste.
Es ist eine Eigentümlichkeit des Darmes, nicht an allen Stellen
gleichmässig dick zu sein, und hieraus ergibt sich, dass ein Faden,
der aus einem ungleichmässig dicken Darm gedreht ist, auch ungleich-
mässig dick sein muss. Im Frieden kam es nicht so sehr darauf
an, Fäden, die in ihrem Durchmesser an dem einen Ende zu stark
von dem anderen abwichen, auf kleinere Packungen zu verarbeiten
oder den Darm überhaupt der Musiksaitenfabrikation zuzuführen.
Bei dem Mangel an Darmmaterial während des Krieges musste
man sich, um den Bedarf nur einigermassen zu decken, mit diesem
Nachteil abfinden.
Doch nun zur Preisfrage. Man brauchte ja eigentlich gar
nicht darauf hinzuweisen, dass auch der Katgutfaden während des
Krieges eine ganz bedeutende Steigerung erfahren musste. Aber
dennoch sei an dieser Stelle betont, dass dem Nichtfachmann
in der Regel gar nicht klar ist, was für ein wichtiges Handels-
objekt der Darm überhaupt darstellt. Als die Herstellung von
Dauer- und Siedewürstchen in dem zweiten Kriegsjahr einge-
schränkt und schliesslich durch Reichsgesetz verboten werden musste,
glaubte man damit der Katgutindustrie das nötige Rohmaterial
gesichert zu haben. Aber weit gefehlt. Die deutsche Industrie war
genötigt, ihr Rohmaterial ganz aus dem Ausland zu beziehen und
hierbei wurden nun Preise verlangt, an die man früher gar nicht
36
gedacht hatte. Ein Kilo getrockneter Hammeldärme kostete im
Frieden etwa Jt 20—40. Als der Mangel an Rohmaterial einsefzte,
stieg der Preis sogar für russisches, bulgarisches und türkisches
Material sehr schnell bis auf Jt 120. Die klugen Handelsleute der
Türkei verlangten aber diese Summe in hartem Geld — Gold oder
Silber — und da es natürlich bei dem grossen Goldmangel unseres
Vaterlandes ausgeschlossen war (von dem Goldausfuhrverbot ganz
abgesehen), diese Forderung zu erfüllen, forderte der Türke in der
Regel das Zwei- bis Dreifache seines ersten Angebotes, also bis zu
Jt 360 für ein Kilo getrockneter Saitlinge.
Heute liegen die Verhältnisse so, dass man in der Schweiz,
in Bulgarien und in Russland über Jt 200 für ein Kilo trockner
Därme verlangt, sodass unter Berücksichtigung unserer Valuta
solches nahezu bis auf Jt 600 gekommen ist. Der Katgutfabrikant
konnte dem sprunghaften Steigen des Preises natürlich in dieser
Weise nicht folgen, vielmehr war die Industrie genötigt, den Preis
allmählich in die Höhe gehen zu lassen, um wenigstens nur die
Löhne und sonstigen Unkosten zu decken.
Gleichzeitig muss aber auch darauf aufmerksam gemacht
werden, dass unsere Feinde sich immer bemüht haben, Steril-Katgut-
Kuhn zu bekommen. Auf neutralen Schiffen ist vielfach unter
Sanitätsmaterial Steril-Katgut-Kuhn beschlagnahmt worden, und
man ersieht daraus, mit welchen Verbindungen unsere Feinde gear-
beitet haben müssen, um die Aufkäufer im neutralen Ausland, welche
die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten, das Katgut nicht
dem Feinde zuzuführen, zu gewinnen. Dabei ist noch besonders zu
berücksichtigen, dass diese eidesstattlichen Versicherungen von Amts
wegen beglaubigt waren. Erleichtert wurde der Katgutschmuggel
noch dadurch, dass die Ware häufig als Musik- oder Violinsaiten in
das Ausland gingen. Deshalb sah sich der Reichskommissar für
Ein- und Ausfuhr genötigt, zu bestimmen, dass Violinsaiten, welche
dünner sind als 0,7 mm (also dünner als die Nr. 4 des Katguts)
von der Ausfuhr überhaupt ausgeschlossen sein sollten.
Mit dem Einsetzen der Demobilmachung haben sich die Ver-
hältnisse auf dem Darm- und Katgutmarkt durchaus nicht etwa
gebessert, sondern sind eher noch schlechter geworden. Die Preise
steigen beständig weiter, das Rohmaterial ist schlecht und wird in
geringer Menge angeboten.
Die ganzen Verhältnisse können sich erst dann bessern, wenn
unsere Handelsbeziehungen zu Frankreich und England wieder normale
geworden sind. Also mit anderen Worten; Es liegt alles an einem
Rechtsfrieden.
37
Die Narbenbehandlung durch elastischen Druck
Die Narbeiibelmiidlung durch elastischen Druck.
Kasuistischer Beitrag von Oberstabsarzt Dr. Braun.
Die u. a. auch in diesen Blättern (Heft 2) von He ermann
empfohlene Behandlung von derben, verwachsenen Narben durch
den elastischen Druck eines Gummischwammes oder Radiergummis
hat anscheinend wenig Nachahmung gefunden. Die auch vom Ver-
fasser anfangs geteilte Skepsis wurde beseitigt durch die Erfahrung,
die nachstehend mitgeteilt werden, soll:
Kurt M., 11 Jahre alt, zog sich im August 1918 durch Reissen
an einem rostigen Nagel eine Phlegmone des rechten Unterarmes zu,
die nach mehreren Inzisionen durch den Hausarzt ausheilte. Es
blieb aber oberhalb des rechten Handgelenkes eine Narbe zurück,
die die Funktion der Hand ausserordentlich behinderte und dadurch
den Eltern Veranlassung gab, Anfang Februar d. Js. das Kind in
meine Behandlung zu geben. Der Befund war folgender:
Hart oberhalb des rechten Handgelenkes befindet sich in der
Mitte der Unterarmstreckseite eine pfirsichkerngrosse, harte, ver-
dickt vortretende, auf der Oberfläche von zahlreichen erweiterten
Haargefässen durchzogene Narbe, die auf Druck unempfindlich, mit
den unterliegenden Weichteilen, besonders mit den Strecksehnen so
fest verwachsen ist, dass sie nur eine geringe seitliche Verschiebung
der Haut mit den Sehnen zusammen erlaubt. Die Beweglichkeit
der Finger ist unbehindert, dagegen jede Volarflexion ira Hand-
gelenk unmöglich. Bei einem Versuch, sie passiv auszuführen, wird
eine starke Spannung der Narbengegend mit Blasswerden der Narbe
und ihrer Umgebung erkennbar. — Ich beabsichtigte, die Narbe zu
excidieren und den Defekt durch einen Hautfettlappen von der
Brust zu decken, beschloss aber, zuvor einen Versuch mit der
Radiergummibehandlung nach Heermann zu machen, um mir über
diese ein Urteil zu bilden. Es wurde ein kleinfingerdickes Gummi-
stück von 2-Markstückgrösse mit dünner Gazeunterlegung auf die
Narbe gelegt und hier mit einer Mullbinde so fest angewickelt, als
die Rücksicht auf ungestörte Zirkulation es erlaubte. Der Erfolg
nach 6 Tagen war ein verblüffender. Die bisher starre, hoch auf-
liegende Narbe war weicher und breiter geworden und liess sich
weit mehr verschieben als früher. Das Kind konnte auch aktiv
eine Beugung von fast 45° im Handgelenk ausführen, sodass der
Ausfall gegenüber der Volarflexion der linken Hand nur etwa 20°
betrug. Die Messungen wurden mit dem Goniodiameter von Th öle
ausgeführt.
Die Behandlung wird noch fortgesetzt und verspricht schon
jetzt einen vollen Erfolg, der eine blutige Behandlung überflüssig
machen wird.
38
1919
Ein neuer Mischapparat zur Herstellung
einwandfreier Injektionsflüssigkeit
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Melsnnger
Medizinisch - pharmazeutische
Mitteilungen
aus Wissenschaft und Praxis
Herausgegeben von der Firma
B. BRAUN - MELSUNGEN
Inhaber: Apotheker Carl Braun
gegründet 1839
Rogen-Apotheke □ Fabrik pharmazeutischer Präparate □ Katgut-Fabrik.
Verantwortlicher Schriftleiter: I)r. Hans Braun, Melsungen.
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1919.
Melsungen.
Heft 16.
Originalarbeiten.
Ein neuer Mischapparat
zur Herstellung einwandfreier InjektionsflUssigkeit
von Zahnarzt Heinrich Blum, Berlin-Wilmersdorf.
Jedem Zahnarzt, der sich mit den Fragen der Lokalanästhesie
etwas genauer beschäftigt hat, werden die in der Disputation zu
Münster i. W. vom November 1912 angenommenen 16 Thesen
bekannt sein. (D. Z. H. in Yortr. Heft Hl.)
Diese Thesen sagen uns kurz und klar, wie die Injektions-
flüssigkeit, von deren Zustand und deren Zusammensetzung der
direkte und der indirekte Erfolg einer Injektion in allererster Linie
abhängig ist, beschaffen sein muss. Aber die genaue Befolgung
dieser Thesen ist in der Praxis nicht immer so einfach und von
vielerlei Zufällen abhängig.
Die Anforderungen, die an eine ideale Injektionsflüssigkeit für
zahnärztliche Zwecke gestellt und die kaum noch ernstlich bestritten
werden, kommen kurz in folgenden Thesen zum Ausdruck:
39
I. Je frischer eine Novocain-Suprarenin-Lösung ist, um so
weniger giftig ist sie und um so grösser ist ihre anästhesierende
Wirksamkeit.
V. Gemischte Novocain-Suprareniu - Lösungen sind dagegen
nur direkt nach der Mischung der beiden Präparate im gelösten
Zustande als frisch zu betrachten.
Bereits nach 10 Minuten kann unter Umständen (z. B. hohe
Temperatur, Lichteinwirkung, Luftzutritt) ein Verfärben der
Novocain-Suprarenin-Lösung und somit herabgesetzte Wirksamkeit
und höhere Giftigkeit eintreten.
VIII. Ein Individualisieren mit der Novocainkonzentration
ohne Nebennierenpräparate ist bei der für zahnärztliche Zwecke
ausreichenden kleinen Dosis nicht erforderlich.
X. Die günstigste Novocainkonzentration für zahnärztliche
Zwecke liegt in der 2 °/0 igen Lösung.
XI. Dagegen muss mit der Sup raren in konzentration in vielen
Fällen der zahnärztlichen Praxis individualisiert werden.
Das Individualisieren mit der Suprarcninkonzentration ist er-
forderlich, da
1. die Toxizität des Suprarenins sehr abhängig von der Konzen-
tration ist, in der eine bestimmte Dosis gegeben wird, zumal
bei älteren Leuten (Arteriosklerose) und bei unbewusster
Injektion in ein Gefäss.
2. Je normaler die Blutung einer Wunde in der Wundhöhle ist,
um so besser ist der Heilungsverlauf und um so geringer ist
die Gefahr von Nachschmerzen. Da in manchen Fällen eine
starke Blutleere des Operationsfeldes sehr erwünscht ist (Auf-
klappung mit ungenügender Assistenz, Fraktur etc.), in anderen
Fällen leichte Extraktion (Anästhesie bei der konservierenden
Behandlung, Alveolarpyorrhoebchandlung, Vorbereitung für
technische Arbeiten. Der Verf.), dagegen im Interesse einer
guten Wundheilung die normale Blutung möglichst wenig
beeinflusst werden soll, so erfordern auch diese Umstände ein
Individualisieren in der Suprarenindosis.
XII. Die günstigste Ausnutzung der Suprareninwirkung in
normalen Fällen ist bei Verwendung 2°/0 Novokainlösung erreicht,
wenn jeder Kubikzentimeter der Lösung 0,00002 Suprarenin enthält.
XIII. Bei älteren oder herzkranken Leuten ist eine Herab-
setzung der Dosis bis auf 0,00001, bei Notwendigkeit starker Blut-
leere des Operationsfeldes eine Steigerung bis zu 0,00005 geboten.
These XVI gibt uns zum Schluss Hinweise, wie die in den
vorhergehenden 15 Thesen aufgestelltcn Anforderungen an die
Injektionsflüssigkeit in der Praxis verwirklicht werden können:
»XVI. Die vorangehenden, an Nov.-Supr.-Lösungen für zahn-
ärztlichen Gebrauch zu stellenden Forderungen sind für die Praxis
weder durch den Gebrauch fertig dosierter Novokain-
Suprarenin-Tabletten noch durch Ampullen erfüllt,
sondern allein durch das Verfahren dqr Selbstdosicrung
und Selbsthcrstcllung, soweit die Schnelligkeit bei der
Herstellung gebrauchsfertiger Lösungen während der Sprech-
stunde dem Tabletten- oder Ampullen verfahren nicht unterliegt,
etwa in der von Seidel beschriebenen oder ähnlichen Form.«
Diese von Seidel in der »Monatsschrift für Zahnheilkunde«
31. Jahrgang (1913) S. 677 beschriebene Form habe ich nun selbst
jahrelang im Klinikbetrieb und in der Privatpraxis augewendet und
■erprobt. Und doch konnte ich mich nicht mit ihr befreunden.
•Unter anderem betrachte ich es als einen ganz besonderen Uebel-
stand, dass zum Mischen der Flüssigkeiten eine Anzahl steriler
Mensuren vorrätig gehalten werden muss, die obendrein bei dem
häufigen Auskochen sehr leicht zerspringen. Im Klinik- und kassen-
ärztlichen Betrieb ist hierzu eine sehr grosse Zahl erforderlich, für
deren Sterilität man nur das mehr oder weniger zuverlässige Hilfs-
personal verantwortlich machen kann, in der Privatpraxis sind
chirurgische Eingriffe- und sonstige erforderliche Injektionen so
unvorherbestimmbar, dass man manchmal seine ausgekochten Gläser
wochenlang liegen und dann wieder nicht genug zur Hand hat. Es
sind eben bei dem Seidelschen Verfahren, ohne Zweifel bis heute
das vollkommenste und brauchbarste, zu viele Teile zur Herstellung
einer Injektionsflüssigkeit erforderlich, die dadurch zu umständlich
wird, und dann weiterhin unter den verschiedenartigsten Einwirkungen
der täglichen Praxis leicht zu Ungenauigkeiten und damit zur Auf-
hebung der Vorteile des an und für sich guten Verfahrens führt.
Wenn auch so Seidel als Erster einen Weg gefunden hat, der die
hohen theoretischen Forderungen, die jeder gewissenhaft arbeitende
und von Fall zu Fall abwägende Zahnarzt an seine Injektions-
flüssigkeit stellen muss, einen Weg, der diese theoretischen
Forderungen in die Praxis unter günstigen Umständen umzusetzen
ermöglicht, so sagte er doch selbst in der Disputation zu Münster,
vielleicht in bescheidener Würdigung seiner Verdienste, vielleicht
aber auch im Empfinden der Unvollkommenheit seines Verfahrens:
».......vielleicht wird mancher Kollege noch praktischere Wege
finden.«
Mit meinem Apparat, den ich hiermit der Oeffentlichkeit und
der Nachprüfung übergebe, glaube ich einen solchen praktischeren
Weg gefunden zu haben, gebe aber gleichzeitig mich der Hoffnung
hin, dass meine Arbeit anregend auf die Fachgenossen wirkt, um
so meinen Apparat möglichst zu vervollkommnen, oder noch
praktischere und bessere Wege zu finden, die es jedem Zahnarzt
ermöglichen, ja ihn dazu zwingen, nur noch in jeder Beziehung
einwandfreie Injektionsflüssigkeit zu verwenden.
Der Apparat selbst besteht aus den beiden Injektionsflüssig-
keitsbehältern (A und B), dem Suprareninbehälter aus jenenser Glas
(C) mit der Tropfvorrichtung, die 35 Tropfen auf 1 cbm gibt, und
dem Mischgefäss (D) mit der Entnahmevorrichtung 18. Diese Teile
werden durch ein schweres Stativ federnd gehalten. Die nähere
Bcschreibnung der einzelnen Teile ergibt sich aus der Gebrauchs-
anweisung. — Bevor man den Apparat in Gebrauch nimmt, wird
er in seine sämtlichen Teile zerlegt, von Staub und anhaftendem
Fett gereinigt. Die Metallteile werden gesondert aufbewahrt, die
Glasteile in Tücher, etwa Mulltücher, am besten einzeln eingewickelt
und in den Sterilisator, oder in einen Kochtopf mit kaltem Wasser
gelegt. Es ist darauf zu achten, dass kein Sodawasser genommen
wird, sich auch in dem Sterilisator vom früheren Gebrauch her
keine Sodarückstände befinden. Alsdann wird das Wasser durch
langsames Erhitzen zum Kochen gebracht. In diesem kochenden
Wasser bleiben die Glasteile etwa 15 Minuten. Nun lässt man den
mit dem Deckel verschlossenen Sterilisator langsam abkühlen.
Aber wirklich langsam, eine künstliche Beschleunigung kann zu
Bruch führen. Darauf nehme man mit peinlichst gereinigten Händen,
am besten mit einer ausgekochten Tiegelzange, die einzelnen Teile
nacheinander heraus und füge dieselben in dem Stativ, nach voll-
ständiger Entfernung etwa rückständigen Wassers, in folgender
Reihenfolge zusammen: 1. Man nehme das Mischgefäss, setze es in
die federnde Klammer am Stativ und ziehe die Schraube mittel-
fest an. 2. Setze man die Flüssigkeitsbehälter, nachdem man die
Reibungsflächen aller Hähne schwach eingefettet hat, am
besten mit dem beigegebenen Paraffin-Thymol in die entsprechenden
Oeffnungen an dem Mischgefäss, Anfassstutzen 15 und 17 nach
Aussen. 3. Bringe man die Yerschlussstöpsel 6, 7, 8, die Schutz-
kappen 1, 2, 3, 4, 5, den Ablasshahn 9 und die Ablaufschalc an
ihre Stelle. Besonders erwähnt braucht wohl kaum zu werden, dass
alle Innenseiten peinlichst vor Berührung beim Zusammensetzen
geschützt werden müssen. Nach der Zusammensetzung bereitet man
die Füllung des Apparates vor. Die einfachste Art der Füllung
geschieht durch Ampullen. Zu diesem Zweck entfernt man die
Schutzdeckel und Verschlusskappen an den Vorratsbehältern, schlägt
sie in ein steriles Tuch, wozu die ausgekochten Tücher benutzt
werden können, ein, reibt das eine Ende der Ampullen mit Alkohol
gut ab und hält es in die entsprechende Oeffnung des Vorrats-
43
behälters, bricht alsdann das obere Ende der Ampulle mit einer
Zange ab und lässt die Flüssigkeit in den Behälter fliessen. Will
man in Bezug auf Sterilität und Frische der Lösung noch weiter
gehen, so benutze man zum Füllen der grossen Yorratsbehälter den
bekannten Apparat von Braun-Katz zur Herstellung von sterilem,
destilliertem Wasser. Dieser Apparat wird in die obere Oeffnung
des Stativs gesetzt, dann das in der Kochflasche befindliche
Wasser zum Kochen gebracht. Nachdem man den Dampf
etwa 10—15 Minuten durch den Apparat hat strömen lassen, setze
man die Ausflussöffnung in einen der Yorratsbehälter, hebe den
Kühler des Destillierapparates in die Höhe, werfe in den nun oben
offenen Mantel dos Apparates das zur Herstellung der gewünschten
Flüssigkeit entsprechende Medikament, setze den Kühler wieder
an seinen Platz, und lasse nun erst das Kühlwasser langsam
laufen und destillieren, bis die Flüssigkeit in dem Yorratsbehälter zu
dem 50 Gradstrich gestiegen ist. Das Medikament ist durch den Dampf
sterilisiert und durch das destillierte Wasser aufgelöst in den Vorrats-
behälter geflossen und so eine einwandfreie, frisclfe Lösung hcrgestellt.
Um nun die gewünschte Injektionslösung herzustellen, drehe man
das Gefäss A oder B nach Innen, lasse die gewünschte Flüssigkeits-
raenge in das Mischgefäss laufen, setze durch Drehen des Gefässes
C nach links die gewünschte Anzahl Tropfen Suprarenin hinzu,
und die Lösung ist fertig. Es ist ratsam vor Instandsetzung des
Apparates sich in der genauen Dosierung mit Wasser zu üben.
Der Schutzdeckel 2 wird so gestellt, dass die beiden kleinen Luftlöcher
nicht übereinander liegen. Sollte der Tropfen gelegentlich nicht
sofort kommen, so genügt es durch Drehung der Luftlöcher über-
einander etwas Luft in das Gefäss laufen zu lassen und eventuell
durch Druck auf die Membran den Austritt des Tropfens zu er-
leichtern.
Die somit fertige Injektionsflüssigkeit wird mit der sterilen
Spritze, nachdem die Nadel abgeschraubt ist, durch die Entnahme-
vorrichtung 18 aus dem Mischgefäss entnommen. Zu diesem Zwecke
schraubt man den Spritzenkonus mit einer leichten Drehung, nachdem
inan den Schutzdcckel 4 an den Haken des Stativs gehängt hat,
in den Tubus der Steigrohre 18 und zieht die Flüssigkeit hoch.
Auf diese Weise kommt das Aeusscre der Spritze mit der Lösung
nicht in Berührung und andererseits wird der Unsitte, mit eben ge-
brauchten Nadeln die Flüssigkeit hochzuziehen, vorgebeugt. Ein
Abbrechen des Tubus durch unvorsichtige Bewegung wird durch
die leicht federnde Befestigung des Apparates im Stativ verhindert.
Nach Gebrauch kommt der Schutzdeckel 4 natürlich wieder an seinen
Platz, die etwa übriggebliebene Injektionsflüssigkeit wird, wenn sie
nicht sofort verwendbar ist, durch den Hahn 9 in die Schale abge-
lassen. Durch die Oeffnung in 5 tritt Luft in das Mischgefäss. Ist
der Apparat leer, so ist es, vorausgesetzt, dass er immer rein ge-
halten wurde, durchaus nicht notwendig, ihn jedesmal von neuem
auszukochen, er kann sogleich wieder gefüllt werden.
Gesamtansicht des Mischapparates
nach Blum.
Die Unterbringung der Grundflüssigkeit in zwei Vorrats-
behältern ermöglicht dem Zahnarzt, dieselbe in der verschieden-
artigsten Weise zu gebrauchen. 1. Der Zahnarzt ist gewohnt nur
mit einer 11/2 °/0- oder 2%-Lösung zu arbeiten, dann füllt er beide
Behälter A und B mit der entsprechenden Novokainlösung und hat
so 100,0 gr Vorratsflüssigkeit. 2. Der Zahnarzt will auch die Novo-
kainkonzentration differenzieren, dann füllt er in A eine 4 °/0-Novo-
kainlösung und in B Kochsalzlösung. Er kann nun jede Lösung von
45
V2%—4% hersteilen, oder 3. der Zahnarzt fürchtet, dass durch die
an den Wänden des Mischgefässes zuröckbleibendc Lösung eine
ungünstige Beeinflussung der nächsten Lösung stattfindet. Dann kann
er den einen Behälter mit der entsprechenden Novokainlösung und
den anderen mit sterilem, destillierten Wasser füllen. Nun braucht
er nur das sterile Wasser nach erfolgter Injektion in das Misch-
gefäss zu lassen und kann dieses Wasser dann durch den Hahn 9
entfernen.
Um den verschiedenartigsten Wünschen der Zahnärzte in
jeder Weise gerecht zu werden, wird der Apparat mit Auf-
schriften nach Angabe geliefert. Zusammen mit dem Apparat
können auch die Ampullen mit 50,0 ccm lV2°/o" und 2°/0iger
Novokainlösung, physiologischer Kochsalzlösung und Ringerlösung
mit lang ausgezogenen Enden zur bequemen Füllung des Apparates
bezogen werden. Wer sich aber der kleinen Mühe unterziehen will,
die Lösungen selbst herzustellen, was ohne Zweifel den höchsten Grad
von Sauberkeit und Sterilität verbürgt, der bediene sich dazu des
Destillierapparates von Braun-Katz, zu dem ein auf meinen Apparat
absetzbares Stativ hcrgestellt ist. Durch den Gebrauch dieses
Destillierapparates und meines Mischapparates wird es ermöglicht,
dass die verwendete Injektionsflüssigkeit von ihrer Herstellung bis
zur Injektion mit der äusseren Luft praktisch nicht in Berührung
kommt. Die Anschaffungskosten des Apparates machen sich durch
die billigere Herstellung der Flüssigkeit und durch den restlosen
Verbrauch bald bezahlt.
Ich glaube mit der Einführung meines Apparates in die zahn-
ärztliche Praxis auch dem beschäftigstcn Zahnarzt die Möglichkeit
geboten zu haben, sich rasch in der Sprechstunde eine einwandfreie
und dem jeweiligen Falle angepasste Injektionsflüssigkoit herstellen
zu können, ohne dass es erforderlich ist, eine jede Handbewegung
des Hilfspersonals zu überwachen, da eine Verunreinigung der
Flüssigkeit selbst bei Leichtfertigkeit nicht möglich ist. Wer auf
saubere Füllung meines Apparates achtet, muss eben einwandfreie
Injektionsflüssigkeit benutzen. Und dass diese das A und O für
die Wirkung der Anästhesie und den Verlauf der Wundheilung
sind, braucht wohl jetzt kaum mehr erörtert zu werden.
Schlechte Behandlung von Katgut-Packungen
1919
Arbeiten aus dem chemisch-bakteriologischen Laboratorium
der Firma B. Braun, Melsungen.
Schlechte Behandlung von Katgut-Packungen.
Von Dr. Hans Braun.
Seit einiger Zeit werden dem ( chemisch-bakteriologischen
Laboratorium der Firma B. Braun Katgutpackungen der eignen und
anderer Firmen zugesandt mit der Bitte, festzustellen, ob das in der
Packung enthaltene Katgut noch brauchbar und einwandsfrei sei.
Auf den ersten Blick fällt bei solchen Packungen schon auf, dass
die Pappe durchweicht war. Häufig sieht man dann Pilzrasen auf
und unter den Falzen sitzen. Die Papierschilde sind teilweise
abgewoicht. Beim Oeffnen der Packungen findet man das Ein-
wickelpapier der Zylinder manchmal noch feucht, und die Katgut-
fäden mit einem weissen Hauch überzogen, welcher bei mikroskopischer
Betrachtung sich als eine Ansiedlung von Schimmelpilzen erweist.
Bei der Züchtung der gefundenen Hyphen stellt man Mucor und
Penicillium fest, also die gewöhnlichen Schimmelpilze, welche sich
auf alt gewordenem Brot, auf verdorbenen Fleischwaren und dergl.
finden. Das Steril-Jod-Katgut der eigenen und anderer Firmen
erwies sich auch als merkwürdig hell. Die Packungen sind ver-
mutlich nicht sachgemäss auf bewahrt gewesen, haben vielleicht
irgendwo im Freien oder in feuchten Bäumen monatelang in Kisten
gelagert. Anders lässt sich die Durchdringung der Packungen mit
Schimmelpilzen nicht erklären. Andererseits möchte man annehmen,
dass die Aufbewahrung auch eine Zeitlang in überwarmen Räumen
stattgefunden hat. Vielleicht haben die Packungen in Kisten während
des Sommers Wochen- oder monatelang im Freien an der Sonne gelegen,
wodurch das nicht gebundene Jod aus dem Faden heraussublimierte.
Dadurch ist das Jod-Katgut seiner Schutzmittel beraubt worden
und Keime können nun ihren Zerstörbngs- und Zersetzungsprozess
beginnen.
Sternpackungen zeigten auf der Pappe und auf dem Katgut
ebenfalls dichte Schimmelrasen. Bei Ringpackungen stellte man fest,
dass die Schimmelpilze auch durch gut gefalztes Wachspapier ihren
Weg zum Katgut gefunden hatten.
Filtrierpapier, welches zum Einwickeln von Steril - Katgut
gedient hatte, erwies sich mit Keimen durchsetzt.
Die Ringe müssen häufig so feucht gewesen sein, dass das
Wasser den ganzen Faden durchdrungen hat, sodass diesem jeglicher
Halt und jegliche Festigkeit verloren ging. Solche Ringe haben das
Aussehen, als habe man sie aus dem Wasser gezogen und dann wieder
47
schwach antrocknen lassen. Infolge der umgekehrten Drehung haben
sie nicht mehr Ringgestalt, sondern die eines gedrehten Zopfes.
Bei der bakteriologischen Prüfung wurde folgenderweise ver-
fahren :
Die Zylinder wurden zur äusseren Sterilisation mit Jodalkohol
behandelt, durch Einlegen in eine Thiosulfatlösung von Jod befreit
und Proben dann in die übliche Fleischbrühe gegeben. Unter den
Keimen, welche sich hier entwickelten, fand man einen von typischem
Aussehen: Ein etwas gekrümmtes Stäbchen, etwa von der Grösse
der Kolibazillen, am Ende eine blasenförmigc Auftreibung — die
Spore. Diese Sporen sind etwas grösser als die der Tetanusbazillcn.
Sie wachsen in Fleischbrühe unter Bildung eines dicken, zähen
Schleimes aerob und anaerob. Mehreren Mäusen wurde 1/„ ccm
davon unter die Haut gespritzt. Von fünf Mäusen blieben vier am
Leben, eine ging ein. Stiche aus dem Herzblut ergaben Kulturen,
welche die Trommelschlägclform nur selten zeigte. Ein Meer-
schweinchen, mit einem ccm jener Herzfleischbrühe unter der Bauch-
dccke geimpft, brachte keine Reaktion. Das Tier blieb am Leben.
Eitcrungserscheinungen traten nicht auf.
Unter anaeroben Verhältnissen entwickelten sich die Keime
viel langsamer, ohne die charakteristische Sporenbildung zu zeigen.
Ich behalte mir vor, diese Keime noch näher zu beschreiben.
Auf Anfragen nach der Bezugsquelle dieser Katgutpackungen
ist in der Regel mittelbar oder unmittelbar die Heeresverwaltung
ermittelt worden. Man muss deshalb dringend davor warnen, Katgut
von Leuten oder Firmen zu beziehen, die keine genügende Gewähr
für Güte ihrer Ware bieten.
Unter den Nähfäden fanden sich Packungen, die aus dem
Jahre 1916 stammten. Das Alter, falsche Behandlung auf dem
Rückzuge 1918 und andere anormale Verhältnisse mögen die Ver-
nichtung des Nähmaterials herbeigeführt haben.
1920
Über Quellstifte aus Laminariastielen
und Tupeloholz
| Melfunger
;Medizmifcfi-pharmazeuti|che i
Mitteilungen
aus Wiffenfchaff und Praxis.
Herausgegeben von der Firma B. Braun-Melfungen
Inh.: Apotheker Carl Braun.
Gegründet 1839.
Rofen-Apotheke / Fabrik pharmazeutischer Präparate / Katgut-Fabrik.
Verantwortlidier Schriftleiter: Dr. Hans Braun, Melfungen,
X*444t444444444444444t-4*44*-44»-*4444**44*****44*4»*4**4»***44444444*44***
1920.
Melsungen.
Heft 17.
Origmaiarbeiten.
Arbeiten aus dem chemisch - bakteriologischen Laboratorium der Firma
B. Braun, Melsungen.
über Quellstifte aus Laminariastielen und Tupeloholz.
Von Dr. phil. Hans Braun,
wissenschaftlichem Leiter der Firma B. Braun.
I.
Geschichte, Zweck, Stammpflanze und Anatomie
der Laminariastiele.
Unter Quellstiften, Quellkegeln, Quellsonden und Quellbougies
versteht man Körper von der durch das Wort bezeichneten Form, welche
in Körperhöhlen eingelegt, dort aus dem umgebenden Gewebe Feuchtig-
keit aufnehmen, dabei um ein mehrfaches quellen und die Körperhöhle
dadurch erweitern. Die Quellstifte sind 1863 in den Arzneischatz auf-
genommen worden, nachdem Garibaldi auf die chirurgische Anwendung
der Algen als Quellmittel hingewiesen hatte. Die Ärzte bedienten sich
dieser Quellstifte auch viele Jahre lang, kamen aber von ihrer Benutzung
wieder ab, weil die Forderungen inbezug auf die Ausdehnung der Stifte
bei weitem nicht erfüllt wurden. Andererseits stellten sich auch Schwierig-
49
keiten bei der Sterilisation ein, sodass die Quellstifte in den letzten
Jahren immer weniger angewendet wurden.
In dem Schrifttum1) findet man Angaben, dass die Quellstifte aus
den Stielen von Laminaria, dem Holze von Nyssa und der Wurzel von
Gentiana hergestellt seien. Auch gewöhnlicher Bade- oder Feuerschwamm,
zu festen Massen zusammengepresst, hätten zur Anfertigung von Quell-
stiften gedient.
Badeschwamm wird z, B. besonders in England auf kegelförmige,
schwach mit Karbolsäure behandelte Körper verarbeitet, welche in vier
Längen von 4-7 cm in den Handel kommen; Die Kegel besitzen am
dicken Ende einen Durchmesser von 7,5 bis 11,6 mm, am dünnen Ende
alle etwa 5,5 mm. Durch das dicke Ende ist ausserdem ein Loch
gebohrt, durch welches eine Schlinge von rotem Zwirn gezogen ist.
Legt man die Kegel in Wasser, so quellen sie in etwa 10 Minuten zu
einer Masse ohne bestimmte Form und Gestalt auf, welche den bisherigen
Umfang kaum noch erkennen lässt. Es liegt eben nur ein längliches,
vollgesaugtes Stückchen Badeschwamm vor. Irgendwelchen Druck ver-
mögen diese Kegel nicht auszuüben.
Die Herstellung solcher Kegel aus Bade- oder Feuerschwamm kann
nur unter Benutzung eines leicht löslichen Klebstoffes vor sich gehen.
Ein medizinischer Wert ist an diesen Präparaten nicht zu erkennen. Man
muss sie vielmehr den antikonzeptionellen Mitteln (Pariser Schwämmchen)
zuzählen.
Die sogenannten „Wiener Quellstifte” waren aus Laminariastielen
gedrechselt, wurden dann mit öl behandelt, um später ganz nach Tischler-
art lackiert und poliert zu werden. Diese Art der Herstellung lieferte
ein Präparat, welches zwar ein sehr schönes, wohlgefälliges, holzähnliches
Aussehen besass, den klinischen Anforderungen aber durchaus nicht ent-
sprach. Die Stifte wurden nicht keimfrei geliefert, waren auch durch
Einlegen in Alkohol nicht keimfrei zu machen. Sie hatten an ihrer
Quellfähigkeit starke Einbusse erlitten, weil das von dem Gewebe fest-
gehaltene öl und die angewendeten Poliermittel (Schellack, Dammar oder
andere ITarze) die Feuchtigkeit fast vollständig von dem Gewebe abhielten.
Die Aufnahmefähigkeit für Wasser war mehr oder weniger, bei dünnen
*) Fischer und Hart wich. Hägers Handbuch der pharmazeutischen Praxis
1903. Band 2, Seite 273.
Pabst und Köhlers. Medizinalpflanzen. Band 1, Seite 149.
Möller und Thoms. Realenzyklopädie der gesamten Pharmazie 1917.
Band 8, Seite 78.
Eulenburg. Realenzyklopädie der gesamten Heilkunde, 4. Auflage. Band 8,
Seite 140.
Karsten. Pharmazeutisch-medizinische Botanik. Berlin 1886, Seite 16.
Stiften aber ganz beseitigt! Schliesslich war eine Armierung der Stifte
üblich, welche es häufig zuliess, dass die Quellstifte aus den Körper-
höhlen nicht mehr herausgezogen werden konnten, weil der Seidenfaden
die aufgeweichte Laminariamasse gespalten hatte, ln solchen Fällen
musste der gequollene Stift operativ entfernt werden.
Alle diese Umstände waren die Veranlassung, dass nicht nur die
Laminariastifte, sondern überhaupt alle Quellstifte immer mehr aus dem
Gebrauch kamen, um anderen medizinischen Verfahren Platz zu machen.
Seit es aber gelungen ist, einen Stift herzustellen, der wirklich quellende
Eigenschaften besitzt, und auch sterilisiert werden kann, haben die Stifte
ihre alte Bedeutung wieder gewonnen und werden in der Chirurgie wohl
seltener, in der Gynäkologie aber sehr ausgiebig in Benutzung genommen.
Ausserdem sind noch Quellsonden und Quellbougies im Gebrauch für
die Behandlung des Tränenkanals, der Eustachischen Röhre, der Harn-
röhre und des Mastdarms.
Die Grundmasse der Laminariastifte als Holz zu bezeichnen, ist ein
Fehler, der eigentlich nicht Vorkommen sollte. Die Meeresalgen aus der
Gruppe der Phaeophyzeen (Braunalgen) besitzen nicht das Gewebe der
hochorganisierten Pflanzen. Das Holz der Siphonogamen ist entstanden
aus der Tätigkeit des Cambiums, einer teilungsfähigen Zellschicht, welche
zwischen Rinde und Holz sitzt und nach aussen Phloem (Bast), nach innen
aber Hadrom (Xylem, Holz) abscheidet. Eine cambiale Tätigkeit fehlt
den Algen vollständig. Ihr Wachstum beruht im Keimling auf der Tätig-
keit eines Meristems; im Stiel und im Blatt der wachsenden Pflanze aber
Abb. 1.
Querschnitte durch trockene Laminariastiele. Zweifache Vergrösserung.
51
ist das Wachstum ein intercallares, d. h. die nach dem Innern zu gerich-
teten Zellen wachsen schlauchartig und mit einander vielfach verschlungen :
vor und vermehren sich dann rasch durch Teilung.
Bei der makroskopischen Betrachtung des Querschnittes eines
trockenen Laminariastieles sieht man allerdings ein Bild, welches den
Wurzel- und Stengelquerschnitten kormophyter Pflanzen äusserst ähnlich
ist. Man glaubt eine Rindenschicht, einen Markzylinder zu sehen und
auch Jahresringe und Markstrahlen erkennen zu können. Dieses Bild
wird noch deutlicher, wenn man eine Scheibe von etwa einem Millimeter
Dicke einige Stunden in Wasser legt. Der Umfang dieser Scheibe nimmt
dann über das Doppelte zu. Man erkennt auf dem zentralen Teil deutlich
eine helle Markschicht, welche in ihrem Innersten eine ovale Schattierung
aufweist. Um diesen Markzylinder herum liegen fast kreisförmig geordnet
dunklere Schichten, welche wie Jahresringe aussehen. Diese Erscheinung
kommt dadurch zu Stande, dass gewisse Zellreihen des Zentralgewebes
Zellen mit kleinerem Lumen führen. Man nimmt an, dass diese den
Jahresringen ähnlichen Linien in irgend einer Beziehung zum Älter der
Pflanze zu bringen seien. Sichere Erfahrungen liegen allerdings noch
nicht vor, weil die Beobachtung des Standortes der Laminaria tief unter
Wasser sehr erschwert ist, die Pflanzen selbst aber starken, äusseren
Einflüssen durch Wellenschlag und Sand ausgesetzt sind. Foslie hat
beobachtet, dass eine mit Lam'inarien bewachsene Stelle nach 4 bis 5
Jahren mit Pflanzen von etwa einem Meter Länge bewachsen waren.
Hiernach hat- er das Alter der Laminaria auf 4-5 Jahre geschätzt.
Abb. 2.
Gequollene Scheiben eines getrockneten Laminariastieles.
Zweifache Vergrösserung.
52
Bei der mikroskopischen Betrachtung von Querschnitten des Laminaria-
stieles erkennt man drei verschiedene Schichten. Die nach aussen zu
liegenden Teile geben ein Bild-, welches an das Parenchym phanerogamer
Pflanzen erinnert. Ein solches liegt aber nicht vor. Es handelt sich in
diesem Fall vielmehr um ein Pseudoparenchym, welches durch Verwachsung
von Zellfäden entstanden ist. ln den äussersten Teilen dieses Quer-
schnittes, also in der Rinde selbst sind die Zellen mit einer braunen,
körnigen Masse angefüllt. Behandelt man diesen Schnitt mit Alkohol,
so geht der braune Farbstoff (Phycophaein) in Lösung und das grüne
Chlorophyll wird sichtbar.
Die äussere Gestalt der Zellen bleibt nach dem Innern des Schnittes
zu fortlaufend zunächst dieselbe. Zeitweise erkennt man nur, dass ihr
Inhalt dunkler wird (die vermeintlichen Jahresringe). Legt man den Schnitt
des getrockneten Stieles in Alkohol, so sieht man, dass die Wände der
Zellen stark zusammengetrocknet sind. Verdrängt man den Alkohol aber
durch Wasser, so beginnt der Schnitt zu quellen und die Zellen werden
im Laufe einer Viertelstunde gedehnt und aufgetrieben. Die Membranen
sind, wenn das Präparat in der feuchten Kammer aufgehoben wird, nach
ein oder zwei Tagen gespannt und ähneln in ihrer äusseren Gestalt etwa
der Bienenwabe.
Der Schnitt durch einen frischen Laminariastiel zeigt pralle, volle
Zellen. Ein Schnitt dagegen durch einen Stiel, der mehr als ein Jahr
lang trocken gelagert war, lässt Zellen erkennen, deren Membranen nicht
mehr gradlinig sind. Ein mindestens zwei Jahre alter Stiel aber besitzt
Zellen, die nur sehr langsam quellen. Ihre Membranen sind zusammen-
gedrückt, ähnlich dem Balg einer Ziehharmonika.
Die Zellen liegen genau reihenmässig hintereinander. Intercellular-
räume fehlen.
Die Zentralschicht des Laminariastieles zeigt unter dem Mikroskop
ein wesentlich anderes Aussehen als die oben beschriebene Rindenschicht.
Die Zellen sind nicht mehr eckig, sondern häufig oval oder kreisrund.
Im Innern dieser Zellen erkennt man nur selten einen körnigen Inhalt.
Die Membran ist aber stark verdickt, sodass der Zellendurchmesser
geringer erscheint, als der Durchmesser der Membran. Das Bild erinnert
an ein ungleichmässig gelochtes Blech. Die Membran zeigt weder Schichtung
noch irgend eine Differenzierung. Auf ihren Bau komme ich später zurück.
Die mittelste Schicht des Laminariastieles, die Markschicht, zeigt eine
vollständige Äenderung des Bildes. Man sieht im Gesichtsfeld ein dichtes
Gewirr von Zellfäden liegen. Deutlich erkennt man lang gestreckte
Zellen, welche wie zerschnittene Schläuche aussehen, dazwischen Quer-
schnitte dieser Schläuche. Diese langgestreckten Zellen heissen Hyphen.
Auf ihrer Tätigkeit beruht das bereits oben beschriebene intercallare
Wachstum des Laminariastengels.
53
Zunächst ein Wort über die Stammpfknze der Laminariastiele.
Durch die Veröffentlichungen über diese Droge in pharmazeutischen und
pharmakologischen Lehrbüchern zieht sich wie ein roter Faden die Be-
hauptung, dass Laminaria digitata, Laminaria Cloustonii und Laminaria
stenophylla die Stiele zur Herstellung der Quellstifte lieferten. Aus dem
neuen Schrifttum 'geht aber klar und deutlich hervor, dass die Stamm-
pflanze Laminaria hyperborea Foslie heisst. Der Laminariaforscher Foslie
hat diese aus dem nördlichen Eismeer stammende Laminaria besonders
studiert und viel zu ihrer Kenntnis beigetragen. Laminaria digitata ist
die Bezeichnung einer Gruppe, zu welcher auch die Gattung hyperborea
gezählt wird.
Abb. 3.
Querschnitt durch den Stiel einer älteren Laminaria.
r = Rindenschicht, Schl = Schleimzellen, rgz = Centralschicht, m = Mark.
Die Stiele aller anderen Laminariaarten sind für die Herstellung
der Stifte ungeeignet, weil sie einen so flachen Thallus besitzen, dass die
Stiele beim Trocknen kaum einige Millimeter dick bleiben. Die Fischer,
welche in den nördlichen Meeren das Sammeln der Laminaria betreiben,
haben der Pflanze den Namen Tungerut, d. h. Tangwurzel, gegeben.
Mit diesem Namen werden aber auch alle anderen Laminariarten be-
zeichnet, vor allem auch Laminaria saccharina.
Ferner ist in dem Schrifttum angegeben, alte Stiele seien hohl und
könnten deshalb zur Herstellung von Stiften nicht benutzt werden. Viele
100 kg Laminariastiele habe ich daraufhin durchsehen lassen. Aber
keinmal ist ein hohler Stiel gefunden worden. Deshalb möchte ich es
eigentlich als fraglich hinstellen, ob überhaupt bei Laminaria hyperborea
hohle Stiele Vorkommen,
Ausserdem wird in Beschreibungen von Laminariastielen häufig von
Quell- oder Schleimhöhlen gesprochen, welche mit einer oder zwei be-
sonderen Zellschichten umgeben, dicht unter der Rindenschidit liegen
sollen. Bei Schnitten durch frische Stiele habe ich diese Schleimhöhlen
sofort gesehen. In der üblichen Handelsware findet man die Schleim-
höhlen dagegen sehr selten.
Nun macht Wille2) schon auf die Feinheit und Empfindlichkeit des
Gewebes der Laminariaceen aufmerksam. Es sei unmöglich Spiritus-
material oder getrocknete Pflanzen für mikroskopische Zwecke zu benutzen,
weil die Plasmastruktur so zart sei, dass sie schon durch anderes Wasser
als Seewasser verändert werde. Zunächst war man geneigt, das Nicht-
finden der Schleimhöhlen auf Grund dieser Mitteilung mit irgendwelchen
2) Wille. Beiträge zur physiologischen Anatomie der Laminaria. Christiania
1897 und Oltmanns, Morphologie und Biologie der Algen. Jena 1904. Seite 446.
Vorgängen beim Trocknen in Verbindung zu bringen. Die Frage klärte
sich aber auf, als man erfuhr, dass die Wallfischfänger die Stiele durch
Schruppen und Kratzen vom Schleim befreien, um sie dadurch vor dem
Verderben zu bewahren. Die Erforschung dieser Frage war aber die
Veranlassung, das Gewebe der frischen und getrockneten Laminariastiele
einer vergleichenden Untersuchung zu unterziehen.
schl
Abb. 5.
1. Längsschnitt durdi die Bildungszone. 2. Querschnitt durch einen älteren Teil.
3. Sdileimgänge von der Fläche gesehen.
Schl = Schleimgänge, Se = Secretzellen.
Die Membranen frischer Laminariastiele sind bedeutend dicker und
die Zellen audi grösser als bei der getrockneten Droge, selbst nach tage-
langem Aufquellen in Wasser, Da die Arbeiten im Inlande vorgenommen
wurden, stand absolut frisches Material nicht zur Verfügung. Als „frisch”
bezeichne ich die Stiele, welche mir in Seewasser verpackt durch ver-
trauenswürdige Personen zugegangen waren. Die Stiele der frischen
Pflanzen sind etwa 8/4-l Meter lang, messen an ihren dicksten Stellen
ungefähr 9 cm im Umfang, an der dünnsten etwa 4 cm. Hier setzt
sich der blattartige Thallus an, welcher etwa 2 mm dick ist. Beim Trocknen
schrumpfen die Stiele auf etwa 40-50 cm zusammen, der Umfang beträgt
an der dicken Stelle dann etwa noch 4 cm, an der dünnsten etwa 2,5 cm.
II.
Die Biologie der Laminarien.
Das Leben der Landpflanzen ift in großen Zügen jedermann bekannt.
Von den Meerespflanzen kann man, von Ausnahmen abgefehen, diefe
Kenntnis aber nicht überall vorausfetzen. Deshalb soll an diefer Stelle
das Keimen und Gedeihen, das Leben und Vergehen der Laminaria-
pflanze kurz an unferem Auge vorüberziehen.
Die Laminariaceen (Abb. 6) find in den nördlichen Eismeeren zu
Haufe. Ihr Vorkommen zieht (ich von der Arktis durch die Behring-
jirafie nach Süden in den Großen Ozean hinein und zwifchen Europa
und Amerika in das Atlantifche Weltmeer. In den aequatorialen Gewäffern
treten die Laminariaceen in der Meeresflora zurück und (elbfi fchon im
Mittelmeer find (ie feiten geworden. Ihr Leben, ifi an das Waffer der
großen Weltmeere gebunden. Die chemifche Zufammenfetzung des Waffers
der großen Ozeane weicht von der Zufammenfetzung des Waffers der
Binnenmeere mit und ohne Abfluss" (Schwarzes Meer, Kafpifches Meer,
Oflfee) gewaltig ab. Das Schwarze Meer z. B. befitzt 1,8, der Atlan-
tifche Ozean dagegen 3,6 Prozent Salze. Wenn man alfo weif, daf
das Leben der Laminariaceen von einem hohen Salzgehalt des um-
gebenden Waffers abhängig ifi, fo erklärt (ich andererfeits auch fofort
das Fehlen diefer Algen in dem Baltifchen Meer bei einem Salzgehalt von
1,7 Prozent von felbfi. Die Lebensbedingungen find eben nicht vorhanden.
57
Das Leben einer Laminarie be-
ginnt mit der Spore. Nach Drew3)
kopulieren zwei gleichartige aus dem
Sporenbehälter ausgetretene Schwärm-
zellen mit einander. Ein Gefchlecht
ip bei diefcn Zellen nidit zu erkennen.
Erft in dem Augenblick der Kopulation
kann man die abgebende Zelle als die
männliche, die aufnehmende Zelle da-
gegen als die weibliche bezeichnen.
Um die Befruchtung einer foichen
Gamete zu ermöglichen, fenden die
Zellen Äusftülpungen gegen einander
vor, durch welche nach der Vereinigung
zweier Äusftülpungen das übertreten
des Plasmas von der einen nach der
anderen Zelle erfolgt. Das Gefchlechts-
produkt - die Zygote - umgibt (ich
mit einer neuen Membran (a). In
der Regel liegen mehrere folcher
Zygoten fadenförmig nebeneinander.
Die Membran einer Zygote erhält
bald einen fchlauchähnlichen Fortfatz,
wodurch die Zelle ein T- ähnliches
Ausfehen (b) annimmt (Abb. 7). In
diefem Schlauch zieht (ich der ganze
Zellinhalt (c) zufammen und (chnürt
fich fchlieplich von dem entleerten
Teil ab. Es find alfo jetzt zwei Zellen
vorhanden, von denen die eine mit
Plasma gefüllt ifi und Chromotophoren
führt, während die leere Zelle bald
abfiirbt. Die volle Zelle dagegen teilt fich vielfach in der Querrichtung
und bald nimmt diefer Keimling eine abgeflachte blattähnliche Gepalt an,
in dem nur Längsteilung vorherrfcht. Er bleibt alfo zunächp einfdrichtig
(Abb. 8). Die längliche Stielzelle verkünjmert bald, geht in Schleim über
und häufig bleiben nur Schleimfetzen zurück. Damit ip das Haftorgan
verloren gegangen.
Die unterPe Zelle des Thallus entfendet nun Rhizoiden, denen die
Aufgabe zufällt, den jungen Ppanzenkörper auf einer geeigneten Unter-
Abb. 6
Laminaria Goustonii.
Der Beginn des Laubwechfels ip an
der Abftfmürung am unteren Teil der
Blätter zu erkennen.
:l) Drew, Reproduction and early developement of Laminaria digitata and
Laminaria sacdiarina. Annal. of botan., 1910, 24.
58
läge feftzuhalten. Eine zweite und dritte Zelle treiben dann ebenfalls
noch Wurzelhaare und bald ift an dem Thallus ein ganzes Büfchel von
Rhizoiden entbanden, welche der Pflanze ermöglichen, (ich am Geftein
feflzuklammern.
Das Wachstum erfolgt jetzt an zwei verfchiedenen Stellen. Die
intercallare Vermehrung des Gewebes fetzt auf dem Übergang zwifchen
Stiel und Blatt ein. Die Stellen find durch Schatten auf der Abbildung 9
kenntlich gemacht.
Das Breitenwachstum des Blattes (Abb. 10) erfolgt zunädift von
den unteren Teilen der äußerflen Randzellen, Diefe flellen ein Meriftem
vor, welches nach innen zu für die Angliederung neuer Zellen forgt (i).
Wenn die Verbreiterung an dem unteren Thallus ein beflimmtes Mafi
erreicht hat, fchiebt fich die Tätigkeit des Merifiems (b) mehr nach der
Blattfpilze herauf und nun beginnt auch hier eine (tarke Vergrößerung
des Gewebes.
Abb. 7
Keimling von Laminaria
digitata am Anfang und
Keimfaden einer Laminaria.
Zygoten (a, b, c, d) in verfchiedener Entwicklung.
igitata am Anfang un
Ende der Entwicklung.
Abb. 9
Wildgewachfener Keimling
von Laminaria digitata.
Beginn der Rhizoiden-Bildung.
Wie bei phanerogamen Pflanzen
beobachtet man auch bei den Lami-
narien von Zeit zu Zeit einen Laub-
wechfel. An dem unteren Teil des
Blattes vollzieht (ich ein verparktes
intercallares Wachstum, während
gleichzeitig ein Stilipand im Wachs-
tum des übrigen Gewebes einfetzt.
Blattrand eines Keimlings von Laminaria
digitata.
Übergang zwifchen Stiel und Blatt
s = Stiel i = Meripem am Übergang
zum Blatt (fa).
Auf diefe Weife kommt es in der Zeit vom Dezember bis zum Februar
zu einer Abfchnürung des größten Teiles der Laubmaffe, deren gänzliche
Abpoßung etwa zwei oder drei Monate in Anfpruch nimmt. In diefer
Zeit zerfetzen die Wogen die Blattfpreite immer mehr und fördern
dadurch die Abpoßung des eingehenden Laubes. Wie oft pch der Laub-
wechfel wiederholt, ip nicht bekannt. Offenbar find die örtlichen Ver-
hältniffe hierbei bepimmend. Im Ochotskifchen Meer z. B. (chwindet das
Eis erp im Augup, und der Regenerationsprozeß des Laminarialaubes
iß dort nach einer Meldung Ruprechts4) im Juli noch nicht beendet.
Nach dem Abwerfen des Laubes tritt das Meripem am Rande des
Thallus wieder in Tätigkeit, daneben aber noch das Wachstum der im
Mark liegenden Zellen.
Der Bau des Blattes ähnelt dem des Stieles. Unter dem Rinden-
gewebe ein Pseudoparenchym, dem nach innen zu ein Gewebe von
Hyphen (Abb. 11) folgt, welches dem Zentralgewebe des Stieles völlig
gleich ip.
Wenn das Blatt feine größte Flächenausdehnung erreicht hat, kann
man mit bloßem Auge fchon auf der Oberßäche des Thallus dunkle
Flecken wahrnehmen - Sori - Anhäufungen von Sporen - entlaffenden
Zellen (Sporangien). Aus der äußeren Zellfchicht des Meripems fcheiden
pch diefe Sporangien ab und weifen nach außen zu parke Verfchleimungen
der Membran auf.
4) Oltmanns, Bd. II, Seite 428,
60
Abb. 11
Tangentialfchnitt durch das Zentralgewebe des Blattes
einer älteren Laminaria digitata.
Die Sori find nicht ausfchließlich mit Sporangien gefüllt (Abb. 12).
Zwifchen ihnen liegen vielmehr unregelmäßig verteilt Zellen, welche nach
außen Verdickungen aufweifen. Ihre Membran trägt eine breite Schleim-
kappe, welche der Cuticula hochorganifierter Pflanzen entfpricht. Diefe
Zellen, welche an der Sporenbildung nicht beteiligt find, heißen Paraphysen.
Wenn die Sporen reif geworden, entläßt das Sporangium feinen
Inhalt, welcher aus gleichartig gebauten, mit Zilien verfehenen Schwärm-
zellen befteht. Diefe Gameten fchwimmen im Waffer umher, bis (ich
zufällig zwei treffen, worauf die Copulation (iattßndet, deren Produkt,
wie oben erwähnt, die Zygöte iß.
Von der Gattung Laminaria hat man bis jetzt einige dreißig Arten fefl-
geflellt, als deren wichtigfle neben Laminaria hyperborea Foslie, L. digitata,
L. Cloustonii und L. saccharina genannt werden muffen. Von der Gattung
Alaria find etwa achtzehn Arten charakteriflert. Alaria esculenta kommt
in der Nordfee und im Eismeer vor. Von Lessonia hat man fünf Arten
gezählt. Auch die größten Pflanzen der Erde gehören in die Familie
der Laminariaceen. Von Macrocystis find zwei Arten bekannt, M. pyrifera
ßndet (ich in den (üdlichen Teilen der großen Weltmeere, befitzt Stiele
61
Abb. 12
Längsfchnitt durch einen Teil des Sorus von Laminaria saccharina,
sp = Sporangium, p = Paraphyfen, sdi = Schleimkappe.
von Baumdicke und wird bis 300 Meter lang. Das Laub folcher Macro-
cystis-Stämme bedeckt kilometerweit und breit die Wafferoberfläche. Die
den Laminariaceen verwandte Fajnilie der Fucaceen weist übrigens
ähnliche Pßanzenriefen auf. Sargassum bacciferum tritt im Atlantifchen
Ozean in folcher Menge und Länge auf, daß die Schiffahrt durch das
„Sargaffomeer” gefährdet ifh
Im Haushalte des Menfchen haben die Laminariaceen von jeher
eine Rolle gefpielt, eine größere, als allgemein bekannt ifi. Denn nicht
nur die Pflanzen als folche, fondern auch die in den Pflanzen enthaltenen
Salze haben fchon in grauer Vorzeit die Äufmerkfamkeit des Menfchen
erregt.
Die Meer- und Küpenßora zeidrnet ßch durch eine ftark alkalifche
Reaktion ihrer Mineralbepandteile aus, welche auf den Gehalt an kohlen-
faurem Natrium (Soda) zurückzuführen iß, während die Afche der Land-
pflanzen hauptfächlich kohlenfaures Kalium (Potaphe) enthält. Ausgenommen
von den letzteren ßnd die Küpenpflanzen Salsola Soda, Salicornia annua
und europaea und Statice Limonium, die fchon im Altertum als Soda-
fpender bekannt waren; ebenfo die Seepßanzen. Bis in die Zeit der
franzöpfchen Revolution pnd die Tange allgemein, ganz befonders aber
die Laminariaceen als Rohpope für die Sodagewinnung herangezogen
worden. In allen Randpaaten des Mittelmeeres hat man fchon feit Alters
mit der Afche der Meerespflanzen gewafchen und pe auch zur Herpellung
von Seifen benutzt. Brauchte man die Afche doch nur mit gebranntem
Kalk zu behandeln, um eine park ätzende Lauge zu bekommen, welche
Fett unter Seifenbildung fpaltete.
Während der franzöfifchen Revolution wurde in Frankreich die alte
Varec-Soda-Induftrie der Normandie aber allmählich lahm gelegt, weil
man die Pflanzenafche als Rohfloff für die Gewinnung von Salpeter be-
nutzen mußte, der in den napoleonifchen Kriegen für die Herfiellung
von Schießpulver in größeren Mengen als bisher benötigt wurde. Während
der Continentalfperre gelang es dem Hausarzte des Herzogs von Orleans
Nicolaus Leblanc Soda aus Kochfalz herzuflellen und Frankreich vor der
Sodanot zu retten. Das Leblanc’fche Sodaverfahren i(l dann bis in die
70er Jahre hinein benutzt worden.
Im Jahre 1811 entdeckte Courtois in der Afche von Laminaria
einen neuen Körper, der von Davay und Gay-Luffac näher unterfucht
und wegen feines veilchenblauen Dampfes „Jod” genannt wurde. Fabrik-
mäßig nahm man die Herfiellung diefes neuen Elementes dann in Brefl und
Cherbourg, in Schottland aber in Glasgow auf. Später folgte auch Norwegen.
Die Laminaria-Afche, in Schottland Kelp, in Frankreich Varec ge-
nannt, ifl dann Jahrzehnte lang die einzige Jodquelle gewefen. Als
aber in Deutfchland in der Mutterlauge des Chilefalpeters jodfaures Natrium
gefunden wurde, entwickelte (ich zuerfl in Hamburg eine neue Induflrie,
welche das Jod aus diefem jodfauren Natrium herflellte. Die deutfche
Induflrie überflügelte bald mit einer Jahresgewinnung von 300000 kg die
franzöfifche und englifche. Seit aber japanifche Chemiker auf deutfchen
Hochfchulen klug gemacht, deutfches Wiffen nach Oflafien getragen hatten,
entfland in Japan ein neuer Gegner. Seit etwa 20 Jahren verarbeitet
man dort die Afche von Laminaria auf Jod nach dem Verfahren, weldies
in England und Frankreich längfl als nicht mehr gewinnbringend verlaffen
war. Infolge der geringen Kulilöhne konnte Japan das Jod zu lächerlichen
Preifen herflellen, fodaß das Land der aufgehenden Sonne als Jod ge-
winnendes und Jod ausführendes auf dem Weltmärkte führend wurde.
Bei diefer Gelegenheit sei ein Fehler richtig geflellt, dem man ab
und zu im Schrifttum begegnet. Zur Jodgewinnung eignet (uh nur die
Afche der Laminariaceen, nicht aber die der Fucaceen.
Bei den Naturvölkern haben die Laminariaceen als Rohfloff für
die Herfiellung von Werkzeugen eine hervorragende Bedeutung erlangt.
Noch heute fchnitzen (ich die Patagonier Mefferhefte und Dolchfliele aus
Laminariaflengeln und unkultivierte Völker der Südfeeinfeln benutzen die
Stiele zu demfelben Zweck. Daß die Laminariaceen befonders Laminaria
(acdiarina hohen Nährwert befitzen, haben die Polarvölker (chon früh-
zeitig erkannt. Die Tfchuktfchen effen die Laminariaceen als Gemüfe,
die Bewohner der (chottifdien Küfle und der Orkney-Infeln lieben Laminaria
faccharina wegen ihres hohen Zuckergehaltes (Mannit) und bereiten ihren
„Meerfalat” aus den feinen Blattgebilden und zarten Stielen. Auch ein
Zuckerfirup wird dort aus diefer Pflanze hergeflellt.
63
In Japan wird die Laminaria japonica gefammelt und getrocknet.
Als Pflanzengelatine kennt fie jede Hausfrau, als Agar-Agar jeder Natur-
wiffenfchafter.
Die an der chinefifchen Küfte vorkommende Laminaria anguftutatä
ift ebenfalls ein Nahrungsmittel. Aber auch andere Arten, die den
Sammelnamen „Kombu” führen, werden von Chinefen und Japanern
gefammelt und kommen verarbeitet als Kurotororo-Kombu (fchwarzer
Brei-Kombu) in den Handel. Aus dem Innengewebe der Laminariaftiele
wird der Schirotororo-Kombu (weifser Brei-Kombu), aus den zarten Blättern
Oboro-Kombu hergeflellt. Das am Feuer getrocknete Kombu heifit Hoiro*
Kombu und das gezuckerte Kwafchi-Kombu. Durch Zerflogen des Letzteren
erhält man den Laimatfu-Kombu und das Cha-Kombu (Tee-Kombu). Die
Präparate werden als Oemüfe, Würze, Beikofi, Suppe, niemals aber als
Fleifcherfatz benutzt. Der Handel mit Kombu ifl in China und Japan ein
ganz bedeutender.
Während des Krieges hat man bei uns in Deutfchland fleißig daran
gearbeitet, die unlöslichen Kohlehydrate der Laminarien zu invertieren,
um die erhaltene zuckerhaltige Maffe als Viehfutter zu benutzen. Das-
(elbe Ziel verfolgten die Franzofen während des Krieges. Mit verzuckertem
Tang als Pferdefutter hat man fehr gute Erfolge erzielt. In Finmarkeh
hat man Laminaria während des Winters immer (chon wie Heu verfüttert.
Wenn es gelingt, dem Tang noch den eigentümlichen Seegeruch und
-gefchmack zu nehmen, (o fleht zu hoffen, dafs Laminaria-Zucker eines
Tages auch Volksnahrungsmittel wird.
Als Arzneimittel fcheint Laminaria auch bei den Naturvölkern im
Gebrauch, gewefen zu fein. Wenigflens berichtete Profeffor Simpson“)
auf einer Sitzung der „Obstetrical Society of Edinburgh" im März 1863
- alfo zwei Jahre nachdem Garibaldi die Laminariaflifte als Quellsonden
in den Arzneifchatz eingeführt hatte-, dafa nach einer Mitteilung Dr. Gillis
die Küflenbewohner Süd-Amerikas den Seetang zur Behandlung des Kropfes
benutzt hätten, ln der Schweiz habe man Schwamm und Seetang (chon
im 17. und 18. Jahrhundert zu demfelben Zweck verwendet. Damals
(ei diefe Behandlungsart von den Ärzten in das Lächerliche gezogen
worden. Jetzt (1863) wiffe man aber, dafi der Jodgehalt die Wirkung
herbeigeführt habe.
III.
Vergleichende Unterfuchung der Membranen frifcher und
getrockneter Laminariaftiele,
Angaben6), daf) die Zellwände der Laminariaftiele (ich auf Zufatz
von Chlorzinkjod blau färben (ollen, find bei allen Verfa((ern, die über
diefe Frage gearbeitet haben, zu finden. Als ich diefe Reaktion an
getrockneten Stielen ausführen wollte, trat fie nicht ein. Zunächft glaubte
ich an eine fehlerhafte Zufammenfetzung der Chlorzinkjodlöfung, mußte
mich aber fchließlidi davon überzeugen, daß die gewünfchte Blaufärbung
der Membranen nicht zu erreichen war, ganz glekhgültig in weldter
Zufammenfetzung die Löfung auch hergcftellt worden war. Auch Jod-
Jodkaliumlöfung ruft keine Blaufärbung, fondern nur eine Gelb- oder
Braunfärbung hervor. Diefer Umftand gab mir Veranlaffung, mich dem
Studium der Zellmembranen von Laminaria hyperborea etwas näher zu-
zuwenden.
In feiner Arbeit über „Die pflanzliche Zellhaut” fchreibt E. Straß-
burger5 * 7) Folgendes:
„In diefelbe Kategorie von Erfcheinungen gehört auch die Mehrzahl
der von Krabbe in Sklerenchymfafern beobachteten Plasmaverkapfelungen,
wobei gleichzeitig zu erinnern wäre, daß auch Krabbe (chon fand, daß
vielfach die mit eingeßoffenem Plasma in Berührung flehenden Zellhäute
allmählich eine andere Beßhaffenheit annehmen und nach Zufatz von Jod
eine gelbe oder fogar braune Farbe zeigen, die genau der Jodreaktion
des eingefchloffenen Plasmas entfpricht. Nach Zufatz von Chlorzinkjod
bleibt die Cellulofe-Reaktion an den fraglichen Stellen aus, wobei ße in
denjenigen Regionen, wo die Plasma-Einfiüffe fehlen, eine fehr deutliche
ifl. Es konnte (ich alfo nur um nachträgliche Infiltrationen handeln.”
Jene Bemerkung Krabbes8), auf welche Straßburger ßch bezieht,
lautet: „Denn nach Wiesner feilen gerade in jungen Zellmembranen
reichlich die Cellulofe-Reaktion verdeckende Mengen von Eiweißfubflanzen
vorhanden fein, die allmählich in Cellulofe übergehen.”
Aus diefen Bemerkungen geht deutlich hervor, daß-in der Zelle
kolloid -chemifche Vorgänge auftreten können, welche mikro - chemifche
Reaktionen beeinfluffen. Durch das Eintrocknen der Schleimmaffen bei
Laminaria wird offenbar eine fchützende Lamelle über die Membran
gelegt. Als Membran iß in diefem Falle die fefle, das Zell-Lumen urc-
fchließende Maffe zu vergehen.
Oltmanns9) iß der Anßcht, daß die Schleim- und Gallertmaffen
vieler Laminariaceen, Fucaceen und Florideen aus ziemlich reinem Pectin
oder pectinähnlichen Subßanzen beßänden. Nach Willes10) Auffaffung
5) Edinburgh Medical Journal 1864, 74, Meeting VII of Obstetrical Society
of Edinburgh. Tangle-tents.
*) Wille. Beiträge zur phyfiologijchen Anatomie der Laminariaceen.
Chrijliania, Seite 41.
') Straßburger. Die pflanzliche Zellhaut. Jahrbücher für wiffenfehaftlid e
Botanik 1898 (Band 31), Seite 535.
s) Krabbe. Ein Beitrag zur Kenntnis der Struktur und des Wachstums
vegetabilifcher Zellhäute. Jahrbücher für wiffenfchaftliche Botanik 1887 (Bd. 18), S.418.
9) Oltmanns. Morphologie und Biologie der Algen, 1904, Bd. 1, S. 79.
10) Wille. Seite 47.
65
begeht die Intercellularmaffe im wefentlichen und die aus ihr hervor-
gegangene Schleimmaffe aus tangfaurem Kalk, welcher vermutlich dem
pectinfauren Kalk der höheren Pflanzen entfpricht oder mit diefem auch
identifih ifl. übrigens iff Wille auch der Meinung, dafj die Schleim-
oberhaut der Laminariaceen aus tangfaurem Calcium beflehe.
Der Schleim getrockneter Laminariafliele, von denen hier die Rede
ifl, füllt die Zellen und die Intercellularräume aus oder ifl auch in die
Membranen eingelagert, (chliefilich noch als mehr oder weniger fefle
Maffe den Membranen innen aufgelagert,
über diefe Art der Ablagerungen und die Entflehung der Lamellen
der Zellwände können nachfolgende Prüfungen einige Auffchlüffe geben.-
Schon oben hatte ich angedeutet, dafj die Chlorzinkjodreaktion
wohl bei der frifchen Pflanze, nicht aber bei der trocknen Droge auf-
tritt. Meine Beobachtungen haben ergeben, dafj durch Chlorzinkjod der
Zellinhalt wohl violett aber nicht blau gefärbt wird, wie bei den frifchen
Schnitten. Teile des Stieles derfelben Pflanze getrocknet zeigen nach
einigen Monaten bei Behandlung mit Chlorzinkjod eine hellblaue Färbung
des Zellinhaltes, aber nicht der Membran. Demnadi findet alfo ein all-
mähliches Abnehmen der Reaktionsfähigkeit flatt, oder mit anderen
Worten, durch das Eintrocknen der Schleimmaffen wird das Chlorzinkjod
verhindert, mit den Kohlehydraten (Zellulofe) in Wechfelwirkung zu
treten. In Stielen, welche mehrere Jahre lang trocken gelagert hatten,
werden volle Zellen nur (eiten beobachtet. Hieraus fchon geht hervor,
dafj der Zellinhalt eintrocknet und (ich als Lamelle mehr oder weniger
dicht an die Zellwand anlegt. Außerdem mufj man aber noch annehmen,
dafs neben dem phyfikalifchen Vorgang des Eintrocknens vermutlich auch
kolloid-chemifche Veränderungen flattfinden. Diefe Annahme wird dadurch
betätigt, daf> Chlorzinkjod auf jahrealte Schnitte überhaupt nicht einwirkt.
Die Kohlehydrate, welche Chlorzinkjod blau färbt, find demnach irgend-
wie umgefetzt worden oder werden durch andere Körper verdeckt.
Ich möchte darauf hinweifen, dafj die Verhältniffe bei Laminaria
ähnlich liegen wie bei den Fukoideen, an deren Membran Kylin11)
nachgewiefen hat, dafs Subflanzen wie Fucin oder Algin die Zellen eng
miteinander verkleben. Würde es gelingen, diefe Subflanzen zu befeitigen,
ohne die primären Zellwände zu verletzen, fo müßten auch die Reaktionen
eintreten, deren Erfcheinen vorher von Algin, Fucin oder tangfaurem
Kalk verhindert werden. Die Verhältniffe liegen bei meiner Laminaria
infofern etwas anders, als mein Ausgangsmaterial aus alten, getrockneten
Stielen befleht, während alle bis jetzt erfchienenen Arbeiten (ich mit den
frifchen Pflanzen befchäftigt haben.
