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M. 301.
Leilage M AllgemiiUN Zeitung.
Freitag, 28 Otto-er
187V.
I
Uebersicht.
Aus dem Reich des Khedive. Von H. Frhrn. v. Maltzan. — Ueber Hans
Holbeins Jugend Arbeiten. — Deutschland. München: Aus Ha!-
bigs Atelier. Mannheim: Abreise der niederländischen Krankenpfleger.
Der rheinische Kunstverein. Eine Wahlschlacht. Vom Rhein: Hr.
Pietsch und seine Kriegsbilder. Bremen: Für Siraßburg.
Neueste Posten. München: Die k. sächsische Gesandtschaft. Herzog
Max Emanuel. Die Festungen Germersheim und Landau. Augs-
burg: Die Proclamation des Generals v. d. Tann. Berlin: Die
Friedensbestrebungen der neutralen Mächte. Eine Feier zu Ehren der
Bayern in Posen. Pest: Reichstag. Hirtenbrief. Katholiken-Congreß.
Sympathien für Frankreich. London: Aus China.
Telegraphischer Bericht.
* Berlin, 27 Oct. (Officiell.) Der Königin Augusta
in Homburg. Diesen Morgen hat die Armee Bazaine's und
die Festung Metz capitulirt. 150,000 Gefangene, einschließ-
lich von 20,000 Blesflrten und Kranken. Heute Nachmit-
tag wird die Armee und die Garnison das Gewehr strecken.
Dieß ist eines der wichtigsten Ereignisse in diesem Monat,
Dank der Vorsehung. Wilhelm.
Oörsenbertchr.
m Frankfurt g4 M., 25 Oct. Die Norddeutsche BundeS-An-
Leiihe scheint in der letzten Zeit auch in Güddeutschland ein größeres Terrain ge-
wönnen zu haben, wenigstens schreibt man die belangreichen Umsätze, die in ver-
flossener Woche auf unserem Markt darin stattgefunden haben, aus Rechnung des
s ogenannten süddeutschen TopitalS. Bekanntlich hat ein Cousortmm, an besten
Spitze die Generaldirection deL Sechaudlnng in Berlin, das Bankhaus M. A.
v. Rothschild und Söhne hier, sowie die Berliner DiSroniogesellfchaft stehen, 20
Millionen Thaler von dieser Anleihe übernommen. Nach einem Regierungs-Erlaß
ist der für den Norddeutschen Bund eröffnete Lredit für KriegSanSgabett von 100
auf 80 Millionen Thaler ermäßigt worden, mithin der an das genannte Consor«
tium abgegebene Betrag der Rest der ganzen Anleihe. Zwischen dem CurS dieser
KNtgSavlrihc und den «Leufalls öproceuligm preußischen StaaiSobligatisuen Le-
steht gegenwärtig noch eine ziemlich bedeutende Differenz, da erstere gegenwärtig
97%, letztere 102 notiern. Es dürste daher der Fall eintreten daß sich der
Cms der norddeutschen Buvdesobligationen dem Preise der üprocent. preußischen
sehr bald nähern wird, um so m-hr als den ersteren ein weit größeres Absatz-
gebiet eröffnet ist, das noch bedeutend vergrößert wird wenn sich die in Aussicht
stehende Verschmelzung von Nord- und Güodeutschland in ein einiges Deutschland
vollzieht. Aber auch außerdem hat die norddeutsche BuudeSanleihr große An-
sprüche auf die Beachtung der Lapitalisteu. iudem fie in erster Linie als eine
schwebeude Schuld zu betrachten ist, zu deren baldigen Tilgung durch die von
Frankreich zu zahlende Kriegsentschädigung die gegründetsten Aussichten vorhanden
sind. Da dir Rückzahlung zum Nenuwerth erfolgen muß, so steht neben dem
Zinsgenuß auch noch ein ansehnlicher Cursgewinn in fester Aussicht. Bekanntlich
wlleu für etwaige weitere KriegsauSgabcu Z^/zProcentlgr norddeutsche Bundes-
Schatzanweisungen ausgegeben werden. Diese Thatsache unterstützt unsere An-
sicht daß die preußische Regierung die norddeutsche Kriegsanleihe als eine schwe-
bende Schuld betrachtet, die nach Beendigung des Kriegs sofort getilgt werden
soll. Alle diese Modalitäten, und namentlich die Hoffnung daß nach Beendigung
des Kriegs die norddentsche BnndeSauleihe zu einer allgemein deutschen sich um-
wandeln wird, sind geeignet diesem Papier jetzt schon in Güddeutschland die volle
Beachtung drS Capitals zuzuwenden, um so mehr als beim Eintritt der SLb-
Gtaaten in einen allgemeinen deutschen Bund alle deutschen Staatscaffen die
Ziuseoupons als vollgültiges Zahlungsmittel annehmen werden.
ArrS dem Sketch deS Khedive.
Von Heinrich Frhrn. v. Maltz an.
* Kairo, im Oct. Ein seltsames Gemisch heterogener Elemente
ivar es das sich am 1 Oct. d. I. auf dem österreichischen Llohddampfer
„Apollo" eingefunden hatte um die Reise nach Alexandria zu machen. Da
befand sich neben allerhöchsten und hohen Personen, worunter der Sohn
des Khedive als Stern erster Größe glänzte, u. a. auch eine schwäbische
Bauerncolonie, die ihr Hei! in dem gelobten Lande versuchen will, wie es
schon so viele ehrliche Schwaben vor ihnen gethan haben. Diese Colom«
sten waren, 40 Köpfe stark, mit Kind und Kegel auf dem Vorderdeck unterge-
bracht, und trieben dort ihr gemüthlich schwärmerisches Wesen mit obliga«
ten Predigten, Psalmenabfingen und andern ähnlichen Beschäftigungen,
denen sich Leute hingeben die an den baldigen Anfang des „tausendjähri-
gen Reichs" oder „die Heimbrmgung der Juden" und dergleichen erbau«
üche Offenbarungsauslegungen mehr glauben. Vor 14 Tagen soll eine
noch zahlreichere Gesellschaft abgegangen sein, und eine andere in ein paar
Wochen erwartet werden. Alle diese guten Schwaben gehören zu einer
Seele d:e sich den „Tempel" nennt, deren Mitglieder auch wohl „die Temp-
ler" heißen. Besonders auffallende Dogmen scheint die Secte nicht zu
haben. Es sind einfach biblische Protestanten, die aber jedes engere kirch-
liche Band verschmähen, und statt Geistlicher sogenannte „Aelteste" haben,
d. h. jeder einigermaßen bibelfeste Bauer kann ihnen etwas vorpredigen.
Der Glaube an die baldige Erfüllung der Offenbarung Johannis scheint
das einzige Excentrische an ihnen, da sie aber dwse Erfüllung für eine
buchstäbliche halten, z. B. ein wirkliches weltliches Reich Christi als sehr
bald bevorstehend annehmen, so erzeugt jener Glaube allerdings der Selt-
samkeiten nicht wenige. Darum gründen sie Colonien im heiligen Lande,
um gleich bereit zu sein, sowie das tausendjährige Reich in Jerusalem pro*
clamirt werde, als Bürger desselben einzutreten.
Die sogenannte „Heimbringung der Juden" soll dem Anbeginn die-
ses Reiches unmittelbar vorhergehen, d. h. die Juden sollen sämmtlich
nach Palästina zurückkehren, und zwar noch als Juden, dort aber
plötzlich zur Erkenntniß Christi gebracht werden, worauf dann ihr himm-
lischer König wieder erscheinen werde. Zwei Colonien, die eine in Jafa,
die andere in Kaifa, hat die Secte bereits gegründet, und sie sollen wirk-
lich floriren, denn die Leute sind arbeitsam und bedürfnißlos, auch meist
von Haus aus schon etwas bemittelt.
Bei der „Heimbringung der Juden" hatten die Vorsteher der Secte
dem Kaiser Napoleon III eine wichtige Rolle zugedacht. Dieser sollte nämlich
Palästina erobern oder friedlich erwerben, und dann Israel dort versam-
meln. Diesen Plan haben nun freilich die Ereignisse zu Waffer gemacht.
Vielleicht wird man jetzt dem König von Preußen eine ähnliche Rolle zu-
muthen. Diese chiliastischen Theorien sind jedoch auch außerhalb der
Serie verbreitet, und den Beweis davon liefert ein eigenthümlicher Mann
der mit uns in der ersten Cajüte reiste, ein Patriarch seiner Erscheinung
nach, seinem Titel gemäß aber ein Doctor der Philosophie, nebenbei ho-
möopathischer Arzt, Herausgeber religiöser Broschüren und, wie ihn ein
mitreisender Engländer treffend bezeichnete, „MissiockkttzaM Liebhaberei."
Dieser Mann soll bemittelt sein und beabsichtigen sich m Jerusalem nie-
derzulaffen, um dort für das bald beginnende „Reich" zu wirken. Mit
der Secte steht er nicht in unmittelbarer Verbindung, sondern er „macht
Religion aus eigene Faust." Uebrigws benutzt er seine Mußestunden auk
dem Schiff um „den Templern" täglich mehreremale vorzupredigen, was
sich die allzu demüthigen Schwaben auch gern gefallen ließen.
Die Buntheit der Gesellschaft mit der ich die fünf Tage der Ueber-
fahrt zubrachte war in der That unerreicht, und so wie man sie nur in
levantinischen Seestädten findet. Reiche Griechsnsamilien aus Alexandria
die den Sommer in Europa zugebracht hatten, das buntscheckige Gefolge
des ägyptischen Prinzen, meist aus französischen Abenteurern bestehend,
wie sie in Aegypten wimmeln, ein österreichischer Generalconsul mit Fa-
milie, Holländer aus Batavia, Engländer aus Ostindien, deutsche Diako-
niffen und französische Nonnen, eine Missionarsbraut, die ihrem künfti-
gen Eheherrn, den sie noch nie gesehen haben soll, nach Hinterindien nach-
geschickt wird, bewegten sich da neben Türken, Arabern, Maroniten, polni-
schen Juden und Judenmissionären, letztere gleichfalls polnisch-jüdischen
Ursprungs und von einer englischen Gesellschaft bekehrt und ausgesandt.
Was in diesem Babel während der fünf Tage an Unsinn zusammenge-
schwatzt wurde, überstieg alle meine bisherigen Erfahrungen in dieser Art,
und dieselben sind doch nicht gering. Auch eine böhmische Musikanten-
bande, Wiener Bierhaussüngerinnen und der erste Tenor eines Caf« Chan-
tant in Alexandria hatten sich eingefunden, und sorgten, vom Prinzen
aufgefordert und bezahlt, für die musikalische Unterhaltung der Gesellschaft.
Der Anwesenheit des Prinzen hatten wir es zu danken daß wir
schon am Abend des fünften Tage- trotz der einbrechenden Dunkelheit in
den bei Nacht unzugänglichen Hafen von Alexandria einlaufen konnten,
denn die Dunkelheit war auf Befehl des Bicekönigs durch glänzende ben-
galische Flammen verscheucht worden, die vom Lande, von den Fregatten
im Hafen und von den uns entgegenfahrenden Schiffen aus nicht nur den
Hafen selbst, sondern fast die ganze Rhede magisch beleuchteten, und dem
Piloten das Einfahren möglich machten. Nach vielen Jahren sah ich zum
erstenmal Alexandria wieder als eine zwar vergrößerte und, wie es heißt,
verschönerte Stadt, aber in Wirklichkeit doch eher zu seinem Nachtheil alS
zu seinem Vortheil verändert. Die sogenannten CivilffationSbestrebnngea
bt’S jetzigen Bicekönigs und seines Vorgängers, Said Pascha, dieser beiden
größten Civilisationskomödianten des modernen Orients, haben natürlich
nicht vermocht aus den unglücklichen Fellahs Cultmmenschm zu Aachen;
einige wenige derselben haben fie freilich zu Crricaturen von Europäern
herangebildet, aber im ganzen ist doch der Einfluß dieser Bestrebungen
--
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
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Vtm einheimischen Element säum sichtbar. Desto mehr hat sich die Phy-
^tüMomie Alexandria's durch den seit Jahren massenhaft zunehmenden
Einflug von Europäern verändert, aber gewiß nicht zum Vortheil; denn
bei weitem der größte Theil dieser Leute besteht aus dem entsetzlichsten
Lumpengesindel, Menschen aus aller Herren Ländern entlaufen oder aus-
gewiesen, zum Theil auch aus aller Landesherren Galeeren entsprungen.
Daß eine solche Einwohnerschaft nicht zum Glanz Alexandria's beiträgt,
daß durch deren rechtswidrige Eigenschaften bei der Nullität der Consu-
latsjustiz die unerfreulichsten Zustände geschaffen werden, kann man sich
denken. Auch im Aeußern dieser städtischen Physiognomie ist alles nur
Firniß. Daß die Ätadt eine Gasbeleuchtung und eine europäisch uni-
formirte, zum Theil aus Europäern gebildete Polizei besitzt, daß die Wege
zuweilen gesprengt werden und daß der Vicekönig seine ohrenzerreißende
Militärmusik den Europäern zuliebe spielen läßt, diese „Errungenschaf-
ten" vermögen nicht die viel ernstlichem Mängel vergeffen zu machen, den
niederträchtigen Schmutz und Gestank die in allen Straßen nach wie vor
herrschen, die vielen Ruinen die man im arabische» Viertel findet, die Un-
ordnung und Verwahrlosung die überall in die Augen fällt. Gehen wir
gar in die Vorstädte, wo die wahren Aegyptier, die armen Fellahr, in
halbzersallenen Kothhütten Hausen, so ist des Jammers und des Elends
kein Ende. Die erbärmliche Fratze einer solchen Pseudoeivilisation, die
ihren Glanz auf die schändlichste Unterdrückung der Unterthanen gründet,
um einige schurkenhafte und entartete vornehme Araber mit dem Blut-
gelde deS Volkes zu. vergolden, kann den gesitteten.Menschen nur an»
widern, und bald wird er sich aus dem modernen Babel heraussehnen.
In Kairo freilich finden wir jetzt meist etwas wesentlich besseres als
in Alexandria. Auch hier hat der europäische Schwindel sein Panier
errichtet. Auch hier wird der Charlatanismus des Vicekönigs vom Be-
trug der Europäer auf koloffale Weise ausgebeutet. Nie war vielleicht ein
orientalischer Fürst in höherem Grade Charlatan und Civilisationsschau-
spieler als der jetzige Vicekönig, der große Khedive. Das Bestreben Eu- j
ropa Sand in die Augen zu streuen und es an den Fortschritt im Orient
glauben zu machen, war zwar in diesem Jahrhundert fast allen oriental^
schen Fürsten eigen, und ist auch in der That bei diesen Despoten sehr er-
klärlich. Sie wollen durch oberflächlichen Culturfirniß, durch eine glänzende
Außenseite den innern Mangel ihrer Culturbestrebungen verdecken.
Dieser innere Mangel liegt in der Nullität des Elementarunterrichts, der
Justiz, der Erkenntniß der einfachsten humanitären Grundregeln. In
. Wege dieser Grundlagen jeder wahren Cultur liegt jedoch Wr den'
orientalischen Despotismus die Gefahr. Gebildete Unterthanen laffen
sich schwerer tyrannisiren. Wahrhaft bilden wollen deßhalb diese Fürsten
ihre Unterthanen nicht, wohl aber gebildet erscheinen laffen, einestheils
aus Ruhmsucht, um in Europa gepriesen zu werden, anderntheils um den
hie und da wohl vorkommenden Klagen der Consuln über orientalische
Barbarei u. s. w. das Trugbild der Reformen entgegen zu halten, das
freilich keinen einsichtigen Mann täuscht, dar aber einige Regierungen,
wie die französische, sich Miene geben für baare Münze anzusehen, auS
dem egoistischen Grunde weil viele ihrer Unterthanen daraus Vortheil
ziehen. Diese Fürsten werfen sich deßhalb auf den Reformschwindel, und
darin hat noch keiner mehr geleistet als der jetzige Khedive. Europa wurde,
im Laufe weniger Jahre, nacheinander durch die ägyptische Constitution,
das Parlament, die bezahlte Opposition, die auf Mufti's Befehl fortschritt-
lich reden mußte, durch die Errichtung eines sogenannten Stadtraths,
durch die Gründung der Akademie und Schule für Aegyptologie, in welcher
Professor Brugsch aus Göttingen die Fellahr im Lesen der Hieroglyphen
unterrichten soll, aber in Wirklichkeit ihnen erst Elementarunterricht bei-
bringen muß, und andere ähnliche hochcivilisirte Institutionen, welche der
Khedive ins Leben rief, in Erstaunen gesetzt. In neuester Zeit scheint nun
gar der Vicekönig das Theater als hauptsächlicher Bildungsinstitut er-
kannt zu haben. In einem gewiffen Sinn hätte er vielleicht Recht, wenn
er werthvolle Schauspiele ins Arabische übersetzen ließe. Aber nein! Die
Offenbach'sche Operette, ein französisches Ballet, die italienische Oper und
sogar der CircuS der Kunstreiter fmb die Mittel, von denen Ismail Pascha
die Hebung der Volksbildung erwar tet. Im vorigen Jahr war die An-
wesenheit der vielen Fremden vor und nach der Canaleröffnung vielleicht
ein Grund für solche Schaustellungen in Kairo. Aber auch für diesen
Winter sind schon vier verschiedene Kor.iödianten-Truppen auS Frankreich
undJtalien verschrieben worden, und zum Theil bereits angelangt, derCircus
wurde unter Anwesenheit des Khedive eröffnet, beiläufig gesagt, daS ein-
zige Schauspiel an welchem die Araber, jedoch unter ihnen auch nur die
schlechten MoSlims, ein gewisses Vergnügen empfinden (denn dem frommen
Gläubigen ist jedes Schauspiel ein Gräuel). Nächstens wird die italie-
nischester anfangen, die Pariser Ballelt-Tän zerinnen werden ihre Beine
erheben und der hirnlose Unsinn Offenbach'scher Operntexte wird den Vett
such beginnen die Araber, durch das was Europ.g verschrobenstes hervor- ■*
gebracht hat, zu „eivilisiren." Man sagt: dieser Scherz solle dem Khedive
auf eine Million Franken zu stehen kommen, gewiß nicht zu viel um das
kostbare Gut, „die Civilisation," von der man hier ewig und gewiß viel
mehr reden hört als im civilisirtesten Lande Europa's, den Eingebornen zu
erringen.
