©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
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©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
ÜBER IORNANDES UND DIE GETEN.
EINE IN DER ACADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM
5 MERZ 1846 VON JACOB GRIMM GEHALTNE
VORLESUNG.
BERLIN
GEDRUCKT IN DER DRUCKEREI DER AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN
1846.
ÜBER IORNANDES.
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N.
' och im vorigen Jahrhundert allgemein unter uns schrieb man diesen ge-
schichtschreiber nicht anders als ich ihn eben ausgesprochen habe. Fabricius
stellte ihn in seine bibliothek, Jöcher in sein lexicon mit demselben namen,
von Mascov, Reimarus bis auf Manso und Niebuhr wird er ebenso genannt.
Aber auch die ersten ausgaben führten ihn unter gleicher form in die ge-
lehrte weit ein, Peutinger, dessen Vorrede von 1515 datiert, dem aber Ma-
ximilian schon 1511 ein privileg dafür ertheilt hatte, beginnt cIornandes de
rebus Guthorum3, die folgende Baseler ausgabe des Beatus Rhenanus von
1531 p. 641 'lornandes de origine actuque Getarum3 und schliefst cIornandis
Gothi de rebus Getarum finis3. Von den späteren herausgebern hat noch
Lindenbrog 1611 überall im text lornandes behalten und nur die Vorgesetz-
ten testimonia veterum 'de lornande sive lordano3 überschrieben; unter den
ausgaben hingegen, die unseren geschichtschreiber als anhang zu Cassiodor
mitzutheilen pflegen, scheint die form lordanus einzureifsen, so schon bei
Fornerius Paris 1588 und in der Genfer ausgabe von 1656, deren titel lautet:
'chronica lordani episcopi ravennatis3, obgleich inwendig im text cap, 50,
wo sich der Verfasser selbst nennt, 'lornandes3 stehn bleibt. Garet, dessen
Cassiodor (Rouen 1679) sich auch um lornandes verdient gemacht hat, über-
schreibt band I p.397 'lornandes sive lordanus3, ohne jedoch p.420* jenes
lornandes ante conversionem meam3 zu beeinträchtigen; Muratori endlich,
der sich fast ganz auf Garet stützt, läfst gleichwol beiden werken, dem de
regnorum ac temporum successione wie dem de geticae gentis origine die
Zueignungen'lornandes Vigilio3 und 'lornandes Castalio3 nicht weniger cap.
50 bleibt im text 'ego item, quamvis agrammatus lornandes ante conversionem
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raeam1 und nur die Variante CA agrammatos lordanis’ wird dazu beigebracht.
Seitdem dies schwanken eintrat, ist auch von einzelnen, zumal französischen
Schriftstellern, je nach der ihnen vorliegenden ausgabe, neben lornandes
bald lordanus bald lordanes oder lordanis gebraucht worden. Der heraus-
geber der monumenta historiae Germaniae, seine mitarbeiter, und die ihnen
nachfolgen, fangen dagegen an durchgehends den namen lordanes vorzie-
hend lornandes als fehlerhaft zu beseitigen.
Ich theile diese ansicht nicht, sondern halte lornandes, woran wir
uns in Deutschland gewöhnt haben, für besser.
Man läfst sich gefallen, dafs der hergebrachte und untadelhafte name
Eginhart in Einhart gewandelt werde, da beide formen wie Reginhart und
Reinhart, Meginhart undMeinhart(1) dasselbe aussagen, Einhart blofs die jün-
gere stumpfere Schreibung darstellt. An eingeführten durchgedrungenen na-
men, sogar verderbten, sollte jedoch nicht unnöthig geändert werden; nicht
einmal die ursprüngliche Schreibung, auch die laune der folgenden zeit und
der volksaussprache hat darüber zu entscheiden (2); die form aber, welche
ich hier vertheidige, läfst sich -saga* als die richtige nachweisen.
lornandes ist ein deutscher bedeutsamer name, den unser Gothe, wie
ich nicht zweifle, von jugend auf führte, und dessen genaue aussprache nicht
zu verfehlen ist; was sollen wir uns bestreben, ihm einen, wie es scheint,
jüdischen unpassenden aufzudrängen, dessen letzte silbe nach drei gestalten
schwankt, und von dessen penultima man nicht weifs ob sie kurz oder lang
hervorzubringen sei?
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(*) Monum. 2, 673. 674 wird der erst gegen den schlufs des neunten jh. schreibende
Meginhart so, und nicht Meinhart genannt; in einem epitaph auf Eginhart mochte frei-
lich schon Rabanus die seinem yers zusagendere form Einhardus wählen, während man
in prosa gerne noch Eginhard fortbrauchte; es kann sein, dafs Eginhart selbst mit beiden
weisen abwechselte, denn in Schannats trad. fuld. no. 83 findet sich 'Einhart rogatus scri-
psi’ (anno 778.) auch in der ihn angehenden urkunde Ludwig des frommen von 814 steht
Einhardus.
(2) Weder die Franzosen werden sich ihr Aristote für Aristoteles, ihr Jerome für
Hieronymus, noch die Italiener ihr Federigo für Frederico nehmen lassen, blofs wir
Deutsche sind pedantisch genug jeden eigennamen auf seine angeblich authentische Schrei-
bung, und sei sie noch so schlecht, zurück bringen zu wollen. Wer mit einigem Sprach-
gefühl kann sich wol entschliefsen Winckelmann oder Württemberg zu schreiben?
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Allerdings legen die Schriftsteller des mittelalters, welche lornandes
anführen und ausschreiben, ihm den namen lordanes, lordanis oder lorda-
nus bei; frühste meldung, soviel ich weifs, erfolgt bei dem geographus Ra-
vennas, der vielleicht schon in dem jahrhundert nach lornandes lebte, und
in dessen buche er sechsmal, wenn ich keine stelle übersah, angezogen steht,
1,112 als lordanus sapientissimus cosmographus, hingegen 4, 1. 6. 15. 20.
5,30 als lordanis, gewöhnlich mit dem beisatz sagacissimus oder sapientissi-
mus. In den gestis abbatum fontanellensium aus dem achten jh. (Pertz 2,
287) wird sodann unter den büchern der abtei eine historia lordani episcopi
ravennatis ecclesiae de origine Getarum namhaft gemacht. Widukind (Pertz
5, 425) sagt ferner: cut lordanis narrat3; die chronica Sigeberti (Pertz 8,301)
'ex historia lordanis3 und nochmals (Pertz 8,317) 'lordanis episcopus3; Eck-
chardi chronicon nennt ihn fünfmal (Pertz 8, 24. 35. 55. 90. 141) 'lordanis
episcopus3, aber 8,130 heifst es ausführlicher: 'haec lordanis cpiidam gram-
maticus ex eadem stirpe Gothorum progenitus3; nicht anders wird in Ber-
noldi und Mariani Scoti chronicon (Pertz 7,413. 499. 536) lordanis episco-
pus als gewährsmann beigebracht. Doch mögen einige der letzteren einan-
der selbst ausgeschrieben haben, ohne dafs ihnen handschriften Vorlagen.
Aus diesen anführungen geht zu genüge hervor, dafs die form lorda-
nus oder lordanis ihr recht habe und schon hoch hinaufsteige; die künftige
ausgabe in den mon. hist. germ. wird uns darüber aufklären, welche und
wie alte handschriften überhaupt noch vorräthig sind, wie sie den namen le-
sen, oder ob einzelne zwei namen durch ein 'sive3 als nebeneinander befugt
vorstellen. Ich glaube nicht dafs eine der zu gebot stehenden hss. das sie-
bente jh. erreiche, die meisten werden aus dem 11. 12 und 13 herrühren,
aber in Fontenai lag ein codex, der mindestens das alter des achten oder
eines früheren jh. anspricht, und im siebenten, warum also nicht im sechs-
ten? scheint zu Ravenna selbst die form lordanus oder lordanis gangbar.
Wie aber, sollen Peutinger und Rhenanus den namen lornandes, der
von keinem Schriftsteller des mittelalters gebraucht wird, aus ihren fingern
gesogen haben? in ihrem codex, und das mag einer von gutem schrot gewe-
sen, oder wenn auch jünger aus tüchtigem alten geflossen sein, ist mit Sicher-
heit die lesart lornandes, und zwar in der entscheidenden stelle des cap.
50 vorauszusetzen. Hier lornandes zu erfinden hätte überhaupt nicht nur
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gar keinen grund gehabt, sondern wäre auch ohne sprachkenntnis, wie sie
jenen beiden ersten herausgebern gänzlich abgieng, unthunlich gewesen, diese
gestalt ist offenbar die echte gothische, folglich schon deshalb festzuhaltende.
Es wäre unerlaubt dafs wir einen so oft im munde geführten namen
jetzt nicht verstehn sollten; ich habe neulich bei andrer gelegenheit ihn aus-
gelegt (*) und will hier diese erklärung noch vervollständigen. lornandes
war ein Gothe und lebte unter Gothen, wie nachher ausgeführt werden soll,
sein name hat vollkommen gothisches aussehen und der zweite theil meiner
grammatik (1826) s. 512 ihm bereits die gebührende stelle angewiesen, nan-
des ist die lateinische Schreibung des goth. nanj)s, welches audax bedeutet,
wie es auch in den eigennamen Sisenandes Yilianandes und dem weiblichen
Theodenanda (bei Procop 0ev&£uduSa) vorliegt. lor aber entspringt aus syn-
cope von Ibor Ibur, nemlich iburs, ibrs oder ibrus mufs den Gothen be-
zeichnet haben aper, ahd. epar, epur, ags. eofor, altn. iöfur, die Zusammen-
setzung iburnan]3s will also sagen, eberkühn, dem kühnen mut dieses thiers
werden häufig die beiden verglichen, Nib. 1883,3
do gie er vor den vmden, alsam ein eberswm
ze walde tuot vor hunden, wie möht er küener gesin?
dem Tristan soll ein eher in den schild gemahlt werden, Trist. 4938
wier im entwürfe unde snite,
den kuonheit nie bevilte (2),
den eher an dem schilte,
und eher waren altes heiliges Zeichen an heim oder schild (mythol. s. 194.
195). in der altnordischen spräche drückt iöfur geradezu einen held oder
könig aus, und die Vorstellung des thiers tritt in den hintergrund. Dafs ich
nun lornandes richtig auf Iburnanf)s zurückgeführt habe und der name rein
gothisch sei, folgt unwidersprechlich aus der in urkunden vorkommenden
ahd. form Eparnand(3), die ganz wieFolhnand, Wolfnand, Herinand gebil-
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(*) Abhandlungen der Berl. academie für 1845 selte 231.
(2) Dieser relativsatz ist besser auf eher als auf das vorhergehende im zu beziehen.
Hier sind noch einige stellen: küene als ein swm. Lanz. 3546; als ein eher vaht. Wh.
418, 17; rehte als ein eberswm. Karl 60"; in zorne er sere wazte als ein wildez eber-
swin. Martina 90Ä; ebere wilde die wetzende vor hunden stant. Haupt 1,17. dies wetzen
^ÖiaJ^ \ olcuv/2. ücndere, Trist. 13521 steht schumen und wetzen.
Jk OM O Ebernand in Schannat trad. fuld. no. 571.
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yy rmemand in öchannat trad. tuld. no. o/l. ^
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det ist, und mit dieser blofsen nachweisung scheint die echtheit der gothi-
schen form abgemacht, die Angelsachsen würden Eofornod sagen wie Beorn-
nod, Yulfnod. Dieselben Angelsachsen übersetzten den Ortsnamen Ebora-
cum (möge er ursprünglich bedeutet haben was er wolle) in Eoforvic (Eber-
Stadt) und dies wurde allmälich zusammengezogen in York (altn. loryik) we&cüi
welches also genau entsprungen ist wie die erste silbe von lornandes.
Einwerfen könnte man, dafs bei Procop (ed. bonn. 2,39) ein Gothe
*EßgifJLov& vorkomme, den auch das chronicon Marcellini comitis im j. 549
(anno XIV post cons. Belisarii) Ebremud nenne, den Gothen also die volle
form Eburnandes Iburnanf)s, nicht die zusammengezogne lornandes eigen
scheine, hierauf aber antworte ich, dafs im untern Mösien, am scyrischa-
lanischen hofe, wo lornandes geboren wurde und einen theil seines lebens
zubrachte, solche syncope gewöhnlich sein konnte, wie überhaupt die gothi-
schen dialecte selbst in manchem geschwankt haben mögen, unverkennbar
begünstigt z. b. der westgothische zusammengezogne, der ostgothische volle
formen, die ostgothischen namen Eutharicus und Athalaricus lauteten den
Westgothen Euricus und Alaricus; beide letztere werden erst im ostgothi-
schen ausdruck verständlich.
lornandes war nicht blofs der abkunft sondern auch dem herz und
der Sprache nach Gothe. seine getische geschichte sagt ausdrücklich am
schlufs: nec me quis in favorem gentis praedictae, quasi ex ipsa trahentem
originem aliqua (1. alia) addidisse credat, quam quae legi aut comperi. Und
im fünfzigsten capitel unterrichtet er uns näher von seiner herkunft: Scyri
vero et Satagarii et caeteri Alanorum, cum duce suo nomine Candax Scy-
thiam minorem inferioremque Moesiam accepere. cujus Candacis Alanowa-
muthis patris mei genitor Peria, id est meus avus, notarius, quousque Can-
dax ipse viveret, fuit, ejusque germanae filius Gunthigis, qui et Baza dice-
batur, magister militum, filius Andagis, filii Andalae, de prosapia Amalorum
descendens. Ego item, quamvis agrammatus, lornandes ante conversio-
nem meam notarius fui. Jahrhunderte hindurch hatten sich im gebiet der
untern Donau bis zum schwarzen meer, in Thracien, Mösien, Dacien, Pan-
nonien deutsche, thracische, sarmatische, scythische Völkerschaften neben-
einander eingefunden und oft die stelle gewechselt, der dauernde aufent-
halt und das Übergewicht der zahlreichen und streitbaren Gothen in diesen
strichen mag lange vor dem fünften jh. auch ihre reiche und wollautende
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spräche allgemeiner verbreitet haben, da zu allen Zeiten für den weiteren ver-
kehr der Völker untereinander einzelne sprachen ihre eigentliche grenze über-
schreiten (1). so erklärt es sich, warum wir unter den Hunnen auf gothische
eigennamen stofsen und warum den Slaven und Deutschen von alters her
viele namen und Wörter gemeinschaftlich sind; wrenn wir einmal weiter fort-
schreiten in unsrer kaum begonnenen erkenntnis des Zusammenhangs nnd
gegenseitigen einflusses zwischen gothischer, slavischer, litlhauischer und fin-
nischer zunge überhaupt, werden sich auch in diesen bezügen lichtere blicke
in die dunkelheit werfen lassen. Ich bin darin nicht mit dem treflichen Zeufs
einverstanden, dafs er scythische und deutsche Scyren von einander halten
will, Scyren unsrer stelle und die, welche unter Odovacer nach Italien vor-
gedrungen waren, können demselben volk zufallen, wie die Ruger und He-
ruler aus dem osten sich gen westen wandten (2). Auch zwischen Gothen
und Alanen, die Procop geradezu ein gothisches volk nennt, lornandes aber
cap. 31 neben die Vandalen stellt, Ammianus Marcellinus bedeutsam für
Massageten hält, von welchen Massageten Procop 4,359. 447 uns den manns
namen Aigan überliefert, eine offenbar deutsche form; zwischen diesen Ala-
nen und den Gothen wird sich ein engeres band schwerlich ableugnen las-
sen, wenn nicht dem Ursprung, doch dem Zusammenleben und der Verbrü-
derung nach, der name Alanowamuthis erinnert in seinem zweiten theil an
jenes Ebrimuth, im ersten aber an die slavische weise den begrif der abkunft
durch die adjectivbildung -ov auszudrücken; Alanovamuthis bezeichnet also
den alanischen stamm, und auch Peria, oder wie andere lesen Paria, scheint
kein rein gothisches wort, vielmehr alanisches. Dieses Peria Schwester, de-
ren namen lornandes zu melden unterläfst, heiratete in das berühmte ge-
schlecht der Amalen, (ahd. Amalunge), ihr gemahl hiefs Andagis (Andags?)
und dessen vater Andala, das aus ihrer ehe entsprossene kind hingegen Gun-
thigis mit dem zunamen Baza, ein magister militum, das heifst doch in rö-
mischem dienst? diese drei namen Gunthigis, Andagis und Andala sind deut-
lich gothisch. Baza, des Gunthigis andrer name, mag einerlei sein mit dem (*)
(*) Wie man jetzt mit französischem in Deutschland fortkommt, mit deutschem in
Scandinavien, mit slavischer oder italienischer zunge in einem theile des morgenlandes;
so wol damals mit gothischer an der untern Donau bis zum schwarzen meer.
(2) Auch Niebuhr (kleine hist. sehr. 1, 385) gestattet Zusammenhang zwischen den
alten in Skythika auftretenden Skiren und den späteren entschieden deutschen Skyren.
7 -
bei Procop verkommenden Bessa, welchen auch lornandes unmittelbar vor-
her Bessa patricius nennt und auf den ich im verfolg noch einmal zurück-
kehre. dies Bessa, Baza, sowie die sonst bei Procop erwähnten Pitza (Pissa)
Stotza und andere mehr, scheinen mir hypocoristische formen, welche als
analogie zu den ahd. bildungen sehr merkwürdig, begreiflich aber schwer
zu deuten sind. lornandes gehört also, wo nicht einem voll gothischen, we-
nigstens alanischen halbgothischen geschlecht an, und man dürfte seinem
‘quasi ex ipsa (gente Gothorum) trahentem originem5 den sinn unterlegen,
dafs er nur gleichsam Gothe gewesen sei; quasi kann aber lieber, wie sonst
acsi blofses ut ausdrücken. das wort lornandes ist reingothisch und höch-
stens wäre die kürzung des lor in lur alanischer aussprache oder mundart
beizumessen.
lornandes gibt uns an, gleichwie sein grofsvater notar d. i. Schreiber
des alanischen fürsten Candax war, sei er selbst notar gewesen, fügt aber
nicht hinzu wo oder bei wem; denn dem Candax kann er nicht mehr gedient
haben, nicht zu übersehen ist die bestimmung cante conversionem meanü,
was sowol bekehrung vom heidenthum zum christlichen glauben, als auch
den Übertritt aus weltlichem stand in das mönchsleben bezeichnen könnte,
Ducange hat für diesen Sprachgebrauch s. v. conversio belege gesammelt,
letzteres ist auch wahrscheinlicher, da um den beginn des sechsten jh. die
gothischen und ihnen benachbarten Völker längst Christen waren. lornan-
des hieng aber an der catholischen lehre, gleich den meisten Ostgothen,
während die Westgothen lange der von ihm strengverworfnen arianischen
folgten.
Hier mag nun eine mutmafsung über den doppelten namen lornandes
und lordanes stattfinden, man weifs dafs die mönche, beim eintritt in das
kloster ihren weltlichen namen ab und einen geistlichen anzulegen liebten,
lornandes brauchte den seinigen blofs zu verrücken, um ihm christliche färbe
zu leihen; die erste silbe konnte bleiben, die zweite durch leichte Umstellung
übergehn in dan, so dafs der conversus auch mit umgewandtem namen nun-
mehr bruder lordanes nach dem heiligen ström (*) genannt wurde, worin
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(*) Die christlichen dichter machen die zweite silbe des Hufsnamens lordanes bald kurz
bald lang; die griech. prosa betont ’IogBccurjg und ’Ioficcvog, Ulfilas hat laurdanes Marc. 1,5,
meist aber laurdanus. Übrigens wird das hebräische wort ausgelegt durch descensio oder
abyssus, vgl. Cassiodorus in psalm. 41 (opp. ed. Garet 2,143°).
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;i. cassiodorus in psalm. (opp. ecL traret
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8
Christus die taufe empfieng; fortan mochte er'lornandes sive lordanes3 hei-
fsen, wie vielleicht handschriften wirklich beide namen nebeneinander stell-
ten, lornandes wäre der weltliche geburtsname, lordanes der kirchliche, wie
der Angelsachse Yinfrid den geistlichen namen Bonifacius erhielt (1). Solch
ein Verhältnis müste jedoch durch ausdrückliches zeugnis zur gewisheit er-
hoben werden, bevor man sich erlauben darf beide namensformen für gleich
berechtigt zu halten, und selbst dann würde unsre wühl zwischen dem allen
volksmäfsigen namen und dem verschrobnen mönchischen nicht schwer
sein (2). Aufserdem sei jedoch angemerkt, dafs der mannsname lordanes
schon ein jahrhundert früher erscheint, ein consul des jahrs 470 im Orient
hiefs Flavius lordanes (vgl. Marcellini comitis chron. Paris 1619 p.36 lor-
dane et Severo coss.), dies war unter kaiser Leo I, zu einer zeit wo schon
lauter christliche consuln walteten, und ich kann den grund nicht wissen,
warum dieser consul solchen eigennamen führte; lief er aber sonst schon
um, so konnte ihn lornandes sich selbst oder ein andrer ihm beilegen, auch
die späteren Griechen brauchten ’log&aviog oder3Io^ai/£*o£ als mannsnamen, und
eigentlich hätte man ebenso im latein ein adjectivisches lordanius von dem
subst. lordanes unterscheiden sollen (3).
Unser lornandes weist bescheiden allen anspruch auf gelehrsamkeit
zurück, indem er sich selbst als agrammatos bezeichnet; wenn ihm spätere
das epithet grammaticus beilegen, so braucht auch dies nichts anders als was
(1) Gregorlus turonensis hiefs eigentlich Georglus Florentius, und Georglus wandelte
sich leicht in Gregorlus, ich werde hernach einen gothischen schriftsteiler dieser zeit an-
führen, der sich die namen Renatus Profuturus beilegte.
(2) Bei Vergleichungen der handschriften wünsche ich sorgsam beachtet, ob im cap. 50,
wo der Verfasser seine abkunft angibt, der name lornandes ausgedrückt werde; ich halte
diese stelle für den eigentlichen sitz der rechten namensform, während in den Zueignun-
gen begreiflich die geistliche gebraucht sein kann, woraus sich zugleich ergeben würde,
wie diese hauptsächlich in den titel übergieng.
(3) Schwerlich darf man lordanes zu einem parthischen namen stempeln, nach analogie
von Yardanes, wie ein könig der Parther im j. 43 nach Chr. hiefs; gleich unstatthaft
wäre ihn mit hergestellter aspirata als Hiordan aufzufassen und nun altnordischen na-
men wie Hiördis, HiÖrvardr an die seite zu stellen, davon abgesehen, dafs kein altnord.