‘) Kylin. Unterteilungen über die Biochemie der Meeresalgen, Seite 404.
Jene Bemerkung, das Algin fei als das Calciumfalz der Älginfäure
aufzufaffen, veranlagte midi, Schnitte von getrockneten Stielen fo zu
behandeln, daß die Calciumverbindung zerfetzt, das Calcium entfernt
(ausgewafchen) und durch Natrium erfetzt wurde. Diefe Behandlung
wurde auf dem Objektträger vorgenommen durdi Zufatz von Salpeter-
fäure, Auswäfferung, Zufatz von Natronlauge und abermaliges Auswäffern.
Meine Vermutung, daß durch diefe Behandlung die reaktionsverhindernde
Subflanz entfernt fei, wurde infofern betätigt, als jetzt einige Reaktionen
eintraten, die an nicht behandelten Schnitten von alten Stielen nicht
erreicht werden konnten.
Setzt man zu den fo behandelten Schnitten Chlorzinkjod, fo tritt
zunächfl eine Dreifchichtung der Membran in Erfcheinung. I. Ein äußerer
gelblich gefärbter Streifen - die Intercellularfubjlanz mit dem dreieckigen
Zwickel an dem Berührungspunkt dreier Zellen. 2. Eine hellviolett
gefärbte Lamelle - die primäre Membran. 3. Eine gequollene, dunkel-
blau gefärbte Lamelle, die (ich manchmal von der Membran loslöfi - der
eingetrocknete Zellinhalt. Naegeli12) führt die Membran-Differenzierung
auf den Wechfel von wafferarmen und wafferreichen Subflanzen zurück.
Ob man diefe Behauptung ohne weiteres auch auf Laminaria übertragen
kann, möchte ich dahin geteilt fein laffen, denn hier handelt es (ich nicht
um wafferarme und wafferreiche Schichten, fondern, wie die chemifche
Reaktionen deutlich zeigen, um Jiofflich vermiedene Körper, nämlich
Zellulofe und Schleim.
Bemerkenswert ifl ferner noch das Verhalten frifcher und alter
Schnitte gegen Kupferoxydammoniak. Löfungserfcheinungen kann man
weder bei frifchen noch bei alten Schnitten wahrnehmen. Wohl aber
wird bei alten Schnitten die oben erwähnte, Dreifchichtung fofort fichtbar,
ähnlich wie bei der Behandlung mit Salpeterfäure und Natronlauge.
Der Unterfchied in der Einwirkung von Agentien auf die Zell-
membranen frifcher und getrockneter Stiele wird durch die Gegenüfaer-
ftellung der Reaktionen in Form einer Tafel (Seite 219) leicht überfiditlidi.
Als Ergebnis der Unterfuchung kann zufammenfaffend Folgendes
gefagt werden:
Die primären Membranen von Laminaria hyperborea begehen aus
Zellulofe, welche Pentofen enthalten.
Die Reaktion mit Muchämatin zeigt, daß die Membran fehr porös
und mit Schleim durchfetzt fein müffen.
12) Naegeli. Ober den inneren Bau der vegetabilijchen Zellmembranen.
Botanijche Mitteilungen II, Seite 1.
Schon Arthur Meyer13) hat darauf aufmerkfam gemacht, daf> bei
Algen feine Poren in den Membranen verkommen, welche mit Plasma
ausgefiillt (eien. Meyers Anfidit kann hier alfo nur betätigt werden.
Das verfchiedene Verhalten von Chlorzinkjod gegenüber frifchen
und getrockneten Schnitten liegt in der Verfchleimung der Membranen,
denn wenn der Schleim befeitigt oder unwirkfam gemacht wird, treten
alle Zellulofe-Reaktionen ein. Nach Kylin befiehl diefer Schleim aus
Fucoidin, Fucin und Algin. Beim Eintrocknen werden diefe Körper auf
oder in der Membran fefl niedergefchlagen. Während Fucoidin und
Fucin beim Befeuchten wieder Waffer aufnehmen, bleibt Algin in Waffer
unlöslich und verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit und die Wirkung
von Agenden. Ifl die Wirkung des Algins befeitigt, fo treten audt die
Reaktionen auf.
Das Verhalten des Algins ifl alfo der Grund, dafs getrocknete
Stiele und demnach auch die medizinifchen Laminariaftifte durch Einweidren
in Waffer niemals wieder den Umfang des frifchen Stieles erreidien
können. Deshalb ifl es auch erklärlich14), wenn die Laminariamembran
als eine irreverfibele Gele bezeichnet wird, d. h. als eine Gallertmembran,
die nach dem Eintrocknen nicht wieder zu der urfprünglichen Maffe auf-
zuquellen vermag.
van Wiffelingh15) , konnte die Schleimmaffe im Inlerzellularraum
der Fungi mit Schwefelfäure und Jod blau färben. Diefer Nachweis eines
löslichen Kohlehydrates im Interzellularraum von Laminaria war nicht möglich.
Die Behandlung frifcher Schnitte mit Natriumhypochlorit hatte den
Zweck, alle proto- und alloplasmatifchen Subflanzen zu zerflören. Zu
den erfleren gehört das Zellplasma, der Zellkern und die Chromato-
phoren. Zu den anderen rechnet man alle Gebilde, welche aus dem
normalen Plasma beflehen und nur eine beflimmte Leiflung zu verrichten
haben, etwa wie die Zilien.
Von Natriumhypochlorit werden aber die ergaflifchen Gebilde nicht
angegriffen, d. h. morphologifche Beflandteile der Zelle, z. B. der Zell-
membran, Einfchlüffe des Plasma (öl, Oxalatkriflalle und dergleichen).
Auch Schleim wird durch Natriumhypocfelorit abgebaut, wie das Verfagen der
Schleimrektionen mit Mucikarmin und Muchämatin zeigt. Nach der Flypo-
chlorit-Behandlung bleibt ein zartes Gerüfl von Zellfäden - Zellulofe - zurück.
Die „Kittfubflanz”, wie Kylin fie nennt, alfo die Interzellularfubfianz,
die aus Algin (tangfaurem Kalk oder alginfaurem Kalk) befleht, ifl
durch Natriumhypochlorit in Löfung gebracht und entfernt worden. Diefes
Oltmanns. Band I, Seite 76.
14) Bechold. Die Kolloide in Biochemie und Medizin. Leipzig 1919, S. 56.
lr’) van Wiffelingh. Mikrodiemifche Unterfuchungen der Zellwände der
Fungi. Jahrbücher für wiffenfchaftliche Botanik 1898, Seite 365.
Reagens Frifche Schnitte ohne Vorbehandlung Frifche Schnitte 24 Stunden mit Natr.Hypo- chlorit behandelt Trockene Schnitte ohne Vorbehandlung Trockene Schnitte mit Salpeterfäure, Natron- lauge u. Waffer behandelt
Chlorzinkjod Violettfärbung nadi 5 Minuten Starke helleViolettfärbung Färbt nicht. ErflnachZufatz von H, SO, Blaufärbung Violettfärbung. Drei La- mellen fichtbar
Schwefelfäure cc. . . . Langfame Löfung. Am (chnell- flen im Zentralgewebe Langfame Löfung Langf. Löfung. Intercellu- larraum fofort fichtbar Langfame Löfung
Kupferoxyd-NH., . . Keine Löfung Keine Löfung Keine Löfung Keine Löfung
Jod-Jodkalium .... •Gelbfärbung der Schleimgänge und einer dünnen Lamelle der Membran Färbt gelb Färbt gelb Violettfärbung der Mem- bran
Jod-Jodkalium+1 % H,S04 Gelbfärbung Blaufärbung Gelbfärbung Blaufärbung
Salzfaures Anilin . . . Schwache Gelbfärbung Schwache Gelbfärbung Färbt nicht Schwache Gelbfärbung
Mucicarmin Schwache Färbung Färbt nicht Färbt fchwach
Muchämatin Färbt die Membran ftark durch ohne Differenzierung der Membran Färbt nicht Färbt fchwach ohne Diffe- renzierung der Membran
Phloroglucin-Salzfäure Färbt nicht Färbt nicht Färbt nicht, zeigt aberDrei- fchichtung der Membran Färbt nicht
Sudan Färbt nicht färbt nicht Dreijdiichtung fichtbar
Corallin Färbt nicht Färbt nicht Dreifdiichtung jichtbar
Congorot Membran des Zentralgewebes nicht, wohl aber Zellinhalt zart rot gefärbt Färbt nicht Schwache Rotfärbung der innerjten Lamelle
Methylviolett . . Die Zelle des Zentralgewebes, Zell-Lumen u.äufjereLamelle ftarke Färbung. Innere La- melle zarte Violettfärbung Färbt nicht Violettfärbung der inner- ften Lamelle
Methylenblau .... Primäre Lamelle hellblau, Zellinhalt noch heller Wie bei dem frifchen Schnitt
mikrofkopifdie Bild beweift, dafi das Gewebe bei Laminaria kein edites
i(t, fondern ein fogenanntes unechtes, durch Verfilzung und Verfchlingung
von Hyphenfäden entftandenes. Bei einem echten Gewebe, z. B. dem
der fiphonogamen Pflanzen, wird die Mittellamelle bei der Behandlung
mit Hypochlorit nicht angegriffen. Die Geflalt des Gewebes bleibt erhalten
und der Zufammenhang der Zellen i(l nicht geflört.
IV.
Biochemie der LaminariafHele.
Heber die chemifche Zufammenfelzung getrockneter Laminariafliele
i(l in dem Schrifttum wenig angegeben. Nur Königls) bringt einige ana-
lytifche Konflanten mehrerer Algen, unter denen nur die der Laminaria
japonica an diefer Stelle von Belang find.
Unfere Unterteilungen follten (ich zunächfl auf den Gehalt an
Waffer, Stickfloff, Glührückfland und Rohfafer erfirecken. Die Aus-
führungen, ganz befonders fchon die Wafferbeflimmungen brachten aber
Schwierigkeiten, weil die Stiele ihre Feuchtigkeit nur fchwer abgeben,
wenn die äußeren Partieen angetrocknet find. Zu einem befriedigenden
Ergebnis kam man er(l, als man dazu überging die Laminariafliele im
Zimmer in der Nähe der Heizung einige Tage zu trocknen und fie
dann auf einer Kartoffelreibe mittelfein zu pulverigeren. Das fo erhaltene
lufttrockene Pulver wurde nun als Ausgangsfloff für alle Unterfuchungen
herangezogen.
Aehnliche Schwierigkeiten (Teilten (ich uns bei der Zerpörung der
Maffe mit Schwefelfäure zur Ausführung der Stick(loffbe(limmung und bei
der Vera(chung entgegen.
Die Fettbejlimmungen wurden im Soxhlet-Apparat ausgeführt, aller-
dings nicht mit Aether, deffen Befchaffung zu Unterfuchungszwecken
die Kriegswirtfchaft nicht zuliefi. Man griff deshalb zum Tetrachlormethan.
Die Handelsware wurde zur Reinigung und Entwäfferung vor ihrer Be-
nutzung über gebrannten Kalk deflilliert. Als „Fett” kommen alfo nur
(olche Körper in Frage, welche in Tetrachlormethan löslich find.
Die Beflimmung der Rohfajier wurde nach folgendem Verfahren
ausgeführt. Das mit Tetrachlormethan ausgezogene Laminariapulver
wurde zuerfl mit Schwefelfäure in der üblichen Verdünnung gekocht,
ausgewafdien, mit Natronlauge in derfelben Weife behandelt, der Rück-
(land auf Glaswolle aufgefangen und diefe mit Rück(land im Platintiegel
verafcht.
16) König. Chemie der menfchlidien Hahrungs- und Genufimittel. 1904.
Bd, 1. 808.
Weiter oben ifi mikrochemifch nachgewiefen worden, dafi trockene
Laminariafliele keine Holzreaktionen geben. Da bei der Beflimmung
der Rohfafer im allgemeinen aber Holz (Cellulofe) gemeint i(l, muf>
darauf hingewiefen werden, dafi das Wort Rohfafer im vorliegenden
Falle leicht zu einer irrtümlichen Äuffaffung führen kann. Die für
foldie Fälle angewendete Bezeichnung „Zellfloffe" d. h. BefJandteile der
Zellmembran dürfte paffender gewählt fein.
Die Ergebniffe der analytifchen Arbeiten find in folgender Auf-
ftellung zufammengefafit:
Trockenfubjtanz luft -
trockener Stiele . . 90,34 90,02 90,28 90,19 90,02
1h 3 5"( Glührückftand .... 29.03 29.260 29.08 29.35 29.8
3 7 $\ Stickftoff 1.676 1.687 1.676 1.692 l.ool
Fett (flehe oben) . . . 0.735 0.7561 0.7763 0.769 0.809
Zellfloffe 9.87 10.10 10.65 10.69 10.35
Krefting und Werenskiold haben feflgeflellt, dafi der Chlor- und
Stickfloffgehalt von jungen Blättern und Stielen ein höherer ift als in
alten Pflanzen.1')
Laminaria digitata Stickftoff Afche Chlor
Alte Blätter 2,20 23,62 5.18 % c n
Junge Blätter 3,01 39,73 12,10 % — !2T c 5
Alaria esculenta ■6 £ ÜH5
Stipes und Sporophyll , 2,27 29,81 9,47 % <U o Cü u
Ältefter Teil des Blattes . 2,62 33,58 10,79 % 'S*
Jüngfler Teil des Blattes . 3,27 35,65 12,41 % T3
Diefe Zahlen beweifen, dafi audi vor dem Laubwedtfel der Laminariaceen
eine Abwanderung der Salze fJattfindet, genau wie bei den hoch-
organifierten Pflanzen. Auffällig an den Analyfen Werenskiolds find
allerdings die hohen Stickfloffzahlen, die von den unferigen bedeutend
abweichen, fidi aber immerhin noch zwifchen den von Kellner* 18) und
Nagai und Murei19) gefundenen bewegen (1,28-3,65). Kellner fand in
der Ajche von Laminaria japonica noch 2,96 % Phosphorfäure und
31,77“/« Kali.
”) Wille. Beiträge zur phyfiologifchen Anatomie der Laminariaceen. Seite 58.
18) Kellner. Japan. Chem. Änalyses of a Collection of agric. specimens.
Intern, agric. Exhibitation. New Orleans. 1884. 19.
ta) Nagai und Murai. A. Descriptive Catalogue of Japan, intern. Health
Exhibitation. London. 1884. 12-16.
In dem Schrifttum findet man dann noch einige Arbeiten über die
Gallertbeftandteile der Laminaria. Hägers „Handbuch der pharmazeutifchen
Praxis” (chreibt, dafs der Schleim der Laminaria aus dem Natrium- und
Magnefiumfalz der Älginfäure beflehe. Die „ Reaienzyklopädie der gefamten
Pharmazie” bezeichnet das Algin auch noch als Älginidin. Jene Angaben,
dafs Algin an Natrium und Magnefium gebunden fei, [teht in Wider-
fpruch mit Willes Arbeiten, der das Algin als Tangfäure bezeidinet und
hervorhebt, dafs eine Kalkverbindung vorliege. Krefting und Werenskiold
haben den Kalkgehalt der Afche auch beftimmt. Wille war auch in der
Lage, nachzuweifen, dafs der Gehalt an tangfaurem Kalk bei Laminaria
mit den Jahreszeiten wechfele. Der Hauptfitz des Algins ifi der Inter-
zellularraum und nicht etwa der Zellraum felbft. Es nimmt bei den
Laminariaceen diefelbe Stellung ein wie bei den fiphonogamen Pflanzen
das Pektin, welches ebenfalls außerhalb der Zelle entgeht. Da der
Interzellularraum des Zentralgewebes von Laminariaftielen dunjh fein
lockeres und lofes Gewirr der Hyphen eine größere Ausdehnung gefiattet
als der Interzellularraum der äufseren Stengelteile, fo erklärt fleh hieraus
auch leicht die höhere Quellbarkeit des Zentralzylinders, überhaupt die
größere Quellbarkeit der dünnen Laminariafiifte.
Schmiedeberg20) (agt, dafs das Quellungsvermögen der Laminariaceen
lediglich auf ihren Gehalt an Laminariafäure zurückzuführen fei, und dafs
diefe ein fo grofses Quellungsvermögen befitzen, wie keine andere
Subflanz.
Schon aus diefen wenigen Angaben des Schrifttums geht deutlich
hervor, dafs die Verfaffer beftrebt waren, immer nur neue Namen in
die Laminariafrage zu bringen. So viel darf ich heute fefifiellen, dafs
die Bezeichnungen Laminariafäure, Tangfäure. Alginidinfäure, Algin- und
Kittfubfianz nur verfchiedene Namen für ein und denfelben Körper find.
Es wäre endlich an der Zeit, (ich auf eine einzige Bezeichnung zu einigen.
Die quantitave Befiimmung des Algins im Laminariafliel bereitet
ebenfo wie alle anderen Befiimmungen einige Schwierigkeiten. Filtrationen
der Auszüge durch Papier find nicht durchzuführen. Anftelle des Filtrier-
papieres benutzte ich ein dichtes Leinen, auf dem fich das Algin als
gallertige Maffe anfammelte und nach zweitägigem Trocknen glatt von
dem Leinenfilter ablöfen lieft, ohne (ichtbare Spuren auf dem Gewebe zu
hinterlaffen. Die erhaltenen Zahlen möchte ich deshalb mehr als technifche
Befiimmungen gelten laffen. Trotzdem find fie beachtenswert. Beweifen
fie doch, dafs der Gehalt der Stiele an Algin einer Schwankung unter-
worfen ifl, auf die Wille fchon mit Beziehung auf die Jahreszeiten hin-
gewiefen hat. Ich bin nicht in der Lage anzugeben, ob die von mir
-°) Schmiedeberg. Uber Beftandteile der Laminaria. Tageblatt der
58. Verfammlung Deutfcher Naturforfdier und Ärzte. Strafsburg 1885. Seite 497.
benutzten Stiele aus der Frühlings- oder Herb (lernte (lammen. Bezeichnend
find aber die großen Unterfchiede der Menge. Bei einer Beftimmung
wurden 14,81%, bei einer zweiten 21,55%, bei einer dritten 20,47%
Alginfäure gefunden, berechnet auf lufttrockene Subjlanz. Krefting hatte
bei Herbflpflanzen 19% Tangfäure, Wille bei Frühlingspflanzen nur 15%
gefunden.
Schmiedeberg i(l der Anfidit, dafs der Laminariafäure die grofie
phyfiologifche Aufgabe zufalle, das Auswäffern des Pflanzenleibes durdi
das Meerwaffer zu verhindern.
Reines Algin i(l nach dem Trocknen fafl unlöslich in Waffer aber
leicht löslich in Natronlauge. Es wird von Alkohol und Eiseffig, Calcium-
Barium- und Eifenchlorid, von Zink- und Kupferfulfat, von Silbernitrat
und Leimlöfung gefällt. Durch Chlorzinkjod tritt keine Blaufärbung ein.
Phlorogluzin-Salzfäure und Orcin-Salzfäure geben die Pentofen-Reaktion.
Die Unterteilungen der bei der Hydrolyfe des Algins entgehenden
Zuckerarten gelten noch nicht als afagefchloffen.21)
Nach Schmiedeberg geht die Laminariafäure (C12H]SOh) durch
Behandlung mit Salpeterfäure in Oxylaminariafäure über, welche nidit
mehr die quellenden Eigenfchaften der Laminariafäure befitzen (oll. Da
das Algin aber gegen Salpeterfäure (ehr widerflandsfähig ifl, verläuft die
Reaktion nur langfam. Schleimfäure entfleht dabei nach Abderhalden nidit.
Krefting gibt an, dafi die Tangfäure durch Kochen mit Mineralfäuren in
eine Zuckerart übergehe, welche Fehlingfche Löfung reduziert. Er ver-
mutet, dafi diefe Zuckerart identifch fei mit der von Günther und Tollens
aus Fucusarten und mit Rhamnofe ifomeren Zuckerart, weldie Fucofe
genannt wird. Auch Bauer habe aus Laminariafchleim einen (üfifchmeckenden
Körper gewonnen, welchen er als Dextrofehydrat bezeichnet.
Schmiedeberg gibt als andere Beflandteile der Laminariafliele noch
den Mannit an, Dextrofe, fowie eine Art Dextrin, Laminarin genannt und
ein Dextrin von der Formel 10 (Q H)2 0(i) — 9 FL O = C(i0 H,02 O-,.
Diefer Körper Jlimmt mit der Formel des Glycogens überein, weldies
Böhm in der Katzenleber nachgewiefen hat.
Für die Beurteilung der Güte von Laminariaquellfliften kommen
diefe Stoffe kaum in Frage.
V.
Die phyfikalifdien Eigenfchaften der Quellflifte.
a) Laminaria.
Der medizinifche Wert von Quellfliften ifl lediglich nach ihrer Quell-
fähigkeit zu bemeffen. Um diefe Werte von Stiften aus Laminariaflielen,
Tupelo- und Pappelholz zu ermitteln, wurden die Stifte in Waffer gelegt,
Jl) Abderhalden. Biodiemifdies Handlexikon 1914. Band VIII. 16.
74
bei Zimmertemperatur flehen gelaffen und der Durdimeffer in beffimmten
Zeitabfchnitten gemeffen. Die Ergebniffe ßnd auf nebenftehender Kurven-
tafel vereinigt.
Aus der Kurve der rohen Laminariaftifte ifl zu erfehen, daß diefe
von der erflen Stunde an langfam, aber befländig quellen. Nach einer
Stunde hat (ich der Durdimeffer bei den dicken Stiften um ein Zehntel,
bei den dünnen Stiften etwas reichlicher vermehrt. Bei weiterer Beobach-
tung des Quellvorganges überzeugt man fich, daf) fich der Durdimeffer nach
24 Stunden etwa um die Hälfte vergrößert hat. Auffällig, aber durch-
aus erklärlich ifl es, daß Stifte mit 3-5 mm Durdimeffer fdineller quellen
als die dickeren Nummern und die Hohlfhfte quellen auch wieder fdineller
als die Volljlifte. Der anatomifdie Bau der Stifte erklärt diefe Erfdieinung
fofort. Denn der dünnfte Stift ifi ausfdiließlidi aus dem Zentralgewebe
des Laminariaflieles hergeflellt und bei den Hohlfliften ifl durch die Längs-
bohrung diefes Zentralgewebe ebenfalls freigelegt. Das Waffer kann
alfo fdmell in das lockere Hyphengewirr eindringen.
Diefelben Beobachtungen prägen fich audi in den Zahlen aus,
welche die Wafferaufnahme der Rohflifte gewichtsmäßig wiedergeben.
Die Werte, welche aus der Kurve der Sterilflifte abzulefen find,
betätigen die bei den Rohfliften gemachten Erfahrungen.
Rohflifte Steriljlift
C 09 1> c C oo <u c
Durdimeffer Gewicht Gewicht nach 24 Stunc Wafferbehandli Waffer- aufnahme Gewicht Gewicht nach 24 Stunc Wafferbehandli Gewicht
mm 8 8 8 8 8 8
3 voll 0,778 3,9546 3,1566 0,7754 3,0410 2,9656
3 hohl 0,607 3,3564 2.7494 0,5932 3,4226 2,8294
5 voll 1,8032 6,1964 4,3932 2,2072 9,3616 7,1544
5 hohl 1.4232 6,8874 5,4642 1,8200 9,8310 8,0110
7 voll 3,4868 12,5974 9.1106 3,7634 12.1982 8,4348
7 hohl 3,1882 10,0814 6,8932 4.0724 16,6760 12,6063
o voll 5,9916 14.9594 8,9678 5,4772 12,4960 7,0188
o hohl 5,1056 15,2346 10,1340 6,7884 20,6702 13,8863
Der kleine Unterfchied, der fich in Bezug auf die Wafferaufnahme
gegenüber den Rohfliften zeigt, ifl auf die Verpackung der Sterilflifte
zurückzuführen. Die Aufbewahrung erfolgt in zugefchmolzenen Glas-
röhren in Alkohol und die geringen Waffermengen des Alkohols nimmt
der Stift demnach auf. Diefe Tatfache kann man audi aus den Zahlen
herauslefen, wenn man die Quellungszahlen der Rohflifte mit denen der
Sterilflifte vergleicht.
75
In mehreren Pharmacopoeen ift angegeben, daß Laminariaflifte um
das Vier- bis Fünffache quellen feilen. Dies ifF eine ganz irrtümliche
Beftimmung und entbehrt jeglicher genauen Beobachtung. Aus den
Angaben von Hirfch'22) ift allerdings nicht deutlich zu erfehen, welche
Pharmacopoe diefe Angabe bringt. Ein frifcher Laminariaftiel mißt, wie
oben angegeben ift, an den dickften Stellen etwa 9 cm im Umfang, an
den dünnflen etwa 4. Nach dem Trocknen fchrumpfen die Stiele an den
dichflen Stellen auf etwa 4-5 cm zufammen, an den dünnflen auf etwa
2,5. Man kann alfo (agen, daß der Laminariaflift beim Trocknen etwa die
Hälfte (eines Umfanges einbüßt. Da aber, wie die chemifche Prüfungen
ergeben haben, Laminariafchleim nach dem Trocknen nicht wieder diefelbe
Menge Waffer aufnehmen kann, fo ift es auch ganz ausgefchloffen, daß
ein getrockneter Laminariaftiel dicker werden (oll als im frifchen Zufland.
Diefe einfache Überlegung beweifl fchon, daß jene Angaben in den
Pharmacopoeen ohne Nachprüfung aufgenommen ßnd.
b) Tupelo.
Das Tupeloholz wird aus den Wurzeln von Nyssa aquatica (Familie
der Cornaceen) gewonnen. Die Pflanze wächfl in den Sümpfen Süd-
carolinas und Floridas. Andere Arten gedeihen noch in O[laßen, befon-
ders am Hymalaya.
Das Wurzelholz von Nyffa aquatica fällt fofort durch das geringe
fpezißfehe Gewicht auf. Während ein Laminariaflift von 3 mm Durch-
meffer 0,6-0,7 Gramm wiegt, beträgt das Gewicht eines Tupelofliftes von
demfelben Durchmeffer und derfelben Länge nur 0,1618-0,1638. Nach
ärztlichen Angaben fpielt aber diefer Gewichtsunterfchied in der Gynä-
kologie gar keine Rolle. Wenn der Tupeloflift im übrigen alle Eigen-
fchaften des Laminariafliftes aufweifen würde, fo könnte der Arzt wohl
im Zweifel fein, ob er dem Tupeloflift nicht den Vorzug geben (ollte.
Betrachtet man aber jetzt die Quellungs-Kurven, fo wird man fofort
fehen, daß die Tupeloflifte in der erflen Stunde an Umfang nur un-
bedeutend zunehmen und dann überhaupt nicht mehr. So viel ifl alfo
bewiefen und fleht fefl, daß mechanifche Wirkung des Tupelofliftes fchon
nach zwei Stunden aufhört, eigentlich follte man bei der geringen Um-
fangsvermehrung überhaupt nicht von einer Wirkung fprechen.
Auch beim Vergleich der von dem Tupeloflift und dem Laminaria-
flift aufgenommenen Waffermenge bleibt der Tupeloflift um ein Vielfaches
hinter Laminaria zurück.
S2)Dr. Bruno Hirfch. Univerfal-Pharmacopoe. Eine vergleichende Zufammen-
ftellung der zur Zeit in Europa, Nord-Amerika und Japan gültigen Pharmacopoeen.
II. Aufl. Göttingen 1902, Seite 499.
76
Durchmeffer Gewicht Gewicht nach 24 Stunden Wafferbehandlung Wafferaufnahme
mm 8 S 8
3 voll . . . 0,1638 0,5084 0,3446
3 hohl . . . 0,1618 0,7290 0,5672
5 voll . . . 0,2032 1,1914 0,9882
5 hohl . . . 0,2078 1,0214 0,8136
7 voll . . . 0,3420 1,6484 1,3064
7 hohl . . . 0,4152 2,004 • 1,5888
9 voll . . . 0,4792 2,4754 1,9962
9 hohl . . . 0,5454 2,6754 2,1300
Diefe vergleichenden Unterfuchungen haben demnadr ergeben, dajj
der Tupeloquellpift überhaupt keine medizinifche Bedeutung befitzt und
dajj ihn der Arzt deshalb auch niemals mehr verwenden feilte. Die
Vermutung liegt nahe, dajj man das Tupeloholz nur wegen feines geringen
fpezififdien Gewidites zur mediziniphen Verwendung herangezogen hat.
Deshalb wurden für die vorliegenden vergleichenden Unterfuchungen audi
nodi Quellpifte aus Pappel- und Lindenholz hergepellt. Die Kurven für
die Quellungen des Pappelholzes find in die Tafel mit eingetragen, die
Stifte aus Lindenholz zeigen noch eine geringere Quellung.
Als Ergebnis der Prüfungen ip alfo feflzuflellen, daf) Stifte aus
Tupelo-, Pappel- und Lindenholz nur als Verfälphung der Laminariaftifte
aufzufaffen find,
VI.
Herflellung und Verwendung der Laminariaftifte.
Die Laminariaftiele laffen fich nur bei einem ganz befümmten
Waffergehalt verarbeiten. Ip der Stiel zu trocken, fo fplittert die Maffe
und die Schneidewerkzeuge werden (tumpf. Ip der Stiel zu feucht, fo
verphmieren die Fräfer. Bei dem richtigen Waffergehalt werden die
Stifte genau wie man Holz drechfelt hergepellt, um nach dem Schleifen,
Trocknen und Polieren durch ein befonderes Verfahren auf einen möglichp
geringen Umfang gebracht zu werden.
Das Trocknen der Laminariapiele bietet viele Schwierigkeiten, weil
das Laminariagewebe beprebt ip, immer wieder die alten Windungen
und Biegungen des Stengels anzunehmen.
Bei dem mediziniphen Gebrauch fpielt diefe Eigenphaft der Stifte,
fich zu verdrehen, in der Regel wohl keine Rolle, weil pe phlieplich den
Erfolg, den der Stift herbeiführen foll, nur fördert.
77
Lange, dünne Laminariaftifte werden in die Eufiadiifdre Röhre,
andere Formen in den Tränenkanal eingeführt. Laminariabougies benutzt
der Arzt zur Vergrößerung des Durchmeffers der Harnröhre, des Gehör-
ganges, des Maftdarmes und anderer Kanäle und Höhlen. Am meiften
werden Quellpifte von dem Gynäkologen benutzt, um den Zervixkanal
zu erweitern. Der Tierarzt fleht (ich auch manchmal gezwungen, dem
Kanal des Kuheuters künfllich mit Laminariafonden einen größeren Durdi-
meffer zu geben.
78
Da der Bedarf an Laminariaftiften in der Geburtshilfe bei weitem
am fiärkfien ifi, erklärt (ich hieraus auch die Mannigfaltigkeit der gefor-
derten Formen. Die ältefie Form ift ein Zylinder von 3-9 mm Durdi-
meffer, der an feinem Ende mit einem Loch verfehen iff, durch das ein
Faden führt. An diefem foll der Stift, nachdem er (einen Zweck erfüllt
hat, aus dem Zervix wieder herausgezogen werden. Gequollene Laminaria-
maffe befitzt eine lockere [chwammartige Befchaffenheit, welche häufig das
Zerreiffen durch den Faden herbeiführt. In folchen Fällen muß der
Arzt verfuchen, den Stift auf andere Weife zu entfernen. Längsfpaltung
des Zervixrückens wurde deshalb von Stolz28) vorgefchlagen. Linnartz24)
empfahl die gequollene Laminariamaffe mit einem befonders hergerichteten
korkzieherartigen Inflrument aus (einer Lage zu entfernen. Knapp25 26)
machte darauf aufmerkfam, dafi häufig eine zu große Länge die Urfache
des Feflfitzens der Stifte am Cavum Uteri herbeiführe. Deshalb (chlug
er vor, den oberjlen Teil des Laminariafhftes mit einer Kappe aus Silber
oder Neufilber zu verfehen, um das Aufquellen des Stiftes an diefer
Stelle zu verhindern. Um diefem Ubelftand aus dem Weg zu gehen,
meinte Pie ring21’), man (olle nur noch kurze Stifte benutzen. Sein
Vorfchlag fand aber keine Annahme. Schließlich befchrieb Klaus Hoff-
man n27) ein Verfahren, den gequollenen Stift am Ende mit einem
kräftigen Bindfaden zu umfchlingen und den Stift dann an einem vor-
gelegten Knebel herauszuziehen.
Alle diefe Verfahren find aber überflüffig, wenn man die feit einigen
Jahren in den Handel gebrachten Hohlflifte verwendet. Durch eine Längs-
bohrung des Stiftes führt ein kräftiger Seidenfaden, deffen beide Enden
verknüpft find mit dem Faden, der am Ende des Stiftes durch die Quer-
lodiung führt. Durdi diefe Befädelung wird es möglidi, die Zugwirkung
auf den ganzen Stift auszuüben und nicht nur auf eine befiimmte Stelle
desfelben.
•') Stolz. Zentralblatt für Gynäkologie, 1908, Mr. 50, 1909, Nr. 31.
SJ) Linnartz. Ebenda 1917, Nr. 31.
Fraenkel. Ebenda 1909, Nr. 81.
25) Knapp. Ebenda 1908, Nr. 26.
Stiaffung. Ebenda 1909, Nr. 30,
26) Piering. Ebenda 1909 Nr. 12.
2;) Hoffmann. Ebenda 1920, Nr. 4.
Oroßmann. Ebenda 1908, Nr. 28.
79
Der Hohlffift bietet aber noch einen Vorteil, der nicht außer acht
zu laffen ip. Er begünpigt das Abßießen der Sekrete.
Noch beffer als die Hohlflifte arbeitet der kiinjllich nach Zange-
meijiers Angaben hergepellte Maximumflift. Diefer ifi aus drei Stiften -
die Berührungsfeiten find gegeneinander abgefchliffen - zufammengenietet.
Durch die entgehenden drei Rillen ip der Abfiußweg für die Sekrete
gewährleist. Der Gedanke diefes Maximum Piftes geftattet aber auch
noch größere Stifte herzupellen, als es bisher möglich war. Entfprechend
dem Durchmeffer der Laminariapiele beträgt der Durchmeffer des dickpen
Stiftes höchpens 9 mm. Der Maximumpift kann aber in Stärke bis zu
15 mm hergepellt werden, der pch beim Quellen bis auf etwa 45 mm
verpärkt. Profeffor Zangemeiper-Marburg fchreibt über diefen Stift:
„Genügt die Erweiterung durch einen Stift nicht, fo find erfahrungsgemäß
technifche Schwierigkeiten vorhanden, mehrere getrennte Stifte gleichzeitig
in den Zervicalkanal einzulegen. Diefem Uebeipand hilft eine von uns
neu getroffene Anordnung ab, durch welche drei oder vier zufammen-
genietete Stifte als ein Ganzes gleichzeitig eingelegt werden, Diefe Form
wurde in der Marburger Univerptäts-Frauenklinik mehrfach mit gutem
Erfolg verwendet.”
Einen anderen recht guten Gedanken hat Kritzler zum Ausdruck
gebracht. Zwei halbe Laminariapifte pnd auf einer Holzunterlage mit
Holznägeln befepigt. Wenn der Stift in den Zervix eingelegt ip, quellen
die Laminariahälften und heben dabei die Holznägel aus dem hölzernen
Mitteipück heraus. Hierbei werden die Holznägel ganz von der Laminaria-
maffe eingehüllt. Beim Entfernen der Stifte wird zuerp die Zwifchenlage
leicht herausgezogen und nun ip Platz gefchaffen, um die beiden anderen
Laminariahälften ohne Schwierigkeiten aus dem Zervix herauszuziehen.
Den Rohpift verfucht pch der Arzt vor dem Gebrauch auch manch-
mal durch hochprozentige Carbolfäure Peril zu machen. Ob der Erfolg
immer eintritt, und ob die von dem Stift aufgenommene Carbolfäure
keine Reizungen hervorruft, dürfte in Erwägung zu ziehen fein.
Die fabrikmäßig keimfrei gemachten Laminariapifte werden in Glas-
röhren eingefchmolzen, welche man beim Gebrauch durch fanften Zug
öffnen kann. Häufig kommt es vor, daß der Alkohol, in welchem die
Stifte aufbewahrt werden, eine grünliche oder bräunliche Farbe ange-
nommen hat, Diefe Erfcheinung ip auf die gelöpen Pßanzenfarbpoffe
zurückzuführen.
Bei Röhrchen, welche monatelang liegen, kann man auch manchmal
einen feinen kripallifchen Anfatz beobachten, welcher aus Natriumdilorid
bepeht. Diefes Pammt aus der Droge felbp und i'P ein BePandteil des
Meerwaffers. Häupg werden auch füß Jchmeckende Kripalle - Mannit -
an den im Alkohol aufbewahrten Laminariapiften beobachtet.
80
VII.
Prüfungs-Vorfdirift für Laminariaftifte.
Stipites Laminariae - Laminariaquellftiftc.
Weidlich graue, mit grünlichen oder bräunlichen Flechen ver-
fehene, hornartige (a) Stifte, hergeftellt aus den Stielen von Lami-
naria hyperborea Foslie in einer durch die ärztlidte Verordnung
Vorgefchriebenen Form. Auf Laminariaftifte kann man mit dem
Fingernagel wohl eine glatte Linie, aber keinen Eindruck verur-
fachen (b),
Laminariaftifte müffen in Waffer gelegt nach einer Stunde
um ein Zehntel, nach 24 Stunden um die Hälfte ihres Durch-
meffers (c) gequollen [ein. Mit Phlorogluzin-Salzfäure befeuchtet
darf ein Laminariaftift keine Rotfärbung annehmen (d).
Beim Verbrennen darf ein Laminariaftift keinen Harz-, Terpen-
tin-, Petroleum- oder Äcrolgeruch von fich geben. Wird ein
Laminariaftift 20 Minuten mit 10 ccm Aether ftehen gelaffen, fo
darf nadi dem Verdunften des Aethers kein wägbarer Rückjtand
hinterbleiben (e). ______
(a) Laminariafliele befitzen ein hornartiges Ausfehen infolge des
eingetrockneten Schleims. Die grünlichen und bräunlichen Flecke rühren
von Einlagerungen von Chlorophyll und Phycophein her.
(b) Die Laminariamaffe ift fo hart, daft man mit dem Fingernagel
leicht eine glatte Linie, aber keinen Eindruck verurfachen kann. An Stiften
aus Tupelo- oder irgend einem anderen Holz kann man einen foldhen
Eindruck leicht hervorrufen,
(c) Die angegebene Quellfähigkeit befitzt nur ein Laminariaftift,
aber kein Stift aus Tupelo- oder irgend einem anderen Holz.
(d) Da Laminaria keine kambiale Tätigkeit befitzt, findet auch keine
Holzbildung flatt. Deshalb auch keine Rotfärbung mit Phlorogluzin-Salz-
fäure. Holzftifte färben [ich rot.
(e) Bei der Bearbeitung der Laminariaftifte wird häufig Pflanzen-
oder Mineralöl und Lack angewendet, um dem Stift ein fchönes Ausfehen
zu geben (Wiener Quellftifte). Diefe Hülfsmittel fetzen aber die Quell-
fähigkeit der Stifte herab. Aether löft Oele, Harze ufw. auf und hinter-
läfit beim Verdunften einen Rückftand.
81
Schrifttum.*)
Fifcher und Hartwich. Hägers Handbuch der pharmazeutifdien Praxis. 1903.
Pabft. Köhlers Medizinalpflanzen.
Möller und Thoms. Realenzyklopädie der gefamten Pharmazie. 1907.
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Chemie und Pharmazie, Bd. 238.
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Zfigmondy. Kolloidchemie. Leipzig 1918.
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der wiffenfchaftl. Botanik 1891.
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Unterfuch. aus dem botan. Inflitut zu Tübingen. 1886 II.
Czapek. Biochemie der Pflanzen. Jena 1913.
Correns. Heber die Membran von Caulerpa. Berichte der deutfehen botan. Gefell-
flhaft. Band 12. 1894.
Caftro. Beiträge zur Kenntnis der Hemizel'ulofe. Zeitfchrift für phyflologifche
Chemie 1906.
Grufl. Heber Löfung und Bildung der aus Hemizellulofe beflehenden Zellwände
und ihre Beziehungen zur Gummofls. Bibliotheca botanica 1894.
Kilian. Beiträge zur Kenntnis der Laminarien. Zeitfchrift für Botanik. 1911. Jena.
Foslie. Die Laminarien Norwegens. Chrifliania 1889.
*) Herr Dr, Nienburg-Berlin und Fräulein Dr. Elifabeth Walter-Marburg waren fo freund-
lieh, mir beim Zufammenjfellen behülflich zu fein.
82
Zur Technik der intravenösen Injektion
Zur Technik der intravenöfen Injektion
Von Dr. med, 0. Baller.
Eine Form der Arzneiapplikation, die fich (tets mehr Eingang
verfchafft hat, ift die intravenöfe. Gut ausgeführt ift ihre Technik redit
elegant. Vorausfetzung hierfür ift aber ein tadellofes Inftrumentarium,
eine gut gefchliffene, fefifitzende Nadel und bei dünneren Venen eine
optimale Anftauung des Blutes. Die Güte der Blutftauung ift unter
gleidten Bedingungen aber oft entfcheidend für das Gelingen der Injektion.
Für den prakt. Arzt beftehen hier aber Schwierigkeiten, die in
einer Klinik, wo Affiftenz ffets zur Stelle ift, nicht fo ins Gewicht fallen,
weldre aber viel dazu beitragen, da ja die Tedinik in der Praxis nodi
immer etwas perhorresziert wird.
Bei Männern mit kräftigen Armvenen bedarf es ja keiner befonderen
Vorbereitung und ein einfaches Abdrücken des Oberarmes mit der
anderen Hand durdr den Patienten felbft ift völlig ausreidiend. Anders
bei den meiflen Frauen und jüngeren Individuen. Die gebräudilidiften
Methoden der Abftauung mittels eines Gummifchlauches oder eines abge-
drehten Handtuches, deffen Enden der Patient felbft hält, haben grofie
Nachteile. Die Dofierung des Staudruckes ift - bei dünnen Venen von
größter Bedeutung - eine grobe und oft unzulängliche, die Haut wird
an der Bindenfchleife gequetfcht, die Löfung der Binde ohne Affiftenz ift,
da dem Arzte nur eine Hand zur Verfügung fleht, während er mit der
anderen die Injektionsfpritze halten muf, fchwierig und meift mit Er-
fchüttcrungen verbunden, die fich auf den Arm übertragen und ein
Herausgleiten der Hohlnadel aus der Vene zur Folge haben können.
Ein neues Suchen nadi der Vene ift dann erforderlich, für Arzt und
Patienten gleich unangenehm.
Von einer idealen Staubinde wäre atfo zu verlangen, erftens, dafs
(ich der Bindendruck in feinfler Weife regulieren läfst, zweitens, dafs fie
die Haut nicht klemmt, drittens, dajj die Befestigung der Stauung durch
eine kleinfte Kraftanwendung möglich ift, die (ich nicht auf den Arm
überträgt und den Injizierenden unabhängig macht von' jeder Affiftenz
und Beihilfe ungefchickter oder empfindlicher Patienten.
Mit dem unten befchriebenen, kleinen Apparat wurde der Verfuch
gemacht, diefen Forderungen zu genügen. Er befteht aus einem Stoff-
bande, welches um das abzuftauende Glied herumgelegt wird und deffen
Verkürzung dadurch erfolgt, dafs es an feinem freien Ende an .einer
Metallplatte befefiigt ift, während fein anderes Ende um eine auf derfelben
Platte montierte, von Hand drehbare Rolle aufgewickelt und hier in jeder
Lage mittels einer leicht mit einem Fingerdruck an einem Hebel aus-
lösbaren Zahnradfperrung feftgehalten wird. Dadurch, dafs das Band
unter einer Walze hindurchgeführt wird, bildet die Platte die direkte
83
Verlängerung des Bandes, fodaß an diefer Stelle ein knickender Winkel
vermieden wird, über der Rolle läuft ein Bügel. - Im Gebrauch wird
das Band über der Rolle aufgewickelt, bis die durch die Arretierung von
Zahn zu Zahn auf das feinfie regulierbare befie Stauung erreicht ifl.
Eine Quetfchung der Haut kann nicht erfolgen, da das Band und die
gut gepolterte Platte in einer Richtung verlaufen. Vor der Injektion
wird die Stauung in einfachfler Weife durch einen leichten Drude auf
den Hebel befeitigt, wodurdi die Arretierung gelöfl wird und die Rolle,
unterflützt durch einen gleichzeitigen leichten Zug an dem Bügel abläuft.
Eine Erfchütterung ifl bei diefer kleinen Manipulation ausgefchloffen und
die Gefahr des Herausgleitens der Nadel aus der Vene bei der Löfung
der Stauung wird vermieden. Der Apparat ifl klein und leicht zu
bedienen und macht jede Affiflenz überpüffig.
Bei dünnen Venen hat man den Patienten wohl heißen Tee vor
der Injektion empfohlen. Die Methode, die (ich mir am beflen bewährt
hat, ifl zunächfl eine kurze Abdroffelung auch des arteriellen Blutzufluffes
darauf, nach kurzer Lockerung der Binde, keine neue Anfiauung bei der
[ich entwickelnden fekundären Hyperämie. Mittels leichter Streichmaffage
kann man dann in bekannter Weife den Füllungszufland der Cubital-
vene noch erhöhen. Bei dünnen Venen empfiehlt es (ich nicht immer
die am beflen (ichtbare für den Einflich zu wählen, fondern oft die am
beflen palpabele, da das Palpationsgefühl weniger als das Auge über die
Stärke der Vene täufcht.
Wie der Injektionstherapie, foll der kleine Apparat der Erleichterung
der Blutentnahme zu Unterfuchungszwecken dienen, ferner der Abbindung
des Armes bei Operationen in Blutleere. Bekannt find die Nerven-
quetfehungen bei Anwendung eines Esmarch'fchen Schlauches am Arme.
Durch die aufwickelbare Staubinde wird es ermöglicht, den Druck fo zu
dofieren, daß der Puls gerade verfchwindet. 'Eine übermäßige Strangulierung
der Nerven wird alfo vermieden. Bei intravenöfen Injektionen kennt
jeder Praktiker die Schmerzhaftigkeit der nicht vollkommen geglückten
Injektion eines Salvarfanpräparates. Möge die neue Binde dazu beitragen,
der intravenöfen Therapie in der Praxis noch weiteren Eingang zu verfchaffen.
84
1922
Winke zum Gebrauch der Venenspritze
nach Katz
Winke zum Gebrauch der Venenfpritze nach Katz.
Von Dr. Karl Döhmann.
Die von der Firma B. Braun, Melfungen, für die Injektion dunkel-
farbiger Löfungen in die Vene hergeftellte Katzfdie Injektionsfpritze,
welche geflattet, in zwei olivenförmigen kleinen Erweiterungen des Anfatzes
(die mit blut-ifotonifdier Salzlöfung zu füllen find und nur durch ein
Kapillar-Lumen mit dem Spritzenzylinder kommunizieren) das Venenblut
fiditbar zu afpirieren, (cheint mir einiger wichtiger Erläuterungen für den
Gebrauch zu bedürfen. Zunächfl das Wichtigfle ift die Frage: wie können
Luftblafen im Anfatzteile vermieden werden?
Hier ifl es von prinzipieller Wichtigkeit, daf» das in die Spritze
afpirierte Medikament durch den Kolben in die nach oben gehaltene,
nicht mit Metallteilen (auch nicht dem Zwifchenflück) armierte
Spritze ganz nach oben gefchoben und dadurch die Luft ausgetrieben
wird. Dies wird mit angefetztem Zwifchenflück (und Afsmy-Anfatz) und
Kanüle bei der Katzfpritze nicht gelingen, ohne Luftblafen zu behalten,
die fich unmittelbar unter und in dem Zwifchenflück etablieren und von
dort nicht zu vertreiben fein werden, wenn nicht alle Metallteile ad hoc
entfernt werden.
Mag man alfo gewohnt fein, zunächfl mit dem Ajimy-Anfatz die
Kanüle in die abgeflaute Vene zu (lofsen, oder die relativ „unblutige”
Methode bevorzugen, die mit Zwifchenflück und Kanüle armierte Spritze
einzuftofen; in jedem Falle kann man (ich nur durch den eben betriebenen
Technizismus vor Luftblafen und ihren Gefahren fichern. Es ifl alfo im
erflen Falle Kanüle und Afimy-Anfatz und Zwifchenflück als Ganzes ein-
zuflofien und. wenn der Blutausflufj einwandfrei erweifl, daf) die Kanülen-
fpritze (ich in der Vene befindet, die gänzlich mit Flüffigkeit gefüllte,
oder noch beffer am Anfatzende einen pofitiven Meniskus des Medikaments
refp. der Salzlöfung aufweifende Glasfpritze anzufetzen; bei der „unblutigen”
Technik (ohne Afsmy-Anfatz) ifl Kanüle und Zwifchenflück (ebenfalls als
Ganzes vorher zufammengefügt) erfl nach Entleerung der Luftblafen aus
den olivaren Erweiterungen des Glasanfatzes in die Spritzenöffnung ein-
zuführen und erfl nach Verdrängung der Luft aus dem Gefamtfyflem
das ganze Inflrument zum Einflich und zur Injektion zu benutzen.
Die leichtere Beweglichkeit des Kolbens in der Ganzglasfpritze ifl
ein Vorzug infofern, als das Einflrömen des venöfen Blutes durch den
in der abgeflauten Vene herrfchenden Druck felbfl beforgt wird, fodafj
der Handgriff des Ziehens (zwecks Afpiration) überflüffig wird. Dafür
hat diefe leichte Kolbenbeweglichkeit den Nachteil gegenüber der fchwereren
in der Record-Spritze, daf) man vor der Injektion während des Heran-
faewegens des Inflruments viel forgfältiger darauf achten muf), daf) nicht
der Kolben (ich von felbfl verfchiebt und fomit entweder Medikament
85
verlorengeht oder Luft in die Spritze eingezogen wird. Man wird zu
diefem Zwecke den Kolben durch leichtes Andrücken des kleinen Fingers
an die Kolbenftange zu fixieren fuchen. Zu empfehlen ifl in diefer
Hinficht auch ein vorher mit dem unfierilen, waffergefüllten Infirument
ausprobiertes Zufammendrücken des für den Kolbenfliel befiimmten-Teiles
des Führungsbügels. Dies darf aber nicht in dem Mafse gefchehen, daf
der Kolben dadurch fchwer beweglich wird, da ja gerade die Leicht-
beweglichkeit in anderer Hinficht erwünfcht ifl. Am beften verfährt man
dabei fo, daf) man die waffergefüllte Spritze in dem für den Gebrauch
bei intravenöfer Injektion üblichen Winkel gegen die Horizontale (ca. 20°)
in die Luft hält und ausprobiert, daf) eben bei diefem Winkel der Kolben
durch die Flüffigkeitsmenge noch nicht bewegt wird; wenn er durch
weiteres Neigen (etwa bei 3Ö°) (ich bewegt, fo ifi der Führungsbügel
gerade richtig zufammengedrückt, und es ift anzunehmen, daf) der Kolben
(ich ebenfo bewegen wird, wenn unter Beibehaltung des urfprünglichen
Neigungswinkels nunmehr unter einem gewiffen geringen Druck Flüffigkeit
(Venenblut) durch den Anfatz in den Spritzenzylinder eindringt.
Trotz diefer Möglichkeit, durch derartiges Ausprobieren die Kolben-
beweglichkeit in einer dem praktifchen Bedürfnis angemeffenen Weife
fozufagen zu „automatifieren”, wird man ficherheitshalber auf den oben
empfohlenen leichten Druck mit dem kleinen Finger auf die Kolbenftange
beffer nicht ganz verziditen.
Büdierfchau.
Der chirurgi(ehe Operationsfaal. Ratgeber für die Vorbereitung
chirurgifdier Operationen und das Infirumentieren für Schwerem, Ärzte und
Studierende von Franziska Berthold, Viktoriafchwefier, Operationsfchwefier an der
diirurgifdien Univerfitätsklinik Berlin. Verlag von Julius Springer, Beilin 1922.
Das dem 60. Geburtstag Bier’s gewidmete und von Bier mit einem Geleit-
wort empfohlene Büchlein ifi, wie fdion aus dem Buchtitel erfichtlidi, von einer
Berufenen gefchrieben. Aus dem'vollen Leben eines grofklinifchen Operations-
haufes und aus reichfier praktifcher Erfahrung heraus wird in fiüffiger, überall die
vollendete Beherrfdiung des Stoffes zeigender Darfiellung alles behandelt, was zur
Vorbereitung und Durchführung chirurgifdier Operationen und zur Konservierung
des vielfeitigen Materials erforderlich und erprobt ifi. Nichts ifi vergeffen. Einer
kurzen allgemeinen Betrachtung über Afeptik und Antifeptik, in der auch die Hände-
desinfektion befprochen wird, folgt zunächfi eine Befchreibung der Infirumente zur
erfien Hilfeleifiung und fodann in erfdiöpfender Ausführlichkeit das hochwichtige
Kapitel über die Behandlung von Infirumenten und Material. Ihm fchliefst (ich an:
Der Operationsfaal und (eine Pflege. Ein befonderes Kapitel ifi (ehr berechtigter-
weife der phyfiologifdien Kochfalzlöfung gewidmet. Eingehend wird Lokalanäfthefie
und Narkofe behandelt. Das Infirumentieren während der Operation ift bis in’s
Kleinfie forgfältig erörtert, ein ganz vortreffliches Kapitel. Auf mehr als 50 Seiten
werden dann die infirumentellen Vorbereitungen zu einer grofen Zahl fpezieller
chirurgifcher Operationen befchrieben.
86
Zufammenfiellungen über Inftrumente zum Mitnehmen für Operationen
außerhalb der Klinik, praktijche Hinweife über die Durchführung einer Operation
in einem Privathaufe und eine tabellarifdie Aufhellung des Infirumentariums ufw.
für die Einrichtung des Arztes bilden den Schluß des Büchleins, das mit mehr als
300 Abbildungen von Infirumenten, Geräten ufw. ausgeftattet ift.
Das vorzügliche kleine Buch, dem Ähnliches bisher nicht an die Seite zu
(iellen ift, kann als geradezu unentbehrliches Vademekum für Operationsfchwehern
und folche, die es werden wollen, aber auch als ausgezeichneter Ratgeber für
junge Affifienten und Ärzte warm empfohlen werden.
Jodonascin, ein neues Jod abspaltendes
Dauerantiseptikum
Melfunger
Medizini(ch-pharmazeuti|che i|
Mitteilungen
aus Wiffenfchaft und Praxis.
Herausgegeben von der Firma B. Braun-Melfungen
Inh,: Apotheker Carl Braun.
Gegründet 1839.
Rofen-Apotheke / Fabrik pharmazeutifcher Präparate / Katgut-Fabrik.
j Verantwortlicher Schriftleiter: Apotheker Kümmelt, Melfungen.
1922. Melfungen. Heft 28.
Origmaiarbeiten.
Aus dem chemifch - pharmazeutifchen Laboratorium der Firma
B. Braun.
Jodonascin, ein neues Jod abfpaltendes Dauerantifeptikum.
Das Beprefaen, durch Auffindung neuer Mittel den Kampf der
ärztlichen Kunft gegen die pathogenen Erreger wirkfamer zu gepalten,
hat in neuerer und neuper Zeit zu vielfeitigen Verpichen mit Präparaten
geführt, die, fei es als direkt bakterizid wirkende Stoffe, fei es auf dem
Wege der Reiztherapie, diefem Zwecke dienen follten. Neben den
Chinin-Derivaten Morgenroths u. a. ip es in letzter Zeit befonders das
altbewährte Jod gewefen, mit dem in diefer Richtung gearbeitet ip. So
hat die Preglfche Jodlöfung von pch reden gemacht durch den ihr nach-
gerühmten Vorteil, beim Zufammentreffen mit fchwadren Säuren für lange
Zeit einen bepimmten Jodgehalt abzufpalten.
Wir haben im Laboratorium der Firma B. Braun Verfuche unter-
nommen, einen Jodkörper zu pnden, der bei voller Unfchädlichkeit für
den Organismus dauernd einen konPanten Jodgehalt behält und diefen
beim Zufammentreffen mit fchwächpen organifchen oder anorganifchen
Säuren an die Gewebe abgibt. Als Refultat diefer Verfuche hat pch ein
von uns Jodonascin benanntes Präparat ergeben.
1922
88
In chemifcher Hinficht pellt Jodonascin im ßüfpgen Zupand eine
Löfung dar, die Natriumjonen, Jodjonen, Jodatjonen, Chlorjonen und
Sulfatjonen enthält und die Eigentümlichkeit beptzt, beim Zufammen-
treffen mit felbp phwachen organifchen und anorganiphen Säuren Pets
wieder neue Mengen freien Jods abzufpalten. Der Gehalt der gebrauchs-
fertigen Löfung an freiem Jod beträgt im Durchfchnitt 0,03-0,04 %, doch
kann auch jede andere Stärke hergepellt werden.
Es hat pch nun als zweckmäßig erwiefen, neben der ßüfpgen Form,
die in zugephmolzenen Ampullen in den Handel kommen wird und
hauptfächlich der intravenöfen Anwendung dienen (oll, noch eine trockene
Form in Gepalt eines 2,0 g phweren Pulvers herauszubringen, das nur
in V* Liter abgekochten und gut abgekühlten Waffer gelöp zu werden
braucht und für die Verfendung naturgemäß wefentliche Vorteile hat.
Bei Verwendung von „Jodonascin trocken" hat man die Änderung
des prozentualen Verhältniffes dadurch in der Gewalt, daß man dasfelbe
in entfprechend mehr oder weniger Waffer löp.
Der Hauptvorzug von Jodonascin ßüfpg wie trocken liegt nun in
folgendem: Bislang wurde zu Desinfektionszwecken das Jod als Jodtinktur
und als Jodjodkalilöfung, fogenannte Lugolfche Löfung, gebraucht. Beide
Präparate pnd ziemlich hochprozentig und pnd daher der parken Reiz-
wirkungen wegen in ihren Verwendungsmöglichkeiten fehr befchränkt.
Bei entfprechend Parker Verdünnung war dann andererfeits die des-
infektorifdie Kraft zu gering und die erPrebte Wirkung nicht vorhanden.
Wie kommt es nun, daß Jodonascin noch in obiger Verdünnung
wirkt? Bei der Wirkung der Jodonascin-Löfung auf die Gewebe des
menphlichen oder tieriphen Organismus entfällt der teilweife mit Recht
gegen die desinfektoriphe Wirkung der Jodlöfungen erhobene Einwand, daß
infolge Eiweiß-Koagulierung der Oberfläche ein Eindringen des Desinfektions-
mittels in die Tiefe des Gewebes verhindert wird. Im Wefen des Jodonascins
liegt es vielmehr, überall dort und folange freies Jod, alfo im praktischen
Sinne „nascierendes” Jod abzufpalten, wo pch Spuren einer (auren Reaktion
pnden. Wo alfo eine faure Spülßüfpgkeit die Gewebe zur Quellung
bringend in die Tiefe eindringen kann, oder wo durch entzündliche oder
eitrige Prozeffe eine faure Reaktion der Gewebspüfpgkeit eintritt, dort
wird auch und zwar in vollem räumlichen Umfang der Oewebsquellung
die Jodabfpaltung aus der Jodonascinlöfung und damit die desinpzierende
Jodwirkung auf die gequollenen Zellen in Erpheinung treten. Wie fofort
eine Jodabfpaltung durch die kleinßen Säuremengen Pattpndet, kann man
pch leicht felbp überzeugen dadurch, daß man das freie Jod durch kleine
Mengen Kali- oder Natronlauge bindet, bis eine Blaufärbung durch
Stärkelöfung nicht mehr Pattpndet. Setzt man nun jetzt nur eine Spur
Vorläufige Erfahrungen mit Jodonascin
in der Chirurgie
einer Säure z. B. Salzfäure, Milchfäure, Effigfäure zu, fo tritt fofort wieder
Blaufärbung ein. Dasfelbe gelingt audi mittels der Kohlenfäure, am beflen
In Form eines Schuffes Selterswaffer, den man der entfärbten Löfung
zufetzt.
Vorläufige Erfahrungen mit Jodonascin in der Chirurgie.
Von Profeffor Machol, Erfurt.
Die Begebungen der Chirurgen, zuverläffige und dabei gewebs-
unfchädliche Mittel gegen die gefährlichflen Widerfacher ihrer Arbeit - die
Infektionskeime - zu erlangen, find fo alt wie die Chirurgie felbfl, unbewußt
in lange zurückliegenden Zeitperioden, bewußt, feit die Arbeit bahn-
brechender Geifier wie Semmelweis, Lijler, Koch, Pafleur, Licht in das
Dunkel der Wundeiterung gebracht hatte.
Das Dunkel ifl jedoch nicht refilos gelichtet. Wenn auch die phyfi-
kalifchen Desinfektionsmethoden im landläufigen Sinne auf einen hohen
Stand der Vollendung gebracht werden konnten, (o zeigt der Ring doch
dort eine klaffende Lücke, wo aus äußeren Gründen - zunächfi am lebenden
Gewebe felbfl - wir nach wie vor auf die bisher weniger zuverläffigen
chemifchen Methoden angewiefen find.
Die Hoffnung, lebendes Gewebe desinfizieren, fei es nun theoretifch
oder praktifch, keimfrei machen zu können, fei es in örtlicher oder all-
gemeiner Anwendung eines Mittels, ifl trotz der unendlichen Anzahl im
Laufe der Jahre zur Verfügung geflehter Präparate bislang unerfüllt
geblieben. Wenn alfo hochgefpannten Erwartungen nahezu ausnahmslos
Enttäufchungen folgten und meines Erachtens folange folgen werden, als
uns die Biologie der Wundvorgänge, die chemifchen und phyfikalifchen Zu-
flandsveränderungen der Zelle nicht beffer bekannt find als heute - fo haben
doch eine befchränkte Anzahl von chemifchen Orundfubftanzen (ich durch
lange Jahre hindurch fo bewährt, dafs ihnen ein gewiffes Vertrauen ent-
gegengebracht wird, insbefondere den Silberfalzen und den Halogenen
Chlor, Brom und Jod. Vor allem das Letztere hat feit langem in der
chirurgifchen Praxis einer flets zunehmenden Wertfehätzung [ich erfreut.
Die Intenfität der Jodwirkung hängt nicht zuletzt ab von der An-
wendungsform oder vielmehr dem chemifchen Aufbau des Präparates. Es
war darum fowohl ein theoretifches als ein praktifches Intereffe, mit dem
man den Erfolgen eines neuen Jodpräparates - der Pregl’fchen Löfung -
entgegenfah. Die Mitteilungen, namentlich aus den Grazer Inflituten - der
Heimat des Präparates - lauteten vielverfprechend, und auch andere Stellen -
namentlich die Leipziger Chirurgifche Klinik, Geheimrat Payr - fprachen von
guter Bewährung.
1922
90
Die Pregl’fche Jodlöfung bedarf jedoch, wie auch Payr fchreibt, einer
fehr forgfältigen Behandlung, (oll ihr Wirkungs-Koeffizient nicht abgefchwächt
oder aufgehoben werden, und idt hatte vor allem den Eindruck, daß die
Stammlöfung im Laufe der Zeit eine Abnahme der desinfektorifchen
Energie aufwies.
Ich habe es darum lebhaft begrübt, als die Firma B. Braun in
Melfungen, nachdem ich gelegentlich mehrmals mit Herrn Braun über
Vor- und Nachteile der Pregl'fchen Löfung gefprochen, mir einen ähnlich
gebauten Körper, das Jodonascin zur Verfügung flellte, und zwar in einer
Trockenform, die es gefiattete, die jeweils notwendige Menge der Löfung
frifch zum jedesmaligen Gebrauch herzuflellen. Es waren damit verfchiedene
Vorteile gegeben. Von den rein äußerlichen, wie größere Handlichkeit
und leichtere Transportierbarkeit abgefehen, vor allem der, daß der Jod-
gehalt ein konflanter war, und daß das Jod fozufagen in (latu nascendi
- alfo in der energifchflen Wirkungsform - zur Anwendung gelangte.
Von diefer Jodonascinlöfung haben wir in der mir unterteilten Anftalt
bereits ausgedehnten Gebrauch gemacht, vorläufig jedoch nur in äußer-
licher Anwendung, da ich mit der intravenöfen Applikationsform zuwarten
will, bis mir über das Präparat noch ausgedehntere eigene Erfahrungen
zur Verfügung flehen.
Damit ifl fchon gefagt, daß mir fern liegt, bereits heute ein ab-
(chließendes Urteil abzugeben, und daß es nur vorläufige Eindrücke find,
die fixiert werden können. Wie zu erwarten fland, ifl auch das Jodonascin
nicht „das” Wundmittel, das mit einem Schlage uns eine in allen Fällen
befriedigende Wunddesinfektion unter Schonung der Vitalität der Gewebs-
zellen gebracht hat. Bei den differenten Vorgängen, welche einmal
durch die Art der Infektionserreger, dann aber durch die Verfchiedenheit
der üewebsvitalität und Reaktionsfähigkeit fowohl der betroffenen Stellen
wie des gefamten Individuums ausgelöfl werden, ifl das ja nicht anders
wahrfcheinlich. -
Es gehört meines Erachtens zu den (chwerflen Aufgaben, über den
Wert eines Wundmittels ein abfchließendes Urteil abzugeben. Es bedarf
langer Zeit, ehe der kritifche Vergleich ziemlich gleichgearteter Serien
unter Berückfichtigung aller Nebenumflände uns dazu in den Stand fetzt.
Tierexperimente, bakteriologifche Verfuche gehen alle unter derart vom
kranken Menfchen abweichenden Bedingungen vor (ich, daß fie nur ergänzend,
aber nicht ausfchlaggebend herangezogen werden können. Im wefent-
lichen ifl es nur die genauefle klinifche Beobachtung an ausgedehntem
Material über lange Zeit hinweg, die ein neues Mittel klaffifizieren kann.
Dabei muß (lets im Auge behalten werden, daß nahezu bei allen Mitteln
nach einer Reihe gut beeinflußter Fälle ohne nachweisbare Gründe ßch
Verfager zeigen.
Wir befinden uns alfo noch im Stadium der Prüfung, und während
fpäterhin einer meiner Herren Affiftenten ausführlich über unfere Fälle
berichten wird, möchte ich heute - auf Wunfch des Herrn Braun - nur
die allgemeinen Eindrücke zufammenfaffen.
Zunächfl - und das erfcheint mir eine Hauptfache nach dem Grund-
fatze: „nihil nocere" - haben wir weder objektiv noch fubjektiv irgend
welche Schädigungen gefehen. Die Wunden und Organe wurden nicht
gereizt - Störungen des Allgemeinbefindens blieben immer aus - Beein-
trächtigungen lebenswichtiger Organe fehlen - die Patienten haben nie
über Schmerzen irgend welcher Art bei der Anwendung geklagt. Es
fleht alfo der Ausprobung des Mittels eine Oegenindikation nicht im Wege.
Eine Wirkung bei fpezififchen Wundkrankheiten fcheint nicht vor-
zuliegen. Mehrere Fälle von Wunddiphtherie waren gegen Jodonascin
genau fo refraktär wie gegen alle übrigen Mittel. Von einer Einwirkung
auf Tuberkulofe, was ja bei dem Jodkomponenten nicht außerhalb der
Möglichkeit lag, und die Dr. Linhard, Graz, bei der Pregllöfung beobachtet
haben will, haben wir uns nicht überzeugen können. Tuberkulofe Wunden
und Fifleln änderten Ausfehen und Charakter nicht. Anders fcheint es
mit den eigentlichen Eitererregern zu flehen. Vereiterte, accidentelle
Wunden, ofleomyelitifche Höhlen und Fifleln, vereiterte Hämatome, die
mit Jodonascin gefpült und verbunden wurden - haben (ich meines
Erachtens fchneller und intenfiver gereinigt und flärkere Heilungstendenz
aufgewiefen, als dies bei Parallelfällen, die andersartig verforgt wurden,
zu beobachten war. Ob gleichzeitige intravenöfe Anwendung diefe Wirkung
noch verflärkt, haben wir weiterer Prüfung Vorbehalten. Ob frifche
accidentelle Wunden ohne genügende phyfikalifche Wundreinigung mit
Jodonascin allein der primären Heilung zugeführt werden können, bleibt
nach unferen Erfahrungen noch abzuwarten. Hier erfcheint mir der
Perubalfam dem Jodonascin überlegen, und die Frage der Kombination
beider Präparate refpektiv ihrer Grundfubflanzen haben wir - gemeinfam
mit Herrn Braun - in Angriff genommen.
Gut bewährt hat fich die Jodonascinlöfung bei Operationen an oder
in der Nähe von Körperhöhlen, fo namentlich der Mundhöhle - fei es
als Vorbereitungs- oder Spülmittel den vom Mundboden ausgehenden
Abfzeffen, während es zur Blafenfpülung bei Cyflitisfällen, fei es allein
oder vor oder nach operativen Eingriffen, nicht die Wirkung entfaltete,
die ich nach den Beobachtungen anderer eigentlich erwartete. Von
„fdilagartigem” Verfchwinden länger begehender Cyftitis habe ich mich
nicht überzeugen können.
Ausnahmslos fehr gute Erfolge haben wir erzielt bei der Behand-
lung der fchweren eitrigen Maflitis. Leichte Fälle diefer Art fehen wir
im Krankenhaufe ja beinahe nie. Eine konfervative Behandlung mit
Stichinzifion und Saugglocke kann in dem Stadium, in dem wir diefe
Fälle bekommen, nahezu nie mehr in Frage kommen. Es find die fchwer-
infizierten, progredienten, phlegmonöfen Formen, die uns zugehen, deren
langwieriger, mit Entftellung der Brufldrüfe endender Verlauf bekannt
ifh Hier fehen wir nun im Gegenfatz zu allen anderen Wundmitteln
fo gut wie ausnahmslos eine fehr fdmelle Beeinfluffung der Eiterung,
eine größere Lokalifierung des Prozeffes auf die Ausgangspunkte, eine
rafche Abnahme des Gewebszerfalles, fchnelle und gute Granulation und
Abkürzung der Drainagezeit,, und demgemäß beffere, im, Verhältnis zur
Schwere der Erkrankung fehr befriedigende kosmetifche Refultate. Ich
bin nach diefem überzeugt, dafs in Frühfäilen Punktion und Spülung mit
Jodonascin fehr fchnelle und gute Heilung erzielen wird.
Zufammenfaffend fage ich vom Standpunkt des Chirurgen, dafi im
Jodonascin ein unfchädliches, gewebsfchonendes, und wie es fcheint, recht
wirkfames Wundmittel in bequemer Anwendungsform zur Einführung
gelangt ift, deffen Nachprüfung nicht zweck- und erfolglos fein dürfte.
93
Katgutauflösung - Katguteiterung
Melfunger
II Medizini(ch-pharmazeuti|che
Mitteilungen
aus Wiffenfchaft und Praxis.
Herausgegeben von der Firma B. Braun-Melfungen
Inh.: Apotheker Carl Braun.
Gegründet 1839.
Rofen-Apotheke / Fabrik pharmazeutifcher Präparate / Katgut-Fabrik.
Verantwortlicher Schriftleiter: Apotheker KUmmell, Melfunjen.
Heß 31.
Melfungen.
1923.
Origmalarbeiten.
Aus dem St. Norbert-Krankenhaufe zu Berlin-Sdiöneberg.
Katgutauflöfung - Katguteiterung.
Von F. Kuhn, Chefarzt des Krankenhaufes.