Die Helfershelfer des Khedive in der „Civilisirung" seiner Unterthanen
find natürlich die Europäer. Unter diesen sind es hauptsächlich die Fran-
zosen die sich zu geeigneten Werkzeugen des Charlatanismus hergeben,
denn etwas marktschreierisches liegt und lag von jeher in der gallischen
Natur. Mit ihnen rivalisiren in neuester Zeit auch die Erfinder deS
„Humbug," die Nordamerikaner. Diese haben dem Khedive einige soge-
nannte „Generale," ein halbes Duzend „Oberste" und wer weiß wie viele
andere angebliche Officiere geliefert, welche ihre vermeintlich in den ame-
rikanischen Bürgerkriegen gesammelten militärischen Erfahrungen nun bei
Reform oder Neubildung der ägyptischen Truppen verwerthen sollen. Alle
diese großen Helden sollen HandlungScommis sein die nie einen Schuß
Pulver rochen, aber bei der Menge für das gelten wofür sie sich ausgeben.
DerDeutsche kommt neben diesen Schwindlern gar nicht auf. SeineNatur
ist zu ehrlich. Diejenigen Deutschen die im Dienste des Vicekönigs sind,
meist ernste Fachmänner, Aerzte oder Gelehrte, verrichten saure Arbeit im
Schweiß ihres Angesichts, und werden (bei dem theuren Leben in Kairo,
wo alles seit 20 Jahren aufs dreifache gestiegen ist) verhältnißmäßig sehr
schlecht bezahlt. Nur die Charlatane und Betrüger finden hier ihre Rech-
nung» erstere heulen mit der Regierung, deren Diener sie sind, stets meiner
Tonart, letztere schmeicheln ihr nur so lange als es die Natur ihres
schwindelhaften Unternehmens, mit; sich bringt. Diese europäischen Be*
trüger verstehen es die Regierung auf eine Weise auszubeuten die in der
Chronik selbst des verderbten Orients kaum ihresgleichen findet. Ihre Art
zu verfahren ist gewöhnlich folgende: sie laffen sich vom Staat irgend
ein Recht, eine Concession verleihen, behaupten dann bei der Ausbeutung
namhaften.Schaden erlitten zu haben, und klagen auf Entschädigung.
Der französische Schriftsteller Edmond About hat unter dem leichten Ge-
wand eines RomanS in seinem „Ahmed jle Fellah“ einige solcher
Schwindelgeschäfte segier Landsleute wahrheitgetreu geschildert. Aber
alle seine Betrüger sind nur dii minorum gentium. An die großen
scheint er sich nicht gewagt zu haben, um so mehr als sie oft officiello
Stellungen einnehmen. So ist es allbekannt daß der vorige französische
Generalconsul in Alexandria jede noch so schlecht begründete Reklamation
unterstützte, wenn er nur seine Procente von der Entschädigungssumme
bekam. Sogar von Paris aus, und zwar von Personen die zum kaiser-
lichen Hof in Beziehung standen, wurde in ähnlicher Weise intriguirt.
Ein nicht geringer Scandal war züm Beispiel eine der letzten Entschädi-
gungsforderungen, diejenige des Bruders des Herzogs v. Baffano, auf
15 Millionen Franken, wegen Mißlingens der Ausbeutung einer Schwefel-
mine am Rothen Meere. Dieser Abenteurer hatte sich vom Vicekönig eine
Schweselmine verleihen laffen, von der er ganz gut wußte daß sie nur sehr
wenig Schwefel enthielt, und sich folglich deren Ausbeutung nie loh-
nen werde. Aber nicht um Ausbeulung, sondern nur um Entschädi-
gungsklage, nachdem ein Schein von Ausbeutungsangriff in Scene
gesetzt worden, war es ihm zu thun. Bei diesem Schwindelgeschäft
hatte. er noch insofern Glück, als ein arabischer Unterbeamter deS
DistrictS in dem die vom Franzosen zum Schein in Angriff genom-
mene Mine lag, ihm einige der spärlichen Arbeiter (ein Duzend Menschen
im ganzen) welche die Komödie deS Bergbaues aufzuführen im Begriff
standen wegnahm. Diese paar Arbeiter, die freilich im französischen Be-
richt bis auf 15 (mehr wagten selbst die Franzosen nicht anzugeben) an-
wuchsen, gaben nun Anlaß zu jener koloffalen Entschädigungsklage, wo-
nach jeder angeblich der Arbeit Entzogene auf eine Million geschätzt wurde.
Fünfzehn Millionen, das schien denn doch dem Khedive zu stark. Er rief
seinen veus ex machina, Napoleon III, der ihm schon in der Suezcanal-
sache eine so koloffale Geldbuße auferlegt hatte, als Schiedsrichter an,
und dieser mit fremdem Eigenthum stets so großmüthige Fürst sprach dem
Hrn. v. Baffano nur einige wenige Millionen (statt der 15) zu. Zum
Glück erfolgte inzwischen der Sturz Napoleons, undHr. v. Baffano dürfte
nun wohl auf sein Geld lange warten können. 15 Millionen, das war
auch die Summe welche die Suezcanal-Gesellschaft bei einem Geschäft an-
derer Natur, aber nicht weniger schwindelhaft, vom Khedive zu erlangen
wußte. Diese saubere Gesellschaft hatte sich ihrer Zeit von dem erbärm-
lichen Franzoftnschmeichler Said Pascha daS Recht der zollfreien Einfuhr
verleihen laffen, und verstand es nun dieses ganz überflüssige Recht (denn
in Aegypten kann man mit Bestechung der Zollbeamten alles was man
will einschmuggeln) dem Khedive für die genannte enorme Summe zu
verkaufen. Der Vicekönig mochte ihnen erst durch die Finger sehen und
das völlig werthlose seines Ankaufs erkennen, aber es gehörte einmal zu
seinem System Europa glauben zu machen als beständen auch in Aegyp-
ten regelmäßige Zollzustände und unbestechliche Beamte. Sein Charta»
lanismus zwang ihn dieses Opfer zu bringen. Der Vicekönig ist über-
haupt nicht dumm, und durchschaut sehr Wohl die Betrügereien der Europäer.
Da er aber Charlatan ist, so fürchtet er nichts mehr als ein mißliebiges
Wort in einer europäischen Zeitung, wozu die Enttäuschten sich vielleicht
hinreißen laffen könnten.
Ueberhaupt schmeichelt er der Presse und ihren Vertretern, freilich
fast nur der französischen; denn für Frankreich haben einmal diese orien-
talischen Schattenfürsten eine Art abergläubischen Cultus, der jedoch kei-
neswegs ein aufrichtiger ist, sondern etwa ein solcher wie ihn die alten
Aegyptier dem Krokodil, als dem schädlichsten Thier, widmeten. Diefranzösi-
sche Presse ist großsprecherisch, unverschämt und lügenhaft, darum muß sie
nach orientalischen Grundsätzen (denn im Orient imponirt nur Drohung und
Unverschämtheit) gehätschelt, gefüttert und vergoldet werden. Der Khedive
hat übrigens seinen Zweck zuweilen erreicht. Wie lächerlich wurde ihck
-nicht zur Zeit der Canal-Eröffnung in französischen Zeitungen geschmeich elt.
Selbst in deutschen Blättern hat man, wenn auch aus achtbareren Grün-
den, nicht immer über ihn die volle Wahrheit gesagt. Es dürfte aber end-
lich einmal an der Zeit sein die Wahrheit über den gegenwärtigen Zustand
Aegyptens, seinen Fürsten und seine angebliche CÜnlisation bekannt zu
machen.
Diese Wahrheit ist in kurzen Worten folgende. } Der geistige, intel-
lectuelle wie moralische Fortschritt des Landes ist null. Was Europa
nachgeahmt worden ist, besteht in Aeußerlichkeiten oder in noch schlim-
merem. Europäische Wiffenschaft hat bis jetzt noch nicht eindringen können.
Wohl aber hielt die französische Halbwelt ihren Einzug, geführt vom Hofe,
welcher den Bal Mabille als die einzigeUniversität der Civilisation anzusehen
scheint. In der Religion besteht nach wie vor der finsterste Fanatismus.
Auf die Volksmoral kann das schändliche Beispiel des Hofs und seiner
aus Abenteurern gebildeten europäischen Umgebung nur verderblich wirken.
In der Justiz herrscht die alte sprichwörtliche Bestechlichkeit, wonach Kadi
und Rechtsverkäufer gleichbedeutend sind. Der Unterricht beschränkt sich
in Wirklichkeit auf die alten papagaimäßigen Koran-Schulen. Was außer-
dem für Volksunterricht geschieht, ist eine Caricatur Europa's; die vom
Khedive gegründeten höheren Schulen können nichts wirken, da ihnen die
Vermittelung guter vorbereitender Lehranstalten abgeht. Im Handel und
Wandel herrscht die größte Unzuverläßlichkeit oder, besser gesagt, der
schändlichste Betrug, wenigstens was die Matadoren des Kaufmanns-
pandes und überhaupt alle hiesigen Europäer, levantinischen Christen und
Juden betrifft, denn der echte Moslim, der sich unverfälscht von Europäi-
sirung erhält, ist auch hier ehrlich. Was nun endlich die Staatswirth-
schaft betrifft, so ist sie vielleicht eines der größten Räthsel das die National-
ökonomie des Orients in der Gegenwart bietet, Aegypten ist bekanntlich
ein fast unerschöpflich reiches und vielleicht das einzige Land der Gegen-
watt dessen sämmtlicher Bodenertrag Staatseinkommen bildet. Die Ein-
nahmen können nur annähernd, und zwar nur aus ziemlich großer Ferne
annähernd, geschätzt werden, da die Regierung die Wahrheit darüber nie
Verlauten läßt. Selbst die am besten unterrichteten Leute vermochten mir
darüber keine näheren Angaben zu liefern als die daß die Einnahmen auf
200 Millionen Franken angegeben würden, in Wirklichkeit aber sich auf
etwa 300 Mill. belaufen dürften. Wenn man nun bedenkt daß sämmt-
liche einheimische Beamte und Militärs fast nie bezahlt werden, daß folg-
lich die meisten Factoren anderer Ausgabe-Budgets hier de facto weg-
fallen, so wundert man sich wie es möglich ist daß der Khedive dennoch
immer in Schulden steckt, und daß er in den sieben Jahren seiner Regie-
rung eine Schuldenlast von einer Milliarde Franken (wahrscheinlich noch
Viel mehr) auf sich geladen hat. Der Khedive wird zwar gewöhnlich als
ein schlauer Kaufmann und geschickter Ausbeuter seiner Ländereien bezeich-
net, und in der That soll er manche finanzielle Talente besitzen. Sicher
ist es daß der Bodenertrag unter ihm bedeutend zugenommen hat. Aber
die Hauptbedingungen ersprießlicher Finanzen, Ordnung und Sparsam-
keit, sind ihm vollkommen fremd. Nur durch die schändlichste Verschwen-
dung und Verschleuderung der öffentlichen Einnahmen ist die ewig be-
drängte Finanzlage dieses Krösus allenfalls zu erklären. Dennoch bleibt
hier ein Räthsel, deffen Lösung mir nicht gelingen will.
Staats- und Volkswirthschaft, die in andern Ländern Hand in Hand
zu gehen Pflegen, sind hier in auffallendem Gegensatz. Je mehr das
Staatseinkommen wuchs, desto mehr hat das Volkswohl abgenommen. Die
armen Unterthanen, die nun, wie es officiell heißt, keine Frohnden mehr
leisten sollen, dafür aber nur desto drückendere Lasten tragen, leiden das
Unsägliche unter der Zuchtruthe dieser schändlichen Regierung, die gegen
Europäer stets die Worte „Civilisation und Humanität" im Munde führt,
die Eingebornen aber mit einer Härte behandelt von der mir so haarsträu-
bende Beispiele angeführt wurden, daß ich nicht wage sie hier anzuführen,
auS Furcht für einen eingefleischten Pessimisten zu gelten. Wenn der
Orient überhaupt eine Zukunft hat die ihn auS dem Verfall retten soll, so
ist gewiß der Weg welchen die ägyptische Regierung eingeschlagen hat der
allerschlechteste, um ihn derselben entgegenzuführen. In diesen trostlosen
Zuständen haben einige Freunde des Orients ihre Hoffnungen auf ei»
werdendes Gestirn am officiellen Himmel gerichtet, deffen Aufgang freilich
von vielen nicht für wahrscheinlich gehalten wird. Man will nämlich in
dem ältesten Sohne des Vicekönigs eine gründlichere Erkenntniß der Be-
dingungen wahrer Cultur entdeckt haben. Man führt sogar einige bei-
ßende Bemerkungen von ihm über das Marktschreierische und Komödianten-
hafte der „Civilisation," die sein Vater einführt, an. Inwiefern diese Hoff-
nung berechtigt ist, wird freilich erst eine ziemlich ferngerückte Zukunft
lehren. So viel aber können wir ihm jetzt schon prophezeien: daß kein
Fürst Aegypten civilisiren wird der nicht als erste Aufgabe die Befferung
des Looses der Fellahs, und die Erleichterung des harten Looses das auf
ihnen lastet, sich setzt. Wann wird Aegypten je einen solchen Fürsten
erhalten?
Ueber HanS Holbeins Jugend-Arbetten.
* München, 25 Oct. Bei dem großen Interesse welches die
„Mg. Ztg." anläßlich der in München 1869 veranstalteten Ausstellung
von Gemälden älterer Meister besonders in Bezug auf den berühmten
Hans Holbein den Jüngern bekundet hat, dürfte es vielleicht gestattet sein
in demselben Blatt auf eine unlängst in v. Zahns „Jahrbüchern für Kunst-
wissenschaft" publicirte Forschung aufmerksam zu machen, welche zu dem
verdienstvollen Buche Woltmanns einen wesentlichen Nachtrag liefert und
überhaupt für die Geschichte der deutschen Malerei von großer Bedeutung
ist. Dießmal handelt es sich weder um die Dresdener noch um die Darm-
städter Madonna, sondern um die noch immer zweifelhaften Jugend-
Arbeiten dieses Meisters, der Sohn des ältern Hans Holbein, Malers i»
Augsburg, 1498 geboren und 1516 in Basel bereits thätig ist — zunächst
also um die Frage: ob Holbein der Jüngere noch in Augsburg selbst als
Maler nachzuweisen ist, und welche Werke dieser Jugendperiode des Mei-
sters zugeschrieben werden können.
Zwei Altargemälde sind zu Augsburg von einem Hans Holbein, das
eine im Jahre 1512, das andere 1515 bis 1517, hergestellt worden und
als solche sicher bezeugt. Bis zum Jahre 1839 verstand man unter diesem
Hans Holbein durchaus den Vater des in Rede stehenden berühmten Hol-
bein. In dem genannten Jahre 1839 entschied sich der anerkannte Forscher
Waagen, zunächst aus stylistischen Gründen, für den jüngern Holbein als
Maler dieser Tafeln, und seitdem eröffnen die erwähnten Gemälde die
Reihe der Arbeiten deS großen Holbein. Das frühere Bild zeigt die Scene
wie das Christkind an den Händen von Mutter und Großmutter gehen
lernt, das spätere den Mattyrtod des h. Sebastian mit S. Barbara und
Elisabeth, jenes in der Gallerie zu Augsburg, dieses in der hiesigen Pina-
kothek. Damit war Holbein der Jüngere zu einem frühreifen Genie er-
klärt, indem noch immer 1498 als Geburtsjahr dieses Holbein festgehalten
wurde. Woltmann fühlte nun die Unzulänglichkeit der Erklärung aus der
frühen Genialität des Meisters, und brachte auf Grund einer Inschrift an
dem erstern Gemälde 1495 als GeburtsjahrHolbeinS deS Jüngern zur Gel-
tung—ein Datum welches schon ein ftüherer Schriftsteller, aber aus andern
Gründen, aufgestellt hatte. Woltmanns Ergebniß fand allgemeinen Beifall,
bis 1867 Hermann Grimm dasselbe bestritt und insbesondere jene In-
schrift als zweifelhaft darlegte. H. Grimms Beweisführung ist keineswegs
so hinfällig als man dieselbe darzustellen für gut fand, und WoltmannS
Entdeckung der Annalen des St. Katharinen-Stifts von Augsburg
liefert gerade das beste Material für die Argumentation Grimms. Ich
wenigstens muß offen gestehen daß ich auf Woltmanns gewissenhafte Re-
Production hin, die er von den betreffenden Stellen jener Annalen ge-
macht, jene Inschrift für unzuverlässig und für später gefertigt halte.
Näher darf hier auf diesen Streitpunkt nicht eingegangen werden, und ich
lasse deßhalb die Sache dahingestellt, zumal das andere Gemälde, der
S. Sebastian'Altar, ebensowenig für den jüngern Holbein beansprucht
werden kann. Die Eingangs bezeichnete Forschung bei Zahn weist nämlich
wissenschaftlich gewissenhaft die Unwahrscheinlichkeit solcher Annahme ins-
besondere aus dem wichtigen Grunde nach daß ja, falls dieser Altar von
Holbein d. I. herrühre, ein Zusammenhang dieser Arbeit mit der sicher be-
glaubigten Thätigkeit Holbeins d. I. zu Basel vorhanden sein müsse.
