Breslau den 16. Mai 50.
Hochgeehrter Freund und Gönner!
Es hat mich sehr gefreut, daß Sie mit unseren
Plänen einverstanden sind; ich schreibe Ihnen diese
Zeilen aber noch wegen 2 Dingen. 1) Ihre Ankunft
in unserer Stadt anlangend, bitte ich Sie
recht dringend, wenn es angeht, den mir bestimmten
Termin am 24. oder 25. Juni innezuhalten, weil wir
die Musikaufführung in der Aula Sonntag den
30. Juni Vormittags nach 11 Uhr geben wollen und
zwar darum, weil die vereinigten Kräfte am besten
da zu haben sind, und die Zuhörer auch gern zu
dieser Zeit Konzerte besuchen. Das Theater sieht
nämlich jedes Abendkonzert als eine Beeinträchtigung
seiner Einnahme an, und leiht für diese
Zwecke seine Kräfte niemals. Diesmal hat es Ihnen
zu Ehren mir sofort Alles bewilligt, wofern die
Proben Nachmittags stattfinden und die Aufführung
Vormittags. Wenn Sie daher so gütig sind, am 25
sten
spätestens einzutreffen, bleibt uns die Woche über
Zeit die Generalproben bequem zu halten. Könnten
Sie mir Tag und Stunde ein paar Tage früher
anzeigen, so würde ich mich sehr freuen; dann
können wir Sie recht zahlreich auf dem Bahnhofe
empfangen, denn es wird jedem daran liegen,
Sie sobald als möglich zu sehn. 2) Was die im Konzert
zu gebende Sinfonie anbelangt, möchte ich Sie recht
freundlich bitten, es bei der 3
ten
in c-moll zu
lassen. Einmal kennen die Orchester das Werk,
sodann liebt das Publikum die Sinfonie sehr; der
4händige Auszug ist in Jedermanns Händen; hört
man sie nun obenein noch unter Ihrer Direction,
dann ist die Freude noch größer, und es ist wohl
auch nicht zu läugnen, daß die Größe, gepaart mit
dem wehmüthigen Character des 1
ten
Satzes, das in seiner
Art ganz neue und eigentümliche Larghetto mit der
erschütternden Cantilene der Streichinstrumente, und
das jubilierende Finale mit seinem liebenswürdigen
und noblen Humor immer einen durchschlagenden
Eindruck gemacht haben. Sind Sie mir daher nicht
böse, wenn ich Ihnen sage, daß wir uns alle auf
diese Sinfonie kindisch freuen. Sie finden auch von
diesem Werke eine schön geschriebene Partitur
vor; der Künstlerverein ließ die ersten 3 Sinfonien
für seine Konzerte in Partitur setzen. Auf unsere
Gebirgsreise freue ich mich auch sehr; wären Sie nur
erst hier; ich fürchte immer noch ein böses Geschick,
daß Sie verhindert, eine Revolution oder dergleichen.
Ihr Herr Bruder hat mir neulich aus Braunschweig
geschrieben und nochmals versichert, daß es ihm
bei uns sehr gut gefallen hat. Es waren auch sehr
hübsche Tage. Scherz und Humor hatten ihren Sitz dort
aufgeschlagen, das liebe Nichtchen war immer sehr
aufgeräumt, und wenn sie so bei kleinen Neckereien in
komischen Zorn gerieth und dabei immer fleißig
übte, war sie unwiderstehlich. Sie hat in der Harfe
überhaupt etwas Cäcilienartiges. Wir nannten sie
auch immer Caecilie, obgleich sie und Ihr Herr Bruder
immer auf Rosalie bestanden.
Bleiben Sie nur recht wohl und munter und senden
Sie uns einstweilen ein paar Geigentöne voraus.
Ihrer Frau Gemahlin meine ergebenste Empfehlung.
Wie immer
Ihr dankbarer Verehrer
A. Hesse.
Volltext von: Karl Traugott Goldbach, Spohr-Briefe
[www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850051631](http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1850051631)
Sr. Hochwohlg<br />Herrn Dr. Louis Spohr<br />Kurfürstl General-Musikdirector,<br />Ritter etc<br />in Cassel<br /><br />franco.
[Graukeil]