Gelegentliche Äußerungen aus Fachkreifen, viele Anfragen aus
foldien und Kritiken von dafelbft, ferner zu tage getretene Wünjche ufw.,
auch die Stellungnahme von Kollegen zu Einzelheiten der Katgutfrage,
insbefondere zur Frage, ob fie Jodkatgut verwenden follen oder anderes
Katgut ufw., beweifen mir, daß fidi doch fehr oft noch Chirurgen über
die eigentlichen Wundvorgänge bei der Einheilung des Katguts, insbefondere
über die Wundvorgänge an und um den Faden, -nicht entfernt genug
Redienfchaft gegeben haben. Viele (cheinen über das Wie der Einheilung,
über die dabei zur Wirkung kommenden Gefetze und Kräfte, insbefondere
darüber, was der Körper leipen kann, mehr aber noch, was er nicht
leißen kann, nicht klar zu fein.
Um dies zu werden, wollen wir daher im folgenden einige Fragen
aufwerfen und pe zu beantworten fuchen.
Was machen wir, wenn wir einen Katgutfaden in den
Körper eines Menfchen einnähen oder ihn durch Unterbindung
eines Gefäßes im Inneren einer Wunde fepbinden?
94
Wir machen eine Heteroplaflik, d. i. die Überpflanzung und
Einpflanzung fremder Gewebselemente in den lebenden Körper.
Wir machen aber bei der Katgutübertragung diefe Heteroplaflik unter
fehr gewagten Bedingungen, unter Bedingungen fehr erfchwerter Art.
Zum erfien verwenden wir wohl Zellmaterial, aber nicht lebende Zellen
und nicht lebende Tierfafern, fondern tote; ferner verwenden wir tierifche
Eiweijie ganz fremder Art und folche von ganz anderer Tier-Spezies;
endlich verwenden wir diefe Materialien in relativ kompakter Maffe und
in ziemlich derber Form (ein Katgutfaden Nr. 2 ifl der Umfang der
Pelle einer Frankfurter Wurf!); und endlich nähen wir unfer Fremdkörper-
material an feiner Einpflanzungsfielle noch fefl und binden mit ihm
Gewebsteile ab, deren Lebensfähigkeit wir gleichzeitig oft erheblidi
fchädigen. Aus all dem Gejagten wird man begreifen, daß die Ein-
pflanzung eines Katgutfadens in den Körper eine phyfiologifche Zumutung
ganz befonderer Art darflellt, die ganz befondere Reaktionen von feiten
des Körpers herausfordern muf, und die dementfprechend ganz befondere
Riickfichten und Maßnahmen von feiten des Arztes vprausfetzen mufs,
wenn fie einwandfrei gelingen foll.
Um aber Maßnahmen zu treffen, mufs der Arzt vor allen Dingen
die Probleme kennen, die zu löfen find.. Welches find nun diefe Probleme?
Ein Hauptproblem (aber nur eines), ifl (wie nachgerade Jedermann
bekannt ifl), die Keimfreiheit des Fadens. Dafs diefe-notwendig iji,
wird niemand befhreiten. Etwas anderes dürfte die Frage fein, wie diefe
Keimfreiheit am zweckmäfiigflen zu erreichen ifl. Uber diefen Punkt
wird noch viel zu diskutieren fein. Für heute wollen wir ihn an diefer
Stelle unerörtert laffen.
Um fo mehr aber wollen wir unfere Aufmerkfamkeit dem zweiten
Hauptproblem zuwenden, das ebenfo wichtig ifl, wie die Keimfreiheit,
wenn nicht gelegentlich noch viel wichtiger, das ifl die Frage:
Wie machen wir die durch die Heteroplafie in Maffe auf
den Körper übertragenen fremden Stoffe dem Körper fympa-
thifch und verträglich, wie verföhnen wir ihn damit, wie machen wir
fie für den Körper aufnehmbar und reforbierbar?
Die Löfung diefes zweiten Problems verlangt die Berückfichtigung
und die Erfüllung einer ganzen Anzahl von Vorausfetzungen und zwar
fowohl hinfichtlich
1. der Mechanik der Verwendung des Fadens, alfo in bezug auf die
Art des Nähens, der Härte und Stärke des Fadens, hinfichtlich der
Form und Härte und Lage der Knotenbildung, ferner hinfichtlich
der Technik des Unterbindens ufw. ufw. (ob Umfchnürung oder
Umflechung ufw. ufw.),
2. hinfichtlich der Phyfik und Chemie des Fadens.
95
Audi die erperen Punkte wollen wir heute noch übergehen und
für fpätere Befprehungen zurückpellen; um fo mehr aber wollen wir
für einige Augenblicke der
Chemie und Phyfik
des Fadens nähertreten.
Wie oben gefagt, bringen wir in relativ großer Menge artfremde
tierifche Zellmaterialien in totem Zuffande in die lebende Wunde und
nähen fie dort fep.
Denken wir uns nun in die Lage der an den eingenähten Faden
angrenzenden und anliegenden Zellen und Gewebsteile und betrachten
wir, wie diefe reagieren werden, und wie die Vorgänge am Faden fein
müffen, in phyfikalifher und hemifher Hinficht, wenn überhaupt und
nur ungefähr fich die Nachbarzellen mit dem Fremdkörperfaden ab-
finden follen.
Es entpeht die Frage:
I. Wie dürfen die phyfikalifchen und chemifchen Vorgänge zunädip
nicht [ein und
II. in zweiter Linie: wie follen und müffen fie fein, um geduldet zu
werden?
Ad. I. Wie dürfen die Vorgänge nicht (ein?
1. Der Faden darf nicht allzuplötzlich und nicht fofort ganz erweichen
und darf nicht allzu rafch einen dicken Fremdkörperbrei bilden.
2. Das mehr oder wenig plötzlich auftretende Breimaterial darf nicht
reizen, darf hemifch nicht allzu aktiv auftreten, darf keine Nachbar-
vorgänge auslöfen, mup pch tunlichp lange relativ pafpv verhalten.
3. Daher dürfen diefe fraglichen Zerfallsprodukte keine Toxine ent-
halten und hemifhe BePandteile und Zerfallsprodukte befonderer
Art, die Leukozytofe im größeren Stile veranlaffen.
4. Diefe Produkte dürfen auch keine chemifchen Beimifchungen enthalten,
die den R'eforptionsvorgängen ungünflig find.
Ad. II. Wie follen vielmehr die Vorgänge (ein?
1. Der Faden [oll tunlichp lange pch pafpv verhalten, foll als reizlofer
inaktiver Fremdkörper in der Wunde liegen, wenigPens möglidip
(o lange, bis die erPen Wundheilungsvorgänge beendet find.
2. Der Faden foll möglihp von feinem Rande her zerfallen, ungefähr
wie ein Bonbon im Munde, (oll fich alfo gleihfam durch Arrofion
auflöfen, nicht durch Erweichung.
3. Die Zerfallprodukte follen leiht reforbierbare, leiht lösliche ver-
dauliche Subpanzen (ein, die von den Nahbarzellen gern geduldet,
und wenn möglich aufgenommen, mindepens nicht bekämpft werden.
4. Zu diefem Zwecke müffen diefe Zerfallsprodukte verföhnende
96
Zufätze und Beimifchungen enthalten, welche das paffive Verhalten
ermöglichen und fördern, und welche die allmähliche Reforption
einieiten und fördern.
Allen diefen Forderungen trägt mein Katgut weitgehend Rechnung.
Wenn wir aber alle obigen Bedingungen, wie die Vorgänge fein und
wie (ie nicht fein follen, überblicken, werden wir prinzipiell uns nicht
allzufehr wundern, wenn im Einzelfalle gelegentlich einmal bei der in
Frage (lebenden Katgutimplantation nicht fofort alles klappt, wenn viel-
mehr gelegentlich einmal (wenn eben Fehler und Aufserachtlaffungen der
Grundregeln paffieren), die Nachbarzellen fich etwas widerwillig zeigen
und in der einen oder anderen Form wider Wunfch reagieren, oder
wenn die Reforption der Fadenzerfallsprodukte nicht ganz glatt vor (ich
geht. Denn nach diefen beiden Richtungen liegen die Möglichkeiten der
gelegentlichen Störungen: Entweder antworten die Nachbarzellen in Form
einer mehr oder minder deutlichen Sekretion, die felbfl zur leichten
Leukozytenaus(cheidung fich (ieigern kann, oder die zerfallenden Fremd-
körper des Implantates liefern (chon, indem fie zerfallen, Material genug,
das zur Aus(cheidung drängt, weil feine Menge die Grenze der Reforptions-
möglichkeiten über(leigt. Am wenigfien dürfen, wir uns bei An-
wendung eines Jodkatgut gelegentlich wundern, wenn einmal
eines Tages fich an unferen Wunden aus einem Wundwinkel
oder aus einem Stichkanal eine kleine Menge eines gelblidi
gefärbten, gelatinöfen, klebrigen Sekrets in Tropfen entleert.
Bei diefem Sekrete laffen fie uns noch einige Augenblicke ver-
weilen.
Diefes Sekret erlebt man bei Anwendung meines Jodkatguts öfters
am 6., 9., 10. Tage nach der Operation, auch noch fpäter, an einer
Stelle, wo man die Hautnaht etwas lockerer gelaffen hat, oder wo man
eine kurze, 24 (iündige Drainage eingelegt, oder eine kurze Fadendrainage
für angebracht erachtet hatte. Man fieht es am ehe(len bei maffigen
Bauchdeckennähten, wo man fehr dicht mit Katgutknopfnähten genäht
hatte, noch mehr bei folchen, wo man Doppelkatgutfäden anwandte.
Dann ergießt fich leicht ein Tropfen oder mehr diefes Sekretes nach aufjen.
Was bedeutet diefer Tropfen, was ifi er, woraus befiehl er, ift er
der Anfang einer Eiterung?
Eiterung - keinesfalls. Der Tropfen i(i der Ausdruck der Auflöfung
des jodhaltigen Katgutfadens. Demzufolge befieht er aus einer leim-
artigen gelben Subftanz, ifi zäh und klebrig, dickflüffig und gelatinös,
mehr oder weniger klar.
Er befieht aus zerfallenden und in Auflöfung begriffenen Binde-
gewebstrümmern, wie fie der in Zerfall begriffene Katgutfaden liefert,
wenn der Faden jodhaltig ifi.
Er beweijt, daß hier die Zumutung an den Körper, der das ein-
gebrachte tierijdie Fremdkörpermaterial reforbieren foll, zu groß i(i, als
daß es der Körper leicht fertig brächte. Es erfcheint ihm daher einfacher,
(ich desfelben, wenn es möglich if!, zu entledigen.
Bei meinem Katgut ift diefer Sekrettropfen (tark jodhaltig, er ift
und wird in jeder Weife vom Jode beherrfcht und zieht aus diefem
(einen Vorteil.
Ich fage Vorteil; und dies mit Recht. Denn ohne das Jod würden
die Vorgänge ganz andere fein, auch das Sekret würde ein anderes fein.
Das Jod verhindert, dafi das Sekret (lärker leukozytenhaltig ift und wird.
Es bewirkt und ermöglicht, daß es klar bleibt.
Mit Eiterung hat diefer Vorgang aber nichts zu tun. Aller-
dings beginnt hier ein klinifch wichtiger neuer Abfchnitt in der Frage der
Katguteinheilung. Jetzt kann viel verdorben werden. Dafür beachte
man folgendes:
Tritt bei einer Wundheilung, namentlich bei Bauchoperationen oder
bei Bauchdecfeennähten eine folche Sekretion auf, die rein mechanifch ift
und dementfprechend keimfrei und niemals entzündlich, fo hüte man
(ich ängplich, eine folche Wunde zu beunruhigen oder einen
folchen Wundkanal oder Stichkanal zu erweitern oder zu
tamponieren oder zu drainieren. Auch [chon jede Art von Sondierung
i(i verboten. Und dies alles, um die Wunde nicht zu infizieren, um
nicht in diefelbe Keime einzufchleppen.
Würde man es tun, brauchte man (ich nicht zu wundern, wenn
man den genannten an (ich harmlofen Vorgang zu einer Wundkomplikation
machte, wenn man eine richtige Eiterung bekäme, denn naturgemäß find
die Wege dahin nicht allzu weit.
Anders aber, wenn man [ich ruhig und ab wartend verhält. Wartet
man nur 1 bis 2 Verbände ab, fo ift mei(l die ganze Sekretion ver-
fchwunden und eine nur ganz leicht verzögerte Primaheilung ifi die Folge.
98
Über Jontophorese, Elektrophorese und
Kataphorese
1923
Uber Jontophorefe, Elektrophorefe und Kataphorefe.
Von Dr. A. Heermann in Gaffel.
Da tierifche und pflanzliche Gewebe im allgemeinen als Elektrolyte
anzufehen find, fo unterliegen fie deren phyfikalifihen Gefetzen (wie fie
z. B. beim Vergolden, Verfilbern u. dergl. maßgebend find), enthalten
im Verhältnis ihrer Konftante diffoziierte Molekel, welche als Jonen je
nach ihrer Ladung mit dem poßtiven oder negativen elektrifchen Strome
wandern und nach Abgabe ihres Elektrons die fpezififche chemifche Atom-
wirkung in ftatu nascendi entfalten.
Um (ich diefen Vorgang (ichtbar zu machen, genügen zunächft
zwei Verfuche.
1. Quer durch eine Höhlung in einer Kartoffel, weldie mit Jodlöfung
(z. B. Jodonascin) gefüllt i(J, wird ein Oleichflrom geleitet. Die
Gegend der Anode erfcheint blau. Das farblofe Jodion ifl zum
pofitiven Pol gewandert, hat fein Elektron abgegeben und die Jod-
reaktion erzeugt.
2. Kupfervitriollöfung wird an eine pofltive Elektrode gebracht, in
ähnlicher Weife einem Gleidiftrom ausgefetzt. Das blaue Kupferion
durchzieht die Kartoffel und fchlägt an der negativen Elektrode
Kupfer nieder.
In gleicher Weife kann man in den menfchlichen Körper von der
pofitiven Seite alle Metalle, Metallradikale, H, Ka, Na, Ca ufw., von der
negativen Seite alle Säuren, Säureradikale und O H-Gruppen einführen,
dadurch gleich einer parenchymatöfen Injektion diefer Stoffe Tiefen-
wirkung und Allgemeinwirkung erzeugen, welche letztere z. B. bei Jod
durch Erfcheinen im Speichel, bei Strychnin durch Vergiftungserfcheinungen
nachgewiefen wird. Die Menge des eingeführten Stoffes wird nach dem
Faradayfchen Gefetz aus der Stärke des Stromes, feiner Dauer und dem
Atomgewicht berechnet.
Wenn man nun bedenkt, daß nicht nur diefe von aufsen ein-
geführten Elemente, fondern zugleich alle Jonen der Salze, Säuren, Bafen,
alle Kolloide (Albumin, Globulin, Lezithin, Lipoide, Fermente u. a.), alle
Suspenfionen (Fettröpfchen, Bakterien, Blutkörperchen u. a.) je nach ihrer
Ladung in dem Körper mitwandern, daß diefe von den (emipermeablen
Zellwänden mit verfchiedener Gefghwindigkeit durchgelaffen werden und
an ihnen lokal vermiedene Potentialdifferenzen zur Folge haben, (o
ergibt (ich daraus eine unendliche Fülle von möglichen Veränderungen
im feineren Aufbau der Gewebe felbfl.
Um nun für die Therapie überhaupt einen brauchbaren Anhalt zu
gewinnen, habe ich zunächfi berückfichtigt, daß es auf diefe Weife möglich
ifl, fafl alle gebräuchlichen Mittel der Haut- und Schleimhaut-Erkrankungen
99
mit größerer Sicherheit in größere Tiefen zu bringen als bisher erreichbar
war. Weiterhin haben mich die Feftftellungen, daß das Protoplasma fehr
empfindlich gegen Änderungen der Wafferfloffjonen-Konzentration ift,
daß junge wachfende Gebilde labile Eiweißverbindungen befitzen und
Schwellungen durch Quellungen der Körperkolloide infolge Säurebildung
entflohen, auf den Gedanken gebracht, Kröpfe, Narben, üefchwülfle und
Schwellungen verfchiedener Art (einfchließlich einiger Fälle von Knochen-,
Driifen- und Hoden-Tuberkulofe) durch Zuführung von H-Jonen oder
O H-Jonen anzugreifen, wobei die erfle Wirkung in der Regel
nach 20 Minuten erkennbar wurde. Die Aktivierung von Nekro- und
Regenerationshormonen durch pofitive Jonen brachte reaktionslofe Gefchwüre
(eingewachfener Nagel, Mal perforant u. dergü fowie Fiffuren mit über-
rafchender Schnelligkeit zur Überhäutung.
Das Wechfelfpiel von Hexofephosphorfäure und Sauerfloff bei der
Muskelfunktion und der elektrolytifche Vorgang in der Leitfähigkeit der
Nerven ließen (ich durch die hemmenden, abdichtenden Wirkungen der
Kalzium- und Ammoniumjonen oder die fördernden Wirkungen negativer
Jonen beeinßuffen, die z. B. auch bei Paralysis agitans, Tabes, Sklerofe
und Epilepfie zur Geltung kamen. Die Funktionen erreichbarer Drüfen
der inneren Sekretion konnten (z. T. unter Zuhilfenahme von Inßuenz-
flrömen), in gleicher Weife gehemmt oder gefördert werden. Befonders
auffallend war u. a. dabei der Rückgang von Bafedowfymptomen und
teilweife von Entwicklungshemmungen im Kindesalter. Bei Erkrankungen
der Nafe, des Ohres und des Auges dagegen, die diefer Behandlungs-
methode ganz befonders Angriffspunkte bieten, reichen meine Erfahrungen
zu beflimmten Angaben noch nicht aus.
An Mitteln wurden verwendet: wegen ihrer vermiedenen Jonen
Metall-Löfungen, Efßg, Kaffee, Salmiak, phosphorfaures Kalzium, phosphor-
faures Kalium, wegen feines Gehaltes an Peroxydafen Meerettigfaft, wegen
ihrer Einwirkung auf parenchymatöfe Trübungen Gallustinte fowie ver-
miedene Enzyme fowohl wegen ihrer hydrolyfierenden als auch wegen
ihrer fynthetifchen Eigenjchaften.
Schon nach diefen unvollfländigen Verfuchen ifl es zweifellos, daß
auf diefe Weife die Möglichkeit befiehl, in zahlreiche pathologifche Zu-
flände unmittelbar einzugreifen, wie es bis jetzt noch fehr wenig gefchehen
ifl. Deshalb haben mich- meine Beobachtungen veranlaßt, weitere Kreife
zu ausgedehnteren Verfuchen auf diefem zunächfl noch unbegrenzten
Felde anzuregen.
100
Die Verwendung sterilisierter Rinderfascie
zur Heilung des Totalprolapses
Die Verwendung fterilifierter Rinderfascie zur Heilung des
Totalprolapfes.
Von Dr. Schubert, Beuthen (O.-SchU. **)
Wenn wir die Literatur der letzten Jahre nachprüfen, fo fällt uns die
große Zahl von Vorfchlägen auf, welche für die Operation des Prolapfes
gemacht werden. Faft Jedes Jahr bringt uns neue Berichte über erfolg-
reich eingefchlagene Methoden, das Übel dauernd zu befeitigen. Die
zahlreichen, immer erneut auftauchenden Vorfchläge zeugen zur Genüge
von der Unzulänglichkeit der bisher geübten Verfahren.
Bald find es heftige Blafenbefchwerden, bald die grobe Verfiümmelung
des Genitalapparates, in der Hauptfache aber immer die in verhältnismäßig
kurzer Zeit auftretenden Recidive, welche uns die gewählte Operations-
methode zu einer unbefriedigenden machen.
Das Ideal einer Prolapsoperation würde dasjenige Verfahren darfiellen,
welches uns die heften Dauerrefultate liefert, ohne an der Funktions-
fähigkeit der Genitalien und ihrer normalen Lagerung etwas zu ändern.
Leider find von diefem Ziele die größte Anzahl der üblichen Operations-
methoden recht weit entfernt.
Dasjenige Verfahren, welches mir dem geforderten Ideal mit bezug
auf Schaffung möglichfi normaler Verhältniffe am nädifien zu kommen
fcheint, ift wohl der Alexander-Adams im Verein mit Maßnahmen, welche
mit der Verengerung des Scheidenlumens und der Herfiellung eines fefien
Beckenbodens einhergehen. Die Dauerrefultate find hier leider [chlecht,
mag man die Ligamente in diefer oder jener Modification verkürzen,
mag man die vordere Colporrhaphie und Blafenraffung noch fo ausgiebig
vornehmen, mag man die Dammplafiik famt Levatornaht auch noch fo
forgfältig ausführen.
Angefichts der fchlechten Refultate, welche ganz allgemein bei
Prolapsoperationen gezeitigt wurden, wählte ich in dem Beflreben, möglichfi
normale Verhältniffe in bezug auf Lagerung des Uterus und Funktion
des gefamten Genitalapparates herzufiellen, ein Verfahren, welches den
Uterus mittels eines frei transplantierten Fascienbandes in völlig normaler
Stellung ßxierte. Diefer Fixation wurde je nach Bedürfnis eine mehr oder
weniger ausgiebige vordere und hintere Colporrhaphie vorausgefchickt. Das
Fascienband wurde zuerfl aus den Bauchdecken, fpäterhin, da (ich die
Rectusfascie nicht genügend haltbar erwies, aus der Fascia lata des Ober-
[chenkels und zuletzt aus dem Pericard des Rinderherzens hergefiellt. Ich
komme darauf noch zurück.
**) Vortrag auf der 18. Verfammkmg der Deutfchen Gefellfdiaft für Gynä-
kologie in Heidelberg vom 23.-26. Mai.
101
Ich habe Ihnen hier die einzelnen Phafen der Operation in einer
Skizze angedeutet. Der etwa 11 cm lange Fascienflreifen wird der Länge
nach bis etwa 1 cm vor feinem Ende in der Mitte durchtrennt und mit
feinem VerbindungsfUick etwa am Anfatz der Lig. sacrouterina an den
Uterus mit einigen Knopfnähten befefligt. Eine lange Klemme wird dann
in der Gegend des inneren Leiflenringes durch die Bauchdecken und
gleichzeitig durch die Mefofalpinx dicht am Uterus hindurchgepofien, das
freie Ende mit dem Maul gefaxt und vor die Bauchdecken gezogen.
Diefes Fascienband wird darauf in feinem ganzen abdominalen
Verlaufe durch fortlaufende Katgutnaht mit Peritoneum iiberkleidet. Dann
werden die freien Bandenden über der Fascie der Bauchmuskulatur fcharf
angezogen und unter Kontrolle der Lage des Uterus auf der Bauchdecke
vernäht. Das Abdomen wird daraufhin gefchloffen.
Das Prinzip diefer Operationsmethode läuft, wie wir fehen, darauf
hinaus, die Portio an normaler Stelle unter Beibehaltung der Anteflexion
des Uterus zu fixieren. Gelingt dies dauernd, fo ifl natürlich ein Prolabieren
des Uterus oder eines Teiles desfelben unmöglich.
Bei Prolaps wurde das Verfahren bei 34 Fällen angewandt und zwar
4 mal bei Prolaps I. Grades
20 mal bei Prolaps II. Grades
10 mal bei Prolaps III. Grades.
Von diefen 34 Fällen wurde der erfle vor 10 Jahren operiert.
5 von ihnen wurden gravid. 3 entbanden fpontan; 2 abortierten auf
kriminelle Eingriffe hin im 4. und 6. Monat. Außerdem wurde das Verfahren
in 7 Fällen von Retroflexio Uteri fixata angewandt. Die im vorigen Jahre
angeflellte Nachunterfuchung ergab nicht ein einziges Recidiv.
Nachprüfungen des Verfahrens wurden bisher nur in vereinzelten
Fällen gemacht. Das mag feinen Grund in der Umftändlidikeit der Fascien-
gewinnung aus dem. rechten Oberfchenkel gehabt haben. Um diefe zu
umgehen, habe ich zunächfl felbfl Rinderfascie in Formalin und Alkohol
(lerilifiert und bei angeflellten Tierverfuchen ein reaktionslofes Einheilen
derfelben erzielt. Durch das Entgegenkommen der Firma Braun-Melfungen
wurden mir Fascienflreifen aus dem Pericard des Rinderherzens fleril in
Glasampullen hergeffellt, welche im Tierverfuch ebenfalls ein reaktionslofes
Einheilen ergaben. Ich habe diefe flerilifierten Fascienflreifen daraufhin
ausfchliefilich in meinen letzten Fällen von Prolapsoperationen angewandt
und, foweit (ich dies bis jetzt beurteilen läfit, ein gleich gutes Refultat
erzielt. Das Operationsverfahren wird dadurch ganz wefentlich vereinfacht,
und ich flehe im Begriff, diefe Fascienflreifen auch auf weiteren Gebieten
der operativen Gynäkologie in Anwendung zu bringen. So bin ich über-
zeugt, daf» fie in der Goebell-Stoeckelfchen Operationsmethode an Stelle
der Pyramidalis-Fasdenjtreifen einen vollen Erfatz bieten und auch diefe
Operation fehr vereinfachen könnten. Nach Freilegung des Blafenhalfes
hätte man nur nötig, oberhalb der Symphyfe eine Döderleinfche Pubotomie-
Nadel nach dem vaginalen Wundett hindurchzuführen, und mittels diefer
den Fascienftreifen beiderfeits der Harnröhre nach der Bauchdecke hindurch-
zuführen. Hier brauchte man dann nur die Fascienftreifen zu vernähen.
Bei Incontinentia alvi find autoplaftifih wiederholt Fascienftreifen
mit gutem Erfolge, fo auch von mir, verwendet worden. An Stelle diefer
könnte ebenfalls die flerilifierte Rinderfascie von Braun-Melfungen treten.
Auch bei größeren Bauchbrüchen könnten diefe breiten Fascienftreifen,
die fafl unzerreiflich find und wegen ihrer Breite das gefaxte Gewebe
(Fascie) nicht leicht zum Einreisen bringen würden, fehr wohl benützt
werden. In der Chirurgie bietet fich ein noch viel weiteres Anwendungs-
gebiet überall da, wo man bisher frei transplantierte Fascienftreifen zur
Fixation von Organen oder Erfatz von Sehnen etc. in Anwendung brachte.
Die Vorteile meines Operationsverfahrens bei Prolaps der Genitalien
gegenüber anderen find ohne weiteres erfichtlich, die 3 hauptfächlichften
Vorzüge find, dafi
1. eine den normalen Verhältniffen völlig gleiche Lage des Uterus
erzielt wird;
2. die Generationsfähigkeit der Frau erhalten bleibt, und infolgedeffen
die Methode in jedem Alter, alfo auch bei virginellen Prolapfen,
angewendet werden kann;
3. Recidive -bisher trotz überftandener Schwangerfchaft nicht auf-
getreten find.
103
Braunspritze
1923
B-BRAUN-MELSUNGEN
BRÄUNSPRITZE
MIT FESTEM METALLANSATZ
Glas spritze mit Bremsring und Dojrfaelansatz aus Metall. Der
Bremsring hält den Kolhen in jeder Stellung fest. Auf den Ansatz
jtaßt der Konus Rekord und Serum V. Das Metall des Ansatzes
hat den gleichenAusdehnungshoeffizientenwiedasGlas.
DIE LÖSUNG DES SPRITZENPROBLEMS
Briefkasten
Briefka(fen.
1923
Intravenöfe Infufion. Für die Wahl einer Kanüle zur intravenöfen
Kochfalzinfußon ift von prinzipieller Bedeutung, ob die Infufion durch perkutanen
Einftich in die Blutader oder unter operativer Freilegung der Ellenbogenvene
bewerkftelligt werden (oll. Das letztgenannte Vorgehen wird vielfach gerade von
den Fach Chirurgen bevorzugt, weil die kleine, felbft ohne jede Anäfthefie meiftens
mit nur minimalen Schmerzen und fchnell ausführbare Operation namentlich bei
fchlechtgefüllten Gefäfien elender Patienten eine (ichere Ausführung der Infufion
gewährleifiet.
Für die perkutane Punktion der Vene find Kanülen erforderlich, die neben
genügender Weite des Kalibers eine richtig geformte Spitze haben. Die lang an-
gefchliffene Spitze, wie (re bei der fubkutanen oder intramuskulären Injektion üblidi
und angenehm ift, wird (ehr leicht zum Anftechen der rückfeitigen Venenwand
und (o zu Störungen der Infufion führen. Die Kanüle muf> alfo kurz abgefchliffen
(ein, aber doch fo viel Spitze haben, dafi die Durch[techung der oft erffaunlich
widerftandsfähigen und (ehr elaftifchen Haut ohne Schwierigkeit gelingt. Ein unver-
hältnismäßiger Kraftaufwand des Arztes bei diefem Akt des kleinen Eingriffes
erweckt beim Patienten leicht den Verdacht der Unzulänglichkeit des Inflrumentes
oder gar feines Steuermanns.
Zur Infufion in die durch einen kurzen Querfchnitt freigelegte und zwifchen
zwei zunächft lofe herumgelegfen Ligaturen mit fpilzer Schere eröffnete Armvene
kann nun z. B. die kurz hinter der Spitze mit wulfiförmiger Verdickung verfehene
Glaskanüle verwendet werden, die zum Transfufions-lnftrumentarium nach Oehlecker
gehört, oder wie fie - mit endftändiger knopfförmiger Verdickung - f. Zt. von
Schöne (Stettin) unferes Erinnerns auch für Iransfufionszwecke angegeben iff. Es
ifi aber auch (peziell für intravenöfe Kochfalzinfußon eine (ehr brauchbare Metall-
kanüle im Handel, die vorne völlig rund und ftumpf ift, etwa 4-5 mm hinter der
Spitzenöffnung eine ringsumlaufende Verdickung hat und am anderen Ende mit
einer Schlaucholive verfehen ift. In jedem Fall wird nach der Einführung der
Kanüle in die Vene deren diftale Ligatur zugebunden, die proximale über der
Kanüle und hinter ihrer knöpf- oder wulftförmigen Verdickung zufammengezogen,
wodurch ein unbeabfichtigtes Herausgleiten der Kanüle aus dem Blutgefäß ver-
hindert wird.
105
Für die Praxis
Über den gegenwärtigen Stand der Fabrikation
chirurgischer Instrumente aus rostfreiem
Krupp-Stahl
Für die Praxis.
über den gegenwärtigen Stand der Fabrikation
chirurgifcher Inprumente aus r oft freiem Krupp-Stahl.
Als auf dem Chirurgen-Kongreß 1920 Oflermann bekannt gab,
daf) ein während des Krieges in den Krupp’fchen Werken in Effen er-
fundener vollkommen roftfreier Stahl auch zur Fabrikation chirurgifcher
Inprumente Verwendung finden würde, daß aber infolge der durch
fpartakifiifchen Terror bedingten Streiks in Effen die Arbeiten noch nicht
bis zur Möglichkeit der Veröffentlichung gediehen feien, hob fchon der
Vorfitzende des Kongreffes (Bier) hervor, daf) es (ich offenbar um eine
Erfindung von fehr weittragender Bedeutung für die Chirurgie handele.
Im nächpen fahre (1921) konnte dann Opermann in feinem Vortrag
auf dem Kongreß die mit allgemeinem Intereffe aufgenommenen näheren
Mitteilungen über die Erfindung machen. Die erfien Verfuche über das
Roftproblem waren im Jahre 1909 in der Krupp'fdien chemifch-phyfika-
liphen Verfuchsanpalt unternommen und im Jahre 1912 zum Abfchluß
gebracht. Sie hatten ergeben, daf) ein Stahl mit einem Chrom-Gehalte
von 20% eine außerordentliche Widerpandskraft gegen jede Art von
Korrofion zeigte. Während des Krieges wurden große Mengen diefes
Stahles für die Salpeterfäurefabrikation bei der Sprengfioffherftellung fowie
für Teile von Meßinprumenten auf Deck der Unterfeeboote verwendet;
weder von der Salpeterfäure noch vom Seewaffer wurde der nichtropende
Stahl irgendwie angegriffen.
Mit der Umpellung der Krupp’fchen Werke nach dem Kriege wurde
die Fabrikation des ropfreien Stahles und feine Verwendung weiter aus-
gebaut. Von der Stahllegierung, die etwa 20% Chrom und etwa 7-8%
Nickel, daneben aber auch Mangan, Molybdän, Wolfram enthält, wurden
zwei verfchiedene Marken hergepellt, deren eine pch befonders für
mechanifch hoch beanfpruchte Teile eignet, während die andere, als V2A
bezeichnet, befonders widerPandsfähig gegen chemifche Einßüffe ip und
eine hohe Verphleißfepigkeit zeigt. Beide Legierungen und deren
Wärmebehandlungsverfahren wurden durch Reidispatente gefchützt. Ein
polierter Stab aus V2A-StahI, der ein Jahr lang zur Hälfte in Leitungs-
waffer peckte, zur Hälfte der atmofphärifchen Luft ausgefetzt war, blieb
vollkommen blank.
Um aus diefem Stahl chirurgifche Inprumente herpellen zu können,
mußten feiner außerordentlich fchwierigen Bearbeitung wegen erp ent-
(prechende Werkzeuge angefertigt werden. Außerdem iß die Befchaffung
von Chromerz aus Uberfee für Deutfchland jetzt ungemein [chwierig
geworden. Durch diefe Umpände wurde die Fabrikation chirurgifcher
Inprumente aus ropfreiem V2A-Stahl verzögert und ihr hoher Preis bedingt.
Immerhin konnten die Kruppschen Werke fchon 1921 einige
Modelle der gangbarften Inftrumente, Scheren, Pinzetten, Skalpelle, Korn-
zangen, Sonden, Kehlkopffpiegel, auf dem Chirurgenkongreß ausflellen,
außerdem, und befonders eindrucksvoll, Proben von kleinen Stahlplatten,
die fich feit 14 Tagen in den üblichen Desinfektionslöfungen befanden,
u. a. in 10%iger Jodtinktur, und vollkommen blank geblieben waren.
In der Ausfprache zum Vortrage von Oflermann erwähnte Körte,
daß er wochenlang täglich mit einem Meffer aus rofifreiem Krupp-Stahl
operiert habe, und daß dies Meffer tadellos geblieben fei. Die mager
gewordenen Budgets der Kliniken und Krankenhäufer dürften aber die
Urfache gewefen fein, wenn die Mehrzahl der Kongreßbefucher (ich damals
mit flillem Bedauern von den fchönen Inflrumenten abwandte.
Das Gute hat [ich aber auch hier Bahn gebrochen. Die Krupp-
Werke waren in raftlofer Arbeit bemüht, in [chnell wachfender Vielfeitig-
keit auch diffizilere Inftrumente aus dem herrlichen Material herzuftellen,
und ihre unvergleichlichen Eigenfchaften, zunächft von einzelnen mit
Begeiferung beobachtet, lockten bald viele zu einem Verfudi. Und in
der Tat, bei jedem, der mit Meffern, Scheren, Klammern, Wundhaken,
Küretten ufw. aus V2A-StahI arbeitete, wird der Wunfch rege werden,
fein ganzes Inftrumentarium aus diefem Material zufammengeflellt zu
fehen. Kein Abblättern der Vernickelung mehr, keine Roflßecken, kein
Schwarzwerden an fchwierig zu reinigenden Stellen, wie Schlöffern ufw.,
kein dauerndes Unterwegsfein der Infirumente zum Inftrumentenmacher,
kein Ausbrechen der Schneide bei Meffern, dafür doppelt fo langes Vor-
halten ihrer Schneidfähigkeit -, welcher Operateur, welche Spitalverwaltung,
welche Operationsfchwefter wird alle diefe Vorzüge nicht mit einem
Gefühl der Erlöfung begrüben!
Es liegt auf der Hand, dafi damit auch vielfache Erfparniffe erzielt
werden, und diefe können den immerhin noch wefentlich höheren Preis
der roflfreien Inftrumente teilweife ausgleichen, auf die Dauer wahrfchein-
lich in recht erheblichem Grade, vor allem, weil das jetzt fehr teure Ver-
nickeln (ich erübrigt.
Wenn die Krupp-Werke in einem Druckblatt mit berechtigtem Stolz
fagen, dafs die Infirumente aus niditroflendem V2A-Stahl „in ihrer vor-
nehmen Einfachheit und der forgfältigen Anpaffung an die Art und Weife
ihrer Verwendung als Mufterbeifpiele fachgemäßer neuzeitlicher Werk-
kunfl gelten können", fo wird der, der fie gebraucht, (ich diefem Urteil
rückhaltlos anfchließen können, auch wenn einzelne Formen zunächft
ungewöhnlich erfcheinen.
Begreiflicherweife können felbfl die beflen Schneidwerkzeuge ihre
Schärfe und Spiegel und Reflektoren ihre Klarheit nur dann beibehalten,
wenn fie entfprechend behandelt werden. Man (oll fie z. B. nicht zu
mehreren in der Hand faffen und in den Sterilifator werfen, (ondern
Nahtlose Nervenvereinigung, ein Vorschlag
ße einzeln hineinlegen und herausnehmen. Meffer follen nicht hohl,
fondern auf beiden Seiten eben gefchliffen, Spiegel nur mit weichen,
(auberen Tupfern oder Watte geputzt werden.
Für zahnärztliche Zwecke kann der V?A-Stahl zu dünnften Platten
ausgewalzt, zu feinßen Drähten ausgezogen und elektrifch gefchweißt
werden. Gebifiplatten, Zahnßhienen, Regulierungsvorrichtungen laffen (Ich
mit Hülfe einiger für die Verarbeitung erforderlichen Sondervorrichtungen
aus ihm herßellen und haben die wertvolle Eigenßhaft, in der Mund-
höhle keine Veränderung zu erleiden.
Nahtlofe Nervenvereinigung, ein Vorjchlag.
Von S.-Rat Dr. H ü g e l m a n n, Chefarzt des Knappfchafts-Krankenhaufes Hohenmölfen.
Die Erfolge der Wiedervereinigung von in der Kontinuität getrennter
Nerven durch die Naht find derart unbefriedigend, daß ein Vorfchlag
zur Befferung berechtigt erfcheint.
Gehen wir den Urfachen nach, fo muffen wir in erßer Linie die
technifche Vereinigung, die Naht felbff, für die Mißerfolge verantwortlich
machen.
Vergegenwärtigt man (ich den Querfchnitt der größeren, peripheren
Nerven mit feinen verfchiedenen Segmenten für Motilität und Senfibilität,
fo muß man es für die Regeneration der Nervenfafern als wünfchenswert
bezeichnen, daß möglichfi genau Segment an Segment angepaßt wird.
Denn wenn auch nach H. Braun die zufammengehörigen Stränge ver-
fchiedener Funktion (ich von (elbji zufammenßnden, fo muß es unfer Be-
(ireben (ein, diefes Zufammenßnden durch Befeitigung von Nahtwider-
ßänden, wie ße durch axiale und laterale Verfchiebung der Nervenenden
gegeben ßnd, zu erleichtern.
Der Fehler der ungenauen und unßcheren Adaption der Nervenenden
läßt ßch durch Verwendung zweier kleiner Schienen, die jeder zur Not
ßch felber herrichten kann, vermeiden. Zwei Silberplättchen nach oben-
ßehender Zeichnung werden von der einen Seite mit dreikantigem,
1925
108
1925
Für die Praxis
Ein praktischer Glaskonus
für intravenöse Einspritzungen
fpitzem Werkzeuge durhffanzt und zwar fo, dafi die Spitzen gegen die ge-
dachte Mitte a gerichtet find. Die Plättchen werden nun zum Hohl-
zylinder geformt, auf den die Nervenenden fo gelagert werden, dajj
fie fidi bei a berühren. Der andere Hohlzylinder kommt darüber zu
Hegen, und zwei zirkuläre Fäden aus dünnem Silberdraht fihern die
Lagerung.
Aufier dem der genauen Adaption der Nervenenden bietet diefe
Schienung noch folgende Vorteile; Abkürzung der Operation, ficherfle
Fixation, "von der (ich jeder am toten Nerven überzeugen kann; ferner
Vermeidung von Verletzung der Nervenbahnen, von Inkarzeration durch
Narbengewebe und zuletzt von zentraler Neurombildung.
Es liegt auf der Hand, daf» die gefchilderte nahtlofe Nerven-
vereinigung die phyfiologifchen Bedingungen (chafft für eine erfolgreiche
Regeneration des Nervengewebes. Ich möchte daher die Anwendung
diefer Methode empfehlen, obwohl ich ihren Vorteil durch praktifchen
Verfuch, zu welchem ich während des Krieges reichlich Gelegenheit ge-
habt hätte, nicht erhärten kann. Aber mit Rück(iht auf die unbefriedigen-
den Ergebniffe der Nahtvereinigung kann durch Anwendung obiger
Methode nur gewonnen werden.
Für die Praxis.
Ein praktifcher Glaskonus für intravenöfe Einfpritzungen.
Von Dr. Erich Eisner, Hindenburg O-S., Facharzt für Haut- und Gefchlechtskrank-
heiten und Strahlenbehandlung.
Bei (hwierigen, intravenöfen Einfpritzungen, insbefondere von un-
durchfichtigen Löfungen und dergL, hat (ich ein nach meinen Angaben
von der Firma Braun-Melfungen angefertigter Glaskonus als recht geeignet
und vortreffliches Unterfiützungsmittel bewährt.
Derfelbe zeigt beim Ein(!echen in die Vene durch fofortiges Ein-
(chiejien (evtl, nötigenfalls bei leichtem Zug am Kolben) durch die (ehr
deutlich (ihtbare Blutfäule die richtige Lage der Nadel an. Diefes ifi
von befonderer Bedeutung bei gelegentlich nicht ganz einfachen Injektionen
in die (ugularvene bei Kindern, manchen Frauen etc. Oewifi hat auch
die Von Prof. Metzner-Deffau kongruierte Oanzglasfpritze diefen Zweck
109
Referate
Zur Technik der Lumbalpunktion
recht gut erfüllt, jedoch hat der oben angegebene Glaskonus diefer
gegenüber noch einige befondere Vorzüge:
1. Billigkeit,
2. Widerflandsfähigkeit (da eine Spritze mit feflem Glasanfatz gebrech-
licher i(l als eine folche mit (eparatem),
3. Ein einziger Glaskonus paßt für fämtliche Spritzen mit Rekordanfatz.
4. Bei Bruch ifi nur Erfatz einzelner Teile nötig.
übrigens ijl der Glaskonus gut auskochbar und (labil und hat feine
gute Haltbarkeit in der Praxis bewährt.
Referate.
Zur Technik der Lumbalpunktion.
Von Dr. S. Seeliger, Facharzt für innere Krankheiten**).
Verfaffer führt für die bekanntlich auffallend geringe Anwendung
der Lumbalpunktion im Gegenfatz zu ihrer Bedeutung drei Gründe an:
ihre Gefahren, die mitunter recht quälenden fubjektiven Befchwerden
und endlich die immer noch recht umfländliche Technik.
Schönbeck wies 1915 aus der Literatur 71 Todesfälle als Folgen
der Lumbalpunktion nach. Als Folge zu rafcher Blutdruckfenkung können
ausgedehnte Blutungen der Pia Vorkommen. Auch bei Urämie und
gefäßreichen Tumoren find tödliche Hirnblutungen bekannt geworden.
Bei Hirntumoren, auch bei Hydrocephalus internus befiehl die Gefahr,
daß das verlängerte Mark, felbfl Teile des Groß- und Kleinhirns in das
Hinterhauptloch eingepreßt werden und dadurch Lähmung, befonders des
Atem-Zentrums, eintritt. Einen derartigen Fall konnte Verfaffer mit-
beobachten. Unter den fubjektiven Befchwerden fpielt der konflant auf-
tretende örtliche Schmerz an der Einflichflelle, der noch am nächflen
Tage gefpürt wird, fchon eine größere Rolle als vorübergehende Störungen
einzelner Hirnnerven oder Beinfehmerzen infolge Anflechens der hinteren
Wurzeln. Viel flörender aber ift der aus Schwindel, Brechreiz und
Hinterkopffchmerz zufammengefetzte Symptomkomplex, der (ich unter
Umfländen bis zu den Erfcheinungen von Maeningismus, Nackenfleifigkeit
und Kernig fleigern kann. Verfaffer ifl der Anficht, daß die Folgezu-
110
**) Münchener Medizin. Wochenfdir. Nr. 35 vom 28. Augufl 1925, S. 1467.
(fände in diefer Form (iets Anzeidien einer unfachgemäfi durchgeflihrten
Punktion (ind. — Immerhin macht die Möglichkeit unerwün(chter Folge-
zu(fände Vorfkhtsmafiregeln notwendig: 24 Stunden vor und 48 Stunden
nach der Punktion (oll flache Körperlage innegehalten, nach der Punktion
prophylaktifch Pyramiden und allenfalls Eisblafe auf den Kopf verabfolgt
werden. Nach Pappenheim kann bei bedrohlichen Anzeichen ein Erfatz
des entnommenen Liquors durch phyfiologifche Koch(alzlöfung lebens-
rettend wirken. Wichtigfle Vorfichtsmaftregel i(l jedoch, lang-
fam und nicht zuviel abzulaffen. Die(e Vor(khtsmaf»regeIn, deren
Abbildung I
111
Durchführung bedrohliche Folgezuflände kaum möglich macht, flogen auf
Schwierigkeiten bei unruhigen und trotz Narkotika tobenden Kranken
Vergrößert werden die Schwierigkeiten durch die Unzulänglichkeiten des
bisher gebräuchlichen Inflrumentariums.
»Bei den vermiedenen Formen der Lumbalnadel, die feit Quincke
angegeben wurden, find die Notbehelfe nur gegeneinander verfchoben,
Man iß Zufälligkeiten ausgefetzt, die (ich zu beträchtlichen Unannehmlich-
keiten (teigem können und die (ich durch bequemere Handhabung ver-
meiden ließen. Das Äuffetzen eines Steigrohres, das Wiederabfetzen zur
112
Abbildung 2
Entleerung oft ungewollter Flüffigkeitsmengen und die normale Druck-
meffung ift umfländlich und mit gefürchteten Erfchütterungen verbunden.
Oft geht dabei viel von der kofibaren Flüfjigkeit verloren. Aufser der
Perfon, die den Kranken hält, find mehrere Äfflftenten notwendig: der
eine, der das Steigrohr an- und abfetzt, der andere, um die Höhe der
Flüffigkeitsfäule zu meffen, der dritte, um mit einem Reagensglas den
oft unberechenbar (liegenden Liquor aufzufangen, während der Punktierende
fich darauf befchränken muf», die Nadel zu halten und den Hahn bzw.
die Hähne zu bedienen. Diefes Gewirr von Händen und Köpfen auf
Abbildung 3
113
engem Raum bedingt gewöhnlich die Hauptfünde bei der Ausführung
der Punktion, die zugleich die Quelle aller Unannehmlichkeiten i|t; das
zu (chnelle Ablaffen bzw. Auffleigenlaffen im Steigrohr. Auch wird meiß,
felbfi zu therapeutifchen Zwecken, zuviel Liquor abgelaffen, teils aus
Unkenntnis, teils infolge unüberpchtlich unbequemer Bedienung der Hähne.«
Nach Quincke foll als Regel gelten, den Enddruck nicht tiefer zu
bringen als auf 60% des Anfangsdruckes, der zwifdten 120—150 mm
liegen dürfte. Der normale Druck wird von den Autoren fehr verfchieden
angegeben. Die in der Praxis oft geübte Methode, den Hirndruck ledig-
lich nach der Art des Abfluffes des Liquors in Parkern oder (chwachem
Strahl zu beurteilen, wird als grober Notbehelf verworfen. Das von
Krönig angewendete kapillare Steigrohr hat infolge feiner Kapillarwirkung
techniphe Nachteile.
Verfaffer fuchte die von ihm gefchilderten höchpwahrfcheinlich all-
gemein empfundenen Mängel durch eine NeukonPruktion zu befeitigen.
»Maßgebend war, vor allem ein handliches, im ganzen auskochbares
BePeck unter Vermeidung von Schlauchverbindung und feitlichen Ab-
zweigungen zu fchaffen, das den Arzt inPand fetzt, ohne Afppent allen
Anforderungen einer Lumbalpunktion gerecht zu werden. Die Löfung
der Aufgabe war möglich durch folche Anordnung weniger Bohrungen
nur eines Hahnes, dap die Auspupöffnung fowie der Steigrohranfatz in
das Hahnküken felbp verlegt wurden. Die einzelnen Verbindungen
werden durch exakte Markierungen auf der (cheibenartig erweiterten
Hahnkapfel angezeigt, fo dap ein ängpiiches Beobachten der AusPup-
öffnung zur Kontrolle der HahnPellung nicht mehr notwendig ip.
Durch die befondere OePaltung des Abpupzapfens läpt pch das
graduierte Reagensglas ohne Erfchütterung Pets fenkrecht anhängen.
Das Auffangen des Liquors gefchieht fomit felbptätig und ohne einen
Tropfen Verlup.
Das Steigrohr mit feinem Rekordfpritzenkonus wird in der Mitte
des Hahnes eingefetzt. Nachdem man vor der Punktion durch leichtes
Anziehen des Kugelgelenkes die erforderliche Reibung erzielt hat, läpt
pch dem Steigrohr, unabhängig von der meip (chief-fchrägen Lage der
Lumbalnadel, leicht die Neigung zur Senkrechten geben. Es bedarf nun
keinerlei Wartung mehr. Der Punktierende hat lediglich den Hahn zu
bedienen. — »Druckmeffen und (chnelles Entleeren des Steigrohres mit
langfamerem Abpiepen von Liquor zu erneuter Druckmeffung gefchieht
durch einfache Drehung des Hahnes, der nicht nur jeden Abpup fofort
abriegeln kann, (ondern auch ein fo feines EinPellen des Steigrohres
bzw. der Abpupgefchwindigkeit gepattet, dap von den gefchilderten
ungewollten Zufälligkeiten nicht mehr die Rede fein kann.«
Abbildung 4
Aus Abbildung 4 (ind die herjiellbaren Hahnverbindungen erpchtlich,
mit Ausnahme der graden Bohrung. Die in Schnitt 2 und 3 dargepellten
Verbindungen werden bei Hahnßellung »Abfluß« gleichzeitig hergepellt.
Die Bohrung des Hahnes, die Kanüle und Abflußöffnung verbindet,
dient nach entfprechender Drehung zur Verbindung der hinteren Mandrin-
öffnung mit dem Abfluß. Auf diefe Weife ip es möglich, eine an die
hintere Öffnung angefetzte Rekordfpritze durch Afpirieren von unten
wieder zu füllen ohne abzufetzen. Für die Zwecke der Encephalographie
läßt pdi auf diefe Weife durch entfprechende Hahnffellungen der kubik-
zentimeterweife abgelaffene Liquor mittels der Spritze durch Luft erfetzen
und die nötige Lup zur Nachfüllung der Spritze von unten wieder an-
faugen. ln derfelben Weife kann man die Spritze bei Injektionen (Serum,
Salvarfan, Lumbalanäffhepe) ohne Abfetzen mit Flüfpgkeit neu füllen.
Das vom Verfaffer in einjähriger Verwendung erprobte und voll
bewährte, von B. Braun, Melfungen, hergeffellte Beffeck kann auch zu
Punktionen bequem benutzt werden. Die in »Durch«-Stellung des Hahnes
mit dem Punktat gefüllte Spritze kann nach Umffellung des Hahnes auf
»Abfluß« in (auberffer Weife in das angehängte Auffanggefäß entleert
werden. Dazu kann die Kanüle abgefchraubt und durch eine pärkere
erfetzt werden; auch befondere Punktionskanülen ohne Mandrin können
Verwendung pnden.
115
Apparat zur Transfusion von Citratblut
Melfunger
Medizmifcfi-pharmazeutifche
Mitteilungen
aus Wiffenfchaft und Praxis.
Herausgegeben von der Firma B. Braun-Melfungen
JI Inh.: Apotheker Carl Braun. . •
< 1 Gegründet 1839. \!
;; Rofen-Apotheke / Fabrik pharmazeutifcher Präparate / Kafgut-Fabrik. I
Verantwortlicher Schriftleiter; Apotheker Kümmell, Melfungen. J|
Melfungen
Heft 47
1926
Origmaiarbeiten.
Aus dem Wilhelminenheim in Sindelfingen b. Stuttgart
(Leitender Arzt Dr. A. Gußmann).
Apparat zur Transfufion von Citratblut.
Von Dr. A. Oußmann.
Die Technik der Citratblutinfufion von fremdem und eigenem Blut
wird faß von jedem Autor verfchieden ausgeführt. Man bedient (ich
zum Teil der einfachen Rekordfpritze, der Trichter- oder Irrigatorinfufion,
und benutzt fchliefilich auch komplizierte Apparate, wie z. B. den von
Korbfeh. Der Nachteil diefer verfchiedenen Methoden liegt darin, daß
dabei zu viele flerile Hilfsgefäße bereit gehalten werden muffen, die die
Methoden komplizieren.
Unfer Befireben geht dahin, den Infufionsapparat möglich[i zu
vereinfachen und fo zu gehalten, daß die Sterilitäts- und Meß-Sicherheit
durch Wegfall von Behelfsgefäßen erhöht wird. Dies fcheint uns er-
reicht zu werden, wenn das Blutauffanggefäß zugleich als Applikations-
gefäß dient und in demfelben die zugefetzte Citrat-, Kochfalz- u(w. Löfung
aufgenommen und durch Graduierung des Gefäßes (icher gemeffen werden
kann. Damit aber auch die aufgefangene Blutmenge oder zu infundierende
116
Löfung reßlos appliziert wird, follte das Gefäß fo geßaltet werden, daß
es durch eine befondere Geftalt des üefäßbodens bis auf einen kleinen
Reff entleert wird. Wir haben deshalb einen Glaskolben anfertigen laffen
in der Form eines Erlenmeyerkolbens, deffen Boden konusartig nach der
Mitte und unten ausläuft. Der Kolben wurde zur bequemen und fichern
Sterilifierung aus Jenaer Glas angefertigt und graduiert. Dadurch iß es
möglich, die Menge der Citratlöfung, der Kochfalz-, Normofal- ufw. Löfung,
ferner aber auch die hinzugefügte Menge fremden oder eigenen Blutes
(icher abzulefen.
Das Citratblut wird durch Luftdruck aus dem Glaskolben gepreßt,
der durdi einen Gummißopfen verfchloffen iß, durch deffen Mitte
ein langes Steigrohr und daneben ein kurzes Luftrohr hindurchtreten.
Der Gummißopfen iß durch zwei am Metallfuß angebrachte Spangen vor
dem Abrutfchen geßchert. Das in der Mitte des Gummißopfens angeordnete
Steigrohr reicht bis zu dem tiefßen Punkt des konusförmigen Bodens
herunter. Durch diefe Anordnung wird erreicht, daß das Citratblut aus
dem Glasgefäß ohne Gefahr einer Luftanfaugung bis auf einen minimalen
Reff herausgeprefit werden kann. Die Luft wird durch ein gewöhnliches
Gebläfe nach Vorfchaltung eines flerilen Wattefilters durch das Luftrohr
in den Kolben gebla|en. Am Steigrohr ifi ein Gummifchlaudi angebracht,
in dem ein Glasröhrchen zwifchengefchaltet ifi. An diefem kann das
Abfließen des Blutes beobachtet werden. Am Ende diefes Gummirohres
ifi eine Metallolive mit Einfleck-Konus angebracht, der in jede Venen-
kanüle paßt. Das Gummirohr wird durch eine kleine Metallklemme ab-
geklemmt. Der graduierte Glaskolben fleht in einem (lerilifierbaren
Metallfuß.
Sämtliche Teile des Transfußonsapparates hält man (leril gebrauchs-
fertig aufbewahrt, daneben einige gute Venenkanülen, die kurz vor dem
Gebrauch in eine mit flerilem flüfßgen Paraffin gefüllte Schale gelegt werden.
Zur Transfußon fremden Blutes empfiehlt es fleh, geeignete Spender
rechtzeitig zu (ichern, die genau unterfucht und frei von akuten und
chronifchen Infektionskrankheiten fein müffen (Unterfuchung der Rachen-
mandeln, Waffermannfche Reaktion). Ferner mufj bei den Spendern die
Agglutinationsprobe ausgeführt und feine Gruppenzugehörigkeit rechtzeitig
feflgeflellt werden. Dazu eignet (ich am beflen das fehr einfache Ver-
fahren nach Mofi, Landfleiner und Hirfchfeld.
Unmittelbar vor der Transfufion fremden Blutes wird die Blut-
verträglichkeit zwifchen Empfänger und Spender nochmals feflgejlellt, was
durch das Verfahren nach Moß in wenigen Minuten ausgeführt werden
kann, indem man (ich zwei Teflferen vorrätig hält.
Nach Nürnberger ifl die tödliche Citrat-Dofis auf 65 kg Körper-
gewicht etwa 11—15 g. Eine 2,5%ige Natriumcitricumlöfung ifl nach
Klinger und Stierlin dem Blut ifotonifch. Unter 0,2°/0 (oll die endgültige
Konzentration des Citratblutgemifches nicht liegen. Unter Berückfichtigung
einer möglichfl ifotonifchen Zufammenfetzung empfiehlt es (ich, aufjeSOccm
Blut 20 ccm 2,5 °'o Natriumcitricumlöfung zu nehmen, alfoaufje 20 ccm
(leriles deputiertes Waffer 0,5 ccm Natrium citricum. Bei einer Trans-
fufton mehrerer 100 ccm Blut bleibt man alfo immer noch unter der Gefahr-
grenze zurück (z. B. 960 ccm Blut 4- 6 g Natrium citricum). Größere
Blutmengen kommen nur bei Erfatz für verlorengegangenes Blut in
Betracht, während man für den Erfatz krankhaft veränderten Blutes und
bei der Bluttransfufion als Reiztherapie entfprechend kleinere Mengen
braucht.
Ganz befonders ifl zu berückfichtigen, dap für die Citrat-
bluttransfufion (lets eine direkt vor dem Gebrauch frifch zu-
bereitete Natriumcitricumlöfung benutzt wird. Es i|l deshalb
zweckmäßig, das Natrium citricum in Mengen von 0,5 und 1,0, fowie
1,5 g abgewogen luftdicht vorrätig zu halten und die Löfung unmittelbar
vor dem Gebrauch vorzunehmen.
118
Die frifch hergeftellte fierile Natriumcitricumlöfung wird nun in
gewünfditer Menge in den von uns angegebenen graduierten Glaskolben
gebracht. Das Blut wird beim Spender am beflen durch Venenpunktion
mit der in flüffrgem, (terilen Paraffin bereitgehaltenen Venenkaniile
gewonnen, und man läjit es direkt in den gleichen Kolben einlaufen.
Das Mifchen des Blutes mit der Citratlöfung erfolgt durch Schütteln des
Gefäfes. Da die Blutelemente (chonend zu behandeln find, i(l ein Um-
rühren nicht erwünfdit.
Ähnlich geflaltet (ich das Verfahren bei der Retransfujion körper-
eigenen Blutes, mit dem Unterfchied, daf man das aus der Bauchhöhle
herausgefdiöpfte Blut durch einen mit (leriler Gaze ver(ehenen Trichter
filtriert und direkt in den von uns angegebenen Glaskolben, an dem
die Blutmenge und die Menge der Natriumcitricumlöfung abgelefen
werden kann, einlaufen läjit.
Der Glaskolben wird auf dem Metallfuf» in das auf 40 Grad er-
hitzte Wafferbad, dem man ein Desinfiziens beifügt, geteilt. Wegen des
Wafferauftriebes !(l der Fuji durch ein angebrachtes Metallgewicht befchwert.
Durch Bedienung des Gebläfes wird das Citratblut in das Steigrohr und
in das anfchliefsende Gummirohr getrieben, bis es aus der Metallolive
herausflieft. Das Gummirohr wird nun abgeklemmt. Dann wird beim
Empfänger in die Vene richtig eingeflochen und in die Kanüle der
Olivenkonus des abführenden Gummirohres eingefetzt, (Bei Jlark aus-
gebluteten Kranken wird die Vene freigelegt.) Langfame Öffnung der
Metallklemme führt nun das unter Druck flehende Citratblut der Vene
des Empfängers zu. Während der Infufion ifl die genaue Beobachtung
der Abflujjgefchwindigkeit und die Menge des infundierten Blutes an dem
graduierten Kolben ermöglicht. Durch die Einfchaltung eines Beobachtungs-
glasröhrchens in dem abführenden Gummirohr ift es möglich, das Blut
refllos bis zum Erfcheinen des Blutfäulenfchluffes zu kontrollieren und in
diefem Augenblick durch Verfchluf» der Klemme den Luftdruck abzufperren.
Alle Zubehörteile des Apparates können bequem und (icher (ierilifiert
werden. Sie werden zum Gebrauch fferil gehalten bis auf das Gebläfe,
das von einer Affiflenz bedient wird.
Aufer zur Citratblutinfufion kann diefer Apparat auch zu intravenöfen
Traubenzucker-, Kochfalz-, Normofal- ufw. Infufionen verwendet werden.
119
Das Steril-Katgut-Kuhn
Ein Jubiläum
Das Steril-Katgut-Kuhn.
Ein Jubiläum.
In diefen Tagen werden es 25 Jahre, daß die Gelatina ßerilifata
erfand.
Es wäre das an (Ich vielleicht nicht (o bemerkenswert, obwohl auch
die Verwendung der Gelatine zu Blutßillungszwecken im Frieden und
im Kriege ihre Triumpfe feierte, wenn die Gelatine nicht die Mutter
des Katguts in feiner jetzigen Gepalt und Herßellung wäre.
Fs wird vielleicht manchen Lefer interejßeren zu hören, wie das ge-
kommen i(J.
Zunächß wird er vielleicht den Kopf (chütteln, wenn er hört, daß
es kaum erß 25 Jahre her ßnd, daß man den Menjchen bei Gelegenheit
einer BlutfHllung oder bei einer Operation noch kaltblütig tierifche Stoffe
einverleibte, welche Träger von lebenden Tetanuskeimen waren. Man
wird zweifellos fragen, wie dies bei den Jehon damaligen Fortfehritten
auf dem Gebiete der Medizin und Chirurgie möglich gewefen i(J.
Und doch waren noch Jolche Lücken im klinifchen Ärzneifchatze
möglich. Die Wege der klinifchen Forjchung ßnd eben Verfehlungen,
und die Flintergründe der klinifchen Tatfachen ßnd oft dunkel und ver-
worren.
Es war im Sommer des Jahres 1901, als F. Kuhn, damals Leiter
des Elifabeth-Krankenhaufes in Gaffel, folgende Beobachtungen machte:
Ein Kollege hatte ihm einen achtjährigen Jungen in das Kranken-
haus eingeliefert, der nach einer Halsoperation eine (chwere Nachblutung
bekam und den behandelnden Arzt - infolge der Unßillbarkeit der
Blutung - in fehr große Verlegenheit brachte.
In (einer Not griff der Arzt zu der damals bereits in Aufnahme
gekommenen Behandlung mit Gelatine-Einfpritzung, und zwar fpritzte
er die Gelatine unter die Haut in das obere Bein des Kindes. Die
Blutung ßand, aber dafür erkrankte der Junge mit Fieber und fthweren
Allgemeinerfcheinungen, (odaß er eben dringend in das Krankenhaus
aufgenommen werden mußte, Dafelbß konnte es auf Grund der weiteren
Beobachtungen nicht zweifelhaft erjeheinen, daß die Zunahme der Er-
krankung des Kindes mit der erfolgten Gelatine-Einfpritzung in Zufammen-
hang ßand; denn die Stelle der Einfpritzung war ßark angefchwollen,
verfärbte ßch mehr und mehr und ging auch noch andere Veränderungen
ein. Gleichzeitig zeigten ßch bei dem Jungen beginnende Erjcheinungen
von Wundßarrkrampf: Zuerß die bekannten Kieferkrämpfe und fpäter
auch die Steißgkeiten der Nacken- und Rückenmuskulatur. Zur depni-
tiven Aufklärung des Sachverhaltes griff Kuhn natürlich zum Tierexperiment.
Es mußte bewiefen werden, daß der Wundßarrkrampf an der eingefpritzten
Stelle vorhanden war. Es wurden daher 4 Kaninchen aus den Gewebe-
1926
120
teilen der Einfpritzungsflellen geimpft, in der Form, daß kleinere Stückchen
aus dem Gewebe der fchwer erkrankten Hautflelle des Kindes den Ka-
ninchen unter die Haut gebracht wurden. Diefe erkrankten dann am
vierten bis fünften Tage in der charakteriflifchen Weife mit Kieferkrämpfen,
Steifigkeiten der Rückenmuskulatur und der Muskulatur der Beine, und
zwar erkrankten die Tiere entfprechend der Menge des eingeimpften
Materials in verfchieden (chwerer Weife: Die Tiere, welche mehr
Gewebe bekommen hatten, gingen an Wundflarrkrampf zu Grunde, die
f ch wach er Geimpften überftanden die Erkrankung. Nach dem Ausfall
diefer Verfuche war es abfolut erwiefen, daß die Gelatine, welche
dem Jungen eingefpritzt wurde, der Träger des Wundflarrkrampfes
gewefen war.
Bei diefer kritifchen Beurteilung der Vorkommniffe begleitete K.
noch eine Beobachtung, die ihm aus feinen Jugendjahren im Gedächtnis
auftauchte;
Kuhn hatte in feiner Vaterfladt Afchaffenburg gefehen, daß die an
Wundfiarrkrampf gefallenen Pferde der Wafenmeiflerei dortfelbfl über-
liefert wurden. Während nun in diefem Betriebe die Weichteile der
Tiere verfcharrt wurden, wurden die Knochen und gewiffe leimgebende
Gewebe zur Leimbereitung der Leimfabrik der Afchaffenburger Papier-
fabriken übergeben. Aus der Leimfabrik ging der Leim teils zu Zwecken
der Papierbereitung weg, teils ging er für andere Verwendungszwecke
in die Welt. Unter anderem wurde aus folchem Leim, wieder an anderer
Stelle, Gelatine gemacht, die weiter in den Handel ging. Da es nun
K. bekannt war, daß ein Leim, wenn er feine Klebefähigkeit nicht ver-
lieren will, nicht auf 100 0 erhitzt werden darf, war es ihm ziemlich
wahrfcheinlich, daß bei dem Kochen des Leimes gewiffe Keime und vor
allem die widerflandsfähigen Sporen folcher Keime nicht abgetötet wurden,
und fo erfchien es ihm fehr wahrfcheinlich, daß die von den tetanus-
kranken Tieren flammenden Tetanuskeime, welche bekanntlich nach den
Unterfuchungen von Kitafato 108-120° Temperatur vertragen (l/>> Stunde
lang) noch lebensfähig in die Gelatine des Handels wandern.
Kuhn publizierte feine Beobachtungen in der Münchener Medizinifchen
Wochenfchrift No. 48, Jahrgang 1901 und befchrieb eingehend den
beobachteten Fall. Nach weiteren klinifchen und experimentellen Beob-
achtungen :
Kuhn: Tetanus nach Gelatine-Injektionen
(Therapeutifche Monatshefte 1902, Juni)
Krug: Tetanus nach Gelatine-Injektionen
(Therapeutifche Monatshefte 1902)
wozu auch noch die Mitteilung aus dem hygienifchen Inflitut der Uni-
verfltät Straßburg kam, nach welcher fafl in jedem zweiten Blättchen der
käuflichen Gelatine Tetanus (ich befindet, flellte K. die Forderung auf,
121
daf) die (lerile Gelatine für die Verwendung zu Injektionen am Menfdien,
vom gefunden Schlachttier frifch und (teril gewonnen und auf einwand-
freiem Wege in die Klinik geleitet werden müfite.
Auf feine Veranlaffung griff die chemifche Fabrik Merck in Darm-
fladt die Fabrikation der Gelatina (ierilifata auf und lieferte nach Kuhns
Vorfchriften diefelbe frifch aus dem Schlachthaus zu Darmfladt in die Klinik.
In weiteren klinifchen Arbeiten (Kuhn: Gelatina (Ierilifata, Thera-
peutifche Monatshefte 1907, April; Kuhn und Röfiler: Tetanus und
Katgut, Deutfdie klin.-therapeut. Wochenhefte Nr. 46 und 47, 1906) lieferte
K. dann noch weitere Beiträge zu diefer Frage.
Diefe Gelatina (Ierilifata wurde die Mutter des modernen Steril-
Katgut. Diefes war bei feiner fonftigen tierifchen, chemifchen, phyfikalifchen
und kolloidchemifchen Verwandtfchaft gleidifam die logifche Konfequenz
der Gelatine. Um dies ganz zu verflehen, (ei mit einem Wort an die
Herftellung des Katguts erinnert,
Unfer chirurgifches Katgut ifl in letzter Linie nichts anderes wie
eine Violinfaite.
Diefe Violinfaite ifl ein ziemlich kompliziertes Gebilde. Sie wird
als Produkt einer Kleininduflrie, häufig fogar einer Hausinduflrie, die von
früheren Zeiten her (Ich ähnlich wie die Weberei, in ärmere Gebirgs-
gegenden geflüchtet hat (wie hier z. B. in das fächfifche Erzgebirge), von
kleinen Leuten erzeugt. Ihr Ausgangsmaterial ifl der Dünndarm von
Schafen und Ziegen, derfelbe Darm, der unferer Wurflfabrikation (Hefter-
würfle, Knoblinchen, Frankfurter Würfle) als Umhüllung dient. Ein folcher
Darm wird nach gewiffen Vorbereitungen (einer ganzen Länge nach in
zwei Hälften fpalten. Diefe zwei Hälften, von denen man eine rechte
und eine linke unterfcheidet, heilen »Saitlinge«, Diefe Saitlinge nun
(das find alfo Darmflreifen von eins, zwei bis drei Querfingerbreite),
dienen als Aufbaumaterial für die Violinfaiten, wie auch für unfer Katgut.
Ein oder zwei oder mehr Saitlinge gedreht oder zufammengedreht, geben
die vermiedenen Nummern der Saiten und des Nahtmaterials.
Es kann nicht überrafchen, daf) K. nach den oben gefchilderten
Beobachtungen, die er an der Gelatine gemacht hatte, feine lebhafte
Aufmerkfamkeit nach diefer Richtung auch dem Katgut-Faden zuwandte.
Es war nach feinen Beobachtungen doch (ehr wahrscheinlich, daf) ebenfo
wie bei der Gelatine, auch beim Katgut (chwer abtötbare Keime in dem
Rohfaden blieben und trotz angeblicher Bearbeitung in die Wunde kamen.
Am meiflen beffärkte ihn in diefer Auffaffung gerade auch die
Beobachtung über Tetanus nach Operationen, zu denen ein Fall in Bologna,
(vergl.; Kuhn: Steril-Rohkatgut, Münchener Medizinifche Wochenfchrift
Nr. 50, Jahrgang 1907) und ein Fall aus der Frauenklinik in Erlangen,
(vergl.; Kuhn; Die pofloperativen Tetanusfälle von Zacharias - Fälle von
Tetanus, Münchener Medizinifche Wochenfchrift Nr. 12, Jahrgang 1908)
klaffifche Beifpiele waren.
K. machte Reifen in die Orte der Katgut-Fabrikation im Sächf. Erz-
gebirge und (ludierte die Herjlellung des chirurgifchen Katguts an der Quelle.
Gleichzeitig verfolgte K. ftatiflifch die Tetanusfrage, foweit fie mit
dem Tetanus Beziehung haben konnte und (teilte durch eine große Um-
frage bei den Chirurgen Deutfchlands feft, daß eine ganze Anzahl vor-
gekommener Fälle von Wundjlarrkrampf zweifellos auf eingenähtes Katgut
zurückzuführen waren. Diefe Zufammenftellungen vervollfländigte er dann
durch eine StatifHk aus der Literatur und konnte dann am Ende des
Jahres mit Dr. Rößler zufammen in der Klinifch-therapeutifchen Wochen-
fchrift über eine große Anzahl von Fällen berichten. Natürlich zog er
andererfeits die praktischen Konfequenzen aus (einen Beobachtungen und
kam zu folgendem Refultate:
Sollte es in diefen Dingen hinfichtlich des Tetanus beffer werden,
fo waren ganz befondere Maßnahmen zu ergreifen; da aber der Tetanus-
keim nur gleichfam ein typifches Tefi objekt war und in dem Material,
wo er vorkam, naturgemäß auch andere widerftandsfähige Keime (ein
mußten, (o waren auch für die Vernichtung diefer Keime ganz befondere
Maßnahmen zu treffen, wenn man ein brauchbares chirurgifches Katgut
gewinnen wollte.