Hiördan begegnet, würde hiör im goth. hairus, ahd. heru lauten. Übrigens war lordan gen.
lordani auch ahd. gebräuchliche eigenname, vgl. Schannat trad. fuld. no. 133 und Dronke kroS
ca^.3,111 ein 'lordan e Mogontia’, und in Italien findet sich lordanus und Giordano noch
häufiger. frarvfc-. Jourdcliy\y
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notarius zu sagen; seine werke geben nur belesenheit kund, keine tiefere
gelehrsamkeit. Gleichwol scheinen seine Verdienste ihm höheren rang in der
kirche und selbst die bischofswürde zuwege gebracht zu haben; die vorhin
angezogenen Schriftsteller des mittelalters nennen ihn beinah einmütig epi-
scopus, ja schon das alte zeugnis aus Fontenai weist ihm ausdrücklich Ra-
venna als bischofsitz an, was sich auf die rubriken alter handschriften grün-
den kann. Muratori will ihm zwar die bischöfliche würde überhaupt nicht
einräumen und ihn für blofsen mönch angesehen wissen; ich glaube dafs
dieser zweifei zu weit getrieben ist, wie sich zum theil schon aus der Zueig-
nung folgern läfst, mit welcher die iornandische Weltgeschichte anhebt. Ich
mufs die Zueignungen beider werke hier einrücken, da sie kurz und nicht
uneben abgefafst sind, auch noch andre betrachtungen daran geknüpft wer-
den mögen.
Yorhergehn soll die widmung der gothischen geschickte, welche fol-
gendermafsen lautet:
IORNANDES CASTALIO S. D.
Yolentem me parvo subvectum navigio oram tranquilli litoris attin-
gere et minutos de priscorum (ut quidam ait) (*) stagnis pisciculos legere in
altum, frater Castali, laxare vela compellis, relictoque opusculo, quod intra
manus habeo, id est de breviatione chronicorum, suades ut nostris verbis
duodecim Senatoris volumina de origine actuque Getarum ab olim usque
nunc per generationes regesque descendente in unum(2), et hoc parvo li-
bello, coarctem. dura satis imperia, et tanquam ab eo, qui pondus hujus
operis scire nolit, imposita. Nec illud adspicis, quod tenuis mihi est Spiritus
ad implendam ejus tarn magnificam dicendi tubam. Superat nos hoc pon-
dus, quod nec facultas eorundem librorum nobis datur, quatenus ejus sen-
su! inserviamus. Sed ut non mentiar, ad triduanam lectionem dispensatoris
ejus beneficio libros ipsos antehac relegi. quorum quamvis verba non re-
colo, sensus tarnen et res actas credo me integre tenere. Ad quos nonnulla
ex historiis graecis ac latinis addidi convenientia; initium finemque et plura
(*) Bedient sich dieses nicht übel gew’ählten bildes Hieronymus oder Augustinus im
eingang eines geistlichen tractats? denn kaum gehört es einem classiker, so gut der
ausdruck minuti pisciculi ist, den auch Yarro braucht.
(2) ^Ein germanismus, goth. in ain, ahd. in ein, ags. in an.
Yfyr\ unurw / rnaJpy'Ak B
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in medio mea dictatione permiscens. quare sine contumelia quod exegisti
suscipe libens, libentissime lege; et si quid parum dictum est et tu, ut yici-
nus genti, commemoras, adde. ora pro me frater carissime.
Dem buch de regnorum ac temporum snccessione ist folgendes vor-
ausgesandt:
IORNANDES YIGILIO S. D.
Vigilantiae vestrae, nobilissime frater Yigili, gratias refero, quod me per-
longo tempore dormientem yestris tandem interrogationibus excitastis. Deo
magno gratias, qui yos ita fecit sollicitos, ut non solum yobis tantum quan-
tum et aliis yigiletis. macte yirtutis et meriti! Yis enim praesentis mundi
oognoscere aerumnas, aut quando coepit, yel quid ad nos usque perpessus
est, edoceri. Addis praeterea ut tibi, quomodo respublica coepit et tenuit,
totumque paene munduni subegit et hactenus yel imaginarie teneat, ex dictis
majorum flosculos carpens breyiter referam, yel etiam quomodo regnum a
Romulo et deinceps ab Augusto Octayiano in Augustum venerit Justinianum,
quamyis simpliciter, meo tarnen pandam eloquio. Licet nee conversationi
meae, quod admones, conyenire potest, nee peritiae; tarnen ne amici peti-
tionibus obviemus, quoquo modo yaluimus late sparsa collegimus et prius
ab autoritate diyinarum scripturarum, cui et inseryire conyenit, inchoantes,
et usque ad orbis terrae diluyium, per familiarum capita currentes deyenimus
ad regnum Nini, qui Assyriorum in gente regnans omnem paene Asiam sub-
jugavit, et usque ad Arbacem Medum, qui destructo regno Assyriorum in
Medos illud conyertit tenuitque usque ad Cyrum Persam, qui itidem Medo-
rum regnum subyersum in Persas transtuiit, et exinde usque ad Alexandrum
Macedonem, qui deyietis Persis in Graecorum ditionem rempublicam demu-
tayit. Post hoc quomodo Octayianus Augustus Caesar subyerso regno Grae-
corum in jus dominationemque Romanorum perduxit. Et quia ante Augu-
stum jam per septingentos annos consulum, dictatorum regumque suorum
solertia romana respublica nonnulla subegit, ab ipso Romulo aedificatore
ejus originem sumens, in yicesimo quarto anno Justiniani imperatoris, quam-
vis breyiter, uno tarnen, in tuo nomine, et hoc paryissimo libello confeci,
jungens ei aliud yolumen de origine actuque geticae gentis, quod jam dudum
communi amico Castalio edidissem, quatenus diyersarum gentium calamitate
comperta, ab omni aerumna liberum te fieri cupias, et ad deum conyertas,
qui est vera libertas. Legens ergo utrosque libellos, scito quod diligenti
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mundum semper necessitas imminet. Tu vero ausculta loannem apostolum,
qui ait (*): charissimi nolite diligere mundum, neque ea quae in mundo
sunt, quia mundus transit et concupiscentia ejus, qui autem fecerit volunta-
tem dei, manet in aeternum. Estoque toto corde diligens deum et proxi-
mum, ut adimpleas legem, et ores pro me, nobilissime et magnifice frater.
Nicht ein einziger yon allen, die den lornandes bisher behandelt und
herausgegeben haben, ist um diese Zueignungen bekümmert gewesen oder
bestrebt zu ermitteln, wer die beiden Castalius und Vigilius waren; selbst
Muratori, den man für den geschicktesten halten sollte, in ältere italienische
Verhältnisse einzudringen, läfst ohne auskunft, wie überhaupt alles was er
an lornandes gethan, geringfügig scheint. Die beschränkte forschung, die
ich diesem gegenstände zuwenden konnte, hat mir für Castalius gar nichts
ertragen; man sollte ihn in der gegend von Ravenna suchen, doch die we-
nigen urkunden bei Marini aus dem 6 jh. nennen weder ihn noch lornan-
des, und des Fantuzzi samlung hebt erst in späterer zeit wieder an. nach
den Worten csi quid parum dictum est, et tu, ut vicinus genti, comme-
moras, adde3 mufs Castalius in der nähe der Gothen gewohnt haben und da-
rum mit ihnen und ihrer geschichte bekannter gewesen sein; gewis war er
selbst kein Gothe, denn sonst hätte hier lornandes cut e gente Getarum ori-
ginem trahens3 oder etwas ähnliches geschrieben, aus Procop aber wissen
wir, dafs die stärke der letzten Gothen in Italien (unter Totila und Teja)
den transpadanischen landstrich behauptete und Ticinum (Pavia) ihre mitte
bildete; ein kloster von Ravenna an der rechten seite des Po aufsteigend,
etwa gar das uns so wichtig gewordene Bobbio könnte den bruder Castalius
eingeschlossen haben (2). 'commemorare5 bedeutet in memoriam revocare,
reminisci, Castalius muste in der Gothen nachbarschaft nähere künde von
ihnen gewonnen haben, aus seinem aufenthalt, wenn er ausgemacht wäre,
möchten sich auch Schlüsse über den des lornandes selbst ergeben, und kei-
nen von beiden wird man aufserhalb Italiens, etwa bei den in der Donau-
gegend zurückgebliebenen Gothen suchen dürfen. Das scheint noch be-
stimmter zu folgen aus lornandes Verhältnis zu Vigilius, über dessen per-
O Eplst. loh. I. 2,15-17.
(2) Diese mutmafsung fällt weg, wenn
Columban im beginn des siebenten jb. unter der langobardiscben herscbaft gestiftet wurde.
B2
12
X* Prtiü Kv
sönlichkeit man sich so wenig irren kann, als uns die des Castalius noch in
. dunkel gehüllt hleiht. Vigilius ist kein andrer als der pabst selbst, der von
538 bis anfang 555 auf dem stul safs, ein geborner Römer, zuerst blofser
gegenpabst und hernach in kirchliche Streitigkeiten mit kaiser Justinian ver-
wickelt, der ihn hart behandelte, so dafs er lange zeit in bann leben muste.
Bei Procop heifst er BiyiÄtog o ryg cFu)fj,v\g dg%i£Q£vg, und yerschiedne dieser
händel werden, ohne besondern antheil, gemeldet (2); so wenig noch hatte
sich damals gewalt und ansehn der päbste, zumal bei Byzantinern, entfaltet,
lornandes mag dem Vigilius frühe befreundet gewesen sein, vielleicht einmal
mit ihm in demselben kloster gelebt haben; doch sticht der ton merklich ab
gegen den in der Zueignung an Castalius beobachteten; wird dieser einfach
"frater3 angeredet nnd überall geduzt, so heifst Vigilius gleich "nobilissime
frater3 und dann folgen zierliche anspielungen auf den namen selbst: "vigi-
lantiae vestrae gratias refero, quod me dormientem vestris interrogationibus
excitastis3. auch der nächste satz fährt ihrzend fort: cdeo gratias, cpii vos ita
fecit sollicitos, ut non solum vobis tantum quantum et aliis vigeletis3, schon
in sollicitus könnte gelinde anspielung auf das dem pabst widerfahrne leid
stecken; nach jener zeit weise geht er hernach wieder in das vertrauliche du
über, schliefst aber zuletzt mit der bitte cores pro me nobilissime et magni-
fice frater3, nachdem es kurz zuvor geheifsen hatte: "cpiatenus diversarum
gentium calamitate comperta ab omni aerumna liberum te fieri cupias et ad
deum te convertas3. über des pabstes sollicitudo und aerumna, der sich aus
der Weltgeschichte trost holen sollte, lebhafter auszulassen hinderte ohne
zweifei die rücksicht auf den mächtigeren kaiser. Daraus aber dafs er den
Vigilius "nobilissime und magnifice frater3 anredet, gewinne ich bestätigung
der in zweifei gezognen, vermutlich auf dem titel einzelner handschriften
angegebnen bischöflichen würde des lornandes: ein blofser mönch hätte den
römischen pabst nicht bruder genannt, papa gaben ihm auch die bischöfe
selten (3). An welchem orte war aber lornandes bischof? Fabricius bibl.
(*) Anastasius bibliothecarius de yltis pontificum 1,106.
(2) Ed. bonn. 2, 339. 340. 428.
(3) Der beil. Cyprian, bischof zu Carthago, nennt den römischen pabst Cornelius in
briefen vom j. 250. 251 'frater carissime3 und Cornelius erwidert eben so. epist. roman.
pontif. ed. Constant. Paris 1721 p. 125. 133. 139. Nicht anders redet Johannes bischof
zu Antiochia den römischen bischof Xystus, d. h. den pabst im j. 433 an 'frater3 und 'con-
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lat. 3,17 sagt: de rayennatensi mora nihil lego, sed forte vere dictum; de
episcopatu Gothorum nihil me scire profiteor. Wenn die gesta fontanellen-
sia ausdrücklich Ravenna bezeichnen, so entnehmen sie das dem titel ihrer
in der mitte des achten jh. vorräthigen handschrift, wogegen freilich des
Agnelli erst im neunten abgefafster über pontificialis seu vitae pontificum
ravennatensium (*) keines lornandes oder lordanes gedenkt, ebensowenig
bezeichnet der geographus Ravennas, dessen heimat feststeht (2), den oft
angeführten lordanes weder als landsmann noch als bischof, und es tritt
hinzu, dafs Ravenna, die alte hauptstadt des Gothenreichs und exarchats erz-
bischöfe hatte, keine bischöfe. Aus der dem 29 cap. seiner gothischen ge-
schickte eingeschalteten lebendigen Schilderung Ravennas läfst sich wenig-
stens vermuten, dafs lornandes die Stadt aus eigner anschauung kannte, wo-
ran ohnehin niemand zweifeln wird. Es gebricht uns aber jegliche auskunft
darüber, an welchen orten lornandes, nachdem er sein geburtsland verlas-
sen hatte, bis er endlich der bischöflichen würde theilhaft wurde, lebte und
wohnte, ob in Byzanz, Ravenna, Rom oder noch anderswo.
Die zeit, während welcher beide werke abgefafst und zu ende gebracht
sind, unterliegt keiner Unsicherheit, in der Vorrede an Vigilius sagt lornan-
des selbst, dafs,er seinen auszug aus der Weltgeschichte bis zu Justinians 24.
jahre, folglich bis zu 551 fortführe, kurz zuvor (jamdudum) aber die gothi-
sche geschickte für den gemeinschaftlichen, also auch mit Vigilius vertrauten
freund Gastalius entworfen habe. Beide werke reichen wirklich so weit
herab, die gothische geschickte schliefst mit des Vitiges (542 oder 543 er-
folgtem) tode, fügt aber noch in wenigen Worten hinzu, dafs dessen witwe
Mathesuentha des kaisers bruder Germanus anvermählt, nach dieses bald er-
folgtem ableben einen posthumus zur weit gebracht habe, auf welchem nun-
mehr die einigung der Anitier (3) und Amaler, der weit hofnung ruhe. Ger-
manus starb 550 oder 551, das kind mag noch in dem letzten jahr geboren
sacerdos3 (ccüsXcpog und arvXhsnpvgyog) ibid. p. 1242. Papa heilst zwar zuweilen der rö-
mische, aber auch z. b. der alexandrinische bischof. ibid. p. 262. 766.
(1) berausgegeben von Bachini, Modena 1708 und bei Muratori wiederholt.
(2) 4,31 sagt er: Ravenna nobilissima, in qua, licet idiota, ego buius cosmograpbiae
expositor, Christo adjuvante genitus sum.
(3) Forcellini s. v. Anicianus. Lindenbrog zu lornandes p. 162. Yalesius zu Ammia-
nus Marc. 16,8 p. 126.
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sein und "wir sind wieder auf 551 geleitet. Absichtlich übergeht lornandes
des Totila erhebung und heerzug in der gothischen, welchen er in der allge-
meinen geschichte noch berührt, in keiner konnte er dessen ende melden,
da Totila etwa juni 552 fiel, in der Weltgeschichte ausdrücklich noch lebend
dargestellt wird (*), so mufs diese lornandes vorher, die gothische sogar
etwas früher abgeschlossen haben, 551, höchstens im beginn von 552. Wir
sind aber nun aller weiteren nachrichten baar, und wissen nicht, ob lornan-
des vor oder nach dem ihm befreundeten Vigilius, welcher 555 starb, sein
leben endigte, erst wenn es gelänge den ort seines bisthums zu ermitteln,
dürften wir etwas darüber zu erfahren hoffen; weil damals meist bejahrte
männer oder greise mit der bischofswürde bekleidet worden., ist ihm kein viel
höheres alter zuzutrauen.
Es ist hier nicht meine absicht mich über den gehalt der jornandi-
schen werke, über seinen beruf zu dieser arbeit und die dafür benutzten quel-
len (2) ausführlich zu verbreiten; ich werde blofs einzelnes, was mich gerade
besonders anzieht, hervorheben.
Offenbar wollte er für das bedürfnis seiner Umgebung gröfsere werke
durch auszug entbehrlich machen; auf welche weise er die ihm vorgeleg-
nen verschiednen gewährsmänner ineinander verarbeitet und was er eignes
ihnen zugefügt habe, läfst sich bei dem beklagenswerthen abgang gerade der
wichtigsten darunter schwer und nicht vollständig beurtheilen. Sein dünnes
buch de regnorum successione, oder die Übersicht der Weltgeschichte, welche
den duldenden Vigilius trösten sollte, ist von geringem belang, dagegen
das werk de geticae gentis origine ac rebus gestis, oder wie er es selbst über-
schrieben zu haben scheint, de origine actuque Getarum, für uns eben bei
dem Untergang jener älteren bessern Schriften ein werthvolles ja unschätzba-
res denkmal geworden, für dessen abfassung wir ihm oder dem dazu auf-
munternden Castalius dank schulden.
(*) quae post ejus obitum postumum edidit fillum, vocavitque Germanum. qua felia-
tate slbi Totila comperta totam paene msultans Romanis devastat Itallam.
(2) von Sybel de fontlbus librl lordanls de origine actuque Getarum, Berlin 1838 hat
diese quellen am Heifsigsten abgehandelt. Seb. Freudensprung de lornande sive lordane,
Monaci 1837 konnte ich nicht einsehn, die jüngste schrift von Joh. Jordan: Jordanes le-
ben und schritten, Ansbach 1843 wäre doch kaum entsprungen, wenn lornandes überall
nur seinen eigentlichen namen geführt hätte.
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Castalius hatte ihn, wie er selbst sagt, angegangen: nt nostris verbis
duodecim Senatoris Volumina de origine actuque Getarum in unnm et hoc
paryo libello coarctem; diese "magnificam dicendi tubain mit seinem schwa-
eben athem anzublasen, wird ihm schwer, er hat nicht einmal Cassiodors
werk zur hand, und leider schliefsen wir eben daraus, in wie geringer zahl
es ausgegeben gewesen sein möge. Cassiodor scheint seine Schriften insge-
mein gern in zwölf bücher gefafst zu haben, so die variae und auch die un-
ter dem namen historia tripartita bekannte kirchengeschichte; die gothische
geschichte muste also von ziemlichen umfang sein, da lornandes die zwölf
bücher sogar duodecim volumina nennt. In der Vorrede zu den variis läfst
sich Cassiodor selbst zurufen: "duodecim libris Gothorum historiam defloratis
prosperitatibus condidisti", er hat die glücklichen begebenheiten der Gothen
gleichsam wie blumen gelesen und gebrochen. Var. 9,25 legt er in einem
schreiben an den römischen senat dem könig Athalaricus folgende Worte in
den mund: "tetendit (nemlich Cassiodorus) se etiam in antiquam prosapiam
nostram, lectione discens quod vix majorum notitia cana retinebat. iste re-
ges Gothorum longa oblivione celatos latibulo vetustatis eduxit. iste Ama-
los cum generis sui claritate restituit, evidenter ostendens, in decimam sep-
timam progeniem stirpem nos habere regalem, originem gothicam historiam
fecit esse romanam, colligens quasi in unam coronam germen floridum, quod
per librorum campos passim fuerat ante dispersum (das ist nochmals jenes
defiorare der praefatio). perpendite, quantum vos in nostra laude dilexerit,
qui vestri principis nationem doeuit ab antiquitate mirabilem: ut sicut fui-
stis a majoribus vestris semper nobiles aestimati, ita vobis regum antiqua
progenies imperareP. so stolze worte hatten Römer von dem sie beher-
schenden Gothenkönig, dem entarteten nachfolger des grofsen Theodorichs
zu vernehmen. Da Athalarich 534 starb, mufs das schreiben, umsomehr
die darin angeführte gothische geschichte früher abgefafst sein. Cassiodor,
etwa um 480 geboren, schrieb dies werk in der kraft seines lebens, in aller
fülle seines einflusses auf das gothische reich, vielleicht erst nach Theodo-
richs tod 526. Yar. 12,20 sagt er nochmals: superatum est exemplum,
quod in historia nostra magna intentione retulimus. nam cum rex Alaricus
urbis Romae depraedatione satiatus apostoli Petri vasa suis deferentibus ex-
cepisset, mox ut rei causam habita interrogatione cognovit, sacris liminibus
deportari diripientium manibus imperavit, ut cupiditas, quae depraedationis
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16
ambitu admiserat scelus deyotione largissima deleret excessum. sed quid
mirum, si reverendorum sanctorum yasa deripere noluit, qui tanta se urbis
vastatione ditayit? dies ereignis fällt ins j. 409, Cassiodor batte also die
gothische geschicbte bis auf jüngere Zeiten geführt und es steht zu erwarten,
dafs das glanzvolle leben seines beiden Theodorich darin heryorragte. Das
bald unaufhaltsam einbrechende sinken und der Untergang des ostgothischen
reichs in Italien scheint die Verbreitung eines werks, das ganz für dessen
rühm geschrieben war, hintertrieben, und mag es selbst seinem Verfasser ver-
leidet haben, man weifs dafs sich Cassiodor gegen das j. 540 aus dem ge-
schäftsleben zurück zog in die einsamkeit, um ruhiger betrachtung hingege-
ben noch andere Schriften zu vollenden, unter welchen die variae weit das
bedeutendste sind: er legt darin rechenschaft seiner Verwaltung ab und die
urkunden derselben vor. seine gothische geschichte mufs bald so selten ge-
worden sein, dafs um die mitte des jh. lornandes, als er an einen auszug
hand anlegen wollte, mühe hatte, das bereits vorher einmal gelesne werk
nochmals einzusehn; Cassiodors Verwalter oder hausmeister scheint ihm die
handschrift nur auf drei tage verabfolgt zu haben: cad triduanam lectionem
dispensatoris ejus beneficio libros ipsos antehac relegi, quorum quamvis
verba non recolo, sensus tarnen et res actas credo me integre tenere3. Der
bischof unterhielt also mit dem alten Senator, der damals wahrscheinlich
schon als mönch im kloster lebte, keinen Umgang und muste jenes buchs
durch gefälligkeit eines geringeren mannes habhaft zu werden suchen. Noch
mehr fällt auf, dafs auch Procop, der seinen gothischen krieg nur zwei jahre
später als lornandes geschrieben hatte, sich kein exemplar des cassiodori-
schen werks zu verschaffen suchte, ja er nennt ihn nicht einmal mit namen;
dafs er auch unsern lornandes nie erwähnt, ist begreiflich, obgleich ihn Vi-
gils händel, falls in sie lornandes irgend verflochten war, darauf hätten füh-
ren können. Cassiodor aber erscheint uns als edle beinahe tragische gestalt;
er soll das hohe alter von fast hundert jahren erreicht haben, da mag zu
Squillace (in Bruttien) seiner heimat, wo er abgeschieden von aller weit
lebte, dem greis seine thatenreiche gemeinschaft mit Theodorich, der ihm um
fünfzig jahre vorausgegangen war, wie ein träum erschienen sein, und vielleicht
hat er nach dem verfall des geliebten reichs, als er noch Justinians herschaft
und den einbruch der Langobarden in Italien [ertragen muste, die ihm ver-
leidete gothische geschichte, von welcher sich keine spur einer abschrift
- 17 -
zeigt, selbst der Vernichtung übergeben, des kaisers gewalthabern Beiisar
und Narses beugte er sich wol niemals (1).