Aber selbst Woltmann kann einen solchen nicht aufzeigen, so daß gerade
in stylistischer Hinsicht der berühmte Holbein für demMeister des genannte»
Altargemäldes nicht gelten kann.
Wilhelm Schmidt — so heißt der Verfasser jenes Aufsatzes — legt
mit großer Sorgfalt und kritischer Schärfe die Unmöglichkeit solcher Autor-
schaft Holbeins d. I. dar, und betont richtig daß man in der Behandlung
der ganzen Frage stets das Unwahrscheinlichste statt des menschlich Mög-
lichen und zunächst Liegenden angenommen, den Sohn ohne urkundliche
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Unterstützung zu einem früh entwickelten Ingenium, Len Vater aber, der
zünftiger Meister und damals in den fünfziger Jahren seines Lebens war,
zu einem Maler gemacht habe der solcher Leistung unfähig gewesen, gleich-
wohl aber die überraschend schnelle Entwicklung des SohneS ermöglichte.
Obwohl diese Gemälde mit den Arbeiten des Vaters, keineswegs mit
denen des Sohnes stilistisch im Zusammenhang stehen, hat man sie trotz-
dem dem Vater entzogen und dem Sohn aufgedrängt. Dieselben lassen
sich als höchste Leistung des tüchtigen Vaters, nicht aber als Erstlings»
arbeiten des Sohnes erklären. Der Vater Holbein findet sich deßhalb nach
altem Brauch auf dem Flügelbilde des S. Sebastian-Altars zu Füßen der
h. Elisabeth um Fürbitte betend dargestellt — eine Stellung die außer den
Stiftern nur dem Meister des Werkes vorbehalten zu sein pflegte. Endlich
ward dieser Altar 1515 in Auftrag gegeben, und Schmidt macht auf die
Wahrscheinlichkeit aufmerksam daß nach Künstlersitte schwerlich noch in
dem nämlichen Jahre, sondern erst in dem folgenden die Aufgabe vollführt
worden, wo aber der jüngere Holbein bereits in Basel nachgewiesen ist.
Zu Ende des 1.1515 kann er immerhin schon in dieser Stadt sich nieder-
gelassen haben, was Schmidt für das wahrscheinlichste hält. Und siehe —
in dem nämlichen Heft besagter Zeitschrift theilt der unermüdliche Kunst-
historiker Ed. His-Häusler eine bisher unbekannte Thatsache mit, laut
welcher Hans Holbein d.J. im December 1515 bereits in Basel zweifellos
bezeugt ist. Für die solide Methode W. Schmidts ein selbstredendes Zeug-
niß. EL ist dieß einer der seltenen Fälle wo das Ergebniß der vergleichen-
den Kunstforschung durch eine urkundliche Notiz gesichert und unbestreitbar
gemacht wird. Möge es bald gelingen Klarheit und Sicherheit über die
berühmte Madonna von Holbein d. I. zu Dresden und Darmstadt zu er-
langen —ein Werk welches den Namen des jüngern Holbein unter die größten
der deutschen Maler gesetzt hat, und gewiß allein schon hinreicht diesen
Künstler unsterblich zu machen, wenn auch die beregten Augsburger Ge-
mälde nicht ihm, sondern seinem Vater zugeschrieben werden müssen.
Br. I. A. Meßmer.
Deutschland.
-- München, 23 Oct. Der großartige Völkerkampf, welcher, wie
wir hoffen, in sein letztes Stadium eingetreten ist, hat alle friedlichen
Beschäftigungen in den Hintergrund gedrängt. Wie sollte da nicht auch
in den Ateliers und Werkstätten der Künstler Ruhe, ja eine fast unheim-
liche Stille herrschen, wo durch den raschen Gang der Weltereignisse alle
Gemüther in höchste Spannung versetzt sind, und die nöthige Sammlung
und Ruhe des Geistes, die ungetrübte Heiterkeit der Seele fehlen, welche
das künstlerische Produciren sowohl als der Genuß eines Kunstwerkes
unumgänglich erheischen? Und doch sahen wir unsern Meister Halbig
mitten im Kriegslärm unablässig beschäftigt. Galt es doch seinem vor
zwei Jahren dahingegangenen Bruder, dem Bildhauer A. Halbig in Wien,
«in Denkmal zu setzen, welches auch den späten Geschlechtern von der inni-
gen Liebe Zeugniß geben sollte die beide ihr ganzes Leben hindurch echt
brüderlich umschlang. In der That ist dem Meister dieses Standbild in
so hohem Grade gelungen wie kaum ein anderes, so lebendig, so natürlich,
so individuell steht der Verewigte da, wie wir ihn hundertmal in seinen
Ateliers zu Würzburg und zu Wien mitten in seinen Entwürfen und Ar-
beiten selbst gesehen und beobachtet haben. Die neun Fuß hohe Statue,
welche aus der Nische einer gothischen Capelle hervortritt, ist von hinreißen-
der Wirkung, und man sieht in der ganzen Haltung und Bewegung wie
das Herz und der Geist des Bruders harmonisch zusammengearbeitet
haben um den Vollendeten im prägnantesten Ausdruck seines ganzen
geistigen Wesens und künstlerischen Schaffens der Nachwelt vorzuführen.
Der Erbauer des großartigen Altars der Votivkirche in Wien, der Mann
welcher den größten Theil seines Lebens auf Nestaurirung von gothischen
Monumenten und auf den innern gothischen Schmuck von Kirchen ver-
wendet hat, und zwar zu einer Zeit wo der Gothicismus erst anfieng
durchzudringen, verdient es auch daß sein Bild, wie er leibte und lebte,
wie er schuf und arbeitete, der spätern Zeit überliefert wird. Es ist ein
köstliches Kunstwerk dieses Standbild aus Kelheimer Marmor, und es wird
dasselbe mir seiner prachtvollen architektonischen Umrahmung aus UnterS-
berger Marmor auf dem Kirchhofe von Penzing bei Wien unserm dort so
gut gekannten Meister die verdiente Anerkennung in den Kreisen der
Künstler und Kunstkenner in hohem Maß erwerben. — Ein anderes im-
posantes Grabdenkmal aus Halbigs Atelier wird für das Allerseelenfest
unsern Composanto qytf dem südlichen Friedhofe schmücken. Es ist das deS
Hauptmanns Gradinger mit dessen hochreliefirtem Medaillon in Carrara-
Marmor auf einem byzantinischen Aufbau von schwarzem Marmor, der
in den schönsten Verhältnissen und feinster Gliederung aus einer weißen
Marmorunterlage kräftig und doch höchst edel hervortritt. Wir'glauben
daß dieses Monument ebensosehr durch sein trefflich charakterisirteS und
lebensvolles Medaillon als durch seine äußerst wohlthuende inchiteftonische
Silhouette als eines der hevorragendsten gelten wird. Schlichllch mache
ich noch auf die äußerst fein durchgeführte und zum Sprechen ähnliche
Carrara-Marmorbüste des Generallieutenants v. d. Mark aufmerksam,
welche dessen Grab im alten Friedhofe schmückt und Halbigs längst be-
kannte Meisterschaft wiederholt bekundet.
« Mannheim, 22 Oct. Die holländischen Krankenzelts und
Baracken sind vom Exercierplatz unserer Stadt verschwunden, auch die
übrigen Lazarethe vor den Mauern geleert, und die Kranken in die besser
heizbaren, ebenfalls luftigen Räume des Schwetzinger Schloßgartens ge
bracht. Daß von Virchow, den Schweizer Aerzten u. s. f. unsere Laza
rethe mit reichlichem Lobe bedacht worden sind, dazu hat diese Hülfe aus
den Niederlanden redlich beigetragen. Es war daher nur verdiente Aner-
kennung daß der hiesige Hülfsverein und die städtische Vertretung bei
einem Abschiedsmahl ihr den wärmsten Dank ausdrückten, und daß in huld-
vollster Weise die Frau Großherzogin als Beschützerin des Frauenvereins
den Aerzten und Pflegerinnen ihre Anerkennung aus sprach. — Die Ein-
zelvererne des rheinischen Kunstvereins, welche während des Kriegs dop-
pelt mühevolle Arbeit hatten, hielten zu Anfang dieserWoche ihr General-
comite zu Heidelberg. Das Ergebniß des ablaufenden Jahres wurde für
so ermuthigend gehalten, daß der Fortbestand des Gesammtvereins auch
für das nächste Jahr ausgesprochen, und unsere Stadt zum nächsten Vor-
ort bezeichnet wurde. Die Ausgaben der sieben Vereine für Ankäufe,
Kunstblätter u. s. f. bezifferten sich auf rund 15,000 Gulden. Der weitere
Anschluß des Kunstvereins zuHanau ist im Werden, und auch die Wieder-
gewinnung der nunmehr deutschen Straßburger in Aussicht genommen.—
Heute wurde der Karnpf um die Besetzung der Oberbürgermeisterstelle durch
geheime unmittelbare Abstimmung beendigt. Von der liberal-conservati-
ven, bzw. national-liberalen Bürgerschaft wurde der bisherige Oberbür-
germeister Achenbach vorgeschlagen, ein in zwölfjähriger Amtsverwaltung
überhaupt, insbesondere aber durch seine Anstrengungen in den kritischen
Zeiten des letzten Sommers vielfach um die Stadt verdienter Mann. Die
demokratische Partei hatte den ehemaligen Abgeordneten, KaufmannMoll,
in Aussicht genommen. Von den Stimmberechtigten erschien etwas
über die Hälfte, und von diesen erhielt Hr. Moll über zwei Drittel Stim-
men. Da von den folgenden Abstimmungen zur Wahl der Gemeinde-
räthe u. s. f. ein anderes Ergebniß nicht zu erwarten steht, so wird für
die nächsten sechs Jahre unser städtisches Regiment ein demokratisch ge-
färbtes sein.
V Vom Rlhein, 25 Oct. Die Kriegsbilder welche der bekannte
Zeichner und Literat L. Pietsch seit Beginn des Krieges in die „Vossi-
sche Zeitung'* schreibt, haben sowohl in Berlin als in Süddeutschland
vielfach Anstoß, ja Entrüstung erregt durch den Hohn mit welchem der
Verfasser deutsches Wesen im Gegensatz zu dem von ihm verherrlichten
französischen überschüttet. Von den boshaften Ausfällen auf die bayeri-
schen Truppen ist mehrfach in süddeutschen Blättern Notiz genommen
worden. Aber auch ganz im allgemeinen tritt er Recht und Wahrheit zu
Boden, wenn er z. B. sagt: „Daß Frankreich uns umsonst mit ein- oder
zweimaligem Schütteln in den Schooß fallen und auch der ganze militär-
rische Charakter seines Volkes sich als eitel Humbug erweisen würde, war
denn doch eine zu sanguinische Selbsttäuschung des „sittlichen" Germanen-
thumS, welches allmählich an Selbstüberhebung und Energie der Selbst-»
beräucherung keinem„Wälschen" mehr etwas nachzugeben beginnt." Diese
Abneigung gegen germanische Sittlichkeit kann man nur begreifen wenn man.
weiß daß derselbe Verfasser sich seit Jahren eine Aufgabe daraus gemacht
hat in Paris, Trouville und besonders in Baden-Baden das Treiben
der französischen Halbwelt zu studieren und mit sichtlichem Behagen in
den Spalten der „Vossischen Zeitung" zu schildern. Mit ähnlichem Pa-
triotismus und gleicher Wahrheitsliebe behauptete er in seinen jüngsten.
Kriegsbildern: alle Nachrichten über das feindselige Auftreten der Fron»
zysen gegen die deutschen Armeen seinen unwahr; vielmehr finde man-
in Wirklichkeit die Franzosen voll zuvorkommender Freundlichkeit und»
Höflichkeit. Wenn im Anfang des Kriegs aller Orten mit Recht gegen,
diejenigen deutschen Damen geeifert wurde welche sich den französischen
Gefangenen freundlicher erwiesen als unsern eigenen Kriegern, so darf
doch wohl dieses viel ärgere Gebühren eines leichtfertigen Literaten nicht
ungerügt hingehen, dessen malitiöse Auslassungen leider durch rin viel«
gelesenes Blatt Verbreitung gefunden haben. Zum Glück ist, trotz der
Masse von Geschäften welche der deutschen Kriegsleitung obliegen, daö
Treiben des Hrn. Pietsch der Aufmerksamkeit des Obercommando's dek
dritten Armee, bei welchem derselbe sich eingenistet hatte, nicht entgan-
gen. Eine Verwarnung ist au ihn erlassen worden, in Folge deren er
versprochen hat die anstößigen Stellen seiner Aufsätze öffentlich zu wider-
rufen. Ob dieß bereits geschehen ist, wissen wir nicht; wohl aber ersehen,
f wir aus seinen jüngsten Berichten daß er es plötzlich vor Paris zu larrg-
1 wellig gesunden und deßhalb eineRückwärtsconcenttirung nach Toul und
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Straßbmg angetreten hat. Wir dürfen wohl annehmen daß dieselbe
mit jener Verwarnung im Zusammenhang steht.
r, Bremen, 23 Oct. Die hieher ergangene Aufforderung des
Bibliothekars Dr. Barack aus Donaueschingen, sich der Wiederherstellung
der Straßburger Bibliothek thatkräftig mitanzunehmen, fällt hier auf
ffchon vorbereiteten Boden. Nicht allein hatte der „Naturwissenschaftliche
Verein" in seiner letzten Sitzung beschlossen zu diesem Zwecke seine
Doubletten und eigenen Publicationen zur Verfügung zu stellen, sondern
auch der Verein der hiesigen Bibliotheken hatte sich bereits mit der Angelegen-
heit beschäftigt, und beschlossen nach außen hin Anknüpfungen zu suchen,
damit ein gemeinsamer öffentlicher Schritt geschehen könne. Auf Dr.
Baracks Schreiben ist der Stadtbibliothekar Br. Kohl vom Bibliothek-Verein
beauftragt worden den fraglichen Aufruf in deffen Namen mitzumüer-
zeichnen. Indessen wünscht der Verein daß der Aufruf jedenfalls nicht
bloß an die Bibliotheken, sondern auch an sämmtliche wissenschaftliche
Vereine und Verlagsbuchhändler Deutschlands erlaffen werde. Außerdem
möchte er, sobald als es irgend angeht, authentische Auskunft darüber
haben wie es mit der Straßburger Bibliothek eigentlich steht, ob wirklich
auch die werthvolleren Sachen alle zu Grunde gegangen und in welchen
Händen die Verwaltung künftig sein werde. Ein anderer Vorschlag zu Gun-
sten Straßburgs wird heut' im „Bremer Hdbl." entwickelt, anscheinend von
Pros. Emminghaus in Karlsruhe: eine große deutsche Häuserbau-Actien-
gesellschaft sich an dem Wiederaufbau des zerstörten Quartiers betheiligen
zu lassen. Endlich hat auch der Antrag des Senats an die Bürgerschaft,
4000 Thlr. für Straßburg zu bewilligen, zu einem lebhaften öffentlichen
Streit Veranlassung gegeben, ob es nicht besser wäre die Gaben brüder-
licher Gesinnung und menschlichen Mitgefühls mindestens in demselben
Maße den Elsäßer Dorfgemeinden, insbesondere dem unglücklichen Frösch-
weiler, zufließen zu lassen. Es ist wahrscheinlich daß sich in Folge deffen
«in eigener Hülfsverein für das übrige Elsaß bilden wird; der für Straß-
burg hat bis jetzt etwa 3000 Thlr. gesammelt. Der Herausgeber des
„Norddeutschen Protestantenblattes," Pastor Dr. Mauchot, ist durch die
Zeitereignisse bewogen worden die vortreffliche Gedächtnißrede des Pro-
fessors Baum in Straßburg auf den dortigen großen Bürgermeister
Simm aus der Reformationszeit neu herauszugeben.
M s n e ft e P o fk - rr.
München, 27 Oct. Der k. sächsische Gesandte am hiesigen k. Hof,
Graf v. Könneritz, hat einen Urlaub angetreten, und der Gesandte des
Norddeutschen Bundes, Frhr. v. Werthern, interimistisch die Leitung der
k. sächsischen Gesandtschaft übernommen. — Der Herzog Max Emanuel,
Bruder der Kaiserin von Oesterreich, hat vom König von Preußen das
Eiserne Kreuz zweiter Classe erhallen. — Der Belagerungsstand der Fe-
stungen Germersheim und Landau ist aufgehoben, und beide Festungen
find in den Kriegszustand versetzt.
* Angöburg, 27 Oet. Aus zuverlässiger Quelle geht uns der
französische Wortlaut der im heutigen Hauptblatt nach der „Jnd. Belge"
mitgetheilten Proklamation des Generals v. d. Tann zu. Die von uns
geäußerten Zweifel an der Echtheit dieses Actenftücks sind damit beseitigt.