Die damaligen Verhältniffe in der Klinik lagen anders. Die Ärzte-
fchaft des beginnenden 20. Jahrhunderts hatte fleh über die Fabrikation
des Katguls noch nicht entfernt Rechenfchaft gegeben. Gewiß hatte man
(ich alle erdenkliche Mühe gegeben, die Oberfläche einer fertigen Violin-
faite auf das forgfältigfle zu (lerilifieren und hatte auch verfucht, nach
Möglichkeit von der Oberfläche aus desinfizierend in das Innere des
Fadens vorzudringen. Man hatte Hunderte von Methoden verfucht, um
an den fertigen gedrehten Faden heranzukommen.
Aber nachdem diefer Faden nicht auskochbar iß, weil er (ich dann
auflöfl und auch alle anderen Hitzeverfahren infolge der Schädigung der
Haltbarkeit und Fefligkeit des Fadens mehr oder minder unbrauchbar
find, war man auf chemifche Methoden verfallen. Diefe verfagten aber
angeßchfs des forgfältig in das Innere des Fadens eingewickelten Schmutzes.
Denn man muß (ich vorflellen, daß ein chirurgifcher Faden Katgut III
immerhin aus drei halben Pellen einer Frankfurter Wurf! mit einer
Flächenbreite von drei bis vier Querfingern befiehl.
Es hatte eben niemand daran gedacht, an den unge-
drehten Rohfaitling mit zweckmäßigen Desinfektionsmitteln
heranzugehen.
Dies aber war nun die Idee von K. Er (Teilte zum erflen Male
laut und gebieterifch die Forderung auf, daß alle Maßnahmen, die zur
Herflellung eines afeptifchen Katguts dienen feilten, an dem unge-
Ein Heißluftball für Injektionskanülen
drehten Faden und zwar (dion im Beginne der Bearbeitung
des Fadens - mindeßens alfo in der Katgut-Fabrik anfangen
und einwandfrei durchgeführt werden muffen.
Gleichzeitig zeigte er in umfaffenden Arbeiten die Ge-
räte und Apparate und die Mittel und Wege dazu. (Chirurgen-
Kongreß Berlin 1907; Verfammlung deutfdier Naturforfcher und Ärzte
zu Dresden 1907.)
Diefes Vorgehen bedeutet eine Reformation auf dem Gebiete des
Katgut-Wefens; denn es iß klar, daß die endgültige Keimfreiheit eines
Katgutfadens nur von der zuverläfßgen Reinheit und deßnitiven Keim-
freiheit der einzelnen Saitlinge abhängig iß, und man kann begreifen,
welch eine Fülle von Schmutz ßch bei mangelnder Aufmerkfamkeit in
den Faden hineindrehen läßt, und man begreift auch, wie ein folcher
Schmutz in dem Innern des Fadens außerordentlich gut gefchützt und
konferviert wird und auch für eine etwaige Desinfektion nicht er-
reichbar iß. Iß ein folcher Schmutz für eine Violinfaite des Mußkanten
gleichgültig, fo wird er aber zu der verhängnisvollßen Gefahr beim Ver-
wenden einer folchen Saite im Innern eines Körpers, wofelbß er
fich auflöß und alle verborgen gewefenen Keime freigibt. Am
verhängnisvollßen muß natürlich ein folcher Schmutz werden, wenn der
Faden auch noch in der Tiefe des Körpers feßgenäht wird.
Ein Heißluftball für Injektionskanülen.
Schon in unferen Ratfehlägen für den Operationsfaal
hatten wir (S. 29) ausgeführt, daß zur Verhütung des
Einroßens der Injektionskanülen eine Gebläfevorrichtung
zum Trockenblafen der Kanülen erforderlich fei.
Improvifationen haben meißens keine lange Lebens-
dauer, weil durch das Anfaugen der heißen Luft ein
gewöhnlicher Gummiball mit Anfatzjpitze fehr bald brüchig
und unbrauchbar wird.
Eine außerordentlich nützliche Verbefferung liegt
deshalb vor in dem neuerdings in den Handel gebrachten
Heißluftball (f. Abbildung), bei dem ein mit Asbeß und
Fiber ifolierter Hohlkörper über einer Flamme erwärmt
wird. Die hindurchgetriebene Luft wird dadurch fo ßark
erhitzt, daß den durchblafenen Kanülen eine Temperatur
beigebracht wird, die kaum noch ihr Anfaffen mit den
Fingern erlaubt.
In den Gummiball felber tritt heiße Luft überhaupt nicht ein, fodaß
der Gummi nicht leiden kann. Der Heißluftball iß mit dem Rekord-
konus ausgeßattet. Aufßecken entfprechender Zwißhenßücke macht ihn
auch für andere Anfätze verwendbar.
1926
124
Über die Verwendung
von tierischen Faszienfäden
1927
Georg Wolfsohn:
»Uber die Verwendung von tierifchen Faszienfäden«.
(Archiv für klin. Chirurgie. Band 147, Heft 3 S. 479.)
Nadi dem Vorgang der Lexer'fchen Sdiule wird die freie Gewebs-
plaflik fafi ausfchliefilich als Äutctransplantation geübt. Gelegentlich
wird zur Homoioplaflik gegriffen. Die Heteroplaftik ift fo gut wie ver-
fchwunden. Im Gegenfatz zu diefen für Haut, Muskel, Knochen, Fett
gültigen Grundfätzen nehmen Sehnen und Faszien eine etwas gefonderte
Stellung ein.
Heteroplaflifcher Erfatz verlorengegangener Sehnen ift immer wieder
verfucht und auch gelungen. Kirfdmer’s Faszientransplantationen gaben
Veranlaffung, daf) mehrfach die Autoren den heteroplaflifchen Erfatz diefes
Gewebes verfuchten, mehr experimentell als praktifch, weil Faszie im
Körper hinreichend zur Verfügung fleht. Audi in diefen Blättern wieder-
holt erwähnt ifl die Methode von Schubert, mit den von der Firma
B. Braun-Melfungen präparierten Rinderperikard-Streifen gynäkologifche
Prolapsoperationen mit beflem Erfolg auszuführen.
Verfaffer hat dies ganze Gebiet nun betrachtet von der Frage-
flellung der »lebenden« Nähte und Ligaturen aus. Er führt aus, daji («hon
die Verwendung von Katgut hierher gehört, und daf> dies tierifche Ge-
websmaterial Gewebsreaktionen hervorbringen muf, die in das Gebiet
der anaphylaktifchen Entzündung hinüberfpielen. Vom Katgut unterfcheidet
fleh der Faszienfaden dadurch, dafs er erheblich (Hiwerer reforbierbar, aber
ohne befondere Sterilifationsverfahren unbedingt keimfrei fei. Verfaffer
kam auf die Faszienfäden, weil (ich bei der Sufpenfion (chwerer Hänge-
brüfle felbfl dickes und (chwer reforbierbares Katgut als nicht wider-
flandsfähig genug erwiefen hatte.
Vor der Verwendung beim Menfchen wurde nun eine größere Zahl
von Tierexperimenten ausgeführt mit Faszienflreifen, die von Menjch, Hund,
Kaninchen und Rind entnommen, in l°/oigem Formalinfpiritus konferviert
und nach einer Woche bis nach 21 Monaten unterfucht wurden.
Selbfl nach 21 Monaten war der Faszienfaden bei diefer Konfer-
vierung außerhalb des Körpers noch ein guterhaltenes, derbes zugkräf-
tiges Band, das mikrofkopi(ch feine Struktur mit voller Deutlichkeit er-
kennen liefe
Die Einheilung frifch entnommener Faszienflreifen anderer Tiere
gelang nicht bei allen Tieren gleich, am beflen beim Hund, am wenigflen
gut beim Meerfchweinchen. Wo die Einheilung erfolgte, war die Faszie
noch nach Monaten gut erkennbar und auch im mikrofkopifchen Bilde
gut erhalten.
Danach wurden konfervierte heteroplaflifche Faszien in 2—3 mm
Stärke implantiert, die teils in Kochfalzlöfung, teils in l'V'riger alkoholi-
125
(eher Formalinlöfung konferviert waren. Die Nachunterfuchungen nach
verfchieden langen Zeiten (bis 8 Wochen) ergaben, dafs die heteroplafli-
fche Verwendung von Faszienfäden durchaus möglich ift. Dabei fetzte
— wie a priori zu erwarten — gehärtetes Material der Reforption weit
(iärkeren Widerfiand entgegen als frifches.
Befonders bedeutungsvoll aber war die Feftflellung, dafs es in der
großen Mehrzahl der Fälle gelingt, heteroplafhfches Faszienmaterial, zu
Fäden verarbeitet, in den artfremden Tierkörper zu verfenken, ohne
wefentliche Reizerfcheinungen dafelbfl hervorzurufen. Die Reforption geht
hierbei fehr langfam vor (ich unter ZurOddaffung einer feften Narbe.
Nach den günftigen Ergebniffen im Tierverfuch hat Verfaffer dann
auch bei menfchlichen Operationen konfervierte Faszienfäden angewendet
und zwar bei Urininkontinenz, Mafidarmprolaps (zwei Fälle), bei Luxatio
sterno-clavicularis und bei einer nach Flolländer operierten hochgradigen
hypertrophifchen Hängebrufi. Die Faszienfäden machten keine Störungen
bei der Wundheilung. Sie find überall da zu empfehlen, wo es darauf
ankommt, fehr zugkräftiges Nahtmaterial für längere Zeit zu verfenken.
Wo dagegen Verwachfungen mit der Umgebung zu vermeiden find
(z. B. Sehnenerfatz), wird man lieber nach wie vor (ich der Autoplafhk
bedienen.
Nach Angaben des Verfaffers präparierte Faszienfäden werden
von der Firma B. Braun, Melfungen, gebrauchsfertig in Ampullen in
den Flandel gebracht, B.
126
Gefäßchirurgie
- W»*V»W»V >
Melfunger
Medizinifdi-pharmazeutifche
Mitteilungen
aus Wiffenfchaft und Praxis
Herausgegeben von der Firma B. Braun-Melfungen
Inh.: Apotheker Carl Braun
Gegründet 1839
Fabrik pharmazeutifdier Präparate / Katgut-Fabrik
Heft 55
Melfungen
1<?28
Origmalarbeiten.
Gefäßchirurgie.
Von Prof. Dr. H. F. O. Haberland, Köln.
Der Weltkrieg mit feinen relativ häufigen Blutgefäpverletzungen
hat gelehrt, daf) jeder Chirurg die Technik der Gefäfmaht beherrschen
muf. Auch die Friedenschirurgie pellt oft bei eingreifenden Operationen
bzw. unvorhergefehenen Fällen dieje Forderung,
Heute zählt eine Gefäfmaht nicht mehr zu den Ruhmestaten eines
Chirurgen oder Experimentators wie vor etwa I/O Jahren, als Hallovel
zum erpen Male am 15. Juni 1759 eine feitliche Sutur an einer ver-
letzten Art. brachialis mit Erfolg ausführte. Desgleichen macht es jetzt
kein Auffehen mehr wie damals, als 1/62 Lambert an Pferden eben-
falls durch Naht künplidi verletzte Arterien feitlidi fchliefit.
Es ip nicht unintereffant, zu wiffen, was 1833 Genfoul, fpäter
Ollier (1857), Blafius (1871), Nie aise (1872) u. a. über experimentelle
Venennähte bei gropen Verfuchstieren berichteten. Die Ergebniffe waren
jedoch fo ungünpig, dap erp Czerny (1881) es wagte, die verletzte
Vene jugularis communis beim Menfchen feitlidi durch Sutur zu ver-
fchliepen. Jedoch blieb der Erfolg aus infolge heftiger Nachblutung.
127
Bald darauf, 1882, glückte es zum erften Male Schede, mit Erhaltung
der Blutpaffage die Vene femoralis feitlich zu nähen.
Nachdem an den Blutadern das Verfahren praktifch erprobt war,
prüften Th. Gluck (1883), Roftempski (1886) und v. Horoch (1887)
die Möglichkeiten der feitlidien Nahtverphlüffe der Arterien. 1889 ge-
lang es Jaffinowski, diefes Problem zu löfen, indem er durdi Adven-
titia und Intima die Naht legte, wodurch die Flächen der Intima (ich
aneinanderpreffen und rafch verkleben. Die erfle erfolgreiche feitliche
Arteriennaht beim Menfchen machte der Franzofe Durante 1892.
Wefentlich höhere techniphe Anforderungen werden an die zirku-
lären Gefäßnähte gejiellt. Die Verfudie darüber gehen auf V. Hirfch
(1881) zurück. Im Jahre 1888 vereinigte C. v. Horoch zum erjien
Male die Vene jugularis eines Hundes mit Erhaltung der Blutpaffage.
1899 durfte (ich H, Kümmell rühmen, beim Menfchen die erfie erfolg-
reiche zirkuläre Sutur an der Vene femoralis ausgeführt zu haben.
2 Jahre vorher konnte Murphy mit der Invaginationsmethode zirkulär
die Kontinuität der Arteria femoralis wiederherpellen, 1898 vereinigte
Camaggio die durch einen Mefferftich verletzten Art. und Ven? femo-
ralis bei einem Manne erfolgreich zirkulär nach vorheriger Refektion der
zerfetzten Verletzungspelle.
Langfam, aber zielbewußt nahm der Ausbau der Gefäßchirurgie
im Anfänge diefes Jahrhunderts zu. 1910 fchätzte R. Stich die bis
dahin publizierten festlichen erfolgreichen Arteriennähte am Menfchen
auf mehr als 100 und 46 zirkuläre Arterien- bzw. Venennähte.
über diefe kleinen Zahlen lächeln wir heute mitleidig, da kaum
noch ein Chirurg es für der Mühe wert hält, über feine eigenen Fälle
in der Literatur zu berichten.
Bei objektiver Beurteilung haben (ich aber noch längft nicht alle
Chirurgen die pchere Technik der Gefäßchirurgie angeeignet. In vielen
Fällen war das (o notwendige Inprumentarium dazu nicht zur Stelle,
um eine richtige Gefäßnaht ausführen zu können. Hauptfächlich (cheitert
es meiß an den fehlenden Gefäßnadeln und der feinen Gefäßfeide.
Auch geßattet der Zeitaufwand für das Einfädeln der feinen Gefäßfeide
in die feinen Öhre der Gefäßnadeln während einer Operation meip
nicht, eine dringende Gefäßnaht ex tempore (ofort auszuführen, (o daß
mit Rückpcht zunächfl auf das Leben des Patienten (chwere lokale
Schädigungen in Kauf genommen werden müffen.
Auf meine Veranlaffung (Teilt jetzt die Firma B. Braun in Mel-
fungen gebrauchsfertige Ampullen mit Gefäßfeide, die in die Gefäßnadel
bereits eingefädelt ift, her. Zu ihrer Erläuterung und der Technik der
Gefäßnaht feien einige Ausführungen geflattet.
Th. Gluck, fpäter Jeger, Jofeph u. a. fchlugen vor, feitliche Gefäß-
wunden durch kleine Klemmen, welche nie wieder abgenommen werden, zu ver-
(chließen. Diefes Vorgehen iff verladen worden. Das gleiche gilt für die Ver-
fahren, feitlidie Oefäßwunden durch Zinkpfaper und ähnliches nach O. E. Brewer
zu verfchließen oder die zirkuläre Vereinigung der Gefäßftümpfe mit Prothefen
(z. B. aus reforbierbarem Magnefium nach Payr, ufw.) auszuführen.
Nur die Nahttechnik hat ihre volle Berechtigung erwiefen. Welche
Mittel zu deren Erleichterung man wählte, wie beifpielsweife bei der
zirkulären Naht, die Verwendung der Eisberg’fchen Kanäle oder die
Jeger’fchen Klemmen, die Spannvorrichtungen nach Jeger, Grath,
mir u. a., bleibt dem individuellen Belieben eines Chirurgen Vorbehalten.
Für die Unterbrechung des Blutftromes während der Naht ver-
dient an den Extremitäten die Blutleere nach Esmarch und ihre zahl-
reichen Modifikationen den Vorzug. Falls ihre Anwendung nicht in
Frage kommt, fo drücken je 2 Finger den zentralen und peripheren
Gefäßanteil behutfam zufammen. Dies erachte ich als die befie und
(chonendfte Gefäßkompreffion, welche aber eine Affiftenz voll befchäftigt.
Eine andere (chonende Methode ift die vorfichtige Abdroffelung der Ge-
fäßftümpfe durch einen dicken Seidenfaden. Nach dem Zudrehen der
zwei Fadenenden fickert kein Blut mehr aus den Gefäßftümpfen oder
den Oefäfidefekten heraus. Eine Arterienklemme verhindert das Auf-
drehen der Fadenenden. Durch diefes Vorgehen wird zur Blutfiillung
das Operationsfeld nicht eingeengt und bei der Naht fallen (tötende
Behelfsinfirumente fort.
Falls das Wundgebiet genügend Raum für elaftifche Gefäfiklemmen
geflattet, fo legt man (olche recht fchonend an die Gefäßftümpfe. Die
Branchen diefer Klemmen find mit einem feinen Stück Gummifchlauch
überzogen. Darüber ift beiderfeits noch ein dünner Oazeftreifen genäht,
um das Herausfchlüpfen der Gefäßftümpfe aus den Klemmen zu vermeiden.
Die Gefäfjfiümpfe follen möglichft weit aus der Klemme heraus-
ragen, mindefiens 1-1 ’ c cm, um die Naht zu erleichtern. Damit die
Gefäfjfiümpfe genau gegeneinander fixiert bleiben, was die Naht wefent-
lich unterfiützt, (o kann ich an meine elaftifchen Gefäfjklemmen noch
zwei (chnell anfchraubbare Metallbänder anbringen, wodurch die Gefäß-
klemmen in genauer Lage verharren. Ein Verbindungsfiück aus Metall
genügt nicht. Die Benutzung diefer Metallbänder macht eine Affifienz
zum Halten der zwei Gefäfjklemmen überflüffig.
Zur Naht kommt feinfte gezwirnte Seide, 0000, getränkt in
Paraffinöl, in Anwendung. Die jeweiligen Verhältniffe geben die Ent-
fcheidung, ob der Operateur die Gefäfjnadel nach Payr, Stich oder mir
verwendet. Die Nadeln müffen fehr gut poliert und glatt (ein, um
ohne zu reißen glatt durch die Gefäßwand zu gehen.
Als Nadelhalter dient eine (chmale Pinzette, welche eine Längs-
riffelung aufweift, oder der fpezielle elaftifche Nadelhalter nach Stich.
Audi der feine Nadelhalter nach den Angaben Herfords bewährt (ich
(ehr gut.
Die fortlaufende Naht erfüllt die Forderung des „wafferdichten"
Verfchluffes noch am meipen. Die Naht (orgt vor allem für die gute
Adaption der Intimaflächen. An Sicherheit übertrifft die Knopfnaht die
beiden genannten Nahtmethoden. Bei (lärkerer Spannung ip letztere
pets vorzuziehen- Denn reifst einmal die fortlaufende Naht an nur einer
Stelle ein, fo ip die gefamte Naht in Gefahr.
Die Nadel durchpicht die ganze Gefäßwand mit ihren Gefäfsphichten;
Adventia, Media, Intima-Intima, Media, Adventitia. Stets muß Intima an
Intima liegen, um eine Thrombofenbildung zu verhindern. Jeder Stich
darf nur einmal geführt werden; andernfalls träte ein „Zerpochern" der
Gefäßwand ein und an der angepochenen Intima bildete pch fchnell
Thrombofe. Die Stiche dürfen auch nicht zu eng aneinander liegen,
weil fonß das dazwiphenliegende Gewebe der Gefäßwand eine Er-
nährungspörung erlitte. Ebenfo gilt es als Kunpfehler, wenn der Chirurg
mit der feinen Pinzette die Gefäßwand tiefer faßt, als die Naht liegt.
Denn beim Zutieffaffen mit der Pinzette erfährt die Intima an der be-
treffenden Stelle eine Schädigung und es entpeht leicht dort der Anfang
einer Thrombofe. Jeder Operateur follte zunächp mehrmals die
zirkuläre Naht der Vena jugularis comm. und dann die der
Arteria carotis commun, am Hunde (Pernoktan-Narkofe) üben, um
die Technik zu erlernen.
Die zirkuläre Naht wird nach den Angaben Garrel’s und Stich’s
ausgeführt. Beim Anlegen der 3 Haltefäden ip darauf zu achten, daß
der 1. Haltefaden am unterpen Punkte der beiden Gefäßpümpfe zu
liegen kommt, alfo von oben gefehen in der Mitte der Rückwand beider
Gefäße. Diefer wichtige Kunßgriff erleichtert außerordentlich die fpätere
Naht. Denn beim Anfpannen der drei Haltefäden entßeht ein Dreieck,
deffen zwei Kanten feitlich, und die dritte Kante oben liegt. Läge da-
gegen eine Kante unten, fo erfchwert diefes die Naht beträchtlich.
Von den Haltefäden wird jedesmal das eine Fadenende zur fort-
laufenden Naht benutzt. Wenn die Naht der betreffenden Kante be-
endet ip, wird der Faden mit dem einen Fadenende des nächpen Halte-
fadens verknüpft. Zuerp erfolgt die Naht der beiden (eitlichen Kanten.
Bei Knopf- oder U-Nähten geht man in derfelben Reihenfolge vor.
Ehe der letzte Faden zugezogen und geknüpft ip, wird der
proviforiphe, temporäre Gefäßverphluß am zentralen Gefäßanteile ge-
lockert, damit das Blut einflrömen und den neugefchaffenen Gefäß-
hohlraum ausfüllen kann (Luftaustreibung!). Sodann gefchieht die Lockerung
des Gefäßverphluffes am peripheren Gefäßanteile und nun erp die (chnelle
Beendigung der Naht. Danach kommt für lh-\ Minute ein Tupfer auf
die Nahtpelle. Die Haltefäden bleiben vorläupg noch lang. Jetzt erft
Die Technik der Bluttransfusion
1928
werden langfam die Gefäßklemmen gleichmäßig geöffnet und abgenommen.
Sickert nach einer Minute Liegenlaffen des Tupfers noch Blut aus einer
Stelle, fo verfchließt man diefe Öffnung unter erneutem Anfpannen der
beiderfeits liegenden Haltefäden mit einer Knopfnaht. Nach vollßändiger
Blutflillung erfolgt die Wegnahme des Tupfers und das Abfchneiden der
Haltefäden.
Sicherungen der Nahtßelle mit Fett, Fascie ufw. find überflüffig und
fogar zu widerraten, weil dadurch fpäter zu viel Narbengewebe ent-
geht und die Durchgängigkeit des Gefäßes für fpäter gefährdet wird.
Wenn durch die Naht eine Verengung des Gefäßes droht, fo treten
vor der Naht die gefäßerweiternden Schnitte in ihre Rechte. Eine Ab-
fchrägung der Gefäßßümpfe oder ein kleiner longitudinaler Einfchnitt
genügt in den meiflen Fällen.
Die Technik der Bluttransfufion.
Von A. Tz an de.
I. Die Dofierungsfrage bei der Bluttransfufion.
Die Bluttransfufion wird heute in der praktifchen Medizin, der
Chirurgie und Gynäkologie allgemein angewandt und leißet unfehätzbare
Dienße.
In letzter Zeit iß es möglich, die Bluttransfufion im Gegenfatz zu
früher fehr leicht und ohne irgendwelche Gefahr vorzunehmen.
Der Fortfchritt kommt daher, daß man Kenntnis von den möglichen
Unfällen und von den Mitteln, diefe zu vermeiden, erlangt hat, außer-
dem durch die Erfindung, welche es möglich macht, bei der Transfufion
antikoagulierende Mittel in Anwendung zu bringen und nicht zuletzt
durch die inzwifchen erfundenen Spezialinflrumente, welche es ermöglichen,
die Transfußon von reinem und lebendem Blut direkt vorzunehmen.
In der Praxis befieht ein fehr tiefer Gegenfatz über die Blutmengen
bei jeder Transfußon. Verfchiedene Veröffentlichungen, hauptfächlich die
amerikanifchen, betrachten eine Menge weniger als 500 g als abfolut
ungenügend. Bei anderen Veröffentlichungen jedoch ließ man wieder,
daß im Gegenteil felbß bereits 50 g eine ausreichende Menge darßeilen.
Diefe Meinungsverfchiedenheiten beruhen auf einem Mißverßändnis, In
Wahrheit reagiert hier die Bluttransfufion auf zwei ganz verfchiedene
Indikationen,
Im Falle eines fchweren Blutverlußes handelt es (ich darum, die
wirklich verlorene Menge Blut allerfchnellßens wieder zu erfetzen. In
diefem Falle fpielt die Menge die Hauptrolle.
In allen anderen Fällen, wo man die Bluttransfußon anwendet,
zum Beifpiel bei Blutarmut, bei Koagulierungserfcheinungen, Infektionen.
Schlaganfällen ufw. muß hauptfächlich auf die biologifchen Eigenfchaften
131
des Blutes Gewicht gelegt werden. In diefen Fällen find kleine nach
kurzen Abhanden wiederholte Mengen Blut ausreichend und auch vor-
zuziehen. Betrachten wir nun die Unterfchiede zwifchen diefen beiden
Kategorien;
1. Bei ganz großen Blutungen tut äußerße Eile not, um eine
Blutmenge, welche der verlorenen gleichkommt, fchnellftens zu injizieren;
was nützen z. B. 100 oder 200 g Blut, falls der wirkliche Blutverluft
mehr als zwei Liter beträgt?
Um eine folche Transfufion in großen Mengen vorzunehmen, muß
man auf mehrere Spender zurückgreifen, muji ferner allen Schwierigkeiten
eines möglichen Arterien- oder Venen-Kollapfes begegnen und fich eines
Spezialinßrumentes zur Bluttransfußon bedienen (Apparate nach Jube
oder Tzanck). Es iß dann auch möglich, bei folchen Mengen ohne anti-
koagulierende Mittel zu arbeiten, da diefe bei folch großen Blutmengen
felbft gefährlich werden könnten.
Die Methode von Beth-Vincent, um die Blutgruppe der verfchiedenen
Spender genau feßzußellen, ifi abfolut genügend und in einigen Augen-
blicken ausführbar.
Diefe Bluttransfufion in großen Mengen, welche meifiens fehr fdmell
angewandt werden muß, bedingt natürlich eine forgfältige Vorbereitung.
Ihre Refultate find dann auch ßets fehr gut; ße rettet;Menfchenleben;
kein anderes Heilverfahren gibt es, um fie zu erfetzen.
2. Bei den anderen oben genannten Indikationen (Blutarmut ufw.)
find die gegebenen Bedingungen ganz andere. Die Transfuflonsdofen
find kleiner als 200 g, und außerdem ifi auch eine große Eile nicht
nötig. Der Zugang zu den Venen ifi immer möglich. Falls man nun
einen Spezialbluttransfufionsapparat nicht zur Hand hat, kann man irgend
eine andere beliebige Methode anwenden, dadurch, daß man das Blut
vermittels antikoagulierender Zufätze haltbar macht (Zitratbluttransfufion
oder Zufatz von Novarfenobenzol), Die Methode nach Bet-Vincent zur
Fefifiellung anormaler Hämolyßne gibt nicht mehr die unbedingt not-
wendigen Garantien; es ifi dann vielmehr vorzuziehen, eine direkte
Fefifiellung zu machen und zwar, indem man das Serum des Empfängers
mit den Blutkörperchen des Spenders in Verbindung bringt. Unter folchen
Bedingungen ßnd die Refultate der Transfufion nicht immer gleichmäßig
und man erfetzt oder ergänzt deshalb fehr oft diefe Behandlungsart
durch Anwendung anderer therapeutifcher Mittel (Kalbsleber, Kalzium
chlorat., Hypophyfe).
Im ganzen genommen ßnd dies die unter fich ganz verfchiedenen
Indikationen der Bluttransfußon, die beßimmend find für die Wahl der
Bluttransfußon in großen Mengen oder der Transfußon in kleineren
Dofen, welch letzterer man den Namen »Homohämotherapie« gegeben hat.
II. Die Bluttransfufion bei fdiweren Blutungen.
ln dem vorhergehenden Äbfdmitt haben wir gezeigt, daß man
unterfdieiden mup zwifdien Haemotherapie und der wirklichen Bluttrans-
fufion, deren hauptfädilidißer Zweck die Behandlung bei fdiweren
Blutungen ifi.
Jedoch find die fdiweren Blutungen unter (ich wieder ganz ver-
fdiieden:
a) bald handelt es (ich um eine kleine Blutung, welche jedoch mit
einem bedeutenden Trauma zufammenhängend zum diirurgifdien
oder gynäkologischen Schock führen kann. Dies ifi befdirieben
worden in den Arbeiten von Zins und Govaertz, außerdem auch
in unferen klinifdien Beobachtungen mit Profeffor Levy-Solal;
b) bald handelt es (ich um eine große, jedoch einzige Blutung. Audi
diefe ifi leicht heilbar, wenn man ohne Schwierigkeiten an die
Arterie herankommen kann. Dies ifi der Fall bei Wunden an den
Gliedmafien und auch bei geplatzten Extrauterinfdiwangerfdiaften;
c) bald tritt fogar eine (oldie Blutung in einem fdion fiark ausge-
bluteten Gebiet auf. Das ifi oft der Fall bei pofioperativen Blutungen
und bei Blutungen nach dem Austritt einer Plazenta praevia;
d) bald handelt es [ich um bedeutende Blutungen, bei welchen die
Arterie (ehr fdiwer zugänglich ifi und häufig erff nach einer ver-
hältnismäßig (chwierigen Operation erreicht werden kann. Dies
trifft (ehr oft zu bei geburtshilflichen Blutungen, bei Blutungen bei
typhoidem Fieber und bei Magen- und Duodenal-BIutungen.
Wie kann man (ich nun vorflellen, daß eine ßdi immer gleich
bleibende Bluttransfußon bei [o vielen vermiedenen klinifdien Fällen als
Heilfaktor in Frage kommen kann? In Wirklichkeit iß es auch nötig,
daß bei den oben erwähnten Blutungen eine individuelle Löfung in jedem
einzelnen Falle gefunden werden muß.
Wo dies nicht beobachtet wurde, iß es häußg vorgekommen, daß
Patienten, weldie geheilt werden konnten, geßorben ßnd.
A) Bald und wohl auch am häußgßen iß der Tod dem Fehlen
einer genügenden Vorbereitung zuzufdireiben.
Die Blutung tritt überraßher*d auf. Man verliert fehr viel wert-
volle Zeit durch Telephonanrufe, welche häußg zwecklos find, und der
Kranke ßirbt in ein oder zwei Stunden, bevor man Zeit hat, noch ent-
fdieidend einzugreifen. In Zufammenarbeit mit Levy-Solal haben wir
wiederholt auf die Wichtigkeit einer guten Vorbereitung hingewiefen,
und außerdem hat uns diefe eingehende Vorbereitung vor jeder Trans-
fußon ermöglicht, immer allen Möglichkeiten zu begegnen und helfend
einzugreifen. Wir haben uns hauptfächlidi daran gewöhnt, beim erßen
drohenden Anzeichen fo [chnell wie möglich das Blut des Kranken genau
zu unterfuchen, vermiedene Spender auszufuchen, damit die nötigen
Vorbereitungen zur Infupon getroffen werden konnten, wenn (ich auch
rechtzeitig heraus(iellen follte, dap ein Eingriff nicht nötig ip und der
Kranke (ich felbp wieder hilft. Die Todesfälle würden (icher viel feltener fein,
wenn eine ähnliche Organifation, welche bereits (eit mehr als drei Jahren
im Krankenhaus Saint-Antoine bepeht, überall offiziell eingeführt würde.
B) Bald tritt der Tod deshalb ein, dap, trotzdem genügend Zeit
vorhanden war, eine Transfufion aus verfchiedenen praktifchen Gründen
nicht vorgenommen werden konnte. Wenn eine Vene einem erfahrenen
Arzt unter den üblichen Umpänden leicht zugänglich iji, (o i(i das etwas
anderes, als wenn es (ich um fchwierige Fälle handelt. Man mup auf
folche Schwierigkeiten gefaxt fein, muf) (iets dazu bereit (ein, (chnell(iens
eine Vene blop zu legen und felbft für verzweifelte Fälle die nötigen
Inftrumente für eine Herzpunktion zur Hand haben, welch letztere uns
bereits manchen unerhörten Erfolg brachte.
C) Bald (dies trifft wohl am häufig|Jen zu, wenn man die Fälle
beobachtet, wo der Tod trotz eines Eingriffs eingetreten i(i) wurde die
Transfufion wohl vorgenommen, war aber im Verhältnis zur Gröpe des
Blutverluftes nicht genügend. Man weif), daf) man bei Experimenten faß
immer ein verblutetes Tier wieder ins Leben zurückrufen kann und
zwar durch eine Bluttransfupon. Aber wir müffen dem Rechnung tragen,
daf), um ein (olches Refultat zu erzielen, die Transfufion unbedingt der
vorangegangenen Blutung in Menge gleichkommen muf), da, falls dies
nicht beachtet wird, das Tier nach einer momentanen Befferung eingeht.
Bei einer (ehr (chweren Blutung, bei welcher Lebensgefahr beffeht, pellt
eine Transfupon von 2-300 g, wie pe im allgemeinen üblich ip, ein
Trugbild einer Bluttransfupon dar und nicht einen wirkfamen Eingrip.
ln den meipen folchen Fällen haben wir auf 1 Liter, 2 Liter oder felbp
noch mehr Blut zurückgreifen müffen, um Heilung zu erzielen. Bei
einer Transfupon von folchen Blutmengen ip es jedoch unmöglich, anti-
koagulierende Mittel wie bei der Zitratblutinfupon anzuwenden, da pe
bei folchen Mengen felbp gefahrbringend wirken können. Bei folchen
gropen Mengen kommt nur die reine Bluttransfupon in Frage. Daher
kommt es, dap ein SpezialinPrument, welches man für die üblichen
kleinen Transfuponen, bei welchen antikoagulierende Mittel gebraucht
werden, kaum benötigt, bei folchen gropen Transfuponen unbedingt an
Bedeutung gewinnt.
Um zu erzielen, dap die Bluttransfupon bei ganz fchweren Blutungen
immer von Erfolg (ei, gilt es zu beachten;
1. Man (ei genügend vorbereitet, damit die Operation, welche ein-
mal bephloffen ip, auch (ofort oder zu einem beliebigen Zeitpunkt
vorgenommen werden kann.
134
2. Es ifi nötig, über Fachleute zu verfügen, welche leicht den Schwierig-
keiten, welche mit einem Arterien- oder Venen-Kollaps verbunden
find, begegnen können.
3. Man fei (iets darauf vorbereitet, eine ganz reine Bluttransfufion
vorzunehmen, wenn auch diefe nicht immer nötig fein follte. Eine
von uns aufgeftellte Statiflik zeigt, daf) bei 1000 Transfufionen
wir nur 80 zählten, bei welchen wir mehr als einen Liter Blut
injizierten.
Wir hatten bei fämtlichen kleineren Infufionen den Eindruck, daf)
wir ganz erheblich zur Oefundung des Kranken durch diefe Infufion bei-
getragen hatten. Dagegen hatte man bei (amtlichen großen Bluttrans-
fufionen die Gewißheit, daf» die Kranken ohne unferen Eingriff (icher
gefforben wären.
Auf alle Fälle verdient unfer Bluttransfufionsapparat (einen Namen
im vollen Sinne des Wortes. Wenn man auch durch Verwendung von
Blut vermifcht mit antikoagulierenden Mitteln bei kleinen Transfufionen
Gebrauch machen kann, fo ifl man doch (tets in der Lage, mittels des
Apparates fofort ohne weitere größere Vorbereitungen eine grofie Trans-
fufion von reinem Blut vorzunehmen. Wir werden im nächflen Abfatz
eine genaue Befthreibung diefes Apparates geben.
Stellung 1
Spritze redtts
Stellung III
Zwifchenßellung
Abbildung I
111. Technik der Bluttransfufion in großen Mengen.
Damit die Technik der Bluttransfufion allen Eventualitäten entfpricht,
ifl es nötig, dafi man bei derfelben unbefchränkte Mengen Blut ohne
antikoagulierende Mittel injizieren kann, und ohne daf) bei folchen großen
Mengen irgendwelches Gefahrenrijiko in Erfcheinung tritt.
Es mufj möglich fein, die Transfufion ebenfo langfam wie gewünfcht
vorzunehmen, ohne irgendwelches Rifiko einer Koagulierung des Blutes,
denn der Verfuch einer Bluttransfuflon ift (icherlkh die be(!e Gewähr
für ihre Unfchädlichkeit. Sie muf leicht ausführbar fein und die Affiftenz
einer zweiten Perfon entbehrlich machen.
Der Apparat, welchen wir jetzt befchreiben wollen, entfpricht allen
diefen Vorausfelzungen. Da er nicht eine einzige Schraube oder einen
verborgenen Kanal aufweift, ift es ausgefchloffen, daf) man irrtümlich
eine Schraube dreht wie bei anderen Apparaten, wo es nötig ift, bei der
Transfufion bald nach dem Spender, bald nach dem Empfänger hin zu
(diliefien oder zu öffnen. Der Apparat hat außerdem noch einen toten
Punkt, auf welchem es möglich ift, während der Transfufion die Spritze
zu wechfeln. Die Stabilität des Apparates erlaubt dem Operateur den
freien Gebrauch feiner beiden Hände, wodurch er Jtets in der Lage ift,
die Stellung der beiden Nadeln zu berichtigen.
136
Das Grundprinzip des Inflrumentes ifl das Dreiwegeflück. Von
diefem Dreiwegefiück, welches ja in der ärztlichen Praxis vielfache Ver-
wendung findet, wollen wir nur das nötigfle, das (ich nur auf die
Bluttransfufion bezieht, mitteilen. Wir wollen deshalb davon abfehen,
die Verwendungsweife des dritten Weges näher zu befchreiben, da diefer
bei einer gewöhnlichen Bluttransfufion nicht in Tätigkeit tritt. Es handelt
(ich alfo um einen hohlen Zylinder, welcher 2 Kanäle aufweift, gegenüber
denen (ich eine Rille befindet, in welche die Spritze eingeführt werden
kann (Äbb. 1).
In diefen hohlen Zylinder paßt fehr genau ein voller Zylinder,
der (ich drehen läßt. Der volle Zylinder hat oben einen zentralen
Kanal, in welchen die Spritze durch die Rille hindurch paßt. Die beiden
Enden der Rille zwingen den durchgehenden inneren Kanal dazu, (tets
vor der einen oder vor der anderen Öffnung ftehen zu bleiben. Auf
diefe Art und Weife kann man durch die eine Öffnung mit der Spritze
auffaugen, durch die andere ausfpritzen. Das ganze Verfahren ift fo
einfach, daß man nur mit einer Hand die Spritze bedienen kann. Wenn
man die Spritze genau in der Mitte der Rille anhält, fo fleht das ent-
gegengefetzte Ende des durchgehenden Kanals genau zwifchen den beiden
Öffnungen, Jetzt ift der Ausfluß irgendwelcher Flüffigkeit unmöglich.
Man ifl in der Lage, ohne Schwierigkeit die Spritze auszuwechfeln oder
die gebrauchte zu (lerilifieren. Die reine Bluttransfufion hängt nun von
folgendem ab:
dem nötigen Material,
der Stellung oder Lage der in Frage kommenden Perfonen
und endlich
dem Eingriff felbfl.
I. Das Material,
Hinter den Apparat und die zur Abbindung nötigen Staubinde
(lellt man zwei (leriliflerte Menfuren auf, von welchen eine leer ifl
und die andere mit künftlichem Serum (phyfiologifcher Kochfalzlöfung) an-
gefüllt ifl.
Montage des Apparats: Der Apparat wird in dem Deckel des
Metallkaflens, in welchem er fonfl enthalten ifl, einmontiert, Diefer um-
gedrehte Deckel (lellt ein vollkommen (lerilifiertes Operationsfeld dar.
Die Abbildung 2 zeigt den Apparat montiert und fertig zum Gebrauch.
II. Stellung und Lage der beteiligten Perfonen,
Wir find davon abgegangen, die übliche parallele Lage des Spenders
und des Empfängers beizubehalten, da diefe häußg die Bewegungsfreiheit
des Operateurs hindert. Die Stellung (Abb. 3), welche wir unten als die
»Winkelflellung« bezeichnen wollen, ifl unferem Anfchein nach die befle.
Senkrecht zum Bett des Kranken (teilen wir einen kleinen Ti(ch auf,
welcher fo hoch i(t, daf) er bis an den Ellenbogen des Kranken reicht.
Der Spender, welcher dem Kopf des Kranken den Rücken zukehrt, fetzt
(ich an den Ti[ch, auf welchen man dann die beiden Arme des Spenders
und des Empfängers parallel hinlegt, indem man zwijchen beiden Armen
Platz für den Apparat läfit.
III. Die eigentliche Transfufion.
1. Punktion der Vene des Empfängers. Sobald man (ich davon
überzeugt hat, daf) die Nadel richtig eingeführt i(t, wird die Staubinde
am Arm gelöjt und die Nadel durch den Mandrin abgedichtet.
2. Punktion der Vene des Spenders mittels einer fertig montierten
Nadel. Das Blut tritt dann in die Spritze ein. Sobald diefe voll i(l,
richtet man die Spritze nach der Öffnung zum Empfänger und fpritzt die
in der Öffnung befindliche Luft heraus. Diefe Öffnung wird dann zu
gleicher Zeit durch diefe kleine Menge Blut gefäubert. Man befeflige
138
dann den Gummifchlauch an der Nadel des Empfängers. Man nimmt
die Transfufion vor, indem man auf der einen Seite auffaugt und auf
der anderen injiziert und zwar fortlaufend Mengen von 2 und dann
5 ccm jedes Mal. Man foll nie zu gleicher Zeit 10 ccm einfpritzen,
bevor nicht mindefiens die erfien 3 Minuten vergangen find. Man fährt
nun fort, bis man etwa 200-300 ccm Blut entnommen und injiziert hat.
3. Wechfel des Spenders. Man löft die Nadel mit dem Gummi-
fchlauch aus dem Arm des Spenders und taucht fie in die Kochfalzlöfung.
Man fpritzt jetzt ca. 20 ccm derfelben ein, gerade als ob man die
Transfufion fortfetzen wolle. Der Apparat ifi jetzt gereinigt und man
befindet (ich auf dem Ausgangspunkt. Inzwifchen hat man bereits einen
zweiten Spender zur Stelle, welcher eine gleiche Menge Blut abzugeben
bereit ifi. Diefe zweite Menge kann jetzt ohne Nachteile (chneller inji-
ziert werden. Dann tauche man wieder die Nadel in das Serum und
reinige den Apparat wie oben. Auf diefe Art und Weife ifi es uns
möglich, ohne Wechfel des Infiruments Bluttransfufionen von mehr als
2 Liter vorzunehmen und zwar mit Hilfe von 6 oder 7 Spendern, ohne
genötigt zu fein, auf antikoagulierende Mittel zurückzugreifen.
Reinigung und Sterilifation des Apparates.
Sobald die Transfufion beendet ifi, führt man das Scheinmanöver
fort mit kaltem Waffer, um eine Koagulation im Innern der Gummi-
fchläuche zu vermeiden, Diefe müffen nach jeder Benutzung forgfältig
gereinigt werden. Außerdem ifi es nötig, fie mindefiens alle 3 Monate
zu erneuern,
Auskochen genügt vollkommen, um eine gute Sterilifation des
Apparates zu erzielen. Es ifi auch vorteilhaft, diefe Sterilifation nach
jedem Gebrauch fofort vorzunehmen und dann den Apparat fertig zum
Gebrauch in dem Metallkafien aufzubewahren.
Resorbierbare Knochennägel
Aus der chirurg.-orthopäd. Klinik »Eduardus-Haus« der
Jof.-Gefellfch. in Köln.
Reforbierbare Knochennägel.
Von Dr. Wiemers, Leiter der Klinik.
Zur Vermeidung der Schäden, welche den »Inneren Schienen«
(Lane, Lambotte ufw.) und den Methoden von Borchhard, Kirfdmer,
Magnus ufw. anhaftet, welche fämtlich zur Fixation der Knochen Metall
verwenden, hat der Vortragende feit Jahren Verfuche mit reforbierbaren
Nägeln gemacht. Zweck der Verfuche war, ein Material ausfindig zu
machen, das die Funktion eines Nagels hat, ohne Jedoch Fremdkörper-
fchädigung hervorzurufen. Am geeignetfien hierzu erfchien entkalkter
Ochfenknochen, der in Nagelform gebracht wurde. Die Flerfiellung iß
folgende: Frifcher Ochfenknochen wird in kleinfingerdicke Streifen zerfägt,
entfettet und in verdünnter Salzfäure langfam entkalkt. Nach forg-
fältiger Entfäuerung werden die Streifen getrocknet. Die Konfiflenz der
fo gewonnenen entkalkten Knochenfiücke iß die eines zähen Hartholzes,
Die einzelnen Stücke laffen (ich mittels eines Glaspapierfchleifrades bequem
in die gewünfchte Form bringen, von 3-4 cm Länge bis zu 7-8 cm
Länge und einen Durchmeffer von 2-5 mm. Eine Ausfparung eines ver-
dickten Endes (eines Kopfes) kann nach Belieben erfolgen. In diefem
Zuftand find die Nägel unbegrenzt haltbar und verwendungsbereit. Vor
der Operation werden fie in Alkohol bzw. Jodtinktur eingelegt. Soll die
Reforptionsdauer vergrößert werden, fo kann Härtung in Chromfäure
erfolgen.
Die phyfikalifchen Eigenfchaften diefer Nägel find für die Zwecke
der Verwendung günfiig. Sie haben, wie bereits gefagt, eine zäh-elaßifche
Konfißenz, find abfolut nicht brüchig, fondern biegen (ich höchßens bei
ßärkßem Druck. Andererfeits befitzen fie auch nicht die Härte eines ge-
wöhnlichen Knochen- oder Elfenbeinnagels, woraus (ich die Notwendigkeit
ergibt, die Stellen, welche genagelt werden (ollen, vorzubohren. Iff der Nagel
in das Bohrloch eingetrieben, fo fetzt ziemlich bald eine Quellung des-
felben ein, welche ein (ehr ftarkes Haften in dem Bohrloch bewirkt.
Selbfiverfländlich muß das Bohrloch der Nageldicke genau angepaßt fein.
Im Laufe von etwa 6 Wochen wird der gewöhnliche »Leimnagel«, wie
ich kurz die entkalkten Knochennägel nennen möchte, reformiert, ein
Zeitraum, welcher vollkommen genügt, um eine feße Verklebung der
genagelten Knochenteile zu ermöglichen. In der erflen Zeit nach der
Nagelung beßtzt der Nagel eine große Zug- und Druckfeßigkeit. Auch
gegen Abfcherung iß er (ehr widerflandsfähig.
Technik der Nagelung iß relativ einfach. Mittels eines Pfriems (bei
fpongiöfen Knochen) oder eines Bohrers (bei kompakten Röhrenknochen)
1929
140
wird ein dem Nagel entfprechendes Lodi vorgebohrt und zwar durch
beide aneinander zu befefiigende Knochenfiücke. Alsdann wird der
Nagel mittels eines kleinen Metallhammers fchnell eingetrieben. Zur
Verfenkung des Nagels bzw. beim Arbeiten in kleinem Wundgebiet be-
dient man (idi zweckmäßig eines Nagelverfenkers. Im Gegenfatz zu Rüder,
welcher vor kurzem einen Nagelverfenker aus Metall angegeben hat,
benutze ich (eit Jahren ein aus Hartholz ftabähnlidies, ca. 12 cm lang
an der Spitze mit einer Nickelzwinge verfehenes Infirument. Die Spitze
der Nickelzwinge befitzt eine muldenförmige und gerauhte Vertiefung,
welche dem Kopf des Nagels angepaßt ifi. Mit Hilfe diefes Infiruments
laffen fich leicht, (elbft im kleinften Wundgebiet, exakte Nagelungen
vornehmen.
Das Anwendungsgebiet des Leimnagels ifi ziemlich ausgedehnt,
befonders aber in den Fällen wo es (ich um Anheftung breitßächiger
Knochenfiücke handelt, bei denen Zug- und Druckrichtung parallel der
Anheftungsfläche läuft. Als Beifpiel erwähne ich Fournierarthrodefe, Abriß-
frakturen, bei denen das abgeriffene Knochenfiück noch im Zufammen-
hang mit der Muskulatur (ich befindet; ferner Nagelungen von Muskel-
anfatzfiellen nach temporärer Abmeißelung z. B. Trochanternagelung bei
Hüftoperationen, Nagelung der Tuberofitas tibiae bei Knieoperationen ufw.
Bei Diaphyfenbrüchen kommt die Nagelung nur infofern in Betracht, als
es (ich darum handelt, ein Abrutfchen von Bruchenden zu verhüten.
Eine fiarre Fixation, wie (ie die inneren Schienen gewährleiften können,
ifi bei der Weichheit des Nagels nicht möglich. Bewährt haben [ich mir
in Jodtinktur eingelegte Nägel bei der Behandlung fchwieriger, zu
Reluxation neigender angeborener Hüftluxation. In diefen Fällen habe ich
eine Art Pfannendachbildung »fubkutan« vorgenommen, indem ich mittels
Troikar an der Stelle des fehlenden Pfannendachs eine Öffnung bohrte,
welche den Beckenknochen durchfetzte, unter Zurüddaffung der Troikar-
hülfe wurde der Troikar zurückgezogen und ein jodierter Leimnagel in
die Hülfe eingefchoben und mittels eines Stößers unter einigen Hammer-
[chlägen durch die Hülfe in das Bohrloch vorgetrieben. In diefer Art
wurden mehrere Nägel nebeneinander als neues Pfannendach dicht ober-
halb des Schenkelkopfes fubkutan in das Becken verfenkt. Die (ich an
diefe Nagelung anfchließende reaktive Knochenreizung und Narbenbildung
gaben dem Kopf flets den gewünfchten Halt. Im übrigen wurde die
Hüfte nach den üblichen Methoden der Luxationsbehandlung weiter be-
handelt. Auch bei autoplafiifcher Knochenplafük des Pfannendaches aus
Beckenkamm bzw. Schienbein wurden Leimnägel mit Erfolg verwandt.
Novutox, ein neues Lokalanästhetikum
(Aus dem Stadt. Krankenhaufe Rathenow,
Chefarzt Dr. A. Schäfer.)
Novutox, ein neues Lokalanäfthetikum.
Von Dr. Hans Köhl.
Das neue, von der Fa. B, Braun, Melfungen, uns zu Verfuchs-
zwecken zur Verfügung geteilte Lokalanäfthetikum Novutox wurde auf
der Chirurg. Abteilung des hiefigen Krankenhaufes in letzter Zeit mehr-
fach verwendet. Zur Anwendung kam es hauptfädilich auf dem Gebiet
der Kleinen Chirurgie und zwar bei der Entfernung kleinerer Tumoren,
zur Anäfthefie bei der Naht von Verletzungen und auch zur Repofition
von Frakturen. Wir haben das Mittel vornehmlich in x/.2 °/„ iger Löfung
benutzt und dabei eine rafche und ausgiebige Anäjthefie erzielen können.
Das Präparat enthält Paraminobenzoyldiäthylaminoäthanolum hydro-
chloricum und Adrenalin in Ringerfcher Löfung. Was es vor ähnlichen
bisher gebräuchlichen Mitteln auszeichnet ijt feine gleichzeitig bakterizide
Wirkung, die durch Zufatz von Chinatoxin und Benzoefäure erreicht
wird. Es ifl infolgedeffen ftets gebrauchsfähig, da die bisher zeitraubende
Sterilifation ähnlicher Mittel wegfällt. Das Mittel behält nach den Unter-
fuchungen von Bergin im Preufnfchen Medizinalunterfuchungsamt in Han-
nover auch bei tagelangem Offenpehen feine keimtötende Wirkung bei.
Neuerdings wird es in befonders kongruierten Glaskölbchen zu 100 g
geliefert, die eine beliebig häufige flerile Entnahme geflatten.
Wir werden nach unfern bisherigen guten Erfahrungen das Novutox
weiterverwenden und empfehlen es zu ferneren Verfuchen in anderen
Inflituten.
142
Das Lokalanästhetikum Novutox
1929
Referate.
Das Lokalanäfthetikum »Novutox«.
Von Polizei-Med.-Rat Dr. E. Bergin.
(Deutphe Medizin. Wochenphrift Nr. 44, Jahrgang 1929.)
Dies neue, von Apotheker Erich Schulze, Hannover, hergepellte
Präparat wurde von B. im Preup. Medizinalunterfuchungsamt in Hannover
(Direktor: Prof. Kirfiein) auf feine bakterizide Wirkfamkeit unterfucht.
Vorangegangen waren fchon Erprobungen in der Praxis durch den Leiter
der Stadt. Ohrenpation Dr. Seyfferth, der die gute Verträglichkeit des
Mittels in 'h—27»iger Löfung hervorgehoben hatte, fowie durch Dr.
Hoff, Chefarzt des Friederikenfliftes in Hannover, der das Novutox in
Vs0/1oiger Löfung bei 75 Operationen der verfchiedenpen Art angewendet
hat und feine prompte Wirkung, die überrafchend gute Blutleere und die
glatte Narbenbildung rühmt.
Bergin prüfte nach verfchiedenen Methoden die Wirkung des Novu-
tox auf Staphylococcus aureus, Bacterium coli, Bacillus pyocyaneus und
Bacillus diphtheriae. Die bakterizide Kraft des Präparates erwies (ich als
bemerkenswert Park und kam ungefähr der einer l7«oigen Sublimatlöfung
gleich; pe überwog erheblich die der zum Vergleich herangezogenen
Lokalanäphetika »Höchp«, »Merz« und »Dr. Nowak«, Nur Sporenmaterial
wurde nicht beeinpupt.
Die Novutox-Löfung büpte, felbp tagelang in unverfchloffener Flafche
Pehend, ihre Keimfreiheit nicht ein und zeigte auch nach 4 und 8 Wochen
noch im wefentlichen diefelbe bakterizide Wirkung, die durch den Zufatz
von Chinatoxin (1,0:80 000) und Benzoefäure (0,2 7«) zu der anäphe-
perenden Grundfubpanz Paraaminobenzoyldiäthylaminoäthanolum hydro-
chloricum (0,5—4 °/o) und Adrenalin (0,005—0,001 7«) erreicht wird.
143
Über physiologische Kochsalzlösungen
und Sterofundin
über »phyfiologifche Kochfalzlöfungen« und »Sterofundin«.
Von Dr. F. Hammer.
In den letzten Jahren greift immer mehr die Erkenntnis um (Ich,
dafi die bisher gebräuchliche, fogenannte »phyfiologifche Kochfalzlöfung«,
die bei ffarkem Blutverlufl zur Auffrifchung der Blutmenge benutzt wird,
nicht fo harmlos ift, wie bisher immer angenommen wurde. Es hat (ich
gezeigt, dafj diefe 0,9 %ige Kochfalzlöfung auf verfchiedene Organe,
fpeziell auf Herz und Leber von nachteiligem Einfluß fein kann, ja, es
wurden fogar direkte Schädigungen an Organen feftgeftellt. Die Urfadie
diefer nachteiligen Wirkungen ift in der Zufammenfetzung der phyfiolo-
gifdien Kochfalzlöfungen zu fuchen. Eine Infufionslöfung kann nur dann
einen gewiffen Erfatz der verlorengegangenen Blutmenge bilden, wenn
(ie dem Blut hinfichtlich des osmotifchen Druckes, des Gehaltes an anor-
ganifchen Salzen und der Reaktion möglich fl weitgehend entfpricht. Bei
einer einfachen Auflöfung von 0,9 g Kochfalz in 100 g Waffer dürfte
dies wohl nicht der Fall (ein. Wohl wird immer betont, dafi die 0,9 %ige
Kochfalzlöfung dem Blutferum »ifotonifch« (ei, al(o mit dem Blut in (einem
osmotifchen Druck überein(limme, aber es konnte feftgeftellt werden,
dafä der osmotifche Druck an (ich allein nicht ausfchlaggebend für die
Wirkfamkeit der Löfung ift, fondern dafi eine zur Infufion verwandte
Löfung auch in ihrer Jonenzufammenfetzung dem Blutferum ähnlich, wenn
nicht gleich, (ein mufj. Im Blutferum find nun nach Abderhalden, Kramer,
Tisdall u. a. m. nachfolgende Jonen feftgeftellt worden: Na", K •, Ca”,
Mg”, CI’, HC03’, H P04’ ’ und S04 ’ ’, wobei allerdings Na : und CI
Jonen die Hauptmenge bilden. Es leuchtet aber ein, dafi die übrigen
Jonen nicht umfonft im Blut enthalten find, fondern dafi auch (ie eine
Aufgabe zu erfüllen haben. Eine »phy(iologi(che Kochfalzlöfung«, die nun
nur die Na: und CI '-Jemen enthält, kann alfo von vornherein als nicht
zweckentfprechend angefehen werden. In einer Infufionslöfung muffen
alfo neben den Natrium- und Chlor-Jonen mindeftens noch die Kalium-
und Kalziumionen und, aus einem befonderen Grund, der (päter erklärt
werden wird, auch HC03! und HPOt’ ’-Jonen enthalten fein.
Der osmotifche Druck des Blutes wird gemeffen durch die Gefrier-
punktserniedrigung mittels des Kryojkopes. Sie beträgt bei normalem
Blut im Mittel = 0,56° und entfpricht einem osmotifchen Druck von ca.
7 Atmofphären. Stellt man (ich alfo eine Löfung der vorgenannten Jonen
im Waffer her, fo ift (ie dem Blut dann ifotonifch, wenn die Löfung eine
Gefrierpunktserniedrigung von ebenfalls 0,56° aufweift.
Die Reaktion des Blutplasmas ift (chwach alkalifch. Befiimmt man
die Reaktion mit Hilfe der Wafferfloffionenkonzentration, fo ergibt (ich für
das Blut bei 18° eine Wafferfloffionenkonzentration von 0,44'TO'7,
was einem pn von 7.36 entfpricht. Im normalen Blut gibt es nur geringe
1931
144
Abweichungen von diefem Mittel, die Reaktion des Blutes ifl alfo
konflant. Bedingt wird diefe Konflanz der Blutreaktion durch die An-
wefenheit (ogenannter »Puffer«, Obgleich angenommen werden müßte,
daß durch die Bildung von CO 2 bei der Verbrennung organifcher Ver-
bindungen, von Phosphorfäure durch Abfpaltung aus den Nukleoproteiden,
von Schwefelfäure infolge Oxydation des Eiweißfchwefels allmählich das
Blut eine faure Reaktion aufweifen müßte, fo gefchieht dies dennoch
nicht, da dem Blut in den fogenannten »Puffern« Hilfsmittel zur Ver-
fügung flehen, die die auftretenden Säuren neutralifieren. Als derartige
Puffer wirken im Blut Natriumbikarbonat, Eiweißkörper in Form von
Alkalieiweißverbindungen und vor allem Haemoglobin. Um nun die dem
Blut zugeführte Infufionslöfung in gleicher Weife neutralifierend wirken
zu laffen, müffen ihr ebenfalls derartige Puffer mitgegeben werden und
zwar gefchieht dies in Geflalt von HCO;jl und HP04’ ’-Jonen.
Zufammengefaßt muß alfo eine Infufionsflüffigkeit, wenn (le zweck-
dienlich fein foll, aufweifen: einen osmotifchen Druck gleich einer Ge-
frierpunktserniedrigung von 0,56°, die Jonen Na-, K-, Ca--, Mg- - und
CI ’, eine alkalifche Reaktion von pn =7,36 und zur Erhaltung diefer
konflanten Alkalität Puffer in Gepalt von HCOri’ und HP04’’-Jonen.
Eine derartige Löfung in der Apotheke und in der Klinik felbfl
herzuflellen, dürfte in den meiflen Fällen auf erhebliche Schwierigkeiten
ftoßen, da die Einrichtungen zur Herflellung derartiger Löfungen nicht
oder nur in unzureichendem Maße vorhanden find. Aus diefem Grunde
wurde das »Sterofundin« (Herfleller B. Braun-Melfungen) die (ierile,
fleril bleibende, gebrauchsfertige und haltbare Infufions- und Injektions-
löfung im chemifch-bakteriologifchen Fabriklaboratorium hergeflellt. Hier-
durch iß die Gewißheit gegeben, daß durch exakte Arbeit und ftändige
chemifche wie bakteriologifche Kontrolle eine Infufionslöfung in den Handel
gebracht worden ifl, die nach jeder Richtung hin einwandfrei ift. Das
»Sterofundin« entfprrcht in feiner Zufammenfetzung hinfiditlich des Ge-
haltes an anorganifchen Salzen, in feinem osmotifchen Druck und in feiner
Reaktion den oben geteilten Bedingungen und damit auch in weitefl-
gehendem Maße dem Blutplasma. Die Ringerlöfung und ihr ähnliche
Löfungen kommen hier auch nicht in Betracht. Sie haben wohl neben
den Na - und CI ’-Jonen noch K und Ca- ‘-Jonen, aber ihnen fehlen
die Pufferionen, die für die Reaktion von ausichlaggebender Bedeu-
tung find.
Durch Verwendung des »Sterofundin« ift die Unficherheit der
Wirkung, die bisher der »phyfiologifchen Kochfalzlöfung« anhing, genommen
worden. Wie weit diefe Unficherheit gehen mußte, läßt fich daraus
fchließen, daß die Herflellung der phyfiologifchen Kochfalzlöfung nicht
immer lege artis vorgenommen wurde. Es konnte feflgeflellt werden,
daß der Prozentgehalt des Kochfalzes z. I. erheblich von dem Sollgehalt
145
abwich und zwar durdi zu langes Kochen der Löfung und durch das
damit verbundene Verdampfen des Löfungswaffers. Damit ergab (ich für
diefe Löjung natürlich auch ein anderer osmotifcher Drude, fodaf» von einer
blutifotonifchen Löfung nicht mehr die Rede fein konnte.
Das Anwendungsgebiet des »Sterofundin« ip ein recht ausgedehntes.
Als Infufionsflüffigkeit kommt es überall da zur Verwendung, wo es gilt,
nach Parkern Blutverlup die Blutmenge wieder zu ergänzen, z. B. bei
akuten Blutungen jeder Art, wie nach Verletzungen, Operationen und
in der Geburtshilfe, bei Behandlung des Schocks und anderer akuter
Schwächezuflände, zum Austupfen und Spülen von Körperhöhlen und Ge-
lenken, zum Anfeuchten von Bauchtüchern und Kompreffen u. a. m.
Das Sterofundin kann weiterhin verwendet werden zur Selbfiher-
pellung von Injektionsflüffigkeiten, z. B. für die Lokalanaephepe. Dabei
haben die Injektionslöfungen, die mit Sterofundin hergepellt pnd, den
Vorteil, dap pe fofort gebrauchsfähig pnd, alfo nicht mehr gekocht zu
werden brauchen, da das Sterofundin abfolut peril infolge (einer felbp-
Perilifierenden Eigenfchaften ip. Das AuPöfen einer Novocain-Suprarenin-
Tablette in Sterofundin ergibt ohne weiteres, alfo ohne Aufkochen —
was bei Sterofundin infolge feines Gehaltes an Ca •'-Jonen unbedingt
vermieden werden muf» — eine Perile, perilbleibende, gebrauchsfertige
und haltbare Injektionslöfung.
Das Sterofundin wird infolge feiner phypologifchen Zufammenfetzung
ohne jede Störung fowohl bei intravenöfer als auch bei fubkutaner Injektion
ertragen.
Für Infupon ip das Steropmdin in Ampullen aus Jenaer Fiolax-
Glas zu 500 und 1000 ccm im Handel, während zur Bereitung von
Injektionspüjpgkeiten es auch in kleineren Ampullen zu 100 ccm ab-
gegeben wird.
146
Über den Bau der Submukosa des Dünndarms
1931
über den Bau der Submukofa des Dünndarms.
Von Bernd Braun.
Aus dem Phyf.-chem. Inftitut der Univ. Leipzig veröffentlicht der
cand. ehern, und (lud. med. Braun feine in der Zeitfdirift für mikro-
fkopifch-anatomifdie Forfchung, Band 25, Heft l/2, abgedruckten fdiönen
Unterfuchungen, deren technifdier Teil größtenteils im Laboratorium der
Firma B, Braun, Melfungen, von ihm ausgefiihrt wurde.
Durch »Schrappen« und »Schleimen« des frifdigefchlachteten Hammel-
darms wurden Serofa, die beiden Muskularisfchichten und Mukofa ent-
fernt, fodaß nur der fubmukofe Schlauch übrig blieb, der eine Wand-
(lärke von 0,14-0,16 mm hat.
Die Submukofa befleht hiflologifcfi aus kollagenem Bindegewebe,
das in eigenartig diagonal gekreuzten Faferbündeln geordnet und von
elaflifdien Fafern durchzogen ifi. Klare, teilweife nach fdiönen Mikro-
photogrammen gewonnene Abbildungen, die hier wiedergegeben werden
können, erläutern diefe Darßellungen und geben des weiteren die Ver-
teilung der Gefäße und Nerven wieder, die in der Submukofa ihren
Sitz haben.
Mikroaufnahme eines Zupfpräparates der Submukofa.
Das Präparat ifi mit Formalalkohol gehärtet und nach Van Gieson gefärbt.
Vergr. 300 fach. Sämtliche Mikroaufnahmen find unretufchiert.
147
Mikroaufnahme eines Längsfchnittes der Submukofa.
Vergr. 200 fach.
Der befondere Wert der Arbeit befiehl darin, daß Jie die grund-
legende Kenntnis der anatomifchen Befihaffenheit des Gewebes vermittelt,
aus dem allein, wie vielleicht durchaus nicht allgemein bekannt iff, bei
richtig und forgfältig ausgeführter Fabrikation das Katgut hergefiellt
Das Blutkapillartyfiem in der Submukofa.
wird. Die Darflellung von Reil (Bruns’ Beiträge zur klin. Chirurgie
144. Band, Heft 3, Seite 433), nach der die Darmfaitlinge im wefent-
lichen »aus den beiden Muskelfchichten - oder auch nur aus mehr oder
weniger großen Teilen derfelben« und aus »mehr oder weniger großen
Reften von fubferöfem und (ubmuköfen, fehr lockeren (Sperrung von
Ref.) Bindegewebe« beftehen follen, wird demnach durch die Unterfuchung
von Braun widerlegt.
148
Zeichnung eines Plexus myentericus (a) mit dem von ihm ausgehenden Plexus sub-
mucosus (b). Unterhalb des Plexus submucosus ifl eine Nervenzelle (c).
Mikroaufnahme vom Plexus myentericus. Präparat nach Ranvier hergeflellt.
In den unteren Schichten der Submukofa ifl das feinere Netz des Plexus sub-
mucosus zu fehen. Vergr. 300 fach.
149
Mikroaufnahme von Plexus submucosus. Präparat nach Ranvier hergeftellt.
In einer unteren Schicht ift eine Nervenzelle (khtbar. Vergr. 300 (adi.
150
Über das neue physiologische Nahtmaterial
Carnofil
1935
über das „neue phyßologifche Hahtmaterial CamofH“.
Von Dr. Hammer, Melfungen.
Im Laufe der letzten Jahre find verfdiiedene Arbeiten über ein
„neues phyfiologifches Nahtmaterial" erfchienen, von dem man behaupten
will, dafi es die Löfung der Katgutfrage bedeute. Es lohnt (ich deshalb,
diefes neue Nahtmaterial, genannt Carnofil, einmal näher zu be-
trachten und die Arbeiten rein fachlich auf ihren Inhalt hin zu prüfen
im Hinblick auf das, was gegen das bisher übliche Katgut gefagt wird.
Die erfle Arbeit über Carnofil war die von W, A. Collier in der Medi-
zinischen Klinik 1934 Nr. 21. Nach einleitenden Worten über die
Katgutunterfuchungen von Knorr - die im Aufträge des Reichsgefund-
heitsamtes von Konrich und Zeifder durchgeführten werden leider nicht
erwähnt!! - wird die Bearbeitung bzw. Herfiellung des Carnofils befchriefaen.
Als Ausgangsmaterial dient das Muskelfleifch des Pferdes. Nimmt man
an, dafi das Fleifch zu Beginn der Verarbeitung (ieril ifi, fo ift diefe
felbfi - da (ie auf textiltechnifchem Wege gefchieht - abfolut nicht fo
einfach, wie dies gefchildert wird. Die Verfpinnung und Verzwirnung
des Trockenmaterials kann fchwerlich (o vorgenommen werden, dafi das
Ausgangsmaterial vor Infektion gefchützt wird. Man muf alfo damit
rechnen, daf» die lockere Spinnfafer Bakterien enthält, die mit dem Drehen
in das Innere des Fadens gelangen und die Sterilität des Fadeninneren
zweifelhaft erfcheinen laffen. Wenn in dem Ausdruck „Faß (leriles Mus-
kelfleifch möglichfl keimarm verarbeitet“ fchon die Tatfache einer nicht
genügend gefieberten Afepfis in der Herfiellung eines Grundftoffes, der
nur mit Einfchränkungen als (Ieril zu bezeichnen ifi, ausdrücklich betont
wird, fo ifi fchon oben darauf verwiefen, daß auch ein vollkommen
(leriles Ausgangsmaterial auf textiltechnifchem Wege fich nur
in der Vorflellung, nicht aber in der Praxis zu einem völlig
(lerilen Faden verarbeiten läfit. Der Ausgangsfloff für diefes Naht-
material ifi, ehe er zum Faden verfponnen und gezwirnt wird, wie Collier
felbfi fagt, nicht mehr (Ieril, fondern enthält in beträchtlicher Menge
Bakterien aller Art. Deshalb fpricht Collier im Gegenfatz zu dem Profpekt
über Carnofil in feiner Arbeit auch nicht von einem keimfreien Aus-
gangsmaterial. Mit diefer Feflfiellung entfällt der angeblich erfle grofie
Vorzug, den das Carnofil vor dem Katgut haben foll.
Es muf hier einmal feflgeflellt werden, dafi auch das Ausgangs-
material zur Herfiellung des Katguts, die Membrana submucosa des
Darmes als folche zu Lebzeiten des Tieres genau fo wie das Muskel-
fleifch als fieril angefehen werden mufi. Ich kann mir nicht denken, dafi
diefe innere Darmfchicht pathogene Keime zu Lebzeiten des Tieres ent-
hält, ohne Krankheitserfcheinungen hervorzurufen. Erfl bei Eintritt des
Todes dürfte eine Wanderung der Bakterien aus dem Darminhalt in die
151
Darmwand ßattßnden. Deshalb weiß auch jeder Katgutfachmann, welche
Art Därme allein ihm die größtmögliche Gewähr der Gewinnung eines
keimfreien Katguts gibt.
Die Arbeit von Collier befaßt [ich dann hauptfächlich mit der Zug- bzw.
Knotfeftigkeit des Carnoßls. Ein Vergleich der gefundenen Werte mit
denen der gleichbezeichneten Katgutßärken iß nicht angängig, weil die
Stärkenbezeichnungen beider Materialien nicht übereinßimmen.