Yon Ablavius, einem andern gothischen geschichtschreiber, dessen
sich Jemandes noch bedienen konnte, wissen wir sowenig bescheid, dafs da-
hin gestellt bleiben mufs, ob er dem Cassiodor voraus gieng oder erst nach-
folgte ; unmöglich kann er viel älter gewesen sein, weil seine erzählung selbst
wenigstens in das fünfte jh. hinabreicht. Er scheint seine gothischen sagen
mehr aus einheimischen liedern und Überlieferungen, als auf gelehrtem wege
gesammelt zu haben, und desto höchlicher bleibt der Verlust seiner schrift,
wie kurz sie gewesen sein mag, zu bedauern. Im jahr 561 verschwor sich mit
Marcellus und Sergius auch ein Ablavius gegen Justinian, und alle drei wur-
den hingerichtet, wäre dies unser Verfasser, so müste er Cassiodors und lor-
nandes Zeitgenosse gewesen sein; doch ein ganz andrer konnte gleichen na-
men führen. ^
Aus des Ablavius und Cassiodor Schriften, wenn sie uns noch vorlä-
gen, vorzugsweise hätten wir ein urtheil über lornandes eigenthümliche dar-
stellung zu fällen; denn ihnen scheint er unter allen am meisten zu verdan-
ken, und was er aus andern quellen schöpfte, könnte uns nur seine belesen-
heit bezeugen. Nach dem zwar gezierten aber nicht unbeholfnen Stil der
Vorreden dürfte man ihm selbst etwas Zutrauen; am meisten geschmückt er-
scheint der vortrag in Attilas rede (cap.39), wenn er nicht schon dem Cas-
siodor gehört, von dessen eigenheiten ich hier einige zu erkennen glaube,
obwol lornandes sein werk nur flüchtig gelesen haben, mehr dem sinn als
den Worten wieder geben will. Wie bei Caesar, Livius und Tacitus wird
aber feinden und freunden auch bei Procopius gleiche beredsamkeit zuge- (*)
(*) Gregorius turon. 2,8 und 9 schöpft zweimal aus einem wiederum verlornen ge-
schichtschreiber Renatus Frlgeridus oder Renatus Profuturus Frlgeridus, der, wie sein
name (Frijairejps) zeigt, und der Inhalt seines werks lehrt, Gothe gewesen sein mufs. im
zwölften buch berichtete er von Aetius, also begebenheiten des fünften jh., und die ein-
nahme Roms durch die Gothen (ohne zweifei unter Alarich im j. 409, nicht die spätere
unter Totila). Gregor starb 594, Frlgeridus ist also mindestens ein Schriftsteller aus der
zweiten hälfte des sechsten, vielleicht aber schon des fünften jh., obgleich ihn lornandes
niemals nennt, jenes zwölften buchs wegen könnte man gar auf den gedanken gerathen,
Magnus Aurelius Cassiodorus habe sein buch unter den namen Renatus Profuturus Fri-
geridus ausgehn lassen; in den von Gregor ausgehobnen stellen ist fast cassiodorische
Schreibart.
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- 18 -
messen, und die anführer der barbaren stehen in gewandter entfaltung ihrer
beweggründe und entschlüsse denen der Römer niemals nach.
Geringem einflufs auf unsers geschichtschreibers Stil als diese lateini-
schen werke können die zu rathe gezognen griechischen geäufsert haben,
obgleich sie deutlich auch bei ihm bekanntschaft mit griechischer spräche und
literatur, wie sie damals von Byzanz nach Ravenna und Rom sich verbreiten
muste, voraussetzen. Aufser Strabo und Ptolemaeus sind von ihm beide
Dione genutzt, die er ebenso wie es späteren begegnet mit einander verwech-
selte, vielmehr für einen und denselben hielt, was um so leichter zu ent-
schuldigen ist, da sie beide landsleute, Dio Chrysostomus aus Prusa, Cassius
Dio aus Nicaea in Bithynien gebürtig waren, jener geht aber diesem um
120, 130 jahre voraus, Dio Chrysostomus war Zeitgenosse des Tacitus, Cas-
sius des Ulpian und Herodian. auf letzteren bezieht sich die vorhin ge-
dachte Schilderung Ravennas, wir können aber nicht vergleichen, da die
stelle in den verlornen stücken enthalten sein mufs. Leider sind auch des
Dio Chrysostomus PeriKa uns gänzlich abhanden, wogegen wir die 80 erhab-
nen reden desselben Verfassers, welche Reiske zuletzt herausgegeben hat,
hingeben würden. Von Dio Chrysostomus ertheilen Suidas und Photius,
am ausführlichsten Philostratus nachricht: er muste verbannt aus seiner hei-
mat weichen, und wanderte, bei den barbaren gastfrei aufgenommen, lange
jahre an dem gestade des Pontus durch viele länder, bis ihn endlich Trajan
zurückrief und so auszeichnete, dafs er ihn auf seinem goldwagen neben sich
fahren liefs. während seines aufenthaltes in jenen gegenden muste über die
Gelen vieles zu seiner künde gelangt sein (*), welches er in jener schrift,
die also noch im sechsten jh. erhalten war, niederlegte, und woher Jeman-
des eine reihe von nachrichten in den Vordergrund seiner gothischen ge-
schichte zu entlehnen keinen anstand nahm.
(*) Philostrat sagt ausdrücklich, dafs Dio auch im lande der Geten gewesen sei: sg
Fsrag ykSsu 07T0TS ykäro. aus Dions reden scheinen mir folgende stellen anführenswerth:
1,74 (ed. R.) tTvyyjxvov fj.su im&YjfJLüou iu BoovcrS'susi ro <S’soog, w tots sits7t?,sv(tcc jj.stcc ty{u
(fivyyv. ßovko fj.su og sk&s7u9 sau Svum[j.cci, 8 t d ^EyyjS'üou slg Tsrccg3 orruog 3‘suruofj.at Tccy.s7 Traccy-
futTU otto7cc scttL 1,75 slkou 8s yett tccvtyju (t^u Trokiu tüüu BoovtS'suitüüu) Fsrai, y.at Tag cek~
kag Tag su ro7g datgrsoc7g rov Uoutov ivokstg fJ£%ot *Anokkojulag. 1,238 d?X slg iyß’oüou pqart
(vj 7rccaoifj,la) y.scpcekdg td TGiavrct tqsttoito* tovtsttiu slg rovg xceTccoccTOvg Fsrceg, slg fj.vj8sua 8s
t'Sju dkktou tüüu ofAOsSuüüu. 1,378 y.cti ydg 8q Tvyyauw fjaygdu tyju o8ou rauvu nsttoqsvfj.suog.
- 19 -
Was vorhergellt betrachte man als einleitimg zu dem folgenden ver-
suche, die iornandische ansicht, welcher Geten und Gothen ein und dasselbe
volk sind, ernstlich in schütz zu nehmen, und einer unter uns wurzelnden
angewöhnung damit entgegenzutreten, denn wo Adelung und Niebuhr (*)
Zusammentreffen, jener seinem überall unverhaltenen Widerwillen gegen ein-
heimisches alterthum nachhängt, dieser das geistige äuge an unsrer geschichte,
auf welcher es ein andermal liebend weilen würde, nur vorüberschweifen
läfst, darf die forschung schon wieder von frischem ansetzen.
Es ist ein alter zug der Deutschen ihr eigenthum immer am letzten
anztierkennen und am ersten preis zu geben; so sehr schärft ihre critik den
blick auf ausländische gegenstände, dafs sie ihn für vaterländische abstumpft,
und voll Übermuts, einzelne schwächen und mängel der früheren geschicht-
schreibung aufgedeckt zu haben, samt dem bade auch das kind auszuschüt-
ten geneigt wird. Um nur die deutschen götter leugnen zu können, hat man
ohne mühe celtische oder slavische hingestellt, und den Gelten uralte ge-
gdS’i) rov ''liTTgov neu Tvjg Tst'mu (nctra ty{v vvv stti^Xy^iv ~ov s'S'uovg') yjjopccg, vj Mverüüu9 ug
cpYjtTiv vO\XYi%og,
(*) Adelungs Mithridates 2,357: 'es konnten nur unwissende sprach und geschichtsfor-
scher, um des schwachen gleichlauts willen, die thracischen Geten mit den germanischen
Gothen, welche sich in der folge ihres landes bemächtigten, für ein und ebendasselbe
volk halten3. Niebuhrs kleine hist, und phil. Schriften 1,394: 'es ist dies (das der Jazy-
gen) ein erwünschtes beispiel um die nichtigkeit der folgerungen, welche aus namens-
ähnlichkeit gezogen werden, für fälle darzuthun, wo der schein weit schwächer ist, wie
man etwa in den Geten die Gothen gefunden hat3. Um ihnen noch einen neueren Schrift-
steller beizugesellen, Gervinus (nationallit. 1,25) von Hunibald redend drückt sich so aus:
'wer es aber gewesen sein mag, der diese hierarchischen zustände der alten Kelten an
die Franken anknüpfte, er begieng denselben fehler wie lornandes, als er die geschichte
der deutschen Gothen an jene Geten anreihte, die eben dasselbe unterscheidende merk-
mal von den Gothen trennt, wie die Kelten von den Franken, statt dafs ihn der grund-
verschiedne character seiner echt gothischen Überlieferung im lied oder in der nationalen
geschichte des Ablavius und jener getischen sagen des Dio auf die getrenntheit beider
nationen hätte aufmerksam machen sollen, statuirt er nur verschiedene sitze und mit Ver-
änderung derselben veränderte cultur, und so läfst er uns denn in seinem auszug aus
Dio, den er so leichtsinnig aufnimmt, wie Annius von Yiterbo und Aventin den falschen
Berosus, dasselbe hierarchische gemälde sehen, das wir auch bei Hunibald erkennen3, diese
Zusammenstellung des lornandes mit Hunibald scheint mir höchst ungerecht, und ich
wollte wetten, dafs Ablavius von der Gothen und Geten einheit nicht minder als lor-
nandes überzeugt war.
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meinschaft mit Cimbern und Kimmeriern, den Slaven mit Sarmaten willig
eingeräumt, während die yor äugen liegende der Gothen und Geten allge-
mein verworfen wird, der neueren slayischen Forschung sind jene sarmati-
schen ahnen nicht einmal zu danke; vielleicht dafs die Geten bei uns jetzt
eher glück machen.
Die an sich unverwerflichen Zeugnisse aus der zeit, in welcher der
gothische name neben dem getischen aufzutauchen und ihn allmälich zu ver-
drängen beginnt, mögen vorausgehn, obgleich sie weder den wichtigsten
noch den einleuchtendsten beweis für die identität beider Völker darbieten.
Unser lornandes hat seine schrift geradezu de geticae gentis origine ac rebus
gestis, oder mit dem etwa schon von Cassiodor gewählten ausdruck de ori-
gine actuque Getarum überschrieben, wenn er auch im buche selbst be-
greiflich die benennung Gothi vorzieht, hat er nirgends bedenken, zumal
wenn auf ältere begebenheiten zurückgegangen wird, Getae zu verwenden,
cap. 9 heifst es bei berufung auf jenen Dio historicus antiquitatum diligen-
tissimus inquisitor, qui operi suo Getica titulum dedit, ausdrücklich: quos
Getas jam superiori loco Gothos esse probavimus, Orosio Paulo dicente.
auch im buch de regnorum successione, namentlich zuletzt bei Yitiges ge-
schichte setzt er Getae und geticus gleichbedeutend mit Gothi und goti-
cus (1). Kaum anders verfahren haben wird der frühere und geschichtskun-
digere Cassiodor, der zwar in den variis meist nur die officielle Schreibung
Gothi braucht, einmal aber auch 10,31 dem Yitiges bei einem erlafs an uni-
versos Gothos den ausdruck geticus populus in den mund legt und dies
gewis noch öfter that. Orosius, der zu beginn des fünften jh. schrieb, sagt
buch 1 cap. 16 seiner historien: modo autem Getae illi, qui et nunc Gothi,
quos Alexander evitandos pronunciavit, Pyrrhus exhorruit, Caesar declina-
vit. Noch entscheidender lauten zwei stellen Spartians, dessen bücher schon
um 280 abgefafst wurden und begebenheiten aus dem anfang des dritten jh.
melden: (Caracalla) cum Germanici et Parthici et Arabici et Alemannici no-
men adscriberet (nam Alemannorum gentem devicerat), Helvius Pertinax, 11-
lius Pertinacis dicitur joco dixisse cadde, si placet, etiam Geticus Maximus3,
quod Getam occiderat fratrem, et Gothi Getae dicerentur, quos ille, dum
itnben *>.5/^
(*) aus lornandes zu schöpfen pflegt Ekkehardi chronicon b. Pertz 8,120: Gothi qui
et Gethae (1. Getae).
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ad orientem transiit tumultuariis proeliis deyicerat. Anton. Carac. c. 10.
Kelvins Pertinax recitanti Faustino praetori et dicentic Sarmaticus Maximus
et Parthicus Maximus dixisse dicitur cadde et Geticus Maximus9, quasi Göt-
tiens. idem in Anton. Geta c.6. Procop, des lornandes Zeitgenosse 1,312
von den gothischen Völkern redend, welchen er mit recht auch Vandalen
und Gepiden zuzählt, führt als verbreitete meinung an: irakai ixevroi Xavgo-
fjLarai Kai MsXayyfiaivoi dvcfjui^ovro. sicri Se oi aal Tsrina s&vy\ tcvjt enaXovv, und
noch bestimmter 2,117 Tstikov ydg s&uog (pari rovg Tor^ovg eTvai. Und Isidor
636) orig. 9,2 von den Dakern handelnd, die, wie hernach gezeigt wer-
den soll, immer den Geten zur seite stehn, drückt sich so aus: Daci autem
Gothorum soboles fuerunt, et dictos putant Dacos quasi Dagos, quia de
Gothorum stirpe creati sunt, er setzt also Gothi gleichbedeutig mit Getae.
War demnach allen erfahrnen Schriftstellern vom dritten bis zum siebenten
jh. diese ansicht geläufig und unanstöfsig, so muste sie ohne zweifei unter
den damaligen Gothen selbst im schwang sein und ihren heimischen erin-
nerungen Zusagen.
Warum aber verwendet die ältere zeit den namen Getae, die jüngere
Gothi? alles wird sich einfach lösen durch die Wahrnehmung, dafs jener bei
Griechen und früheren Römern, dieser unter den Deutschen selbst herge-
bracht war, und es mufs gerade wichtig scheinen, dafs die grammatik die ab-
weichung beider formen nebeneinander rechtfertigt, dem gr. und lat. T in
Terai Getae (*) entspricht nothwendig das goth. J) in GuJ>ai (bei adjectivi-
scher, oder Guf)6s bei substantivischer flexion), welche form man nach Cas-
siodors und lornandes Gothi, Procops FoVS-oj und dem Gothicus in Justini-
ans titel anzusetzen befugt ist; das gothische calendarium liefert Gutjaiuda
statt GuJ)J)iuda = altn. Gof)J)iod (Saem. 4. 228. 267) und gleicht jenem pro-
copischen TotSoi, das aber die einfache form, nicht die Zusammensetzung
bietet. Tacitus schreibt Gothones, Plinius Guttones, Spartianus Gotti, Am-
mianus Marc. Gothi, denn sie hatten ihre formen schon aus deutschem munde,
das T in Geta verhält sich also zu dem in GuJ)ai Gothi wie im lat. ratio,
goth. raJ)jo, gr. fjisrd goth. mij), lat. frater goth. br6J>ar, gr. sregog goth. an-
f)ar, gr. heg goth. ajm u. a. m. Das E aber in Getae ist verdünntes A oder
(!) E in Geta ist bei den lateinischen dichtem stets kurz, erst im mittelalter gestattet
sich Yitalis blesensis für seinen nach gedichteten Geta die falsche länge.
22
I, das O in Gothi gebrochnes U, das sich im goth. Guf>ai rein erhielt, wir
wissen, dafs sehr oft deutsches ü oder 0 dem gr. oder lat. E znr seite stehe,
vgl. te tibi goth. ]mk {ms, lat. primus goth. fruma, lat. privatives in- goth.
un-, lat. genus gr. yevog goth. kuni ahd. chunni, lat. tenuis ahd. dunni, lat.
mens mentis gr. fjiivog goth. muns munis, lat. dens dentis goth. tunjims, lat.
centum goth. hund, lat. lingua = dingua goth. tuggo, lat. vermis goth. vaurms
ahd. wurm, lat. e ex goth. us. Sprachgemäfs und natürlich war es also dafs
der name des deutschen Volkes schon von frühe an in griech. aussprache FEX
bekam, während dem volke selbst GU|) verblieb und nun übersehe ich nicht,
dafs auch der gr. ausgang Terag oder Feryg pl. Fm«, lat. Geta pl. Getae nach
erster declination zutreffe mit der form Gotha pl. Gothae, welcher sich Cas-
siodor und lornandes beide neben Gothus pl. Gothi bedienen, dieser aus-
gang auf -a erreicht aber die goth. schwache form der masc. (wie goth. Yul-
fila Attila Teja gr. lauten OvXcpiXag vkrrikag Teil''ctg) und verständigt uns darüber
dafs neben Gothi Gothones, folglich neben Gu{>ai Gu{>ans gesagt wird, noch
mehr, aufser Gothi erscheinen bei Tacitus auch Gothini (es kümmert uns
hier nicht dafs er diese für celtisch hält), gerade wie bei Arrian für Tetcu Fs-
r^oi^1), sonst aber 2ttAa/3ot und XtiXaßyvoi, Sclavi und Sclaveni, und ich darf
fragen, wie es doch geschehn möchte, dafs alle grammatischen formen und
fortbildungen, die wir bei Geten wahrnehmen, auch bei Gothen obwalten
sollten, wären beide nicht dasselbe volk?
Unverschlossen scheint auch der sinn des volksnamens Gothi oder
Gu{>ai. denn da das höchste wesen in gothischer spräche gu|), wie in allen
übrigen deutschen mundarten bis auf heute gott genannt wird, so kann Gu-
[j>ai oder Gu{>ans nichts anders ausdrücken, als die göttlichen, von gott selbst
erzeugten oder stammenden, welches zu der annahme aller heidnischen Deut-
schen stimmt, die ihre ahnen zu oberst von gott und hohen göttern ableiten,
wie in den gothischen genealogien selbst auch ein Gaut, der sich nahe mit
gu|) berühren mufs, obenan gestellt wurde. Noch mehr, es ist bekannt,
dafs die Deutschen ihre beiden und edlen geschlechter zugleich auf einen
andern namen der gottheit nemlich ans, altn. äs zurückführend Anseis und
Asir nanten, deren bedeutung folglich mit der von Gu{)ai zusammen trift,
imd lornandes cap.13 berichtet ausdrücklich von den Gothen: jam proce- (*)
(*) Lobeck pathol. serm. gr. p. 194.
- 23 —
res suos non pnros homines, sed semideos id est anses vocavere, so unrich-
tig er auch dieses namens Ursprung in die späte zeit des ersten jh. setzt, nem-
lich aus einem sieg erklärt, den die Gothen über kaiser Domitian davon trugen.
Auf diese sprachliche grundlage gestützt wollen wir nun die histori-
sche betrachtung folgen lassen.
Man ist einverstanden darüber, dafs unsre Vorfahren an den stellen,
welche wir sie im ersten jh. einnehmen sehn, schon früher geraume zeit an-
gesessen waren (dem Tacitus erschienen sie sogar als unvermischte indige-
nae), dafs aber unter ihnen noch damals ein trieb fortgedauert habe sich von
osten und norden nach westen und süden zu bewegen, welche neigung noth-
wendig weit länger bestanden haben und wirksam gewesen sein mufs, als
unsre geschickte nachweisen kann, mit andern Worten, die Germanen oder
Deutsche, wie sie fünfhundert jahre nach Christus langsam aber unaufhör-
lich vorrücken, müssen schon fünfhundert oder tausend jahre in derselben
wendung und richtung begriffen, weiter rückwärts im osten gedacht werden,
ja sie sind ursprünglich aus Asien in europäische strecken überwandert, zu
solcher annahme zwingt schon das innige band, welches zwischen ihrer
spräche und der andrer Völker, die vor, mit und nach ihnen gleichem zuge
und drang der Wanderung folgten, so wrie der spräche derer besteht, welche
ihnen verwandt in Asien zurückgeblieben waren. Schwiege auch die ge-
schichte ihrer fahrten, thaten und begebenheiten, so ist es dennoch noth-
wendige Voraussetzung, dafs den Griechen bereits zur zeit der Perserkriege
und Alexander des grofsen in unerforschten nordstrichen Völker zur Seite
lagen und lebten, die als stammeitern der Deutschen, welchen allgemeinen
namen sie auch damals führten, zu betrachten sind.
Die Griechen dachten sich alle länder nordwärts dem Pontus bis zur
Maeotis, da wo Ister (Donau), Tyras (Dniester), Borysthenes (Dnieper) und^
Tanais (Don) ausströmten, als unermefsliches Thrakien, Sarmatien, Skythien,
nur dafs diesen bald ein weiterer bald engerer umfang angewiesen wurde und
vielfach sie ineinander flössen. Thrakien war griechischer anschauung schon
näher gerückt und bekannter, seit aus der unbestimmten Thracia magna (*)
(‘) so nimmt die nordländische Überlieferung bei Snorri eine Svifnod in mikla an, die
sich bis zum Tanais erstreckte. Herodot hielt die Thraker, nächst den Indern, für das
gröfste volk der erde 5,3: Ss s&vog fisyirrov sttc /astcc ’luBovg TrauTwu av&guoTtuv,
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
- 24
fv.Cc üm Ua^I' richtige Vorstellung.