(—) Berlin, 25 Oct. Die italienische Regierung soll sich jetzt
gleichfalls der von Oesterreich unterstützten Vorstellung des brittischen
Cabinets zu Gunsten eines Waffenstillstands zwischen den Kriegführenden
angeschlossen haben, und, wie es heißt, hätte auch der Kaiser von Ruß-
land in einen! an unsern König gerichteten eigenhändigen Schreiben, mit
welchem der dieffeilige Militärbevollmächtigte am St. Petersburger Hof,
Oberst v. Werder, heut auf der Reise in- Hauptquartier unsere Stadt
passirte, seinen Wunsch nach Bewilligung eines Waffenstillstands in war-
men Worten Ausdruck geliehen. Den Anknüpfungspunkt für diese fried-
lichen Bestrebungen wollen die neutralen Mächte in dem Rundschreiben
des Bundeskanzlers gesunden haben, welche- in so ergreifenden Zügen die
furchtbaren Wirkungen einer Belagerung von Paris für die Bevölkerung
dieser Riesenstadt schildert, und welches allerdings in ziemlich faßbarer
Weise einen Theil der-Verantwortlichkeit dafür auf diejenigen Mächte fallen
läßt die durch eine laxe Handhabung der Neutralitätsgesetze unsern bis
zur Ohnmacht entkräfteten Feind in seinem wahnsinnigen Widerstand ge-
gen die siegreiche deutsche Armee bestärken. Um so weniger hatte man
hier erwartet daß das brittische C-abinet unsere gerechten Beschwerden über
seine Parteilichkeit mit einem Schritt beantworten werde der sich zwar an-
scheinend in den Gränzen strenger Neutralität bewegt, in Wirklichkeit aber
nur Wohlwollen für Frankreich und unfreundliche Gesinnungen gegen
Deutschland bekundet. Denn der Rath welchen uns England ertheilt,
fordert nichts geringeres als einen Verzicht auf die unter unsäglichen
Anstrengungen und Opfern errungenen Vortheile deutscherseits, wäh-
rend er Frankreich den Vortheil bietet die Zeit des Waffenstill-
standes zur Ausrüstung neuer Armeen und zur Verproviantirung der
halb ausgehungerten feste» Plätze zu benutzen. Es ist daher auch sehr be-
greiflich wenn die Regierungs-Delegation in Tours sofort mit beiden
Händen zugegriffen und den Waffenstillstandsvorschlag im Princip ange-
nommen hat. Ob von dem Bundeskanzler bereits eine Antwort auf die
kritische Note ertheilt ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist das nicht, da
die osficielle Ueberreichung der Note hier erst am Sonnabend stattgefunden
haben soll, und die Erwiederung darauf wieder von Berlin aus erfolgen
wird, und es. dazu doch zunächst der Einholung von Instructionen aus
dem Hauptquartier bedarf, die fteilich um einen vde7 zwei Tage früher
eintreffen können, wenn Graf Bismarck von dem Inhalt der kritischen
Note direct in Kenntniß gesetzt ist, und wenn er überhaupt Lust hat seine
Antwort zu beschleunigen. Jedenfalls aber läßt sich mit Sicherheit be-
haupten daß die „Jnd6p. Belgs" über dis Intentionen unseres leitenden
Staatsmannes schlecht berichtet ist, wenn sie meldet daß seine angeblich
bereits in London eingetroffene Antwort günstig laute. Dieser Lesart ge-
genüber habe ich einfach auf die auch von der „N. A. Z." bereits consta-
tirte Thatsache aufmerksam zu machen daß der erste Eindruck der Nachricht
von der englisch-österreichischen Vorstellung in den Kreisen der Hauptstadt,
also auch in den amtlichen Kreisen, der eines gewiffen Mißbehagens war,
hervorgerufen durch den Gedanken daß die Einmischung des Auslands zum
mindesten sehr überflüssig sei in einem Augenblick in welchem die schwer-
sten Hindernisse überwunden, und in welchem dieFrüchte derblutigen und
mühevollen Anstrengungen unserer Armee in den letzten sieben Wochen,
Metz und Paris, uns bald zufallen muffen." Das ministerielle Blatt
glaubt indeß das Publicum vollständig beruhigen zu können. „König
Wilhelm, seine Minister und seine Heerführer wissen," sagt es, „den Werth
des vergossenen Blutes und der Anstrengungen der Armee und des Landes
sicherlich zu würdigen, und wo das Schwert und die Feder so einträchtig
zusammenwirken wie in diesem Kriege, wird sie hier dem anderen sicher
nicht hinderlich sein." An handgreiflichen Motiven zu einer ausreichenden
aber geradezu ablehnenden Antwcrtsehlt es auch dem Bundeskanzler durch-
aus nicht,von einem sehr nahe liegenden habe ich schon gestern gesprochen, näm-
lich von der Hinweisung auf die bereits mit dem Marschall Bazaine ein-
geleiteten Friedensverhandlungen, in Bezug auf welche die „Krz.-Z." jetzt
bestätigt daß dieselben nicht nur in vollster Unabhängigkeit von der Regie-
rung der Naüonalvertheidigung, sondern auch im Gegensatz und im Wider-
spruch zu derselben geführt werden. Sollten sich diese Verhandlungen zer-
schlagen und die verbündeten Mächte in die Nothwendigkeit versetzt sein
einer neuen Combination sich zuzuwenden, so würden sie doch vor Bewilli-
gung eines Waffenstillstands immer auf Bürgschaften für die Erfüllung
der gleichzeitig zu unterzeichnenden Friedenspräliminarien zu bestehen, oder
doch wenigstens zu verlangen haben daß ihnen für die Freigebung des
Verkehrs von Paris mit dem übrigen Frankreich die Forts ausgeantwortet
werden von welchen aus diese Stadt beherrscht werden kann. Für ein
anderes Arrangement wird Hr. Thiers, falls er sich wirklich noch ins
Hauptquartier begeben sollte, den Bundeskanzler nicht bereit finden.
Weigern sich die gegenwärtigen Machthaber in Frankreich dieseZugeständ-
nisse zu bieten, so wird in den ersten Tagen des nächsten Monats die Be-
schießung der Pariser Forts unwiderruflich beginnen. An die Beläge-
rungSarmee daselbst werden in den nächsten Tagen 60,000 Schafpelze ab-
gehen. — Sechzig bayerischen Landwehrmännern und zwei Officieren, welche
in voriger Woche in Posen einen 1000 Köpfe starken Kriegsgefangenen»
Transport ablieferten, hatten die Bewohner PofenS aus dem Civil-,
Beamten- und Militärstand ein glänzendes und patriotisches Fest bereitet,
bei welchen! unter dem Klange von Wein- und Bier-Glasern begeisterte
Hoch aus die Könige von Preußen und Bayern und die Verbrüderung
Deutschlands ausgebracht wurden.
Zh Oct. In der morgigen Sitzung des Unterhauses wird
Kerkapvlyr's Budgetvorlage für daä Jahr 1871 nebst ausführlicher einbe>
gleitender Rede erwartet. — In der heutigen Sitzung des Unterhauses
wurde Jranyr's Antrag, die Freilassung Mfletics betreffend, bei nament-
licher Avstimmung mit 126 gegen 89 Stimmen abgelehnt. — Der Fürst-
primas hat an den Klerus und die Gläubigen seinerDiöcese einenHnten»
brief erlassen, welcher Protest gegen die Spoliatwn des Papstes erhebt.—
Der Katholiken-Cougreß zur Organisirung der Kirche wAuiononüe ist heute
hier zusammengetreten. —Die ungarische und rumänische „Intelligenz" (?)
von Hermannstadt in Siebenbürgen hat sich die Sympaty!en der Sieben-
bürger Sachsen für Deutschland zu Herzen genommen, und cm den Reichs-
tagtdeputirten Simonyi ein Begrüßungstelegramm gerichtet für dessen im.
Reichstag eingebrachten Frankreich sympathischen Resolutivasantrag.
London, 24 Oct. Aus Tien-tsin, vom7d., meldet ein Privat-
Telegramm an hiesige Kausmannssirmen: Chinesische Truppen wurden
hieher geschickt. Die Taku-Forts sind armirt und mit Lebensvorräthen
ausgerüstet. Der chinesische Pöbel hat in Faltsun die Capelle in Bstand
gesteckt und zerstört, jedoch verheißen die Provincialbehörden deren Wie^
verhörst ellrmg.
D'riag rcr Z. flott«’fd tK
$tr Kt äfWwitUm vr. & tu
Aufruf.
¥
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f* Marbach, 20 Oct. (Schilkerverein.) Als wir im heurigen Frühjahr die Denkmalslotterie begannen, glaubten wir die Ziehung auf 1 November
d. Js. festsetzen zu dürfen. Gleich widriges Geschick wie auf unsern letzten Aufruf zu Beiträgen vom November 1865 trat abermalen ein, indem ein Krieg kam,
der hemmeud auf deu LooSabsatz einwirkte. Wir sehen uuS hieuach genöthigt zu veröffentlichen daß die Loosflehnnq auf 1 November d. IS. noch nicht vor sich geben kann.
Der Zustand von oft lödtlicher Erschöpfung m welchem unsere kranken und verwundeten Soldaten aus Frankreich in den großen am hiesi-
gen Verbandplatz sich west-, nordwest- und rheinabwärtS theilenden Zügen ankommen, hat uns veranlaßt einen unserer Aerzte abzuordnen
um bis an den HauptabgangSort der hierhergelangenden Kranken von der Belagerungs-Armee bei Metz die Lage der Dinge und die mögliche Abhülfe kennen zu
lernen: Während nun den ganzen Weg entlang an fast allen Halteplätzen durch die treue Thätigkeit der freiwilligen Krankenpflege aus allen Theilen Deutsch-
lands für die Ernährung und Erquickung der Kranken ausreichend gesorgt ist, zeigte es sich daß in der Nähe von Metz die Mittel fehlen den täglich in großer
Zahl abgehenden Kranken für die weite Heimfahrt durch Tag und Nacht ein besseres Schicksal zu gewähren. Alle seitherigen zum Theil wcrthvollen Sendungen
der vaterländischen vereine haben kaum hingereicht den allerschwersten Kranken und Verwundeten die Reise erträglicher zu machen, und da von den hierzu ver-
wendeten Gegenständen niemals etwas zurückkehrte, so konnte die aufopferndste Thätigkeit fast nichts thun um im großen Ganzen den heimkehrenden Opfern des
Krieges die lange Reise weniger qualvoll und verderbenbringend zu machen. Wir haben begonnen turch Absendung von Strohsäckeu und Borräthen von Stroh
ein Material zur Lagerung der Kranken zur Verfügung zu stellen, au dessen Verlust weniger gelegen und dessen fortwährend nöthige Erneuerung leichter ist. Wir
haben demselben Lichter und die nöthigen Gefäße beigefügt. Und nun richten wir an die mit uns zum gleichen Zweck der Hülfe für unsere kranken und verwun-
deten Soldaten verbundenen Vereine die Bitte ähnliche Sendungen in verschlossenen Wagen mit der Bezeichnung ^Lazareth - Gegenstände" mit sicherer Begleitung
nach Nancy, Novsant und Ars zu dirigiren. Ferner richten wir an die Vereine die Bitte längs der Etappenstraße die betreffenden Commandanten und Hülfs-
fiationen in fortwährend ernenerter Kenntniß der Zahl der leeren Betten in den dem Wege nahe liegenden Lazarethen zu erhalten , damit diesenigen deren
Schwäche oder schwere Leiden die weitere Reise verderblich erscheinen lassen, ms den Zügen herausgenommen werden, und vor gänzlicher Erschöpfung in Ruhe
und Pflege kornmen können. An die sämmtlichen deutschen Eisenbahn-Verwaltungen aber möchten wir die dringende Anfforderuug richten durch Einrichtung von
mehr Hospitalzügen nach dem Muster der amerikanischen unseren armen Kranken und Verwundeten die Wohlthat einer gesicherten Heimfahrt, welche jeder von
ihnen durch Pflichterfüllung und Tapferkeit verdient bat, in ausgedehnterem Maße zutheil werden zu lassen. Mit der Bitte an die deutschen Zeitungen>m
Verbreitung dieser Zeilen.
Mainz am 16 Oclober 1870._____________________________________________________Deu Hülfs verein Mainz.
WürNembergische Vereinsdank.
Der BerwaliungSrath der Württembergischen BeretuSbank hatte in feiner Sitzung vom 2 Juli b. Js. befchloffeu eine Einzahlung vou 20 Proe. auf dir
Actien der Bank einzufordern, und als EinzahlnngStermiu deu 1 October d. Js. festgesetzt. Nachdem in Folge der noch im Laufe des Monats Juli eingetretenen
Berhältntffe jener Beschluß suSpendirt worden war, hat nunmehr der BerwaltnugSrath in seiner Sitzung vom 22 d. MtS. beschlossen: den ErnzahlungSteunin auf
den 1 December d. JS. festzusetzen.
Die Actionäre der Württembergischen VereiuSbank werden nunmehr auf Grund des Beschlusses des VerwaltnngSratheS hierdurch aufgefordert die dritte Eru-
zahluug von 20 Proc. oder von
Einhundert Gulden pro Actie
As zum 1 December 1870 gegen Abstempelung der Einzahlung auf den Jntertmsscheinen zu leisten.
Die Einzahlung kaun erfolgen au der Taffe der
Württembergischen VereiuSbank in Stuttgart,
Filiale der Württemb. VereiuSbank in Heilbronv,
HH. v. Erlanger Sk Söhne in Frankfurt a. M.
Stuttgart, den 24 October 1870.
. Der Vorstand der Württembergischen Verrinsbank. (0524-26)
München-Dachauer ActiengeseWast für Maschinenpapier-Fabrikation.
Die dießjäbrige ordentliche Generalversammlung findet
Dienstag den 28 November l. I., Nachmittags Ä Uhr,
tot kleinen Saale deS „MuseumS" dahier statt.
Tagesordnung:
1) Bericht des Aufsichtsrathes;
2) Bericht des Vorstandes, Prüfung und Beschlußfassung hierüber;
8) Feststellung der Dividende;
4) Loosuug zur planmäßigen Heimzahlung des PnoritätS-AnlehenS.
Münchs«, 26 Oclober 1870.
München-Dachauer Äetiengesrüschast für Maschmenpapier-Fabrikation.
Der Vorstand: L. Weinmann.
Karl Rust' Frauenbücher! ]
Verlag von C'duard Trewendt in BreSlau. j
(9547) So eben erschien und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Hauswirthfchafts-Lexikon j
von !
Karl Nuß. j
8. Elegant in illustririem Umschlag mit vergoldeter Rückeupreffung gebunden.
Preis 1 Thlr.
Mit diesem Band ist die Reihe der Fraueubücher von Karl Nuß vollendet. Das was zur
Führung einer gedeihlichen, sauberen und dabei möglichst wohlfeilen HauSwirihfchast wesentlich noth-'
^ wendig ist, Rathschläge für Haus. Hof, Keller und Herd, energische Bekämpfung vielgepriesener Ge-
heimmittel, und dieß alles in alphabetischer, den praktischen Gebrauch ungemein erleichternder Reihen-
> folge, da« ist die Aufgabe des auf dem Gebiete der Wirthschaft wie der Natur durch seine writoer-
»breiteten, populären Schriften hochbedeuteudru Verfassers. »
Die früher erschienenen Bände Fraueubücher sind: !
UalnrwiflcnschaMchc Blicke ins tägliche Leben. TZ
1 ©nt gedruckten Holzschnitten. Gctav. Elegant in illustnrtem Umschlag mir vergoldeter Lücken-
Pressung gebunden. Preis 1 Thlr.
RathZeber auf dem Wochenmarkt.
in illuftr. Umschlag mit vergoldeter Lückenpresung gebunden. Preis 1 Thlr.
Waaren Kunde für dir Frauenwelt. »T«2&1
mittel. — Zweiter Theil: HauSwlrthfchaftS-Gegeustände. — Dritter Theil: Arznei- und ±
Fardewaarru. — Toiletteu-Gegenstasde oder ÄrrschönernngSmittel. Dctav. Elegant, in ö
illustr. Umschlag mit vergoldeter Riickenpreßung gebunden. Preis für Heden Theil 1 Thlr.
Aus letzterem Werk ist auch gesondert zu haben:
Arznei- nnd Farbewaaren. Vctav. Lieg. gebdn. Preis 20 Agr. — Toiletten-Gegenstände'
oder Verschönerungsmittel. Getan. Eleg. gebunden. Preis 15 Agr.
Im Verlag der Umerzerchuelen ist erschienen
uud durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Cnmu
Ferdinand Gregorovius.
Zweite durchgesehene Auflage.
Zwei Bände.
Gebunden in einem eleganten Leinwand-
baude
fl. 6. 12 kr. oder Nthlr. 3.
Dieses Werk fand nach seinem ersten Erscheinen
mich außerhalbDeutschlandS lebhafte Anerkennung.
ES verbreitete sich schnell in Uedersetzungen in Eng-
land, Amerika und Italien. Die unterzeichnete
Derlagshandlung hat es in einer schöneren Aus-
stattung und in gefälligeren: Format neu aus-
gegeben, so daß sich diese Ausgabe auch zu Fest--
geichenkeu besonders eignen wird. Die Vendetta-
Novellen der ersten Ausgabe stufe um eine längere
vermehrt worden. Es ist sonst kaum mehr nörhi»
auf den reichen Inhalt dieses lebendigen Gemälde
der Insel, ihrer Heldengeschichte bis zur Jugend-
zeit Napoleons, ihrer Gebräuche und bezaubernden
Natur aufmerksam zu machen, wie auf die darin
enthaltenen Vücerr oder Todtenklagen, die Scenen
aus der Hirtenwelt, dieBilder der corstschen Städte,
oder die Landschaften aus den: Granrtgebirg und
vom Strand der entzückenden Golfe. Das Buch
^Corstca" hat die ganz echte Frische deutscher
Wanderlust; wie eS in unserer Gegenwart über-
haupt eine erfrischende und veredelnde Lectüre ist,
so wünscht die Verlagshandlung eS zuiual in den
Handen der aufstrebenden deutschen Jugend zu
sehen.
Stuttgart. (327)
3. H. Lotta'sche Suchhandlung.
(9520) Io der Wagnerischen Universitätsbuchhandlung in Innsbruck ist erschienen:
Acte Imperii selecta.
Urkunden deutscher Könige und Kaiser mit einem Anhange von
Reichs Sachen.
Gesammelt von Joh. Fr. Böhmer, herausgegeben aus seinem Nachlasse.
Lex.-8. LXV und 931 S. fl. 15. öaterr. Währg. = Thlr. 10.
Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte
Italiens.
Von Br. Julius Ficker,
Professor an der k. k. Universität Innsbruck,
III. Band. 1. Abthlg. gr. 8. 370 8. fl. 3. 60. öst. W. — Thlr. 2. 12 Ngr.
(I, u. IL Band. 1863—1869. fl. 9. 85 kr. öst. W. — Thlr. 6. 17 Ngr.)
yy Das Werk wird mit der 2. Abtheilung des III. Bandes geschlossen sein. jfäfii
Platonische Studien
von <Jos«*ibIsl ISteger, '
Professor am k. k. Gymnasium zu Salzburg.
II. Heft: Die platonische Tngendlehre. 8. 67 8. 80 kr. öst. W. = 16 Ngr.
(I. Heft: Die Sophistik und die platon. Dialektik. 1869. 8. 79 S. 80 kr. öst W. = 16 Ngr.)
Das Dogma von der zeitlichen Weltschöpfung
gegenüber der natürlichen Erkenntniss,L
mit besonderer Berücksichtigung der Polemik Oischingers und Dier ingers1gegen Kleutgen
und die Scholastik.
Von Ferd. Al. Stentrup, 8. J.,
o. ö. Professor der Theologie an der k. k. Universität Innsbruck.
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Dieses seit 1861 in seinen früheren Auflagen •
von der literarisch-artistischen Anstalt unserer Buch-
handlung in München herausgegebene Werk ist
feit dem Herbst vorigen Jahrs in unseren hiesigen
Verlag überaegangen; und, da die dAtte 1866
erschienene Auflage letzt vergriffen, die vierte
für den „Verein zur Verbreitung guter Volks-
bücheriu Bayern" 1869 gedruckte nicht in den
Buchhandel gelangt ist, so haben wir unS ver-
anlaßt gesehen, vorliegende fünfte Auflage zu
veranstalten, eine Thatiache welche für sich allem
schon als Empfehlung des Buches bezeichnet wer-
den darf, abgesehen von der großen Zahl anerkennen-
der Beurtheilungen welche von Schulmännern,
Pädagogen und anderen Notabilitäten Deutsch-
lands über dessen Werth veröffentlicht worden sind.
Sie stimmen alle darin überein daß es als ein
in edlem Volkston gehaltenes auf religiöser rein
christlicher" Grundlage ruhendes Werk m verhält-
nißmäßig kleinem Raume einen ungewöhnlich
reichen Schatz von Angaben und Ausschlüssen über
das Wissenswertheste aus den drei Naturreichen
sammt den Beziehungen zu Kunst, Gewerbe uud
täglichem Leben biete, und sich für die Zwecke deS
Schulunterrichts wie für die häusliche Unterhal-
tung nnd Belehrung in gleichem Grade nützlich
und befriedigend erweisen müsse: Der seitherig
Erfolg hat diese Annahme in glänzender Werfe
als richtig erwiesen, und wir erwähnen bezüglich
der neuerr Auflage rrur kurz daß bei derselben
verschiedene Capitel eine durchgreifende Verbesse-
rung erfahren haben, statistische Angaben nach
Möglichkeit dem neuesten Stande der Verhältnisse
angepaßt wurden, und aus dem anthropologischen
und zoologischen Theile sorgfältig alles entfernt
blieb war Eltern, Lehrer unv Lehrerinnen abhal-
ten könnte das Buch jungen Mädcheir ebenso uu-
bedenklich in die Hand zu geben wie Knaben oder
Erwachsenen derber Geschlechter. So möge es
denn fortfahreir in immer weitereil Kreisen das
zu werden was es in einzelnen Theilen Süd--
deutschlandS bereits geworden, ein beliebtes
HauS- und Schulbuch, uud als solches ein
wahres Volksbuch. 1396)
Stuttgart, Ocrober 1870.
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Unter HÄweiS auf unsere BckauLtmachungen vom 4 Juli, 13 September und 5 November 1667 und in Gemäßheit des §. 6 de- Aller-
höchsten Privilegiums vom 2 August 1858 erklären wir hierdurch die abhaudeugekommenen 7 Stück PrioritätS Obligatwneu unserer Gesellschaft
sud Nr. S140, 5163, 6238, 8470, 6480, 11,319, 44,827 im Nennwerihe von je 200 Thlru. nebst deu Anweisungen zurEm-
pfauguahme weiterer Zins-Coupon? fär ungültig und nichtig, nachdem diese Wertpapiere LiS jetzt weder eingeliefert, noch auch etwaige Rechte
auf dieselben angemeldet worden find.
Wir bemerken gleichzeitig dass wir nunmehr für die früheren Inhaber au Stelle der obenbezeichneten Stücke neue ObligationS.Docnmeute ausfertigen lasses
werden. — Köln, dm 24 October 1870. (9563) Die Direktion.
K. k. priv. FctiengeseUschast der Ueumarkt-Nred-öraunauer Lahn.
Mnfiiiifmrg der GefsüschafL rmd MufforderNng an die Gläubiger, sowie die Inhaber Der
Metren - JnterimsschsLne.
Nachdem die außerordentliche Gmeral-Verfammmlung der Actioväre am 29 September 18<0 die Auflösung der Gesellschaft und die Uebertragung der Cou-
ce'sion au die Kaiserin ZUsaberh-Badn beschlosst«, di ffer Beschluß auch, so wüt ersorderüch, die Genehmigung der Staatöregierurg rrhalieu hat, wird derselbe zur
öffentlichen Kenntniß gebracht, und werden zugleich iuGemäßbrrt de« Hand l?grsttzbvchs die Gläubiger der Gesellschaft aufgefordert ihre Ansprüche an die Gesellschaft bei
dem bestellten Liquidator, Hrn. ReichSrath Grafeu Max zu Arco-Valley iu Müncheu oder dessen Stellvertreter Hin. Robert v. Froelich zu
München, anzumelden.
In Gemäßheit des mit der Kaiserin Elisabeth Bahn abgeschlossenere, von der genannten General-Versammlung genehmigten Vertrages werden zugleich die In-
haber der im Umlauf befindlichen JnterimSfcheiue zu deu Aclieu unserer Gesellschaft eingeladen diese JnterimSscheme am 1 November 1870 bei ciuer der
folgenden Stellen:
1. der Liquidatur der Kaiserin Glisabeth-Bahrr zn Wien,
2. der bayerischen Vereinsban? in München,
3. der Ban? für Oberöfterreich und Salzburg in Linz
einzureichen, trat gegen Aushändigung derselben den Betrag der darauf geleisteten Einzahlungen uebst den anhaftenden ftinfproceutigen Zinsea dis zum 1 November
18'0 und dem sernnbarten Aufgrlde von fi. 15. öst. W. Silber per Actie baar iu Empfang zu nehmen.
Die Umrechnung der gelammten Zahiungsbeträge öst. W. Silber irrest. W. (Staats- oder Banknoten) erfolgt _ta Wien und Linz nach dem letztbekanutev
uud
vorbehalteu.
Der VerwsltrmgsraLh.
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Ried, deu 26 October 1870.
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welche die Geschichte. Geographie, Sprache, Literatur, Religion, Kirche, bildende Kunst, Musik, Theater,
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griechische Encyklopädie bilden, wir sie bis jetzt die Literatur keines Volkes anfzuweiseu hat.
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von C. Bollä iu Manchester. — Duckhams fydrvflatischr Waage. Mit Abbild. — Ueber ein ueueS
Aneroid-Barometer, bestimmt zu barometrischen Höhrumeffungeu; von I. Goldfchmid, Mechaniker in
Zürich. Mit Abbild. — Ueber eiue zweckmäßig« Abänderung der Bunseu'schen Kette; von D. Laschi-
uoff in Petersburg. MitAbbild. — Lagilkardai'S selbstthätiger Heber. Mit Abbild. — Apparat zur
Auslaugung; von Franz Ritter von Schwiud. Mit Abbild. — Notizen aus der Adalbert-Eisenhütte in
Kladuo; von Johann Zeman. Mit Abbild. — Notizen über Eisenemaillirev. — Ueber die Einwirkung
des Wafferdauipsts auf das Eisen und des Wasserstoffes auf das Eisenoxyd; von H. Sainte-Tlaire
Deville. — Beiträge zur Chlorirnetrir; von Dr. Clemens Winkler. — Chemisch-technische Notizen;
von Prof. Dr. H. Schwarz in Graz. (Ueber rin abweichendes Verhalten des MahreubergrrMagnrsi!«. —
Ueber den Wocheinit. — Ueber Darstellung des chromsanren Kal.'s. — Ueber die Zersetzung des Chlor-
kalinms durch schwefelsaure Magnesia.) — Nene Methoden der Gknußwaffkr-Brialysr; von Dr. Alexander
Müller. — Ueber die saure Natur der im Fluß- und Quellwaffer befindlichen organischen Etofft; von
Prof. F. Stolda in Prag. — Einfaches Verfahren, Laü-tberzng uud v^rgl. von verzinntem Blech abzu-
lösen; von Dr. H. Emömann in Stettin. — Beschreibung der von Albert KieSlrr und Comp, iu
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Waaren; von Jugenitur P. ZreSler. Mit Abbild. — Darstellung condeufirter Milch; von Prof. Dr.
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,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Holbein-Ausstellung zu Dresden 1870.
Angeregt durch den lange schon gehegten und oft ausgesprochenen Wunsch aller Kunstfreunde
und Kunstforscher, die Werke Hans Holbein’s des Jüngeren, neben Albrecht Dürer des grössten
unserer deutschen Meister, einmal möglichst zahlreich an einem und demselben Orte versammelt
zu sehen, haben die Unterzeichneten den Plan gefasst, im Laufe dieses Jahres eine Holbein-
Ausstellung in Dresden zu veranstalten.
Dem Unternehmen darf umsomehr ein gesicherter Erfolg versprochen werden, als zwei hohe
fürstliche Persönlichkeiten, in bewährtem Antheil an deutscher Kunst, S. K. H. der Prinz Georg,
Herzog zu Sachsen, und I. K. H. die Prinzessin Carl von Hessen und bei Rhein, das Protectorat
der Holbein-Ausstellung mit der dankenswerthesten Bereitwilligkeit übernommen haben.
Die hohe Fürstin, Besitzerin des ersten Exemplars der auch in der Königlichen Gemälde-
gallerie zu Dresden befindlichen „Madonna mit der Familie des Bürgermeister Meyer,“ hat dieses
Bild in huldreichster Weise der beabsichtigten Ausstellung zugesagt.
Der schon oft, namentlich seit der vorjährigen Ausstellung des darmStädter Exemplars in
München lebhaft gewünschte unmittelbare Vergleich dieser beiden berühmten Bilder, welcher
hierdurch ermöglicht wird, muss allein schon den lebhaftesten Antheil aller Kunstverständigen
nervorrmen.
Um jedoch ausserdem die Schöpfungen Hans Holbein’s d. J. in möglichst reicher Anzahl zur
Anschauung zu bringen, richtet das unterzeichnete Comite an alle Directionen öffentlicher Samm-
lungen, sowie an alle Besitzer von Gemälden oder Handzeichnungen dieses Meisters die ergebenste
Bitte, dieselben im Interesse der Verherrlichung des grossen deutschen Meisters und der genaueren
Kenntniss seiner Wirksamkeit dem unterzeichneten Comite zu der bezeichneten Ausstellung gütigst
anvertrauen zu wollen.
Die näheren Bestimmungen bittet man aus dem beigefügten Programm ersehen zu wollen.
Dresden, den 1. Juni 1870.
Das Comite der Holbein-Ausstellung zu Dresden.
Dr. Julius Schnorr von Carolsfeld in Dresden,
Vorsitzende.
Prof. J. Felsing in Darmstadt,
Adolph Bayersdorfer in München.
Geh. Reg.-Rath Dielitz in Berlin.
Dr. Eitelberger von Edelberg in Wien.
Dr. Hermann Hettner in Dresden.
Eduard His-Heusler in Basel.
Prof. Dr. Julius Hübner in Dresden.
Friedr. Lippmann in Wien.
Dr. Carl 8chnaa.se in Wiesbaden.
B. Suermondt in Aachen.
Prof. Dr. Alfred Weltmann in Carlsruhe,
Dr. A. von Zahn in Dresden,
Secretair.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
PROGRAMM.
-----------------
1. Die Holbein-Ausstellung ist bestimmt, eine möglichst vollständige Vereinigung von
Original-Arbeiten
Hans Holbein’s d. J.
vorzuführen. Aufgenommen werden ausserdem nur Werke von anderen Künstlern der Familie
Holbein, denselben zugeschriebene Arbeiten und Vervielfältigungen. Das Comitd behält sich vor.
zur Ausstellung ungeeignete Kunstwerke zurückzuweisen.
2. Die Ausstellung findet in dem zur Königlichen Gemäldegallerie gehörigen nordöstlichen
Zwingerpavillon zu Dresden vom 15. August bis 15. October d. J. statt.
3. Die Anmeldungen der einzusendenden Kunstwerke bittet man bis zum 15. Juli unter
Benutzung der gedruckten Anmeldeformulare, welche von allen Mitgliedern des Comitös ausgegeben
werden, oder vom Secretair desselben zu beziehen sind, unter der Adresse des Letzteren:
Hof rath Dr, von Zahn.
Dresden, Ammonstrasse 83.
zu bewirken. Die Einsendungen der Kunstwerke selbst werden bis spätestens den 1. August unter
der Adresse:
An die Direction der K. Gemiild er/aller ie
Dresden, Museum.
erbeten.
4. Das Comite trägt die Kosten der Zu- und Rücksendung als Frachtgut, einschliesslich der
Transportversicherung nach dem von den Besitzern anzugebenden Werthe. Wegen Eilgut- oder
Postsendungen bedarf es besonderer Uebereinkunffc.
5. Die Kisten werden von einer Commission von Sachverständigen sowohl bei der Eröffnung
als unmittelbar vor der Schliessung derselben bei der Rücksendung untersucht und der Befund zu
Protocoll gegeben. Das Comite übernimmt die kostenfreie sorgfältige Verpackung bei der Rück-
sendung. Dem Eigenthümer steht es frei, selbst oder durch Vertreter dem Aus- und Einpacken
beizuwohnen. Eine Garantie gegen Beschädigung während des Transports ausser der Werth-
versicherung übernimmt das Comite nicht.
6. Die eingesandten Kunstwerke werden sofort nach Schluss der Ausstellung den Bestimmungen
der Absender gemäss zurückgesendet.
---,-y!-------------
I
Dresden, Druck von C. C Meinhold .V Söhne, K. Hosljuchdruckerei.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
A
aus : Weimarische Zeitung, Nr.198, 1871, Aug.24, S. 2-3
Von der Holbein Ausstellung in Dresden.
Gestatten Sie mir, Ihren Künstlern und Kunstfreunden
einen vorläufigen Bericht von der mit so großer Spannung
erwarteten Holbeinausstellung zu geben, wenigstens von den
ersten Eindrücken jenes schon so lange geförderten, nun endlich
vollendeten Ereignisses, das schon vorweg die Kunstwelt
Deutschlands und Englands in die größeste Aufregung/ver-
setzte — der Konfrontation der Dresdener und der Darm-
städter Madonna. Sie ist vollzogen: die beiden göttlichen
Frauen sind vor den Schranken des Gerichts erschienen, das
schriftliche Verfahren ist geschlossen und die Hauptverhand-
lung beginnt. Die bisher ergangenen Akten und Aufzeich-
nungen über die Verhöre hat Professor Fechner in einem
trefflich geschriebenen Buche: „Ueber die Aechtheitsfrage der
Holbeinschen Madonna" zu Jedermanns Instruktion gesam-
melt, und am Ende der Ausstellung, nachdem die Richter die
beiden erhabenen Nebenbuhlerinnen Tag für Tag ins Kreuz-
verhör genommen haben werden, wird der Spruch ergehen.
Ja, recht im Geiste der Zeit soll das Urtheil durch ein
Scherbengericht auf breitester Grundlage, durch ein wirkliches.
suffrage universel gefunden werden. Am Eingänge zur Y
Ausstellung nämlich hat Prof. Fechner ein Album ausge-
legt, in welchem er die Besucher und Besucherinnen dringend
bittet, ihre Ansichten darüber niederzulegen, welches ^er bei-
den Bilder ihnen, Eins ins Andere gerechnet, den besten Ein-
druck mache und welches sie in ihren Räumen am liebsten be-
ständig sehen (kürzer auszudrücken, welches sie am liebsten ge-
schenkt haben) möchten; sodann speziell, welches Madonnen-
gesicht ihnen das am meisten sympathische sei. Auch die so
gesammelten Stimmen sollen zur Schlußverhandlung mit er-
wogen werden. Fechner hält es nun einmal mit den Räth-
seln; hat er uns schon so viele sinnige und schwere zur Un-
terhaltung aufgegeben, so sollen wir ihm nun Alle dieses
schwerste und komplizirteste lösen helfen. Der Effekt dieser
beiden Fragen ist erstaunlich; die harmlosesten Naturen, die
von keiner Darmstädter Madonna wußten und in deren Seele
der schwarze Verdacht gegen die Aechtheit der Dresdener noch
keinen Eingang gefunden, sind dadurch aufs Tiefste aufgeregt,
so daß sie nun in einem beständigen Trabe zwischen beiden
Bildern sich aufreiben müssen. Sie glauben nicht, welch ein
dramatisches Leben sich vor den merkwürdigen Bildern ent-
wickelt. Voran stehen die Kunstkenner mit der Loupe und
einem heimlichen Verzeichnisse der Unterschiede beider-Bilder.