So weiß ein Faden Carnofil Nr, 1 laut Tabelle in der angegebenen Arbeit
einen Durchmeffer von 0,55 mm auf. Er entfpricht demnach nicht einem
Katgutfaden der Stärke I, fondern einem folchen der Stärke 3! Prüft
man unter diefem Geßchtspunkte die Zugfeßigkeitswerte diefer beiden
Stärken, fo dürfte unzweifelhaft feßßehen, daß das Katgut auch heute
noch dem Carnoßl an Zugfeßigkeit überlegen iß. Hinzu kommt noch,
daß der Durchmeffer der Carnofilfäden außerordentlich ungleichmäßig iß.
Neben zugfeßen Teilen befinden ßch Stellen, die wenig oder gar nicht
haltbar ßnd. Zu diefer auffallenden Ungleichmäßigkeit im Durchmeffer
kommt noch eine Rauhigkeit der Oberßäche des Fadens hinzu, durch die
eine Verwendung des Fadens in manchen Fällen normalerweife ausge-
fchloffen iß. Was hier über die geringe Zugfeßigkeit gefagt iß, wird ja durch
die neueße Arbeit über Carnoßl beßätigt. In Heft 15 der Münch. Med,
Wochenfchrift vom 11. April 1935 bringt W. Sdimidt-Lange aus dem Hygien.
Inßitut der Univerßtät München in einer Arbeit die Ergebniffe der „Unter-
(udiung über Anaphylaxiegefahr und Zugfeßigkeit an dem neuen Naht-
material Carnoßl-Boß“. In einer Tabelle werden Ergebniffe der Zugfeßigkeits-
prüfung mitgeteilt, die zu einem Vergleich mit Katgut herausfordern.
Wie fchoh feßgeßellt, ßimmen die Stärkenbezeichnungen beider Faden-
arten nicht überein. Es ent(pricht dem hier geprüften Faden Carnoßl
Nr. 0 mit einem Durchmeffer von 0,40 mm ein Katgutfaden Nr. 1,
denn diefer weiß den gleichen Durchmeffer auf. Mit den zu prüfenden
Carnoßlfäden wurden 6 Verfuche vorgenommen. Sie ergaben bei der
Stärke Nr. 0 eine durch[chnittliche Belaßung von 1,5 kg. Bei einem
gleichßarken Katgutfaden wird als Mindeßforderung für die Zugfeßigkeit
eine Belaßung von 4,2 kg verlangt. In Wirklichkeit liegt jedoch die
Zugfeßigkeit eines Fadens z. B. von Steril-Katgut-Kuhn Nr. 1 zwifchen
5,6 und 6,2 kg. Ebenfo zeigen die Werte, die in diefer Aufßellung
für die Carnoßlßärke Nr. 3 angegeben ßnd, Durchfdinittszugfeßigkeit
von rund 3 kg, fodaß auch diefer Faden hinßchtlidi der Zugfeßigkeit dem
Katgut bedeutend nachßeht; denn ein Katgutfaden mit einem Faden-
durchmeffer von 0,65 mm, den ein Carnoßlfaden Nr. 3 hat, foll eine
Belaßung von mindeßens 9,6—11 kg aushalten. Eine tabellarifche Gegen-
überßellung zeigt noch deutlicher den großen Unterfchied zwifchen den
verfdiiedenen Stärken diefer beiden Materialien.
152
Durchmeffer Stärkebezeichnung Zugfeßigkeit
0 1,5 kg
I 4,2 kg
Carnoßl 0,40 mm
Steril-Katgut-Kuhn 0,40 mm
Carnofil 0,65 mm
Steril-Katgut-Kuhn 0,65 mm
Carnofil 0,85 mm
Steril-Katgut-Kuhn 0,85 mm
3 3,0 kg
5 9,6-11,0 kg
5 6.25 kg
7 mehr als 13 kg
Wenn nun in der Zufammenfaffung der Arbeit noch gefchrieben wird,
daf) das Carnofil „kräftig und regelmäßig ßark“ iß, da „ein Faden von
2,5 m Länge der Stärke 5 erß bei einer Beladung von 12'/j Pfund reißt",
fo bedeutet dies, daß der Bearbeiter diefer Fragen die Forderungen
iiberfieht, die heute an ein vollwertiges Katgut geßellt werden.
Die hier feßgeßellte geringe Zugfeßigkeit der Carnofilfäden wird audt
feitens der Herfieller-Firma indirekt zugegeben, fonf! hätte fie ßch nicht zu
der Mitteilung verpflichtet gefühlt, die als Fußnote der Arbeit beigegeben
ift, daß „inzwifchen weitere große Fortfehritte bezüglich der Zugfefiigkeit
gemacht" wurden.
Die Angaben über die Nachprüfung der Sterilität des Carnofils
laffen erkennen, daß die Unterfudiungen nicht fo vorgenommen fein
dürften, wie es nach dem heutigen Stande der Wiffenfchaft hätte ge-
fchehen müffen, um ein einwandfreies Urteil abgeben zu können. Nach
Angaben in der Arbeit von Collier wird das Carnofil mit weit ftärkeren
Jodlöfungen behandelt als das Katgut. Demzufolge wird es auch vielmehr
Jod als das Katgut abforbieren. 1(1 bei einer fachgemäßen Nachprüfung
der Sterilität des Katguts unbedingt notwendig, daß vor der Bebrütung
des Katguts das Jod und andere in dem Nahtmaterial enthaltene Des-
infektionsmittel reßlos entfernt werden, fo muß dies felbßverßändlich
auch bei dem ßark jodhaltigen Carnofil gefchehen. Es iß dies eine an
ßch felfaßverßändliche Forderung, aber die Praxis lehrt, daß jene doch des
öfteren nicht erfüllt wird, ln der Arbeit felbß iß auffallenderweife nidit
angegeben, ob und auf welche Weife die Entgiftung des Materials vor-
genommen worden iß. Wenn bei der Nachprüfung der Sterilität des
Carnofils die KontroIIröhrchen kein Bakterienwachstum aufwiefen, fo
braucht daraus nicht gefchloffen zu werden, daß das Carnoßl an ßch
keimfrei gewefen iß. Ein Bakterienwachstum könnte deshalb nicht aufge-
treten fein, weil das im Carnofil enthaltene Jod ein folches verhindert.
In der Arbeit von Schmidt-Lange iß auch die Frage der Anaphy-
laxiegefahr geßreift worden. Es wurde feßgeßellt, daß durch das Carnoßl
bei Meerfchweindien ein anaphylaktifcher Zußand erzeugt werden kann.
Alfo dürfte - im Gegenfatz zu der in der Zufammenfaffung der Arbeit
vertretenen Meinung - doch eine Gefahr für den Menfchen beßehen.
153
Eine weitere Literaturpelle über CarnopI pndet pch im Zentral-
blatt für Chirurgie 1934, Nr. 31, Seite 1845. Hier referiert Frofeffor
Dr. zur Verth über die Arbeit von Collier, bringt aber keine neuen
Gepchtspunkte, die für das CarnopI fpredien könnten. Im gleichen
Zentralblatt in Heft Nr, 10/1935 fchreibt dann Herr Frofeffor Bertelsmann
über CarnopI. Diefer Artikel glaubt das CarnopI hervorheben zu müffen,
aber auch für ihn gilt das bereits oben Gefagte. Die Carnofil-
packungen können [ich ebenfo wenig als abfolut fteriI er-
weifen, wie dies vom Katgut gefagt wird. Die Feppellung,
dap die Zugfepigkeit mindepens ebenfo grop ip wie beim Katgut, beruht
auf dem gleichen Unterfuchungsfehler, da gleichbezeichnetes, aber nicht
gleichparkes Material verglichen wurde.
Wenn einer der genannten Autoren dann den Hinweis auf eine
Minderwertigkeit des Katgut-Rohmaterials macht und davon (pricht, dap
Katgut „aus in der ganzen Welt zufammengefuchten Hammeldärmen her-
gepellt wird“, fo darf diefer höflichp darauf hingewiefen werden, dap diefe
Anpcht vor 30 und mehr Jahren Geltung gehabt haben mag, als man
damals zur HerPellung von Steril-Katgut, wie heute vielleicht auch noch
zur HerPellung von Rohkatgut, verfchiedenes Darmmaterial verwendete.
Heute kommt nur eine bepimmte, nach befonderen Verfahren und unter
Beobachtung gröpter Sauberkeit gewonnene Art von Hammeldärmen bei
Steril-Katgut-Kuhn zur Verwendung, denn die Qualität des Ausgangs-
materials ip ausfchlaggebend für die Qualität des Fertigfabrikates.
Zur Kritik des Carnopls fühle ich mich befonders berechtigt, weil
feitens der Firma B. Braun-Melfungen in den Jahren 1927/29 aktiv an
diefem gearbeitet (und für diefes Präparat bereits in Berlin eine Spezial-
fabrik eingerichtet) worden war. Aber bereits in diefer Zeit wurde er-
kannt, dap an pch wohl das Muskeipeifch des Pferdes ein reforbierbares
Material liefern könne, gleichzeitig aber wurde auch eingefehen, dap
aus dem Fafermaterial ein gleichmäpiger, zugfeper, gebrauchsfertiger
Faden nicht hergepellt werden konnte. Es wurde deshalb, nachdem viel
Arbeit dem Problem geopfert war, von einer weiteren Mitarbeit abge-
fehen, und die Jahre danach haben bewiefen, dap die damalige Erkenntnis
die richtige gewefen ip.
Dem Hinweis auf CarnopI als urdeutfches, nationales Erzeugnis mup
entgegengehalten werden, dap Katgut mit feinem langen und fchwierigen
Fabrikations- und Steriliperungsprozep, der von Anfang bis zu Ende pch
in Deutfchland und mit nur deutfchen Arbeitern und AngePellten fowie
Materialien vollzieht, auch ein deutfches, nationales Erzeugnis
genannt werden kann. Das Fertigfabrikat ip ein bedeutfamer
Exportartikel und beachtlicher Devifenbringer. Denn die für
den Bezug des Darmes aufzuwendenden Devifen Pehen in keinem Ver-
hältnis zu den durch den Verkauf des Fertigfabrikates für Deutfchland
154
gewonnenen bedeutenden Devifenbeträgen. Katgut ift damit heute ein
wirtfchaftlich fehr wertvolles Produkt, das allfeitig geftützt werden follte.
Zum Schluß fei noch verraten, dafj der von Herrn Prof. Bertelsmann
ausgefprochene Wunfdi, die diemifche Indufirie möchte einen Faden, ähnlich
dem der Kunfifeide, herftellen, zu gegebener Zeit erfüllt wird. Bis dahin
aber dürfte Katgut nach wie vor das (terile reforbierbare Nahtmaterial fein!
155
Neue Nahtmaterial-Aufbewahrungs-
und -Entnahmegefäße
Aus der Praxis - für die Praxis.
Neue Nahtmaterial-Äufbewahrungs- und -Entnahmegefäfse.
In letzter Zeit hat (ich auf dem Gebiete der Aufbewahrung von
Nahtmaterial eine Umflellung bemerkbar gemacht, die (ich in der Ein-
führung neuer Aufbewahrungs- und Entnahmegefäfie bzw. Vorrichtungen
äußert. Der Grund zu diefem Wechfel dürfte zu fuchen fein in der
Feflflellung, daft der handelsübliche Alkohol als nicht fferil anzufehen
ifl und dafi aus diefem Grunde nach einer Packung gefudit wurde, bei
der durch die Herflellerfirma des Nahtmaterials der zur Aufbewahrung
benötigte Alkohol (leril mitgeliefert wird, fodaf» der Verbraucher der Sorge
um Anfchaffung, Vergällung ufw. des Alkohols enthoben worden ifl.
Diefe Forderung wird erfüllt durch die fogenannte Be-Em-Flafchen-
packung, wie fie im Bilde 2 dargeflellt ifl. Sie befleht aus dem Flafchen-
teil felbjl, der das Nahtmaterial in Form eines Knäuels
und die Aufbewahrungsflüffigkeit - bei Katgut in der
Hauptfache den (ierilen Jod-Alkohol - enthält, und einer
Fadenführungs- und Streckvorrichtung, die den Faden
bis zum Flafchenhals führt und ihn dem Operateur in
geflreckter Form übergibt. Der Flafchenhals ifl mit einer
Glaskappe verfchloffen, die bei Gebrauch der Flafche
kurz vor Beginn abzunehmen ifl und nach Verwen-
dung wieder aufgefetzt werden kann.
Der Vorteil diefer Packungsart ifl, wie fchon gefagt,
die Lieferungsmöglichkeit des (Ierilen Nahtmaterials in
(leriler Aufbewahrungsflüffigkeit. Es find vor Verwendung
einer neuen Packung keinerlei Handreichungen nötig, die
die Sterilität des Nahtmaterials gefährden könnten; eine
Bild 2 Reinfektion des Materials kurz vor der Verwendung ifl
alfo ausgefchloffen. Diefem ficher nicht zu unterfchät-
zenden Vorteil, zu dem noch der
der (ländigen Gebrauchsfertigeit
der Packung hinzukommt, fleht
aber auch ein Nachteil gegenüber,
der vielleicht von vielen Ärzten
fchwerer empfunden wird, als der
Vorteil der Lieferung (leriler Auf-
bewahrungsflüffigkeit. Das Naht-
material, das vom Beginn der
Herflellung in Alkohol unterge-
bracht wird, lagert zuerfl in der
Fabrik felbfl, dann auch im Kran- Bild 3
156
kenhaus vielleicht mehrere Wodien
oder Monate, bis es endlich
zur Verwendung gelangt. Diefe
lange Zeit der Aufbewahrung in
Alkohol geht am Katgut beflimmt
nicht fpurlos vorüber, fondern be-
einträchtigt zwangsläufig zum Teil
die Stärke der Zugfefhgkeit des
Fadens, was (ich bei Operationen
mitunter recht unangenehm be-
merkbar machen kann.
Die Flafchenpackungen wer-
den zu verfchiedener Anzahl in
einem fahrbaren Ti(chge(lell fo
untergebracht, daß fie nach dem
Gebrauch vermittels der an der Seite
des Tifches angebrachten Kurbel nach unten gedreht werden können.
Diefe Aufbewahrungspeilung, in der die Flüfpgkeit das Fadenende und den
Flaphen-Ausgang umfpült
und für den Wiederge-
brauch neuperilipert, ip in
Bild 3 erpchtlidi, während
Bild 4 einen Ausphnitt
aus dem gebrauchsfer-
tigen Ti(ch zeigt. Die linke
Flaphe iß noch mit der
Glaskappe verfchloffen,
von den 3 übrigen pnd die
Kappen abgenommen und
die Öffnungen des über-
gedeckten Perilen Lei-
nentuches mit den Perili-
perten Randpülpen ab-
gedeckt, ln Bild 5 ip das
ganzeTifch-FahrgePell mit
6 Flafchen dargepellt.
Um den oben er-
wähnten Nachteil einer
Beeinträchtigung der Zug-
fepigkeit abzupdlen, wurde eine zweite Flafchenpackung (Bild 6) kon-
pruiert, die es ermöglicht, während der Zeit der Nichtverwendung der
Packung (Bild 7) den Alkohol von dem Nahtmaterial zu trennen, [odaßdiefes
außerhalb der Flüfpgkeit aufbewahrt werden kann, Diefe neue Flafchen-
Bild 6 Bild 7
Packung begeht aus zwei Teilen, von denen der untere Teil das Naht-
material und den Alkohol bei Gebrauch der Packung enthält, während der
obere als Kappe fo ausgefaildet ip, dap er, wenn die Flafdie umgekippt,
d. h. auf den Kopf gepellt wird, den gefamten Alkohol aufnehmen kann,
wodurch die Trennung von Katgut und Alkohol durchgeführt wird. Die
Fadenführung und -Streckung ip die gleiche wie bei der erPen Packung. Auch
hier gelangt der Faden, durch das Führungsrohr gebremp, gepreckt zur
Verwendung. Diefe Packung hat noch den Vorzug der pändigen Ver-
wendungsmöglichkeit. Durch das Umkippen der Flafche wird der Flafchen-
hals mit dem Führungsrohr Pändig neu perilipert, d. h. die während der
vorangegangenen Verwendung angepogenen Luftkeime werden, da jetzt
die Flafchenöffnung und das Fadenende in der Aufbewahrungslöfung
Pehen, während der Aufbewahrungszeit abgetötet. Gleichzeitig wird auch
die weitere Umgebung des Flafchenhalfes perilipert, fodap in dringenden
Bild 8
Ausnahmefällen diefe Kippflafche ohne Verwendung des fonft üblichen
Abdecktuches und der Randpülpe gebraucht werden kann. Bild 7 zeigt
die vollpändige Kippflafche, von der vor dem Gebrauch der Cellophan-
Verfchlup abgenommen wird, während Bild 6 die umgekippte Flafdie
zeigt, wie pe zur Faden-Entnahme bereit fleht.
Diefe Kippflafchen werden auf einem einfachen Ständer (Bild 8)
ebenfalls in verfchiedener Anzahl untergebracht und mit fterilem Tuch
abgedeckt; wird patt letzterem die übliche perile Metalipülpe benutzt,
fo kann der Ständer auch perilifiert werden.
Im Gegenfatz zu der Raumbeanfpruchung der beiden befchriebenen
Packungen benötigt die nachfolgend befchriebene Packung wohl den
geringPen Platz. Es handelt pch hier um eine Kippvor-
richtung, die mehrere Flafchen fapt, in denen gleichfalls die
getrennte Aufbewahrung von Katgut und Alkohol während
der Zeit der Niditverwendung fowie die Steriliperung des
Fadenendes und der Packungsöffnung berückpchtigt und damit
deren Sterilität gewährleiPet ip. Bei diefer Packung (Bild 9)
iP das Katgut nicht in Form eines Knäuels, fondern, um
Platz zu fparen, in Form einer Spule untergebracht. Diefe
kleinen fogenannten SparPafchen werden, wie aus Bild 10
erpchtlich, in einem kippbaren Behälter untergebracht, der
gleichzeitig als Aufbewahrungs- und Entnahmevorrichtung
dient. Die Bedienung des Apparates geht fo vor pch, dap
zu Beginn der Verwendung die Kappen der einzelnen
Packungen abgenommen, ein periles Abdecktuch und der
Rahmen mit den Randpülpen übergedeckt werden (Abb. 11).
Mit Periler Pinzette werden die Fadenenden hochgezogen,
fodap pe zur Verwendung freiliegen. Nach Gebrauch werden nach
Abnahme der Randpülpe und des Abdecktuches die Flafchen durch
Bild 9
Bild 10
159
die Glaskappen, die iniwifchen zur Erhaltung bzw. Erzielung der Keim-
freiheit in einer flerilifierenden Löfung gelegen haben, verfchloffen, der
Metalldeckel aufgejieckt und die ganze Vorrichtung um ihre Horizontal-
adife um 1800 gedreht. Bei diefer Drehung fließt der bisher über dem
Katgut flehende Alkohol in den jetzt nach unten gekehrten oberen Teil
der Flafche, umfpült den Flafchenhals und das Fadenende, wodurch beide
wieder neu flerilifiert werden, während (ich das Fadenmaterial felbfl
außerhalb der Löfung befindet.
Auch in diefer Packung liegt, wie bei der zweiten Flafchenpackung,
der Vorteil in der fländigen Gebrauchsbereitfchaft. Sie eignet (ich deshalb
befonders für Kliniken und Krankenhäufer, in denen nicht tagtäglich
Bild n
operiert wird, oder für Unfallflationen, weil eben in diefer Packung das
Katgut bzw. ein anderes Nahtmaterial fofort ohne grope Vorbereitung
verwendungsfähig ifl.
Durch die Möglichkeit, das Nahtmaterial von der Aufbewahrungs-
flüffigkeit zu trennen, dürften die nachteiligen Folgen der Nap-Packungen,
wie dies bei der erpen Flafchenpackung der Fall ifl, bei diefer Packung
nicht fo grofi fein, fodap hier mit einer guten Zugfeftigkeit des Faden-
materials gerechnet werden kann. Bild 10 zeigt die geöffnete Vorrichtung,
mit einer Anzahl diefer Sparflafchen befchickt, Bild 11 die zur Entnahme
fertige, zur befferen Sichtbarmachung nur zur Hälfte mit dem Leinentuch
bedeckte Vorrichtung; im Bild 12 ifi fie im gekippten Zuflande der Auf-
bewahrung dargepellt, bei der alfo alle Flafchen auf dem Kopfe Pehen.
An pch bieten diefe verfchiedenartigen neuen Packungen in gewiffer Richtung
Bild 12
einen Vorteil - Lieferung gebrauchs-
fertiger Aufbewahrungsfiiiffigkeit, be-
queme Handhabung bei Jiändiger Ver-
wendungsmöglichkeit - gegenüber den
bisher gebräuchlichen Trockenpackun-
gen, aber es darf nicht vergeffen
Bild 13
werden, daf» diefe Bequemlichkeit auch Nachteile nach fkh ziehen kann,
die (ich bei der Operation leicht unangenehm im Hinblick auf eine
herabgefetzte Zugfestigkeit des Nahtmaterials bemerkbar zu machen im
Stande find. Diefer Umjland dürfte wohl dazu beitragen, daf», abge-
fehen von einzelnen Fällen, in denen vor allem die Kippvorrichtungen
dauernde Verwendung finden werden, nach einer gewiffen Zeit des Aus-
probierens die bisher üblichen Knäuel- und Zylinderpackungen mit ihren
Aufbewahrungsgefäfien (Bild 13) wieder als die einfachen, praktifchjien
und (icherjien gelten werden.
Im Hinblick auf diefe (ich (icher wieder ergebende Eindellung fei hier
noch auf eine neue Vorrichtung hingewiefen, die einer
läfligen Erfcheinung Einhalt gebietet. Bei der Spulen-
packung wurden bisher als Aufbewahrungsbehälter
Metalldofen verwendet, die durch den Gehalt der Auf-
bewahrungsflüffigkeit an Jod (ehr bald recht unanfehn-
lich wurden, weil das Jod (ie (iark angriff. An (ich nur
ein Schönheitsfehler, wirkten derartig angegriffene Be-
hälter wenig afeptifch in einem Operationsfaal, weshalb
der Verfuch unternommen wurde, die Dofen aus Glas
herzufiellen (Bild 14). Nach vielfeitigen Ver(uchen i(i Bild 14
dies nun auch gelungen. In dem Aufbewahrungs- und
Entnahmegefäfi des Tifches (Bild 15) befiehen alle Teile, die mit dem
Nahtmaterial in Berührung kommen, aus einem fpannungsfreien Sonder-
glas und können daher nicht nur, wie (on(l üblich, im Trockenfchrank min-
defiens eine Stunde bei 180°, fondern auch im Autoklaven 20 Minuten
lang bei 120° und 1 Atü (ierili(iert
werden. Es i(i damit in jedem Falle
der Verwendung eine (lerile Entnah-
me des Nahtmaterials gewährleist.
Die Glasdofen erlauben gleichzeitig
eine genaue Beobachtung der Spule
hinfichtlich der Menge des noch darauf
Bild 15
Bild 16
befindlichen Nahtmaterials, fodafs rechtzeitig für Erfatz ge[orgt werden kann.
Es ifl be(iimmt anzunehmen, daf) die Verbraucher von Spulenpackungen
(ich in Zukunft gern diefer Glasdofen-Vorrichtung bedienen werden. Aus
Bild 16 iji die einfache Anwendungsweife erjichtlich; der Glasdeckel wird
abgenommen, das Jierile Leinentuch übergedeckt und die (lerile Rand-
(iülpe aufgelegt.
162
Sterosilk
Sterofilk.
Als nicht reforbierbares Nahtmaterial hat (ich das Silkwormgut oder
der Seidenwurmdarm überall dort bewährt, wo die Möglichkeit begeht,
dap in infiziertem Gewebe Bakterien durch das Nahtmaterial weiter-
geleitet werden könnten. In erfier Linie kam bisher das Silkwormgut
für Dammnähte in Frage, weil die (ehr bakterienhaltige Nachbarfchaft
an diefem Ort ein nicht imbibitionsfähiges Material wünfchenswert macht.
Seidenwurmdarm ift die Bezeichnung für den Inhalt der Spinn-
drüfe der getöteten Raupe des Maulbeerfeidenfpinners (Bombyx mori).
Die Raupen werden in Ef(ig eingelegt und das erhärtete Sekret zu
30—60 cm langen Fäden ausgezogen, die dann das Nahtmaterial bilden.
Die Fäden (teilen ein weites, glattes Material dar und tragen je nach
Bild 17
ihrem Durchmeffer die Bezeichnung extra fein, fein, mittel, (tark, extra
(tark und extra extra (tark. Sie entfprechen ungefähr den Katgut(tärken
000—1. Die Zugfejiigkeit der Fäden in gedecktem Zujtande ift gut.
Sie liegt ungefähr in gleicher Höhe wie die des Katguts und beträgt für
extra fein
fein
mittel
000 — im Durdifchnitt 1,5 kg
00 — im Durdifchnitt 2,0 kg
0 — im Durdifchnitt 2,8 kg
1 — im Durdifchnitt 3,4 kg
2 — im Durdifchnitt 4,3 kg
(tark
extra (tark
extra extra ftark — 3 — im Durdifchnitt 6,0 kg
Das Fadenmaterial läfit (ich leicht fterilifieren, fodafs es abfolut (teril ge-
liefert werden kann. Fadeneiterungen können deshalb nicht eintreten,
auch bleiben die Fadenausftojiungen bei diefem Material aus.
Das bisher gebräuchliche Silkwormgut wurde wegen feiner Sprödig-
keit in der Chirurgie wenig oder gar nicht gebraucht. Mit Hilfe eines
neuen Behandlungsverfahrens ift es gelungen, den Faden weicher und
gefdimeidiger zu machen, fodafi er [ich nun auch gut für diirurgifdie
Zwecke eignet. Das Anwendungsgebiet im allgemeinen ergibt fidi aus
der Niditreforbierbarkeit des Materials.
163
Synthofil, das neue synthetische Nahtmaterial
In dem S t e r o f i I k liegt nun diefes Seidenwurmdarmmaterial
bereits völlig gebrauchsfertig vor. Nach einem befonderen Verfahren
fierilifiert, iß es blau gefärbt, um ein deutliches Erkennen der Lage der
Fäden im Gewebe zu ermöglichen. Das Sterofilk wird, in ßeriler Flüfßg-
keit liegend, in Glasröhrchen geliefert, die je 10 Fäden der bezeich-
neten Stärke enthalten.
Der Preis iß heute fehr niedrig gehalten, fodaß jicn aie Ver-
wendung von Steroßlk für entfprechende Fälle auch recht wirtßhaftlich
geßaltet.
Herßeller des Steroßlks iß die Firma B. Braun, Melfungen.
Origmalarbeiten.
Synthofil, das neue fynthetifche Nahtmaterial.
Von Dr. B. Braun.
Seitdem es Katgut gibt, gibt es ein Katgut-Problem, es heißt
Sterilität und Zugfeßigkeit. Es iß bedingt durch das tierifch-organifche
Äusgangsmaterial, das zur Herßellung des Katguts verwendet wird.
Eine reßlos befriedigende Löfung diefes Problems durch Anwendung chemifcher
oder phyßkalifcher Mittel iß ßhwer zu verwirklichen. Sie iß nur auf eine Art
möglich; Durch die Schaffung eines fynthetifch-organifchen Fadens, der
aus einer ßerilißerbaren Subßanz beßeht und unter afeptifchen Be-
dingungen unter Ausfchaltung der menfchlichen Hand während der Fabri-
kation und der Verpackung herzußellen iß.
Verfuche in diefer Richtung gehen (chon Jahrzehnte zurück. In
unferen Laboratorien wurde früher verfucht, aus Kollagen, bzw. aus
Gelatine einen Faden zu (chaffen. Die Refultate befriedigten aber in
keiner Weife. Roith und Dürk berichten über einen unreforbierbaren
Zellulofe-Faden, den Syrius-Faden, der jedoch nicht zugfeß und deffen
Ausgangsmaterial Temperaturen von über 100° gegenüber nicht reßßent
war, Chriß erwähnt einen ähnlichen Faden, das Krinol, das ßch praktifch
ebenfalls als unbrauchbar erwies.
Erß mit der Entdeckung und Erforfchung des Polyvinylalkohols
durch W. O. Herrmann und Wolfram Haehnel von der Chemifchen
Forfchungsgefellfchaft m. b. H. München, wurde ein bisher völlig unbe-
kannter chemifcher Körper gefunden, der alle Anforderungen erfüllt, die
an den Grundßoff eines fynthetifchen Nahtmateriales geßellt werden
müffen. Es handelt fich bei dem Polyvinylalkohol um einen fogenannten
polymerißerten Körper. Man verßeht unter Polymerifation die ketten-
förmige Aneinanderreihung der kleinen Moleküle einer chemifchen Ver-
1937
164
bindung zu einem größeren Molekül-Komplex. Hierdurch findet jedoch
keine Umgruppierung der Atome in den kleinen Molekülen (latt, fondern
nur unter teilweifer gegenfeitiger Abfättigung der ungefättigten Verbin-
dungen eine Veränderung der phy(lkali(chen Eigenfchaften. Diefe polymere
Form des Vinylalkohols, der Polyvinylalkohol, hat im Gegenfatz zu der
nicht darflellbaren monomeren Form folgende Eigenfchaften:
Er ifl ein weites bis gelbliches, geruch- und gefchmacklofes Pulver,
in Waffer mit neutraler Reaktion löslich, in den meiflen organifchen
Löfungsmitteln jedoch unlöslich. Nicht fäulnisfähig, erweifl er (ich gegen
chemifche und phyfikalifche Einflüffe ganz außerordentlich widerflands-
fähig und temperaturbefiändig, fodaß er wie kein anderer Körper bei
130 bis 140° verarbeitet werden kann. Chemifch gibt er Alkohol- und
Kohlehydrat-Reaktionen. Er fleht als Alkohol durch die kettenförmige
Anordnung (einer Moleküle zwifchen den Kohlehydraten und Zuckern
und ifl fomit den Stoffwechfel-Produkten des lierifchen Organismus nahe
verwandt. Er ifl das erfle (ynthetifche reverfible verfpinnbare Kolloid,
Die Verfpinnfähigkeit erklärt (ich aus der kettenförmigen Anordnung der
Moleküle, die in der Natur auch überall da auftritt, wo es (ich um
Faferbildungen handelt. Bei der Verfpinnung des Fadens werden folgende
Kautelen, die (eine abfolute Sterilität verbürgen, eingehalten:
Der Polyvinylalkohol felbfl wird unter flerilen Bedingungen her-
geflellt. Die aus ihm bereitete Fadenpafle wird nochmals einer Sterili-
fation unterzogen. Die Verfpinnung der Fäden gefchieht bei einer Tem-
peratur von 130 bis 140° und einem (atmofphärifchen) Druck von 150
Atü. Der Faden verläßt alfo abfolut (leril die Düfe. Zur Ausfchaltung
der Reinfektion kommt der Faden während des ganzen Fabrikations-
ganges und während der Verpackung mit der menfchlichen Hand und
mit der Luft garnicht in Berührung. In dem Fabrikations- und Verpackungs-
Raum herrfcht die Jlrenge Afepfis des Operationsfaales, fodaß nach
menfchlichem Ermeffen und Vermögen alle Bedingungen erfüllt find, die
die Gewähr für einen flerilen Faden bieten.
Vor der Verwendung des Fadens aus Polyvinylalkohol als chirur-
gifches Nahtmaterial wurde das Verhalten des Polyvinylalkohols im
tierifchen Stoffwechfel unterfucht. Es konnte durch weitgehende Verfuche
feflgeflellt werden, daß weder der Polyvinylalkohol noch feine lokalen
Abbauflufen den Organismus in irgend einer Form fchädigen. Er wird
zum Teil im Körper verbrannt und zum Teil, bei intravenöfer Ein-
führung fehr hoher Dofen, durch die Nieren im Harn wieder ausge-
(chieden. Das Ausgangsmaterial als (olches ifl alfo reforbierbar. Bei der
Herflellung des Fadens wird durch die Veränderung des kolloidalen Zu-
(landes des Polyvinylalkohols der Faden unreforbierbar. Es gelingt jedoch,
auch diefen Faden reforbierbar zu machen.
165
Aus rein technifchen Gründen iß aber zuerft der unreforbierbare
Synthoßl-A-Faden in den Handel gebracht worden, um mit ihm (chon die zur
Groß-Fabrikation unbedingt notwendigen Erfahrungen zu fammeln. Das Syn-
thofil-A iß alfo nur der erße Schritt zur Herßellung des reforbierbaren
Synthoßl-R.
Das morphologifche Verhalten des tierifchen Gewebes gegenüber
Fäden aus Polyvinylalkohol wurde ebenfalls unterfucht und dabei folgen-
des feßgeßellt:
Der Synthoßl-A-Faden übt, wie jeder Fremdkörper, einen Reiz im
Gewebe aus. Diefe Reizwirkung iß jedoch durch die eigenartige chemißhe
Konßitution des Fadens als Zwifchenglied zwifchen Zucker und Alkohol,
im Gegenfatz zur Zellulofe des Zwirns und dem artfremden Eiweiß der
Seide, fehr gering. Es kommt innerhalb von vier Tagen nach der Ein-
lage zur Bildung eines Leukozyten-Saumes um den Faden, vom fünßen
Tage an iß die Bildung von Fibroplaßen zu beobachten, die im Verlauf
von ca. 14 Tagen den Faden bindgeweblich einkapfeln und ihn jeder
weiteren zellulären Einwirkung entziehen.
Beim Synthoßl-R-Faden kommt es auch zu der Bildung des Leuko-
zytenfaumes, der aber viel (chmäler iß als der bei der Reforption eines
Katgutfadens. Nach einigen Tagen bilden ßch jedoch Riefenzellen, die
den Faden allmählich reforbieren. Auch hier iß die Einwirkung auf das
umgebende Gewebe fehr gering. Es findet fich um den Faden nur ein
ganz (chmaler Aktionsfaum von Riefenzellen, während die weitere Um-
gebung nicht die geringßen entzündlichen Erfcheinungen, wie zelluläre
Imbibition ufw, zeigt. Nach der Reforption des Fadens durch die Zellen
ßndet eine binde- bzw. fettgewebliche Vernarbung des Aktionsfeldes ßatt.
Kommt der Faden in das wäfferige Medium des Gewebes, fo
quillt er um ca. 10% feines Durchmeffers auf und (chrumpft um ca.
15%. Diefe Schrumpfung wird aber zum größten Teil durch eine erhöhte
Elaßizität des Fadens kompenßert, (odaß ße praktifch keine Rolle fpielt.
Das Synthoßl-A hat Katgut gegenüber folgende Vorteile:
1. Völlige Sterilität, bedingt durch das ßerile Ausgangsmaterial, durch
mehrmalige thermifche Sterilifation während der Herßellung und
durch die händelofe Verarbeitung während der Herßellung und
der Verpackung.
2. Größere Zugfeßigkeit des Fadens im Knoten, dadurch Verwendungs-
möglichkeit dünnerer Fadenßärken beim Operieren.
3. Glatte Faden-Oberßäche, dadurch größte Schonung beim Durch-
ziehen durch das Gewebe und leichte Abfpülung der evtl, auf-
fallenden Luftkeime beim Herausziehen des Fadens aus der Auf-
bewahrungslöfung.
4. Der Faden i(l von größter Gleichmäßigkeit und knotenlos, wodurch
ein mühelofes Einfädeln bei Verwendung feinfter Nadeln und fpar-
famfter Materialverbrauch bei (chnellem Arbeiten möglich iß.
5. Das Äusgangsmaterial iß nicht mehr der Hammeldarm, der in
Deutfchland eingefiihrt werden muß, fondern Carbid, das in un-
begrenzten Mengen hergeftellt wird, fodaß der Faden wirtfchaftlich
nicht nur devifenfparend, fondern auch devifenbringend iß.
6. Der Preis für Synthoßl-A liegt 15 bis 20% unter dem des Katguts
und ermäßigt [ich noch weiter wefentlich durch die Möglichkeit der
Verwendung dünnerer Fäden.
Durch die glatte Oberfläche des Fadens iß es bedingt, daß die
logenannten Weiberknoten ßch aufziehen. Diefer Mangel iß jedoch ab-
zußellen, wenn man wie üblich einen chirurgißhen Knoten fchlingt und
darauf einen zweiten in der Art des Schifferknotens fetzt (ßehe Abb).
Iß die Naht befonders ßarkem Zug ausgefetzt, (o iß es zweckmäßig,
noch einen dritten Knoten zu legen.
Der Seide gegenüber hat Synthoßl-A folgende Vorteile:
1. Der Faden iß homogen und nicht wie Seide und Zwirn aus
vielen Fafern zufammengedreht, wodurch diefe leicht drainierend
wirken, was befonders bei afeptifchen Operationen ein Nachteil iß,
da hierbei Bakterien aus feptifdien Wunden in afeptifche Gewebs-
teile transportiert werden können.
2. Der Polyvinylalkohol iß chemifch ein Zwifthenglied zwifchen Stärke
und Zucker und fo den Stoffwechfel-Produkten des menfchlichen
Körpers nahe verwandt. Hierauf beruht feine äußerß geringe
Reizwirkung als Fremdkörper im Gewebe im Gegenfatz zu den
artfremden Eiweißkörpern der Seide und der Zellulofe des Zwirns.
Irgend welche anaphylaktifche oder ähnliche Erfcheinungen, die bei
Eiweißkörpern immer verkommen können, ßnd beim Polyvinyl-
alkohol nicht möglich. Sein chemifcher Aufbau iß im Gegenfatz
zu den Eiweißkörpern der Naturprodukte genau bekannt und durch-
forfcht.
167
3. In (einer Zugfeftigkeit iibertrifft Synthofil-A ebenfalls Seide und
Zwirn, befonders, wenn diefe mehrmalig ausgekocht find.
4. Auch Seide und Zwirn werden aus ausländifchem Rohmaterial her-
geftellt und benötigen deshalb Devifen.
Aus den Arbeiten von Brandis, König und Puppei ergibt (ich,
daß der Faden die an ihn geteilten Hoffnungen in der klinifchen Praxis
völlig erfüllt hat. In der Freiburger Klinik wurde er bei 135 afeptifchen
Operationen benutzt, die (idi wie folgt verteilen:
Appendektomie
Cholecyflektomie
Sonflige Laparatomien
Operationen an Niere und Blafe
Radikaloperationen von Hernien
Strumarefektionen .
Operationen am Thorax .
Blutige Einflellung von Frakturen
Arthrotomien, Amputationen ufw.
Knodienfpanplaftiken
Fettgelenkplafiiken .
Kutisplafiiken nach E. Rehn
Knorpelfascienplaftiken
Weichteilplafliken
18
6
5
7
23
7
12
19
11
6
8
3
3
7
von Brandis (chreibt über die Verwendung des Fadens bei der
Operation folgendes:
»Dank feiner Elaftizität knüpft (ich der Faden angenehm und
weich. Seine glatte Oberfläche macht forgfältiges Anziehen der Knoten
erforderlich. Wir haben fo irgendwelche Schäden niemals erlebt. Die
Prüfung der für die Bewertung eines neuen Nahtmaterials fo befonders
wichtigen Zug- und Knotenreißfefhgkeit kann im klinifchen Betrieb, d. h.
während der Operation (elbflverfiändlich nur durch das fubjektive Er-
leben des betreffenden Operateurs erfolgen. Hierbei find all’ jene be-
kannten Fehlerquellen zu berückfichtigen, die entweder auf falfcher
Technik oder auf Schwankungen von Temperament und Laune beim
Knüpfen zurückzuführen find. Unter Beachtung diefer Gefichtspunkte
muß die Knotenreißfefhgkeit des Synthofils fogar als (ehr gut bezeichnet
werden. Sie ifi derjenigen des Katguts ebenbürtig, wenn nicht überlegen.
Synthofil heilt vollkommen reizlos ein. Wir (ahen niemals eine
Fadeneiterung. Auch zeigten fich im Bereich der Narben keinerlei Ver-
änderungen, die auf einen Gewebsreiz im Sinne (chmerzhafter Narben-
knötdien ufw. hätten (chließen laffen. Synthofil-A ifl jetzt feit über einem
Jahr an unferer Klinik in Gebrauch, fodaß wir über eine entfprechend
ausreichende Beobachtungszeit verfügen. Die Sterilität und Reizlofigkeit
des neuen Fadens wird ganz befonders dadurch hervorgehoben, daß (ich
unter unferen Fällen eine große Anzahl der in diefer Hinjicht befonders
empßndlichen Gelenks-, Knochen- ufw. Plaßiken befanden. Unfere klinifchen
Erfahrungen betätigen al(o in vollem Umfang, daß Synthofil-A ein voll-
kommen (ieriles, zug- und reißfeftes, verfenkbares Nahtmaterial ift.«
Während in der Freiburger Klinik der Faden nicht zu Magen-
Darmnähten, Enteroanaffomofen ufw. verwandt wurde, hat König auch
bei diefen Operationen Synthofil-A gebraucht und ebenfalls keinerlei
primäre oder fekundäre Wundftörungen beobachten können.
Synthofll-A iff alfo bei allen Operationen an Stelle eines verfenk-
baren, reforbierbaren Nahtmaterials gebraucht worden, ohne dafi (ich
die geringften Nachteile ergeben haben.
Bisher wurde Synthofil in einer Spulenpackung geliefert, bei der
die Sterilifierung der Spulendofen und Einlage in die Aufbewahrungs-
(lüf(igkeit durch die Schwerer erforderlich war. Um den Faden fofort
gebrauchsfertig in den Operationsfaal zu bringen, haben wir analog der
Braun’fdien Kippflafche eine gebrauchsfertige Flafchenpackung hergeftellt,
die ebenfalls eine Spule mit 50 m Synthofil enthält. Schwierigkeiten,
die bei der Katgut-Flafchenpackung durch die Knoten entgehen können, fallen
beim Synthofil durch feine Knotenfreiheit und glatte Oberfläche fort,
fodafi in diefer Packung alle Fortfchritte des fynthetifchen Materials mit
den Vorteilen einer, den Faden (ieril haltenden, (iets gebrauchsfertigen
klinifchen Großpackung von geringftem Ausmaß verbunden find.
*
Li;teraturverzeichnis.
von Brandts, Zentralblatt für Chirurgie 63, Heft 7, Seite 372.
B. Braun, Inaugural-Differtation. Leipzig 1935.
Chrifl, Deutfdie Z. Chirurgie 226, 13.
Durch, Deutfdie Z. Chirurgie 189, 31.
Herrmann und Haehnel, Ber. dtfch. ehern. Gef. 60, H. 7
W. König, Zentralblatt für Chirurgie 63, H. 7, S. 377.
Puppei, Zentralblatt für Gynäkologie 60, Heft II, Seite 625.
Neuartige Sterofundin-Ampulle und ihre
Anwendung
Aus der Praxis - für die Praxis.
Neuartige Sterofundin-Ampulle und ihre Anwendung.
Immer mehr macht (ich das Be(ireben geltend, als Infufionslöfung
nicht mehr die bisher übliche felbftbereitete, damit meiß ungenaue phyßo-
logifche Kochfalzlöfung zu verwenden, fondern (ich einer (iets gebrauchs-
fertigen ifoionifchen und ifotonifchen Löfung - des Sterofundins - zu
bedienen, weil mit die(er genau eingekeilten Löfung neben fofortiger
Anwendbarkeit eine prompte Wirkung und gute Verträglichkeit ver-
bunden find.
Wenn trotz diefer Vorteile heute fich zunächß nur ein verhältnis-
mäßig kleiner Teil der Krankenhäufer und Kliniken diefer gebrauchs-
fertigen, ßerilen Infujionslöfung bedient, (o iß daran der hohe Preis der
Packung fchuld, der (ich aus der notwendigen Verwendung einer Ampulle
aus hochreßßentem, alkalifreien Glas ergibt. Die Verwendung einer der-
artigen Ampulle i(l unbedingt notwendig, um die eingekeilte Löfung,
alfo damit die ph-Konzentration der Löfung, konkant zu erhalten. Hinzu
kommt, daß die bisherige Ampulle nur einmal verwendet werden kann.
Die Erkenntnis diefer Nachteile gab die Veranlaffung, die Stero-
fundin-Ampulle fo auszubilden, daß eine Wiederverwendung und damit
auch eine bequeme Handhabung der Ampulle möglich iß.
Die bisher auf beiden Seiten der Ampulle beßndlichen langen Rohr-
anfätze, auf die der Schlauch zur Entnahme aufgeßhoben wurde, (ind
beträchtlich gekürzt und mit Metallanfätzen verfehen worden, die als
Schlaucholive ausgebildet und mittels gerändelter Schrauben zu verßhließen
(ind. Der Metallanfatz, auf den der Schlauch zur Entnahme des Stero-
fundins aufgefchoben wird, wird durch Überzug mit einer Schutzkappe
ßeril geliefert, fo daß eine vollkommen ßerile Entnahme jederzeit
gewährleißet iß- Bei Gebrauch der Ampulle iß nur erforderlich, nach
Abnahme der Schutzkappe die gerändelte Verfchlußfchraube zu entfernen
und den vorher mit Klemmen verfehenen Schlauch auf den Anfatz auf-
zufchieben.
Nach öffnen der auf der Gegenfeite des Schlauches beßndlichen
Verfchlußfchraube des zweiten Metallanfatzes und Einlagerung ßeriler
170
Über die Verwendung physiologischer
Infusionslösungen
Watte als Filter in diefen Metallanfatz ift die Ampulle gebrauchsfertig.
Es kann auch die Wattevorlage getrennt von der Ampulle Verwendung
finden, die dann an den oberen Metallanfatz, der ebenfalls in Form
einer Schlaucholive ausgebildet ift, angefchloffen wird. Nach dem Gebrauch
wird die Ampulle wieder beiderfeitig mit den gerändelten Schrauben
verfchloffen und ift in dem Verfandkarton und der Verfandkifte wieder an
die Lieferfirma zurüdczufenden. Der Betrag für die Ampulle und das
Packmaterial wird gutgefchrieben, fo daf) der Verbraucher lediglich die
Koflen für die Infufionsflüffigkeit und das Porto für die Rückfendung zu
tragen hat.
Für das Aufhängen der Sterofundin-Ampulle ift weiter eine Halte-
vorrichtung ausgebildet worden, in deren zwei Halter, einen oberen
grojjen und einen unteren kleinen, die Sterofundin-Ampulle eingefetzt
werden kann. Der Halter kann an irgendeinem vorhandenen Haken oder
Irrigatorftänder aufgehangen werden oder mit Hilfe der mitgelieferten
Klemme an Rohr oder Bettrand befefiigt werden.
Ober die Verwendung
physiologischer Infusionslösungen.
Dr. B. Braun, Melsungen.
Der Gebrauch isotonischer und isoionischer Infusionslösungen
in Klinik und Praxis setzt sich immer mehr durch und verdrängt
die selbst bereitete physiologische Kochsalzlösung. Die Gründe hierzu
liegen klar auf der Hand.
Jede Infusion einer reinen Kochsalzlösung verändert die lonen-
gleichheit des Blutes und der Gewebsflüssigkeit im weiten Maße
und bringt somit auch die Zellen und das Gewebe aus ihrem kolloid-
chemischen Gleichgewicht. Sie ist also ein völlig unphysiologischer
Vorgang, überall, wo in der Natur Zellen von einem salzhaltigen
Milieu umgeben sind, handelt es sich um Lösungen von Salz-
mischungen, und wo der Stoffwechsel die Möglichkeit hat, durch
seine Produkte das Gleichgewicht zu stören, sieht man, wie der
Organismus durch resorbierende und sezernierende Organe dafür
Sorge trägt, diese Störungen zu überwinden. Die osmotischen Ver-
hältnisse an den Grenzflächen aller Zellen gegenüber den Gewebs-
säften sind so fein eingestellt und spielen für die Quellung des Ge-
webes, den Wasserhaushalt, die Resorption, Sekretion und Lymph-
171
bildung eine derartige Rolle, daß es unverständlich ist, wenn
man bei einer Infusion dem kranken Organismus noch zumutet, die
vorhandenen Reserven zu mobilisieren, um wieder physiologische
Verhältnisse herzustellen.
Der Physiologe Sydney Ringer hat bereits 1882 auf die schä-
digende Wirkung reiner isotonischer Kochsalzlösung hingewiesen
und sie im Tierversuch durch die fibrillären Zuckungen der Musku-
latur und den Stillstand des Froschherzens nachgewiesen. Er hat die
Verwendung von Salzlösungen empfohlen, die neben dem Kochsalz
Kaliumchlorid, Kalziumchlorid und Natrium-bicarbonat enthalten,
und die seitdem als Ringerlösung in der Physiologie die breiteste
Verwendung gefunden haben. Es hat sich nun herausgestellt, daß
das Verhältnis der einzelnen lonenkonzentrationen in der Ringerschen
Lösung ganz ähnlich dem Verhältnis der entsprechenden Ionen im
Meerwasser ist. Man kann fast sagen, daß die Organe der höheren
Tiere am besten von einer Art Meerwasser konserviert werden, so
daß sie während des Lebens stets davon umspült sind. Das ist der
beste Beweis dafür, daß mit dem Leben des Protoplasmas der
höheren und niederen Tiere das Zusammenwirken einer ganz be-
stimmten Kombination von Salzen verbunden ist. Tyrode hat daher
versucht, eine Salzlösung herzustellen, die sich noch mehr obigen
Verhältnissen anpaßt, und die außer den Salzen der Ringerlösung
noch Magnesiumchlorid und das primäre Ortho-Natrium-Phosphat
enthält. Diese Lösung hat sich glänzend bewährt.
Man kann bei diesen Lösungen gleichsam von Nährlösungen
sprechen, was durch folgenden physiologischen Versuch am besten
demonstriert wird:
Will man ein isoliertes Herz am Leben erhalten, so ist es unbe-
dingt erforderlich, als Durchströmungsflüssigkeit keine reine 0,9% ige
Kochsalzlösung zu verwenden, da sie nicht vermag, die Tätigkeit
des Herzens auf die Dauer zu erhalten: die Kraft der Herz-
schläge läßt bis zum völligen Stillstand nach. Ein derartig durch
Kochsalzlösung „erschöpftes" Herz kann man jedoch durch eine
Tyrode- oder Ringerlösung wieder zum Schlagen bringen. Man
sieht daraus nicht nur die gewebsschädigende Wirkung der „physio-
logischen Kochsalzlösung", sondern auch die glatte Unterlegenheit
gegenüber einer Tyrode- oder Ringerlösung.
Bei jeder Infusion sollte deshalb auch der Grundsatz gelten,
den kranken Körper so wenig wie möglich unphysiologisch zu be-
handeln, denn die heftigen Reaktionen, mit denen oft der Organis-
mus auf die geringsten Veränderungen physiko-chemischer und
172
kolloid-chemischer Natur zu reagieren vermag, beweisen die Wich-
tigkeit der Verwendung physiologischer Lösungen.
Berücksichtigt man nun noch, wie öhlecker ausführt, die oft
unsachgemäße Herstellung von „physiologischer Kochsalzlösung" in
den Krankenhäusern und Kliniken, dann wird man sich immer mehr
von der Verwendung selbst hergestellter reiner Kochsalzlösung ab-
wenden und Infusionslösungen gebrauchen, die der Zusammen-
setzung einer Tyrode-Lösung entsprechen und unter strenger wissen-
schaftlicher Kontrolle in geeigneten Betrieben hergestellt sind.
Die Aufbewahrung dieser auf die Wasserstoffionenkonzen-
tration des Blutes genau eingestellten Infusionslösungen hatte bisher
den Nachteil, daß durch die Verwendung einer resistenten alkali-
freien Glasampulle der Preis nicht niedrig war. Die Firma B. Braun,
Melsungen, hat nun durch die Schaffung einer Dauerampulle und
einer entsprechenden Versandkiste die Preise für Infusionslösungen
ganz wesentlich herabgesetzt, so daß jede Klinik und jedes Kranken-
haus die Verwendung stets gebrauchsfertiger, steriler Lösungen
verantworten kann. Die Dauerampulle, in der das Sterofundin der
Firma B. Braun, Melsungen, zum Versand kommt, bietet also den
Vorteil, daß die aus wertvollem Glas bestehende Ampulle nach ein-
oder zweimaligem Gebrauch nicht fortgeworfen zu werden braucht
und somit dem Volksvermögen erhalten bleibt.
Ferner ist die Handhabung der Dauerampulle durch die Ver-
wendung zweier Schraubverschlüsse bedeutend vereinfacht. Der
Glasansatz der Ampulle braucht nicht mehr mit einer Glasfeile
abgeschnitten zu werden, der Gummischlauch kann dadurch nicht
mehr verletzt werden und Gummi- oder Glaspartikelchen können
nicht mehr in die Kanüle bzw. Blutbahn gelangen. Der Ausfluß der
Ampulle ist durch die Handhabung der oberen Schraubkappe zu
regeln und die nachströmende Luft durch Einlage eines kleinen
Wattepfropfens zu filtern.
Die Rücksendung der gebrauchten Ampullen, die zum vollen
Preis vergütet werden, ist durch die Transportkiste so vereinfacht,
daß sie dem Personal keinerlei Schwierigkeiten bereiten dürfte.
Literatur:
öhlecker, Zentralblatt f. Chirurgie, Nr. 15, Jahrgang 1929.
Höher, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe.
Landois-Rosemann, Lehrbuch der Physiologie.
Lichtwitz-Liesegang-Spiro, Medizinische Kolloidlehre.
Hammer, Melsunger Medizinisch-Pharmazeutische Mitteilungen,
Heft 62/63.
Weichardt, Der Chirurg, Heft 21, Jahrgang 32.
173
Augenplomben
Augenplomben
Aus dem Gebiet der Augenheilkunde soll hier die Erfindung er-
wähnt werden, aus besonders behandeltem Polyvinylalkohol nach
den Angaben von Prof. Thiel Augenplomben herzustellen. Prof. Thiel
hat in den Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde 1939/X/XI
auf die große Bedeutung der Polyviolplombe zur plastischen Stumpf-
bildung nach Enukleation hingewiesen, nicht ohne gleichzeitig die
in seiner Frankfurter Klinik wie an anderen Stellen festgestellten
günstigen Ergebnisse hervorzuheben. Auch die nach seiner Er-
fahrung beste Form hat er bestimmt, in der sie seit einiger Zeit von
der Herstellerfirma B. Braun-Melsungen angefertigt und in den
Handel gebracht wird. „Die Plombe liegt in einem mit einer dem
Blutserum isotonischen und isojonischen Salzlösung gefüllten Glas-
röhrchen (Abb. 19). Sie ist steril, also stets gebrauchsfertig zur
Alb. 19
Hand. Kein Wässern, kein Abspülen wie beim konservierten Kalbs-
knorpel, keine Sterilisation !" Neben der Technik der Implantation
und der Nachbehandlung wird auch auf die in selteneren Fällen be-
obachteten Abstoßungen und deren Gründe eingegangen mit dem
Schlußergebnis : „Die Polyviolplomben erfüllen in geradezu idealer
Weise die von H. Schmidt („Zur kritischen Würdigung der plastischen
Stumpfbildungsmethoden'' Abhandlungen aus der Augenheilkunde
Heft 13 Karger 1930) gestellten Forderungen an ein Implantations-
material. Die Plomben sind steril und sind den Raumverhältnissen
der Augenhöhle jederzeit leicht anzupassen.''
1941
174
Eine weitere Würdigung hat die Erfindung erfahren in der
Leipziger Augenklinik, aus der von Dr. Beyer eine Arbeit in der
Zeitschrift „Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde" Heft März 1941 ver-
öffentlicht worden ist. Er verbreitet sich ausführlich über Wesen und
Verwendung der Plombe und die damit erzielten durchaus günstiger
Ergebnisse. Auch hebt er hervor, daß alle früheren Versuche mit
Einpflanzung zum Teil von körpereigenen Stoffen wie Fett, Knorpel
Abb. 20
Abb. 21
oder Knochen, zum Teil von körperfremden wie Glas, Metall, Asbest,
Holundermark oder Meerschaum immer nur einen gewissen Teil-
erfolg gezeitigt haben. „Sie haben sämtlich versagt und die in sie
gestellten Erwartungen nicht erfüllt." Auch der Versuch zur Ver-
wendung von Silberkugeln : vor der Abstoßung der Kugel
schwere toxische Schäden des gesamten Organismus . . . konnte
nicht zur Weiterverfolgung dieses Gedankens ermutigen. Die ganze
Frage der Ausfindigmachung einer wirklich geeigneten Masse war
damit wohl auf einem gewissen Totpunkt angelangt, wurde aber
durch das Erscheinen der „Polyviol-Plombe" endlich in erfolgver-
sprechende Bahnen geleitet. „Erst jetzt" sagt Dr. Beyer „scheint sich
die Implantationsmasse gefunden zu haben, die uns vielleicht den
Erwartungen näher bringt. Seit über einem Jahre haben wir, an-
schließend an die Versuche von Thiel die von der Firma Braun-
Melsungen hergestellten Polyviol-Plomben verwandt." Bei Er-
wähnung der Synthese des Stoffes betont er besonders, daß „sich die
Masse nach den Versuchen von Braun im tierischen Körper in-
different verhält und den Körper auch bei langjähriger Impla-
tations - Zeit nicht schädigt." Auch auf anderen Gebieten habe
sich die Plomben - Masse bei einer Beobachtungszeit von über
drei Jahren als völlig reaktionslos einheilend erwiesen. Der
Autor geht dann auf die Technik, die Anästhesie und die Nach-
behandlung ein und erinnert, daß die zum kleinsten Teil stürmisch
aufgetretenen Erscheinungen immer nur örtlicher Natur waren,
nie das Allgemeinbefinden störten, sondern nach 2 bis 3 Tagen
rasch und komplikationslos abklangen. „Die Einheilung der Plomben
wurde in keiner Weise von den anfänglichen, örtlichen Reaktionen
beeinflußt." Wenn von der größeren Zahl ausgeführter Operationen
nur 5 Plomben abgestoßen wurden, so führt die Klinik selbst diesen
Verlauf auf außerhalb des Materiales und des Verfahrens liegende
Ursachen zurück. Im Zusammenhang mit im Anfang erlebten Miß-
erfolgen, an denen die Schuld eine zu groß gewählte Plombe ge-
tragen haben soll, wird auch hier die Forderung von Prof. Thiel
nochmals mit besonderem Nachdruck unterstrichen ; „Es ist besser,
die Plombe etwas kleiner als zu groß zu wählen !" Wenn Dr. Beyer
schreibt, daß außer den wenigen, genau bezeichneten sonst keinerlei
176
Abb. 23 Abb. 24
lieber Betrachtung der Patienten wirken. (Abb. 20 u. 21). Dr, Beyer
führt dies darauf zurück, daß „das Oberlid nicht so tief einsinkt und
die Prothese nicht mehr so weit hinten in der Orbita liegt". Die
Schemenbilder (Abb. 22) veranschaulichen die Beweglichkeit der
Prothese, die oft sehr gut sei, da ja die Muskeln fest an der Plombe
fixiert sind. „Diese Erfolge sind natürlich immer am einzelnen Fall
177
Komplikationen beobachtet wurden, und wenn man da?u die Tat-
sache heranzieht, daß an diesem Ergebnis Patienten von 2 bis 69
Jahren beteiligt sind, dann ist das ein Erfolg, der einer baldigen
recht weiten Verbreitung der Neuheit von selbst das Wort redet.
Ein Moment der Beruhigung und Ermutigung für die Patienten
sind die guten kosmetischen Erfolge, die am sinnfälligsten bei seit-
zu prüfen. Bestimmt gibt es auch Fälle ohne Plomben, die eine gut
bewegliche Prothesengrundlage haben, im Allgemeinen aber ist der
kosmetische Erfolg nach Einpflanzung einer Plombe bedeutend
besser als bei der normalen Enukleation. Dies ging aus unseren Be-
obachtungen einwandfrei hervor. Der Versuch, eine Plombe ein-
zupflanzen, lohnt in jedem Falle, denn selbst bei Ausstoßung der-
selben gibt es keinerlei Nachteile. Man verschließt mit 2 bis 3 Knopf-
Abb. 25
Abb. 26
nähten die Bindehaut und hat den gleichen Erfolg wie bei einer
bisher geübten Enukleation.” Diesen anerkennenden Äußerungen
soll noch das günstige Urteil der Leipziger Klinik angefügt werden,
das in der Schluß - Zusammenfassung Dr. Beyers zum Ausdruck
kommt : „Zusammenfassend kann man sagen, daß nach den jetzigen
Versuchsergebnissen zu urteilen eine Masse gefunden wurde, die
178
ohne Dauerreaktionen in der Orbita einheilt und dort unverändert
liegen bleibt. Dadurch daß die Muskeln und die Bindehaut sich fest
mit dieser Masse vereinigen, entsteht ein sehr gut beweglicher
künstlicher Stumpf, der die aufgelegte Schalenprothese außer-
ordentlich beweglich macht und sie nicht so weit in die Orbita
zurücksinken läßt.
Wenn wir die Ergebnisse der Enukleation ohne Einpfanzungen
mit den jetzigen Erfolgen vergleichen, sieht man, daß man mit diesen
Plomben einen sehr guten kosmetischen Erfolg erzielt, der umso
höher zu bewerten ist, als mit der einfachen Operationstechnik
keinerlei Gefahren verbunden sind."
Die mit Erlaubnis des Autors der letztgenannten Veröffent-
lichung auf den vorhergehenden Seiten gebrachten Bilder (Abb. 23
bis 26) sollen die gute Faltenbildung im Oberlid zeigen; bei allen
Patienten liegt die Plombe im linken Auge.
Die Erfindung damit als bahnbrechend zu bezeichnen, soll
keineswegs bedeuten, den Erfolg vorwegnehmen zu wollen. Es
möchte nur der Wunsch unter die übrigen Praktiker hinausgetragen
werden, daß auch sie sich zu einem sicher nicht enttäuschenden
Versuch recht bald entschließen !
179
Zum Geleit!
1948
Nach längerer Unterbrechung besteht jetzt die Aussicht, die seit
über 30 Jahren bekannten „Melsungen Medizinisch-pharmazeutischen
Mitteilungen“ wieder regelmäßig erscheinen zu lassen. Der Tradition
folgend soll diese Zeitschrift auch in Zukunft den Leser über alle
Fragen informieren, die mit meinem Arbeitsprogramm in Verbindung
stehen. Chirurgisches Nahtmaterial, Blutersatzflüssigkeiten, medi-
zinische Werkzeugkunde, Reagenzien für medizinisch-diagnostische
Untersuchungen und andere Fragen werden den Hauptgegenstand
der Abhandlungen bilden. Die Freunde und die Mitarbeiter meiner
Firma werden zu Worte kommen und auf Grund eigener Erfahrungen
und Untersuchungen, sowie unter Bezugnahme auf die Veröffent-
lichungen der fachlichen Literatur Fragen erörtern, die im Rahmen
meines Programmes für weitere Kreise von Interesse sind. So hoffe
ich, daß die „Melsungen Medizinisch-pharmazeutischen Mitteilungen“
mich in die Lage versetzen, Anregungen für die Praxis zu geben
und ich wäre erfreut, wenn ich auch aus dem Leserkreise Anre-
gungen erhielte und meine Hauszeitschrift somit den Gedanken-
austausch zwischen den Freunden meines Hauses und meinen
wissenschaftlichen Abteilungen fördern würde.
Melsungen, den 15. Dezember 1948.
B. BRAUN
180
1948
Über ein neues, nichtresorbierbares
chirurgisches Nahtmaterial
lieber ein neues, nichtresorbierbares chirurgisches
Nahtmaterial.
Von Dr. B, Braun, Melsungen
Vor ungefähr 10 Jahren wurde in USA die erste Nylon-Fabrik
in Betrieb genommen und seitdem hat die Nylon-Faser von den
Vereinigten Staaten aus ihren Siegeszug über die ganze Welt ange-
treten. Ihre hervorragenden physikalisch-technischen Eigenschaften
haben ihr die Wege zur Verwendung an Stelle von Seide, Kunst-
seide, Wolle, Ramie und Baumwolle erschlossen, sodaß es heute
kaum ein Gew'ebe gibt, für das die neue Faser nicht in Frage kommt.
So ist es kein Wunder, daß auch dieser Faden in der Chirurgie
seinen Einzug gehalten hat. In letzter Zeit sind in Deutschland
über die Verwendung und die Erfahrungen in der chirurgischen
Praxis mit in Deutschland hergestellten Nylon-Fäden mehrere Ar-
beiten veröffentlicht worden. Diese Fäden werden unter den Namen:
Synthalon, Perlon, Igamid oder Supramid
auf den Markt gebracht. Sie werden von Fabriken der früheren
I. G., der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen, den
Farben-Fabriken Leverkusen-Dormagen und von der Kunstseiden-
fabrik Bobingen hergestellt. Auch in der Ostzone waren verschie-
dene Fabriken, die die Fabrikation aufgenommen hatten. Durch die
181
unglückseligen Verhältnisse sind jedoch die weiteren Entwicklungs-
möglichkeiten sehr beschränkt, sodaß es zur Zeit nur möglich ist,
den Faden in Drahtform in den Handel zu bringen.
Wie meistens bei Neuerscheinungen guter Erfindungen auf dem
Markt sind die ersten Arbeiten zum Teil mehr als optimistisch ge-
halten und verfallen in den Fehler, das Kind mit dem Bade auszu-
schütten, indem sie in dem Perlonfaden bereits die Lösung des
chirurgischen Nahtmaterialproblems sehen. Ich möchte deshalb in
den folgenden Zeilen auf Grund meiner Erfahrungen mit dem
Synthofil auf den neuen Faden näher eingehen und seine Vor- und
Nachteile anführen.
Die Zugfestigkeit natürlicher Gewebsfasern beruht auf ihrer che-
mischen Struktur. Ob Seide, Wolle oder Baumwolle, sie zeigen alle
strukturchemisch das Bild sogenannter Kettenmoleküle. Darunter
versteht man eine mehr oder weniger große Anzahl kleiner Moleküle,
die zu einer Kette aneinandergereiht, polymerisiert, sind. Bei der
Synthese von Faserstoffen versucht man, wie bei der Kunstseide,
Zellwolle oder den Caseinfasern sich der in der Natur vorkommenden
„langkettigen“ Verbindungen zu bedienen und sie durch chemische
Verfahren umzubauen und nutzbar zu machen. Bei dem Polyvinyl-
alkohol wurde zum ersten Mal von Herrmann und Haenel der Weg
der völligen Synthese beschnitten, er bildete das Ausgangsmaterial
für das früher von der Firma B. Braun, Melsungen, in den Handel
gebrachte Synthofil und wurde aus Kohlenstoff, Sauerstoff und
Wasserstoff synthetisiert. Bei dem Nylon bediente der Amerikaner
Carothers sich ebenfalls der reinen Synthese und es gelang ihm,
eine aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff beste-
hende Verbindung zu erhalten, die in ihrer Zusammensetzung den
natürlichen Eiweißkörpern sehr nahe verwandt ist. Die Fabrikation
geht von einer zweibasischen Säure, der Adipinsäure, und einem
Diamin, dem Hexamethylendiamin aus, die unter gegebenen Verhält-
nissen zu einem Salz reagieren. Unter bestimmten Temperaturen
werden diese Salzmoleküle zu einer Art geketteter Amidoringe poly-
merisiert, aus denen sich das sogenannte Überpolyamid aufbaut, ein
weißes, glänzendes, hartes Pulver. In ihm sind jedoch die langket-
tigen Moleküle noch durcheinander gelagert und müssen,, um daraus
zugfeste Fäden herzustellen, erst noch in Fadenform gerichtet
werden. Zu diesem .Zweck wird eine Schmelze von dem Pulver her-
gestellt und der Schmelzkuchen aus feinsten Düsen bei hohen Tem-
peraturen zu Fäden, die in der Luft erstarren, ausgepreßt. Zur wei-
teren Orientierung der Kettenmoleküle werden dann die Fäden noch
„gereckt“, bis die Langketten möglichst parallel zueinander liegen.
182
Die physikalischen Eigenschaften dieser Fäden oder Fasern sind
folgende:
1. Das spezifische Gewicht ist im Vergleich zu allen bisher bekann-
ten Natur- und Kunstfasern gering, es beträgt 1,14.
2. Die Fäden haben eine bedeutend höhere Zugfestigkeit als alle
anderen Fasern.
3. Die Fäden sind wasserunlöslich, nicht entzündlich und haben eine
Schmelztemperatur über 200 °.
4. Die Widerstandsfähigkeit gegen Abnutzung und Abschaben ist
eine bedeutend höhere als die der anderen Fäden.
5. Die Feuchtigkeitswiederaufnahme völlig getrockneter Fäden ist
im Vergleich zu den anderen ebenfalls sehr gering. Sie beträgt
nur ca. 4 o/0) während Seide 10 °/o und Wolle 16 °/o Feuchtigkeit
aufnehmen.
Aus diesen physikalischen Eigenschaften ergibt sich für den
Nylon-Faden auch seine Verwendung als chirurgisches Nahtmaterial.
Seine Vorzüge sind folgende;
1. Der Faden ist im Innern steril, da er bei Temperaturen über 200 0
aus Düsen ausgepreßt wird.
2. Infolge seiner Wasserunlöslichkeit kann der Faden durch Aus-
kochen im Autoklaven oder in Sodawasser sterilisiert werden.
3. Der Faden hat im Knoten dieselbe Zugfestigkeit wie linear.
4. Der Faden besitzt eine glatte Oberfläche, wodurch bei der Ge-
websnaht nur wenig Gewebszellen zertrümmert werden. Weiter-
hin wirkt er als homogener Faden nicht als Drain, sodaß keine
bakterielle Einwanderung von der Haut in die Wunde stattfinden
kann.
In der chirurgischen Praxis haben sich diese Eigenschaften, wie
aus den Arbeiten von Simon, Linder und Schwaiger, Cibis und
Kimmig und mehrerer amerikanischer Autoren bervorgeht, bestätigt
und dem Nylon-Faden seine Verwendung gesichert, sodaß er in Zu-
kunft, wenn die hohen Preise keine Schwierigkeiten machen, das
bisherige unresorbierbare chirurgische Nahtmaterial, wie Silkworm-
gut, Seide und Zwirn, völlig ersetzen wird.
Infolge seiner chemischen Konstitution und seiner Verwandtschaft
zum natürlichen Eiweiß, sowie seiner glatten Oberfläche wird der
Faden, was alle Autoren einstimmig berichten, von dem menschlichen
Gewebe sowohl unter aseptischen als auch septischen Verhältnissen
ausgezeichnet vertragen. Das Gewebe zeigt gegenüber dem Faden
183
nur eine ganz geringgradige Reaktion, sodaß der Faden sehr gut
einheilt. Diese geringgradige Reaktion des Gewebes nach Einver-
leibung des Fadens ist jedoch andererseits auch ein Nachteil, da
sie seine Unresorbierbarkeit beweist.
Der von Simon vertretene Standpunkt, daß von einem chirur-
gischen Nahtmaterial Resorbierbarkeit nicht unbedingt verlangt zu
werden braucht, kann wohl kaum verallgemeinert werden, und die
Praxis hat auch ergeben, daß mit dem Synthalon oder Perlon noch
nicht die Lösung des chirurgischen Nahtmaterialproblems gefunden
ist, denn gewisse Nachteile haften dem Faden auch an, und zwar;
1. Infolge der glatten Oberfläche des Fadens hält ein chirurgischer
Knoten bei einiger Beanspruchung nicht, sodaß es erforderlich
ist, drei einfache Knoten nicht parallel übereinander zu legen.
2. Durch diese dreifache Knotung wird besonders bei starken Fäden
eine erhebliche Masse angesammelt, die bei Nähten im Unter-
hautzellgewebe leicht palpierbar ist und evtl, zu Drucknekrosen
führen kann.
3. Die Fadenenden im Knoten wirken infolge ihrer Homogenität und
Konsistenz leicht wie Stacheln, was besonders bei vaginalen Ope-
rationen zu beachten ist. Diese Nachteile werden jedoch überwun-
den sein, wenn es der Industrie gelingt, wie in Amerika das Syn-
thalon und Perlon in gezwirnter Form wie Seide herzustellen.