1 ^ thiA cY- <Aw 6U)i auch in seinem limi
CtodreM I
ein kleineres gebiet diesseits des Haemus und hinter ihm jenseits der Donau
ein Moesien, Dacien und Getien, westwärts vom Pontus angenommen wur-
den, welche über Macedonien und Boeotien mit Griechenland und griechi-
scher herschaft in berührung standen, im hintergrunde griechischer poesie
treten Eumolpus, Orpheus, Thamyris auf als thrakische Sänger, dennoch
galt die spräche der Thraker für barbarisch und den Griechen unverständ-
lich, schon darum scheint es übel gethan, von jenem allgemeinen begriffe
Thrakiens ausgehendjThn noch erweiternd, wie Adelung und Rask thun, die
thrakische spräche, deren besonderheit uns fast gänzlich unbekannt ist, als
einen hauptstamm europäischer zunge aufzustellen und ihm die pelasgische,
griechische und lateinische unterzuordnen, in den strichen selbst des en-
gem Thrakiens mögen sich hinter und nebeneinander mehrere Völker völlig
verschiedner abkunft eingefunden haben (*), und da von Asien aus nach
Europa der hauptweg immer an dem pontischen gestade herzieht, so kann
es nicht anders sein, diese weitläuftigen länder müssen lange jahrhunderte
vor Christus auch die verweilenden heerzüge allmälich und streitbar vor-
dringender Germanen in sich enthalten. Keine annahme scheint unausweich-
licher als die, dafs ein so mächtiger volksstamm, dem in der Weltgeschichte
eine so grofse rolle angewiesen war, bevor er die Donau erreichte, schon in
Sarmatien und Skythien feste sitze gewonnen und eine zeitlang behauptet
habe; sollte nicht auch sein name und die seiner einzelnen zweige hin und
wieder aufleuchten? sicher bildet man sich von Skythien, das dem griechi-
schen äuge in noch fernerem, dunklerem kreise lag als Thrakien, eine un-
;, wenn man es blofs mongolischen horden einräumen will;
mfang und schon nach einzelnen zügen Herodots lassen sich
germanische bräuche ahnen, wenn gleich nicht so deutlich erkennen, wie
auf thrakischem boden (2). Dieser Germanen ausländische spräche stem-
(*) wenn Pomp. Mela 2,2 sagt: una gens Thraces habitant, aliis alilsque praediti et
nominibus et moribus; quidam feri sunt et ad mortem paratissimi, Getae utique; so kann
ibm die spräche, welche den hauptgrund fxir jene einbeit geben müste, nicht bekannt ge-
wesen sein; dafür ist merkwürdig, dafs auch in seinen naebriebten die Geten beraustreten.
(2) Procop 2,476 sagt geradezu, dafs die Gothen ebmals Skythen genannt wurden; um-
sominder tadelbaft kann die meinung sein, dafs innerhalb Skytbiens einzelne deutsche,
namentlich gotbisebe stamme weilten. Die wenigen eigennamen, die man skytbischer
zunge beimifst, schwanken zwischen germanischer, slavischer, finnischer und asiatischer
- 25 -
pelte auch sie den Griechen zu harbaren, einige ihrer namen geben finger-
zeig, und verraten uns was die über sie fast verstummende geschichte birgt.
Zuerst nennt uns Herodot ‘(484 v. Chr.) Geten bei des Darius zug, 45?) vJrwb q/
der sie in Thrakien am Salmydessus vorfand, eh er den Ister erreichte, schön u» '-fepkrK ie*->
und bedeutsam wird ihr glaube an Unsterblichkeit im cultus des Zalmoxis Jal cttJtuMi, ^ eYT)ttbf. Kf. At \ W Gfy
oder Gebeleizis geschildert (4,93. 5,8); Uvea Traget Z<xh\uofjtv Sedfxcvet, Tre/XTrsiv ff y 5 % \ \D-Üft tyh . 4^-
Traga ZeijxoKfyv (Lucian Scytba 1) mahnt an das suchen des gottes oder Odins, |trW (J
das fahren zu Odin, das gasten bei Odin, welches deutschem Volksglauben
ganz eingeprägt gewesen scheint (*). Zalmoxis soll in ein unterirdisches haus
{y.araycacv ciy.rjxa) gestiegen, drei jahre da verblieben und von den Geten
todt geglaubt, am vierten aber wieder unter ihnen erschienen sein (2); als
Freyr gestorben war, legte man ihn in einen grofsen hügel mit thür und fen-
stern und bewahrte ihn drei jahre lang, indem man dem volk sagte, dafs er
noch lebe (3): von dieser aufbewahrung hiengen fmchtbarkeit und friede
im land ab. ich weifs freilich diese namen Zalmoxis und Gebeleizis auf
deutsch nirgend sicher zu erklären, so deutschen klang der letzte hat (4);
j tS ,
& Ka** athU A0$
spräche. 'P<*&a<ywVo9, auf einem elbischen stein bei Böckh 2,133 n. 2070 entspricht dem \fajl. )ß)0C^Jn \[i l~
Radagaisus Scytha, dessen lornandes de regn. succ, gedenkt, den Isidor! chronicon go- ^
thischen könig nennt; es ist aber auch der ahd. name Rätgis (Graff4,266) und der slav,
Radegast. tP ■ 40 JnCwvt
(‘) Odin leita, nitta, ssekja, vgl. deutsche mythoi. s. 132. 91o! 1205. 1225. Ad. Schmidt^
zeitschr. 3,348. 4,544. Odin selbst will nach Godheim zu seinen freunden fahren. Yngl.
saga cap. 10. 18.
(2) wie Christus zur holle hinabsteigt, am dritten tage wieder aufersteht.
O Yngl. saga cap. 12. 13. . . .
(4) Gebeleizis liefse sich als goth. Gibalaiks ahd. Kepaleih fassen, und zu Gibuka, *V. (AYL i'U-
Giuki = dator (mythoi. s. 126. 344) stellen, oder gehört leizis zum goth. leisa lais lisum, o ^ (jQ\
was auf wissen und lehren führt? der nachdruck würde immer auf giba bleiben. Mit I \ —^V)—
Herodots angabe, dafs Zalmoxis bei Pythagoras gewesen sei, stimmt auch[Porphyrius de vl- J“** °
a / JfTMao
rsuu9__________„„______, _____... .r,„
| ~ 4Lj yita Pythagorae (ed. Küster p. 16): y,v S5
^ • U) ZdfJLOXfys YjV GUOfACr &7ts) ysvvYi&euTi CCVTÜ
£ccXijlou xaXova-t.
TP • tlMAo
SfcUä.
„ufytiUArvj. ™. |m ^ ^ 4j.ua, ^ ^ t**.
fiati//i iuTAa Wd! '/ife j wmrffe Ujwf ßii^eCM wnkoJkt (fai.91 oufeu^
i ' 6 (>£tC. ^eemoL foiw.
hut.
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CCVTOl/ HCU ETSgOV \XSIQUK10VS 0 SJi VQCCHYfi SnTY/CTCtTO,
Sooce cegXTOV BTrsßXyS’Yj, ryv yctg Sogdv ol Qgccnsg
diese herleitung würde für ZccXjjLoPig streiten, wiewol anderwärts ZcifxoX-
£\g steht, namentlich in Platons Charmides p. 156. 158 (Bekk. 1,309. 312), bei Diodorus p.
sicul. 1,94, mehrmals bei Lucian (Scytha 1. 4. lup. trag. 42.^ver. hist. 17), bei Eusta- F (/CDI- CöTv/'. ^
thius in Od. 9,65 p. 335, etymol. magn. in ZcifxoX^tg7 bei Hellanicus Lesbius fragm. p. j
13 (wo der ausdruck merkwürdig; ZcifxoX^ig TsXsrceg nariSsi^s T&ratg roig iv QgdnYi). das
etymol. gudianum p. 636 schreibt ZciXfxoEig o Tzryg, Zonarae lexicon ed. Tittmann 1,949 c
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- 26 -
man mufs zweierlei anschlagen, die griech. auffassung kann sie entstellt ha-
ben, der getischen spräche in so hohem alterthum mögen aber auch Wörter
und formen eigen gewesen sein, die späterhin erloschen. Die Geten (*) tre-
ten also bereits über 500 j. yor Chr. auf, zur zeit Tarqnin des stolzen in
Rom. als Thucydides schrieb, waren sie westlicher vorgerückt und erschei-
nen ihm zwischen Hämus, meer und Donau.
Absichtlich habe ich diese merkwürdige meldung Herodots von den
Geten yorausgestellt; es ist bei ihm aber noch eine frühere aus Gyrus 529
v. Chr.) zeit von den Massageten und ihrer königin Tomyris (1,201 — 215),
die bei lornandes cap. 10 nach Pompejus Trogus (Justinus 1,8) Tamiris, Ge-
tarum regina heifst. Diese Massageten (Mcarorccyerai) stehn nun weiter zurück,
noch am Araxes, dessen Übergang sie anfangs dem Perserkönig wehrten, her-
nach gestatteten, und heifsen ein skythisches, kein thrakisches yolk, welche
Verschiedenheit der ansicht nicht hindern kann, sie gleich den Thyssageten
(Herod. 4,22. 123) und Tyrageten zum grofsen hauptstamm der Geten zu
schlagen, was er 215 von ihren gebräuchen anmerkt, läfst sich nicht an andere
unseres alterthums knüpfen; wahrscheinlich hatten die Massageten yor sky-
thischem einflufs sich nicht frei erhalten, waren auch im raum von den eigent-
lichen Geten getrennt worden. Noch dem späteren Ammian sind die Mas-
L X ; D. oft
Z:J
>. ßj.CUK.I/S
. (kW* l^ivh Jp i
dtrZ/l äma iftf. CATWO.'h
1 ^ cAM tujd'
ierut- cfil& h&dr
gibt ZaXfjLoPtg als elgennamen (nvgiov), doch wird die Variante ZujjLoX^ig beigebracht. lor-
nandes cap. 5 bat Zamolxis, andere hss. mögen Zalmoxis zeigen, wie es daraus In Ekke-
hard! cbron. (Pertz 8,120) übergegangen Ist. das -o^ig wird wie in den skytblschen na-
men Anro^ccig 5'Kgiro^ccig KoXa^aig (Herod. 4,6) blofse ableltung sein, dem goth. -ahs ver-
gleichbar, nur dafs das männliche kennzeichen Im griech. doppelt gesetzt und das erste-
mal auch in die flexlon eingelassen wäre. £dXjxog feil liefert uns keine deutsche mundart,
und die ableltung bleibt unsicher, so sehr die bärenhaut mit deutschen sagen stimmte
(mythol. s. 970), sei das neugeborne kind in sie gewindelt worden zum erwärmen, oder
weil es heiliger brauch war. Man müste genau wissen, welchen getischen laut die Grie-
chen durch ihr Z ausdrückten; litth. bedeutet szalmas heim, lett. salms halm, litth. SZ
entspricht unserm H, und halmaha, hilmaha oder helmoht gäbe den passenden sinn galea-
tus, dergleichen liefse sich aber viel rathen, vgl. über Zalmoxis noch Creuzers symb. 2,
298 (zweite ausg.) und commentat. herod, p. 170. Pomp. Mela 2,2, ohne Zalmoxis zu
nennen, berichtet dafs die Getae ad mortem paratissimi seien, was er näher so ausführt:
id varia opinio perficit, alii redituras putant animas obeuntium, alii etsi non redeant, non
extingui tarnen, sed ad beatiora transire, alii emori quidem, sed id melius esse quam vivere.
(*) bei Herodot d^ctvarl^ovTsgy die sich für unsterblich halten, bei Plato, Lucian und
Diodor dTrccSccucc-l^ovTsg die vergötternden, unsterblich machenden.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
— 27 —
sageten den Alanen identisch, diese aber, wie wir oben sahen, nicht reine
Gothen, aber stark mit ihnen gemischt. Auch die namen To/jivgig und ihres
sohnes XTra^yam^g versagen sich deutscher auslegung (1).
Einen andern Schimmer auf dasselbe Volk der Geten wirft die einrich-
tung der griechischen comoedie, der jüngern wie sie Menander ungefähr
350 j. vor Chr. ausbildete: in seinen stücken führt der OLKsryg oder &ovXog
fast die ständigen namen Terag oder Adog9 welche 170. 150 j. später als Geta
und Davus auch in des Plautus und Terenz lateinische umdichtung über-
giengen. Wäre tausend jahre nachher unter uns Deutschen eine bühne auf-
geschlagen worden, wir hätten sie auch von knechten des namens Sclav,
Walah oder Winid können besteigen lassen, solche aufnahme barbarischer
diener und hausgenossen setzt gefangenschaft, verkauf oder freiwillige dienst
ergebung voraus, und diese Ursachen mochten neben einander walten; das
aber verbürgt sie, dafs Tercu und Accol den Griechen schon nicht in weiter ß
ferne, sondern in solcher nachbarschaft wohnten, die gegenseitigen verkehr „ o
förderte und beiden theilen nützlich machte, wie hernach dieser dienst deut-
scher knechte oder krieger bei Griechen und Römern durch lange folgende
zeiten geht, nur dafs später gröfsere bündnisse die stelle der alten mehr ein-
zelnen ergebungen vertraten, zwischen gelegne Makedonier und andere Thra-
ker mögen im krieg gewonnene getische und dakische knechte weiter nach Grie-
chenland verhandelt haben, dies dienstverhältnis mufs aber schon weit über
Menanders zeit zurückgesetzt werden; Herodot meldet von Zalmoxis, dafs
er unter Griechen des Pythagoras diener gewesen sei, wreisheit von ihm er-
lernt habe, wodurch wir wieder in des Cyrus zeit zurückgeführt werden,
sollte auch ein allem anschein nach mythisches wesen, wie Zalmoxis gar keine
solche historische bestimmung ertragen (2). Aus Menanders vollständigen
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(*) Toßvgtg (bei Lucian Twfxvgtg) ist gebildet wie (dcqx'jgig, des altthrakiscben sängers
name, Ptolemaeus aber 3,5 nennt in Sarmatien einen ort TccfjLvgdxvj. XnagyctKicryg identisch
dem X^ctoyansl^g b. Herod. 4,78, wo die gr. fassung gewis an ttsiSw ttsIs-w Trlrwog
dachte.
(2) auch Jamblichus de vita Pythagorae (Küster p. 146): Za\xo\£tg yuq (~>guju Hu-
&ceyooov $ov?.og ysvdfjisvog neu tmv Xoyujv tov H'J&ceyooov Stccxovcrag, d(psS‘s)g sXsvS’soog, xcci
TmoaysvcfJLSvog ttqdg rovg Tirccg, rovg ts vofxovg ccvToig s$y,xs . .. xai vr^dg typ ccvSgslccv rovg
TToXlTCtg TTCCgSXCcXSTS, TYjV 4/V%VlV dS’duCCTOV SlVCtl Trslcrccg.xai TCCVTCC 7TCClSsVTUg rovg Fs-
7«c xcc) yqcc^sccg ctvTolg rovg udfxovg, fAyirrog t£v Ssmu etti naa a'jjotg. Diese gesetzgebung
hebt gleich lornandes auch Diodor 1,94 hervor, schreibt sie aber dem göttlichen einge-
D2
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cic-ot. Act fW • ly'J>o. b
cAtren£ öVaX. aeo&
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comoedien liefsen sich yielleicht nähere züge sammeln, in den bruchstücken
ist Terag oder Teryg, voc. Tera aufzuweisen (Meineke fragm. com. gr. 4,170),
Adog aus einer stelle des Galenus de natur, fac. 1,17 (1,96 = 2,67) zu ent-
nehmen: oixoiwg rdig vtto rov ßeXrirrov Mevdvfyov nccrd rag Küü/JLwSiag eirayofxevoig
oi'/teraig, Aaoig nrl Kai Teraig, ot3Äsv YjyoviJ.evoig rtyirl ttstt^'X/Sui yevvalov, ei \jly[ rqig
k^aTrarvireiav rov betnrorYiv. dieser trügerischen ungeschlachten knechte erwähnt
auch Numenius bei Eusebius praep. evang. 14,7: dl ye Trai&eg cpograKeg Y\rav Kai
ov Sarega X^irroi oloi $e ovroi ot KüüfJLwbiKoi Terai Kal AaKoi, kolk rv\g AaKiK^g XaXslv
rrwfjivXyd-gag KarsyXüürrirfJievoi. in einem andern menandrischen fragment wird
den Thrakern und Geten polygamie zugeschrieben (Meineke 4,232):
Trdvreg \xev oi QgaKsg, fxaXirra £ ot Terai
y/jLelg äirdvrwv (Kal yctg avrog ev%o\j.ai
eKeföev eTvai ro yevog), ov d(pod^ eyK^arelg
irfxev,
auch in des Arrianus diss. Epictet. 3,26 ist Terag genannt (Meineke 4,170)
und mit bezug auf Menander sagt Propertius IV. 5,44:
quum ferit astutos comica moecha Getas (1).
Den auch bei Strabo 7,304 als knechtsnamen angeführten Adog hatte ich schon
neulich zu erklären anlafs(2), er entspricht dem lat. Dayus, welches sich zu
Dacus, Daucus genau yerhält wie ravus zu raucus, so dafs beide formen Da-
cus und Davus in einer volleren Dacuus vermittelt wären, aus der sich Dau-
cus ganz wie paucus aus einem möglichen pacuus, pacus, pavus (ygl. goth.
faus favis) ableitet. Die Adoi aber werden bei Herod. 1,125 als persisches
hirtenvolk unmittelbar hinter den Tegfjidvioi angeführt, was gewis sehr merk-
würdig ist und ein andermal nähere beleuchtung verdient, bekannt ist der
yirgilische vers Aen. 8,728:
indomitique Daae et pontem indignatus Araxes;
in Alexander des grofsen geschickte bei Curtius 8,1. 8,3 treten Massagetae
und Dahae beziehungsyoll neben einander auf. auch dem Plinius und Mela
sind Dahae bereits vorgerücktere Völker am caspischen meer, immer den * (*)
ben der Vesta zu: ttctpu rdig 6voixcc£o\j.ivoig Vzratg rolg <x7ra&ccvccTl£ov<Ti ZccjjloX^iu uoTcevTuog ty{v
xoivyv 'Eotictv.
(*) Pomp. Mela 2,2: et quia plures simul singulis nuptae sunt etc. noch unter den
späteren heidnischen Deutschen galt Vielweiberei (R. A. 440).
(2) abh. der phil. hist. kl. 1845 s. 237.
29
Massageten d. h. Geten benachbart. Prudentius contra Symmachum 2,807:
denique Romanus, Daha, Sarmatus, Yandalus, Hunnus,
und die form Daha scheint sich zu Dayus etwa wie Geta und Gotha zu Go-
thus zu verhalten, kein zweifei aber dafs Aaoi Adai Davi Daci, die überall,
wie in der comoedie, an ort und stelle neben Geten stehn, wiederum ein
deutsches volk bezeichnen, das dem lande Dacien namen gegeben hat.
Auch dadurch fällt licht auf die Massageten und Dahen, mit welchen
Alexander zusammenstiefs, dafs nachher Lysimachus im j. 292 vor Chr. durch
den Geten Dromichaetes (Trumahaitja?) zwischen Ister und Tyras aufs haupt
geschlagen ward (Pausanias I. 9,5); dieser niederlage geschwelgt lornandes, dßfh h Jkn
bei Dio Ghrysostomus kann sie nicht übergangen gewesen sein. Seitdem müs- qj'
sen die Geten lange zeit hindurch an der Donau und am Pontus macht und
einflufs besessen haben, ungefähr fünfzig jahre vor Christus wurden von ihnen
alle griechischen Städte am linken ufer des schwarzen meers, Olbia, bis nach
Apollonia hin, eingenommen und verheert (1), worauf derselbe Dio in einer
rede (oben s. 18) anspielt, was er aber in den geticis ausführlicher erzählt
haben wird. Wahrscheinlich erfolgte dies unter dem Gothenkönig Boroistes
(BvgeßIrrag, Boiqeßirrag), welchen Strabo YII,303 in des Augustus frühere
jahre setzt, lornandes unter Sylla.
Wie aber die Griechen mehr mit Geten als Daen scheinen hernach
die Römer mehr mit Daken, die ihnen näher gelegen waren, als Geten ver-
kehrt zu haben (2). Dennoch überliefern ihre Schriftsteller uns einige werth-
volle Zeugnisse über die Geten.
Virgil Aen. 3,35 in einem auch bei lornandes cap. 5 angezognen vers:
Gradivumque patrem, geticis qui praesidet arvis
bezeichnet Mars als obersten gott der Geten (3), was vollkommen zu den
mythol. s. 185 gesammelten nachrichten von dem Marscultus stimmt; die
Quaden waren ein deutsches den Gothen benachbartes volk, die Alanen sind, oik&Vx ujo
wenigstens bei Ammian, halbgothisch, und Herodots meldung von den Sky- Ouuufi* va/4
V
(*) vgl. Böckh inscr. 2,82 und Niebuhrs kl. sehr. 1,391.
(2) Getae Daci Romanis dicti. Plin. IY. 12,25.
(3) auch Martialis YII. 2,2: Scuuh
et Martis getico tergore fida magis,
nemlich lorica, und Ovid Y. 3,22 Marticolamque Geten; Pont. Y. 14,14 Marticolis Getis.
bei Statius silv. I. 2,53 heilst Mars 'geticus maritus’ Yeneris.
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then kann entweder skythischen und getischen brauch vermengen, oder ein-
zelne Skythen müssen gleich den Geten Verehrer des Ares gewesen sein.
Man überzeugt sich recht davon, wie hier Skythen und Thraker zusammen-
rinnen, wenn man Lucians (der unter Mark Aurel schrieb) dialoge Scytha
und Toxaris liest: er stellt den Anacharsis und Toxaris als landsleute dar,
die sich in Griechenland finden und skythisch ((tkvS’kttl) unterreden, da be-
dient sich Anacharsis gegen Toxaris der betheuerung irgog kkivcckov kcu r7ajj.oX-
jZi&og als vaterländischer gottheiten; in dem gespräch verae hist. 17 wird aber
Anacharsis als Skytha, Zamolxis als Thrax vorgestellt und im Jupiter trag.
42 sind die ^Kv3ai aKivaKq 3vovreg kcu Qgdneg ZajWoA^iÄ, Toxaris mufs folglich
für einen Thraker gelten, und Tox. 38 betheuert er selbst: ov \xä ydg rov dve~
fjiov kcu 7ov ukivclkyiv sollte nach dieser stelle nicht Zamolxis als gottheit des
wehenden, belebenden elements aufzufassen sein? was an Wuotan (mythol.
s. 120. 135) erinnert. Die luft, den hauch verehrten diese Skythen als des
lebens, das schwert als des heldentodes Ursache, und in der edda heifst es
Ssem. 3* önd gaf Odinn, animam, spiritum dedit Odinus.
Horatius carm. III. 24,11
rigidi Getae
immetata quibus jugera liberas
fruges et Cererem ferunt,
nec cultura placet longior annua,
defunctumque laboribus
aequali recreat sorte vicarius.
was kann auffallender als diese Schilderung mit dem bericht Zusammentref-
fen, den die viel besprochnen stellen bei Caesar 4,1. 6,22 und Tacitus Germ.