Wie sie mit ihren Blicken auf die Madonnen und die from-
men Beter siechen, sich hinter den Firniß, durch die Pati-
nentos, durch die Lasuren, bis auf die Untermalung gewalt-
sam einbohren! Man sieht es ihnen an, daß, wenn sie allein
wären, kein Dämonium sie abhielte, das Darmstädter Bild
umzudrehen, der Sache von hinten beizukommen und von der
Leinwand her die hochwichtige Frage nach dem „durchgewach-
senen Blau" zu erledigen, ob nämlich das Gesicht der älteren
Frau über ein Stück vom blauen Gewand der Madonna per
patinento übergemalt ist, oder sich auf rechtmäßigem Grund
und Boden befindet. Wie sie es mit lauten Worten bekla-
gen, daß kein unzweifelhaftes Dokument Licht in die Sache
bringe, aber im Innern die Familie Meyer, welche das Bild
gestiftet hat, loben und preisen, daß sie keine entscheidende
““ schriftliche Aufzeichnung hinterließ, welche ihnen die Arena zu
einer so wundervollen Disputation versperrt hätte! Die er-
J sten Tage genirten sich diese Kenner noch zuweilen, Denjeni-
gen, welche auf den Stühlen Platz genommen, um die Bilder
andächtig zu betrachten, die Sehbahn so oft zu durchkreuzen,
und sie huschten nur in .schicklich erhaschten Momenten wie
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
Schemen von einem Bilde zum andern; aber das ist nun
vorbei, eine Menge dilettantischer Damen ist auch längst an-
gesteckt, und es geht ohne Unterbrechung vor den Bildern
kreuzweise hin und her, her und hin. Auf den Stühlen sitzen
nur noch etliche phlegmatische Naturen, die doch auch zu einem
vernünftigen Verdikte sür's Album kommen wollen, und wie-
gen die Häupter von einem Bilde zum andern wie nachdenk-
liche Elephanten...........
DaS Interesse ist groß; für Viele, die schon früher zur
Sache geschrieben haben, ist es auch ein hochpersönliches, denn
an jenem Tage des Gerichtes werden sie selbst sich müssen
richten lassen wie die beiden armen stummen Madonnen. Da
wird man sie ihrer Widersprüche zeihen, da wird man ihnen
Angesichts der Bilder ihre Superlative in schöner Parade
vorexerziren; da wird es viel Zorn und Staub geben, und
manche gedunsene Phrase, die jetzt noch breitspurig einher-
schreitet, wird dabei elend ersticken. Wohl dem, der seine
Zunge zu wahren verstanden hat — denn Vater Fechner hat
ihm aufgepasst, Vater Fechner hat mit diplomatischer Treue
alle seine Schwärmereien und Bosheiten verzeichnet, und wie
sehr er jetzt wünschen mag, in anständiger Verborgenheit ge-
lebt zu haben, es hilft ihm nichts mehr, er kommt am Tage
des Gerichtes mit vor. Diese Madonnen haben ihre Gläu-
bigen, ihre Fanatiker, ihre Apostaten, ihre Proselyten und
Renegaten, und wer davon laut geworden, wird sich zu ver-
antworten haben. ,
Dann wird der wahre Verehrer der wunderbaren Bilder
wieder zur Ruhe kommen. Himmel, was ist ihm jetzt mit-
gespielt! Während er seinem Gott dankte, daß eine so voll-
endete Schöpfung in. zwei Bildungen vorhanden, eine der an-
dern gleichartig und doch so eigen individualisirt, trat von
rechts und links ein Dutzend Kritiker an ihn heran — Alle
ehrenwerthe Männer und Alle Leute ersten Ranges — und
zerrütteten ihm? daß Gemüth mit kontradiktorischen Wider-
sprüchen. Karl Förster findet, daß das Dresdener Bild
so ausgesprochen des großen Meisters Kunstweise und Gei-
slesart in seiner Totalität sowohl als in seinen minutiösesten
Einzelheiten vor Augen führe, „daß nur Unbekanntschaft mit
den Werken Holbeins oder die eitle Sucht, eine abweichende
Meinung aufzustellen, die Originalität des Bildes angreifen
könnte." Bruno Meyer riskirt ganz ruhig den Vorwurf
der eiteln Sucht und bemerkt dagegen: „Das Dresdener
Bild ist ohne olle Frage spätere Kopie, ohne einen Strich
von Holbein's Hand, und, setzen wir hinzu, eine sehr mäßige
Kopie." Algarotti rühmt die Wahrheit des Kolorits im
Dresdener Bilde und findet Teppich, Gewänder, Ornamente
so ausgeführt, „daß eines dieser Nebendinge allein hinreichen
würde, jedwedes Gemälde werthvoll zu machen"; Bruno
Meyer erklärt die Stoffe für „unklar und unbezeichnend ge-
malt" und den Teppich für „wirklich elend ausgeführt." Der
Nämliche findet das Kolorit „trocken, staubig, kreidig", Wal-
pole unbeschreiblich schön und vom blühendsten Schmelz.
Wornum hält die Gestalt der Dresdener Madonna für zu
schwach, um sie Holbein zuzutrauen, und das Christuskind
desgleichen; v. Zahn bemerkt dagegen „eine gewisse Flauheit
und Mangel an individuellem Ausdrucke" im Christuskinde
des Darmstädter Bildes, .md dessen Madonna ist nach Th.
Grosse, der übrigens mit großer technischer Einsicht urtheilt,
„etwas verschwommen zusammenlasirt." Vollends verrathen
ist, wer früher mit Woltmann in der Dresdner Madonna
das vollendetste Werk deutscher Malerei verehrt hat. Sie
war ihm, so lange er sie für ächt hielt (Fechner, S. 26) „die
höchste Verklärung deutscher Weiblichkeit, eine Erscheinung,
die in jedes deutsche Herz sich eingeprägt hat ... . eine
Erscheinung ganz Licht und Klarheit .... voll unaussprech-
licher Milde und Holdseligkeit .... mit einem Kopf voll
entzückender seelenvoller Lieblichkeit"; und beim ersten Auftre-
ten des Verdachtes erklärte er sie doch noch für zu schön, um
sie für unächt zu halten. Nun, nachdem er sie entschieden
für unächt hält, ist sie ihm zwar noch „schön, aber doch mo-
dernisirt und etwas verweichlicht." Es ist ein gutes, elasti-
sches, handschuhartiges Ding um die Kunstkennerei; aber ich
fürchte, die Oeffentlichkeit der Verhandlungen Angesichts der
Objekte wird ihr nicht ganz zuträglich sein.
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Wenn ich mich nicht ganz täusche, so wird es nach den
Aeußerungen, die mir aus der vorderen Reihe der auf- und
abstreichenden Kenner gelegentlich zufliegen, zu einem Spruche
kommen, mit dem sich das unbefangene unmittelbare Gefühl,
welches die Geister ehrt, aber die Namen für Dunst achtet,
sehr wohl vertragen kann. Die Mehrheit wird, glaube ich,
wie Fechner dafür stimmen, daß keines der beiden Bilder
eine Kopie des andern, wohl aber, daß das Dresdner Bild
eine Replik des Darmstädters sei. Diesem Urtheile erlaube
ich mir mich in einer Abstimmung, die ich mit ein paar Wor-
ten motiviren will, unmaßgeblich anzuschließen.
An eine Kopie, zunächst, ist nicht zu denken; denn werßn
der Dresdner (um die fingirte Persönlichkeit kurz zu bezeich-
nen) die-Proportionen des Bildes so ins Vortheilhafte ver-
ändern, wer Madonna und Christkind so verbessern, so viel
charaktervoller machen konnte, war ein so großer Künstler wie
Holbein selbst; und wiederum, wer in der Darmstädter die
Nebenfiguren, namentlich den Bürgermeister und die jüngere
Frau so viel interessanter durchzubilden verstand, war ein so
großer Künstler wie Holbein selbst, war mit allen Eigenthüm-
lichkeiten ein zweiter Holbein. Und den hat man in jenen
Zeiten bis jetzt vergebens gesucht. Was müßte Der nicht
sonst für merkwürdige, vollendete Sachen hinterlassen haben!
Freilich, er könnte ja blutjung nach einer ersten glänzenden
Leistung dahingestorben sein. Wohl möglich; allein ein
junges Talent, das einen bewunderten Meister, doch wohl um
an ihm zu lernen, kopirt, verändert ihn nicht mit Absicht.
Nun wollen aber Weltmann und Bruno Meyer die
Kopie — und sie halten das Dresdner Bild dafür — erst
im 17. Jahrhundert angefertigt wissen. Die Madonna ist
ihnen zu modern, zu weichlich. Nun ja, das ganze Dresd-
ner Bild macht den Eindruck, nicht des Modernen, aber des
Neuen; aber aus keinem anderen Grunde, als weil ihm im
Jahre 1840 der alte Firniß genommen ist. Da die Farben
nicht überall in gleichem Verhältnisse nachgedunkelt waren, so
zeigte sich nun eine größere Schärfe in den Kontrasten der
Töne, die denn ein wenig modern läßt. Nähme man dem
Darmstädter Bilde den goldbräunlichen Firniß, der diese Ge-
gensätze mildert (und deßhalb doch nicht so ungünstig ist, wie
Fechner will), so würde man die nämliche oder eine ähn-
liche Wirkung erleben; an einer Stelle des weißen Kleides
der Jungfrau, wo der Firniß abgestoßen, sieht man, daß die
Farbe darunter so hell ist, wie auf dem Dresdener Bilde.
Daß aber der Gesichtsausdruck der Madonna moderner,
weichlicher sein sollte, erweist sich bei der Confrontation als
pure Täuschung; im Gegentheil ist die Dresdener Madonna
etwas ernster und strenger als die Darmstädter, wie denn
ein ähnliches Verhältniß zwischen den Physiognomieen der
knieenden Jünglinge stattfindet. Gegen die ganze Idee aber
ist einfach zu bemerken, daß kein Maler des siebzehnten Jahr-
hunderts im Stande war, so schlicht, so treu, so enthaltsam
und gerade mit dieser Art von Jmpasto zu kopiren, wie dies
hier geschehen sein müßte.
Wenn hiernach nur noch die Replik möglich ist, so spre-
chen namentlich zwei Umstände dafür, daß das Dresdener
Bild diese Replik sein müsse. Zunächst die Veredlung der
Proportionen, welche außer Woltmann und Meyer
Jedermann anerkennt: denn der Maler wäre, als er ver-
anlaßt wurde, das Bild zu wiederholen, von den schlankeren
und freieren Verhältnissen gewiß nicht zu den gedrückterem
und engeren übergegangen. Sodann die Thatsache des sechsten
Fingers an der rechten Hand des stehenden Kindes auf dem
Darmstädter Bilde. Das Händchen hat nämlich insofern
sechs Finger, als über den Aermel des Jünglings fünf her-
übersehen, von denen keiner ein Daumen ist; dieser muß also
noch hinter dem Ärmel liegen. Die Erklärungen, die man
für diesen sechsten Finger (er schaut als eine ganz kleine Kuppe
heraus) aufgestellt hat, sind sehr wunderlich. -W. Schmidt,
der ihn entdeckte, nennt ihn einfach einen Verstoß des Malers;
Felsing läßt den ersten Finger als Daumen gedacht, aber
als Zeigefinger aus Unachtsamkeit ausgeführt werden; Br.
Meyer glaubt, der aufgerichtete Zeigefinger sei zugesetzt und
der kleine aus Versehen nicht getilgt. Nun ist zwar gewiß,
daß ein schlummertrunkener Homerus einem Hexameter ein-
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mal einen Daktylus — der auch ein Finger ist — zu viel
geben kaun, wie man denn von Göthe weiß, daß er eine
solche „Bestie" sogar mit Wissen und Willen, gegen Heinrich
Voßens Einrede, verewigt hat; aber daß ein Maler aus Ver.
sehen eine Hand mit sechs Fingern soll malen können, und
gar einer wie Holbein, der jedes Haar auf dem Haupte
zählte und überdies gerade im Malen der Hände seine größeste
Stärke besaß — unmöglich! Das Kind hat -ohne Zweifel
an der rechten Hand sechs Finger gehabt, und Holbein hat
sie gemalt; nur zeigt er von den sechsen schicklicher Weise blos
fünfe. Ist das etwas so Wunderliches? Offenbar spielen
ja die Händchen der beiden Kinder die Hauptrolle auf dem
Bilde, sie sind der Gegenstand, um den sich's handelt. ES
ist längst, wenigstens von der Mehrzahl der Deuter, aner-
kannt worden, daß das Christkind so gut wie seine Mutter
eine Doppelrolle spiele. In der Madonna steckt die Tochter
des Bürgermeisters, wo nicht die Frau; denn auch das ist
möglich. In dem kränklichen, weinerlichen Christkindchen ist
ihr eigenes Kind dargestellt. Es leidet, es lehnt sich müde
an die Mutter; es steckt das auf irgend eine Weise kranke
linke Aermchen aus. Nun, die Familie, die an diesem Kinde
mit unendlicher Liebe hängt, wünscht es geheilt zu sehen, und
legt es der Madonna an's Herz. Manche Ausleger haben
sogar gemeint, dies sei eigentlich nur so zu verstehen, als
habe die Madonna inzwischen ihr eigenes Kind auf den Bo-
den gesetzt. Crowe findet diese Legende müßig. Nun ja,
müßig freilich, wie alle Legende; aber nicht unendlich gemüth-
lich, nicht unendlich liebenswürdig? Ist es denn so viel
zweckmäßiger, so viel geistreicher, in dem auf dem Boden
stehenden Knaben den Täufer zu erblicken? Einen Johannes
ohne Attribute, der sich um das Christkind nicht bekümmert?
Einen Johannes mit sechs Fingern an der rechten Hand?
Zwar so reizend ich die Legende finde und so sehr ich sie ge-
malt wünsche — daß der stehende Knabe das Christkind sein
solle, glaube ich auch nicht. Es ist die Wiederholung — und
solche Wiederholungen kommen in jener Zeit vor — deS
oberen Kindes, aber es ist nun gesund geworden durch Hilfe
der Maria: es sieht vergnügt auf den linken Arm, den eS
frei bewegen kann. Es kann auch wieder gehen; denn so
glaube ich seine Bewegung deuten zu müssen. Es hält sich
mit dem rechten Händchen an den jungen Oheim oder Bru-
der und macht seine ersten vorsichtigen Schritte. DaS Kind
auf dem Arme der Madonna, überhaupt schwächlich, ist auch
(wie dergleichen-Doppelleiden nur zu häufig vorkommt) an
den Füßen krank gewesen, wenn sein rechter Fuß auch nicht
gerade, wie E. Förster will, ein Klumpfuß ist. Das Kind
ist wieder gesund geworden; nur den überflüssigen Finger der
rechten Hand hat es noch. Hat ihn denn das obere? Man
sieht ihn nicht, aber es kann ihn sehr wohl haben. Das
Kind legt sich mit dem Köpfchen auf die rechte Hand, die
Locken spielen über die Finger. Man hat diese Hand ver-
zeichnet finden wollen, und in der That ist sie sehr breit,
sie hat Raum für den Ansatz zum sechsten Finger, den Hol-
bein delikater Weise verbarg, wie er auch an dem unteren
Knaben nur fünf Finger sehen ließ. Ob er überhaupt die
ganz besondere Stellung des oberen Kindeö nicht wählte, um
die Hand auf ungezwungene Weise bedecken zu können?
Nun, um wieder auf die Prioritätsfrage zu kommen, ich
glaube, der Schluß sei bündig, daß dasjenige Bild, auf wel-
welchem die Hand mit dem sechsten Finger ist, das frühere
sein müsse; denn bei der Wiederholung konnte es dem Künst-
ler unmöglich erst einfallen, daß das Kind eine disforme Hand
gehabt habe; oder er konnte unmöglich jetzt erst auf die Idee
kommen, daß der sechste Finger zur Charakteristik der Situa-
tion nothwendig sei. Umgekehrt aber konnte er sich, als
irgend ein anderes Familienmitglied oder eine Kirche eine
Replik des Bildes von ihm verlangte, sehr wohl bestimmt
finden, diesen Finger, der doch Diesen oder Jenen gestört
hatte, wegzulassen; um so mehr wenn kein individuelles Inter-
esse mehr mitwirkte, wenn vielleicht das Kind inzwischen —
gestorben war. Fast glaube ich daö; fast glaube ich, daß in
dieser Erinnerung der Maler in der Wiederholung das Kind
kränklicher, weinerlicher, die Mutter ernster, den Jüngling weh-
müthiger machte. Zwischen beiden Bildern scheint ein Stück
trauriger Familiengeschichte zu liegen; ja, auch der Bürger-
meister ist, wenn nicht ernster, doch älter geworden. Wie
hätte der Kopist solche Veränderungen vornehmen sollen?
Nur der Maler des ersten Bildes, der Freund der Familie,
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Wochenschrift
für
das Leben des deutschen Volkes
in
Staat, Wissenschaft und Kunst.
Herausgegeben von Dr. Ä. 1 frkd DöUf.
1871. M 37.
Inhalt:
Ein Blick auf vie neueste Hegelliteratur. W. Lang.
Schopenhauer's Farbenlehre. E. v. Hartmann.
Die Holbein-Ausstellung zu Dresden. I. A. Crowe.
Frankfurter Familiennamen. W. Stricker.
Berichte aus dem Reich und dem Auslande:
Aus dem Borpostenleben der Reichsbeamten. Vom D berelsaß.
Der Charakter der bisherigen Verwaltung. Aus Pfalzburg.
Literatur: Gabriel Riesser's Leben.
Hiller, aus dem Tonleben unserer Zeit.
Zur Nachricht für Lyriker.
Leipzig, Lerlag von S. Hirzel.
1871.
Die Holbein-Ausstellung zu Dresden.
419
Hypothesen in wenn auch unvollkommener Gestalt anticipirt, die erst lange
nachher auf bedeutenden Umwegen zur allgemeinen wissenschaftlichen Geltung
gelangen.