Faßt man unter Berücksichtigung der oben angeführten Vor- und
Nachteile die Möglichkeiten der Indikation für den neuen Faden
zusammen, so dürfte sich diese wie folgt ergeben:
1. Für alle Fälle, wo bisher Silkwormgut verwendet wurde, beson-
ders also bei Sehnennähten, Sehnenersatz, Knochennähten,
2. als Hautnaht und
3. als Fasciennaht bei tieferen Fascien, wo besonders Wert auf
lange Haltbarkeit der Naht gelegt wird.
Literatur :
L. Simon: Ein neuartiges chirurgisches Näh- und Unterbindungsmaterial (Igamid B)
Chirurg 17/ 18, 673 (1947).
F. Lindner u. M. Schwaiger: Supramid, ein neuer Kunststoff in der Chirurgie.
Ebenda 675 (1947)
E. E. Werth: Nylon, die neue Wunderfaser.
W. O. Herrmann u. W. Haenel: Über den Polyvinylalkohol.
Bericht d. deutsch. Ges. 6.0^1658 (1927)
P. Cibis u. J. Kimmig: Klin. Mbl. Augenhk. 1 1 1, 74 (1947)
184
Die Warburg-Apparatur Modell Braun-Melsungen
1949
Die Warburg-Apparatur. Modell Braun-Melsungen.
Von Dr. sc. nat. habil. K. Koch, Melsungen.
Der Gasweehselmeßapparat nach Barcroft-Warburg
(= Warburg-Apparatur) gestattet es, den Verbrauch oder die
Erzeugung eines Gases im geschlossenen System bei konstan-
ter Temperatur messend zu verfolgen. Die Ermittlung der ge-
bildeten oder verbrauchten Gasmenge erfolgt hierbei durch
Messung der Druckänderung, wobei Volumen und Temperatur
konstant gehalten werden (manometrische Methode).
Es ist deshalb möglich, mit Hilfe der Warburg-Apparatur
die Atmung von Gewebeschnitten pflanzlicher oder tierischer
Herkunft, von Zellsuspensionen oder Bakterienkulturen quanti-
tativ zu untersuchen, wobei es durch die Einrichtung der Kul-
turgefäße möglich ist, ohne Unterbrechung des Versuches Sub-
stanzen zuzusetzen und ihren hemmenden oder fördernden
Einfluß auf die Gaserzeugung oder den Gasverbrauch zu stu-
dieren. In gleicher Weise können mit Hilfe der Warburg-
Apparatur chemische Reaktionen untersucht werden, die sich
in flüssiger Phase oder in Suspension abspielen. In allen Fäl-
len ist es erforderlich, daß die chemische Natur des entstehen-
den oder verbrauchten Gases bekannt ist. Sie ist gegebenen-
falls nach den üblichen Methoden der Gasanalyse zu ermitteln.
Um die Einstellung des Gleichgewichtes zwischen flüssiger
und gasförmiger Phase zu gewährleisten, muß das Reaktions-
gemisch während des Versuches in ständiger Bewegung gehal-
ten werden.
Die Warburg-Apparatur (Modell Braun-Melsungen) besteht
demgemäß aus einem rechteckigen Thermostatengefäß von
25 1 Inhalt, in dem auf jeder Langseite sechs, also insgesamt
zwölf Reaktionsgefäße angebracht werden können, von denen
jedes mit einem Manometer versehen ist. Alle Reaktionsgefäße
sind mit einer Schüttelvorrichtung verbunden, die sie in eine
periodische, sagittale Hin- und Herbewegung versetzt. Den
Gesamtaspekt der Apparatur vermittelt die Abb. 1. Der übliche
Bau der Reaktionsgefäße und Manometer geht aus Abb. 2 her-
vor. Das Reaktionsgefäß M ähnelt einem kleinen Erlenmeyer-
Kolben und hat meistens einen Raum von ca. 15 ccm. Der
genaue Rauminhalt muß in jedem Falle durch Eichung ermit-
telt werden (siehe weiter unten). M hat ein eingeschmolzenes
Einsatzgefäß E. Dieses dient meistens zur Unterbringung von
Natronlauge, die bei Atmungsversuchen, bei denen sich gleich-
zeitig Kohlendioxyd bildet und Sauerstoff verbraucht wird,
185
notwendig ist, um ersteres aus dem Gasgemisch zu absorbieren.
In dem Ansatz B des Gefäßes M, der durch einen besonderen,
mit einem Glasstopfen verschließbaren Tubus zugänglich ist,
werden Substanzen untergebracht, die im Verlauf des Ver-
suches ohne Unterbrechung desselben dem Reaktionsgemisch
zugesetzt werden sollen. Auf das Reaktionsgefäß wird mittels
Normalschliff das Kapillarmanomcter K aufgesetzt, der An-
satz B ist dabei nicht wie bei Abb. 2 nach rechts, sondern nach
links gerichtet. Die Befestigung erfolgt mittels zweier Spiral-
federn. Die beiden Schenkel des Manometers sind von unten
nach oben von 0 bis 300 mm graduiert. Der linke Schenkel ist
oben offen und der rechte ist oberhalb des zum Reaktions-
gefäß führenden seitlichen Ansatzes mit dem 3-Wegehahn H
versehen. An der tiefsten Stelle des Manometers befindet sich
eine nach abwärts gerichtete offene Abzweigung, über die der
Gummisehlauch G gestülpt ist, der am unteren Ende mit einem
Glasstab verschlossen ist. G wird für den Versuch mit der
Absperrflüssigkeit und zwar mit Brodiescher Lösung gefüllt.
Diese wird folgendermaßen hergestellt:
40 g Natriumchlorid und 10 g gallensaures Natrium (Merck)
werden in Wasser gelöst und nach Zugabe einiger Tropfen ge-
sättigter alkoholischer Thymol-Lösung auf 1 Liter aufgefüllt.
Sie kann gegebenenfalls mit etwas wasserlöslichem Farbstoff
gefärbt werden. Die Brodiesche Lösung hat bei Raumtempera-
tur eine Dichte von 1,034, so daß 10 000 mm Brodie 760 mm
Quecksilber entsprechen.
Der Gummischlauch kann mit der Stellschraube S mehr
oder weniger komprimiert werden, so daß mehr oder weniger
Absperrflüssigkeit in das Manometer eintritt, dadurch ist es
möglich,, das Niveau im rechten Schenkel immer auf einer be-
stimmten Höhe zu halten, wodurch die bei der manometrischen
Methode geforderte Konstanz des Volumens eingehalten wird.
Aus der Niveau-Differenz zwischen rechtem und linkem Schen-
kel ergibt sich der Gasdruck im Reaktionsgefäß in Bezug auf
den Atmosphärendruck. Das Manometer ist mittels zweier
Schrauben auf dem Grundbrett befestigt, das auf der Rück-
seite mit einer Tasche versehen ist, die es gestattet, das Mano-
meter mit einem Handgriff der Schüttelvorrichtung des Ther-
mostaten aufzusetzen oder von dieser zu entfernen. Alle Glas-
teile des Systems Reaktionsgefäß-Manometer und das Grund-
brett des Manometers sind nach ihrer Zusammengehörigkeit
mit der gleichen Nummer versehen, wodurch verhindert werden
soll, daß die Einzelteile vertauscht werden. Es ist zwar möglich,
die Reaktionsgefäße auszutauschen, in diesem Falle ist jedoch
eine erneute Eichung erforderlich. Der Aufbau des Thermosta-
ten mit Schüttelvorrichtung geht aus Abb. 3 hervor. Die Rühr-
Vorrichtung des Thermostaten und die Schüttelvorrichtung
werden durch den gleichen Elektromotor von 0,125 kW ange-
trieben, durch den Schalthebel B kann (zwecks Ablesung an
den Manometern) die Schüttelvorrichtung abgestellt werden,
ohne gleichzeitig das Rührwerk des Thermostaten auszuschal-
ten. Der Exzenter A dient der Einstellung der Schüttelampli-
tudc. Zwecks Verstellung ist die Lockerung der Mutter erfor-
derlich. Einstellung auf 5 entspricht einem Hub von 5 cm.
Wie aus Abb. 3 ersichtlich, können durch Benutzung von drei
Riemenscheibenpaaren ohne Veränderung der Treibriemen-
länge drei verschiedene Schüttelgeschwindigkeiten eingestellt
werden (80, 100 und 120/min). Die Treibriemen bestehen aus
einem Kunststoff, sie sind außerordentlich betriebssicher.
Sollte doch ein Riemen reißen, so wird er an beiden Enden
schräg (in einem Winkel etwa 30° zur Längsachse) abge-
schnitten. Die beiden Schnittflächen werden dann aufeinan-
der gelegt, ein in der Flamme erhitztes Messer oder dgl. da-
zwischen geschoben und — wenn die Masse an den dem
Messer anliegenden Flächen anfängt sich zu verflüssigen —
wieder herausgezogen und die beiden Flächen sofort fest an-
einandergedrückt.
Im Interesse einer langen Haltbarkeit des Gerätes ist es
empfehlenswert, dieses immer gleichmäßig zu belasten. Ar-
beitet man also nur mit 6 Manometern, so ist es zweckmäßig,
auf jeder Seite drei einzusetzen. Es empfiehlt sich auch, die
Einstecktaschen der Manometer gelegentlich einzufetten.
Der Thermostat ist mit einem Heizaggregat von maximal
0,700 kW (Schalterstellung 3) versehen. Dieser ist bei der
Heizschaltung (Schalterstellung 3) voll wirksam. Nach Er-
reichung der gewünschten Bad-Temperatur wird er durch eine
Umschaltung über Schalterstellung 2 (0,350 kW) auf Schalter-
stellung 1 (= 0,175 kW) gebracht, die für die Aufrechterhal-
tung der Temperatur ausreicht. Diese wird reguliert durch ein
Kontakt-Thermometer mit Relais. Die Einstellung der ge-
wünschten Temperatur erfolgt durch Verschieben des kur-
zen Metallstabes in dem beigefügten Kontakt-Thermometer
mit Hilfe des Magneten, wobei der obere Rand des Metall-
stabes mit der gewünschten Temperatur auf der Thermometer-
skala übereinstimmen muß. Vor Inbetriebnahme müssen Re-
aktionsgefäße und Manometer gründlich mit Chromschwefel-
säure gereinigt werden. Dann werden sie im Trockenschrank
bei 1000 getrocknet. Die Schliffe werden zweckmäßig mit
Adeps Lanae anhydricus gefettet.
189
Jedes Reaktionsgefäß muß zusammen mit dem zugehörigen
Manometer geeicht werden. Benötigt wird das Volumen des
Reaktionsgefäßes bis zum gewählten O-Punkt der Manometer-
skala des rechten Schenkels. Je nachdem, ob man es mit einer
Reaktion zu tun hat, die Gas verbraucht oder einer solchen,
die Gas erzeugt, wählt man aus Zweckmäßigkeitsgründen den
Nullpunkt am unteren oder oberen Ende der Skala des rechten
Manometerschenkels. Um für jede Wahl des Nullpunktes das
entsprechende Volumen zu kennen, sind zwei Auswiegungen
mit Quecksilber notwendig:
1. Reaktionsgefäß bis zu einem beliebigen Punkt im Meß-
bereich des rechten Manometerschenkels.
2. Ein Stück der Kapillare im rechten Manometerschenkel.
Die Eichung wird folgendermaßen ausgeführt: Nachdem das
Gerät gereinigt ist und die Schliffe eingeschmiert worden sind,
wird das Reaktionsgefäß bis an den Rand mit Quecksilber ge-
füllt. Kleine Luftblasen, die an den Wänden haften zu bleiben
pflegen, werden durch Reiben mit einem zugespitzten und um-
gebogenen Glasstab entfernt. Dann wird, indem man das Gerät
über ein Tablett hält, das Manometer zunächst langsam und
zuletzt mit einem kleinen Ruck dem Reaktionsgefäß aufge-
setzt, so daß das Quecksilber in dem seitlichen Kapillaransatz
bis zum rechten Schenkel des Manometerrohres steigt, wonach
man das Reaktionsgefäß mit Hilfe der Spiralfedern am Mano-
meter befestigt. Man füllt dann den Gummischlauch mit Queck-
silber und setzt ihn, indem man das Manometer waagerecht hält
Und das Reaktionsgefäß dem Tablett aufliegen läßt, bei auf
Durchgang geöffnetem Hahn H dem oberen Ende des rechten
Manometerschenkels auf. Durch Drücken am Gummischlauch
läßt man nun das Quecksilber bis zu einem beliebigen Punkt
der Skala, den man notiert, in den rechten Schenkel des Mano-
meterrohres eintreten. Man schließt dann den Hahn, nimmt
den Gummischlauch ab und läßt das in dem Manometerrohr-
teil oberhalb des Hahnes befindliche Quecksilber durch eine
geeignete Drehung des letzteren durch das Hahnkücken aus-
treten. Man bringt nun das eingefüllte Quecksilber in ein
tariertes Becherglas, indem man zunächst den im Manometer-
rohr befindlichen Anteil durch den Hahn austreten läßt und dann
vorsichtig über dem Beeherglas -das Reaktionsgefäß abnimmt.
Dann wird das Quecksilber auf 0,1 g genau gewogen. Divi-
diert man das Gewicht des Quecksilbers durch seine Dichte
(13,55 bei 18 °), so erhält man das Volumen des Gasraumes auf
0,01 bis 0,02 ccm genau. Es ist nun noch erforderlich, den
190
Gasraum der Kapillare zu bestimmen. Zu diesem Zweck
nimmt man das Reaktionsgefäß ab, setzt den mit Quecksilber
gefüllten Gummischlauch wieder dem oberen Ende des rech-
ten Manometerschenkels auf und läßt bei geöffnetem Hahn
das Quecksilber in das Manometer eintreten, wobei man den
seitlichen Ansatz nach oben hält. Nach Schließen des Hahnes
wird der Gummischlauch abgenommen und das Quecksilber so
in der Röhre plaziert, daß es sich zwischen zwei notierten
Teilstrichen der Skala des rechten Manometerschenkels be-
findet. Das Quecksilber wird dann möglichst genau gewogen.
Das aus diesem Gewicht berechnete Volumen dividiert durch
die Anzahl der der Länge der Quecksilbersäule entsprechenden
Teilstriche ergibt das Volumen für einen Millimeter der Mano-
meterkapillare.
Mit Hilfe dieser beiden Werte kann das Gasvolumen für
jeden beliebigen Nullpunkt berechnet werden.
Ausführungsbeispiel: Das Quecksilber, welches das Reak-
tionsgefäß und den rechten Manometerschenkel bis zum Teil-
strich 182 füllte, wog 207,3 g entsprechend 15,30 ccm. Eine
Quecksilbersäule von 110 mm wog 1,286 g = 0,09491 ccm.
1 mm Manometerkapillare entspricht also 0,000863 ccm, so daß
man für gewählte Nullpunkte bei 0, bei 150 und 300 mm Gas-
räume von 15,46, 15,33 und 15,20 ccm berechnet.
Die mit dem Modell Braun-Melsungen der Warburg-Appa-
ratur gelieferten normalen Reaktionsgefäße eignen sich für
die Beschickung mit folgenden Flüssigkeitsmengen:
Suspensionsflüssigkeit 3 ccm, Einsatz E 0,2 ccm (15o/oige
Natronlauge), Ansatz B 0,2 ccm.
Sollen die Reaktionsgefäße nicht unter Luft, sondern unter
einem anderen Gas oder Gasgemisch arbeiten, so müssen der
Gasraum von Reaktionsgefäß und Manometer damit gefüllt
werden. Zu diesem Zweck und für die gesamte Beschickung
der Reaktionsgefäße werden zusammen mit dem Modell Braun-
Melsungen der Warburg-Apparatur zwei Gestelle geliefert,
denen je 6 Manometer gleichzeitig in bequemer Weise aufge-
steckt werden können. Zur Füllung des Gasraumes wird
zunächst das Reaktionsgemisch mit dem Gas oder dem Gas-
gemisch gesättigt. Manometer und Reaktionsgefäß werden
zusammengesetzt ünd das obere Ende des rechten Manometcr-
schcnkels wird über ein Sicherheitsventil mit dem Reduzier-
ventil der Gas-Flasche verbunden. Ersteres ist einfach ein
Glasrohr-T-Stück, dessen vertikaler Zweig etwa 25—30 cm
tief in einen Zylinder mit Wasser taucht, während der
191
horizontale vom Gas durchströmt wird. Man drückt nun die
Manometerflüssigkeit in beiden Schenkeln hoch und stellt
den Hahn so, daß der Gasstrom zunächst durch das Hahn-
kückcn entweicht. Der Gasstrom ist hierbei so zu regu-
lieren, daß das Wasserniveau in dem vertikalen Schenkel
des Sicherheitsventils kurz über dem unteren Ende steht.
Wenn die Luft aus der Zuleitung verdrängt worden ist, stellt
man den Hahn um, so daß das Gas in das Manometer
einströmt, man läßt es durch den leicht gelüfteten Stopfen
des Ansatzes vom Reaktionsgefäße entweichen. Nach etwa
einer Minute schließt man diesen Stopfen, wonach das Gas
durch das Sicherheitsventil entweicht. Schließlich wird der
Manometerhahn geschlossen. Man kann zur Gasfüllung meh-
rere am Gestell befestigte Manometer mit Gas durchströmen.
Wenn man bei einer Temperatur arbeiten will, die erheblich
über der Zimmertemperatur liegt, und der Thermostat dem-
entsprechend eingestellt ist, kann es Vorkommen, daß durch
das schnelle Ansteigen des Druckes Gas und Manometerflüs-
sigkeit durch den linken Manometerschenkel ausgeblasen wer-
den. Um dieses zu vermeiden, muß man sofort nach dem Ein-
setzen evtl, den Hahn einen Augenblick öffnen. Werden die
Manometer zwecks Überführung eines im Sack B unterge-
brachten Stoffes aus dem Bad herausgenommen, so kann um-
gekehrt die Manometerflüssigkeit in das Reaktionsgefäß ein-
gesogen werden. Um dieses zu vermeiden, verschließt man
beim Herausnehmen das obere offene Ende des linken Mano-
meterschenkels mit dem Finger.
Erwartet man beim Versuch eine Vermehrung der Gas-
menge im Reaktionsgefäß, so ist es zweckmäßig, daß zu Be-
ginn des Versuches sich der Meniscus der Manometerflüssig-
keit im linken Schenkel am unteren Ende der Skala Jbefindet,
während der im rechten Schenkel etwa in der Mitte steht.
Diese Stellung wird erreicht, wenn man auf den Gummi-
schlauch G mit dem Finger einen leichten Druck ausübt und
den Hahn ganz kurz öffnet. Wenn umgekehrt eine Vermin-
derung der Gasmenge im Reaktionsgefäß erwartet wird, so
soll zu Beginn des Versuches der Meniscus im rechten Schen-
kel am unteren Ende der Skala stehen.
Bei jeder Versuchsreihe läuft als Blindversuch ein sog.
„Thermobarometer“. Es registriert die Druckschwankungen,
die sich aus allfälligen Temperaturschwankungen der Thermo-
statenflüssigkeit und aus den Schwankungen des Atmosphären-
drucks ergeben. Es enthält die gleiche Suspensionsflüssigkeit
192
bzw. das gleiche Lösungsmittel wie die anderen Reaktions-
gefäße und ist mit dem gleichen Gas gefüllt. Bei jeder Ab-
lesung der anderen Manometer wird auch das Thermobaro-
meter abgelesen und der gefundene Wert zur Korrektur von
den in den Versuchsansätzen gefundenen Werten abgezogen
oder diesen zugezählt, je nachdem ob sich im Thermobarometer
eine positive oder negative Druckänderung angezeigt hat. Zur
Vornahme der Ablesungen arretiert man die Schüttelvorrich-
tung kurz, dann wird mittels einer Schraube S die Manometer-
flüssigkeit im rechten Manometerschenkel auf den Ausgangs-
wert gebracht und die Niveaudifferenz zwischen linkem und
rechtem Schenkel notiert. Zur Berechnung der Werte, d. h.
der Menge des verbrauchten oder gebildeten Gases benötigt
man folgende Angaben:
Vq = Volumen des Gasraumes bis zum gewählten O-Punkt
in mm3 = Eichwert — VF.
T = absolute Thermostatentemperatur.
Vf = Summe der Volumina der zugesetzten Flüssigkeiten
in mm1.
h = abgelesene Drucksteigerung oder Drucksenkung in
mm Brodie.
a = der Bunsensche Adsorptionskoeffizient des zu be-
rechnenden Gases bezogen auf die benutzte Flüssig-
keit.
Der Bunsensche Adsorptionskoeffizient ist eine empirische
Konstante, die sich auf das Verhältnis des gelösten zu dem
ungelösten Anteil eines Gases in einem geschlossenen System
gasförmig-flüssig bezieht. Er ist für alle Gase und Flüssig-
keiten verschieden und ist auch abhängig von den gelösten
Salzen und besonders von der Versuchstemperatur. Man kann
diese Konstante z. T. aus physikalisch-chemischen Tabellen1)
entnehmen, evtl, muß man sie mit Hilfe der nachstehenden
Formel empirisch ermitteln. Nachfolgend die Bunsenschen
Adsorptionskoeffizienten von Sauerstoff und Kohlendioxyd für
verschiedene Flüssigkeiten bei verschiedenen Temperaturen.
Gas F lüssigkeit 20° 30° 38° 40°
Sauerstoff Wasser- oder Ringerlösung 0,031 0,026 0,024 0,023
Kohlendioxyd Wasser 0,878 0,66 0,55 0,53
Kohlendioxyd Ringerlösung 0,54 0,53
Kohlendioxyd Serum 0,51
193
Die Berechnung der Menge x des im Versuch verbrauch-
ten oder gebildeten Gases in mm" bei 0° C und 760 mm Hg
erfolgt nach folgender Formel:
Der in der Klammer stehende Ausdruck wird allgemein als
Gefäßkonstante bezeichnet.
Die vorstehenden Ausführungen haben nur den Zweck, das
Modell Braun-Melsungen der Warburg-Apparatur zu beschrei-
ben und die Arbeitsweise zu erläutern. Für nähere Angaben,
insbesondere für Spezialfälbe, sei auf die einschlägige Fach-
literatur verwiesen. Ausführliche Angaben findet man in dem
Abschnitt von F. Dickens in dem Handbuch von Bamann-
My rbäck2).
Wbitere Spezial-Literatur ist im nachfolgenden Schrifttums-
verzeichnis angegeben 3), 4).
Das Modell Braun-Melsungen der Warburg-Apparatur
wird mit folgenden Einzelteilen geliefert:
1 Thermostatengefäß mit Schüttei- und Rührvorrichtung,
wahlweise für Gleich-oder Wechselstrom und Heizaggregat,
1 Kontakttherraometer mit Magnet,
14 Reaktionsgefäße gemäß Abb. 2, numeriert,
14 Manometer, numeriert,
2 Gestelle,
1 Flasche zu 500 ccm Brodiesche Lösung,
1 Sicherheitsventil für die Gasfüllung der Reaktionsgefäße,
1 Schraubenschlüssel für die Verstellung des Exzenters,
1 Gefäß mit 50 g Adeps Lanae anhydricus.
Schrifttum ;
1. Landold — Björnstein: Physikalisch-chemische Tabellen, Hauptwerk, Bd. I, S.762 ff.
Erstes Erg.-Werk Bd. I, S. 302/03.
2. E. Bamann und K. Myrbäck: Die Methoden der Fermentforschung. G. Thieme,
Leipzig 1941. Bd. II, S. 985 ff.
3. A. Bertho und W. Graßmann: Biochemische^ Praktikum. Walter de Gruyter & Co.,
Berlin und Leipzig 1936, S. 176 ff.
4. M. Dixon: Manometrie methods as applied to the measurement of cellrespiralion
and other processes, 2nd ed. London: Cambridge U. P. 1943.
194
Perforationssicheres Sternalgerät
(Punktionsgerät) nach Braun
Aus der
Medizinischen Universitäts - Klinik Frankfurt / Main
(Dir. Prof. Dr. Dr. h. c. Franz Volhard.)
Perforationssicheres Sternalgerät (Punktionsgerät)
nach Braun.
Von Dr. L. Heller.
Während die Sternalpunktion schon längst zum diagnosti-
schen Rüstzeug des Arztes gehört, hat die intrastemale Trans-
fusion erst in den letzten Jahren Bedeutung erlangt. Oft genpg
kommt der Arzt in die Lage, rasch transfundieren zu müssen,
obwohl der intravenöse Weg versperrt ist. Besonders bei grö-
ßeren lebensbedrohlichen Blutverlusten, bei septischen Erkran-
kungen, bei kleinen, kollabierten oder thrombosierten Venen
und bei Narkosen ist dann die intrastemale Infusion bzw.
Transfusion ein unersetzlicher Weg, dem Patienten rasch und
sicher Blut zuzuführen, ohne zur Venenpunktion lange Zeit mit
dem Aufsuchen von Venen oder mit der häufig nur unter
Schwierigkeiten durchzuführenden Venae Sectio zu verlieren.
Die intrastemale Transfusion stellt nach zahlreichen Berich-
ten eine therapeutische Maßnahme allerersten Ranges dar
(Henning ', König und Dasnär 2, Heinrich 3, Römer *). Jedoch
sind in letzter Zeit Mitteilungen erschienen, die von Zwischen-
fällen und teilweise letal ausgegangenen Komplikationen be-
richten. Sie beruhen fast ausschließlich auf der Tatsache, daß
beim Einstechen der Kanüle der Markraum passiert und die
Lamina interna des Sternum durchstoßen wurde. Dabei kann
die Nadel die großen Gefäße oder den Herzbeutel 'verletzen
(Breitenacker 5) und damit zum Verblutungstode führen, oder
es kommt bei der Transfusion zum Hämoperikard und ;zur
Herzbeuteltamponade. Auch kann in den mediastinalen Raum
hineintransfundiert werden (Roer 6, Holldack Die meisten
Autoren machen für die Perforation des Sternum die beim Ein-
setzen der Kanüle aufgewendete Kraft verantwortlich. Wir
glauben aber, daß darüber hinaus trotz größter Vorsicht, also
auch beim Einstechen mit dosierter Kraft und Sicherung durch
die linke Hand, eine Perforation nicht absolut sicher zu ver-
meiden ist. Sie kommt wahrscheinlich zumeist indirekt zu-
stande, indem das dem Druck ausweichende Sternum beim Er-
reichen des Markraumes zurückschnellt und die Nadel unter
Umständen nicht nur den gesamten Markraum, sondern auch
die Tabula interna durchbohrt. Zudem hat Regenbogen (8) be-
195
richtet, daß es bei Osteoporose zu Splitterbrüchen des Sternum
kommen kann. Selbstverständlich ist auch damit die Gefahr
der Perforation verbunden. Sie kann also trotz aller Vor-
sichtsmaßnahmen nicht immer absolut sicher vermieden werden.
Die Firma B. Braun-Melsungen hat nunmehr ein Sternal-
gerät konstruiert, das besonders auch für die Transfusion ge-
eignet ist und eine Perforation der Tabula interna
mit Sicherheit ausschließt. Wir haben das Gerät seit
März 1948 in Gebrauch, und es soll über seine Anwendung
und unsere Erfahrungen damit berichtet werden.
Das Sternalgerät B. Braun-Melsungen dient zur Sternal-
punktion, zur intrasternalen Trans- bzw. Infusion und zur Ge-
winnung von Tupfpräparaten nachSeyfarth. Es besteht erstens
aus einer Metallplatte 8x3 cm, in deren Mitte sich ein fest-
stellbares Kugelgelenk befindet. Durch das Kugelgelenk führt
eine Gewindebohrung, in der die linksseitig scharf geschliffene
Einstichkanüle verstellbar läuft. In die Kanüle paßt ein im
Spitzenschliff mit der Spitzenform der Nadel übereinstimmend
feststellbarer Mandrin. Der zweite Teil des Gerätes besteht
in einer Bohrkanüle aus besonders gehärtetem Stahl, die den
zur Leberpunktion verwendeten Kanülen vergleichbar ist. Ihr
Kaliber ist in das der Einstichkanüle eingepaßt. Sie ist jedoch
um 3,5 mm länger als diese und an ihrem unteren Ende tre-
phinenförmig gezahnt. Die oberen Enden der Einstich- und
Bohrkanüle tragen jeweils einen geriffelten Ansatz. Die Boh-
rungen der Kanülenansätze entsprechen in ihrem Lumen dem
Konus des winkelförmigen Glaszwischenstückes, jedoch ist
mittels des beigegebenen Reduzierzwischenstückes ein abso-
lut dichter Ansatz von Rekordspritzen möglich. Bei Trans-
fusionen, zu denen wir das Transfusionsgerät B. Braun-Mel-
sungen (Dreiwegehahnsystem) verwendet haben, wird die Olive
des beigegebenen Glaswinkelstückes mit dem zuführenden
Schlauchende verbunden und das Schliffende in die Einstich-
kanüle eingesetzt. Das Gerät ist aus Stahl gefertigt und voll-
ständig verchromt bzw. mit innen polierten Kanülen aus rost-
sicherem Stahl ausgestattet. Es kann daher ohne weiteres in
der üblichen Weise durch Auskochen sterilisiert werden.
Die Konstruktion des Gerätes hat sich nach den anatomischen
Gegebenheiten des Sternum gerichtet. Aus ihnen ergibt sich
auch die praktische Durchführung der Transfusion. Das Durch-
bohren des Sternum geschieht zweckmäßig in der Mittellinie
des 2., 3. oder 4. Intercostalraumes. Ein tieferer Zwischen-
rippenraum soll nicht gewählt werden, weil seine Abgrenzung
196
Abb. 1: Gesamtansicht
Metallplatte 8X3 cm mit feststellbarem Kugelgelenk.
Einstichkanäle mit Gewinde und Rändelansatz.
Mandrin mit Raste zum Feststellen.
Bohrkanüle mit Mandrin.
Reduzierzwischenstück zum Ansatz von Rekordspritzen.
Glaswinkelstück zur Verbindung des Einstichkanülen-An-
satzes mit dem zuführenden Schlauch des Transfusions-
apparates.
infolge des schrägen Ansatzes der unteren Rippen oft schwierig
ist. Der Markraum stellt beim Erwachsenen einen einheitlichen
Raum dar, doch können gelegentlich die beim Kind in Höhe
der Rippenansätze bestehenden Knorpelfugen fortbestehen und
so den Markraum in einzelne Abschnitte unterteilen. Zunächst
wird die Einstichstelle rasiert und desinfiziert. Sodann erfolgt
die Lokalanaesthesie mit etwa 2 ccm 2°/oiger Novocain-Supra-
reninlösung (bzw. Novutox der Firma B. Braun-Melsungen)
fortschreitend* in die Tiefe. Dabei muß auf die subperiostale
Infiltration geachtet werden. Man liegt sicher subperiostal,
wenn man mit der Nadel auf den Knochen aufstößt und die
Nadelspitze auf dem Knochen knirscht. Nunmehr legt man
die Platte probeweise auf und orientiert sich über ihre Lage
zum Sternum, die durch die Rippenansätze bestimmt wird.
Mittels des Kugelgelenkes wird der Winkel zwischen Platte
und Einstichkanüle so eingestellt, daß die Einstichkanüle senk-
recht auf das Brustbein treffen wird. Die Weichteile über dem
Brustbein werden palpiert, und dann wird die Einstichkanüle
vermittels des Gewindes in ihrer Länge so eingestellt, daß der
Knochen beim Aufsitzen der Platte auf der Haut gerade er-
reicht wird. Das Einstellen nimmt man zweckmäßig erst nach
der Anaesthesie vor, da sich die Gewebsdicke über dem Ster-
num durch die Infiltration ändert. Nun faßt man das Gerät am
Gelenk über der Platte und sticht ein. Entsprechend der Ein-
stellung sitzt die Kanülenspitze genau senkrecht auf dem
Knochen, wenn die Platte fest aufliegt (Abb. 2 a). Die Platte
a MetaJJßlatte, h Haut, e Gewehe, d Lamina externa, e Marliraum, f Lamina interna
wird mit zwei Heftpflasterstreifen fixiert. Nun wird der Man-
drin entfernt und die Bohrkanüle eingesetzt. Unter leichtem
Druck dreht man die Bohrkanüle an ihrem Rändelansatz. Da-
durch wird die Lamina externa kreisförmig durchsägt (Abb. 2b).
Wenn die Bohrkanüle mit ihrem Rändelansatz auf dem Rändel-
ansatz der Einstichkanüle aufsitzt, liegt sie im Markraum. Die
Bohrkanüle ist um 3,5 mm länger als die Einstichkanüle. Da
die Lamina externa eine Stärke zwischen 0,5—2 mm besitzt,
der Markraum aber eine Tiefe von 5—15 mm hat, kann die
Lamina interna keinesfalls angebohrt werden, wäh-
rend der Markraum mit Sicherheit erreicht wird.
Jetzt wird die Einstichkanüle um 3—3,5 mm nachgedreht; dies
entspricht etwa 4—6 Umdrehungen. Da die linke Seite der
Kanülenspitze scharf geschliffen ist, gelingt das Eindrehen
schonend und ohne jede Schwierigkeit. Zweckmäßig fixiert
man beim Eindrehen der Kanüle die Platte durch leichten Fin-
gerdruck. Nunmehr liegt auch die Einstichkanüle im Mark-
raum (Abb. 2 c). Erst jetzt wird die Bohrkanüle herausgenom-
men. Sie darf nicht vor dem Eindrehen der Einstichkanüle ent-
198
fernt werden, weil sie der Einstichkanüle als Leitschiene im
Bohrkanal dient. Da das Kaliber der Einstichkanäle um ein
geringes stärker als das der Bohrkanüle ist, sitzt sie abso-
lut fest in der Kortikalis, ein Vorteil, der sich beson-
ders bei unruhigen Patienten und in der Narkose bemerkbar
macht. Ein „Aus-der-Vene-Gleiten“, wie man es gelegentlich
bei der intravenösen Transfusion erlebt, ist unmöglich. Zur
Punktion setzt man nunmehr die Record-Spritze mittels des
Reduzierzwischenstückes auf, aspiriert das Mark und verfährt
wie üblich.
Zur Transfusion hat man das Transfusionsgerät vorbereitet.
An den zuführenden Schlauch wurde das Glaswinkelstück an-
gesetzt. Es ermöglicht direkt am Einlauf die Kontrolle der
Infusions- bzw. Transfusionsflüssigkeit. Das Schlauchsystem
wurde luftleer gemacht und mit physiologischer Kochsalz-
lösung gefüllt. Das Schliffende des Glaswinkelstückes wird
auf die Einstichkanüle aufgesetzt. Es hat sich als zweckmäßig
erwiesen, bei der intrasternalen Transfusion eine oberfläch-
liche Narkose zu benutzen, da der Druck beim Einlaufen der
Flüssigkeit namentlich von sensiblen Patienten als recht unan-
genehmes Schmerzgefühl empfunden wird. Uns hat sich be-
sonders folgendes Verfahren bewährt: Nach dem Ansetzen des
Winkelstückes wird mit den ersten ccm Kochsalzlösung 1 ccm
SEE „schwach“ mit einer Spritze direkt in den Schlauch ge-
geben. Da die intrasternale Injektion der intravenösen ent-
spricht, kommt die schlagartig eintretende Wirkung dem Däm-
merschlaf gleich. Häufig besteht Amnesie. Wir haben zuerst
dem Empfänger das Gerät eingesetzt und gleich mit etwas
Kochsalzlösung SEE gegeben. Dann wurde die Kanüle dem
Spender eingestochen und an das Transfusionssystem ange-
schlossen. Meist ist in dieser Zeit die hypalgetische Wirkung
bereits eingetreten und die Transfusion kann zügig durchge-
führt werden. Rüther (9) hat den gleichen Effekt mit einigen
ccm Evipan intrasternal erreicht. Die Einlaufgeschwindigkeit
ist nach unseren Erfahrungen bei der intrasternalen Trans-
fusion nicht geringer als bei der intravenösen. Das Braunsche
Transfusionsgerät arbeitet mit einer 10 ccm Rekordspritze am
Dreiwegehahn. Sie entspricht etwa der Kapazität des Sternum.
Die Transfusionsflüssigkeit fließt über kleinste Anastomosen
recht rasch zu den Vv. mammariae internae hin ab, wie Hen-
ning (!) mit Kontrastmitteln röntgenologisch zeigen konnte.
Daher kann auch rasch gearbeitet werden. Eine darüber
hinausgehende Druckerhöhung, wie sie mit dem Gerät nach
199
Carriere-Meyer erreicht wird (9), halten wir nicht für erforder-
lich. Im Gegenteil, die intrasternale Druckerhöhung kann zur
grobmechanischen Zerstörung der feinen Spongiosastruktur
führen. Und gerade das soll ja vermieden werden. Wir haben
öfters den Anreiz der intrasternalen Transfusion auf das
erythropoetische System beobachten können. Eine Erhöhung
des hydrostatischen Druckes würde aber durch die Zerstörung
der Markstruktur den gegenteiligen Effekt hervorrufen. An-
dererseits ist durch das Volumen der Transfusionsspritze
sowie durch das Kaliber der Einstichkanüle die Gewähr ge-
geben, daß die Transfusion genügend rasch vor sich gehen
kann und eine Gerinnung nicht zu befürchten ist. Ein Zusatz
von Citrat oder Yatren ist also nicht erforderlich. Sollte die
Einstichkanüle durch Markteilchen verstopft sein, gibt der
Mandrin die Möglichkeit, die Durchgängigkeit unter der Trans-
fusion wieder herzustellen ohne eine Embolie befürchten zu
müssen, da die Spongiosa als Filter wirkt. Dies stellt einen
weiteren Vorteil gegenüber der intravenösen Transfusion dar.
Nach Beendigung wird die Schlauchleitung abgesetzt und das
Gerät aus dem Sternum herausgezogen. Die. Punktionsstelle
wird jodiert und mit einem Heftpflaster geschützt. Meist be-
steht für die nächsten 24 Stunden ein geringer Druckschmerz
über dem Sternum, der mit Gelonida antineuralgica oder phn-
lichen Mitteln leicht zu unterdrücken ist.
Das in der Bohrkanüle sitzende Stückchen Knochenlamelle
mit Mark kann zu diagnostischen Zwecken verwendet werden.
Es wird mit dem Mandrin herausgestoßen und zu Tupfprä-
paraten nach Seyfarth (10) benutzt. Man faßt die Lamelle mit
einer anatomischen Pinzette an der Periostseite und drückt sie
serienweise auf einen gereinigten fettfreien Objektträger auf.
Man gewinnt damit einen guten Einblick in die Gewebsstruk-
tur. Jedoch muß beim Eindrehen der Bohrkanüle darauf ge-
achtet werden, daß langsam und nur in einer Richtung
gedreht wird. Rasches Hin- und Herdrehen hat die mecha-
nische Zerstörung des Gewebes zur Folge und bietet keine Ge-
währ für ein klares Strukturbild des Markes.
Die Konstruktion des Gerätes entspricht den anatomischen
Gegebenheiten des Brustbeines. Die Länge der Einstichkanüle
und das Kugelgelenk ermöglichen darüber hinaus auch die
Transfusion in andere Markhöhlen, so in die Tibia und in den
Beckenknochen. Von dieser Möglichkeit wird vor allem bei
Kindern wegen der geringen Stärke des Sternum Gebrauch ge-
macht. Aber auch bei Erwachsenen kann diese Möglichkeit
200
ausgenutzt werden, wenn der intrasternale Weg durch Ster-
numdeformitäten, Frakturen sowie Markerkrankungen ver-
sperrt ist. Wir haben das Gerät in der Zeit seit März 1948 in
der Hauptsache zur intrasternalen Transfusion benutzt. Zwi-
schenfälle haben wir in keinem Fall erlebt. Eine Gerinnung ist
niemals eingetreten. Sämtliche Transfusionen gingen rasch
und ohne Unterbrechung vonstatten. Die durchschnittliche
Transfusionszeit belief sich auf 12—15 Minuten bei einer durch-
schnittlichen Menge von 300—350 ccm Blut. Der feste Sitz
der Kanüle beim Empfänger macht eine Hilfsperson überflüssig,
da der Transfundierende sein ganzes Augenmerk auf das Über-
tragungsgerät und den Spender richten kann. In einem Fall
haben wir sogar eine Transfusion ohne Hilfsperson durchge-
führt, bei der der Transfundierende zugleich der Spender ge-
wesen ist. Wenn dies auch keinesfalls als Regel hingestellt
werden soll, so wird doch damit die Einfachheit und Sicherheit
des Verfahrens eindeutig demonstriert. Schäden haben wir
nicht gesehen. Dagegen haben wir den Eindruck gewonnen,
daß die intrasternale Transfusion einen erheblichen Reiz auf
das Knochenmark ausübt, stärker als die intravenöse Trans-
fusion. — In einem Falle hatten wir Gelegenheit, das Sternum
auf dem Sektionstisch zu sehen. Das Punktionsloch war scharf -
randig, wie ausgestanzt, ebenso war der Bohrkanal im Mark
scharf begrenzt. In der Kortikalis waren keine Fissuren auf-
findbar, und auch das Mark zeigte keinerlei mechanische Ver-
änderungen in der Umgebung des Bohrkanals.
Zusammenfassung:
Es wird über das Sternalpunktionsgerät B. Braun-Melsungen
berichtet, welches als absolut perforationssicher zu gelten hat.
Es hat sich besonders für die intrasternale Transfusion gut
bewährt.
Literatur ;
1. Henning, Dfsch. med. Wschr. 1940: 737; Chirurg 1942, 14: 325 und Verhdlg. d.
Kongr. f. Innere Med. 1942 52
2. König und Dasnär, Zbl. Chir. 1943: 27.
3. Heinrich, Chirurg 1942, 14; 335 und DMW 1943: 720.
4. Römer, Med. Kiin. 1946, 7: 144.
5. Breitenacker, Beitr. gerichtl. Med. 1943: 203.
0. Roer, Med. Klin. 1948, 2; 67.
7. Hoildack, Med. Klin. 1946, 23: 870.
8. Regenbogen, Med, Klin. 1947, 868.
9. Rüther, Gebhilfe und Frhkde. 1948, 8; 258.
10. Seyfarth, Fol. haematoi. 1927: 34.
201
Collafil
Referat aus Zbl. Chir. 75, S. 730—741
Collafil
Neue Möglichkeiten der Herstellung und Anwendung
eines resorbierbaren Nahtmaterials von absoluter Sterilität
Dr. Bernd Braun, Dr. Emil Braun und Dr. med. habil. Franz N i e d n e r
Die Autoren legen in dieser Arbeit ihre Ergebnisse über ein neues chirur-
gisches Nahtmaterial vor, welches jetzt unter dem Namen „Collafil“*) in
den Handel gebracht wird. Sie legen einleitend dar, wie die Geschichte der
Chirurgie von ihren Anfängen an bis heute mit der Frage des chirurgischen
Nahtmaterials verbunden ist. Da das bisherige Ausgangsmaterial für die Her-
stellung von resorbierbaren Fäden der Hammeldarm war, der von Natur aus
in hohem Grade unsteril ist, hat die Frage der Sterilisation bei der Katgut-
fabrikation immer eine hervorragende Rolle gespielt. Eine Unzahl von Steri-
lisationsverfahren ist vorgeschlagen und zum Teil angewandt worden.
1. Verfahren, die auf der bakteriziden Wirkung chemischer Elemente bzw.
organischer oder anorganischer Verbindungen beruhen.
2. Verfahren, welche die Keimtötung auf physikalischem Wege durch Be-
strahlung, sei es durch Ultraviolett-, Röntgen- oder neuerdings auch
durch Kathodenstrahlen bzw. durch Wärmeeinwirkung oder Ultraschall
zu erreichen versuchen.
3. Verfahren, die die beiden ersten in sich vereinigen und die bakterizid
wirkenden chemischen Elemente oder Verbindungen bei erhöhten Tem-
peraturen zur Anwendung bringen.
Die Autoren erörtern eingehend die Katgut-Fabrikation und ihre Fehler-
quellen. Sie stellen heraus, daß die Katgutfabrikation von einem Naturstoff
als Rohmaterial abhängig ist, der zum größten Teil aus Spanien, Portugal,
Australien oder USA importiert werden muß, da nur Hammeldärme dieser
Provenienzen zu einem befriedigenden Endprodukt führen. Die Bearbeitung
der Därme von der Schlachtung an über die Trocknung bis zum fertigen
Nahtmaterial wird ausführlich besprochen. Es wird darauf hingewiesen, daß
schon bei dieser Vorbereitung des Ausgangsmaterials für die Katgutfabri-
kation viele Fehlermöglichkeiten bestehen, die unter Umständen das Fertig-
produkt beeinträchtigen können.
Die Herstellung des neuen Nahtmaterials Collafil hat dagegen viele Vor-
teile, die von den Autoren herausgestellt werden. Als Ausgangsmaterial für
die Collafil-Herstellung werden die Beugesehnen von Rindern verwendet, die
unmittelbar nach der Schlachtung gesammelt und eingefroren werden und in
*) Hersteller: B. Braun, Melsungen.
1950
202
diesem Zustand bis zur Verarbeitung in Gefrierräumen gelagert werden.
Diese Sehnen sind von Natur aus steril. Die Vermehrung einer Eigenflora wie
beim Darm kommt hier also nicht in Betracht.
Vor der weiteren Verarbeitung werden die Sehnen auf getaut, mit bak-
teriostatisch wirkenden Agenzien versehen und sofort zerkleinert. Der Faser-
brei wird dann bis zum Freiwerden der einzelnen Fasern aus dem nativen
Zellverband aufgequollen und homogenisiert. Die so gewonnene homogene
Masse wird auf lange Transportbänder gegossen und in besonderen Kanälen
mittels bakterienfreier Luft getrocknet und dann zu 50 m langen Bändern
aufgespult. Aus diesen Folien werden Bändchen geschnitten und zu Fäden
gesponnen, die gegerbt und unter gewissen Kautelen getrocknet werden.
Die Elektronenbilduntersuchung dieser Collagenbänder zeigt, daß diese
aus einzelnen Collagenfasern bestehen, die eine ausgeprägte Querstreifung
aufweisen. Die Fasern sind etwa 0,3 F breit, der Abstand der Querstreifen
beträgt 550—600 AE. Auffallend ist ferner, daß die einzelnen Fasern zum
Teil miteinander verzahnt sind. Sie laufen bevorzugt in einer Richtung und
liegen nur gelegentlich an der Oberfläche kreuz und quer. Die Folie besteht
nur zu einem verschwindend kleinen Teil aus strukturloser Substanz.
Die gesponnenen und gegerbten Fäden werden auf Spulen gewickelt, in den
üblichen Kippflaschen sterilisiert und in dieser Form in den Handel gebracht.
Bei der ganzen Fabrikation bleibt die Berührung mit der menschlichen
Hand ausgeschlossen. An Arbeitsräume und Personal werden die höchsten
hygienischen Anforderungen gestellt, sodaß der Rohfaden nur mit Bakterien
infiziert sein kann, die aus der Luft aufgefallen sind. Während des Arbeits-
prozesses wird der 50 m lange knotenfreie Faden in seiner ganzen Länge
maximal belastet, wodurch gleichzeitig eine Prüfung seiner Zugfestigkeit
stattfindet.
Durch das Herauslösen der kollagenen Faser aus ihrem nativen Zell-
verband wurde die Verdaubarkeit des Fadens durch peptische, tryptische und
katheptische Fermente wesentlich gesteigert, sodaß ein derartiger Faden in
2—3 Tagen bereits im Körper völlig resorbiert war und in der Wunde nur
24 Stunden einer gewissen Zugbeanspruchung standhielt. Es war deshalb
notwendig, den Faden zu härten bzw. zu gerben, um dadurch eine Resorp-
tionsverzögerung im Gewebe zu erreichen.
Durch Erprobung in zahlreichen Tierversuchen und Anlage von Haut-
nähten beim Menschen gelang es im Laboratorium der Fa. B. Braun, Mel-
sungen, ein Chromgerbverfahren auszuarbeiten, welches die Autoren in die
Lage versetzte, dem Faden jede gewünschte Resorptionsdauer zu geben. Durch
pharmakologische Versuche ist erwiesen, daß die geringen Mengen an drei-
wertigem Chrom, die damit in den Körper gebracht werden, völlig unschäd-
lich sind. Es ist ja auch bekannt, daß in den USA und in anderen Län-
dern mit großer Vorliebe chromgegerbtes Nahtmaterial verwendet wird. Einst-
weilen wurde das Gerbungsverfahren so eingestellt, daß ein Faden resultierte,
203
welcher die gleiche Haltbarkeit nach der Versenkung im Körper hat wie
Steril-Katgut-Kuhn, nämlich 7—10 Tage.
Das Verhalten der Collafilfäden im Vergleich zu Katgutfäden wurde in
zahlreichen Tierversuchen genauer geprüft, die von den Autoren im Original
ausführlich beschrieben wurden.
Besonders interessant sind die histologischen Veränderungen während der
Resorption.
Diese vollzieht sich in der folgenden Weise: In den ersten 24—36 Stunden
liegt der Faden anscheinend reaktionslos im Gewebe. An den beiden fol-
genden Tagen sind leichte Entzündungserscheinungen zu beobachten. Die Ge-
fäße erweitern sich, um den Faden bildet sich ein Mantel einer serösen
Flüssigkeit, die ihn zum Aufquellen bringt und in die allmählich aus den
Gefäßen Leukozyten einwandern, so daß sich um den Faden herum ein Leuko-
zytenmantel bildet.
Wie beim Kaninchen und Hund beobachtet werden konnte, ist nach 1—4
Monaten die Resorption des Fadens im Gewebe so weit fortgeschritten, daß
oft nur noch Fadentrümmer im histologischen Bild sichtbar sind. In das Re-
sorptionsfeld wandern Bindegewebsfibrillen ein, die zu einer feinen histo-
logisch nachweisbaren Narbenbildung führen.
Bei den Untersuchungen über die Resorption des Collafil hat auch die
Frage interessiert, welches Ferment die Resorption des Kollagens bewirkt.
Zur Klärung dieser Frage wurde zunächst einmal festgestellt, welche pH-Werte
in dem Resorptionsfeld auftreten. Hierbei wurde nach der Indikatoren-
methode von Häbler verfahren, indem die pH-Werte eingenähter Fäden im
Vergleich zu Pufferlösungen mit den Indikatoren Methylrot, Bromkresolgrün
und Bromthymolblau geprüft wurden. Es ergaben sich sowohl beim Kanin-
chen wie auch beim Hund bei Fäden, die 4—6 Tage im Gewebe lagen, pH-
Werte von etwa 6,7.
Bei der Sterilisation des Collafil wurde beobachtet, daß dieses sich den
chemischen Sterilisationsmitteln gegenüber ganz anders verhält als das Kat-
gut. Während chemische Sterilisationsmittel teilweise die Zugfestigkeit des
Katgutfadens stark herabsetzen, wird durch sie die Zugfestigkeit des
chromgegerbten Collafil nicht im negativen Sinne beeinflußt. Man könnte
daran denken, daß das Chrom im Collafil Reaktionsstellen besetzt, die beim
Katgut Angriffspunkte für eine chemische Bindung mit gewissen Sterilisa-
tionsmitteln bilden, die sich ungünstig auf die Zugfestigkeit auswirkt. Zur
Sterilisation des Collafil können daher Verbindungen angewendet werden,
die eine viel höhere bakterizide Wirkung haben als die bisher beim Katgut
angewandten Mittel, ohne daß die Zugfestigkeit oder die Resorption des
Fadens beeinflußt wurde.
Im Laboratorium der Fa. B. Braun wurde ein jodfreies Sterilisationsver-
fahren ausgearbeitet, das sich in tausenden von Untersuchungen als absolut
zuverlässig erwiesen hat und einen Faden liefert, der den Anforderungen an
204
Sterilität des DAB 6 im vollsten Sinne des Wortes entspricht. Laufende Kon-
trollen und Untersuchungen im Hygienischen Institut der Universität in Mar-
burg und im Hygiene-Institut der Städtischen Krankenanstalten Lübeck haben
immer wieder die Sterilität des Fadens bestätigt.
Was die Zugfestigkeit des Collafil anbelangt, so werden in dieser Be-
ziehung die Anforderungen, die beispielsweise an Katgut gestellt werden,
durch dieses neue Nahtmaterial mit weitem Abstand übertroffen.
Die Zugfestigkeits-Istwerte sind wesentlich höher als die Zugfestigkeits-
Sollwerte im Knoten gemäß der britischen und der amerikanischen Pharma-
kopoe bei den verschiedenen Katgutstärken.
Nachdem dargelegt worden war, daß der Collafilfaden die 3 Grund-
forderungen für ein chirurgisches Nahtmaterial; Sterilität, Zugfestigkeit, an-
gemessene Resorbierbarkeit erfüllt, wird betont, daß dieser neue Faden noch
besondere Eigenschaften hat, die ihn für die praktische Anwendung als be-
sonders geeignet erscheinen lassen. Die Oberfläche des Fadens ist völlig glatt,
sodaß beim Durchziehen durch das Gewebe keine Schädigung des letzteren
durch Herausreißen von Zellen aus dem Zellverband erfolgt.
Trotz der glatten Oberfläche sitzen jedoch die Knoten des Fadens außer-
ordentlich fest, was durch einen in einer Abbildung dargestellten sinnreichen
Versuch mit einem Laminariastift nachgewiesen wird. Während beim Katgut
die Trockenzugfestigkeit größer ist als die des nassen Fadens, liegen beim
Collafil die Verhältnisse umgekehrt. Die Knotenreißfestigkeit von Collafil ist
im nassen Zustand größer als im trockenen.
Die Autoren berichten anschließend über die klinische Erprobung des
neuen Nahtmaterials Collafil, die in der Zeit vom Oktober 1948 bis Februar
1950 bei etwa 800 Operationen durchgeführt wurde. Nach anfänglichen
Schwierigkeiten gelang es in Zusammenarbeit der Klinik mit dem Labora-
torium der Firma B. Braun, das Collafil in einer Weise herzustellen, die alle
gestellten Anforderungen erfüllte.
Bei der Prüfung im menschlichen Gewebe konnten die Ergebnisse der
Tierversuche hinsichtlich der langsamen Resorption des Fadens bestätigt wer-
den. Die Hautnähte mußten zur gegebenen Zeit durchschnitten und entfernt
werden. Auch dort, wo sie 10—11 Tage lagen, hatten sie noch genügend
Zugfestigkeit. Es wurden daraufhin geringere Fadenstärken als vorher ver-
wandt, außerdem wurde Collafil an unter Spannung stehenden Hautnähten,
z. B. Mammaamputationen, erprobt, ohne daß es zu Komplikationen und
Nahtdehiszenzen gekommen wäre.
Auf Grund dieser Verbesserungen konnte der Versuch unternommen wer-
den, für Wochen als Nahtmaterial im Operationsbetrieb ausschließlich Colla-
fil zu verwenden. Lediglich Unterbindungen und Nähte der großen Gefäße
und des Bronchus und Nähte an Gehirn, Dura und Nerven wurden ausge-
nommen. Bei diesen Versuchen ergaben sich folgende Tatsachen:
a) Bei der Hautnaht machte das Collafil von sämtlichen organischen
Fäden die wenigsten Reizerscheinungen. Die Sekretion und Bildung von
Granulationsgewebe in den Stichkanälen war unbedeutend, die Markierung
der Stichkanäle nach Entfernung der Fäden deshalb geringer, als bei an-
derem Fadenmaterial gleicher Stärke. Aus diesem Grunde konnte Collafil
auch dort verwendet werden, wo auf eine kosmetisch einwandfreie Narbe
Wert gelegt wurde.
Die Haltbarkeit des Collafil war groß genug, um es bei unter Spannung
stehenden Hautnähten verwenden zu können. Auch wenn die Fäden 14 Tage
lagen, wurden Sticheiterungen nicht beobachtet.
b) Bei Umstechungen zeigte sich der Collafilfaden glatt genug, um nach
dem hier üblichen zweimaligen Durchstechen des Gewebes leicht hin-
und her- und angezogen werden zu können. Nachteilige Beobachtungen hin-
sichtlich der Haltbarkeit von Unterbindungen und Muskelnähten wurden
nicht gemacht.
c) Bei Faszien- und Sehnennähten bewährte sich das Collafil ebenso wie
bei Gelenkplastiken, bei letzteren vor allem deshalb, weil es wegen des festen
Sitzes des Knotens möglich war, die freien Fadenenden sehr kurz abzu-
schneiden.
d) Von den Organnähten sind die Lungennähte bei segmentaler Resek-
tion besonders zu erwähnen, weil dabei die Sicherheit der Naht leicht nach-
zuprüfen ist. Eine Nahtinsuffizienz trat in keinem Falle auf.
e) Für Schleimhautnähte und Anastomosen am Verdauungstrakt wurde .
Collafil in den Stärken 00 und 000 verwendet. Weder bei den besonders ge-
fährdeten Ösophagogastrostomien nach Ösophagusresektion, die wegen
schlechter Blutversorgung und mangelnden Serosaüberzuges des Ösophagus
eine besondere Zuverlässigkeit der Schleimhautnaht verlangen, noch am
Duodenalstumpf, den Anastomosen zwischen Magen und Dünndarm und bei
End-zu-End-Anastomosen des Kolon wurde eine Insuffizienz beobachtet. Da
nach Magenresektionen grundsätzlich eine Magensonde gelegt wird, ließ sich
die Haltbarkeit des fortlaufenden Fadens der Schleimhautanastomose am Blut-
gehalt des abgesaugten Magensaftes kontrollieren. In keinem Falle wurden
Anzeichen für dessen vorzeitige Auflösung gefunden.
f) Während wir früher für die unter Spannung stehende Naht der
Brustwand nach intrathorakalen Operationen ausschließlich starke Perlon-
fäden benötigten, wurden von dieser Zeit an nur noch 3 Perlonfäden, im
übrigen Collafil genommen. Auch diese Nähte hielten und heilten ein, ob-
wohl sie in der Pleurahöhle frei oder von Exsudat umspült lagen.
Zu bemängeln war lediglich die Ringelung des Fadens, ein Nachteil,
der das Fadenfassen beim schnellen Operieren erschwerte*). Er wurde wett-
*) Siehe jedoch die weiter unten gemachten Angaben über die Aufhebung dieses
Mißstandes nach Abschluß dieser Arbeit.
gemacht dadurch, daß der erste Knoten sich nicht mehr lockerte und auch
unter Spannung nur 2 Knoten nötig waren.
Nach einer länger als ein Jahr dauernden klinischen Prüfung und
mehrfacher Verbesserung wurde Anfang Dezember 1949 das neue Nahtmate-
rial in seiner endgültigen Beschaffenheit geliefert und in den Städtischen
Krankenanstalten in Lübeck während des letzten Vierteljahres in großem
Maßstabe erprobt. Hierbei wurden folgende Eigenschaften des Collafil fest-
gestellt :
1. Die Zugfestigkeit ist größer als die des Katgut. Sie erlaubt die An-
wendung eines dünneren Fadens, der jeweils um einen Grad unter der üb-
lichen Stärke des Katgutfadens liegt.
2. Der in Spezialflasthen gelieferte Faden ist zwar um ein Geringes
rauher als Katgut, ist jedoch glatt genug, um beim Durchziehen auch durch
empfindliches Gewebe dieses weder einzureißen noch zu schädigen.
3. Der Faden ist etwas weniger elastisch und geschmeidig als Katgut,
läßt sich jedoch gut knüpfen. Er gleitet in der mit Fett oder Blut bedeckten
Hand nicht so stark wie Katgut.
4. Die Gefahr der nachträglichen Lösung der Knoten wie bei synthe-
tischen Fäden besteht nicht. Da die Oberfläche des Fadens weither als die
des Katgut ist, schnüren sich die Schlingen fester ineinander als bei diesem,
so daß ein einfacher Doppelknoten, auch wenn er kurz abgeschnitten ist, sicher
hält. Durch die Weichheit seiner Oberfläche ist Collafil etwas empfindlicher
als Katgut gegenüber mechanischer Beanspruchung durch Kratzen und Rei-
ben an rauhen und scharfkantigen Gegenständen.
5. Gegenüber Katgut besteht der Vorteil, daß Collafil ein durchgehender
Faden ohne Knoten ist, und daher ohne Abfälle verbraucht werden kann.
6. Der Faden ist jodfrei und daher ausnahmslos verträglich. Die Chrom-
gerbung bedingt keinerlei Störungen. Nach den Erfahrungen in den USA, wo
vorwiegend chromgegerbtes Nahtmaterial verwendet wird, ist sie vorteilhaft.
Schlechte Einheilung und Abstoßung dieser Fäden wurden nicht beobachtet,
ebenso traten keine Fremdkörpergranulome auf. Im Gegenteil muß die
Verträglichkeit und Reizlosigkeit des Collafil, welche die des Katgut weit
übertrifft, betont werden.
7. Weder in klinischen noch in Laboratoriumsversuchen wurde eine Un-
sterilität des Collafil beobachtet.
8. Collafil wird vollständig vom Organismus resorbiert. Die Resorptions-
geschwindigkeit entspricht der des Katgut.
9. Collafil kann als Einzelnaht oder fortlaufende Naht an Organen der
Brust- und Bauchhöhle, und für Schleimhautnähte bei Anastomosen wie Katgut
verwendet werden. Insuffizienzen dieser Anastomosen und Nähte wurden nicht
beobachtet, ebensowenig Heilungsstörungen. Es kann für sämtliche versenkten
Nähte und Unterbindungen kleinerer Gefäße angewendet werden. Bei Nähten
unter großer Spannung empfiehlt sich die übliche Verstärkung durch syn-
thetische Fäden.
10. Collafil hat sich bei der Hautnaht bewährt. Da die Stichkanäle
reizlos bleiben und bei rechtzeitiger Entfernung des Fadens schnell unsicht-
bar werden, ist es auch zu gebrauchen, wo auf ein kosmetisch gutes Ergebnis
Wert gelegt wird. Wegen der Weichheit seiner Oberfläche schneidet Collafil
bei unter Spannung stehenden Hautnähten kaum ein, hat aber die genügende
Haltbarkeit, diese Wunden bis zur Heilung exakt zusammenzuhalten.
Zusätzliche Bemerkungen:
Seit Erscheinen dieser Arbeit ist Collafil in zahlreichen Kliniken weiterhin
ausprobiert worden. Es hat in vielen Fällen Eingang in die Operationssäle
gefunden und das bisherige Katgut ersetzt. Aus dieser größeren chirurgischen
Praxis haben sich, wie bei jedem neuen Präparat, noch einige Beanstandungen
ergeben, auf die hier eingegangen werden soll. Zuerst wurde beanstandet, daß
Collafil gegenüber dem Katgut eine größere Drahtigkeit besitzt, wodurch der
Faden die Tendenz hatte, seine Aufbewahrungsform zu erhalten und stark
zu ringeln. Diese Ringelung wurde vor allen Dingen bei tiefen Operationen von
manchen Chirurgen oft als hinderlich empfunden, da sie die Übersicht über
das Operationsfeld beeinträchtigt.
Durch eine Verbesserung des Verfahrens ist es jedoch bald gelungen, die-
sen Fehler abzustellen. Der Faden hat jetzt die gleiche Geschmeidigkeit wie
Katgut. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Faden, wenn er der Flasche
entnommen ist, genau so wie Katgut, vor dem Einfädeln in die Nadel kurz
zu strecken ist, indem man in jede Hand ein Ende des Fadens nimmt und
kurz und kräftig zieht. Durch diese Streckung verliert er die durch die Auf-
bewahrungsform bedingte Ringelung und bietet keinerlei Schwierigkeiten bei
der Naht mehr. Ein einfaches Durchziehen des Fadens durch die gummi-
behandschuhte Hand führt jedoch nicht zum Ziel und gefährdet höchstens
nur die Asepsis. Durch die größere Geschmeidigkeit, die der jetzige Collafil-
Faden besitzt, hält er auch im Deschamp und rutscht nicht mehr heraus.
Bei der Knotentechnik des Collafils hat sich folgendes gezeigt: der Collafil-
Faden unterscheidet sich in seiner Struktur gegenüber dem aus der Submu-
cosa des Dünndarms bestehenden Katgut dadurch, daß seine collagenen Fa-
sern, aus dem nativen Verband der Sehne herausgelöst, etwas kürzer sind,
als die noch im nativen Gewebe der Submucosa vorhandenen Fasern. Dadurch
ist der Faden unter gewissen Bedingungen im Knoten empfindlicher als das
Katgut, obwohl er, physikalisch gemessen, eine weit höhere Zugfestigkeit
besitzt. Wird jedoch die in allen Lehrbüchern der Chirurgie beschriebene
Knotentechnik des einfachen Weiberknotens, des Schifferknotens oder des
chirurgischen Knotens angewandt, so daß die Knotenschlingen, wie in Abbil-
dung 1 dargestellt ist, parallel übereinander liegen, so besitzt der Faden eine
Abbildung 1
weit höhere und gleichmäßigere Zugfestigkeit als das Katgut. Werden aber die
Knotenschlingen, wie in Abbildung 2 dargestellt ist, nicht parallel gelegt, son-
dern das eine Ende des Fadens um das andere herumgeschlungen, so besteht
vor allen Dingen bei ruckartigem Anziehen leicht die Gefahr, wie aus
Abbildung 2 auch klar zu ersehen ist, daß der Faden abgesehen wird. Öfters
Abbildung 2
209
wird in der Praxis die erste Knotenschlinge parallel gelegt, wie in Abb. 1
dargestellt, und die 2. Schlinge nach der in Abbildung 2 dargestellten Me-
thode geknüpft. Hieraus ist die Beanstandung erklärlich, daß der Faden nach
der 2. Schlinge im Knoten weniger halte als nach der ersten.
Wenn auch für manche Chirurgen der Gebrauch des Collafils eine gewisse
Umstellung in der Knotentechnik bedeuten dürfte, so wird dieser Nachteil
jedoch weitgehend aufgehoben durch die in der obigen Arbeit beschriebenen
Vorteile, die Collafil gegenüber dem Katgut bietet.
210
1954
Die modernen Kunststoffe und ihre Anwendung
in der Chirurgie
Die modernen Kunststoffe und ihre Anwendung
in der Chirurgie
von Dipl. Chemiker u. Dr. med. B. Braun, Melsungen
Von früh an haben dem Menschen für seine kulturellen Bedürfnisse die
ihm in der Natur gebotenen Rohstoffe nicht genügt, und er war stets bestrebt,
sie zu verbessern bzw. durch andere künstlich geschaffene Stoffe zu ersetzen.
Aus diesem Bestreben heraus entwickelten sich in der Geschichte der Mensch-
heit die verschiedenen Epochen, die wir als Bronze- und Eisenzeit usw.
bezeichnen. Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte bahnt sich nun durch den
Fortschritt der modernen Chemie eine neue Entwicklungsepoche an, die
wir als die der chemischen Kunststoffe bezeichnen können.
Wenn man früher unter Kunststoffen Gegenstände aus Glas, Porzellan
oder Metall verstand, so hat das Wort Kunststoff in neuerer Zeit eine
Begriffsverengung erfahren. Man versteht heute darunter ganz oder teil-
weise synthetisch hergestellte hochmolekulare organische Stoffe, die aus mono-
molekularen organischen Verbindungen zusammengesetzte Riesenmoleküle
darstellen und in der Hauptsache die Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff,
Sauerstoff, Stickstoff, Chlor und neuerdings auch Silizium und Fluor enthalten.
Durch die grundlegenden Arbeiten von E. Fischer, K. Freudenberg,
K. H. Meyer und H. Mark und vor allen Dingen durch Staudinger wurden
die Grundlagen für die Entwicklung dieses wichtigen Arbeitsgebietes der
modernen Chemie geschaffen. Während die bisher hergestellten chemischen
organischen Verbindungen Molekülgrößen im Bereich dreistelliger Zahlen
zeigten, findet man bei den modernen Kunststoffen Molekülgrößen bis zu
siebenstelligen Zahlen.
Staudinger bezeichnete diese Riesenmoleküle erstmalig als makromole-
kular und diese Bezeichnung ist heute international eingeführt.
Es gelang Staudinger, die Konstitution einer großen Anzahl derartiger
hochmolekularer Verbindungen zu erforschen und zu zeigen, daß durch
Polymerisation oder Kondensation lineare Kettenmoleküle entstehen, die in
sehr starker Vergrößerung fadenartige Gebilde darstellen.
Werden diese Ketten nun an bestimmten Verzweigungspunkten durch
Brücken verbunden, so bilden sich Netze, die entsprechend eng- und weit-
maschig sein können. Die physikalischen Eigenschaften dieser Verbindungen
werden durch die jeweilige Konstitution bestimmt und es hat sich ergeben,
daß reine Ketten-Moleküle, d. h. also solche ohne jede Vernetzung harte
oder weiche sog. Thermoplasten bilden, d. h. Stoffe, die bei normaler
Temperatur fest sind, jedoch bei erhöhter Temperatur klebrig weich wer-
den. Ist jedoch eine Vernetzung der Kettenmoleküle vorhanden, so ent-
211
stehen bei geringgradiger Vernetzung Stoffe gummiartiger Elastizität, die
durch Wärme nicht beeinflußt werden, bei dichter Vernetzung harte, un-
schmelzbare Massen.
Diese hochmolekularen synthetisdi darstellbaren Kunststoffe haben in
ihrer Konstitution große Ähnlichkeit mit den wichtigsten Naturprodukten
wie Kautschuk, Cellulose und Eiweiß, so daß man neben der rein synthe-
tischen Darstellung auch auf diese Produkte in der Großfabrikation zurück-
greift und darauf bedacht ist, die natürlichen Riesenmoleküle fraktioniert
abzubauen und eine teilweise konstitutionelle Veränderung in dem Sinne
vorzunehmen, daß unvernetzte oder wenig vernetzte lineare Ketten-Verbin-
dungen entstehen, die Fasereigenschaften besitzen und als Kunststoff-Faser
in der Textilindustrie ihre große Bedeutung haben.
So entstanden im Anfang dieses Jahrhunderts aus der natürlichen Cellu-
lose die künstliche Zellwolle, die jahrzehntelang in der Textil-Industrie die
führende Bedeutung hatte, und die erst in letzter Zeit immer mehr durch die
reinsynthetischen Fasern NYLON oder PERLON, bzw. ORLON oder PAN
abgelöst wird, da diese Fasern physikalische Eigenschaften haben, die allen
Naturprodukten weit überlegen sind.
Durch die schon oben erwähnten engen konstitutionellen Beziehungen,
die diese hochmolekularen Kunststoffe zu den Naturprodukten haben, lag
es ja auf der Hand, sie auch in die Medizin einzuführen.
Als erster hochmolekularer Kunststoff stand mir 1931 für diese Zwecke
der von den Alexander Wacker-Werken, München, hergestellte Polyvinyl-
Alkohol zur Verfügung.
In Zusammenarbeit mit seinen Erfindern Willy 0. Herrmann und W.
Hähnel versuchten wir folgende Anwendungsgebiete für die Medizin zu
erschließen:
1. in Form von Fäden als chirurgisches Nahtmaterial
2. in Form von Colloidzusatz für Blutersatzlösung
3. in Form von schwammartigen Gebilden als Lungenplomben
4. in Form von Folien als Faszienersatz
5. in Form von Röhren als Gefäßprothesen
6. in Form von kolloidalen Pasten als Depotunterlagen für therapeutisch
wirksame Mittel
7. in Form von flüssigen sich erhärtenden Pasten als Pflasterersatz und
zur Versteifung von Verbänden.
Leider erwies sich jedoch der Polyvinylalkohol für die meisten Zwecke
als nicht geeignet und bewährte sich im Laufe der klinischen Erprobung
nur als Augenplombe nach Enucleatio bulbi, die Thiel zuerst prüfte, und
die an vielen Augenkliniken im Laufe der Jahre sich bestens bewährt hat.