26 von den Sueven insonderheit, von den Germanen überhaupt ertheilen?
und man darf nicht sagen, der dichter habe blofs ein allgemeines bild barba-
rischer einfachheit entwerfen wollen, seine Schilderung mufs sich, wie die
vorausgehende von den wagenhäusern der Skythen auf verbreitete künde,
diese zuletzt auf wirkliche beobachtung jener Völker gründen. Caesars an-
gabe wird bald für höchst treffend, bald für oberflächlich gehalten; ich
zweifle nicht an ihrer treue, wenn sie auch nicht auf die zustände aller da-
maligen Germanen gerecht ist.
Die drei Zeugnisse, in vereinter kraft, bestärken uns einen tiefen grund-
zug germanischer lebensweise und zugleich der Geten deutschheit. Horaz
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
bietet aber noch eine andere nicht zu übergehende stelle dar, carm. III. 8,18
mitte civiles super urbe curas,
occidit Daci Cotisonis agmen,
was durch Florus 4,12 erläutert wird: Daci montibus inhaerent. Cotisonis
regis imperio, cpiotiens concretus gelu Danubius junxerat ripas, decurrere so-
lebant et yicina populari (1). visum est caesari Augusto gentem aditu difficil-
limam submovere, misso igitur Lentulo ultra ulteriorem repulit ripam, citra
praesidia constituit. Sarmatae patentibus campis inhabitant, et hos per eun-
dem Lentulum prohibere Danubio satis fuit. tanta barbaries est ut pacem
non intelligant. Die Vorgänge fallen um das j. 17 nach Ohr., Daci war jene
den Römern geläufigere benennung der Geten und beide völkernamen stehn
sich oft zur Seite (2). Cotiso vergleiche ich lieber dem ahd. Huozo (Graff
4,1073) als dem phrygischen und odrysischen namen Korvg.
Hätte irgend ein Römer uns auf das genauste von den Geten unter-
richten können, so ist es Ovid, der in langer Verbannung zu Tomi nothge-
drungen getische spräche lernte, mit Geten umgieng, sogar getische gedichte
geschrieben haben will, für welche, wenn sie sich erhalten hätten, wir ihm
seine thränenreichen jammerlieder, seine ermüdenden briefe aus Pontus gern
schenken würden. Die bedeutendsten stellen in bezug auf die Geten ver-
dienen hier ausgehoben zu werden; nachdem er Trist. Y. 10,37 geklagt hat
barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli,
et rident stolidi verba latina (3) Getae,
heifst es V. 12,55
omnia barbariae loca sunt vocisque ferinae,
omnia sunt getici plena timore soni,
ipse mihi videor jam dedidicisse latine,
jam didici getice sarmaticeque loqui,
vgl. Ovid. Trist. III. 10,7 ff.
Lucan Phars. 2,54 hinc Dacus premat, inde Getes.
motura Dahas ut clade Getasque
secura me Roma cadat.
Dacisque Getes admixtus.
griechische spräche mag länger gehaftet haben, Trist. Y. 7,51
in paucis remanent grajae yestigia linguae,
haec quoque jam getico barbara facta sono.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
ja IV. 3,19
all pudet! et getico scripsi sermone libellum,
structaque sunt nostris barbara yerba modis>
et placui, gratare mibi, coepique poetae
inter inhumanos nomen habere Getas.
Trist. IV. 1,94 an mea Sauromatae scripta Getaeque legent(1)?
Trist. HI. 14,47
threicio scythicoque fere circumsonor ore
et videor geticis scribere posse modis,
crede mihi, timeo ne sint immista latinis
inque meis scriptis pontica verba legas.
Ovids getische yerse wären aber gewis die allerältesten versuche römischer
metra in unsrer zunge, noch um ein gutes theil früher gedichtet als die in
Burmanns anthologie enthaltne zeile aus dem sechsten jh. (2), und freilich
nur ein paar jener yerse würden uns hinreichen den klang deutscher spräche
entgegenzunehmen (3), die hier, wenn auch lateinischem ohr barbarisch oder,
wie er vorhin sagte, thierisch lautete, ihre uralte fügsamkeit bewährt hätte,
was es Trist. III. 9,2 mitc inter inhumanae nomina barbariae3 auf sich habe,
zeigen auch viel spätere äufserungen der Römer und Italiener über deutschen
mislaut. Dem wenigen, was Ovid sonst beiläufig über sitten und bräuche
anmerkt, wird man dennoch höheren werth abgewinnen lernen, wenn diese
Geten unsre Gothen sind und ihnen verglichen werden dürfen. So viel leuch-
tet ein, dafs der mit ganzer seele an seiner heimat hängende bannling die Ge-
ten als rohes wildes, aber zahlreiches, kriegerisches und damals schon von
dem römischen boden, oder den Römer für ihr eigenthum ansahen, schwer
abzuweisendes volk schildert, beiwörter wie ferus, dirus, durus, infestus,
inhumanus, trux, truculentus, saevus, rigidus (4), stolidus sind ihm für sie (*)
(*) schon Orpheus Argon. 1065 verbinden Xct'j^ofxdrccg ts TtTccg.
(2) Haupts Zeitschrift 1,379.
(3) dafs Adelung, seiner sinnesart gemäfs, die in der alten geschichte überall trug und
Fälschung annimmt, Ovids getische sprachkenntnis für blofse dichterische prahlerei hält,
wird nicht befremden, die Römer sind aber in solchen dingen ernst und wahrhaft.
(4) auch Horaz brauchte rigidus, und eine viel spätere inschrift vom j. 565 bei Gru-
ter 161,2 ZqJI Mty
‘'qui potuit rigidas Gothorum subdere mentes.
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
33
gerecht, mehrmals male pacatus. verschiedentlich heifsen sie ihm hirsuti,
intonsi, pelliti, weil sie den hart nährten (*) und pelz trugen, auch braccati
genannt werden sie Trist. IV. 6,47: hraccata turba Getarum; V. 7,49
pellibus et laxis arcent male frigora braccis;
pelztracht wird allen Germanen eigen gewesen sein, zumal den östlichen,
die Tacitus interiores nennt, braccae, fast hundert jahre hernach, hat dieser
an seinen rheinischen Germanen nicht bemerkt^ doch braucht solche getische
hekleidung keine ausschliefslich sarmatische zu sein, wie bekanntlich auch
ein theil Galliens hraccata gegenüber der togata hiefs. Ovid rühmt der Ge-
len gewandtheit mit bogen und pfeil, Trist. IV. 10,110
juncta pharetratis Sarmatis ora Getis,
wo sich, pharetratkauf Sarmatae wie Getae-ziehen liefse, deutlicher Pont. 1.8,6
dura pharetrato bella movente Geta,
III. 5,45 getico violatus ah arcu,
IV. 9,78 hic arcu lisos terruit ense Getas,
IV. 3,52 et metuens arcu ne feriare Getae(2),
diese waffe war auch andern Deutschen zuständig, so wie sie Procop vielfach
den spätem Gothen beilegt (2,87. 88. 103. 111 u. s. w.) und den auf seiten
der Römer kämpfenden Deutschen (2, 613). Claudian, der sicher von deut-
schen Gothen redet, de laud. Stilich. 1,111: non arcu pepulere Getae, non
Sarmata conto; und noch die lex Visigothorum IX. 2,9 erwähnt im heer die
'sagittis instructi’. Idatii chronicon ad a. 466: (comperit) congregatis etiam
quodam die concilii sui Gothis tela, quae habebant in manibus, a parte ferri
vel acie alia viridi, alia croceo, alia nigro colore naturalem ferri speciem ali-
quandiu non habuisse mutata(3); doch mag hier unter telum wurfspiefs, nicht
pfeil gemeint sein. Wenn Ovid Trist. IV. 1,77 den Geten giftpfeile beilegt:
hostis hahens arcus imbutaque tela veneno,
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(f) ich finde nicht, dafs er sie Havi nennt, dem hirsuti nicht widerspräche, die Go-
then heifsen bei Claudian rapt. Proserp. 2,65 Havi Getae, und Procop beschreibt die 7or-
&mcc s3"uyi (1,313) ?\£Vxo\ tu ~i slcri neu rag xopag ^au^ol. das blonde haar war
den Römern allgemeines Zeichen der Deutschen. Auch die Alanen schildert Ammian 31,
2: proceri paene sunt omnes et pulchri, crinibus mediocriter flavis, oculorum temperata
torvitate terribiles.
©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
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so sagt Greg, turon. 2,9 nach Sulpitius Alexander dasselbe von den Franken:
sagittas tormentorum ritu effudere, inlitas herbarum venenis, ut summae cu-
tis neque letalibus inflicta locis vulnera haud dubie mortes sequerentur. Ge-
ten und Gothen bedienten sich neben dem bogen auch des Schwerts und
speers, Pont. I. 2,106
stricto squalidus ense Getes,
welche griech. form Ovid im nom. sg. abwechselnd mit Geta verwendet.
Bemerkenswerth ist die zweimal vorkommende Verbindung Bessi Getaeque,
Bessos Getasque Trist. III. 10,5. IY. 1,67; denn diese auch anderwärts als
thrakisches volk aufgeführten Bessi (*), gegen welche Lucullus gefochten
haben soll und aus deren spräche lornandes cap. 12 den namen Hister leitet,
gemahnen an den späteren patricier Bessa (oben s. 6. 7), der den Römern
unter Beiisar diente und eben aus Thrakien stammte, lornandes nennt ihn
cap. 50, Procops stelle 2,81 ist zumal wichtig: 6 BeWctg ovrog TorSog /usu
yjv yevog ruov In irdKaicv ev uiwifjLevm, GevSsgi^uj rs ovk eirunrofiivm, qviica
lv&ev&£ lg ’lraXlav hryiye rov TotSüov Asuov. hier wird keiner den Procop der
Verwechslung der Gothen mit Geten zeihen, da Theoderichs zug nach Italien
über die Wirklichkeit der Gothen keinen zweifei läfst und des namens deutsch-
heit über dies aus dem altn. Bessi hervorspringt (2). diese Bessi müssen
also seit dem ersten jh. noch lange zeit hindurch ihren sitz in Thrakien be-
hauptet haben. Was den Hister oder Ister angeht, so hat dies wort wirklich
deutschen klang (altn. istr, istra adeps, arvina, schwed. dän. ister pinguedo)
und könnte den fetten, befruchtenden ström bezeichnen; Donau (ahd. Tuo-
nowa, mhd. Tuonouwe) entspringt aus dem celt. Danubius, f Wie es sich
Strabo vorstellt, hiefs der flufs den Dakern Donau, den Geten Ister.
Jetzt darf ich schon getroster fragen: wenn zu beginn des ersten jh. 0\J. yjty (k.yk-'JW
Ovid die pontischen Geten als zahlreiches, unternehmendes, unbesiegtes ’
volk darstellt, wie sie schon unter Dromachaetes und Boroista erscheinen,
wenn Cassius Dio, worauf nachher eingegangen werden soll, Domitians und
Trajans kriege mit den Dakern aus desselben jh. ende erzählt; sollen diese
getischen Völker plötzlich von dej/ erdboden getilgt, in denselben thrakischen
(*) sie wohnten am Strymon, ein ort Bessapara lag näher dem Hämus.
(2) zu erwägen bleibt gleichwol der name Bassus, wie im j. 312 ein praefectus urbis
Romae hiefs. cod. jnstin. V. 34, 11. es kommen auch andere Bassi vor.
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strichen aber andere, wie gewiesen worden ist, ihnen gleichnamige Gothen
aufgetaucht sein, die vorher an solcher stelle gar nicht da gewesen wären?
welche befangenheit, in ungetrennt sich folgenden ereignissen gerade den
wahrhaften Zusammenhang zu verkennen, der ihnen gebührt.
Tacitus redet uns von keinen Geten mehr (*), weil seine nachrichten
insgemein aus deutschem bericht fliefsen, den Deutschen die namensform
Geta fremd war. er nennt uns also Gothones, und setzt sie in seiner Ge-
mania hinter die Ljgier, doch seine annalen melden von Catualda, einem
edlen Gothen, der mit Maroboduus in Zwietracht und fehde gerathen war.
diese händel fallen in unser j. 19, unmittelbar in die zeit, die eben Ovid
unter Geten verlebt hatte, unmittelbar nach dem sieg der Römer über Co-
tiso. Was für eine Vorstellung man sich wol von ausdehnung des marko-
mannischen reichs, von Marbods gescheiterten entwürfen macht? ich meines-
theils zweifle nicht, dafs er vielfach mit gothischen stammen verkehrt und
einige derselben beherscht hat; sein name mochte wol schon zu Ovids ohr
erschollen sein; welche Völkerschaften hätten damals im rücken der Marko-
mannen und Lygier gehaust, wenn nicht die weit ausgestreckten Gothen?
und am Pontus, in Dacien sollte gleichzeitig die Stätte von Geten gewesen
sein, die keine Gothen wären? es ist eine grofse ferne von der Donaumün-
dung aufwärts durch Moesien, Dacien, Pannonien; doch an solchem ströme
auf und ab zu steigen, mufs einem gewaltigen stamme, wie dem gothischen,
der sich nicht von den übrigen deutschen abschneiden liefs (wenn auch ein-
zelne Sarmaten südlich vorzudringen suchten) gleichsam in fleisch und blut
gelegen haben, diese rührigen, kühnen Geten, die zu Domitians zeit aus-
drücklich mit Markomannen und Quaden in bezug stehn (2), sollten nicht
lange vorher schon mit andern Germanen ununterbrochen in bund und ver-
kehr sein? in folgenden Jahrhunderten, als der name Getae allmälich aus-
(*) hist. 2,72 (aus Nerons zeit Im j. 69) wird ein bestrafter betrüger 'condltione fu-
gitivus, nomine Geta’ genannt, wobei er aber an die landläufigen knechte der comoedle,
nicht an die Gothen dachte.
(2) Tacitus im Agrlcola 41 drückt sich von dem unglücklichen krieg der Römer In
diesen gegenden so aus : tot exercltus in Moesla Daciaque et Germania et Pannonia te-
meritate aut per Ignavlam ducum amlssl, tot mllitares ylri cum tot cohortibus expugnati
et captl; und unter diesen Dakern und Germanen hätte kein Volkszusammenhang statt ge-
funden ?
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oft
starb, durchdringt nicht unsere Gothen dieselbe auf kampf und sieg gerüstete
Wanderlust? durch Moesien, Dacien, Macedonien, Thessalien, Pannonien,
Iliyrien nach Italien, Gallien, Spanien machte sich die gothische kraft luft;
unter allen deutschen ostvölkern sind es die Gothen, die den breitesten bo-
den errungen und dann auch in solcher alles mafs überschreitenden ausdeh-
nung sich am frühsten aufgerieben haben.
Ovid, der die Geten so oft im munde führt, erwähnt niemals der Da-
ker, deren name ihm noch nicht so geläufig sein muste, wie er es zu Plinius
zeit in Rom war (s.29) und seit Domitians und Trajans kriegen noch mehr
wurde, für Germanen, nach dem engeren, vom Niederrhein ausgehenden
begriffe dieses worts, konnte weder Ovid seine Geten, noch Tacitus die Da-
ker halten, welcher gleich zu eingang seiner schrift ausdrücklich sagt: Ger-
mania omnis a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur (*);
Domitians händel mit Decebalus waren ihm bekannt, ich weifs aber nicht,
ob ihm klare Vorstellung beiwohnte über das Verhältnis der Gothen, von
welchen er durch deutschen bericht gehört hatte, zu den Geten, wrie er sie
aus älteren römischen oder griechischen nachrichten kennen muste. seine
Schilderung der östlich gelegnen Germanen ist überhaupt unvollkommen,
und es wird dem deutschen Ursprung der Geten nichts anhaben, dafs ihm
die Daker ungermanisch erschienen; seinen gesichtspunkt konnte auch die
nähe der Sarmaten trüben, zwischen welchen und den Dakern um diese zeit
ein näheres band stattgefunden zu haben scheint.
Strabo wenn schon der Geten, und zwar als den Sueven benachbart,
gedenkend geschwelgt der Gothen durchgehends, ich halte für unzulässig
seine Butonaie umzuwandeln in Gutonae. Noch auffallender scheinen mufs,
dafs Ptolemaeus, der unter Mark Aurel gegen des zweiten jh. mitte schrieb,
seiner Germania magna buch 2 cap. 10 gar keine Gothen einverleibt, aufser
ganz zuletzt Scandia, der Weichselmündung gegenüber, unter andern völ-
auch Guti und Daukiones bewohnen läfst: kcct£%ov(tiv avTv\g Tcvrcu ycai Aav-
Kiojvsg (ed. Wilberg pag. 157). In des dritten buchs fünften capitel treffen
wir auf sarmatischem gebiet Yenedae, Peucini, Basternae, an der Weichsel
unterhalb den Yeneden aber Gythones und Finni (Wilberg p. 200) (2),
(’) vgl. hist. 3,46: si Dacus Germanusque diversi (von verschiednen seiten) inrupissent.
(2) aufserdem auch Phrungundiones ($govuyovvSlwu£g) und Burgiones, die schon der
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während hernach gegen Dacien Tyrangetae (Tvgayyerai), d. h. am Tyras
(Dniester) hausende Geten aufgeführt sind, deren das zehnte capitel (Wil-
berg p. 212) bei der beschreibung Moesiens nochmals gedenkt. Dacien, da-
mals, seit Trajans sieg, römische provinz, wird ihm durch Tibiscus, Tyras
und Ister begrenzt. Diesen geographen haben aber seine scharfen gradmes-
sungen die yerschlingung der yölker nicht immer klar erkennen lassen und
über die beschaffenheit des getischen und gothischen volks scheint er weder
aus griechischrömischer noch germanischer künde völlig unterrichtet, die
Gythones sind deutlich des Tacitus Gothones, hier mit recht noch tiefer im
osten anerkannt, und in der nähe von Finnen, zu welcher die uralte berüh-
rung gothischer und finnischer spräche vollkommen stimmt. Getae nennt
er gar nicht mehr, jene Tyrangetae an zweifacher stelle, seine Peucini und
Basternae sind doch nichts als Gothen, vor deren besonderen namen ihm
der allgemeine verborgen blieh|f seine Gutae und Dauciones, wer erkennt j (,
in ihnen nicht augenblicklich wieder die uralten Tercu neu Adoi Getae und /
Daci, wenn auch an ganz veränderter stelle? hatte Trajans Vernichtung des
decebalischen reichs diesen zug nach dem Norden herbeigeführt? er war
wol schon früher erfolgt. UgX.
Aus dem zweiten und dritten jh. fliefst uns die geschichte dieser Völ-
ker dürftig, und so ist möglich geworden, dafs man sich in den unteren Do-
naugegenden die Geten als gänzlich vernichtet, die Gothen als neu eingerückt
dachte, jede ausführliche meldung hätte den Widersinn dieser ansicht auf-
decken müssen, weder hatte die römische provinz Dacien alle Geten in sich
geschlossen, noch in ihrem innern das unterwürfige getische volk ausgetilgt,
noch können des Tacitus Gothones, des Ptolemaeus Gythones in diesen
jahrhunderten ruhig zugeschaut haben.
Man pflegt Spartians schon oben (s. 20) ausgehobne nachricht über
Caracallas sieg für die erste spur von dem sicheren auftreten der Gothen in
diesen gegenden auszugeben; bei seinem heerzug nach dem osten, also zu
beginn des dritten jh., stiefs er auf sie an der unteren Donau (sei es in Moe-
sien oder Dacien), es könnten dem namen und der sache nach ebenso wol
alte Geten als neue Gothen gewesen sein. Doch wie noth darum! müssen
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name als Deutsche gibt, mochten immerhin Amaxobii und Scythae in ihrer nähe hausen,
wagenhäuser legen Herodot 4, 46 und Hör. carm. III. 24,10 Scythen, Plin. 8, 40 Cimbern hei.
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nicht von solchen, welche Geten und Gothen scheiden wollen, die Azdingi
jenen ab, diesen zugesprochen werden? nun aber berichtet Dio p. 1185 Reim,
ausdrücklich, dafs AcTTLyyoi, wv CPacg re neu cFccirrog yjyovvro, unter Marcus Au-
relius Antoninus um das j. 166. 167 an der grenze Dakiens auftraten, wäh-
rend die Römer auch mit Markomannen und Quaden in Pannonien zu schaf-
fen hatten, sechzig jahre nach Trajan, aber noch dreifsig, vierzig vor Cara-
callas Zusammentreffen mit den Gothen; ungereimt wäre fürwahr, da wo Az-
dinge erscheinen, die Gothen leugnen zu wollen, das azdingische geschlecht
gehörte sowol Westgothen als Vandalen, und die namen jener anführer se-
hen nicht anders als deutsch aus, Rhaus könnte für Rhavus, Rhaucus stehn,
und an den alamann. namen Chrocus, Chruocus (ahd. hruoh cornix), Rhap-
tus an das altn. Hroptr, ahd. hruoft clamor reichen, alles das ist entschei-
dend, aber weiter, die excerpta e Petri Patricii historia (ed. Niebuhr p. 124)
gedenken aus der zeit Alexander Severs, ungefähr um das j. 230 eines Tul-
lius Menophilus, dux Moesiae, bei welchem die Carpen beschwerde führten,
dafs den Gothen, aber nicht ihnen, römischer jahrsold (*) gezahlt würde: an
KagTTOL To e3yog cpSovovreg ro7g nct3r saaerrov iviavrov TsXovfJisvoig ro7g Tor&oig, eTrefJL-
\Jsav 7rgog TovXXiov M.Yjvocf)iXov .... Äa tl cl Fot^ol totclZtcl %gYjfJiaTa Trag vfJLuov
XafaßeivovoriVy Kal yjfj.s7g ov XafJißavofJLsv; ... v\fj.s7g yag KgSLrroveg eKsivuv etriMv. diese
Carpi, welche sich hier hochmütig über die Gothen erheben, sollen slavi-
sches Ursprungs, ahnen der Croaten sein. Es wäre seltsam dafs unter Cara-
calla und Alexander Severus Gothen in Moesien, nicht als einzöglinge, son-
dern die man durch jahrsgeschenke zu beschwichtigen pflegte, in strichen
wo Trajan hundert jahre vorher das Getenreich bekämpfte, gesessen sein
sollten ohne allen Zusammenhang zwischen diesen Geten und jenen Gothen.
Ausführlich meldet lornandes cap. 18. 19 wie die Gothen unter Cniva den
römischen kaiser Decius überwanden und erlegten (a. 249. 250). das sind
sparsame, doch unverwerfliche Zeugnisse aus dem zweiten und dritten jh.
Das vierte und fünfte hindurch erholt sich die geschichte von ihrer
dürre. Amrnianus Marcellinus meldet, wie Gothen unter Ermanrich und
Athanarich aus östlicheren strichen von den Hünen zurückgedrängt über
die Donau nach Thrakien gelangen und den Valens aufs haupt schlagen
(a. 378); bemerkenswert!! sind die Gothorum gentes 31,3, man sieht, dafs
(*) die Gothen nannten ihn anno Luc. 3,14. I. Cor. 9,7, deutlich nach dem lat. annus.