Herrn Czermak gegenüber möchte ich zum Schluß noch eine Bemerkung
anfügen. Derselbe sagt in einer Anm. S. 11'—12, daß die Zahlenreihe
von 0 bis 1, in welche Schopenhauer die Farben: „schwarz, violett, blau,
grün, roth, orange, gelb, weiß" ordnet, für uns keinen Sinn habe. Ohne
auf die von Schopenhauer ausgestellten Brüche den geringsten Werth zu
legen, glaube ich doch, daß diese Reihe wohl ihren guten Sinn habe: als
Reihe der absoluten Lichtintensität gleich gesättigter Farben ge-
nommen, — freilich etwas wesentlich anderes, als Schopenhauer damit sagen
wollte. E. v. Hartmann.
Die Kotöein-Uussteü'ung zu Dresden.
Durch die Münchener internationale Kunstausstellung im Jahre 1869
wurde dem größeren Publikum Deutschlands die erste Gelegenheit geboten,
im Privatbesitz verborgene Kunstschätze kennen zu lernen. Zuvor war es nur
dem eifrigsten Forscher vergönnt gewesen, die „Darmstädter Madonna" von
Holbein, den „Holzschuher" von Dürer, oder den „Mann mit den Nelken"
von van Eyck zu betrachten. Nichts war daher seitdem natürlicher, als der
Wunsch, in nächster Zukunft andere Ausstellungen derselben Art zu veran-
stalten, und namentlich solche, welche die Sammlung und Vergleichung zahl-
reicher Werke eines und desselben Malers ermöglichten. Am nächsten lag
der Gedanke, Bilder von Holbein zusammen zu bringen, zusörderst um den
Rangstreit zwischen den Madonnen von Darmstadt und Dresden zum Aus-
trag zu bringen, alsdann um neues Licht aus das Leben des großen Malers
zu werfen, dessen Jugend man noch nicht genau kannte und dessen Stil-
wandlungen gicht hinreichend festgestellt waren. Zwischen Entstehung und
Verwirklichung dieses Gedankens ging unerwartet viel Zeit verloren; aber
diese Zeit, reich wie sie war an materiellen und geistigen Eroberungen für
Deutschland, war auch auf dem Gebiete der Kunstforschung nicht ohne Fort-
schritte verstrichen; und gerade was Holbein betrifft, war inzwischen manches
neue Streiflicht auf seine Geschichte geworfen. Aus den alten Rechen- und
Zunftbüchern Augsburgs ging neue Belehrung für uns hervor. Die In-
schrift auf einem der Bilder der Augsburger Gallerte, dem Tode der heiligen
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420
Die Holbem-Ausstellung zu Dresden.
Katharina — eine Inschrift vvn höchster Bedeutung, da sie die Jahreszahl
1512 enthielt und die Thätigkeit Hans Holbein's des Jüngeren in seinem
17. Jahre illustriren sollte — wurde genau untersucht und für falsch erkannt,
und dadurch die sicherste Angabe über die Geburt Holbein's des Jüngeren
verrückt, und Zweifel auf alle angeblichen Bilder seiner Jugend geworfen. —
Die Madonnen von Darmstadt und Dresden in nächster Nähe zu betrachten
und mit anderen zahlreichen Stücken des Meisters aus verschiedenen Zeiten
zu vergleichen, die vermeintlichen Werke seiner Jugend einer durchgehenden Re-
vision zu unterwerfen — beides konnte man hoffen in einer neuen Holbein-
Ausstellung zur Ausführung zu bringen, beides und noch mehr hat man in
der That Gelegenheit gehabt zu erreichen.
Es ist keine angenehme und auch keine schmerzlose Operation, ein bisher
kaum angefochtenes Stück aus der Reihe der „berühmten Bilder" einer groß-
artigen Gallerie zu streichen, und doch existirt kein nationales Museum, das
sich nicht ähnliches gefallen lassen müßte. Kaum zwölf Jahre ist es her,
daß das Dresdener Museum in die Lage gerieth, einem Künstlernamen zu
entsagen, der noch ganz anders klingt als der von Hans Holbein. Ein ent-
setzliches Jammergeschrei wurde 1860 ausgestoßen, als es galt, den Namen
Lionardo von dem bekannten Bildnisse des Juwelier Morett zu entfernen.
Sobald man die Originalzeichnung zu diesem Portrait bei der Woodburn-
schen Versteigerung erworben hatte, stellte sich heraus, daß Morett nicht von
da Vinci, sondern von Holbein gemalt ist. Einer von den alten treuen
Aufsehern des Museums war damals ganz untröstlich darüber, daß der ein-
zige Lionardo, den sie bisher besessen hatten, so verloren gehen mußte, und.
es bot ihm dafür keinen Ersatz, daß der alte „Lionardo" mit einem neuen,
ebenfalls unächten vertauscht wurde. Nun aber gilt es, die „Dresdener
Madonna von Holbein" zu opfern und darüber ist es manchem Dresdener
Kinde natürlich schwer um's Herz; denn davon ist hier nicht die Rede, daß
man einen anderen Künstler entdeckt hätte, der ebenbürtig an Holbein's Seite
zu stehen käme, sondern es handelt sich einfach darum, zu erkennen, wer die
Copie gemacht hat, die bis jetzt dem Holbein zugeschrieben war, und wie
lange nach dem Darmstädter Original diese Copie entstanden.
Es ist schon bei Prüfung der Gemälde der Münchener internationalen
Ausstellung gesagt worden (Grenzboten 1869. II. Sem. Nr. 40), daß in
letzter Instanz die Art der Technik in den beiden Bildern von Dresden und
Darmstadt die Frage der Aechtheit entscheiden würde. Nun sind die zwei
Bilder, nebeneinander ausgestellt, in der Ausführung absolut unähnlich. Auf
dem Darmstädter bemerken wir den pastosen Auftrag Holbein's, seine sau-
bere Modellirung, eine Politur, die keine Pinselstriche sehen läßt. Wir nehmen
wahr, wie reichlich die Farben mit saftigen Bindemitteln gemengt sind, diese
Die Holbein-Ausstellung zu Dresden.
421
von durchsichtiger Beschaffenheit, weit dünner aufgetragen als jene, wo eine
festere Substanz erhöht aus der Fläche liegt; das ganze zusammengekittet und
verschmolzen mit einer Harmonie, die durch nichts gestört wird. — Bemerkens-
werth überhaupt ist in Holbein's Bildern, besonders denjenigen seiner eng-
lischen Periode, wie die verschiedensten Stoffe in den Eigenthümlichkeiten ihrer
Erscheinung dargestellt sind, wie klar es hervorleuchtet, daß der Maler
Sammt oder Seide, Tuch oder Linnen vor sich gehabt hat. Ja so weit
geht der Maler in dieser Richtung, daß er in der Fältelung die dünneren
von den kräftigeren Stoffen unterscheidet und niemals selbst in den dunkelsten
Partien verlegen ist zu zeigen, wie die Linien der Falten zum Ausdruck
kommen. Wie in der Natur auch die dunkelsten Theile eines dunklen Rau-
mes doch nie so dunkel erscheinen, daß man sich nicht zu denken vermöchte
etwas noch dunkleres darin sehen zu können, so finden wir in Holbein nie
ein absolut undurchsichtiges Dunkles. Immer können wir die Umrisse ver-
folgen, und sie sind so rein und so klar, als wenn sie im Lichte wären.
Diese charakteristischen Eigenthümlichkeiten, die wir in den Bildnissen aus
Windsor, in dem wundervollen Portrait von Herrn Millais oder in dem
Morett bemerken, kommen sämmtlich in der Darmstädtischen Madonna zum
Vorschein. — Die Verzierungen Holbein's sodann, wie zum Beispiel die
schwarzen Stickereien aus Mousseline, die Goldlichter auf Troddeln oder Knö-
pfen, sind so geschickt, so fest gezeichnet und so rein in der Ausführung, daß
wir nie an die Mache erinnert werden. Goldgemustertes Zeug hat einen
reinen Goldglanz mit ungemein scharfen Reflexen. Das Gold ist Blattgold.
— Was die Farbe im Allgemeinen betrifft, so ist sie bei Holbein und na-
mentlich in dem Darmstädter Bilde glänzend und leuchtend, wie Rubinen
und Smaragden, sie ist saftig und harmonisch, wie die alte Glasmalerei des
Mittelalters, deren Tradition verloren ist. Sie hat die Eigenschaft des klaren
Weins. — Auch die Linienführung ist bei Holbein, besonders im Darm-
städter Exemplare im höchsten Grade vereinfacht. Sie ist edel, fehlerlos,
ohne Uebertreibung oder Spannung, fest und klar, und ohne jegliche Af-
fectation.
'Nicht so ist der Copist auf dem Dresdener Bilde verfahren. Statt
des pastosen Auftrages hat er dünne, trocken geriebene Farben. Bei aller
Sorgfalt der Modellirung ist die satte Politur des Originals nicht an-
nähernd erreicht. Der weiße kreideartige Ton des Fleisches in den Licht-
partien geht mit flachen Schattirungen ins Röthliche und Grünliche zu den
zurücktretenden Theilen über. Die weißen Tücher harmoniren nicht mehr
mit dem röthlichen Fleisch, sondern stechen hart davon ab. Auffallend ist die
mühsame Bearbeitung der spärlichen Tinten in den Uebergängen; ausfallend
die geduldige Sorgfalt und doch die Unvollkommenheit einer Technik, die
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r
422 Die Holbein-Ausstellrmg zu Dresden.
von der Mache nichts verheimlichen kann. Es war eine Errungenschaft der
späteren Zeiten, daß man alle Farben gleichmäßig flach auf ein Feld bringen
lernte. In der Dresdener Madonna findet man keinen Unterschied des Auf-
trags mehr. Die Substanz ist überall dieselbe. Nicht mehr sieht man, wie
so auffallend auf dein Darmstädter Exemplar, einen Ton tiefliegend, über-
ragt an allen Seiten von erhöhten Rändern einer harzigeren und höher
liegenden Schicht. Gerade deshalb weil Holbein das Darmstädter Bild so
gemalt hat, kann man aus der hohen Lage der hervortretenden Schichten
die Correcturen bemerken, die er nach und nach gemacht hat. Im Anfang
hat er das Gesicht der mittleren knieenden Frau um Mund und Wange
mit dem weißen Tuche gedeckt, wie es in der Baseler Zeichnung dargestellt
ist, die Tochter mit der Perlenmütze hat er auch offenbar mit lang herab-
fallendem Haare in genauer Nachahmung der Baseler Zeichnung sich gedacht.
; Später besann er sich, befreite Kinn und Wangen der Frau und band die
j Haare dem Mädchen unter die Mütze. Hie und da in der Gewandung hat
er zuerst Windungen angebracht, die später vereinfacht wurden. Das alles
sieht man, weil die pastose Touche, der fette Strich des Borstenpinsels nicht
mehr zu verbergen war. Vergebens würde man nach solchen pentimenti am
Dresdener Exemplare suchen.
Von der Genauigkeit, mit der Holbein die verschiedenen Stoffe nach
ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit wiedergibt, von der Klarheit, mit der den
Linien der Falten selbst in den dunkelsten Ecken Rechnung getragen wird, ist
an der Dresdener Madonna wenig zu merken. Anstatt dessen ist eine ge-
wisse Verschwommenheit zu finden, die denjenigen Malern eigen ist, welche
sich aus das Geheimnißvolle in der Dunkelheit verlassen; die Sicherheit der
Zeichnung geht verloren, die Grenzen der Falten find unsichtbar geworden.
Geht man weiter im Vergleiche, sieht man nach den Vergoldungen und
Stickereien, wie nach dem Perlenschmucke, so ist alles am Darmstädter Bilde
vollendet, frei und kräftig; vom Dresdener hat man den Eindruck der Blö-
digkeit, man gewahrt die unsichere Nachahmung eines Copisten. In den
Goldstoffen, in Troddeln und Knöpfen sind weder die scharfen Schlaglichter
des Goldes noch der metallartige Glanz mehr zu sehen; anstatt dessen ist
nur ein matter Schein hervorgebracht dadurch, daß der Copist den Blatt-
goldgrund nicht gehabt, sondern seine Vergoldungen aus der Schale mittelst
Pinsels hinzugethan hat. —
Aus dem Vergleiche der Farben in beiden Bildern lassen sich ähnliche
» Schlüsse ziehen. Nicht wie im Darmstädter Bilde sind die Farben des
Dresdener juwelenartig in ihrem Glanze. Im Gegentheil, alles ist ver-
blaßt. Der rothe Gürtel der Jungfrau, die rothen Hosen des Knaben, weit
entfernt davon in saftigem Ton zu erscheinen, heben sich vom übrigen mit
ä
Die Holbein-Ausstellung zu Dresden.
423
einem gelblichen matten Schein ab. Die grüne Tasche des Jünglings ist
bräunlich geworden; der Teppich ist vereinfacht und doch schillernd. — End-
lich, was die Form betrifft, kann man nicht umhin zu bemerken, wie das
einfach Schlichte im Darmstädter Bilde zu etwas Kälterem, Gesuchterem,
Starrem geworden ist.
Es ist unter den Freunden des Dresdener Bildes Migung zum
Triumph vorhanden gewesen, weil die Gegner nicht sagen könnten, wer die
Dresdener Madonna hätte malen können, wenn nicht Holbein selbst. Die
Sache ist nicht so wichtig als sie zu sein scheint. Wie lange ist es her, seit-
dem man entdeckte, daß das Bild von Leo dem Zehnten in Neapel nicht nur
nicht von Raphael, sondern von Andrea bet Sarto sei! Allen Beweisen zum
Trotz halten doch viele noch daran fest, daß das Bild in Neapel das Ori-
ginal von Raphael sei, während das im Pittipalaste ihnen Copie bleibt. Es
ist leicht, sich einen Maler vom Ende des 16. Jahrhunderts vorzustellen, der
eine Copie wie die des Dresdener Museums hätte machen können. Man
mag sich dabei denken, daß der Copist einer von den zahlreichen Nieder-
ländern war, die gegen Ende des Jahrhunderts Italien besuchten, daß er,
ohne sich von dem belgischen Stile ganz zu befreien, doch mit einem eigen-
thümlich italienischen Anstriche zurückkam. Dabei muß man aber auch be-
denken, daß ein Copist sich nicht so leicht errathen läßt, wie der Maler eines
originalen Stückes. Es würde im Uebrigen überflüssig sein, auf die Ge-
schichte der Entstehung beider Bilder zurückzukommen. Es hat sich in dieser
Richtung nichts Neues mehr entdecken lassen; nur wird man noch deutlicher
hervorheben müssen, daß das Darmstädter Bild, wie früher gesagt, nicht frei
Don Retouchen geblieben ist, und daß die Antastung der Köpfe der Jungfrau,
des Christkindes und des Bürgermeisters Meyer besonders zu beklagen ist. —
Daß man nicht ohne weitere Anhaltspunkte zu gründlichem Vergleiche
zwischen ächten und unächten Bildern Holbein's bleibt, ist noch ein fernerer
großer Vortheil der Dresdener Ausstellung. Nicht als ob wir nur die zwei
Madonnen von Darmstadt und Dresden in nächster Nähe vor uns hätten,
um die Unterschiede zwischen Original und Copie im hellsten Licht hervor-
scheinen zu sehen: wir haben hier zugleich vor Augen die verschiedensten
Schöpfungen Holbein's aus den verschiedenen Perioden seines Schaffens. Als
besonders maßgebend für die richtige Beurtheilung der Eigenthümlichkeit des
Malers kann man die Bilder hinstellen, die aus der Dresdener Gallerie
herstammen, sodann die, welche aus den englischen Schlössern von Windsor
und Hampton Court kommen, dazu ferner solche Meisterstücke wie das männ-
liche Bildniß im Besitz des Herrn Millais in London, den Gisze aus Berlin
und die Portraits aus der Suermondtschen Gemäldesammlung zu Aachen.
Kein einziges dieser Meisterstücke, das nicht in der Technik an die Darm-
-
424
Die Ho'lbem-Ansstelluug zu Dresden.
städter Madonna erinnerte, kein einziges, das uns dazu führen könnte, das
Dresdener Bild als Original anzuerkennen. Betrachten wir näher den
Harry Guildeford aus Windsor, den Reskemeer aus Hampton Court, wir
begegnen derselben Modellirung, derselben Färbung der Fleischtheile wie im
Darmstädter Exemplar. Dasselbe gilt von dem goldgemusterten Kleide des
ersteren Bildes und den Troddeln auf der Mütze des Millaisschen Porträts.
Abgesehen aber von weiteren Vergleichen möchten wir aufmerksam machen
aus das vollendete Leben in Blick und Ausdruck des Millaisschen Bildes.
Es stellt einen älteren Mann in reicher Kleidung dar. Sein dunkles Auge
leuchtet, Bart und Schnurrbart, mit grauen Haaren dünn durchsäet, kräuseln
sich seidenartig hervor. Das gesunde Fleisch ist glatt an den Wangen, zieht
sich aber in ausdrucksvollen Runzeln um die Augen. Nie hat Holbein die
Subtilitäten der Natur so köstlich wahr nachgeahmt, wie er es hier gethan
hat. Nur in den vollendetsten Stücken Antonello's findet man die Finessen
der Oefsnungen und anderen Theile des Auges, die crystallene Feuchtigkeit,
die Holbein hier realisirt hat. Die schwarze, gewässerte Seide des Kragens,
die verschiedenen Schattirungen des schwarzen Oberärmels, den braunen
Sammt am Unterärmel hat der Meister mit unnachahmlicher Virtuosität
vollendet. Besonderen Studiums würdig ist auch der Herzog von Norfolk
aus Windsor, der in Gala dasteht, mit den Stäben des Großmarschalls und
Lordkammerherrn in den Händen. Die linke Hand — die Hand eines
Greises — ist modellirt wie nur Holbein es thun konnte. Nicht ganz so
schön, da er von altem Firnisse verunstaltet wird, ist der Hans von Ant-
werpen, bewunderungswürdig dagegen die Reihenfolge von Zeichnungen aus
Windsor, theils Notabilitäten darstellend, die am Hofe Heinrich's VHL sich
bewegten, theils Mitglieder aus der Familie des Kanzlers More. Originell
und schön ist das männliche Bildniß von 1532 aus der Schönborn'schen
Sammlung zu Wien, unschön dagegen das Brustbild mit sehr retouchirtem
Gesicht von 1533 aus dem Museum zu Braunschweig. Daß manche Stücke,
die hier ausgestellt sind, nicht von Holbein herrühren können, fällt wohl
Jedem auf. Hier werden wir an Penz erinnert (No. 213), dort an
de Bles (No. 214), weiter an Moro (No. 271) und Franz Hals
(No. 289).