Die Vorteile dieser Polyviol-Augenplomben beruhen auf der Eigenschaft,
daß Polyvinylalkohol durch Zusatz von Kongorot eine muskelähnliche ela-
stische Masse bildet, deren Konsistenz man durch den Kongorot-Zusatz
212
von dünnflüssiger geleeartiger bis zu hartgummiähnlicher Form variieren
kann. Diese Plomben kommen steril, gebrauchsfertig in Kugelform in den
Handel und liegen bei einer großen Anzahl von Patienten seit mehr als
20 Jahren ohne irgendwelche Gewebsreizungen in der Augenhöhle.
Ein anderes Derivat des Polyvinylalkohols, das von Reppe 1941 dar-
gestellte Polyvinylpyrrolidon, zeigte gegenüber dem Polyvinyl-
alkohol die gewünschten Eigenschaften eines kolloidalen Körpers als Plasma-
substitut. Es wird synthetisiert, indem das monomere Pyrrolidon aus
Acethylenformaldehyd und Ammoniak über eine Reihe von Folgestufen auf-
gebaut und dann zu dem hochmolekularen Körper polymerisiert wird.
Durch Weese wurde seine Eignung als Plasmasubstitut bestätigt und
seit 10 Jahren ist es in einer großen Anzahl von Fällen unter der Bezeichnung
Periston mit gutem Erfolg klinisch verwendet worden.
Im POLYVINYLCHLORID, technisch kurz PVC genannt, wurde durch
Synthese des monomeren Vinylchlorids eine weitere hochmolekulare Ver-
bindung gefunden, die vor allen Dingen auch tedmisch eine außerordentlich
große Anwendung gefunden hat.
PVC ist von harter Konsistenz, kann aber durch Zusatz geeigneter
Weichmacher in seiner Härte sehr stark beeinflußt werden und findet wegen
seiner chemischen Resistenz in der Medizin vor allen Dingen in Form von
schlauchartigen Gebilden Anwendung. Daraus hergestellte Katheter, Drains,
Intubationsrohren, Kapillaren und Magen- und Darmsonden werden im
Ausland seit Jahren in großen Mengen gebraucht und haben die entsprechen-
den Gummiartikel vor allen Dingen deshalb verdrängt, weil sich PVC im
Gegensatz zu dem schwefelhaltigen Gummi im Gewebe reizlos verhält,
transparent und billiger ist. Wegen ihres niedrigen Preises werden PVC-
Schläuche besonders zur Herstellung von Infusions- und Transfusionsgeräten
für einmalige Verwendung benutzt.
Im Gebrauch ist bei der Sterilisation die thermoplastische Eigenschaft
insofern zu berücksichtigen, als diese Schläuche in der Form und Lage
sterilisiert werden müssen, in der man sie später verwenden will, d. h. sie
dürfen im Autoklaven nicht durch Gewichte belastet oder geknickt werden,
sondern werden plan eingelegt und erst nach Abkühlung dem Autoklaven
wieder entnommen. Infolge der Geschmeidigkeit als feinlumige Kapillaren
finden sie weitgehende Anwendung in der Venoflex-Apparatur, in der sie
durch entsprechende Kanülen in die Venen eingeführt werden und bei
Dauertropfinfusionen bis zu 14 Tagen und länger liegenbleiben können,
ohne den durch das Metall sonst bedingten Reiz auf die Gefäßintima aus-
zuüben. Auch zum Absaugen von Sekret aus den Bronchien während der
Intubationsnarkose finden Kapillaren verschiedener Durchmesser ausge-
dehnte Verwendung.
Ein anderer Kunststoff, der wegen seiner chemischen Unangreifbarkeit
und hydrophoben Eigenschaften in der Medizin Eingang gefunden hat, ist
das POLYÄTHYLEN. Er wurde erst während des Krieges in Deutschland
und England gleichzeitig entdeckt und durch Polymerisation des verflüssigten
Äthylens unter sehr hohem Druck und unter Zusatz kleinster Sauerstoff-
mengen dargestellt. Es ist eine paraffinartige, weißliche, sich fettig anfühlende
Masse, aus der im Spritzgußverfahren Schläuche, Röhren und Folien her-
gestellt werden können. Diese sind elastisch, dehnbar und transparent. In
kochendem Wasser erweichen sie und schmelzen bei 110°. Die Sterilisation
der aus Polyäthylen hergestellten Produkte kann also nur auf chemische
Weise erfolgen und wird am besten durch 24-stündiges Einlegen in eine
1—5 °/oige wäßrige Zephirollösung vorgenommen. Die Polyäthylenschläuche
werden, ebenso wie die PVC-Schläuche, zu Kathetern und Drains verarbeitet.
Beermann, Boston, führte zuerst Oesophagus-Prothesen aus Polyäthylen-
schläuchen ein, die nach seinen Veröffentlichungen und allerdings noch
wenigen deutschen Erfahrungen sich bisher bewährt haben. Der Einsatz der
Prothese vereinfacht die bisherigen Operationsmethoden am Oesophagus
durch Magenhochlagerung ganz wesentlich und schaltet die spätere Gefahr
der Stenosenbildung aus.
In der Versorgung großer Wundflächen nach Verbrennungen und nach
Entnahme von Hautlappen mit dem Dermatom hat Hegemann die Poly-
äthylenfolien wegen ihrer Wasserunempfindlichkeit als besonders geeignet
gefunden. Die Folie deckt die Wunde steril ab, verhindert ein Verwachsen
des jungen Granulationsgewebes mit der Auflage und ist ohne jede chemo-
taktische Wirkung.
Ein weiterer Kunststoff, der eine ausgedehnte Anwendung findet, ist
ein POLYAMID, das unter dem Namen NYLON in Amerika von der Firma
DuPont de Nemours, durch Polykondensation von Hexamethylendiamin-Adipat
und in Deutschland unter der Bezeichnung: PERLON, IGAMID oder
SUPRAMID von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik, Ludwigshafen,
durch Polymerisation von Caprolactam hergestellt wird. Die Polyamide
stehen dem Eiweiß in seiner Konstitution sehr nahe, und demzufolge sind
seine physikalischen Eigenschaften denen der natürlichen Eiweißstoffe Seide
und Wolle sehr ähnlich. Die aus ihm hergestellten Fasern übertreffen jedoch
die natürlichen Produkte durch größere Festigkeit, Geschmeidigkeit und
Elastizität und haben weiterhin den Vorteil, daß sie hydrophob sind und in
Wasser nicht aufquellen. Aus den Schmelzen der Polyamide kann man durch
Auspressen Borsten und Fäden jeglicher Stärke hersteilen. Diese Fäden
fanden sehr schnell wegen ihrer ausgezeichneten physikalischen Eigenschaften
und ihrer Gewebsverträglichkeit als nicht resorbierbares chirurgisches Naht-
material Verwendung, und zwar in drei verschiedenen Formen:
Zuerst als monofiler Faden, der sich jedoch wegen seiner Drahtigkeit
für versenkte Nähte nicht als brauchbar erwies, da die über dem Knoten
abgeschnittenen Fadenenden wie Stachel in das umliegende Gewebe ragten,
einen permanenten Reiz ausübten und in sehr vielen Fällen dadurch zu
214
Granulomen und zu anschließenden Abstoßungen führten. Außerdem hatte
dieser drahtige Faden infolge seiner glatten Oberfläche den Nachteil, daß
drei oder vier Knoten geschlungen werden mußten, damit die Ligatur hielt,
demzufolge waren die Knoten besonders stark und blieben sehr oft, wenn
sie im subcutanen Gewebe lagen, durch die Haut fühlbar.
Dahingegen ist der geflochtene Faden außerordentlich weich, aber auch
sehr elastisch. Diese hohe Elastizität bedingt eine gewisse Umstellung in
der Nahttechnik und erfordert ebenfalls ein drei- bis vierfaches Knoten,
wenn Ligaturen, an die hohe Zugbeanspruchungen gestellt werden, fest-
sitzen sollen.
Eine besondere Form zwischen dem monofilen und dem geflochtenen
Faden stellt das SUPRAMID der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik, Lud-
wigshafen, dar.
Hier handelt es sich um einen gezwirnten Perlon-Faden, der mit einem
Mantel aus dem gleichen Material gleichsam umhüllt ist. Hierdurch wird
die drahtige Beschaffenheit des monofilen Fadens einerseits und die zu hohe
Elastizität des geflochtenen andererseits ausgeschaltet. In seiner Konsistenz
entspricht er den Anforderungen der meisten Chirurgen. Aber auch er
benötigt infolge seiner glatten Oberfläche ein mehrfaches Knoten, wodurch
sie in ihrer Masse sehr stark werden und bei Subcutannähten auch fühlbar
bleiben. Die Polyamidfäden sind demzufolge vor allen Dingen in der pla-
stischen Chirurgie als Haut- und Sehnennaht und zu Verschlußnähten des
Bronchus indiziert.
Die Frage ihres weiteren Verhaltens im Körper ist noch nicht eindeutig
geklärt. Es steht einwandfrei fest, daß manchmal noch nach Jahren die
Abstoßung einiger völlig unresorbierter Fäden beobachtet werden kann.
In letzter Zeit mehren sich nach Verwendung des geflochtenen Perlon-
fadens die Beobachtungen, die nach mehreren Monaten und Jahren eine
Resorption der Fäden feststellen. Diese Resorption kann jedoch kein fermen-
tativer Abbau wie bei dem Kollagen des Katgutfadens sein, sondern höchst-
wahrscheinlich eine allmählich fortschreitende Polymerisation mit anschlie-
ßendem Zerfall der Fäden.
Jedoch nicht nur als Fäden, sondern auch in Gewebsform finden die
Polyamide Verwendung, so als Nylon-Netzgewebe, als monofile Fäden und
als geflochtenes Perlonnetz zum Verschluß von Hernienrezidiven. Auf ihre
Anwendung ist in der nachfolgenden Arbeit von Speier ausführlich einge-
gangen.
Da man die Polyamide auch im Spritzgußverfahren verarbeiten kann,
hat man auch versucht, medizinische Spritzen, Bluttransfusionsgeräte und
Hüftgelenkprothesen daraus herzustellen. Diese Gegenstände haben gegen-
über dem Glas den Vorteil der Unzerbrechlichkeit und chemischen Resistenz;
sie haben jedoch den Nachteil, daß sie sich infolge ihrer Thermoplastizität
215
nicht im Autoklaven sterilisieren lassen und durch mehrfaches Auskochen
einen Teil ihres Weichmachers verlieren, wodurch sie dann leicht spröde
und undicht werden. Die aus Polyamid hergestellten Hüftgelenkprothesen
haben der permanent hohen mechanischen Beanspruchung, die bis zu 300
kg beträgt, nicht genügt und zeigten eine frühzeitige Abnutzung.
An ihrer Stelle hat man versucht, aus PLEXIGLAS — Polymethyl-
methacrylat — die gewünschten Prothesen herzustellen, jedoch auch diese
scheinen zur frühzeitigen Abnutzung zu neigen, wenn die Polymerisation an
der Oberfläche nicht unbedingt zuverlässig durchgeführt ist, wohingegen das
Plexiglas sich für Prothesen, wenn an sie keine physikalischen Anforderungen
gestellt werden, bewährt hat.
In letzter Zeit ist in USA und auch in Deutschland nun eine weitere
Klasse von Kunststoffen entwickelt worden, die nicht mehr rein organisch
sind, sondern als Hauptbausteine neben dem Kohlenstoffatom anorganische
Elemente wie Silicium oder Fluor enthalten. Durch die Vierwertigkeit des
Siliciumatoms sind ähnliche Variationsmöglichkeiten wie beim Kohlenstoff
gegeben und man erhält in diesen Siliciumverbindungen, die man als
SILICONE bezeichnet, Stoffe, die eine eigentümliche Mittelstellung zwischen
organischen und anorganischen Verbindungen einnehmen. Man unterscheidet
bei den Siliconen Siliconöle und -fette, Silicon-Harze, Silicon-Kautschuk.
Für die Chirurgie sind vorläufig die nicht toxischen Öle und Fette insofern
interessant, als sie zum Einölen und Fetten von Instrumenten, Apparaturen
und Glaswaren benutzt werden können, die hohen Sterilisationstemperaturen
ausgesetzt werden. Der äußerst dünne Schmierfilm, der sich auf der Ober-
fläche polymerisiert, ist außerordentlich widerstandsfähig und hitzebeständig
und übersteht sowohl die Sterilisation im Autoklaven bei 120—135 0 als
auch die durch trockene Hitze bei 180 °.
In der pharmazeutischen Industrie siliconisiert man gern bei besonders
hochwertigen Präparaten das Flascheninnere, um durch die wasserabstoßende
Eigenschaft ein schnelles und völliges Auslaufen der in Wasser gelösten
Präparate zu erzielen. Manche Silicon-Öle haben weiterhin die Eigenschaft,
bei geringstem Zusatz das Schäumen wäßriger eiweißhaltiger Lösungen zu
verhindern, so daß man mit Silicon behandelte Glasgeräte bei der Oxydation
venösen Blutes zur intraarteriellen Transfusion verwendet.
Der Einbau des Fluoratoms ist bis jetzt bei dem Polytrifluorchloräthylen
und dem Polytetrafluoräthylen gelungen. Diese Verbindungen, die man als
T e f 1 o n e oder F 1 u o n e bezeichnet, haben bisher ungeahnte physikalische
Eigenschaften. Sie verspröden weder bei bis zu — 1000 noch verändern
sie sich in der Hitze bis zu etwa + 300 °, haben eine Druckfestigkeit von
4000—6000 kg/qcm und sind völlig hydrophob. Zur Zeit ist jedoch ihre
Herstellung noch außerordentlich kostspielig, so daß sie zunächst nur in
der Technik als hervorragende Isolatoren verwendet werden. Bei der schnellen
Entwicklung der makromolekularen Chemie werden auch sie jedoch sehr
216
wahrscheinlich in absehbarer Zeit für medizinische Zwecke zur Verfügung
stehen.
Zum Schluß sei noch ein Wort zu der Gewebsverträglichkeit der Kunst-
stoffe gesagt:
Oppenheimer und Druckrey wiesen in ihren Arbeiten nach, daß nach
Versenkung fast aller Arten von Kunststoff-Filmen in die Bauchhöhle von
Ratten und Mäusen es nach mehreren Monaten zur Bildung sarkomartigen
Gewebes kam. Während Druckrey auf Grund dieser Beobachtung den Schluß
zieht, daß die im Rattenversuch als cangerogen gefundenen Kunststoffe
für humane Zwecke nicht verwendet werden sollen, schreibt Oppenheimer
wörtlich;
„Es muß nochmals betont werden, daß bis jetzt kein Fall berichtet
wurde, in dem die Versenkung eines Plastikfilms im menschlichen
Körper zu einem bösartigen Tumor führte.“
Hierzu ist zu bemerken, daß in Amerika seit ca. 15 Jahren im größeren
Maßstab Nylonfäden, Polyäthylen-Folien und auch PVC-Schläuche in der
Ghirurgie zur Anwendung kommen. Da es sich in Amerika bei fast jedem
vierten Operierten um einen Krebskranken handelt, müßten bei cangerogener
Wirkung des Nylons doch mindestens schon Fälle von Metastasen-Bildung
um den versenkten Fremdkörper im menschlichen Gewebe bei Patienten
beobachtet worden sein, die an einem Carcinom operiert wurden.
Wie ich mich jedoch persönlich bei amerikanischen Firmen, die Nylon-
fäden hersteilen, und bei amerikanischen Chirurgen, die diese Fäden ver-
wenden, erkundigen konnte, kann ich die oben erwähnten Angaben von
Oppenheimer nur bestätigen und die auch von vielen deutschen Wissen-
schaftlern vertretene Ansicht anführen, daß die im Ratten- und Mäusever-
such mit cangerogenen Stoffen gemachten Erfahrungen nicht ohne weiteres
auf den Menschen übertragen werden können, da es besonders von Ratten
bekannt ist, daß sie außerordentlich leicht auf Reize der verschiedensten
Art mit der Bildung sarkomartigen Gewebes reagieren.
Soweit mir bekannt ist, hat die Kunststoff erzeugende und liefernde
Industrie in ihren Laboratorien und in neutralen Universitäts-Instituten in
ganz großem Maßstab Versuche angelegt zur Klärung der Frage, ob über-
haupt und gegebenenfalls welche Art von Veränderungen nach der Implan-
tation von Kunststoffen im tierischen Körper entstehen. Vor Beendigung
solcher kritischer Versuche ist eine Diskussion über die Gewebsreaktion auf
Kunststoffe gar nicht möglich.
Welche Erfahrungen und Beobachtungen über das Verhalten des mensch-
lichen Gewebes gegenüber Nylonnetzgeweben vorliegen, berichtet Vonout in
seiner Arbeit in Nr. 40 des Zentralblattes für Chirurgie, Jahrgang 78, auf
die auch Speier anschließend näher eingeht. Auch diese Ausführungen be-
stätigen die Mitteilung Oppenheimers, daß es im menschlichen Körper zu
keiner pathologischen Gewebsreaktion kommt.
217
Kunststoffe in der Medizin
Atraumatische Nadeln
Kunststoffe in der Medizin
Bezugnehmend auf die Arbeit Seiten 1257—1263 in diesem Heft soll hier
noch eine kurze Zusammenstellung der Erzeugnisse gegeben werden, die aus
Kunststoff bisher hergestellt und klinisch erprobt wurden:
Venoflex-Kapillare
Darmrohre
Gallendrains verschiedener Größe
Absaugkatheter
mit gerader u. gewinkelter Spitze
gebogene Thoraxdrains
Intubationsschlauch
Ernährungssonde
für Säuglinge und Kleinkinder
Ernährungssonde
für Frühgeburten
Die wesentlichste Neuerung auf dem Gebiet der Kunststoffe stellt die
Oesophagus-Prothese dar, die in Deutschland von der Firma B. Braun, Mel-
sungen, hergestellt wird, und sich zur Zeit in der klinischen Erprobung
befindet. In der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ 78, H. 42, S.
1448 (1953) findet sich hierüber eine interessante Abhandlung von Prof.
Dr. Nissen, Chirurg. Univ.-Klinik, Basel.
Atraumatische Nadeln
Die Firma B. Braun, Melsungen, liefert seit einiger Zeit auch verschiedene
Arten atraumatischer Nadeln für chirurgische Zwecke. Der Vorteil dieser
atraumatischen Nadeln gegenüber den Nadeln mit Öhren besteht darin, daß
ein Minimum an Gewebstrauma gesetzt wird, da Nadel und Faden praktisch
denselben Durchmesser haben. Ein Vorteil, der dem Chirurgen vor allem
bei Herz-, Gefäß-, Nerven- und Sehnen-Nähten sehr zu statten kommt. Vor
allem fällt auch das lästige und schwierige Einfädeln von Nadeln mit kleinen
Öhren fort. Die Nadeln sind aus hochwertigem, besonders gehärtetem Stahl
hergestellt. Die Methode der Befestigung des Nahtmaterials an der Nadel
gewährt eine absolut sichere Verankerung desselben. Der Faden kann nicht
herausgezogen werden. Atraumatische Nadeln gibt es in verschiedenen
Größen und Stärken sowohl mit Katgut als auch mit Zwirn, Seide, Supramid
und Draht.
1954
1954
218
Zur operativen Behandlung der schweren
Harninkontinenz der Frau
1954
Aus der Rheinischen Landesfrauenklinik Wuppertal-Elberfeld
Direktor; Prof. Dr. K. J. Anselmino
Zur operativen Behandlung
der schweren Harninkontinenz der Frau
Eine vereinfachte Scblingenoperation unter Verwendung
von Perlonband
Von K. ]. Anselmino
Der unwillkürliche Harnabgang bei der Frau bei Anstrengungen und beim
Pressen, die sog. Streß-Inkontinenz, ist ein recht häufiges Leiden. In den
meisten Fällen ist es die Folge einer mangelhaften Fixierung des Blasenhalses,
und Mißerfolge bei den üblichen plastischen Operationsverfahren beruhen in
der Regel darauf, daß es nicht gelungen ist, eine angemessene Hebung und
Fixierung des Blasenhalses herbeizuführen. Für derartige schwere und be-
reits erfolglos operierte Fälle von Harninkontinenz eignen sich besonders
die sog. Schlingenoperationen. Das gemeinsame Prinzip der Sdilingenopera-
tionen ist folgendes: Ein Sehnenstreifen wird nach Anlegung eines Bauch-
schnittes und nach Eröffnung des Cavum Retzii ■— gewöhnlich unter gleich-
zeitigem vaginalem Vorgehen — um den Blasenhals geschlungen, und seine bei-
den Enden werden über der Fascie der Mm. recti miteinander vernäht; auf diese
Weise hängt der Blasenhals in einer Schlinge und wird dadurch gehoben und
fixiert. Für die Technik dieser Operation gibt es verschiedene Modifikationen
(Goebel-Stoeckel,Aldridge, Studdiford, Marshall, Millin-Read, Bracht, Kraatz,
Anselmino etc.). Die Erfolge der Schlingenoperationen sind überzeugend:
Etwa 2/s der — vorher vergeblich operierten — Fälle werden geheilt. Der
Nachteil der älteren Verfahren ist die Größe des Eingriffs, was besonders für
die Operationen nach Goebel-Stoeckel, Millin-Read, Aldridge und Studdiford
gilt, bei denen die Sehnenzügel aus der Rektusfascie gebildet werden.
Alle einfacheren Operationen verwenden an Stelle der Rectusfascie leichter
erreichbares Schlingenmaterial: Fascia lata (Marshall), tierische Sehnen
(Bracht); von mir wurde (1951) erstmalig die Anwendung von vollsynthe-
tischem Material (Nylon- bzw. Perlonband) empfohlen, während Kraatz
später Perlonnetz anwandte. Da Perlonfäden und -gewebe, wie auch die
sonstigen Erfahrungen der Chirurgie gezeigt haben, reaktionslos einheilen
und nicht wie Sehnenstreifen der Resorption verfallen, scheint ihre Anwendung
besonders geeignet.
Darüber hinaus habe ich das Operationsverfahren soweit vereinfacht,
daß nur noch ein kleiner Eingriff — zusätzlich zur gewöhnlichen vorderen
Scheidenplastik — übrigbleibt. Man beginnt die Operation mit einer gewöhn-
lichen vorderen Kolporraphie, wobei die Fascia vesicovaginalis gesondert
gerafft wird. Sodann präpariere ich für die Sthlingenführung neben dem
Blasenhals jederseits zwischen Scheidenschleimhaut und Fascie einen schmalen
219
Tunnel, der nach vorn oben zielt und bis dicht unter die Scharabeinäste reicht.
Durch diese Tunnels sticht man beiderseits an den Schambeinästen vorbei
je eine feine Kornzange nach oben, bis ihre Spitzen oberhalb der Symphyse
unter der Bauchdecke zu tasten sind. Die Spitzen sollen etwa 3—5 cm von-
einander entfernt sein; sie liegen dicht unter der Rektusfascie. Ein Assistent
legt nunmehr einen kleinen Pfannenstiel-Querschnitt an; es wird aber über
den Kornzangen-Spitzen nur je ein kleines Knopfloch in die Fascie geschnitten,
sodaß die Kornzangen hier durchgestoßen werden können.
Die Kornzangen werden etwas geöffnet und fassen mit Hilfe eines zwischen-
geklemmten Leinenbändchens je eine zweite, gleiche Kornzange, die nunmehr
von den ersten Kornzangen — Spitze an Spitze — nach unten gezogen werden.
Wenn die Spitzen der beiden zweiten Kornzangen in der Scheide erscheinen,
fassen sie je ein Ende eines 30 cm langen und 1 cm breiten, gewebten Perlon-
bandes und ziehen das Band durch den Gewebstunnel nach oben bis vor die
vordere Bauchwand. Die Schlinge des Bandes legt sich dabei über den Blasen-
hals, den man sich durch Einlegen eines (5 ccm) Foley-Katheters in die
Blase markiert. Damit das Band sich über dem Blasenhals nicht einrollt,
leitet man es am besten über einer geöffneten Pinzette.
Nunmehr werden die Enden des Bandes über der Rektusfascie geknüpft,
wobei man das Band nicht zu straff anziehen darf. Man bedenke, daß die
Patientin liegt, und daß daher die Blasengegend ohnehin schon höher steht, als
beim Stehen der Fall ist. Daher ohne stärkeren Zug knüpfen, damit der
Blasenhals nicht abgeknickt wird und keine Miktionserschwerung entsteht!
Scheidenschleimhaut und Bauchhaut werden sodann mit Knopfnähten ge-
schlossen. Wir pflegen keinen Dauerkatheter zu legen, sondern die Patientin zu
katheterisieren, bis nach 8—14 Tagen wieder die spontane Miktion erfolgen
kann.
Das Verfahren ist einfach und erfordert zusätzlich zur vorderen Kolporr-
hapie nur etwa 10—15 Minuten. Das Cavum Retzii wird nicht eröffnet, und
es werden nur 2 feine Wundkanäle geschaffen, sodaß keine Infektionsgefahr
besteht. Das Perlonband heilte in allen Fällen reaktionslos ein. Im Vergleich
zu den klassischen Methoden der Schlingenoperation zeichnet sich meine Methode
durch besondere Einfachheit und Gewebsschonung bei gleicher Erfolgssicher-
heit aus. Doch ist für alle Schlingenoperationen die richtige Indikations-
stellung wichtig.
Perlonband ist von der Firma B. Braun, Melsungen, zu beziehen.
220
Intravenöse und perorale Ernährungstherapie
1954
Intravenöse und perorale Ernährungstherapie
Dr. F. S p e i e r
Intravenöse sowie perorale Nährlösungen nehmen in der Medizin heute
schon einen sehr breiten Raum ein, sei es, daß man intravenös dem Körper
die lebensnotwendigen Stoffe einschließlich Mineralsalzen und Vitaminen
infundiert, oder sei es, daß man mittels Sonde fertige Nahrungsgemische oral
zuführt.
Von den intravenösen Lösungen sind die von Frucht- bzw. Invertzucker
am geläufigsten. Über die hohe Bedeutung, die der Laevulose in der Therapie
zukommt, ist in den letzten Jahren viel berichtet worden. Tierexperiraente
und klinische Versuche führten zu folgenden Erkenntnissen:
1. Die Laevulose wird weit mehr dissirailatorisch ausgenutzt als die Glukose.
2. Die Blutzuckerkurve steigt bei gleichen Infusionsmengen nicht nur deut-
lich weniger an als die der Glukose, sondern sinkt sogar unter den Aus-
gangswert ab, d. h. die Laevulose wird sofort mit gesteigertem Sauer-
stoffverbrauch verwertet.
3. Die spezifisch dynamische Wirkung der Laevulose ist weitaus größer als
die der Glukose. Während die Glukose hauptsächlich in den Muskel-
zellen gespalten wird, wird die Laevulose vor allem in der Leber ver-
wertet. Von der zugeführten Menge Glukose werden etwa 10—15 %
zu Glykogen aufgebaut, während von der Laevulose etwa 40 °/o zu
Leberglykogen umgewandelt werden.
Nach genauer Kenntnis des Verhaltens von Glukose und Fruktose im
menschlichen Organismus war es naheliegend, den Invertzucker, ein aequi-
molekulares Gemisch aus Glukose und Fruktose auf seine therapeutische
Wirkung hin zu untersuchen. Die durchgeführten Versuche ergaben, daß der
Invertzucker in seiner Wirkung zwischen der Fruktose und der Glukose steht,
d. h. er besitzt wesentliche Vorteile der Fruktose (Laevulose) und nur in stark
abgeschwächter Form die Nachteile der Glukose.
221
Auf Grund obiger Überlegung ist man natürlich geneigt, in jedem Falle
zur reinen Fruktoselösung zu greifen. Dies dürfte aber auf wirtschaftliche
Schwierigkeiten stoßen, da die Fruktose außerordentlich teuer ist. Da auch
in preislicher Hinsicht der Invertzucker zwischen der Fruktose und der Glu-
kose steht, wird man in allen einschlägigen Fällen zur Invertzuckerlösung
greifen und die Fruchtzuckerlösung einer ganz speziellen Therapie Vorbehalten.
Beide Lösungen sind in der Leber- und Herztherapie indiziert, dienen aber auch
als reine Kalorienquelle.
Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Laevulosetherapie die
ideale Behandlungsmethode darstellt, um einen gestörten Leberstoffwechsel
wieder in normale Bahnen zu lenken. Ihr am nächsten kommt die Invert-
zuckerlösung, die sowohl in ihrem therapeutischen Erfolg als auch in ihrer
Wirtschaftlichkeit zwischen der Fruktose und der Glukose steht.
Eine andere Nährlösung, die in erster Linie ein bestehendes Protein-
defizit auszugleichen vermag, darüber hinaus aber auch der Kalorienzufuhr
und in beschränktem Rahmen der Regulierung des Elektrolythaushaltes dient,
ist das Amigen*) der Mead Johnson u. Co., USA.
Amigen besteht aus Aminosäuren und kurzen Peptidketten, die durch
Verdauung von Casein mit proteolytischen Enzymen der Bauchspeicheldrüse
entstehen. Amigenlösungen sind steril und pyrogenfrei, absolut beständig
und von einer immer gleichbleibenden Zusammensetzung. Der pH-Wert be-
trägt 5,5.
Folgende drei Arten von Amigenlösungen sind zur Zeit in Deutschland
erhältlich:
Amigen 5 °/o, Dextrose 5 °/o in sterilem pyrogenfreiem Wasser
Amigen 3Vs °/o, Dextrose SVs °/o in Vs Laktat-Ringerlösung
Amigen 5 °/o, Dextrose 5 °/o, Alkohol 5 °/o
Wenn man eine vollkommene parenterale Ernährung beabsichtigt, müssen
noch andere Faktoren als der Proteingehalt, den das Amigen liefert, berück-
sichtigt werden. Um zusätzliche Kalorien zu liefern und um die Anwendung
des Amigens für Energiezwecke zu verhindern, enthalten Amigenlösungen als
Kalorienquellen Dextrose und Alkohol. Außerdem sind im Amigen, aber nur
soweit sie der Erhaltung des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes dienen,
Spurenelemente vertreten. In vielen Fällen jedoch, wo es nicht nur auf die
Erhaltung des Elektrolythaushaltes, sondern auf die Wiederherstel-
lung eines gestörten Haushaltes ankommt, wird es notwendig
sein, zusätzlich elektrolythaltige Lösungen zu infundieren.
’) Zu beziehen durch B. Braun, Melsungen
222
Wann ist nun die parenterale Verabreichung von Aniigenlösungen indiziert?
]. Wenn der Patient nicht fähig ist, Nahrung durch den Mund zu sich zu
nehmen, z. B. bei Oesophaguscarcinom bzw. Oesophagusstriktur
2. Wenn die vollständige Ausschaltung des Ernährungssystems erwünscht ist.
z. B. bei Typhus, generalisierter Peritonitis
3. Wenn zur Ernährung durch den Mund eine parenterale Ergänzung not-
wendig ist, z. B. postoperativ
ln vielen Fällen, in denen der Patient keine geeignete Nahrung durch den
Mund zu sich nehmen kann, auf der anderen Seite aber eine intravenöse
Ernährung nicht notwendig ist, bleibt die Fütterung mit der Sonde die einzige
Lösung, um ihm die notwendige Nahrung während eines bestimmten Zeit-
abschnittes zuzuführen. Bisher war die Ernährung durch den Schlauch sowohl
für den Arzt als auch für den Patienten eine unangenehme Sache, da dieser
Ernährungsweise einmal die Schwierigkeiten und Gefahren, die Hie Gummi
sonden mit sich brachten, entgegenstanden und zum anderen sehr häufig
gastrointestinale Ernährungstörungen durch die im Handel befindlichen
Ernährungspräparate auftraten.
Durch die Firma Mead Johnson und Co. wurde nun in dem „Sustagen“*)
ein außerordentlich gut verträgliches Nahrungspräparal auf den Markt ge-
bracht, das durch eine vollkommen reizlose Sonde aus Polyvinylchlorid, die
B. Braun, Melsungen, herstellt, infundiert wird. Sustagen liefert in aus-
reichenden Mengen Eiweis, Fett, Kohlehydrate, Mineralsalze und Vitamine.
Das feine Pulver vermischt sich leicht mit Wasser und bildet eine glatte,
cremefarbige Flüssigkeit. Die niedrige Viskosität der Nahrung gewährt ein
gleichmäßiges Fließen durch den Plastikschlauch. Die Zubereitung der Sustagen-
Nährlösung ist denkbar einfach: Man streue die abgemessene Menge Sustagen
auf 50° warmes Wasser und lasse es stehen bis es gut durchfeuchtet ist. Dann
rühre man mit einem mechanischen Mischer die Lösung vollkommen glatt.
Gelingt dies nicht auf Anhieb, siebe man das Ganze am besten durch. Wird
die Lösung nicht gleich verwendet, muß sie im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Das beste Mischungsverhältnis ist 1:2, d. h. auf ein Teil Sustagen nimmt man
zwei Teile Wasser. Ein Pfund Sustagen liefert etwa 1800 Kalorien.
Die Nährlösung kann sowohl fortlaufend gegeben werden, auch während
der Patient schläft, wie auch als Einzelmahlzeit. Sustagen ist ein wertvolles
Nahrungsgemisch, das sieh als Sondennahrung in der Mund- und Kiefer
Chirurgie, bei Zungen- und Speiseröhrenkrebs, nach einem apoplektischen
Insult, bei Gehirntumor, Anorexie, Erbrechen bei Schwangerschaft, starker
Unterernährung, bei starken Verbrennungen, Infektionen der Mundhöhle und
hochfieberhaften Infektionskrankheiten bestens bewährt hat.
*» Zu beziehen durch B. Braun. Melsungen
223
Infusionsbehandlung mit PAS
Aus der Lungenheilstätte Stadtwald-Melsungen, Chefarzt Dr. Thomsen
Infusionsbehandlung mit PAS
Dr. U. Bormann
Im Rahmen der heute allgemein üblichen kombinierten tuberkulostatischen
Behandlung der Lungentuberkulose, deren Wert neuerdings angezweifelt wird,
findet die Paraminosalicylsäure (PAS) eine ausgedehnte Verwendung. Im
Gegensatz zum Isoniacid und den Thiosemicarbazonen ist die therapeutische
Dosis eine recht hohe, denn zur Erreichung eines tuberkulostatisch wirksamen
Blut- und entsprechenden Gewebsspiegels werden im Durchschnitt Tagesmen-
gen von 10—14 g benötigt. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn in vielen
Fällen die für einen sehr langen Zeitraum notwendige Zufuhr des Medika-
mentes von den Kranken abgelehnt wird, sei es, daß von vornherein Unver-
träglichkeit besteht oder sich eine solche im Laufe der Zeit einstellt. Nicht
immer gelingt es, durch Wechsel in der Art der Verabreichung in flüssigei
oder fester Form die Behandlung weiterführen zu können.
Daß zudem bei der besonders raschen Eliminierung der PAS durch die
Nieren intakte Resorptionsverhältnisse von seiten des Magendarmtraktes be-
stehen müssen, um die notwendige Höhe des Blutspiegels zu gewährleisten,
braucht nicht betont zu werden. Der Vorschlag, durch Blockierung des tubulären
Nierenanteils die Ausscheidung der PAS zu verzögern, hat keine Verwendung
größeren Ausmaßes gefunden, da die Blocker selbst sehr oft zu Unverträg-
lichkeitserscheinungen geführt haben, zudem ebenfalls recht hoch dosiert wer-
den müssen.
Es lag daher nahe, die PAS direkt auf parenteralem Wege dem Organismus
einzuverleiben, wobei die intravenöse Dauertropfinfusion die Höhe und Kon-
stanz des erforderlichen Blutspiegels am besten garantiert. Die Technik selbst
ist einfach und erfordert bei Verwendung des entsprechenden Präparates der
Fa. B. Braun, Melsungen, nur wenige Vorbereitungen, sodaß die Durchführung
einer Behandlung auch in größerem Umfange ohne besondere Belastung des
Pflegepersonals möglich ist.
Bei Einstellung einer Tropfenzahl von 25—35 Tropfen in der Minute, bei
Verwendung einer Kanüle mittlerer Stärke, haben wir niemals eine Throm-
bophlebitis gesehen, allerdings legen wir auf eine regelmäßige Venenpflege,
z. B. mit Hirudoidsalbe, größten Wert. Die Dauer der Infusion beträgt durch-
schnittlich 3—4 Stunden, doch haben wir sie auch bis zu 6 Stunden ausgedehnt.
Die Menge der zugeführten PAS beträgt bei Verwendung der Braun’sehen
PAS-Lösung 14 g PAS-Natrium, d. h. 10 g der freien Säure, die in 500 ccm
pyrogenfreiem Aqua bidestillata gelöst sind. Die Lösung ist isotonisch und dem-
zufolge sowohl intravenös als auch intramuskulär oder subcutan zu injizieren.
Vergleichsreihen mit PAS-Infusionspräparaten anderer Provenienz ergaben
eine ausgezeichnete Verträglichkeit des Braun sehen Medikamentes. Insbeson-
1955
224
dere wurden fieberhafte Reaktionen, die sich nach einem Hinweis in der
neueren Literatur bei zu schneller Tropfenzahl einstellen sollen, niemals
beobachtet. In einem Falle allerdings kam es zu einem ausgesprochenen „drug
fever“ bei der intravenösen Applikation verschiedener PAS-Präparate, das
sich durch orale Verabfolgung reproduzieren ließ. In diesem Falle wurde die
PAS-Behandlung abgesetzt.
In einigen Fällen wurde die PAS-Behandlung auch in Form der subcutanen
Infusion durchgeführt, die, obwohl im Anfang von den Patienten als unange-
nehm empfunden, sich nach schneller Gewöhnung komplikationslos über den
notwendigen Zeitraum durchführen ließ. Der Zusatz von Hyaluronidase erwies
sich dabei als nicht unbedingt notwendig.
Auf die Indikation soll im Rahmen dieses Hinweises nicht besonders einge-
gangen werden, sie richtet sich nach den für die tuberkulostatische Behandlung
auf gestellten Regeln.
Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.
Der Warburg-Apparat in der Klinik
Aus der Abteilung Apparatebau der Firma B. Braun
Der Warburg-Apparat in der Klinik
Dipl.-Ing. O. K o eil e
Die manometrischen Methoden, die in der Hauptsache von O. Warburg ent-
wickelt wurden, kommen für eine große Anzahl von Bestimmungen chemischer
oder enzymatischer Natur zur Anwendung. Seit den zwanziger Jahren werden
sie für solche Reaktionen eingesetzt, bei denen während des Reaktionsverlaufes
Gase entwickelt oder verbraucht werden. Darüber hinaus lassen sich auf diese
Weise sämtliche Vorgänge messen, welche durch besondere Versuchsanordnung
in Gasreaktionen umgewandelt werden können.
Neben den Vorzügen der Genauigkeit sind sie vor allem sehr empfindlich
und sie gestatten außerdem noch die zeitliche Verfolgung der zu bestimmenden
Reaktionen. Man bedient sich hierbei der sog. Warburg-Thermostaten, wobei
in besonderen Reaktionsgefäßen bei konstanter Temperatur die Reaktionen
ablaufen, und die dadurch ausgelösten Gasdruckveränderungen manometrisch
gemessen werden. Die Reaktionsgefäße sind mit den Manometern durch Schliffe
fest verbunden. Manometer mit Reaktionsgefäß werden auf einer besonderen
Schüttelvorrichtung befestigt, so daß während des Versuchsverlaufes ständig
eine gute Durchmischung der Untersuchungsflüssigkeiten gewährleistet ist.
Trotz der Vielseitigkeit und ihrer Vorzüge stießen diese Methoden immer wie-
der auf arbeitstechnische Schwierigkeiten, die allerdings nicht von den Methoden
selbst, sondern von den technischen Gegebenheiten herrührten. Auch die lang-
jährige Entwicklung der Warburg-Thermostaten hat dem Vorurteil vieler Unter-
1956
226
Sucher leider keinen Abbruch leisten können. Vor allem aber blieb die Arbeits-
weise bisher fast nur Domäne des Theoretikers und ein weiter verbreitetes
Interesse in den Kreisen der Klinik sowie Eingang in die klinische Labora-
toriumstechnik blieb ihr verschlossen.
Die neueste Entwicklung der technischen Seite dieses Problems hat es ermög-
licht, die Methoden so sicher und zuverlässig zu gestalten, daß ohne den großen
bisherigen Zeitaufwand das Einarbeiten in die Methode einfach geworden ist
und alle Schwierigkeiten in der Arbeitsweise wegfallen. Damit dürfte für die
manometrischen Methoden von 0. Warburg ein neuer Abschnitt begonnen
haben, der sie vor allem auch zu einem wertvollen Hilfsmittel für die klinische
Arbeit werden läßt.
Die vielgestaltige Anwendungsmöglichkeit läßt den Methoden auch in der
Klinik ein weites Gebiet offen. Dem Kliniker wie dem Theoretiker bietet sie
den Vorteil, Versuche in großen Serien ohne größeren zeitlichen Aufwand durch-
zuführen. Dies ist für Routineuntersuchungen ebenso wichtig wie für rein wis-
senschaftliche Fragestellungen.
Für den Kliniker erhebt sich die Frage, inwieweit neben wissenschaftlichen
Problemstellungen eine Methode klinisch von Nutzen und von Bedeutung ist.
Für die manometrische Methode wurde schon eingangs erwähnt, daß alle
die Reaktionen gemessen werden können, bei welchen irgendwie Gase in Er-
scheinung treten oder bei denen man durch geeignete Zusätze den Reaktions-
verlauf in Richtung einer Gasreaktion lenken kann. Im einzelnen sollen nur
einige klinisch wichtige Bestimmungen genannt werden. Dabei handelt es sich
um:
1. Die Bestimmung von Ketokörpern:
a-Ketosäuren durch Oxydation mit Zerium- (IV) -salzen.
ß-Ketosäuren durch Dekarboxylation mit Anilin.
2. Die Bestimmung von Aminosäuren durch Ninhydrin.
3. Die Bestimmung von organischen Säuren wie Oxalsäure, Milchsäure,
Ameisensäure mit KMnO«.
4. Die Bestimmung des Harnstoffes in Blut und Harn; entweder durch Zer-
legen mit Urease oder durch die Anwendung von Hypobromid.
5. Die Ermittlung von Fermentaktivitäten im Serum und anderen Körper-
flüssigkeiten (Duodenalsaft). Außerdem die Bestimmung von Ferment-
aktivitäten in bestimmten Geweben. Speziell sollen hier die Cholinesterase
sowie die Lipase des Serums und der Verdauungssäfte genannt sein.
6. Die Bestimmung von gebundener Kohlensäure durch Ansäuern (Alkali-
reserve des Blutes).
Diese bisher genannten Bestimmungen werden über die Ermittlung von Gas-
druckänderungen durch COz durchgeführt.
Durch Sauerstoffdetermination kann ermittelt werden:
1. Das Oxyhämoglobin durch Zersetzen mit Ferrizyanid.
2. Die Katalaseaktivität des Blutes.
Klinisch wichtig sind außerdem noch folgende Methoden:
1. Die Bestimmung von Kohlenmonoxyd (Entwicklung oder Absorption
durch Hämoglobin oder Häminderivate).
2. Stickstoffentwicklung durch Zersetzen von Aminoverbindungen mit sal-
petriger Säure (Mikro-Van-Slyke-Methode zur Bestimmung von Amino-
stickstoff).
3. Die Bestimmung der Kohlensäureentwicklung durch Atmung und Gärung.
4. Durchführung von pH-Bestimmungen in Bikarbonatlösungen durch Er-
mittlung der freien und gebundenen Kohlensäure.
5. Gasanalytische Methoden zur Bestimmung von Kohlensäure, Sauerstoff
und Wasserstoff.
Neben diesen wenigen genannten Methoden, die vor allem im Interessen-
bereich der klinischen Chemie liegen, lassen sich eine ganze Reihe von anderen
Bestimmungen, ausgesprochen wissenschaftlichen Charakters, durchführen. Die
einzelnen Methoden sind ausführlich beschrieben. Es handelt sich in allen
Fällen um Mikrobestimmungen, so daß mit kleinsten Mengen Untersuchungs-
material gearbeitet werden kann. Die jüngste Entwicklung der technischen
Erfordernisse gewährleistet ein absolut zuverlässiges Arbeiten mit der War-
burg-Methode und es ist sicher, daß sich die Arbeitsweise auch in den klini-
schen Laboratorien den gebührenden Platz verschaffen wird.
228
Der Plastik-Infusor
1956
Aus der Forschungsabteilung der Firma B. Braun, Melsungen
Der Plastik-Infusor
Eine Kombination von Infusionsbehälter und Infusionsgerät
aus Kunststoff für sterile Infusionslösungen
Dr. B. Braun
Die Teilnehmer des diesjährigen Chirurgen- und Internisten-Kongresses, die
in der Ausstellung den Stand der Firma B. Braun, Melsungen, besuchten, wer-
den sich entsinnen, daß hier zum ersten Mal ein PLASTIK-Beutel für Infusions-
lösungen gezeigt wurde. Die klinische Erprobung verlief durchaus befriedigend,
doch stellte sich sehr bald in der Großfabrikation heraus, daß ein erheblicher
Prozentsatz dieser Beutel, teilweise erst nach einer Quarantänezeit von 4—6
Wochen, bei ständiger Belastung undicht wurde. Durch sorgfältige Beobachtun-
gen und Untersuchungen konnte nun festgestellt werden, daß diese Undichtig-
keit in der Zone oberhalb der Schweißnaht der 0,1 mm starken Polyaethylen-
folie auftrat, und zwar wurde die Folie hier sowohl bei Hochfrequenz als auch
Wärmeimpulsverschweißung durch Streckung geschwächt. Wir versuchten des-
halb, von der Beutelform mit langen Schweißnähten abzukommen und an ihrer
Stelle einen möglichst nahtfreien Kunststoffbehälter zu setzen.
In Zusammenarbeit mit den führenden deutschen Firmen auf dem Kunst-
stoffgebiet ist es uns nun gelungen, einen nahtlosen Ampullenkörper, ähnlich
der früheren Braun sehen Dauerampulle, zu entwickeln. Als Rohstoff wurde
wieder Polyaethylen verwandt, das sich von allen Kunststoffen, die in der Medi-
zin Anwendung finden, wegen seiner völligen Ungiftigkeit am besten bewährt
hat. Es hat außerdem den Vorteil, frei von Stabilisatoren und Homogenisatoren,
wasserunlöslich, geschmack- und geruchlos zu sein. Die Wandstärke des neuen
Ampullenkörpers wurde wesentlich erhöht, um die Gefahr der Verletzbarkeit
und auch der Wasserdampfdurchlässigkeit auf ein Minimum herabzusetzen. So
hält der neue Behälter eine Belastung von über 100 kg aus. Weiterhin
hat er die Eigenschaft, nach einem besonderen zum Patent angemeldeten
Verfahren im gefüllten Zustand im Autoklaven sterilisierbar zu sein, während
dies bei den Beuteln nicht möglich war, denn verschlossene Beutel konnten nicht
hitzesterilisiert werden, sie mußten deshalb unter sterilen Kautelen hergestellt,
mit steril gefilterter Infusionslösung gefüllt und zugeschweißt werden. Wie
schwierig eine derartige Großfabrikation ist, kann man sich leicht vorstellen. Als
Infusionsgerät für unseren neuen nahtlosen Ampullenkörper wurde das sich
bestens bewährte Infusionsgerät INTRAFIX verwandt. An Stelle einer Kanüle
wurde das Gerät mit einem Konus versehen, der leicht in den Ausflußstutzen
der Ampulle ednzuführen ist und eine zuverlässig feste Verbindung der Am-
pulle mit dem Infusionsgerät herstellt (Bild 1).
Von einer Graduierung der Ampulle ist Abstand genommen worden, da in-
folge der Plastizität die Ampullenform sich beim Auslaufen permanent ändert
229
und eine zuverlässige Mengenbestimmung durch Graduierung nicht möglich
ist. Neben der primären Forderung einer einwandfreien Sterilität und völligen
Pyrogenfreiheit besitzt der Plastik-Infusor kurz rusammengefaßt folgende
Vorteile:
1. Er ist unzerbrechlich und hat nur V20 des Gewichts einer Glasflasche, da-
durch werden der Transport ganz wesentlich vereinfacht und die Kosten
herabgesetzt.
2. Die Plastik-Ampulle mit der sterilen Lösung ist mit dem sterilen Infusions-
gerät Intrafix in einem Doppelbeutel verpackt. Durch einen einzigen
Scherenschnitt ist sie sofort gebrauchsfertig zu machen. Ein Vorteil der
Herstellung der Verbindung zwischen Ampulle und Injusionsgerät
nicht nur in der klinischen, sondern auch in der ambulanten Praxis und
besonders bei Unfällen hervortreten dürfte.
3. Zur Inbetriebnahme der Ampulle ist nicht mehr, wie bei den Flaschen,
die Verwendung einer Luftkanüle erforderlich. Durch die Schwere der
Infusionslösungen, durch die Plastizität der Ampulle und durch den Luft-
druck fließt die Lösung ohne Luftzutritt aus der Ampulle, deren Wände
sich wie ein Briefumschlag zusammenfalten. Es bleibt in ihr durch diese
gleichsam lippenventilverdichtende Wirkung ein Rest von 10—20 ccm
Lösung stehen und der Flüssigkeitsspiegel im Tropf gef äß konstant erhal-
ten. Dadurch ist die Gefahr einer Luftembolie völlig ausgeschaltet. Möchte
230
man nun die in der Ampulle und in dem Transfusionsgerät noch befind-
liche Restlösung infundieren, so kann die unterbrochene Infusion da-
durch wieder in Gang gebracht werden, daß man mit einer Stecknadel
in die obere Wandung des Ampullenkörpers ein kleines Loch sticht, durch
das Luft eindringen kann und so auch der Lösungsrest ausfließt.
4. Im Gegensatz zu dem früheren Plastikbeutel können in die Ampulle mit
Leichtigkeit beliebige mit den wässrigen Lösungen mischbare Thera-
peutica eingespritzt werden, indem man diese mit einer gewöhnlichen
Kanüle, nach Desinfektion der Oberfläche mit Alkohol oder Jodlösung,
durch den oberen Ampullenteil neben der Aufhängeöse injiziert. Das so
Gerät bei der Infusion
gesetzte Loch kann man mit einem Stückchen Tesaband, das für diesen
Zweck bereits neben der Aufhängeöse angeklebt ist, verschließen. Das
Tesaband dichtet zuverlässig ab und in der unter 3. beschriebenen Anwen-
dung der Ampulle ändert sich nichts.
5. Bei der Handhabung des Gerätes kommen keinerlei spitze Kanülen zur
Anwendung und so besteht keine Möglichkeit, beim öffnen der Ampulle
oder beim Einführen des Tropfenzählers in sie, sich irgendwie zu verletzen
oder die Wandung zu perforieren. Die Handhabung ist so einfach, daß
dieses System sowohl von den Schwestern als auch vom Pflegepersonal
leicht gebrauchsfertig hergerichtet werden kann.
231
6. Im Winter, bei Frost, besteht infolge der Plastizität der Ampulle keine
Bruchgefahr, und auch die durch Einfrieren der Lösung entstehenden
Eiskristalle vermögen die starke Ampullenwand nicht zu perforieren, wie
dies leicht bei den dünnwandigen Folienbeuteln der Fall war.
7. Weder der Ampullenkörper, noch das Tropfgerät sind mit irgendwelchen
Gummiteilen versehen, die stets bei der Sterilisation und bei der Lagerung
eine Gefahrenquelle darstellen.
8. Durch Einlage in warmes Wasser ist die Lösung sehr schnell auf Körper-
temperatur zu erwärmen.
9. Die Auslaufgeschwindigkeit kann man in dringenden Fällen durch Druck
auf die Ampulle erhöhen.
10. Die Plastik-Ampulle als auch das Intrafix-Gerät bestehen aus reinem
organischem Kunststoff, die ohne Rücksicht verbrannt werden können.
11. Bei der Preisgestaltung dieser Ampulle ist davon ausgegangen worden,
die Unkosten der Krankenhäuser durch Gebrauch des Plastik-Infusors
trotz der erwähnten Vorteile nicht zu erhöhen und ihn zu demselben Preis
zu liefern, der bisher für die Infusionslösung in einer Glasflasche der
zweiten hydrolytischen Klasse angelegt werden mußte.
Durch eine moderne Verpackung in 1 Oer-Packungen und durch all die
erwähnten obigen Vorteile dürfte der Plastik-Infusor damit eine ganz wesent-
liche Weiterentwicklung auf dem gesamten Infusionsgebiet darstellen und
infolgedessen in aller Kürze Eingang in alle Krankenhäuser und die ärztliche
Praxis finden.
232
Der Plastikinfusor
Neue Infusionsgeräte (Zwillingssysteme)
Der Plastikinfusor
stellt eine Weiterentwicklung der bisher bekannten Infusionssysteme wie
Irrigator, Glasampulle und Glasflasche dar. Es ist die Kombination einer mit
steriler Infusionslösung gefüllten Kunststoffampulle mit dem bewährten ge-
brauchsfertigen Infusionsgerät Intrafix. Beides ist in einem Polaethylen-
Doppelbeutel staub- und feuchtigkeitssicher verpackt. Die Plastikampulle
mit der Lösung wird nach einem neuen, zum Patent angemeldeten Verfahren
im Autoklaven in strömendem Wasserdampf sterilisiert und ist deshalb abso-
lut keimfrei. Außerdem ist in dem ganzen System kein Gummi mehr ent-
halten. Der Plastikinfusor ist absolut bruchsicher, leicht im Gewicht und
frostbeständig. Das System dient der einmaligen Verwendung und wird an-
schließend am besten verbrannt. Trotz all dieser Vorzüge ist die Verwen-
dung steriler Infusionslösungen in Brauns Plastikinfusor wirtschaftlicher als
alle anderen Systeme. Seit etwa einem halben Jahr ist der Plastikinfusor in
sehr vielen Kliniken eingeführt und hat sich bestens bewährt. Wir beginnen
heute mit der Veröffentlichung mehrerer Gutachten aus Kliniken und Kran-
kenhäusern (siehe Seite 1517 und 1527).
Neue Infusionsgeräte (Zwillingssysteme)
Mit dem bisher gebräuchlichen Infusionsgerät Intrafix war es nur mög-
lich eine Flasche bzw. zwei oder drei Flaschen nacheinander zu infundieren.
Mit dem Neuen Zwillingsgerät ist es nun auch möglich, zwei Flaschen gleich-
zeitig zu infundieren. Man kann sich also nunmehr eine Kombination von zwei
verschiedenen Lösungen zusammenstellen. Dies gleiche Zwillingsgerät ist auch
beim Plastikinfusor verwendbar. Bei der Bestellung ist lediglich anzugeben,
ob für Flaschen oder Infusor. Selbstverständlich werden auch diese Geräte
steril und pyrogenfrei geliefert.
233
1. Deutsches Elektrolyt-Symposium
in Kassel-Wilhelmshöhe
Vom 21. bis 23. Februar 1957 veranstaltete die wissenschaftliche Abteilung
der Firma B. Braun, Melsungen, in Zusammenarbeit mit
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
Herrn Prof. Dr. med.
B e r n i n g , Hamburg
Frey, Heidelberg
Gauer, Bad Nauheim
Hungerland, Gießen
Kalk, Kassel
L e n d 1 e , Göttingen
Schwalm, Mainz
im Schloßhotel Kassel-Wilhelrashöhe
das 1. Deutsche Elektrolyt-Symposium.
Auf Grund des regen Interesses an den Vorträgen erlaube ich mir. Ihnen die
Vorträge nunmehr in gedruckter Form zu überreichen.
B. BRAUN
234
Fragen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes
AUS DER PRAXIS — FÜR DIE PRAXIS
Fragen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes
wurden in einem Symposium besprochen, zu dem die wissenschaftliche Abtei-
lung der Firma B. Braun, Melsungen, in Verbindung mit den Herren Pro-
fessoren Berning, Frey, Gauer, Hungerland, Kalk, Lendle und Schwalm am
22. und 23. 2. 1957 nach Kassel-Wilhelmshöhe eingeladen hatten. Die wissen-
schaftliche Leitung lag in den Händen von Herrn Prof. Hungerland, Gießen.
Das Eröffnungsreferat hielt Herr Prof. Gauer, Bad Nauheim, über die Frage
der volumenregulatorischen Komponente im Elektrolyt- und Wasserhaushalt.
Es folgte ein Vortrag von Dr. Pendl, Heidenheim, über „Elektrolythaushalt
und Herz“. Im Anschluß an diese beiden Vorträge entwickelte sich eine drei-
stündige fruchtbare Diskussion. Am Nachmittag des ersten Tages sprachen
dann Priv.-Doz. Dr. Heller, Frankfurt, über Elektrolytverschiebungen in der
Schwangerschaft und Priv.-Doz. Dr. Friedberg, Mainz, über den Wasser- und
Elektrolythaushalt bei Schwangerschaftstoxikosen. Diesen Erfahrungsberich-
ten aus der geburtshilflichen Praxis schloß sich das Referat von Priv.-Doz.
Dr. Weber, Gießen, an, der über das Thema „Störungen des Elektrolyt- und
Wasserhaushaltes im Säuglingsalter und deren Therapie“ sprach. Auch im
Anschluß an diese drei Vorträge entwickelte sich eine sehr rege Diskussion
der insgesamt 73 Teilnehmer, die aus allen Fachgebieten zu diesem Symposium
eingeladen worden waren.
Der Samstagvormittag gehörte dann ganz den Chirurgen. Es sprachen Priv.-
Doz. Dr. Schega, Mainz, Dr. Kolb, Heidelberg, und Dr. Carstensen, Hamburg,
über die Elektrolytbehandlung in der prä- und postoperativen Phase. Auch im
Anschluß an diese Themen wurde eifrig diskutiert. Zum Abschluß der Tagung
referierte dann noch Dr. Stieve, Berlin, über Zellveränderungen als Folge von
Infusionen.
Alle Teilnehmer des Symposiums waren von der ersten Elektrolyt-
Tagung sehr befriedigt und auf allgemeinen Wunsch entschloß sich die
Firma B. Braun, Melsungen, auch im nächsten Jahr zu dem 2. Symposium
nach Kassel-Wilhelmshöhe einzuladen.
In Kürze erscheint ein Sonderheft mit allen anläßlich des Symposiums gehal-
tenen Vorträgen.
235
Vortragende waren die Herren;
Prof. Dr. med. O. H. Gatter,
William-G.-Kerckhoff-Herzforschungsinstitut Bad Nauheim
Dr. med. F. P endl,
Leitender Arzt der Inneren Abteilung d. Kreiskrankenhauses Heidenheim/Brenz
Prdv.-Doz. Dr. med. L. Heller,
Oberarzt der Univ.-Frauenklinik Frankfurt am Main
Priv.-Doz. Dr. med. V. Friedberg,
Oberarzt der Univ.-Frauenklinik Mainz
Priv.-Doz. Dr. med. H. Weber,
Oberarzt der Kinderklinik der Justus-Liebig-Hochschule Gießen
Priv.-Doz. Dr. med. H. W. Schega,
Oberarzt der Chirurg. Univ.-Klinik Mainz
Dr. med. E. Kolb,
Chirurgische Univ.-Klinik Heidelberg
Dr. med. E. Carstensen,
Chirurg. Univ.-Klinik Hamburg-Eppendorf
Dr. med. Robert R. S t i e v e ,
Städtisches Krankenhaus Berlin-Moabit
Die wissenschaftliche Leitung des Symposiums lag in den Händen von Herrn
Prof. Dr. med. H. Hungerland, Direktor der Universitätskinderklinik Gießen.
236
Verleihungsurkunde
des 1. Karl-Thomas-Preises
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B-BRAUN • MELSUNGEN
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opocativxn 2J3aff«-un<> «JrlefrroLytwtentum'.
Weisungen, 6en )Q(rO
237
Um allen interessierten Ärzten die Möglichkeit zu geben, sich mit einer
Arbeit zur Erlangung des Karl-Thomas-Preises zu beteiligen, werden die er-
forderlichen Bedingungen nochmals aufgeführt.
Anläßlich des 3. Deutschen Symposiums über Fragen des Elektrolyt- und
Wasserhaushaltes, das vom 18. bis 21. Februar 1959 unter der wissenschaft-
lichen Leitung von Herrn Prof. Hungerland, Bonn, in Kassel stattfand, stiftete
die Firma B. Braun, Melsungen, einen
KARL-THOMAS-PREIS
für die beste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet des Elektrolyt- und
Wasserhaushaltes. Die Höhe des Preises beträgt im Jahre 1960 DM 1 000,—.
Um diese Auszeichnung können sich wissenschaftliche Assistenten und wis-
senschaftliche Mitarbeiter aus Universitäts-Instituten, Kliniken und Kranken-
häusern durch Einreichung einer experimentellen Arbeit bewerben, die sich
mit dem Elektrolyt- und Wasserhaushalt beschäftigt. Die Beurteilung des ein-
gereichten Manuskriptes erfolgt durch eine Kommission, der folgende Herren
angehören:
Prof. Dr. Berning, Hamburg
Prof. Dr. Heusser, Basel
Prof. Dr. Hungerland, Bonn
Prof. Dr. Dr. Schütte, Berlin
Prof. Dr. Schwalm, Würzburg
Dr. med. Franz Speier, Melsungen
Zur Beurteilung spezieller Fragestellungen kann von der Kommission ein
entsprechender Fachvertreter mit hinzugezogen werden.
Um eine objektive Beurteilung der einzelnen Arbeiten zu erreichen, müssen
die Arbeiten in einem verschlossenen Umschlag eingereicht werden, der ledig-
lich mit einem Kennwort versehen ist. Dasselbe Kennwort befindet sich auf
einem zweiten Umschlag, in dem sich die genaue Anschrift des Verfassers
befindet.
Die Arbeiten sind in fünffacher Ausfertigung bis spätestens 15. November
1960 einzureichen an:
Dr. med. Franz Speier, Melsungen, Franz-Gleim-Straße 49.
Die Verleihung des Preises erfolgt auf dem Elektrolyt-Symposium 1961 in
Kassel. Der Preisträger wird aufgefordert, anläßlich dieses Symposiums über
seine Arbeit zu referieren.
238
UNITA I und II - Dauerinfusionsspritze
UNITA I - Dauerinfusionsspritze
Die neue Dauerinfusions-Apparatur zur langdauernden Infusion kleiner
Flüssigkeitsmengen mit konstanter, exakt reproduzierbarer Fördergesthwin-
digkoit.
Infusions-Geschwindigkeiten wählbar in 24 Stufen
von 0,125 ul/min bis 5,0 ml/min.
Als Antrieb dient ein reversierbarer Synchron-Motor mit zweistufigem elek-
trisch umschaltbaren Dutur-Getriebe und nachgeschaltetem zwölfstufigem Revol-
vergetriebe.
Das gesamte Getriebeaggregat ist in einem formschönen Gehäuse aus Leicht-
metall-Guß angeordnet, das gleichzeitig als Auflage für die Spezial-Spritzen
dient. An der Frontseite des Gerätes können die jeweils am Getriebe eingestell-
ten Infusionsgeschwindigkeiten unmittelbar in ml/min (ml/h bzw. ml/min oder
ml/h) abgelesen werden. Diese Werte sind auf die Verwendung einer 50 mt
Spezialspritze bezogen, die besonders genau kalibriert ist. Bei Einsatz eine.1
5 ml Spezial-Spritze sind die Skalenwerte mit dem Faktor 0,1 zu multiplizieren.
Bei dieser neuen Konstruktion wurde eine exakte Reproduzierbarkeit der
einzelnen Geschwindigkeitsstufen besonders berücksichtigt; der Wiederholungs-
fehler ist im Mittel geringer als i 0,1 °/o. Die sehr einfache und sinnfällige
Bedienung sowie ein geräuscharmer Betrieb gewähren ein angenehmes und
sicheres Arbeiten.
Sonderprospekt auf Anforderung.
UNITA II - Dauerinfusionsspritze
Dieses Modell ist zur zeitlich unbegrenzten Infusion kleiner Flüssigkeits-
mengen mit konstanter, exakt reproduzierbarer Fördergeschwindigkeit geeig-
net. Die Konstruktion entspricht im wesentlichen dem Modell UNITA I, ist
jedoch so abgeändert, daß gleichzeitig zwei Spezial-Spritzen gegenläufig betrie-
ben werden. Während die eine Spritze aus einem Vorratsgefäß ansaugt, über-
nimmt die zweite Spritze die Förderung. In den Endstellen erfolgt die Moment-
umschaltung des Antriebs und gleichzeitig auch der Ventilsteuerung in so
kurzer Zeit, daß keine merkbare Unterbrechung der Förderung eintritt. Die
Umsteuerung der Zu- und Ableitungen der Spritzen wird durch Abknicken
bzw. Strecken kurzer Schlauchstücke bewirkt. Sämtliche Schlauchverbindungen
können leicht ausgewechselt werden.
Die Infusionsgeschwindigkeit kann in zwölf Stufen geändert werden;
außerdem läßt sich der gesamte Geschwindigkeitsbereich durch Wahl der
5 ml- bzw. 50 ml-Spritze um den Faktor 10 verschieben.
239
Peritofundin für die peritoneale Dialyse
AUS DER PRAXIS - FÜR DIE PRAXIS
Peritofundin für die peritoneale Dialyse
Die peritoneale Dialyse ist überall da indiziert, wo bei akutem Nierenver-
sagen aus vitaler Indikation keine Möglichkeit besteht, den Patienten in kür-
zester Zeit extracorporal zu dialysieren. Wir verfügen zwar schon über eine
große Anzahl künstlicher Nieren, jedoch reicht ihre Zahl noch nicht aus, um in
allen Fällen Hilfe zu bringen.
Solange also noch nicht die Gewähr gegeben ist, alle in Frage kommenden
Fälle extracorporal zu dialysieren, solange hat eine lege artis durchgeführte
peritoneale Dialyse Daseinsberechtigung. Die peritoneale Dialyse hat das gleiche
Indikationsgebiet wie die extracorporale: akutes Nierenversagen bei Schlaf-
mittelvergiftungen, intraktablen Oedemen, hepatischem Koma, Hyperkalämie,
Azotämie und chronischer Urämie. Es gibt zwei Lösungen zur peritonealen
Dialyse, sie unterscheiden sich lediglich in ihrem Glukosegehalt. Die eine
Lösung ist eine 1,5 °/o Glukoselösung mit einem bestimmten Elektrolytgehalt,
während die zweite Lösung 7% Glukose mit der gleichen Elektrolytmenge
enthält.
Bei einschlägigen Fällen (zur Ausschwemmung von Toxinen Peritofundin I,
zur Ausschwemmung von Oedemen Peritofundin II) wird die entsprechende
Lösung mittels eines Spezialinfusionsgerätes in die Bauchhöhle infundiert und
verbleibt dort ein bis zwei Stunden. Durch einen Katheter läßt man dann die
Lösung ablaufen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt (bis zu 36 Stun-
den), bis etwa 50 1 ausgetauscht sind bzw. die Nierenfunktion wieder in Gang
gekommen ist. Es muß darauf geachtet werden, daß die Eröffnung der Bauch-
höhle, das Einfuhren des Katheters und alle anderen Manipulationen unter
strenger Asepsis durchgeführt werden. Mittels Antibiotioa gelingt es heute
durchweg, die peritoneale Dialyse ohne Infektionsgefahr durchzuführen.
Die Lösungen Peritofundin I und II werden von der Firma B. Braun,
Melsungen, hergestellt und zusammen mit dem Infusionsbesteck geliefert.
240
Heidelberger Verlängerungsstücke
Sauerstoffbrille
Braun-Portex-Sterilisationsfolie
Heidelberger Verlängerungsstücke
Es handelt sich hierbei um 0,75 bzw. 2,0 m lange PVC-Schläuche, die mit
entsprechenden Konen versehen sind und als Verlängerung für normale
Infusionsgeräte in Frage kommen. Diese Zusatzstücke werden, einzeln ver-
packt, steril und pyrogenfrei geliefert. Das genaue Indikationsgebiet sowie
die Anwendungstechnik wollen Sie bitte der Beschreibung von Dr. Raule auf
Seite 2103 dieses Heftes entnehmen.
Sauerstoffbrille
Immer mehr tritt die Sauerstofftherapie unter ärztlicher Kontrolle bei den
verschiedensten Herz- und Lungenerkrankungen in den Vordergrund. Mittels
der Sauerstoffbrille, die dem Gestell der normalen Brille ähnelt und durch
Verwendung verformbarer Ohrenbügel jeder Kopfform angepaßt werden kann,
wird der angefeuchtete Sauerstoff aus der Flasche den Atmungsorganen zuge-
führt. Die Brille besitzt zwei auswechselbare bzw. sterilisierbare Oliven, die
etwa Vt cm in die Nasenöffnungen hineinragen. Der Patient kann nun in
bequemer Liege- oder Sitzstellung den Sauerstoff einatmen. Eine Überdosie-
rung kann nicht erfolgen, da die Oliven die Nasenöffnungen nicht dicht ab-
schließen. Durch die Anwendung dieser Sauerstoffbrille wird die eingeatmete
Luft um etwa 35 °/o mit Sauerstoff angereichert.
Interessenten wollen bitte den Sonderprospekt anfordern.
Braun-Portex-Sterilisationsfolie
Das Prinzip dieser Folie beruht darauf, daß sie durchlässig ist für Dampf,
aber nicht für Bakterien. Hieraus ergibt sich, daß Instrumente, Operations-
wünsche, Gummihandschuhe und vieles andere mehr in dieser Nylonfolie ver-
packt sterilisiert werden können und unbegrenzt steril darin aufzubewahren
sind.
Braun-Porlex-Folie hält Autoklavtemperaturen in gespanntem Dampf bis zu
160° aus, ohne sich zu verändern. Bei sachgemäßer Behandlung kann die
Folie vielfach verwendet werden und wird somit zu einem außerordentlich
wirtschaftlichen Verpackungs- und gleichzeitig Aufbewahrungsmaterial für
sterile Gegenstände. Auf Grund der durchsichtigen Verpackung ist es nunmehr
möglich, den Inhalt festzustellen, ohne die Pakete zu öffnen.
241
Die parenterale Ernährung mit Fett
Aus der med. wiss. Abt. von B. Braun, Melsungen
Die parenterale Ernährung mit Fett
Von Dt. rer. nat. H.-J. K ü m m e 11
Während der letzten Jahrzehnte hat sich die parenterale Ernährungstherapie
von Salz- und Zuckerlösungen ausgehend so weit entwickelt, daß sie heute alle
essentiellen Nahrungsstoffe umfaßt.
In allen Fällen, in denen ein Patient aus bestimmten Gründen nur auf
parenteralem Wege, d. h. intravenös ernährt werden kann, standen bisher
als Kalorienspender Kohlehydrate, Aminosäuren und in beschränktem Um-
fang Alkohol zur Verfügung. Da Kohlehydrate und Aminosäuren pro Gramm
nur 4 Kalorien liefern und Alkohol nur bis zu einer bestimmten nicht aus-
242
reichenden Menge täglich gestoffwechselt wird, müßte man bei einem täglichen
Kalorienbedarf eines Bettlägerigen von ca. 1800 Kalorien ca. 6—8 Liter
Flüssigkeit verabreichen, um die gewünschte Kalorienzahl zu erreichen. Solche
Mengen elektrolytfreden Wassers, würden intravenös verabreicht, den Was-
serhaushalt des Organismus erheblich aus seinem Gleichgewicht bringen. Stär-
ker konzentrierte Zuckerlösungen führen jedoch bei länger dauernder Infu-
sion zu phlebitischen Reizungen und schließlich zur Verödung der Gefäße.
Bei den Aminosäuren liegen die Verhältnisse ähnlich, nur, daß hier höher
konzentrierte Lösungen unverträglich sind und zu erheblichen Störungen des
Allgemeinbefindens führen. Bisher hat man sich so geholfen, daß man Ge-
mische von Kohlehydraten, Aminosäuren und Alkohol verwendet hat, war sich
aber darüber im Klaren, daß die ideale Lösung nur durch den besten Kalorien-
lieferanten, das Fett, erreicht werden konnte.