- 39 -
mehrere Gothens
zug die sitze
iens G)/ * nl\f 1 hausen, bei des einen aus-
__e_________der^ JJ[jO. ^ nnten; augenscheinlich sind
diese vor den Hu ^ ieden von den zu Caracallas
fUSyjb J
T^JWa'Gs ^]ryJh
* u
"shaften; niemand kann sich
zweiter hälfte über die Do-
gjdete der Römer wurden (*)
in diesen ländern wohnten,
aufser indem er 23,5 die
£ heifse. der nicht viel jün-
^ i begebenheiten, bedient sich
*p)rn immer Getae; dem Alex-
j | und damals schon (wie Am-
//v^{yJ* fs doch nicht gezweifelt ha-
s Cassius Dio, des Dio Chry-
:h finde, dafs auch in folgen-
, während in prosa nur Go-
lem Caracalla den beinamen
en die Gothen noch schärfer
a. Dafs die griechische form
^bedeutend mit den Gothen
:ellen bei Orosius, Cassiodor
und Alex. Severs
einbilden, dafs O
nau in Thrakien
überhaupt die en
überall schreibt .
alten Massagetae i
gere dichter Clau<
aber umgedreht n
andriner lag dies
mian lehrt) römis
ben daran, dafs c
sostomus ein une
den jhh. die lat.
thus geschrieben
Geticus vor, so
hervorgetreten w
immer bekannt
galten, zeigen di
und lornandes.
In des Ae
grofsen zeit sehr
von Europa ang
ausmünde, folgende auiserungf;~nmc an Oriente Alania est, in medio Dacia,
ubi et Gothia, deinde Germania, ubi plurimam partem Suevi tenent, quorum
(’) aufser Ammian sehe man nach Procop 2,477. 478, lornandes cap. 24 und Sozome-
nus hist. eccl. 6,37.
(2) Prudentius apoth. 430: mansuevere Getae; Merobaudes 4,43 von Aetius: objectus
geticis puer catervis, in der praefatio aber Gothorum manus. Cr. Corippi Johann. 2,383:
nos Alanos Unnos Francosque Getasque domamus.
Yenantius Fortunatus IX. 1,73 hat den bekannten vers
quem Geta, YYasco tremunt, Danus, Euthio (al. Estio), Saxo, Britannus.
doch Ausonius epigr. 3,10:
huc possem victos inde referre Gothos.
s ft rc u/r Auvci«^ CJmauX
fyüA. fa.,%(d%)9
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gleich nach dem die §renzen
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)akiens auftraten, wäh-
l in Pannonien zu schaf-
sifsig, vierzig vor Cara-
räre fürwahr, da wo Az-
s azdingische geschlecht
unen jener anführer se-
\hayus, Rhaucus stehn,
1. hruoh cornix), Rhap-
alles das ist entschei-
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n das j. 230 eines Tul-
m beschwerde führten,
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i/uevoig roZg ForSoig, stts/ul-
Zra yjyl\iuara Trag vfJLwv
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eltsam dafs unter Cara-
ht als einzöglinge, son-
nen pflegte, in strichen
kämpfte, gesessen sein
iten und jenen Gothen.
sollten ohne allen zusi
nr v \ .
Ausführlich meldet lornanaes cap. 16; iu wie aie cjothen unter Cniya den
römischen kaiser Decius überwanden und erlegten (a. 249. 250). das sind
sparsame, doch unyerwerfliche Zeugnisse aus dem zweiten und dritten jh.
Das vierte und fünfte hindurch erholt sich die geschichte von ihrer
dürre. Amrnianus Marcellinus meldet, wie Gothen unter Ermanrich und
Athanarich aus östlicheren strichen von den Hünen zurückgedrängt über
die Donau nach Thrakien gelangen und den Valens aufs haupt schlagen
(a. 378); bemerkenswert!! sind die Gothorum gentes 31,3, man sieht, dafs
(*) die Gothen nannten ihn anno Luc. 3,14. I. Cor. 9,7, deutlich nach dem lat. annus.
•» ^
39
mehrere Gothenstämme in allen diesen gegenden hausen, bei des einen aus-
zug die sitze der andern unverrückt bleiben konnten; augenscheinlich sind
diese vor den Hünen weichenden wieder verschieden von den zu Caracallas
und Alex. Severs zeit bereits an der Donau sefshaften; niemand kann sich
einbilden, dafs Ostgothen, die in des vierten jh. zweiter hälfte über die Do-
nau in Thrakien zugelassen und darauf verbündete der Römer wurden (1)
überhaupt die ersten Gothen gewesen sein, die in diesen ländern wohnten.
Überall schreibt Ammian Gothi, niemals Getae, aufser indem er 23,5 die
alten Massagetae anführt, die man jetzt Alanen heifse. der nicht viel jün-
gere dichter Claudian berührt und verfolgt diese begebenheiten, bedient sich
aber umgedreht nie des ausdrucks Gothi, sondern immer Getae; dem Alex-
andriner lag dies wort näher, als die deutsche und damals schon (wie Am-
mian lehrt) römische form Gothi, Claudian mufs doch nicht gezweifelt ha-
ben daran, dafs die Getae seiner zeit und die des Cassius Dio, des Dio Chry-
sostomus ein und derselbe volkschlag waren, ich finde, dafs auch in folgen-
den jhh. die lat. dichter noch Geta verwenden, während in prosa nur Go-
thus geschrieben wurde (2). Schlug man aber dem Caracalla den beinamen
Geticus vor, so konnte Justinian, zu dessen tagen die Gothen noch schärfer
hervorgetreten waren, sich nur Gotthicus nennen. Dafs die griechische form
immer bekannt blieb und die Getae für gleichbedeutend mit den Gothen
galten, zeigen die angeführten ausdrücklichen stellen bei Orosius, Cassiodor
und lornandes.
In des Aethicus cosmographia, deren abfassung unter Constantin des
grofsen zeit sehr zweifelhaft bleibt, findet sich gleich nach dem die grenzen
von Europa angegeben sind und gesagt ist, dafs die Donau in den Pontus
ausmünde, folgende äufserung: hinc ab Oriente Alania est, in medio Dacia,
ubi et Gothia, deinde Germania, ubi plurimam partem Suevi tenent, quorum
(‘) aufser Ammian sehe man nach Procop 2,477. 478, lornandes cap. 24 und Sozome-
nus hist. eccl. 6,37.
(2) Prudentius apoth. 430: mansuevere Getae; Merobaudes 4,43 von Aetius; objectus
geticis puer catervls, in der praefatio aber Gothorum manus. Cr. Corlppi Johann. 2,383:
nos Alanos Unnos Francosque Getasque domamus.
Yenantius Fortunatus IX. 1,73 hat den bekannten vers
quem Geta, Wasco tremunt, Danus, Euthio (al. Estio), Saxo, Britannus.
doch Ausonius epigr. 3,10:
huc possem victos inde referre Gothos.
ettCi Jux^
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J.44.
omnium gentes sunt LIV. dies bild jener gegenden, wie es östlichst in Eu-
ropa Alanen stellt, auf sie Daker und neben ihnen Gothen, dann Germanen
folgen läfst, ist ganz im geiste des vierten oder fünften jh. entworfen und
dafs Gothen statt der Geten, aber auf dem raum, den diese einnahmen,
genannt sind, völlig in der Ordnung. Der weit jüngere geographus rayennas,
welcher aufser dem lornandes auch noch andere geographische bücher der
Gothen Athanaridus, Eldevaldus (Hildevaldus), Marcomirus benutzte, die
uns abhanden sind, läfst 4,12. 13 am nördlichen ocean hinter Scythia das
land der Finnen (patria Sirdifennorum (1)) sich erstrecken und hinter die-
sem Dania: quae patria super omnes nationes velocissimos profert homines.
et hoc affati (1. effati) sunt in sua problemata (1. suo problemate):
laudabatur Parsus (1. Parthus) Marco,
dum non noverat Gothos.
sed o! ubi est Danus! quae Dania modo Nordmannorum dicitur patria,
quam Daniam plurima transeunt flumina, inter cetera, quae dicitur Lina
(1. Dina), quae in oceano ingreditur. dafs die besserung Dina nothwendig
war, ergibt sich aus 4, 17, wo es verworren abermals heifst: confinalis prae-
nominatae Daniae est patria, quae nominatur Dania, quae antiquitus et ipsa
ex Dania pertinere dicebatur. quae patria, ut ait Marcusmirus (1. Marco-
mirus) Gothorum philosophus, doctissimos quidem profert homines et au-
daces, sed non sic veloces, ut sunt Dani, qui juxta Dina fluvium. Südlich
dieser Dania hingegen (nach 4,14) sunt patriae spatiosissimae, quae dicuntur
Datia prima et secunda, quae et Gipidia appellatur, ubi modo Uni, qui et
Avari, inhabitant, und nun wird das römische Dacien beschrieben. Das volk,
welches hier am ausflufs der Düna, vollkommen richtig nach den Finnen
(Esten), wohnt, kann kein anderes sein als das beim Aethicus zwischen Ala-
nen und Germanen genannte, kein anderes, als des Ptolemaeus Gythones,
Guti und Dauciones an der Weichsel und deren mündung gegenüber.
Länger darf ich aber nicht aufsparen rechenschaft davon zu geben,
welches deutsche volk jene Davi oder Daci, Dahae seien, die wir von früh-
auf als unzertrennliche gefährten der Geten und Gothen erblicken, die, wäre (*)
(*) 1. Scridifinnorum, bei Procop 2,207 helfsen sie XKgiS’icptuvot, bei Paul. Diac. 1,5
Scrltobini. die edda Ssem. 133. 134 gebraucht skrida (asseribus cursorils Ire) eben von
söhnen Finnakonüngs. man vgl. Graffs Sprachschatz 6,578.
anaJ,
ial . U>cl. o J- ■ &Jd ^
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
- 41 -
gar kein andrer grund vorhanden, schon um dieser genossenschaft willen für
ein germanisches volk müssen angesehn werden.
Dem kundigen hat die ptolemaeische stelle zusammen mit der des
geogr. ravennas bereits auskunft ertheilt: die Gutae auf Scandia sind Gothen,
die Daukionen Dani, folglich Dänen der alten Dahae und Daci epigonen.
Schlagenden erweis bringt uns gleich die thatsache, dafs noch den
lauf des mittelalters hindurch bis ins zwölfte jh. Daci und Dacia gleichbe-
deutig mit Dani Dania stehn, ohne dafs dem an der untern Donau gelegnen
land darum sein alter name Dacia entzogen wrurde, der für dieses niemals
mit Dania wechselt, gerade wie wir den geogr. rayenn. Dania yon Dacia
unterscheiden sahen.
Es genüge hier einige belege auszuheben, wie ich theilweise sie schon
■ ein andermal (*) gesammelt hatte.
chron. de gestis Normannor. (10 jh.) Pertz 1,532: Northmanni pro-
cedentes de Scanzia insula quae Northwegia dicitur, in qua habitant Gothi
et Huni atque Daci.
auf einer in Mones anz. j. 1836 mitgetheilten weltcarte vom j. 1120 * ^ < . .
sind nebeneinander eingetragen AlamanniajDacia Gothia Germania Saxonia; J |üy . V
auf einer jüngeren Datia Jutia. / J
rex Dacorum steht in einem brief des Magdeburger erzbischofs Adel-
got vom j. 1110 bei Martene et Durand 1,626.
Dudo histor. Normannor. (aus dem ende des 10 jh.) dacisca lingua
f. danica (Pertz 6,97).
Rodulfi chron. s. Trudonis (aus dem 12 jh.) setzt p. 369 Dacia für
Dania. bekannt ist bei Turpin der Ogerius dacus oder rex Daciae.
das in der mitte des 12 jh. abgefafste lat. gedieht Reinardus 1,231.
3,299. 302. 4,1240 dacus für danus, 4,593 Dacas f. Danos.
Richerus 3,12 (Pertz 5, 634) Dahis für Danis.
urkunden Friedrich I yon 1159. 1160 (Pertz 4,118. 129) Dacia für
Dania, während ganz daneben rex Danorum steht.
urkunden Otto des vierten von 1208. 1212 (Pertz 4,215. 221) schrei-
ben rex Daciae. so auch Otto von Freisingen 7,19. O f *3
annales blandinienses ad a. 1287 (Pertz 7,33) Dachia für Dania.
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(*) Reinhart fuchs p. lxxxviii. lxxxix.
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
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- 42 -
nach Suhms critisk hist, af Danmark 1,140 wäre im titel dänischer
könige Dacia erst seit Waldemar II erschienen; doch der dänische hischof
Absalon nennt in einer urk. yon 1177 und sicher in andern mehr sich Da-
cie et Suecie primas.
Warum sollte Daci für Dani nicht auch bei einzelnen Schriftstellern
vor dem zehnten jh. anzutreffen sein? Greg, turon. 3,3 schreibt: Dani cum
rege suo nomine Chochilaicho(1), und auch lornand. cap. 3 Dani, Ekkehardi
chron. (Pertz 8, 120) setzt Daci und Dani als verschieden hintereinander,
zu allen diesen Zeiten überwog aber die deutsche form Dani, ahd. Teni,
mhd. Tene, ags. Dene, das z. b. in Alfreds periplus gebraucht wird; in
der edda erscheint Danir und Danmörkr.
Den Übergang der formen Davi und Daci in Dani zu deuten fällt nicht
schwer, wie Juno aus Jovino, junior aus juvenior, nonus aus novenus,
motus aus movetus, faustus aus favustus, mag auch Dani entspringen aus
Daveni Dacini (2), die sich zu Davi verhalten wie Gothini zu Gothi, Getini
zu Getae. Da uns aber Davus selbst gekürzt erschien aus Dacvus, darf auch
Dani unmittelbar zurückgebracht werden auf Dacuini, welche form deshalb
merkwürdig wäre, weil in altnordischer stammsage nicht blofs eine urahne
Dan oder Danus sondern auch Dagr an des geschlechts spitze gestellt wer-
den, die in höherer auffassung zusammenfielen, zugleich läge uns damit auf
einmal der innere sinn des Wortes vor äugen, es bedeutete tag oder dies,
welches lat. wort aus vollerem dacies abzuleiten mir jüngst andere Ursa-
chen riethen (3); das slavische diena, dana für dies, tag dient zur bestätig
gimg, ja es fällt licht auf die unserm volk überhaupt von uralter zeit einge-
wurzelten eigennamen Dagalaif, Dagoberht, Alfdag, Regendag und \iele
andere.
(*) der anderwärts, für uns bedeutsam, heilst Huglacus Getarum rex. Haupt 5,10.
(2) Danus aus Dacinus wäre wie pTnus aus picinus; ich hole hier nach, was in meine
neuliche abhandlung über die diphthonge gehört hätte, dafs die lat. spräche den vocal,
nach welchem ein consonant ausgestofsen wird, meistens verlängert: Dänus nonus pTnus *
Juno junior, Dävus clävis nävis suävis övum; zuweilen aber kurz läfst: avis .gravis novem ßreuii t e'vtfc
novus övls Jovis juvenis. im deutschen bleibt er immer [kurz: mavi {)ivi, "und daraus er- -
klärt sich, warum altn. Danir, ahd. Teni gesagt wird; wendet man ein, in Juno junior
nonus = Juvino juvenior novenus sei doppelt ausgestofsen, aufser der muta auch das Y,
so gewänne Danus = Dacvinus desto mehr bestärkung.
(3) ahh. der phil. hist, classe 1845 s. 193.
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jß rjn(kpjiu!^tr\^\o
- 43 -
Noch sind zwei wichtige und alte Zeugnisse für die Identität von Da-
cus und Danus zu erwägen, das eine findet sich hei Servius ad Aen. 8,728,
reicht also his in die mitte des vierten jh.: Dani dicti a Dahis, qui sunt po-
puli Scythiae juncti Persidi. das ist, so viel ich weifs, erste stelle, wo der
name Dani auftritt; die Accol lernten wir oben bei Herodot dicht an Persien,
bei Curtius in Alexanders zeit schon tiefer in Scythien neben Massageten
Dahae kennen, wohin sie auch Mela 1,2. 3,5 setzt, dieselben Dahae stellt
Livius 35,48 neben Medi, Elymaei und Caddusii in die zeit des Scipio Afri-
canus und Hannibal, Tacitus ann. 2,3. 11,8. 10 viel später in den beginn
des ersten jh., wo sie Parthern zur seite erscheinen, also noch weiter gegen
osten hin. Man darf wol mutmafsen, dafs diese asiatischen Dahae von den
westlich nach Europa ausgerückten frühe abgerissen, ursprünglich dasselbe
volk mit ihnen bildeten; Servius aber deutet die Dani, deren europäischer
name ihm bekannt geworden war, aus jenen östlichen Dahen mit gutem
fug(1). Wenn des Aethici cosmographia unter 51 Völkern des östlichen
oceans auch Massagetae und Dacriani aufzählt, freilich untereinander neben
Persae, Graeci, Scythae, Usippi, Quadi, Cannifates, Theothoni, Cimbri
u. a. m.) so können solche Dacriani auch an die von Ptolemaeus 3,5 in Sar-
matien genannten Tdygoi mahnen.
Das andere zeugnis, Isidors merkwürdige angabe über die Daci und
Gothi ist schon s. 21 ausgehoben: cdictos putant Dacos quasi Dagos, quia
de Gothorum stirpe creati sunt5, er mufs dabei den gothischen pl. dagos von
dags dies im sinne haben, und in dieser form gothische abkunft der Daci
bestätigt finden, wodurch die vorgetragne deutung von Daci aus Dacuini,
Daguini, Dagi nur gewinnen kann.
Ich habe für die behauptete genossenschaft der Getae und Daci, d. h.
der Gothen und Dänen, nach so manchen gründen, die uns das ausländi-
sche alterthum an hand gibt, endlich noch mit einem der einheimischen hel-
densage entnommnen beweis zu überraschen. Es ist bekannt, dafs die Dä-
nen, und selbst ihre spräche gibt es zu erkennen, mit den Stämmen des in-
neren Deutschlands näher verbunden stehn, als die Schweden und Norweger,
ZU^tt ZITIU 01
(2) Anastasius Sinaita, der 599 als patriarcli zu Antiochia starb, bat die bemerkens-
wertbe stelle: ’Xxv&lau 6's stüuC’ccrt xccXslv ot ttccXcuo) to yXtfj.cc ccttuv ßogziou zu
ForS'Of y.ca Accuzig. ^
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- 44 -
und nun läfst sich annehmen dafs von häufen jener alten Daci und Getae
Dänmark und Gothland besetzt und bevölkert wurden, während die bewoh-
ner des übrigen Scandinaviens zu andrer zeit und auf anderm wege heranzo-
gen. Dafs Dani, Dacae, Dagi, Dahae und Dauciones ein volk waren, wurde
eben dargethan, nicht anders müssen es auch Getae, Gothi und Gauti, des
Ptolemaeus Gythones und Gutae, so wie die bei Procop noch unterschiednen
Tavroi und ForSoi sein, auf sonderung der Gothi und Gauti, weil vocale und
consonanten ihrer namen abweichen, hatte ich früher selbst gedrungen;
diese abweichung erfolgt aber nach gesetzen der lautverschiebung und des
ablauts, die in unsere spräche allgemein greifen. Das uralte T der Getae
haben die Gauti und Gutae bewahrt, während in Gothi, GuJjai, GuJ)ans es
sich regelmäfsig verschob, das AU in Gaut, ags. Geät ist aber ablaut des
U in Gutae, der uns bestätigt, dafs von alters her in diesem namen unter
deutschen Völkern U herrschte, im gegensatz zum gr. lat. E = I derselben
benennungen(1). Beider volksnamen Getae und Daci anlaute haben sich
jedoch aus begreiflichem gründe der lautverschiebung entzogen, d. h. sind
im goth. munde selbst nicht zu Kujaai und Tahai geworden, vielmehr Gu-
J)ai Dagai (substantivisch GuJ)6s Dagos) geblieben, wie gerade so das goth.
subst. dags zur stufe des lat. dies stimmt, nicht schon in tags übertrat.
Unsere heldensage läfst nun jenes band zwischen Dänen, östlichen
Thüringern und Gothen durchblicken; im epos der Nibelungen treten dä-
nische beiden auf, keine schwedische. Irnvrit von Düringen, Irinc von Te-
nemarke gemahnen an Irmin und den gothischen Ermanrich. Wir besitzen
aber ein in uraltem stof gegründetes ags. gedieht von Beovulf, welches ganz
eigentlich auf Verbrüderung der Gothen und Dänen beruht und allenthalben
Geätas neben Dene auftreten läfst. die Gifdas dieses Beovulfliedes sind die
alten, den Gothen stammverwandten Gepidae, wie der geogr. rav. Gipidia
für Dacia nimmt. Die ganze merkwürdige von den Angelsach sen aus
ihrer heimat hinüber nach Britannien mitgeführte dichtung mag leicht
schon in den ersten jhh. unsrer Zeitrechnung wurzeln, wer weifs, gar
noch gothische erinnerungen, wenn man den ausdruck nicht misverstehn
will, in sich schliefsen. die namencomposita Yedergeatas, Saegeatas, (*)
(*) auffällig dafs schon Plinius IY,11 Moesi, Getae, Aorsi, Gaudae nebeneinan-
der stellt. vqX • SydrCL .
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45 -
Hringdene, East Yest Sud Norddene, von der ausdehnung dieser Völker
zeugend, gleichen den Zusammensetzungen Massagetae, Tyrangetae, Samo-
getae, in deren zweitem theil Schafarik blofse ableitung, nicht den namen
Getae anerkennen will.
Nebenher kann die Getae und Daci = Gothen und Dänen noch be-
stätigen, dafs selbst heutzutag die preufsischen Litthauer ihren südöstlichen
bruder den Samogiten, Samogeta nicht anders als Guddas d. h. Gothe be-
nennen, in diesem beispiel also die gleichheit der formen Geta und Gothus
auf das deutlichste waltet. Samogeta deute ich nicht wie XccfJLo>son-
dern aus ahd. sämi, ags. säm, welches in Zusammensetzungen halb ausdrückt,
und dem lat. semi-, gr. Yjfju- entspricht (gramm. 2,553), passend also auf
Litthauer angewendet wird, die für ein halbgothisches volk gelten dürfen (1);
nicht anders bindet sich auch halb (dimidius) mit völkernamen, man sagte
ahd. Halpdurinc, Halpwalah, Halpteni, altn. Halfdan, ags. Healfdene. Der
weiten erstreckung des getischen, gothischen Stamms, seiner Verschmel-
zung und berührung mit finnischen, sarmatischen, skythischen, thrakischen
Völkern sind wir desto sicherer. Nicht zu übersehn ist endlich, dafs den
heutigen Lappen der Däne geradezu Dazh oder Tatzh, den Russen Datscha-
nin heifst, welche formen sichtbar aus Dacus, doch auf ungelehrtem wege
entsprungen sind, zu den äufsersten Slaven und Lappen gelangte der name
nicht aus Deutschland her, sondern vom gestade des schwarzen meers.
Nach diesen ergebnissen allen läfst sich der annahme gar nicht aus-
weichen, dafs, gleich sämmtlichen Deutschen, die Getae und Daci aus Asien
in Europa einwanderten und mit ihrer breite den hinterzug des ganzen gro-
fsen volks schlossen und deckten, war ein zweig der Daci, wie es scheint,
in Asien zurückgeblieben, so würde sich daraus ihre Schwächung, den zahl-
reicheren mächtigeren Gothen gegenüber erklären. Erst vom Pontus aus
kann das langsame anhaltende vorrücken eines haupttheils dieser Völker nach
der Weichsel bis zur Ostsee und hinüber nach Scandinavien, so weit es von
Gothen und Dänen erfüllt wurde, begonnen haben, während späterhin die
andere noch stärkere masse über die Donau nach dem Süden einbrach, in
diesem letzten zug scheinen blofs Gothen, keine Dänen mehr gewesen zu
va^. ‘jjjmßdpjbf'rf/ yw
. cl)p(xcctxr*cub J atui/ö ^
iVl M',
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(*) in altpreufsischen urkunden des dreizehnten jh. begegnet noch der eigenname Au-
stigaudis (Ostgothe) auf Samland. Vater über die spräche der alten Preufsen s. 146.
^J
46
sein. Die hergebrachte, von lornandes selbst hauptsächlich verbreitete an-
sicht über Ursprung und ahkunft der Gothen aus Scandinavien oder Scan-
zien, von wo sie sich nach Ostsee und Weichsel, dann erst weiter nach den
Donauniederungen ausgedehnt hätten, mufs verworfen werden (!). sie ist
unnatürlich oder nichts erklärend, wahrscheinlich nur aus sagenhaften Über-
lieferungen entstanden, die uns wenigstens von der regen Urgemeinschaft
scandischer und gothischer Stämme zeugen, wie sollten die Gothen von Sky-
thien oder Sarmatien aus den mühsamen nördlichen weg über Finnland nach
Schweden, von hier nach Gothland und Dänemark, und im rückschritt wie-
der zur Weichsel nach der Donau eingeschlagen und durchmessen haben?
Alle deutschen Völker sind nach einander aus dem Osten eingewandert und
ein bewustsein an diese herkunft scheint sich hei allen in unerloschner, wenn
auch verworrener und falsch angeknüpfter sage bewahrt zu haben; die Fran-
ken leiteten sich aus Troja, die Baiern aus Armenien her, die Sachsen
wollten in Alexanders heer gezogen sein; auch die Normannen führten sich
auf eine colonie des Antenor zurück, der nach Trojas Zerstörung zum illy-
rischen meerbusen geschift sei (2). späterhin hielt man wenigstens den Ur-
sprung aus Donaugegenden fest, Gregor, tur. 2,9 sagt von den Franken aus-
drücklich: tradunt enim multi eosdem de Pannonia fuisse digressos, und
Procop (1,313) meldet von den Gothen: oirog o heuig inreo Trora/JLov ''ivr^ov I«
TtaXaLov ujxovv. In dieser beziehung ist auch das nach altnordischer überlie-
vof .Vjovf>cvap |f2L-
oQrJe* Bmm
^ VfwTtX ( W-f o . ßoJ.O I
^ OUO^o4«p)v»/a j,Vfl&.crtmv
rn,bi5
5)
(') auch Zeufs s. 478 erklärt diesen scandischen ausgang für fabel. lornandes mel-
det eigentlich folgendergestalt: aus Scanzia seien die Gothen geschift und zuerst gelan-
det an dem ort, der noch heute Gothiscanzia heifse, dann an der küste des oceans zu
den Ulmerugen gelangt und in deren sitze eingerückt, dann habe ihr volk die Vanda-
len überwunden und seinen zug weiter nach Skythien gerichtet, welches auf gothisch
Ouin genannt werde (ouin = avein, ahd. ouwin, regio aquosa paludinosa; Zeufs s. 67 will
aus ouin win machen, was keinen passenden sinn gewährt, und lornandes gebraucht das
griech. ov sonst nicht, er schreibt Wisigothi, nicht gleich Procop OuioTyorÖ’oi), hierauf,
nach besiegung der Spalen, die Maeotis erreicht, hernach in Moesien, Thrakien, Dakien,
endlich aber am politischen meer gesessen. Von der ausfahrt aus Scanzia, die unter kö-
nig Berich begann, aber erst unter seinem fünften nachfolger Skythien erreichte, müste,
wenn man diesen sagen irgend nachrechnen darf, geraume zeit verstrichen sein, die sich
schwer mit der Chronologie einigen liefse, und lornandes will drei verschiedne sitze von
Gothen in Skythien und Thrakien nachweisen, wo ihre heimat schon weit länger gewe-
sen sein mufs.
(2) Dudo de moribus Normannor. zu eingang; Ordericus vitalis hist. eccl. p. 723.
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©Hessisches Staatsarchiv
- 47 -
ferung (s. 23) bis gegen den Tanais erstreckte alte grofse Schweden nicht zu
übersehn (*); das schwedische volk, bevor es seinen zug nach dem scandi-
schen Norden antrat, mufs gleichfalls in skythischsarmatischer strecke Fin-
nen und Gothen benachbart angenommen werden, da den Finnen noch heut-
zutag der Schwede Ruotsalainen(2) heifst, so liegt es völlig nah, in Roxolanus
einen frühe gangbaren namen dieses Stamms zu erblicken; zuerst nennt Strabo
VII, 306 die Rhoxolanen und verlegt sie zwischen Dnieper und Don, dem Ta-
citus hist. 1,79 sind sie sarmatica gens, Ptolemaeus 3,5 läfst sie an der Maeo-
tis neben Jazygen hausen, für ihre deutschheit soll unser lornandes zeugen,
ihm stammt cap. 24 die in unsre heldensage tiefverflochtene Svanhild, welche
er Sanielh schreibt, und die nach der edda Siegfrieds tochter war, von Roxo-
lanen ab; es gehört nicht hierher die mythischen bezüge zwischen Gothen,
Franken und Hünen weiter zu verfolgen (3).
(*) nach Snorri soll der Tanais früher Tanaqvisl oder Yanaqvisl geheifsen und Asien
von Europa geschieden haben, qvisl bedeutet ramus arborls oder flumlnis, womit denn
nah Zusammenhang, dafs östlich des Stromes Asien oder Asahelmr, Asgard, westlich Van-
land oder Yanahelmr angesetzt wurde, das goth. ahd. ans lehren aber dafs äs nicht zu
Asla gehöre, die Ans es keine Asiaten sind, merkwürdig ist, dafs Alvismäl Menn, Go dar,
Aesir, Yanir, lotnar und Dvergar einander entgegensetzt, die Godar sind unsere Go-
then, die riesen und zwerge fremde nachbarn, die man nach ihrer stärke und wildheit
oder kleinern gestalt so benannte; die Yanir scheinen Slaven oder Wenden. Den Tanais
lassen auch Plinius 4,24, Lucan 3,273, Mela, lornandes (cap. 5) und andre schriftsteiler
die grenze zwischen Europa und Asien bilden; wenn aber lornandes von ihm"sagt 'nunquam
scythico durescit algore’, so gemahnt das auffallend an eine stelle der edda (Ssem. 33rt) von
dem flusse Ifing, welcher den grund zwischen lötnar und Godar theile und ewig offen,
niemals von eis belegt ströme (opin renna hon scal um aldrdaga, verdrat is ä ä). war
Ifing ein andrer name für Tanais?
(2) dies-lainen ist gewöhnliche finnische ableitung für volksnamen, vgl. Pohjaläinen,
Lappaläinen; unzulässig scheint also die Zerlegung von Roxolani (*Pu^okuvoi) in Rox-olani,
als sei Alani darin enthalten (Böckh inscr. 2,115^.)
(3) nur das noch, wenn Saxo gramm. p. 412 (Müll.) Svavildas vier brüder 'genere hel-
lesponticos* nennt, so denke ich dabei nicht an Dänen von Hven (heldensage s. 46), viel-
mehr weist dieser Hellespont noch auf das gestade der Maeotis, welche nach lornand. c.
23 den Griechen Hele hiefs, und die alte östliche heimat der Schweden und Dänen klingt
darin nach, vgl. Petersen gammelnordisk geografi 1,312 - 314. Es ist aus lornandes cap. 23
bekannt, dafs auch Heruler an der Maeotis safsen, und noch länger behaupteten sich dort
die schon christlichen tetraxitischen Gothen, welche von den übrigen durch die Hünen
losgerissen wurden (Procop 2,475. 479.) an ihrer stelle hätte man späterhin nach Über-
bleibseln deutscher spräche suchen sollen.
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Erst dann hätte die ältere geschickte der Gothen, ich meine der den
Griechen und Römern bekannten Geten, können gelichtet werden, wenn
uns statt der spärlichen auszüge bei lornandes die vollen werke von Cassio-
dor und Ablavius, vor allem des Dio Chrysostomus Getica erhalten wären.
Was lornandes aus letzterem, theilweise aus Strabo über könige und weise
männer der Geten aushebt, verwirrt sich alles, von diesen weisen soll der
erste Zeuta, ein anderer Diceneus, ein dritter Zamolxis geheifsen haben, da
doch, wenn Diceneus in das jahrhundert vor Christus gesetzt werden mufs,
die herodotische meldung für Zalmoxis ein weit höheres, sogar mythisches
alter fordert. Diceneus (bei Strabo YII, 298. 304 Asnalveog, gleichsam Taihu-
neis) sei zu könig Boroista gekommen, von diesem fast mit königlicher ge-
walt bekleidet worden, auf Diceneus hernach Comosicus als könig und prie-
ster, auf ihn Corillus gefolgt, nach langem Zwischenraum unter Domitian
habe Dorpaneus geberscht. Sicher setzt lornandes den Zamolxes Mo Cs dar-
***** in die zeit, wo seiner Vorstellung nach die Gothen in Thrakien und Da-
kien niedergesessen waren, blofs darum, weil in der quelle, woraus er
schöpfte, Zamolxes ausdrücklich für einen Thraken oder getischen Thraken
galt, Berich aber bis auf Filimer, die er aus gothischen liedern kannte,
musten ihm älter Vorkommen, weder Comosicus noch Corillus klingen
deutsch an, auf Dorpaneus werde ich noch einmal zurükkehren, Zeuta könnte
goth. Thiuda, Thiudis, ahd. Dioto sein(1), und Boroista BoiqsßicrTag im aus-
gang der bildung Ariovistus gleichen. Nichts aber würde bedenklicher sein,
als die aus echtgothischer durchaus sagenhafter quelle vernommnen genealo-
gien den namen zu nähern, die uns auf gelehrtem griechischen oder römischen
wege zugelangt sind, geschweige unter beiden Übereinstimmung aufzuweisen,
da sie von ganz verschiednen Stämmen eines grofsen w^eit ausgedehnten volks
entspringen. Des jüngeren Dio gerettete bücher gewähren lauter histori-
sches über die dakischen Geten, er ist freigebiger mit dem namen Actxoi als
Terai, gesteht aber, dafs die Griechen Tsrai vorziehen (1105,67 -70 Reim.)
Liest man unbefangen seine Schilderung der kriege Domitians und Trajans
mit Decebalus in den jahren 86, 100 - 105, wie neben die Daci jener zeit
(*) mehrere könige der Odrysen in Thrakien führten den namen XsvSnj?, die Odrysen
scheinen aber völlig ungetisch.
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
49 -
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Getae, Dancrigi, Quadi, Marcomanni, Astingi und Basternae treten (*), so
wird sich das ergebnis der angestellten Untersuchung auch in leiseren zügen
bestätigen. Decehalus (AsneßaXog) scheint fast ein name allgemeineren Sin-
nes, der vielleicht mehr als einem dacischen fürsten zustand; ich hätte bist
ihn mit dem hei Ammianus Marcellinus so oft erscheinenden goth. volksna-
men Taifali zusammen zu halten, wie die Astingi auf einen eponjmus wei-
sen, der goth. Azdiggs d. i. Hazdiggs, ahd. Hartunc hiefs. Tai stände laut-
verschoben für Dai = Dahi, Daci, denn in Decehalus kann der erste theil
den volksnamen selbst kaum verleugnen. Eutropius 8,2 sagt gerade: Daciam
Decebalo victo subegit (Trajanus), provincia trans Danubium facta in his agris
quos nunc Thaiphali habent, et Yictophali et Theruingi. Zu Eutrops zeit,
in der mitte des vierten jh. hafteten demnach, wenn ich richtig mutmafse,
die Taiphali auf dem alten dacischen boden (2). Dio nennt uns auch des
Decehalus königlichen aufenthalt (ro ßarlXsiov) sv Zsqfj.i&ysd’ovo'Yj (1127,48
Reim.), wofür auf münzen nur das verstümmelte Sarmiz oder Sarmis begeg-
net, der ort mufs aber fortgedauert haben, da auch Ptolem. 3,8 (Wilb. p.
207) ZagfJu£eys$ovra (al. ZagfjufrsysS’Gva’a) beibringt, eine inschrift bei Gruter
437,1 hat Sarmizegetusa, die tab. peuting. Sarmagete, und man weist die läge
im heutigen Siebenbürgen auf. ist der Zusammensetzung erster theil nicht
deutlicher gen. pl. nach art des goth. ize oder blindaize, der damals auch
noch substantiven zukam und drückt er das lat. Sarmatarum aus? gethusa,
das einem weiblichen griech. pari, praes. gliche, könnte dennoch eine goth.
form gujmzi (gebildet wie jukuzi jugum) sein, und gothische niederlassung be-
zeichnen; das ganze compositum würde für den zusammenflufs sarmatischer
und gothischer Völker, die im namen seines Wohnorts ausgedrückt sein sollte,
zeugen. Ptolemaeus gibt in Dacien auffallend viele mit -dava gebildete ör-^
ter an: Argidava, Marcodava, Nentidava, Ramidava, Singidava, Zusidava,
wobei doch wieder an die römische form Davus für Dacus gedacht werden
darf. Eine wichtige meldung verdanken wir noch dem Strabo. auch er
weifs, dafs Zamolxes den Geten mehr als blofser rathgeber (<7Vfj.ßovXog) des
königs, ein göttliches wesen war,1 und er setzt mit ihm einen heiligen berg in
(*) Der Grieche Tansanias nennt von Trajan redend natürlich Geten V. 12,4: ovrog
ZOOtTSXTYjCTCiTO 0 ßcCTlXsvg TiTCtg TOVg VTTSg Q^aHY,g,
(2) Decehalus vertrauter heilst BUtktg (Dio Cass. 1131,1 Reim.) Graff 3,325 hat den
ahd. namen Pichllo. ftdW £\)t, c/yiaACöU I, IAO
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Verbindung, p. 298: traget &s roig Vereng wvouet&ro &eog. Kal ro ogeg VTreÄYjep&Y;
isgovy Kal 7rgo(raycgevov(Tiv ovrwg* ovojj.a tfavru Kwy aivov, GfJLwvvfJiov rui iragaggsovri
TTorafjiuj. Dies Kogainon stellt Danvilles karte östlich von Zarmizegethusa,
südlich unter Zusidava nach Dakien, es wäre leicht auf ein gothisches hau-
heinavi, ahd. höhinouwa, nhd, hohenau oder dergleichen, für den berg wie
den flufs, zu rathen. alle deutschen Völker verehrten ihre götter auf bergen,
wie die vielen Wuotansberge, Donnersberge und Ziesberge lehren. Nun
bringt auch Ammianus Marc. 31,5 aus späterer zeit eine hierher bezügliche
nachricht: als unter Valens im j. 376 der gothische könig Athanaricus vor
den Römern von der Donau landeinwärts wich, heifst es, dafs er gezogen sei:
ad caucalandensem locum altitudine silvarum inaccessum et montium cum
suis Omnibus declinavit, Sarmatis inde extrusis. dies Caucaland (hochland?)
mufs sich ganz in der richtung des heiligen gebirgs Kwyawov gefunden haben
und scheint nach zeit und verschiedner auffassung derselbe, wenig veränderte
name, so dafs im vierten jh. die gothischen Greuthungen noch den heiligen
bergwald inne hatten, den Strabo den früheren Geten zuschreibt.
Mir fällt auf wie abweichend von Cassius Dio erzählung andere Schrift-
steller Domitians unglücklichen feldzug gegen die Daker berichten, der sei-
nen heerführer JFuscus das leben kostete. Diesen Corn. Fuscus kennen wir
auch aus Suetonius und Tacitus^berichten. Orosius 7,7 läfst zwar den Do-
mitian adversum Germanos et Dacos kriegen, nennt aber den dacischen kö-
nig, statt Decebalus, Diurpaneus, lornandes cap. 13 Dorpaneus und könig
der Gothen, des lornandes quelle scheint also hier schon Gothi, weder
Getae noch Daci gehabt zu haben: eben an diesen sieg des Dorpaneus über
die Römer knüpft er den Ursprung des heldennamens Anses,|lo dafs wir uns
auf entschieden gothischem boden linden. Dorpaneus eignet sich für einen
goth. namen (Daurpaneis) um so mehr, da sich noch ein entsprechendes ahd.
Dorfuni (bei Meichelbeck nr. 84) (*) findet; Decebalus scheint auch darum
mehr im allgemeinen einen dakischen fürst oder held zu bezeichnen, wie schon
Reimarus 1105 §.35 ahnte, vgl. AeKsßeXiog bei Suidas in e^vßgt^ovra, Dio
Chrysostomus, wenn er, was wir nicht wissen, seine Getica bis auf die jüngste
zeit herabführte, hätte darüber wahrhaftesten bericht erstatten können.
(*) vgl. Ricliuni Keruni Palduni Adaluni bei Meichelb. 89. Hröduni 99, Helmuni 108,
und viel ähnliche, deren -uni allenfalls auch aus -wini gedeutet werden könnte.
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51 -
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Wir sahen auch die Basternae bei Cassius Dio genannt, deren deutsch-
heit kaum darf in zweifei gezogen werden, zwar Tacitus Germ. 46: Peucino-
rum Yenetorumque et Fennorum nationes Germanis an Sarmatis adscribam
dubito, quamquam Peucini, quos quidam Bastarnas vocant, sermone, cultu,
sede ac domiciliis ut Germani agunt; der spräche und sitte Beobachtung
entscheidet, ann. 2,65 stellt er Bastarnas Scythasque zu einander. Basterna
scheint nicht anders gebildet, als das goth. viduvairna viduus, oder pivairno
ancilla, und vielleicht navairno parca; sollte das lat. basterna yehiculum,
lectica eigentlich eine von hast geflochtene bahre bedeuten und von jenem
volk übernommen sein (*)? den Bastarnen hat schon Livius 40,5. 57,58.
41,18. 19. 23. 44,26. 27 eine frühe statte in der geschichte bereitet, denn er
läfst sie mit dem macedonischen könig Perseus (170. 160 jahre vor Chr.)
Zusammentreffen; unpassend bezeichnet er in der letztangegebnen stelle sie
als Gallier. Strabo p. 305. 306 läfst Geten und Myser an beiden ufern der
Donau neben Bastarnen wohnen. Valerius Flaccus Argon. 6, 96 schreibt
Baternas für Basternas, um die erste silbe kurz zu bekommen; die beiden
folgenden yerse
quos, duce Teutagono, crudi mora corticis armat
aequaque nec ferro brevior nec rumpia ligno,
enthalten den offenbar deutschenjnamen des herzogs und die Beschreibung
eines roh aus rinde gefertigten Schildes (2). Der name Peucini weist auf die
insei Peuce in den Donaumündungen. Wenn in diesem landstrich zweihundert
jahre vorher deutsche stamme ansitzen, wie sollten die Geten des ersten jh.
eben da undeutsch sein? Ptolemaeus zählt die Basternae und Peucini noch
im zweiten jh. in Sarmatien auf, drei, vier jhh. später, nachdem jene bei
Livius bis nach Macedonien gestreift hatten, diese anhaltende dauer ihrer
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(*) der begrif des ger’aths geht über auf den, der sich dessen bedient; Caracalla beifst
so nach dem mantel. basterna vebiculum gemahnt an jene skytbiscben und cimbrischen
wagenhäuser (s. 37). fa ^ ö . u,m' aJn 19 VW ^ .
(2) aus Justinus 32,3 verdient ausgehoben zu werden, was er über einen krieg Mer u % •
Daker mit den Bastarnen meldet: Daci quoque jsuboles Getarum sunt (was Isidor 9,2[nach- l
spricht): quijfcum Orole rege adversus Bastarnas male pugnassent, ad ultionem segnitiae
capturi somnum capita loco pedum ponere jussu regis cogebantur, ministeriaque uxoribus, n
quae ipsis ante heri solebant, facere. neque haec ante mutata sunt, quam ignominiam bello * v /
acceptam virtute delerent. das soll etwa zur zeit des cimbrischen kriegs hundert jahre
vor Chr. geschehen sein, diese strafe der feighelt trägt völlig deutsche färbe. 'fWccvtl. \/ 4vl 0 Uuv, i\ uw/ lt)WUfV-
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52
namen und ihre kraft verkündet unwidersprechlich, dafs sie nichts anders
waren als Geten oder Gothen, und dafs ihre besondere Benennung dem Pto-
lemaeus eben die allgemeine verschwinden liefs.