So kann man mit einer 10°/oigen Fettlösung in 1000 ml die gleiche Kalo-
rienzahl verabreichen, wie mit 6000 ml einer physiologischen Zuckerlösung.
Vorbedingung ist jedoch, daß die Fettlösung gut vertragen wird und keine
nennenswerten Nebenerscheinungen zur Folge hat.
Historische Entwicklung
Versuche, eine parenteral verträgliche Fettemulsion herzustellen, sind schon
sehr alt (1, 2). Anfangs des Jahrhunderts griffen Mills, Murlin und Longdon
das Problem des intravenösen Gebrauchs von Fett mit Hilfe von Tierexperi-
menten auf. Die Literatur enthält Berichte, nach denen Fett selbst in Form
von Milch und Eigelb intravenös gegeben wurde.
Die ersten richtungsweisenden Versuche wurden in den Jahren 1920—1931
von den Japanern Yamakawa, Nomura, Sato und Baba unternommen, die eine
eigene Fettemulsion „YANOL“ mit Hilfe von Eilecithin als Emulgator her-
stellten.
Holt, Tidwell und Scott (3) stellten den Nährwert einer Fettemulsion, be-
stehend aus Olivenöl und Eilecithin an unterernährten Kindern fest. Mit Hilfe
von Tierexperimenten studierten Rony und Mortimer (4) die Dauer der
Lipämie nach intravenöser Verabreichung einer Eigelbemulsion.
Es ergaben sieh jedoch immer wieder Schwierigkeiten hinsichtlich der tech-
nischen Beherrschung des Problems, nämlich eine genügend dispergierte und
stabile Emulsion herzustellen, andererseits hemmten immer wieder beobachtete
Unverträglichkeiten die Einführung von Fett in die parenterale Ernährungs-
therapie.
Während der letzten Jahrzehnte wurde das Problem der parenteralen Fett-
ernährung in den USA in größerem Maßstab in Angriff genommen. Umfang-
reiche Arbeiten wurden insbesondere von Geyer, Meng, Shafiroff, Stare und
Waddell durchgeführt. In Europa waren es Sorgdreyer, Kauste, Wretlind,
243
Schubert und Edgren, die über Erfahrungen mit intravenöser Verabreichung
von Fett berichteten.
Seit kurzer Zeit werden Fettemulsionen für die parenterale Ernährungs-
therapie industriell hergestellt und mit gutem Erfolg verwendet (5, 6, 7).
Aufnahme und Verwertung intravenös zu geführten
Fettes
Das Schicksal infundierten Fettes wird an Hand der Dauer der sich ent-
wickelnden Lipämie und der Lipoidkonzentration verschiedener Organe nach
einer Fettverabreichung bestimmt. Die Dauer der Lipämie kann je nach der
Funktionstüchtigkeit des Fettklärmechanismus recht unterschiedlich sein. Bei
stark kachektischen Patienten kommt es oft überhaupt nicht zur Ausbildung
einer Lipämie, während Patienten mit einer Klärinsuffizienz bis zu 24 Stunden
erhöhte Serumfettwerte aufweisen. Auf Grund von Untersuchungen von Rony
und Mortimer (4) kann geschlossen werden, daß die Fettausscheidung aus dem
Blutkreislauf nicht durch Hormone reguliert wird. Dagegen zeigen Heparin
oder Heparinoide sowie intravenös applizderbare Polyensäuren eine auffal-
lende Klärwirkung auf lipämisches Plasma. Diese Reaktion ist in vivo als
auch in vitro am Plasma einer Testperson, der Heparin verabreicht wurde,
nachweisbar (8, 9). Die Fettelimination wird von mehreren Faktoren beein-
flußt, z. B. der Bildung von Lipoproteinen und Lipase und dem sogenannten
„Clearing factor“ (10, 11, 12, 5).
Mit Hilfe von Tierversuchen studierte Waddell (13) die Bedeutung der
verschiedenen Organe bei der Ausscheidung injizierten Fettes. Die Versuche
ergaben eindeutig, daß die Leber bei der Elimination des Fettes aus dem Blut
die größte Rolle spielt, wenn auch eine gewisse extrahepatische Elimination
stattfindet. Hier wird also die künstliche Fettemulsion ebenso wie die Chylomi-
kronen des oral zugeführten Nahrungsfettes metabolisiert. Die Milz, Nieren
sowie das RES, z. B. die Kupfer'sdien Zellen, spielen dagegen eine unbedeu-
tende Rolle (14, 15).
Die Leberfunktion wird durch intravenös angewandtes Fett nicht beeinträch-
tigt. Dieser Befund ändert sieh auch dann nicht, wenn große Fettmengen
selbst über mehrere Wochen verabreicht werden (16, 17, 13).
Die Frage, inwieweit intravenös zugeführtes Fett metabolisiert wird, war
Gegenstand vieler Untersuchungen. Murlin und Riehe (18) beobachteten
eine erhöhte Wärmeentwicklung, sowie einen erniedrigten respiratorischen
Quotienten nach intravenöser Fettapplikation. Von Baba, Gordon und Levin
wurden gleiche Beobachtungen gemacht.
Die Aufrechterhaltung der Gewichtsverhältnisse, sowie eine positive Stick-
stoffbilanz über mehrere Wochen wurde von McKibbin et al. (19) beschrie-
244
ben. Waddell et al. (20) prüften die Rolle des reticuloendothelialen Systems
bei der Metabolisierung von künstlich zugeführtem Fett. Sie konnten zeigen,
daß das RES bei der Aufnahme von Fetten submikroskopischer Größenord-
nung eine höchst unbedeutende Rolle spielt. Untersucht man den respirato-
rischen Quotienten, die Stickstoff- und Gewdchtsbilanzen unter Anwendung
radioaktiver Fette, so zeigt sich, daß intravenös zugeführtes Fett eine außer-
ordentlich nützliche Kalorienquelle für den Stoffwechsel darstellt (21, 16, 22).
Lerner et al. (23) wiesen mit Hilfe C 14 markierter Tripalmitin-Emulsion,
die parenteral verabreicht wurde, nach, daß das Fett metabolisiert wird. Nach
24 Stunden wurde die Hälfte des markierten Kohlenstoffes in der Ausatmungs-
luft festgestellt. Lediglich etwa 3—6 % des radioaktiven Kohlenstoffes wur-
den im Depotfett der Gewebe gefunden, während der Rest insofern Verwer-
tung fand, als er in Phospholipoide umgebaut wurde.
Geyer et al. (24) fanden, daß von C 14 markierter Fettemulsion der grö-
ßere Teil des radioaktiven Kohlenstoffes innerhalb von vier Stunden in Form
von Kohlendioxyd exspiriert wird. Die Infusion größerer Fettmengen bei Tie-
ren ließ keine Ablagerungen des verabreichten Fettes erkennen (25, 26) und
Untersuchungen der Fettgewebe wiesen auf die Verbrennung des zugeführten
Fettes hin. Rascher Anstieg des Blutketonspiegels, jedoch nicht über kritische
Werte, sowie leichter Anstieg des Sauerstoffverbrauchs oder ein Absinken des
respiratorischen Quotienten nach parenteraler Verabreichung von Fettemulsion
beweist die Ausnutzung des Fettes.
Meng et al. (27) hielten das Körpergewicht von Hunden durch vollständige
parenterale Ernährung mit Eiweiß, Kohlehydraten und Fetten aufrecht. Bei
Elimination der Fettkomponente verloren die Hunde jedoch sofort an Gewicht.
Neben dem kalorischen Wert spielt der immer wieder beobachtete eiweiß-
sparende Effekt einer Fett-Therapie eine wichtige Rolle, denn eine komplette
Ernährung muß neben einer ausreichenden Kalorienmenge auch Eiweiß ent-
halten. Man erreicht jedoch durch eine Fettinfusion schon mit relativ kleinen
Eiweißgaben eine durchaus positive Stickstoffbilanz.
Pharmakologie
Physiko-chemische und biochemische Eigenschaften der Fettemulsion beein-
flussen die Ausscheidung intravenösen Fettes. Von besonderer Bedeutung ist
die Wahl eines geeigneten Emulgators und eines geeigneten Fettes.
Die Substanzen, die am häufigsten zur Stabilisierung und Emulgierung an-
gewandt werden, sind Phosphatide, Gelatine und synthetische, oberflächen-
aktive Substanzen.
Es ist nachgewiesen, daß synthetische Emulgatoren nicht abgebaut werden
und vom Organismus ausgeschieden werden müssen, was bei akuter oder chro-
nischer Niereninsuffizienz nicht möglich ist. Emulgatoren verursachen allge-
mein schon bei alleiniger Anwendung eine Erhöhung der Serumfettwerte, die
245
noch viel ausgeprägter wird, wenn ein solcher Emulgator nicht ahgebaut wer-
den kann.
Bei Verwendung synthetischer Emulgatoren muß also mit einer langdauern-
den, postinfusionellen Hyperlipämie gerechnet werden. Mit der Dauer der
Hyperlipämie steht wiederum die Häufigkeit von Nebenreaktionen in Zusam-
menhang, weil dadurch das sogenannte Colloidsyndrom protrahierter verläuft.
Becker et al. (29) wiesen bei Verwendung von 1,2 °/o Tween als Emulgator
noch eine Stunde nach der Infusion bis zu 92 °/o der Aktivität im Plasma nach.
Geyer (28) berichtet ebenfalls über den verzögerten Abbau von Fettemulsio-
nen, die mit Hilfe von synthetischen Emulgatoren wie Pluronic oder Triton
hergestellt wurden.
In ähnlicher Weise bedeutungsvoll ist die Wahl einer geeigneten Fettkompo-
nente. Nach der Erfahrung von Geyer (29) sollten Mineralöle für parenteral
applizierbare Fettemulsionen ausgeschlossen werden, da diese öle aus dem
Blut weitaus langsamer entfernt werden, als vegetabilische öle. Nach bisherigen
Untersuchungen haben sich hochgereinigte Pflanzenöle mit einem hohen Ge-
halt an ungesättigten Fettsäuren als besonders wertvoll erwiesen. Bei Verwen-
dung von Fetten gesättigter Natur mit hohem Schmelzpunkt traten häufiger
Nebenreaktionen auf, sie werden schlechter vertragen und langsamer abge-
baut. Auch die Verwendung synthetisch genau definierter Fette hat sich nicht
bewährt, da sie entweder pharmakologisch aktiv sind, oder sich nur schwer
emulgieren lassen.
Neutralfett ist im Blut in Form von Lipomikronen in feinsten Tröpfchen
der Größenordnung 1 Mikron oder weniger vorhanden. Eine ähnliche Teil-
chengröße der emulgierten Fettpartikel sollte von einer künstlichen Fettemul-
sion verlangt werden. Auch der Stabilität über längere Zeit muß größte Auf-
merksamkeit gewidmet werden, da Fett instabiler Emulsionen in relativ star-
kem Ausmaß in Lunge, Leber und Milz abgelagert wird (Geyer 30, Sato 31).
Deshalb ist die Forderung zu stellen, daß eine künstliche Fettemulsion mög-
lichst gleichmäßig im Zerteilungsgrad ist, wobei die Größe der einzelnen Fett-
tröpfchen 1 Mikron nicht überschreiten sollte, und daß die Emulsion im
Kontakt mit Plasma nicht zerstört wird.
Die Firma B. Braun, Melsungen, brachte kürzlich eine intravenös applizier-
bare Fettemulsion unter der Bezeichnung LIPOFUNDIN in den Handel, die
auf Grund umfangreicher klinischer Untersuchungen allen Anforderungen
gerecht wird (5, 6, 7).
LIPOFUNDIN ist eine mittels Hochdruckhomogenisation hergestellte
Öl-in-Wasser-Emulsion zum intravenösen Gebrauch. Das Präparat enthält
10 bzw. 15 °/o hochgereinigtes Baumwollsaatöl mit einem Gehalt von etwa
90 °/o essentieller Fettsäuren. Langkettigere gesättigte Triglyceride sind durch
Ausfrieren beseitigt. Da der colloid-osraotische Drude von Fettemulsionen
niedrig ist, können diese wegen ihres hypotonischen Verhaltens nicht als solche
246
infundiert werden. Um Isotonie zu erreichen, wurden 5 #/o Sorbit zugeführt,
das gleichzeitig als zusätzlicher Kalorienlieferant dient. Sorbit hat gegenüber
den Zuckern den Vorteil, daß bei der Sterilisation kein Absinken des pH-
Wertes in saures Milieu stattfindet, da eine ausgeprägte Acidität die Emulsions-
beständigkeit katalytisch nachteilig beeinflußt.
Als Emulgator findet ein entsprechend dem DBF 1 002 607 durch nahezu
vollständige Hydrierung stabilisiertes Lecithin Verwendung. Durch die Hydrie-
rung der konzentrierten Doppelbindung im Lecithin wird vermieden, daß nach
langer Lagerung pyrogenartige Reaktionen auftreten. Die Teilthengröße der
Fettpartikel ist mit 0.1—0.4 Mikron im Vergleich zu Erythrozyten (8.5 Mikron)
so niedrig gehalten, daß mit Sicherheit Embolien vermieden werden.
Die Emulsion enthält je nach Fettgehalt (10 oder 15 °/o) 1250 bzw. 1750
Kalorien pro 1000 ml.
Bei kühler, jedoch vor Frost geschützter Lagerung ist LIPOFUNDIN ca.
1 Jahr haltbar.
LIPOFUNDIN soll nur intravenös und zwar immer allein und nie in Kom-
bination mit Blut oder anderen Infusionslösungen verabreicht werden.
Die Infusion sollte nach folgendem Schema vorgenommen werden:
1. Minute 3 Tropfen
2. Minute 5 Tropfen
3. Minute 10 Tropfen
5. Minute 25 Tropfen
10. Minute 50 Tropfen
Diese Tropfenzahl soll bis zum Ende der Infusion beibehalten werden.
Indikation
Eine parenterale Ernährung mit Fett ist in allen Fällen indiziert, in denen
akute öder chronische Mangelernährung vorliegt, prä- und postoperativ, sowie
besonders bei Operationsvorbereitung alter Patienten, die wegen schlechten
Allgemeinzustandes ansonsten nicht operiert werden könnten. Ganz besonders
jedoch bei Patienten, deren Unterernährung auf ein primäres (z. B. Sprue) oder
sekundäres (Pankreas-Insuffizienz) Malabsorptionssyndrom zurückzuführen
ist, sowie bei Patienten mit Neoplasmen des Verdauungstraktes. Darüber
hinaus ist die Verwendung von Fett für die Therapie bei schweren Infektions-
krankheiten (Typhus) bewußtlosen Patienten und solchen mit akuter oder
chronischer Nephritis, angezeigt.
Gegenindikation
Die intravenöse Ernährungstherapie mit Fettemulsion ist bei allen den
Krankheitsbildem kontraindiziert, bei denen Störungen dm Fett-Transport
oder Fett-Stoffwechsel bekannt oder sehr wahrscheinlich sind. Dazu gehören
247
alle Formen der Artherosklerose wie Coronarsklerose (Myokardinfarkt, Angina
pectoris), periphere Durchblutungsstörungen und Cerebralsklerosen. Außer-
dem jene Krankheitsbilder, die durch abnorm hohe Serumfettwerte ausge-
zeichnet sind, wie das nephrotische Syndrom, (Lipoidnephrose und nephro-
tisches Syndrom bei chronischer Nephritis), essentielle Hyperlipämie und
essentielle Hypercholesterinämie. Patienten mit Thromboseneigung und mani-
fester Thrombose sollten ebenfalls wegen der Verstärkung der Hyperkoagu-
lationstendenz, selbst nach oraler Fettzufuhr, von dieser Behandlung ausge-
nommen werden. Wegen der noch nicht völlig geklärten Beziehung zwischen
Lunge und Fettabtransport aus dem Blut sollte in allen Fällen der Veränderung
der respiratorischen Oberfläche (Pneumanose, Pneunomie) die Behandlung
der Fettinfusion in Frage gestellt sein.
Ebenfalls als Kontraindikation anzuführende Erkrankungen wie schwere
Leberschäden, sowie frische Magen- und Darmulcera sind wegen der Gefahr
der Ausbildung eines Übersättigungssyndroms auszuschließen, weil dieses
Syndrom mit einer Hyperkoagulationslabilität einhergeht.
Übersättigungs-Syndrom
Das bisher nur in der amerikanischen Literatur beschriebene Übersättigungs-
syndrom wurde nach Verabreichung von mehr als 1000 g Fett beobachtet. Das
Syndrom ist klinisch gekennzeichnet durch eine Hyperlipämie, Anämie, Throm-
bozytopenie, pathologischen Ausfall der Serumlabilitälsproben (Thymolprobe,
Takatareaktion und Anstieg der Gammaglobuline), Abfall der Prothrombin-
zeit, Bromsulfaleinreaktion, Anorexie, Heterosplenomegalie, Ikterus und Fieber.
Mit LIPOFUNDIN wurde dieses Syndrom auch nach Infusion von 1100 g Fett
bislang noch nicht beobachtet (5, 6), dennoch ist es empfehlenswert, bei
längerer Applikation den Serumfettgehalt zu kontrollieren (Trübungsmessung
oder Beobachtung des Nüchternserums, das 10 Stunden nach der letzten
Infusion klar sein soll). Zusätzlich wird die Ausführung der Serumlabilitäts-
proben und der Prothrombinzeit empfahlen. Die beim Übersättigungssyndrom
zu beobachtenden Funktionsausfälle der Leber weisen auf eine passagere
Fettleber und eine Begünstigung der intravasalen Hämolyse hin, wobei das
Fett im RES gespeichert wird.
Das Risiko einer Leberschäddgung während einer langzeitigen Behandlung
mit intravenösen Fettgaben scheint sich nach den bisherigen Erfahrungen erst
bei einer Dosierung von mehr als 2 g Fett pro kg und Tag zu entwickeln.
Trotzdem sollte man besonders bei Behandlung über längere Zeit vor Beginn
der Therapie und während, sowie nach den Infusionen Leberfunktionsteste
durchführen.
248
Nebenreaktionen
Unmittelbare Sofortreaktionen sind Temperaturerhöhung, Schüttelfrost,
Erbrechen, Übelkeit, Dyspnoe, Urticaria, Rückensdimerzen, Symptome, die
man jedoch von Infusionen colloidaler Lösungen, z. B. auch von Blutüber-
tragungen kennt. Die Erhöhung der Temperatur ist die am häufigsten
beobachtete Nebenreaktion, die auch am intensivsten untersucht wurde, ohne
daß jedoch eine befriedigende Lösung gefunden werden konnte.
Beispielsweise besteht keinerlei Beziehung hinsichtlich der verwendeten Sub-
stanzen. Die Vermutungen von Shafiroff und Mulholland (32), daß die je-
weilige Temperaturerhöhung einer übermäßigen Oxydation nach der Fettver-
abfolgung entspricht, treffen nicht zu, da die gleichzeitige Gabe von Heparin
keine erhöhte Fieberreaktion bewirkt, obgleich diese Substanz als „Clearing
factor“ wirkt und Fett beschleunigt aus dem Blutstrom entfernt (Becker 9).
Eine Bekämpfung dieser Temperaturerhöhung mit Antihistaroinica blieb
ebenfalls erfolglos (Wdddell 33). Eine Beschleunigung der Infusionsgeschwin-
digkeit, sowie eine zu hohe Fettkonzentration lassen die Rate der Neben-
reaktionen schnell ansteigen. Außerdem ist es interessant zu beobachten, daß
Emulsionen, die keine Phospholipide als Stabilisatoren enthalten, öfter Col-
loidreaktionen hervorrufen.
Die bisherigen Erfahrungen mit LIPOFUNDIN zeigen eine gute Verträg-
lichkeit des Präparates. Die beobachteten leichten Nebenreaktionen schränken
seine Anwendung nicht ein, da diese Reaktionen in ähnlicher Form auch nach
Bluttransfusionen beobachtet werden.
Lediglich bei schwerer Cyanose und Dyspnoe sollte die Infusion unter-
brochen werden und mit verlangsamter Infusionsgeschwindigkeit wieder fort-
gesetzt werden. Schwere Nebenreaktionen mit Blutdruckabfall oder Schock-
zuständen sind bisher in 1 °/o der Fälle bei nicht ganz sorgsamer Abgrenzung
der Kontraindikationen beobachtet worden. Die leichteren Nebenreaktionen
bedürfen keiner besonderen Behandlung; sollte es jedoch wider Erwarten zu
einem schweren Zwischenfall kommen, so ist die intravenöse Gabe von Pred-
nison oder Prednisolon bzw. von 5—10 000 Einheiten Heparin zu empfehlen
In diesen Fällen ist für das Auftreten von leichteren Nebenreaktionen eine
anfänglich zu hohe Infusionsgeschwindigkeit verantwortlich. Eine genaue Be-
achtung des Dosierungs-Schemas ist deshalb notwendig.
Klinik und Laboratorium
Bei Verabreichung von bis zu 7000 ml LIPOFUNDIN wurden keinerlei
generelle Veränderungen der hämatologischen und chemischen Blutbefunde
beobachtet. Es trat keine Abnahme des Hämoglobins und keine Brom-Sulfalein-
Retention ein. Ein leichter Anstieg der Labdlitätsproben und des Serum-
249
Cholesterinwertes sowie in einigen Fällen ein geringes Absinken der Pro-
thrombinzeit wurden beobachtet.
Bei stark gestörtem intermediären Stoffwechsel konnte histologisch eine
leichte Fettinfiltration der Leber und Milz mit Einlagerung braunen Pigments
festgestellt werden. Die einzige Veränderung des Elektrolyt-Haushaltes betrifft
das Kalium. Da gewisse, wenn auch geringfügige Verluste beobachtet wurden,
sollte trotzdem bei Langzeitbehandlung in gewissen Zeitabständen das Kalium
im Serum bestimmt und ergänzt werden.
An Hunden und Ratten durchgeführte Tierversuche zeigten einwandfreie
Verträglichkeit der Fettemulsion, starke Gewichtszunahme und keine außer-
gewöhnlichen pathologischen Befunde an der Leber bzwT. reticuloendothelialen
System.
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250
Kritischer Rückblick auf durchgeführte
Elektrolyt-Symposien bzw. -Colloquien
Aus der med. wiss. Abt. von B. Braun, Melsungen
Kritisdier Rückblick auf durdigefQhrte Elektrolyt-Symposien
bzw. -Colloquien
Von Dr. med. Franz S p e i e r
Als wir uns vor fünf Jahren entschlossen, regelmäßig jährlich in Kassel ein
Elektrolyt-Symposium durchzuführen, hatten wir hierfür zwei maßgebliche
Gründe. Erstens einmal wollten wir das Wissen um den Elektrolyt- und Was-
serhaushalt auf eine breitere Ebene stellen, als dies bisher in Deutschland der
Fall war. Wer einmal Gelegenheit hatte, amerikanische, schwedische oder dä-
nische Kliniken zu besuchen oder aber die Literatur aus diesen Ländern über
den Elektrolyt- und Wasserhaushalt zu lesen, konnte sehr leicht feststellen,
daß diese Länder uns weit voraus waren. Der zweite Grund, der uns zu den
Symposien veranlaßte, war der, daß wir versuchen wollten, die ins Unermeß-
liche wachsende Zahl von Infusionslösungen zumindest nicht weiter anwachsen
zu lassen, im günstigsten Falle sogar, sie zu reduzieren. Welchen Grund hatten
wir wohl dazu: Die Entwicklung der Infusionstherapie nahm in Deutschland
nach dem Kriege einen ungeahnten Aufschwung. Die Folge davon war, daß
immer mehr infundiert wurde, ohne daß man von einer gezielten Infusion
sprechen konnte. So ergab es sich häufig, daß in den verschiedensten Kran-
kenhäusern verschiedene Infusionslösungen verwendet wurden. Ihr Unterschied
war jedoch nicht so groß, daß er von entscheidender Bedeutung gewesen wäre.
Trotzdem bestand das eine Krankenhaus auf einer Lösung, die meinetwegen
10 mäq Kalium enthielt, während das Nachbarkrankenhaus nun nur 9 bzw.
11 mäq Kalium haben wollte. Die Folge davon war, daß die Industrie eine
Unmenge von Infusionslösungen herstellen und bereitstellen mußte, weil keine
Klinik gewillt war, auf ihre Erkenntnisse zu verzichten bzw. ihre Erkenntnisse
mit den Erkenntnissen anderer Kliniken zu vereinigen. Der tiefere Grund lag
wohl darin, daß auf den durchgeführten großen Kongressen keine Möglichkeit
gegeben war, daß sich die infundierenden Ärzte einmal über dieses Thema
ausgesprochen hätten. Wir hatten nun die Vorstellung, daß dies auf unseren
Symposien der Fall sein könnte, vor allem, wenn man bedenkt, daß wir zu dem
Zeitpunkt, als wir zu dem ersten Symposium einluden, immerhin 75 ver-
schiedene Infusionslösungen herstellen und an Lager halten mußten, um
unseren Kundenkreis zu befriedigen. Nachdem wir heute nun zwölf Symposien
bzw. Colloquien durdigeführt haben, kann man mit Recht an uns die Frage
richten, wieweit die von uns gehegten Wünsche in Erfüllung gegangen sind.
Bezüglich des ersten Punktes können wir mit großer Befriedigung sagen,
daß unser Wunsdi sicherlich hundertprozentig in Erfüllung gegangen ist. Nach
dem ersten in Kassel durchgeführten Symposium zeigte es sich sehr bald, daß
251
das Interesse unter den deutschen Ärzten weitaus größer war, als man anfäng-
lich annehmen konnte. Zum zweiten Symposium lagen bei uns bereits Anmel-
dungen von 400 Interessenten vor, und . wir waren nun vor die Frage gestellt,
das Symposium, dessen Teilnehmerzahl wir nie über 100 an wachsen lassen
wollten, entweder zu einem Kongreß werden zu lassen und die Teilnehmer-
zahl auf 300 bis 400 zu erhöhen, oder aber die Symposien bei einer Teil-
nehmerzahl von 100 zu belassen und an Stelle des einen in Kassel durch-
geführten Symposiums nun weitere Colloquien in den verschiedensten Bundes-
ländern durchzuführen. Wir entschlossen uns zu dem zweiten Vorgehen, und
nach zwölf Colloquien können wir heute sagen, daß wir richtig gehandelt
haben. Durch diese Colloquien haben wir immerhin fast 2000 Ärzte direkt
angesprochen und weitere 10 000 Ärzte indirekt, indem wir ihnen die Vor-
träge, die auf den einzelnen Colloquien gehalten wurden und die wir in un-
serer Hauszeitschrift veröffentlichten, zuschickten und ihnen somit die Möglich-
keit gaben, die Vorträge zu Hause in Ruhe durchzuarbeiten und die gewon-
nenen Erkenntnisse in der Klinik zu verwerten.
Durch die Teilnahme von vielen Kollegen aus allen Ländern Europas und
aus Übersee hatten wir die Möglichkeit, den interessierten Ärzten Gelegenheit
zu geben, den Anschluß wiederzufinden, der durch den Krieg und die ersten
Nachkriegsjahre mit den ausländischen Kollegen unterbrochen war. Was den
zweiten Punkt betrifft, so sind wir hier noch nicht so ganz befriedigt, aus dem
einfachen Grunde, weil es uns zwar gelungen ist, die Zahl der Infusionslösun-
gen nicht mehr weiter anwachsen zu lassen — ja, wir haben sogar eine gewisse
Reduzierung der Infusionslösungen erreicht — jedoch hat sich die auf den
Symposien abzeidinende große Linie in der Infusionstherapie noch nicht so
weit durchgesetzt, daß man bereits in allen Kliniken nach diesen Richtlinien
arbeitet. Nachdem wir also nun auf zwölf Colloquien, die z. T. in Berlin, in
Norddeutschland, in Westdeutschland und in Süddeutschland stattgefunden
haben und auf denen immer andere Referenten und andere Diskussionsteil-
nehmer gesprochen haben, zurückblicken, können wir sagen, und das möchten
wir Ihnen durch diese kleine Arbeit vermitteln, in welcher Richtung sich die
Infusionstherapie abzeichnet.
Wenn wir die Infusionslösungen aufteilen nach
1. Plasmaexpandern 4. Spezial-Elektrolytlösungen
2. Zuckerlösungen und
3. mineral. Lösungen 5. Nährlösungen
dann läßt sich im einzelnen folgendes sagen;
Bei den Plasmaexpandern scheint sich die Gelatine in den Vordergrund
zu drängen. Dies ist wohl darin begründet, daß man 1. weiß, daß die Gelatine
im Organismus nicht gespeichert wird, daß sie darüberhinaus das Blutgerin-
nungssystem nicht beeinflußt und, und das scheint mir der wesentlichste Vor-
252
teil zu sein, in jedem Fall ausgezeichnet vertragen wird und keine Reaktionen
hervorruft. So hat Marggraf in seinem Vortrag, gehalten auf dem Elek-
trolyt-Colloquium in Hannover, ganz klar auf die Vorteile der Gelatinelösung—
er verwendet unser Plasmagel — hingewiesen und sie bewußt an die Spitze
aller anderen Plasmaexpander-Lösungen gesetzt. Durch Arbeiten aus dem
Pharmakologischen Institut der Universität Göttingen und aus verschiedenen
Kliniken konnte bewiesen werden, daß diese Lösung tatsächlich allen An-
sprüchen, die an einen Plasmaexpander gestellt werden, gerecht wird und den
großen Vorteil der einwandfreien Verträglichkeit auch bei größerer Dosierungs-
menge bietet. Was nun den Punkt 2, die Zuckerlösungen, betrifft, so scheint
man sich hier noch nicht ganz einig zu sein. Während ein Teil der Referenten,
wie Nissen und Heller, die Glukose bevorzugen, bevorzugen wiederum
andere Referenten, wie Schwab, die Laevulose. Die ersteren stehen auf dem
Standpunkt, daß die Glukose in ihrer entgiftenden Wirkung in der Leber
zwar längere Anlaufzeit benötigt, dann aber umso aktiver und intensiver
wirksam wird als die Laevulose. Sie weisen ferner darauf hin, daß die Glu-
kose von den peripheren Zellen mehr benötigt wird als die Laevulose. Die-
jenigen Herren, die der Laevulose den Vorzug geben wollen, weisen darauf
hin, daß die Laevulose wohl schneller zu Glykogen aufgebaut wird, daß sie
zum größten Teil insulinunabhängig metabolisiert wird und daß sie nicht
zuletzt im Elektrolytstoffwechsel eine entscheidende Rolle spielt.
Schwab wies vor allem darauf hin, daß besonders in der postoperativen
Phase der Blutzuckerspiegel an und für sich schon erhöht ist und daß er durch
erneute Gaben von Glukose weiter erhöht würde, während dies durch Laevu-
lose nicht der Fall sein soll. Auf vielen Colloquien wurde aber von Seiten der
Diskussionsredner darauf hingewiesen, daß es doch wohl zweckmäßig sei, die
Vorteile beider Zucker zu vereinen und statt der Glukose bzw. Laevulose die
10°/oige Invertoselösung zu verwenden, die also nunmehr die Vorteile der
Glukose mit den Vorteilen der Laevulose verbindet. Zu dem 3. Punkt wäre
zu sagen, daß bis vor nicht allzulanger Zeit bei den mineralischen Lösungen
die 0,9°/oige Kochsalzlösung eine ganz entscheidende Rolle spielte. Es gibt
eine Menge Kliniken, und es gibt auch sicherlich heute noch Krankenhäuser,
wo eine 0,9°/»ige Kochsalzlösung postoperativ täglich bis zu 2, 3, ja manchmal
bis zu 4 Litern gegeben wird. Wenn man überlegt, daß durch eine solche Zufuhr
von Natrium und Chlor allein die Toxizitätsgrenze des Natriums um das 3- und
4-fache überschritten wird, und wenn man weiter bedenkt, daß Schegn
und Schivaiger schon vor Jahren darauf hinwiesen, daß das Natrium, in
diesen Mengen infundiert, doch erhebliche Schädigungen am Myocard, der
Magenwand und sonstigen Organen hervorruft, dann kann man heute nicht
eindringlich genug vor der Verwendung der sog. physiologischen, aber absolut
unphysdologisehen Kochsalzlösung warnen. Dies wurde auch auf allen Col-
loquien von den Referenten ausdrücklich betont. Man sollte die Kochsalz-
lösung eben dann verwenden, wenn tatsächlich ein akuter Kochsalzmangel
253
vorliegt. In allen anderen Fällen sollte man sich der Ringer-Laktat-Lösung
nach Hartmann bzw. des danach gestalteten Sterofundins bedienen. Diese sog.
modifizierten Tyrodelösungen enthalten neben dem Natrium und Chlor Ka-
lium-, Calcium- und Magnesium-Ionen, also ausgesprochene Antagonisten des
Natriums. Es soll hier nicht auf Sterofundin und seine einzelnen Modifika-
tionen näher eingegangen werden. Sie können dies alles aus unserer kleinen
blauen Infusionsbroschüre ersehen, die Sie jederzeit auf Anforderung erhalten
können.
Eine andere Frage, die auf fast allen Colloquien, vor allem von den chirur-
gischen Kollegen, aufgegriffen wurde, war die, welche Infusionstherapie man
am Operationstag, bzw. am 1. und 2. Tag post operationem betreibt. Auch
hier scheinen sich nun zwei große Linien abzuzeichnen, nach denen in den ein-
zelnen Kliniken und Krankenhäusern verfahren wird. Während in den einen
Krankenhäusern lediglich die elektrolytfreie Zuckerlösung, sei es Glukose
oder Laevulose, verwendet wird, neigen andere Häuser wieder dazu, nach
amerikanischem Vorbild die sog. Starter- oder Anwässerungslösungen zu ver-
wenden. Während durch die reinen Zuckerlösungen keinerlei Elektrolyte
zugeführt werden, erhält der Organismus durch die Anwässerungslösung eine
geringe Menge, d. h. 54 mäq Natrium- und Chlor-Ionen, in einer 5 %igen
Zuckerlösung. Da postoperativ in vielen Fällen eine geringe oldgurische
Störung vorliegt, wird von amerikanischer, später auch von schwedischer Seite
darauf hingewiesen, daß der geringe Gehalt an Elektrolyten, in diesem Fall
54 mäq. Natrium und Chlor, der oligurischen Niere einen Anstoß gibt,
wieder ihre volle Funktionsfähigkeit aufzunehmen. Eine solche Anwässerungs-
lösung stellt das Sterofundin A dar, das auch auf den verschiedensten Sym-
posien von den einzelnen Referenten als sehr gut wirksam empfohlen wurde.
Resümierend kann man also sagen: am Operationstag bzw. am 1. Tag nach der
Operation entweder eine 5,25#/oige Glukose- oder Laevuloselösung oder aber
eine Starter- oder Anwässerungslösung, wie sie das Sterofundin A darstellt.
Auf die Dosierung der einzelnen Lösungen soll hier nicht näher eingegangen
werden, sie ist genau aus der kleinen blauen Infusionsbroschüre zu ersehen,
die im übrigen an Hand von Therapiebeispielen genaue Einzelheiten be-
schreibt. Ist nun am 2. oder 3. Tag postoperativ die Nierenfunktion wieder
voll in Tätigkeit, dann kann man mit einer Vollelektrolytlösung bilanzieren,
d. h. man kann evtl, vorhandene Milieuentgleisungen bzw. Hypokalämien, die
sehr leicht auftreten können, da ja der Patient präoperativ doch schon mit
seiner Nahrung keine normalen Kaliummengen mehr erhielt, ausgleichen. In all
diesen Fällen hat sich die Butler’sche Lösung sehr gut bewährt, die, etwas modi-
fiziert und auf den neuesten Stand gebracht, von uns unter der Bezeichnung
Sterofundin B angeboten wird. Dieses Sterofundin B ist eine äquilibrierte Lö-
sung, deren Elektrolytgehalt zwischen Minimalbcdarf und Maximaltoleranz liegt.
Sie wird also in jedem Falle gut vertragen, ohne daß man befürchten muß,
daß toxische Erscheinungen beobachtet werden. Besteht jedoch postoperativ
kein Kaliummangel, dann kann man mit einer Lösung wie Sterofundin HL 5
oder HG 5 sehr schön den täglichen Erhaltungsbedarf des Patienten decken.
Nun kommen wir zu den ganz speziellen Elektrolyt-Verschiebungen, wie sie
bei den einzelnen Krankheitsbildern auftreten können, und es erhebt sich die
Frage, wie man in diesen Fällen am besten eine zielgerechte Therapie betreibt.
Auch hier haben wir zwei Möglichkeiten: auf der einen Seite besteht die
Möglichkeit, eine sog. Konfektionstherapie zu betreiben, d. h, man kann ge-
brauchsfertige Elektrolytlösungen, die in Flaschen bzw. Plastik-Infusoren zu
500 ml geliefert werden, verwenden. Es gibt auch solche speziellen Lösungen
zur Beseitigung von Alkalosen, von Acidosen, von Kaliummangelzuständen
verschiedenen Grades; man hat Lösungen, die anzuwenden sind bei stärkerem
Verlust von Magensaft oder aber von alkalischen Sekreten. Eine andere
Möglichkeit besteht darin, eine Therapie nach Maß zu betreiben. So hat Herr
Prof. Schwab, Göttingen, eindeutig auf die Basislösungen und Elektrolyt-
konzentrate hingewiesen, die von uns in Zusammenarbeit mit der Göttinger
Med. Klinik entwickelt wurden. Mit diesen Basislösungen und mit diesen
Elektrolytkonzentraten kann man tatsächlich individuell dosieren und praktisch
95 <Vo aller Krankheitsbilder entsprechend behandeln. Wir brauchen hierfür
eine Basislösung bei reinem Wassermangel — dies wird durch die 5,25 °/oige
Glukose- oder Laevuloselösung erreicht —, wir brauchen eine zweite Basis-
lösung für extrazellulären Flüssigkeitsmangel, wozu Sterofundin bestens ge-
eignet ist. Zu diesen beiden Basislösungen kommen dann fünf Elektrolyt-
konzentrate, die, ich muß immer wieder auf unsere kleine blaue Broschüre
verweisen, auch hier im einzelnen nachgelesen werden können. Diese Kon-
zentrate sind 1-molar, d. h. 1 ml entspricht 1 mäq. Wbr haben eine Kalium-
chloridlösung, eine Kaliumlaktatlösung, eine Kaliumphosphatlösung, eine
Natriumchloridlösung und eine Natriumlaktatlösung. Diese Konzentrate wer-
den in kleinen, Penicillinflaschen ähnlichen Fläschchen mit 30 ml Inhalt
geliefert, so daß Sie nun die Möglichkeit haben, mit der Spritze 20 — 30 ml
aufzuziehen, und dann genau wissen, daß Sie nun auch genau 20 bzw. 30 mäq
Kat- bzw. Anion der Basislösung zusetzen. Um eine solche Therapie zu be-
treiben, braucht man natürlich gewisse labormäßige Ausrüstungen, man kann
beispielsweise auf ein Flammenphotometer dabei nicht verzichten. Auf Grund
der durchgeführten Diskussionen konnte man immer wieder ersehen, daß diese
sog. Therapie nach Maß meistens das Vorrecht der größeren Kliniken, Stadt-
und Kreiskrankenhäuser ist, während die kleineren Krankenhäuser doch lieber
auf die gebrauchsfertigen, von der Industrie gelieferten Infusionslösungen
zurückgreifen wollen, um erstens einmal sicher zu sein, absolut sterile und
pyrogenfreie Lösungen zu haben, und darüberhinaus auch die Gewißheit zu
haben, daß die auf dem Etikett angegebene Zahl der Milliäquivalente an Kat-
und Anionen dem Inhalt der Lösung entspricht. Ich verweise in diesem Zu-
sammenhang noch einmal auf die von uns auf vielseitigen Wunsch heraus-
gebrachte kleine Prospektsammlung über Basislösungen und Elektrolytkon-
255
zentrale, in denen die einzelnen Formen nochmal genau beschrieben und auch
vor allem die Menge der zu infundierenden Lösung angegeben ist. Man
hat also, wie sie sehen — und das war das Ergebnis all dieser Colloquien —
zwei Möglichkeiten, eine erfolgreiche Elektrolytlberapie zu betreiben, einmal,
indem man die gebrauchsfertigen Lösungen, wie sie unter der Num-
mer 6—15 in unserer blauen Broschüre beschrieben sind, verwendet, zum
anderen, indem man sich der beiden Basislösungen und der Elektrolytkonzen-
trate bedient. In jedem Falle kann man mit beiden Methoden eine gezielte,
ausreichende und erfolgreiche Therapie betreiben.
Ich möchte Ihnen hier auch nicht die Ergebnisse der Diskussion über
die parenterale Ernährung vorenthalten. Sie alle wissen, daß die paren-
terale Ernährung ein ziemlich schwieriges Kapitel ist, weil es einfach nicht
möglich ist, mit einer geringen Flüssigkeitsmenge eine entsprechend hohe
Anzahl von Kalorien zuzuführen. Früher hat man im allgemeinen eine
5 oder 10 °/oige Zuckerlösung verwendet, wobei die Zahl der zugeführten
Kalorien jedoch in keinem Falle ausreichte, um auch einen streng bett-
lägerigen Patienten ausreichend zu ernähren. Zum anderen war die zuge-
führte Flüssigkeitsmenge so erheblich, daß sie von den Patienten nicht
ohne Belastung vertragen werden konnte. Daß es darüberhinaus meistens
auch noch nach sehr kurzer Zeit zu lokalen Venenreizungen kam, die Anlaß
waren, die Infusion abzubrechen, sei nur der Vollständigkeit halber bemerkt.
Ähnlich verhält es sich, wenn man höherkonzentrierte 40 °/»ige Zuckerlösungen,
sei es Laevulose, Glukose oder Invertose, verwendet. Auch hier ist man häufig
gezwungen, die Infusion nach sehr kurzer Zeit abzubrechen, weil die Venen
einfach so geschädigt werden, daß dem Patienten eine weitere Infusion nicht
zugemutet werden kann. Seit es uns nun gelungen ist, eine stabile intravenöse
Fettlösung herzustellen, mit deren Hilfe man mit 500 bzw. 1000 ml die gleich
große Zahl von Kalorien, also 1000 Kalorien, zuführen kann, ist die parenterale
Ernährung in ein vollkommen neues Stadium gerückt. Man kann heute die
parenterale Ernährung so betreiben, daß man dem Patienten pro Tag 1000 ml
Lipofundin, d. h. also eine 10 °/oige Fettlösung, verabreicht und ihm dazu noch
500 ml Zuckerlösung und 500 ml eines Aminohydrolysates, wie es Steramin
darstellt, gibt. In diesem Fall kann man mit 2000 ml über 2000 Kalorien pro
Tag zuführen und belastet den Wasserhaushalt des Patienten nicht und braucht
auch nicht zu befürchten, daß die Venen geschädigt werden. Bei der Verwendung
der Fettlösung ist lediglich darauf zu achten, daß man die Infusion möglichst
langsam beginnt, damit im Anfang kein Kolloidschock auftritt, der den Patien-
ten verängstigt und dem Arzt evtl, den Mut nimmt, die Infusion weiter durchzu-
führen. Jedoch können Sie nähere Einzelheiten hierüber einem Sonderprospekt
entnehmen. Wir haben jedenfalls auf den verschiedenen Symposien, sei es
in Berlin durch Herrn Dohrmann oder Herrn Betzold oder aber auf dem Collo-
quium in Münster durch Herrn Kukulinus aus Bremen, auf dem Colloquium
in Hannover durch Herrn Ahnefeld aus Mainz und noch verschiedene andere
256
Autoren gehört, daß die Fettlösung gut vertragen wird und daß man sehr gute
Erfolge damit beobachtet hat. Der große Vorteil, und das möchte ich hier
nochmals wiederholen, liegt eben darin, daß man beispielsweise mit
1000 ml Fettlösung, 500 ml Steramin und 500 ml Traubenzuckerlösung einen
bettlägerigen Patienten ausreichend ernähren kann, ohne irgendwelche Neben-
wirkungen zu befürchten und ohne vor allem befürchten zu müssen, daß durch
Venenwandreizung Thrombophlebitiden entstehen und zur Unterbrechung der
Infusion führen. Man kann natürlich noch einen anderen Weg beschreiten,
indem man beispielsweise eine 20 °/oige Invertzuckerlösung gibt, die den
großen Vorteil hat, daß sie nicht so sehr als hypertonische Lösung vom Körper
aufgenommen wird, da ja, wie bekannt ist, der 20 °/oige Invertzucker als
10 °/o Glukose und 10 “/o Laevulose metabolisiert wird, so daß man also mit
1000 ml einer 20 °/oigen Invertzuckerlösung 800 Kalorien zuführen kann und
nun durch die Zugabe von 50 oder 100 ml 96 “/eigen Aethylalkohol die Kalo-
rienzufuhr auf 1200—1500 Kalorien pro Liter vergrößern kann. Da man sich
jedoch über die Verträglichkeit des Alkohols im Organismus noch nicht ganz
im klaren ist, vor allem auch nicht weiß, inwieweit der Alkohol überhaupt
verbrannt wird, empfiehlt sich doch die Methode, die zuerst beschrieben wurde,
nämlich mit Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten eine vollwertige parenterale
Ernährung durchzuführen. Soviel über die parenterale Ernährung.
Da nun in diesem Zusammenhang das Kaseinhydrolysat Steramin bespro-
chen wurde, möchte ich nicht versäumen, auch darauf hinzuweisen, daß wir
auf verschiedenen Colloquien das Thema auch auf die Eiweißsubstitution ge-
bracht haben, und es wurde zur Diskussion gestellt, ob man ein Kasein-
hydrolysat oder aber ein synthetisches Aminosäurengemisch verwenden soll.
Der größte Teil der Teilnehmer entschied sich für das Kaseinhydrolysat, und
zwar aus dem einfachen Grund, weil in diesem Hydrolysat alle notwendigen
Aminosäuren in physiologischer Form vorliegen, während in den synthetischen
Aminosäurengemisthen der Gehalt an Aminosäuren erstens einmal sehr gering
ist, weil die Aminosäuren sehr schwer löslich sind, und auf der anderen Seite
ein großer Teil der synthetischen Aminosäuren vom Körper doch scheinbar
nicht metabolisiert wird. Es werden demnächst über dieses Thema zwei größere
Arbeiten erscheinen, und wir werden uns erlauben, sie Ihnen zur gegebenen
Zeit zur Verfügung zu stellen. Es ist selbstverständlich, daß ein Kaseinhydro-
lysat, also ein organisches Eiweißgemisch, in vereinzelten Fällen zu Reaktionen
Anlaß geben kann. Meist ist dies der Fall, wenn man die Infusion zu schnell
beginnt oder das Hydrolysat zu schnell einlaufen läßt. Wenn man aber be-
denkt, daß man auch bei einer Bluttransfusion bzw. einer Plasmaübertragung
auch bis zu 2 °/o Reaktionen beobachtet, dann muß es durchaus verständlich
sein, daß auch ein so hochwertiges Präparat, wie es ein Hydrolysat von Eiweiß
darstellt, Reaktionen verursachen kann. In jedem Falle wird das Steramin
genau getestet, genau eingestellt und wird mit Sicherheit steril und pyrogen-
frei geliefert. Nach Aussagen verschiedener Autoren wird Steramin auch in den
257
verschiedensten Kliniken bei sehr guter Verträglichkeit und sehr gutem Erfolg
verwendet.
Ein anderes Kapitel, das bei den Elektrolyt-Colloquien immer wieder zur
Sprache kam, war die Infusionstherapie bei Säuglingen und Kleinkindern.
Da wir bei den verschiedensten Colloquien immer eine Anzahl namhafter
Pädiater als Gäste hatten, läßt sich auch hier rückblickend ein einigermaßen
vernünftiges Schema für die Infusionstherapie ausarbeiten. So wird z. B. zum
Ausgleich von Verlusten Sterofundin A empfohlen, während Sterofundin SK
wahlweise mit Glukose oder Laevulose besonders für den Erhaltungsbedarf
des Säuglings empfohlen wird. Mit den bisher im Handel befindlichen
Infusionslösungen war es nicht möglich, nur den Erhaltungsbedarf an Flüssig-
keit und Salzen bei Säuglingen und Kleinkindern zu decken. Alle bekannten
mineralischen Lösungen mit bereits stark reduziertem Kochsalzgehalt ent-
hielten immer noch zu viele Natrium- und Chlor-Ionen. Solche Lösungen sind
aber bei Säuglingen und Kleinkindern nur eben dann angebracht, wenn Ver-
luste ausgeglichen werden müssen. Eine Ersatztherapie sollte aber, zumindest
in Bezug auf Kochsalz, nadi zwei Tagen abgeschlossen sein. Anschließend
braucht man dann eben nur noch den Erhaltungsbedarf sicherzustellen, und
dies kann man sehr gut, wie es von Seiten der Referenten bestätigt wurde, mit
Sterofundin SK, dem wahlweise Glukose oder Laevulose zugesetzt wird. Die
Lösung hat eine Zusammensetzung von 875 ml Glukose- oder Laevuloselösung
und 125 ml 0,9 °/oige Kochsalzlösung, d. h. 19 mäq. Natrium- und 19 mäq.
Chlor-Ionen. Doch hier will ich auf die Dosierung nicht näher eingehen, sie ist
in der kleinen blauen Infusionsbroschüre im einzelnen näher beschrieben. Die
zweite Möglichkeit besteht darin, entweder eine Ringer-Glukose-Lösung zu
verwenden oder aber Sterofundin mit 5fl/o Traubenzucker, dem man dann auf
1000 ml 100 ml Darrow’sche Lösung zusetzen kann, so daß man auch auf
einen entsprechenden Kaliumgehalt kommt, wie er ja doch oft bei Säuglingen
auch indiziert ist.
Zur Osmotherapie bzw. zur Ausschwemmung von Hirnödemen wurden
bislang entweder 40 %ige Glukose-, Laevulose- oder Sorbitlösungen ver-
wendet. Wenn man bedenkt, daß erhöhter intracranieller Druck eines der
häufigsten und schwierigsten Probleme ist. mit denen die Neurochirurgen
zu kämpfen haben, und daß auch die Ophthalmologen zur Behandlung
des Glaukoms Lösungen brauchen, die in der Lage sind, den Hirndruck
herabzusetzen, dann kann man ermessen, welche Bedeutung einer solchen
druckherabsetzenden Lösung zukommt. Die verwendeten Zuckerlösungen wur-
den zwar sehr schnell wirksam, ließen aber in ihrer Wirksamkeit auch sehr
schnell nach, da für die Zucker ja praktisch keine Blut-Hirn-Schranke besteht.
Mit dem entwickelten Sterofundin U 30, in dem in einer 10 °/»igen Invertzucker-
lösung 30 °/o Harnstoff gelöst sind, wurde nunmehr eine Infusionslösung ge-
schaffen, die über 10—12 Stunden in der Lage ist, den Hirndruck herabzu-
setzen, und so dem Operateur die Möglichkeit gibt, alle Eingriffe am Schädel-
258
innern ohne erhöhte Drucksteigerung durchzuführen. Sterofundin U 30 ver-
ursacht keine toxischen Erscheinungen oder biochemischen Veränderungen.
Bereits kurz nach Infusionsbeginn zeigt sich eine kräftige Diurese, die nach
2—3 Stunden ihren Höhepunkt erreicht und in abgeschwächter Form bis zu
9 Stunden zu beobachten ist. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, bereits
bei Beginn der Infusion einen Katheter in die Blase zu legen und den Urin
stündlich abzulassen, um so eine Überdehnung der Blase zu verhindern. Der
Blutharnstoffspiegel erhöht sich vom Infusionsbeginn an und erreicht gegen
Ende der Infusion seinen Höchststand. Nach 20 Stunden ist im allgemeinen
der Ausgangs- bzw. Normalwert wieder erreicht. Werte von 500 mg pro 100 ml
wurden schon beobachtet, ohne jedoch unangenehme klinische Reaktionen aus-
zulösen. Da sich eine Harnstoffretention jedoch sehr nachteilig auswirken kann,
sollte man Patienten mit gestörter Nierentätigkeit keine Harnstoffinfusionen
verabreichen. Auch bei akuten intraoerebralen Blutungen sollte man die
intravenöse Harnstoffapplikation nur als präoperative Maßnahme und nicht
als eine Form der Therapie anwenden. Postoperativ sollte die Lösung wegen
der Gefahr von Blutungen e vacuo nicht verwendet werden. Wie erklärt man
sich nun die Wirkungsweise dieser hochprozentigen Harnstofflösung und
warum verwendet man als Vehikel eine 10°/»ige Invertzuckerlösung? ln vielen
klinischen Versuchen hat sich gezeigt, daß dem Harnstoff seine Gefährlichkeit,
insbesondere seine hämolytischen Eigenschaften, verlorengeht, wenn man ihn
in einer 10 °/oigen Invertzuckerlösung löst und verabreicht. Seine langdauernde
Wirksamkeit wird darauf zurückgeführt, daß für den Harnstoff eine ausge-
sprochene Blut-Hirn-Schranke besteht, so daß also das osmotische Druckgefälle
über längere Zeit erhalten bleibt und dem Hirn, das sowieso die Flüssigkeit
viel fester hält als andere Organe, das Wasser auf lange Zeit entzogen wird.
Interessenten, die nicht an den Symposien teilgenommen haben oder die sich
über diese Therapieform näher informieren wollen, stellen wir auf Wunsch
gern wissenschaftliche Prospekt- sowie Literaturunterlagen zur Verfügung.
Anläßlich der Colloquien wurde auch verschiedentlich über die extracorporale
Dialyse gesprochen, vor allem im Hinblick auf ihren Einsatz bei einer be-
stehenden starken Hyperkalämie. Herr Wetzeis und Herr Scheler berichteten
über gute Erfolge. In der Diskussion wurde auch über den Einsatz der peri-
tonealen Dialyse, als eine vereinfachte Form der künstlichen Niere, gesprochen.
Bei diesem Vorgang wird das stark ausgeprägte Gefäßsystem des Peritoneums
als Filter benutzt und mittels Lösungen unterschiedlichen osmotischen Druck-
gefälles das Kalium bzw. auch andere toxisch wirksame Substanzen aus dem
Gefäßsystem dialysiert. Die genaue Beschreibung der Methode finden Sie in
einem wissenschaftlichen Prospekt, in der das Peritofundin und seine Anwen-
dungsweise genau beschrieben wird.
Zusammenfassung
Ich habe versucht, in dieser kurzen Abhandlung ein Resümee darüber zu
259
geben, was auf den 12 durchgeführten Elektrolyt-Colloquien im einzelnen
besprochen wurde. Da den meisten Kollegen die Vorträge der einzelnen Sym-
posien in gedruckter Form vorliegen, haben sie praktisch durch diese Arbeit
nichts wesentlich Neues erfahren. Ich habe mir lediglich die Arbeit gemacht,
all dies einmal zusammenzustellen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, sich
innerhalb kurzer Zeit über den derzeitigen Stand der Infusionstherapie in
Krankenhäusern, die praktisch aus der ganzen Bundesrepublik durch ihre
Arzte auf den Symposien vertreten waren, zu informieren. Ich darf zum
Schluß nochmals auf unsere neu erschienene Infusionsbroschüre mit dem Auf-
druck „Neuauflage 1961“ hinweisen, in ihr sind praktisch die gleichen Thera-
piebeispiele enthalten, die ich hier nochmals kurz skizziert habe. Im übrigen
ist die Zusammensetzung der einzelnen Lösungen dort genau beschrieben und
angegeben.
Wie Ihnen bekannt ist, wurde anläßlich des 3. Deutschen Elektrolyt-Sym-
posiums 1959 in Kassel von der Firma B. Braun der Karl-Thomas-Preis für
die beste Arbeit auf dem Gebiet des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes ge-
stiftet. Auch in diesem Jahr ist der Preis wieder ausgeschrieben und die
Arbeiten müssen bis spätestens 15. Dezember an die Med. wissenschaftliche
Abteilung der Firma B. Braun eingereicht sein, und zwar in fünffacher Aus-
fertigung.
260
Braunüle - die neue Plastikkanüle
AUS DER PRAXIS - FÜR DIE PRAXIS
Braunüle — die neue Plastikkanüle
Wenn man bisher intraarteriell bzw. intravenös eine plastische Kanüle ver-
wenden wollte, war man gezwungen, mit einer Flügelkanüle zu punktieren
und dann die plastische Kanüle durch das Lumen der Flügelkanüle in die
Vene einzuführen. Dieses Verfahren hatte den Nachteil, daß man entweder
eine sehr dicke Metallkanüle verwenden mußte, oder aber sich mit einer
relativ englumigen Plastikkanüle zufrieden geben mußte. Außerdem war es
nicht möglich am Ende der plastischen Kanüle einen Rekord- oder Luerkonus
anzubringen, da sich so die Metallkanüle nicht mehr entfernen ließ. Die
Braunüle — zur einmaligen Verwendung — schaltet diese oben beschriebenen
Nachteile aus. über einer Melallkanüle befindet sich eine im Lumen genau
passende Plastikkanüle, die kurz vor der Kanülenspitze konisch und in stufen-
losem Übergang auf der Melallkanüle ausläuft. Man kann es am besten ver-
ständlich machen, wenn man das System mit einem Schirm vergleicht. Die
Metallkanüle entspricht dann dem zusammengerollten Schirm, während die
Kunststoffkanüle dem Schirmüberzug entspricht. Man punktiert nun die Vene
mit der Spitze der Metallkanüle, wobei sich die dicht dem Metallrohr anlie-
gende Kunststoffkanüle — die Metallkanüle als Mandrin benutzend — mit
in die Vene hineinschiebt. Man kann nun, wenn die Plastikkanüle hoch genug
in die Vene eingeführt ist, die Metallkanüle aus der Vene herausziehen und
an den Rekordkonus der Kunststoffkanüle eine Spritze oder eine Infusions-
leitung anschließen.
261
Symposium über die parenterale Ernährung
Symposium
über die parenterale Ernährung
Vom 21.—24. Februar 1962
in Kassel-Wilhelmshöhe
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Henning
Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Erlangen
Prof. Dr. Schettler
Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik
der Freien Universität Berlin
Veranstalter; Med.-wiss. Abt. B. Braun, Melsungen
262
Symposium über
I. Kunststoffe in der Medizin
II. Osteogenese - Osteosynthese
JMEDIZIUISCH
PHARMAZEUTISCHE
IIIITTEIUUAOEA
Symposium Kassel 1963
I. Kunststoffe in der Medizin
II. Osteogenese - Osteosynthese
1963
Heft 100
263
VORWORT
Die Besprechung von zwei recht bedeutsamen Themen war mir bei dem
diesjährigen Symposium, das die Medizinisch-Wissenschaftliche Abteilung
B. BRAUN — Melsungen veranstaltet hat, zur Leitung übertragen worden:
„KUNSTSTOFFE IN DER MEDIZIN"
und
„OSTEOGENESE — OSTEOSYNTHESE"
Die KUNSTSTOFFE in ihrer extrakorporalen Anwendung haben sich in den
letzten Jahren alle Fachgebiete der Medizin erobert. Als Injektionsspritzen,
Kanülen, Behälter für Infusionslösungen und Blut bzw. Blutbestandteile, als
sonstige Geräte und Behälter haben sie weite Verbreitung gefunden, da sie
in jeder gewünschten Form hergestellt werden können, da sie sich sicher steri-
lisieren lassen und da sie auch — was bei der zunehmenden Personalverknap-
pung von besonderer Bedeutung ist — preiswert zum einmaligen sofortigen
Gebrauch steril verpackt bereitstehen. Bei den jetzt gebräuchlichen sind die
Forderungen erfüllt, daß sie ihre Gestalt unverändert beibehalten und vor
allem von Lösungen und Sterilisationsmaßnahmen nicht verändert werden, daß
sie also keine toxischen Bestandteile abgeben.
Die intrakorporale Anwendung begann mit in das Knochengewebe versenk-
ten Kunststoff-Schienen und -Prothesen. Gerade die Kunststoffgelenkprothe-
sen fanden wegen der Einfachheit der durch ihren Einbau ermöglichten Wie-
derherstellung der Gelenkbeweglichkeit eine begeisterte Aufnahme in der
Knochen- und Gelenkchirurgie und -Orthopädie. Aber leider hielten die
Kunststoffe selbst nicht, was man von ihnen erwartete und was man von ihnen
fordern mußte. Ihr Material war nicht dem starken Gelenkdruck und der Rei-
bung gewachsen, es war nicht verschleißfest, so daß die zunächst steil auf-
steigende Kurve der Begeisterung nach wenigen Jahren schon schroff ab-
sank zu einer allgemeinen Enttäuschung und Ablehnung, so daß sie nur noch
dort zur Verwendung kommen, wo die Lebenserwartung die Zeit der Material-
beständigkeit nicht übersteigt.
Der Gelenkplastik folgte die Gefäßplastik mit Kunststoffen. Weite Lücken
im Bereich der Blutgefäße wurden überbrückt, ausgedehnte künstliche Neben-
wege der Blutgefäßbahnen wurden angelegt. Großartige Anfangserfolge konn-
ten nachgewiesen werden. Aber auch auf diesem Gebiete, das noch jung ist,
scheinen sich jetzt schon Erkenntnisse anzubahnen, die zur Einschränkung in
der Verwendung der Gefäßprothesen mahnen.
Neu und überzeugend ist die Verwendung von Kunststoffspangen zur Be-
seitigung von Stenosen der Trachea nach Kropf druck oder nach Struma-
operationen.
264
Die von manchen Seiten befürchtete Gefahr der bösartigen Entartung der
den intrakorporal eingelagerten Kunststoffen anliegenden Gewebe scheint
recht gering zu sein, jedenfalls bei den erprobten und jetzt in Verwendung
befindlichen Kunststoffen. Die über diesen Abschnitt gehörten Vorträge und
die lebhafte Aussprache brachten sehr viel Interessantes und berichteten über
lehrreiche Erfahrungen.
Das zweite Thema OSTEOGENESE — OSTEOSYNTHESE beschäftigte
sich in der Hauptsache mit der chirurgisch-orthopädischen Verwendung des
Kieler Spans, der jetzt fabrikmäßig in steriler Verpackung sofort ver-
wendbar angefertigt wird. Die Vortragenden und Ausspracheredner wiesen
sehr gute Erfolge dieses konservierten heteroplastischen Knochenmaterials in
der menschlichen Chirurgie des verzögert heilenden Knochenbruches und der
Pseudarthrose vor und konnten nachweisen, daß der Span als Kallusreizer
und -förderer eine ausgezeichnete Wirkung hat und in oft erstaunlich kurzer
Zeit zur Heilung führt. Das Knochenmaterial des Kieler Spans läßt sich
in jeder Gestalt hersteilen. Als Knochenschiene und Knochenschraube erfüllt
es eine zweifache Aufgabe: es dient der Fixierung und Kallusreizung. Die
Belastungsansprüche an die knöcherne Schraube müssen allerdings in ihren
Grenzen bleiben, sie dürfen nicht zu hoch gestellt werden.
Die Vorträge und die äußerst rege, frei und sehr offen geführte Aussprache
trennten die Erfahrungstatsachen von wunschbedingten Hoffnungen und wie-
sen den richtigen Weg zur Anwendung des Kieler Spans und auch zur
weiteren Forschung auf diesem Gebiete.
Das zweitägige Symposium stand auf einer beachtlichen und allseits aner-
kannten wissenschaftlichen Höhe, gab viele Anregungen und förderte die alle
(über 120) Teilnehmer interessierenden Fragen durch die zwanglose, sehr
kameradschaftliche Gestaltung der Gemeinschaftsarbeit. Mit dem Dank an die
Veranstalter verbindet sich unser aller Wunsch, daß dem so schön verlaufenen
8. Symposium des Hauses B. BRAUN weitere fruchtbringende Veranstaltun-
gen dieser Art folgen mögen.
H. BÜRKLE DE LA CAMP
Dottingen/Schwarzw., den 9. März 1963
265
Das Symposium
fand auf Einladung von B. BRAUN — MELSUNGEN
am 21. und 22. Februar 1963
in Kassel-Wilhelmshöhe statt
und war gewidmet den Themen:
— unter dem Vorsitz von H. BÜRKLE DE LA CAMP
I. Kunststoffe in der Medizin
II. Osteogenese — Osteosynthese
unter dem Vorsitz von H. KALK —
III. Coma hepaticum — Coma uraemicum
Das vorliegende Heft enthält die Referate zu I und II mit
Ausschnitten der Diskussion.
Die Vorträge zu III werden in der folgenden Nummer dieser
Zeitschrift veröffentlicht.
Redaktion: Med.-wiss. Abteilung (Lt.: Dr. med. E. O. Wiethoff),
B. Braun — Melsungen
Druck: Verlagsbuchdruckerei A. Bernecker, Melsungen
266
Symposium Kassel, 21. und 22. Februar 1963
Vorsitz: Prof. Dr. BÜRKLE DE LA CAMP
I. Kunststoffe in der Medizin
II. Osteogenese - Osteosynthese
Die Referate sind in Heft 100 dieser Zeitschrift veröffentlicht
Vorsitz : Prof. Dr. KALK
III. Coma hepaticum - Coma uraemicum
Symposium Heidelberg, 29. Mai 1963
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. LINDER Prof. Dr. BAMBERGER
Priv.-Doz. Dr. HECKER Prof. Dr. SCHREIER
Intravenöse Ernährungs- und Flüssigkeitstherapie
bei kinderchirurgischen Erkrankungen
I. latrogene Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes
Vorsitz: Prof. Dr. Martini
II. Intravenöse Ernährung
Vorsitz: Prof. Dr. Henning
Kassel-Wilhelmshöhe
I. Dialytische Behandlungsmethoden renaler Erkrankungen
Vorsitz: Oberarzt Privatdozent Dr. Scheler
II. Postoperative Komplikationen
Vorsitz: Prof. Dr. Wiemers
Kassel-Wilhelmshöhe
Symposium über Schock und parenterale Ernährung
Vorsitz: Univ.-Doz. Dr. Hans Reissigl, Chefarzt der Blutspendezentrale
des Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhauses, Universitätskliniken
Innsbruck, Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck
Schloß Korb, Südtirol
I. Metabolische Probleme in der Chirurgie
Vorsitz: Prof. Dr. Lindenschmidt
II. Calciumstoffwechsel und Skelettbiodynamik
Vorsitz; Prof. Dr. Uehlinger
Kassel-Wilhelmshöhe
268
Einführung in die Peritonealdialysetherapie
Nach einem Praktikum der Peritonealdialyse an der
I. Medizinischen Klinik der Freien Universität Berlin
Berlin
I. Prophylaxe und Therapie respiratorischer Störungen
Vorsitz; Dr. Lawin
II. Transplantation kollagener Gewebe
Vorsitz: Prof. Dr. Schwaiger
Kassel-Wilhelmshöhe
1. Intensivpflege und parenterale Ernährung
Vorsitz: Prof. Dr. Kolb
II. Wundheilungsstörungen
Vorsitz: Prof. Dr. Heim
2. Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe
„Gezielte Fortbildung“ der Akademie für ärztliche Fortbildung
Berlin
Symposium der Ungarischen Chirurgischen Gesellschaft
Vorträge der deutschen Referenten
Szeged/Ungarn
I. a) Spätergebnisse des Kieler Knochenspans im Vergleich zum
autologen und homologen Span
b) Wirbelverblockung
Vorsitz: Prof. Dr. Junghans, Frankfurt/Main
II. Kreislauf-, Schock- und Stoffwechselprobleme bei Neugeborenen
und jungen Säuglingen
a) Schock- und Kollapsprobleme bei Neugeborenen
und jungen Säuglingen
Vorsitz: Prof. Dr. Hecker und Prof. Dr. Schmier, Heidelberg
b) Parenterale Ernährung bei Neugeborenen und Säuglingen
Vorsitz: Prof. Dr. Wolf, Göttingen
III. Anwendung von Klebstoffen in der Medizin
Vorsitz: Privat-Dozent Dr. Contzen, Frankfurt/Main
Kassel-Wilhelmshöhe
Symposium über die Bedeutung und Therapie von Störungen
des Säure-Basenhaushaltes in der klinischen Praxis und der
Peritonealdialyse
Vorsitz: Prof. Dr. H. Reissigl, Chefarzt der Blutspendezentrale
des Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhauses, Universitätskliniken
Innsbruck, Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik Innsbruck
Schloß Korb, Südtirol
Symposium über Niere im Schock und Schockniere
Vorsitz: Dr. P. Bunger, Chefarzt der Abteilung Künstliche Niere
am Allgemeinen Krankenhaus Heidelberg, Hamburg
Hamburg
270
Lyophilisierte Dura
Struktur, Immunbiologie, Pathologische Anatomie und Klinik
Vorsitz: Prof. Dr. Pia, Gießen
Kassel-Wilhelmshöhe
Die Intensivpflege der operativen Fächer
I. Ausgewählte Kapitel der Intensivpflege
II. Raumplanung einer Intensivpflegestation unter den Gesichtspunkten
einer Organtransplantation
III. Feststellung des Todes und die Beschaffung von Vitalkonserven
IV. Ausgewählte Fragen der Intensivpflege
V. Round Table-Konferenz über die Zusammenarbeit der Intensivpflege-
Abteilung mit Bluttransfusionsdienst, Laboratorium und Röntgen-
Abteilung sowie spezielle Fragen der postoperativen Schmerz-
bekämpfung in der Wachstation
Vorsitz: Prof. Dr. Zukschwerdt, Hamburg
Kassel-Wilhelmshöhe
Symposium über Transplantation und Ersatz von Gewebe
Vorsitz: Prof. Dr. H. Reissigl, Vorstand des Zentralinstitutes für Blut-
transfusion und Immunbiologische Abteilung a. ö. Landeskrankenhaus,
Universitätskliniken, Innsbruck
Schloß Korb, Südtirol
Intensivüberwachung und -therapie in der Geburtshilfe und Gynäkologie
Vorsitz: Prof. Dr. Kirchhoff, Göttingen
Kassel-Wilhelmshöhe
271
Probleme der modernen parenteralen Ernährung
Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe
„Gezielte Fortbildung" der Akademie für ärztliche Fortbildung, Berlin
Vorsitz: Prof. Dr. Heim, Berlin
Verletzungen peripherer Nerven
Vorsitz: Prof. Dr. W. Pia, Gießen
Kassel-Wilhelmshöhe
Wundheilung und Wundverschluß
Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h. c. F. Linder, Heidelberg
Kassel-Wilhelmshöhe
Symposium über Schock, Wasser- und Elektrolythaushalt,
Parenterale Ernährung
Vorsitz: Hofrat Prof. Dr. H. Reissigl, Vorstand des Zentralinstitutes für
Bluttransfusion und immunologische Abteilung, a. ö. Landeskrankenhaus,
Universitätskliniken, Innsbruck
Schloß Korb, Südtirol
Praxis der parenteralen Ernährung
Vorsitz: Prof. Dr. E. Schürmeyer, Münster
Hiltrup bei Münster
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Essentielle Fettsäuren — Bedarf, Umsatz und Stoffwechsel bei Gesunden
und Schwerkranken
Vorsitz: Karl Horatz
Hahnenklee (Oberharz)
Stoffwechselstörungen bei Niereninsuffizienz
Vorsitz: Prof. Dr. med. H. G. Sieberth
Köln
Symposium über Wundheilung
Vorsitz: Prof. Dr. J. Kraft-Kinz, Vorstand der Universitätsklinik
für Chirurgie, Graz
Schloß Seggau, Frauenberg am Sulmsee, Steiermark/Österreich
Fertilität, Risikoschwangerschaft und Risikogeburt
Vorsitz; Prof. Dr. R. Buchholz, Marburg/L.
Kassel
Probleme der Transfusionsmedizin
14. Fortbildungsveranstaltung des Berufsverbandes
Deutscher Anästhesisten, Landesverband Hamburg
Hamburg
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