Laut also fordert, so weit ihr gebiet sich erstreckt, die geschickte nicht
Scheidung sondern einigung der Geten und Gothen, und das gewonnene ge-
fühl dieser einheit im hintergrunde darf auch für die ältere dunkle zeit, wo
mythische und historische Stoffe sich verlaufen, Vorschub leisten. Niemand
wird verkennen, dafs auf diesem schlüpfrigen boden lornandes und bereits
sein Vorgänger Dio gestrauchelt haben müssen; und doch scheint selbst lor-
nandes nicht entblöfst von allem zweifelnden, critischen gefühl. cap. 9 als
er dem Dio folgend des Geten königs Telephus meldung thut, befällt ihn
der gedanke, dafs dieser name gar nicht gothisch, vielmehr ganz griechisch
klinge; da lenkt er ein: ne vero quis dicat hoc nomen a lingua gothica om-
nino peregrinum esse, nemo est qui nesciat animadverti, usu pleraque nomina
gentes amplecti, ut Romani Macedonum, Graeci Romanorum, Sarmatae Ger-
manorum, Gothi plerumque mutuantur Hunnorum. dafs hunische namen
unter Gothen gäng und gäbe wurden mag sein, von dem umgekehrten Über-
gang gothischer namen auf Hünen liefert uns Attila das berühmteste beispiel.
an Telephus (T>(Ascpog) und Eurypilus (EvgvirvXog) seinem sohn wird auch aufser
den namen alles oder das meiste ungetisch erscheinen, und Verwechslung
des asiatischen Mysiens mit dem Moesien oder Mysien der Donaugegend
könnte im spiel sein. Telephos, sohn des Herakles, dem Achilles die be-
rühmte wunde schlug, von der geweissagt war 6 rgurag nai. ictrerai, liegt tief
im hellenischen mythus; doch Dio mag ihn in Thrakien lebendig vernommen
haben, und aus seinem werk hätten wir erst zu lernen, auf welchen puncten
dennoch uralte griechische und getische sage aneinander rühren, denn die
pfade des mythus sind wundersam verschlungen. Liefs sich doch Ovid aus
eines getischen greises munde, den er diesmal keiner roheit beschuldigt, von
Iphigenia in Tauris, Orestes und Pylades, was die Skythen erzählten, be-
richten (exPontoIII. 2,41 ff)(1) und wenn deutsche, griechische, lateini-
sche spräche geheimnisreich zusammen grenzen, darf es auch die mythologie
dieser Völker.
(*) Diana taurica, Böckh inscr. 2,90*. Luclans Toxaris 1. 2. 6 bezeugt, dafs die Sky-
then dem Orestes und Pylades opferten und Iphigenia göttlich verehrten.
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— 53 —
Übt man sich erst einmal in imeingenommner Betrachtung dieser jetzt
noch verworfnen Getica, so können selbst des lornandes ärmliche Brosamen
einiges willkommne darbieten. Die durch Dio überlieferte künde von einem
edlen geschlecht der Geten, aus welchem könige und priester gewählt wur-
den, dafs diese edlen anfangs tarabostei, hernach pileati geheifsen waren im
gegensatz zu den übrigen freien, welche capillati hiefsen (lornandes cap. 5
und 13) scheint unverwerflich. auch oratio 72 (Reiske 2,383) gedenkt Dio
der getischen huttracht: sv&a ydg eviors ßXeirovo'iv dvS'gwTrovg, rovg fxiv nvag ttl-
Xovg sttI raig Kstyakcug syjzvrag, ujg vvv tuüv SgaKoov nveg, tuov Terwv Asyojuevwv, tt^o-
rsgov &£ Aaxe&aifJLovLGi kcu Mane&ovsg. Toxaris bei Lucian, ein Skythe d. i. Thrake,
stammte weder aus königlichem geschlecht, noch dem der hutträger, war
also ein blofser capillatus oder, wie sich Lucian ausdrückt, ein oKrccTrovg (acht-
füfsling), der zwei rinder und einen wagen besitzt, nach des Cassius Dio
meldung galt dieser unterschied zwischen pileati und comati noch für die spä-
teren Daker (1126,14 Reim. tt*Accpcgoi, Ko/u,yjrai), Decebalus entsandte nach
einander zu den Römern erst comati, dann vornehmere pileati; bedeutsam
hiefs auch Odin Sidhöttr, der mit dem breiten, tiefen hut (mythol. 133) und
bis auf die jüngste sage herab erscheint er in solchem hut, der eine heidni-
sche heiligkeit andeutet, bei den Römern zeichnete den Hamen dialis sein
galerus und apex aus. Von den capillatis merkt lornandes weiter an:
quod nomen Gothi pro magno suscipientes adhuc in suis cantionilms remi-
niscuntur, Theodorichs edict 145 nennt die capillati, und dafs zu seiner zeit
schreiben erlassen wurden universis provincialibus et capillatis* des Gothen
volks weisen Cassiodors variae 4,49. trügt meine Vermutung nicht, so wird
auch das goth. und vandal. Hazdiggos = Astingi gerade nichts anders ausge-
sagt haben als capillati (1). natürlich fielen die pileati, d. i. heidnischen prie-
ster nach der Bekehrung zum christenthum weg. tarabostei aber war ein äl-
terer name der pileati und braucht nicht dasselbe auszudrücken, ich wittere
darin gothische Superlativendung (ungefähr wie in lasivöstai infirmissimi), so
dafs in tarabosti = goth. [oarabostai das ahd. darapiste, pidarapiste d. i. op-
timi strenuissimi gelegen wäre, vgl. altn. {>arfr utilis, im superl. ^arfastr.
dies mag noch gewagt dünken; sichrer schon dürfen die auf jenen Diceneus
zurückgeleiteten gothischen gesetze, 'quas usque nunc conscriptas (eine wich-
(‘) abh. der pbil. hist, classe 1845 s. 224.
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tige bemerkung des lornandes) bellagines nuncupant, durch die goth. form
bilageineis, acc. bilageinins gedeutet werden. So wären schon einige getische
Wörter und brauche wenigstens versuchsweise gothisch ausgelegt, wer den
Wörtern noch mistraut halte sich an die bräuche. Gervinus will alle deut-
schen priester zurückweisen und was Caesar von den ihm nahgelegnen Ger-
manen behauptet auf die übrigen ausdehnen, doch redet schon Tacitus von
sacerdos und sacerdos civitatis (Germ. 7. 10) und der spätere altnordische
priesterstand ist unleugbar, ja der ausdruck godi mufs den gothischen gudja
deuten, der sacerdos muliebri ornatu bei den Nahanarvalen (Germ. 43)
läfst uns einen in binde und hut bei den Gothen ahnen, lornandes cap. 10
schöpft aus Dio, dafs sacerdotum aliqui illi qui pii vocabantur (*), weifses
gewand trugen: alles führt auf einklang der priester, ärzte und gesetzgeber
unter ihnen. Herodots Scharfblick sah das rechte, wenn er in Zalmoxis,
über des Pythagoras schüler, über den vergötterten menschen oder weisen
hinaus, einen daemon und gott erkennt; darf Zalmoxis als avsfjiog zu Wuo-
tan, als Gebaleisis zu Gipucho, als pileatus zu Sidhöttr, das fahren nach
Zalmoxis zu dem nach Wuotan gehalten werden, so gewinnt die gleichung.
Mir scheint das übereintreffen skythischer, thrakischer, alanischer sitten und
gebräuche mit germanischen unablehnbar: es sei nur aufser dem getischen
ackerbau und schwertcultus an das loofswerfen mit zweigen (2), an die blut-
mischung beim bundschlufs (3), an den felsensprung lebenssatter greise (4)
erinnert, denn reichen diese gewohnheiten noch zu andern Völkern in wei-
terer berührung hin, so thun sie hier vorzüglich die engere dar. Plinius 22,
1 gibt an: mares apud Dacos et Sarmatas corpora sua inscribunt; solches
tatouieren war noch bis auf uns hin und wieder in Deutschland üblich.
(*) man möchte das griech. wort wissen, plus kann bedeuten svvsßyg, und ein prie-
ster hiefs uns noch im mittelalter Mer guote man’, mythol. s. 79. merkwürdig ist, dafs
sie dem feind mit zithern entgegengesandt werden; subito patefactis portis cum citha-
ris et vestibus candidis obyiam sunt egressi, paternis düs ut sibi propitii Macedones
repellerent, voce supplici modulantes; was auch Athenaeus 14,24 aus des Theopompus
verlornen zKKy^vihcu iTrcotcct buch 46 anführt: Tztcu, (pY\yts xiScigag syjzvrsg xai y.i^ct^ovTsg
' 3 / -w
rctg zntxrjD'JHsiceg ttoiowtcu.
(2) Wh. Grimm über deutsche runen s. 296 ff.
(3) deutsche rechtsalterthümer s. 192—194.
(4) daselbst s. 486 ff. 972.
55
Will man unsrer Zeitrechnung erste fünf Jahrhunderte halten zu den
fünf ihnen vorausgegangnen, so werden an fülle welthistorischer Begebenhei-
ten von diesen jene weit übertroffen. Der Perser kriege mit den Hellenen,
Alexanders unsterbliche thaten und die volle kraftentfaltung des römischen
reichs lassen um ein grofses hinter sich das verworrene und verdeckte trei-
ben der deutschen Völker, die bis zum J. 500 in Europa gewaltig werden,
so viel erhebendes und folgenreiches von Arminius, Hermanrich, Alarich,
ülfila, Chlodowich bis auf Theodorich in die rollen der geschichte einge-
zeichnet steht. Vor der rohen aber gesunden gewalt der Deutschen sollte
in diesen unvollendeten Zeiten der riesenleib des Römerreichs zusammenbre-
chen, und unter allen deutschen Stämmen erscheint damals der zuletztziehende
gothische wie der begabteste so der stärkste und frischeste. Was Cimbern
und Teutonen nicht vermochten, den Franken aber am ende gelang, hatten
Gothen, deren zahllose heere über die den Römern längst streitig gemachte
Donau immer unwiderstehlicher einbrachen, bereits ausgerichtet, und nachdem
grofse striche Griechenlands von ihnen durchzogen waren, allmälich in Ita-
lien, Gallien, Spanien und auf afrikanischer Westküste fufs gefafst, während an-
dere ihrer häufen länder der Ostsee und nordsee füllten(1). Solch ein rührsa-
mes, kampf und gefahr suchendes volk, aus dessen letzten tagen Procop uns
die heldenmütigsten, ergreifendsten züge bewahrt, kann nicht im ersten oder
zweiten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung zu thaten schlag auf schlag erwacht
sein, es mufs sich schon in der vorausgegangnen zeit neben Griechen und
Römern allenthalben geregt und hervorgethan haben.
Von Jeher pflegte der Deutsche an grofse Völker, die ihm in Bildung
überlegen waren, sich zu schliefsen, und wahrscheinlich wäre Byzanz wie Rom
früher gesunken, hätten sie nicht die leibliche kraft deutscher Stämme ma-
nigfach in ihren dienst zu verwenden verstanden, so dafs deutsche krieger,
die ihren oberherrn oder Bundesgenossen anhiengen, lange zeit gebraucht
wurden, die angriffe und einfälle ihrer unabhängig und frei gebliebnen stamm-
(*) die grofse Volksmenge der Gothen ergibt sich allenthalben; es genüge hier ans
Strabo p. 305 anzuführen: av£jrJ3’£v~sg ovu ln\ ttX&ittov ol ts Tztcci, cl ~s Aayoi, äu-rs ycu
sty.ort jxv^icz^ag zhtt'cIJlttsiv cr~oa~iag, vvv otcv elg TZTTccoccg jrjgtuüug cr'jvsTTCikuzvoi rvyyjli/ovcru
y.ui lyyvg jxkv y^ovti rov uttccxovsiu CPuofxal'jov ovttüo 6°slcr\v vtto^/jIüioi Tskzwg, Sia rag ly rwv
TsQucivuv IXmSceg, TtoXsfMwv ovtuov Toig ePufj.cuotg, woraus wieder das enge band hervorgeht
zwischen den Geten, Dakern und den übrigen Germanen.
Ik0>* 11 o / Ü
CUa^C. \X?
brüder abzuwehren. Man lese in Procop (2, 389) wie den beiden Tötila
keine Römer, sondern andere Deutsche, Asbad und Scipyar erschlugen;
durch den Vandalen Stilico liefsen die Römer die Gothen in Thessalien
schlagen, und ein andermal war es der Franke Arbogast den Theodosius den
Gothen entgegenstellte.
Eine menge bedeutender ämter, in der Verwaltung wie im heer, wur-
den zu Byzanz seit dem vierten, fünften jh. von Deutschen aus der zahl be-
friedeter und verbündeter Völker eingenommen: durch treue und tapferkeit
hatten sie sich emporgeschwungen. Nicht ohne stolz gewahren wir in den
ifOidMX.J'B*'* üc ooA re^en römischer consuln deutsche eigennamen, die laut bezeugen, wie schnell
^jene barbarei griechischer und römischer Verfeinerung theilhaft geworden
nun auch jegliche ehren und würden in anspruch nehmen durfte. So war
im j. 348 consul Flavius Salia, 351 Gaiso, 362 Nevitta, 366 Dagalaiphus,
372 Arintheus, 377 und 383 Merobaudes, 374 Ricimer oder Richomer, 385
Bauto, 400 und 405 Stüicho, 401 Fravitta, 403 Rumoridus, 419 Plinta,
427 und 447 Ardaburius, 434 Ariovindus und Aspar, 437 Sigisbaldus, 459
Ricimer, 481 Dagalaifus, 465 Herminericus, 506 Ariobinda Asparis filius,
510 Eutharicus, 519 Euthericus Amalus, 535 Belisarius. Hätten sich listen
der patricier, praefecten (*), magistri militum und der vielen geringeren stel-
len bis zu dienern und Waffenträgern der feldherrn herab erhalten, so würde
eine ungleich gröfsere zahl solcher namen, die deutschen klang zur schau
tragen, vorliegen. Wäre uns aber zugleich der einzelnen abkunft näher be-
kannt, so würden glaublich die meisten, was jenes beigefügte Amalus kund
gibt, gothischen geschlechts sein, in jener gütigen auch Gepiden, Vandalen,
Basternen in sich begreifenden allgemeinheit, und sicher stände aus früherer
zeit manchem Geten, Thraker, Alanen und Massageten gleichgothischer
name zu. Eine Zusammenstellung aller solcher eigennamen und der bei Pro-
cop, lornandes, Animianus Marcellinus, aber auch schon bei Cassius Dio
und Tacitus auf bewahrten beabsichtige ich ein andermal und die kenntnis
unsrer ältesten spräche wird dabei nicht leer ausgehn, hier nur ein paar
anziehende beispiele. jener Ardaburius, den Leo I im j. 471 tödten liefs,
entspricht rein dem alts. worte hardburi Hel. 128,24, ahd. hartpuri Graff
(*) Dio Chrysostomus oral. 48 (Reiske 2,286), spricht offen dank ans dem xqcctIttw
Ovccglvw, der vom j. 99 —102 praefect in Bithynien war, und den andere Varenus Rufus
anen. Varinus klänge deutsch.
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3,20, welche magistratus bedeuten, also genau die würde, mit der Ardabu-
rius bekleidet war, ausdrücken; da die goth. aspirata weicher ist, als in den
übrigen deutschen sprachen, so erklärt sich ihr gänzlicher Wegfall in der lat.
oder gr. form Ardaburius = Hardaburius, wie vorhin Astingus = Hazdiggs (1).
Belisarius, der dem Justinian Vandalen und Gothen zu paaren trieb, war
ohne zweifei gothischer herkunft, sogar in einer stadt namens Germania,
zwischen Thrakien und Illyrien geboren (Procop 2,361), wo deutsche ge-
schlechter hausen mochten; sein name erklärt sich zwanglos aus dem gothischen
und lautete eigentlich Valisaharis, Valisharis, da die Griechen goth. V bald
durch OT, bald B ausdrücken (vgl. Vandali Bav&lXoi, Vigilius Biy'iXiog, aus
X&ovavog wird bei Ulf. Silbanus), auch verschiedentlich Velisarius geschrie-
ben steht, valis bedeutet yvqnog, v\ya7ry]jj.£vog und dieser name, dessen erster
theil zum ahd. Walisunc Welisunc, altn. Völsüngr stimmt, sagt aus theurer Kefi&aik-
erwählter held. sein deutsches geschlecht mag aber noch bestätigen, dafs p
ihm ein lanzenträger OvXlagig = Viliharis hiefs, ein andrer ’lXaovcp (? Hildulf lA/U/lncrt/ y
Hildvulfs) Procop 2,431 (2), die treusten diener wählte er sich unter lands- HJiLiefiM ^
leuten. .
Ja von den kaisern selbst war Verus Maximinus im j. 235 genere go- • I.
thico, nach lornand. cap. 15 ex infimis parentibus in Thracia natus a patre '
gotho, nomine Mecca, matre alana, quae Ababa dicebatur. im buch de reg- llaß. CnpfliSuA
nor. succ. heifst der vater Micca, die mutter Abaqua. kurz zuvor hiefs des
Septimus Severus jüngerer sohn, den sein eigner bruder Caracalla im j. 212 äJY* Hii
o&e/w i.^Otödtete, Geta; als Severus noch nicht kaiser, sondern in Pannonien feldherr • t In n
war, im j. 190 wurde ihm dies kind geboren, und vielleicht danach benannt, ^ ° ~
weil er unter Geten auf die weit gekommen war; das gäbe ein kleines nicht
unwichtiges zeugnis ab neben den zwanzig jahre später von Caracalla besieg-
ten Gothen. ^
Wie nach mehr als tausendjähriger rüstigkeit und mühe die in alle
fernen ausgestreuten Gothen endlich von der bühne der weit verschwunden
sind, hat auch ein unstern über ihrer geschichte gewaltet und die edelsten
zeugen ihrer thaten und leiden liegen verstummt, die bücher von Cassio-
dor, Ablavius und Dio sind uns abhanden, oder nur in lornandes ungenü-
(*) Adelung alt. gesch. der Deutschen s. 289 stellt Ardaburius als einen Thraker auf.
(2) vgl. Ildico bei lornandes cap. 49 für Hildgund, Sanielh für Svanhild (s. 47).
H
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gendem auszug übrig; doch hat ihrem andenken Procopius ein lesenswerthes
erhaltnes werk gewidmet, und der herlichkeit ihrer spräche versichert uns
ülfilas unsterbliche, wenn auch nur zum kleinsten theil gerettete arbeit. dem
alterthum der Gothen mag kein anders deutsches yolk sich an die seite setzen,
und alle übrigen sind genöthigt ihr frühstes licht bei ihnen anzuzünden.
Mislang es mir nicht des lornandes namen herzustellen, so sah ich
noch mehr darauf die ehre seiner annahme zu retten, dafs Geten und Gothen
ein volk waren, und hoffe dafs meinen beweisen 'eilen zuo der fuoge3 kam:
die fuge liegt in gleichheit dieser namen und in der Geten und Daker nach-
barschaft. zweifei müsten sich fortan das ansehn geben, aus allen kräften
jede thunlichkeit deutscher auslegung für getische namen, die noch besser
glücken kann als ich sie versuchte, abzuwehren, und die kluft der geschichte
zwischen 105 und 166 (an diesen sechzig jahren hängt es) für unerfüllbar
zu erklären. Auf dem bisher eingehaltnen Standpunkt aber war den Geten
alle wurzel abgeschnitten, ohne Ursprung auftretend gehen sie vorüber ohne
spur, und unsere Gothen wurden darum gebracht das ihnen zuständige erste
zeugnis abzulegen für den Zusammenhang der Deutschen mit einer uralten
Vergangenheit. Statt der wenig austragenden meldungen des Pytheas wer-
den nunmehr Herodots Tercu oi d&avarl£ovrsg in den Vordergrund unsrer ge-
schichte treten und Dions Kardgaroi leicht verwischen, das horazische bild
von der einfachheit getischer ackerbestellung mag Ovids klagen über getische
Wildheit dämpfen, und wer ärger nimmt ob dem plauderhaften triegerischen
Geta oder Davus der comoedie, sich erheben an dem hohen tragischen ernst,
mit welchem die Gothen auf dem weltgerüste verbluteten. Auch für den
weg, den Gothen und wahrscheinlich alle Deutschen von Persien aus über
den Araxes, am Caucasus vorbei nach der Maeotis und von da über Dnieper
und Dniester bis zur Donau einschlugen, gibt diese bereicherung unserer äl-
testen geschichte unverächtlichen fingerzeig.
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
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Nachträge.
s. 4. 5. lornand aus Ibornand Eburnand wird bestätigt durch Iring Euring luwaring
aus Eburdring (mytb. 333. 688), der thüringische held mag früher wol geheifsen haben
Eburthuring, ahd. Epurdurinc, ags. Eofordyring, und gleichviel scheint, ob er die milch-
strafse oder das gestirn Orion bezeichne, wiederum stimmt das Verhältnis zwischen Irn-
vrit von Düringen und Irinc von Tenemarke zu dem bund zwischen Gothen und Dänen,
wenn man die Thüringer, wie es nicht anders sein kann, nahe zu den Gothen stellt.
s. 25. vorher schon Augustinus de C. D. 5,23 Rhadagaisus rex Gothorum. Vtfoß. ij&vm )0&' 1 f)
s. 28. Strabons worte lauten s. 304: Aaxovg — ovg olfxcet Accovg xccksh&ai rd ttccKcuov S Q\ ^
a(\) ov y.at Traget Teig ’ATTixdig &7rs7ro'ka<Ts rcc tüov oikstujv ovofxctTce Tsrcei nett Aaoi. und s. 305:
ofjidyÄüüTTOi S’ sh tu oi Acittot roig Tsraig.
s. 39. gerade so findet sich die länderreihe Alania, Dacia, Gothia bei Isidor orig.
14, 4: hujus (Scythiae inferioris) pars prima Alania est, quae ad Maeotidas paludes per-
tingit, post hanc Dacia, ubi et Gothia, deinde Germania, ubi plurimam partem Suevi in-
coluerunt. hat nun Isidor aus Aethicus geschöpft, oder ist Aethicus so jung, dafs er von
Isidor (-J- 636) entlehnen konnte? ich glaube jenes, zumal für Isidors zeit die reihe nicht
mehr gerecht schiene. Sicher aber schrieb sie aus Isidor ein Schriftsteller des vierzehn-
ten jh. ab, Bartholomaeus anglicus oder Glanvil lib. 15 cap. 50 seines verschiedentlich ge-
druckten werks de proprietatibus rerum, wovon eine Berner hs., ohne noth, bei Haupt
4, 479 — 495 ausgezogen wird.
s. 40. den geographus ravennas, dessen schrift dringend einer critischen ausgabe be-
darf, habe ich s. 3 mutmafslich ins siebente jh. gesetzt, obwol mir bekannt ist, dafs Be-
retti (bei Muratori script. band 10) ihn ins neunte verlegt und einem gewissen Guido zu-
schreibt; damit scheint es aber noch nicht abgethan. auch Schafarik slow. star. s. 55.
973 hält Guido für den Verfasser ums j. 886.
s. 46. über die abkunft der Franken aus Troja und von Alexander haben schon viele
gesammelt; hier noch einige Zeugnisse, wie sie mir gerade zur hand liegen. Priamus et
Antenor egressi a Troja venerunt in Secambria et inde in Pannonia, et inde in Meotides
paludes, et inde juxta ripas fluminis Reni in extrema parte Germaniae. Pertz 2,310, noch
näher führen dies aus die annales quedlinb. Pertz 5, 30. Otfried I, 1, 87 von den Franken
las ih iu in ala war in einen buachon, ih weiz war,
sie in sibbu joh in ahtu sin Alexandres slahtu.
dafs altnordische sagen den Odinn zu einem Tyrkja konüngr machen und aus Tyrkland
nach Saxland und Reidgotaland einwandern lassen, weifs man.
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©Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 199
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