Nicht unwichtig, wo es gilt, Holbein's Jugendjahre und frühe Thätig-
keit von Neuem zu studiren, sind diejenigen Bilder der Dresdener Ausstel-
lung, die unter dem Flamen von Hans dem Aelteren und Sigmund Holbein
stehen. Erinnern die ältesten Schöpfungen Hans des Aelteren in Augsburg,
z. B. die Marienbasilika von 1499, die Passionsscenen von 1502 und die
Paulusbasilika an rheinische und niederländische Vorbilder, so finden wir doch
in der Jungfrau mit dem Kinde und zwei Engeln in der Moritzkapelle zu
Die Holbcin-Ausstellung zu Dresden.
425
Nürnberg fast unmittelbar den Einfluß Memlings. Hier, d. h. in der
Dresdener Ausstellung, begegnet uns dieselbe Verschiedenheit der Richtungen.
In der unangenehmen Kreuztragung des Regierungsraths Ahoruer in Mün-
chen, wie in den grau in grau gemalten Flügeln eines Altarbildes aus Prag
ist mehr des entschieden Deutschen zu finden, während in der Jungfrau mit
dem Kinde aus der Burgsammlung zu Nürnberg das Niederländische hervor-
- ragt und wir dabei an die milden Madonnen der Van der Weydenschen
Schule zurückdenken. Vorausschicken muß man allerdings, daß die letzt-
genannte Composition nicht unter dem Namen von Hans, sondern unter
dem von Sigmund Holbein steht. Die Gründe aber, weshalb man dieses
Tafelwerk Sigmund zuwies, sind nicht stichhaltig. Aus einem Buche, das
auf einer Brüstung liegt, hängt ein weißer Streifen, worauf man liest-.
8. HOLBAINI. Daß das 8. Ende von „Hans" und nicht Anfang von
„Sigmund" sei, wäre wohl anzunehmen; denn das Bild stimmt mit anderen
von Hans Holbein dem Aelteren überein und kann nur dann von Sigmund
sein, wenn wir voraussetzen, daß Hans und Sigmund gemeinschaftliche Werk-
statt hatten und an denselben Bildern arbeiteten.
Ist es nun nicht möglich, daß Hans, der den verschiedensten Strömun-
gen sich hingab und den wir mit Hilfe von Kunstwerken genau bis Anfang
des 16. Jahrhunderts verfolgen können, auch später noch größere Wandlun-
gen in seinem Stil durchmachte, ist nicht zu vermuthen, daß er dahin gelan-
gen konnte, Werke zu vollenden, die wir bisher der Jugendzeit des jüngeren
Holbein's zuschrieben? Vor der Hand möchten wir diese Idee nicht zurück-
weisen, besonders in Anbetracht dessen, was neulich in der Augsburger Gal-
lerie vorgegangen ist. Dort sind, wie wir wissen, zwei Bilder ausgestellt,
die seit längerer Zeit dem Urtheil über die Jugendarbeiten Holbein's des
Jüngeren die Richtung gegeben haben. Es sind zwei Altarflügel, aus dem
einen der Tod der heiligen Katharina mit dem Datum 1512 und — auf
dem alten Rahmen — dem Namen „Hans Holba."; auf dem anderen das
Christkind zwischen der Jungfrau und der heiligen Anna. Das Buch in
Anna's Hand trägt die Inschrift:
Ivssv Vener.
PIENTQVE MA
TRIS VER
OKI
W... E...
H. HOLBA
IN AVG
A3TSVA3
XVII.
Daß sich letztere Inschrift als Fälschung erwiesen hat, ist seit kurzer
Zeit allgemein bekannt geworden. Das Datum jedoch wie der Name bleiben
bestehen. Man ist daher geneigt anzunehmen, daß wir hier wohl mit einem
Im neuen Reich. 1371, II.
f»4
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
426 Die Holbein-Ausstellung zu Dresden.
Holbein, nicht aber mir dem Jüngeren, sondern mit dem Aelteren zu thun
haben. Ist das aber der Fall, so müssen nrir noch weiter gehen und dem
Aelteren auch die Madonna mit dem Maiglöckchen vonl Pastor Schmitter-
Hug in Sanct Gallen und das männliche Bildniß vom Grafen Lanckoronski
in Wien zuschreiben und diese Bilder aus dem Register der Werke Hans
Holbein's des Jüngeren streichen. Interessant dabei ist der Vergleich, den
die Dresdener Ausstellung uns auch hier erlaubt. In dem Wiener Bilde
ist ein älterer Mann dargestellt, der eine große braune Mütze und einen
braunen Pelz trägt; hinter ihm ist eine blaue Wand, vor ihm eine Ba-
lustrade mit rothem Damast bedeckt, im Hintergrund Architectur; oben grau
in grau zwei Genien, gewundene Ornamente und zwei Medaillons, worauf
man das Datum 1513 liest. Auf den Pilastern die Worte „Als ich was
52 Jar alt | da het ich die Gestalt". Im allgemeinen ist der Fleischton
braun mit weißblasscn Lichtern und Schatten, wie eingeriebenen Lasuren, das
Ganze mit großer Sorgfalt vollendet. Die Technik paßt schlechterdings nicht
zu der von Hans dem Jüngeren, besser zu der von Hans dem Aelteren.
Werfen wir nun einen Blick aus die „Madonna mit dem Maiglöckchen",
so fällt es gleich auf, daß die architectonische Umrahmung, die Genien, Orna-
mente und Medaillons dieselben sind wie in dem Bildniß vom Grafen
Lanckoronski, ebenso daß die Inschrift „Carpet aliquis cicius quam inrita-
bitur, Johannes Holbain in Augusta hinge wat“ dieselbe Stelle einnimmt
wie die Inschrift auf dem Wiener Portrait. Weiter geht die Gleichheit
nicht; denn die Architectur ist bräunlich, die Madonna glatt, braun gefärbt
und ohne Spur des geriebenen Verfahrens, das wir auf dem Gegenbild
sehen. Wie wäre es aber, wenn wir näher auf die Geschichte der Madonna
mit dein Maiglöckchen eingingen? Bewiesen ist, daß das Bild einst in sehr
schlechtem Zustande war. Schon in München konnte man sehen, daß es
stark restaurirt, daß sogar der ganze Kopf des Christkindes neu ist. Es ist
möglich, daß der Unterschied zwischen den beiden Bildern früher nicht so
groß war, wie er jetzt ist, möglich, daß beide vom älteren Hans Holbein
herrühren, besonders da die Inschriften in beiden Fällen alle Merkmale der
Aechtheit an sich tragen.
Diese Ader weiter zu verfolgen würde uns hier zu weit führen. Es
genügt wohl für den Augenblick die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf
diesen Punkt gelenkt zu haben. Es wäre leicht thunlich, gestützt auf die
Grundlage, welche die Dresdener Ausstellung dazu gewährt, die verschiedenen
Richtungen von Talent und Geist Hans Holbein's des Jüngeren zu illu-
striren, seinen Geschmack als Erfinder von Ornamenten, sein Geschick als
Zeichner, seine derbe Kraft in historischen Compositionen zu beleuchten. Es
würde aber schwer halten, mehr darüber zu sagen, als was schon besser und
©
Frankfurter Familim-Namen.
427
ausführlicher von Zahn, Woltmann und anderen gesagt worden ist, und wir
können nur Jedem den Rath ertheilen, sich nach Dresden zu begeben, um
selbst eine Ueberzeugung in diesen wichtigen Fragen zu gewinnen.
I. A. Cr owe.
Frankfurter Iamilien-Uamen.
Wie alle Städte hat auch Frankfurt seine Bevölkerung aus der nächsten
Umgebung erhalten, doch ist dabei der Unterschied bemerkbar, daß, da die
lutherische Confession bis 1806 in der Stadt bevorzugt war, die Bevölkerung
vorwaltend aus lutherischen Gebietstheilen sich ergänzte. Nach den Staaten
und Staatentheilen der jetzigen imb jüngstvergangenen Zeit hat Frankfurt
seine Bevölkerung vorwiegend aus dem Großherzogthum Hessen, der Land-
grafschaft Hessen-Homburg, dem Herzogthum Nassau, der Grafschaft Hanau,
dem Fürstbisthum Fulda, der kurfürstlich hessischen Provinz Oberhessen, dem
badischen Unterland (Pfalz), dem württembergischen Franken (Hohenlohe rc.),
den bairischen Provinzen Unterfranken-Aschaffenburg und Rheinpfalz und den
preußischen ehemals pfälzischen Rhein-Nahelanden (Kreuznach rc. rc.) erhalten
Ausfallend ist dabei, wie sehr das Fürstenthum Wal deck nach Frankfurt
hingravitirt, während die nur wenig nördlicher gelegenen Lippe'schen Länder
nach Cassel und Hannover hinstreben. 1867 waren in Frankfurt anwesend
213 Waldecker, dagegen aus dem doppelt so großen Lippe-Detnrold nur 6,
aus Schaumburg-Lippe 1. Die zahlreichen französischen Namen sind theils
die von protestantischen Franzosen und Wallonen, welche unter König Franz I.
von Frankreich, unter Herzog Alba, endlich nach Aufhebung des Edicts von
Nantes 1685 in Frankfurt einwanderten, theils solche von Waldensern, welche
aus den in der Nähe von Frankfurt gelegenen Colonien zu Hanau, Neu-
Isenburg, Friedrichsdorf, Dornholzhausen rc. nach Frankfurt übersiedelten,
theils endlich die von Franzosen, welche als Sprach-, Fecht-, Tanzlehrer rc.
sich in der Stadt seßhaft machten. Die italienischen Namen stammen
meist von Geldwechslern und von Händlern mit den Producten ihres Vater-
landes, die tschechischen von den österreichisch-böhmischen Regimentern, welche
in Folge des April-Attentats von 1833 bis 1842 die Stadt besetzt hielten.
Die übrigen Nationalitäten sind nur durch eine höchst geringe Zahl von
Namen vertreten. Eine besondere Besprechung verdienen noch die Familien-
Namen der zahlreichen jüdischen Bevölkerung (1867: 8500 Seelen).
Erst das fürstlich primatische Edict vom 30. Septbr. 1809 setzte fest,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
428 Frankfurter Familien-Namen.
daß sämmtliche hiesige Schutzjuden bestimmte deutsche Familien-Namen führen
und die, welche dergleichen noch nicht besitzen, solche bis zum 18. Dec. d. I-
annehmen und der Polizei-Section anzeigen sollen. Die näheren Bestim-
mungen des Gesetzes besagen, daß die Namen Abraham, Moses, Elias rc.
künftig nur als Vornamen gebraucht werden können; daß die Söhne nur
denselben Familien-Namen führen können wie der Vater, und daß der neu
angenommene Familien-Name der allein bei Unterzeichnung aller geschäftlichen
Acte gültige ist. —
Schon früher hatten die Juden ihren hebräischen Namen zur Vermei-
dung von Verwechselungen Heimat und Frankfurter Wohnhaus beigesetzt: so
1705 Salomon Isaak Neuburg zum grünen Schild; Jacob Schwelm zum
Bisamknopf, 1707 Jacob Emden zum Lamm, Jacob Oppenheim zur weißen
Gans u. s. w. Jetzt trat ein abgekürztes Verfahren ein und die Häuser der
hiesigen Judengasse, welche sämmtlich eine eigene Benennung führten, liefer-
ten die folgenden Familien-Namen, welche, wo sie wenig verändert sind, in
Klammern beigesetzt sind: Hirsch (auch Hersch), Amsel (Amschel), Hase (Haas),
Stiefel (auch Stiebel), Reuß (auch Reiß), Schiff, Adler, Schwarzer Adler
(Schtvarzadler), Blume (Blum), Strauß, Herz, Ochs, Schwan (auch Schwahrch
Schloß, Gans, Falk, Rothes Schild (Rothschild), Kanne (Kann), Tannenbaum,
Rappe (Rapp), Wolf, Hahn, Rindsfuß, Rindskopf, Schwarzer Schild (Schwarz-
schild), Löweneck, Hirschhorn, Flasche (Flesch), Stern, Sichel, Hecht, Rose
(Roos), Scheuer (Scheier).
Daneben blieben aber die zahlreichen von der Heimat genommenen
Namen, wie Oppenheim, Oppenheimer, Speyer, Bing (Bingo), Zunz (Zons),
Schwelm, Fürth, Crailsheim, Creizenach, Emden, Neuburg, Mainz, Worms,
Hamburger, Bamberger, Erlanger, Regensburg, Trier, Auerbach, Flörsheim.
Hat aber das angeführte primatische Edict, — welches, nebenbei gesagt, der
Vater des großen Freiheits-Mannes Adam von Jtzstein unterzeichnet hat, —
eine Reform der jüdischen Namen in Frankfurt hervorgerufen, so war der
Zwang der „deutscheit Familien-Namen" natürlich nicht durchzuführen, und
so finden wir neben zahlreichen hebräischen Familieu-Namen auch alle andern
europäischen Sprachen vertreten.*)
Wenden wir uns nun zu den vorwaltend christlichen Namen, so kann
unsere Absicht nicht sein, die Reihe der zu Personen-Namen gewordenen
1. Vornamen hier durchzugehen; nur die Entfaltung einzelner Rufnamen,
wie sie dahier vorkommt, wollen wir verfolgen. Aus Ulrich wird: Uhrig,
*) Vergleiche das Verzeichiiiß aller im Mittelalter urkundlich in Frankfurt vor-
kommenden Inden-Namen in G. Kriegk, Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im
Mittelalter. Frkft. a. M. 1862. S. 548.
L
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Bon den zahllosen Erscheinungen populär-wissenschaftlicher Literatur der letzten Jahre
verdient ganz besondere Beachtung das im Verlage von Allo Spanier in Leipzig ausgege-
bene, in fünf Auflagen oder 40,000 Exemplaren, bez. einer Viertelmillion Bande
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üluid II: Kirchengeschichte des Mittelalters. Zweite, umgearbeitete Auflage.
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Land HI: Geschichte der Reformation vorzüglich in Deutschland und der Schweiz.
Vierte, umgearbeitete Auflage. Preis: 2 Thlr.
Land IV: Der evangelische Protestantismns in seinem Verhältniß zum Katholi-
cismus im 16. und 17. Jahrhundert. Erster Theil: Die Zeiten vor dem
30jährigen Krieg. Dritte, umgearbeitete Auflage. Preis: 2 Thlr.
- Land V: Der evangelische Protestantismus in seinem Verhältniß zunl Katholicis-
mus iin 16. und 17. Jahrhundert. Zweiter Theil: Der 30jährige Krieg
und die Folgezeit bis zu Ende des 17. Jahrhunderts. Dritte, umgearbeitete
Auflage. Preis: 1 Thlr. 10 Ngr. .
Rückständig sind noch die Lieferungen 16 bis 20 oder Band VI und VII, welche „die
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Wochenschrift
für
das Leben des deutschen Volkes
' in
Staat, Wissenschaft und Kunst.
Herausgegeben von Dr. Alfred Dolle.
1871. Jß 39.
ii
Inhalt:
Die Geschichte von den drei Ringen. H. Schuch ardt.
Rußland in Asien: Der Zusammenstoß mit England u. d. deutsche Interesse. F. Ma r tbe.
Noch einmal der Holbeinzwist: Der Schönheitsverlust der Dresdner Madonna. A. Dove.
Berichte aus dem Reich und dem Auslande: '
Die Krisis in Oestreich. Aus Wien.
Der Landtag und seine Aussichten. Aus München.
Mancherlei Fortschritt zum Besseren.. Vom Oberelsaß.
Literatur: Lindau, Literarische Rücksichtslosigkeiten.
Leipzig, Verlag von S. Hirzel.
1871.
fmi:' I
*■
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Rußland in Jnnerasieri.
495
deutschen Zeitschrift nicht unterlassen, die Nutzanwendung aus Deutschland zu
machen.
Die Sache steht kurz und bündig so: Sind Rußland und England
einst durch ihre asiatischen Verhältnisse zum Frieden genöthigt, so hat
Deutschland, sobald es mit einer der beiden Mächte in Streit geräth, von
der anderen nur — Neutralität zu erwarten. Sollte also z. B. der am
fernen Horizonte drohende Krieg Deutschlands mit Rußland zum Ausbruch
kommen, so wird England bei diesem voraussichtlich gerade so Zuschauer
bleiben, wie so eben bei unserem Kampfe mit Frankreich. Noch vor zehn
Jahren durfte man mit einigem Grunde die entgegengesetzte Hoffnung hegen.
Heut und noch mehr in der Folgezeit wird man dieselbe als Illusion auf-
geben müssen. Für Deutschland bleibt, um Front zu machen gegen Ost
und West, nur ein Bundesgenosse übrig, Oestreich-Ungarn, dessen politische
Erstarkung und dauernde Verbindung mit uns wir Deutsche nur aufrichtig
wünschen können. Das ist nach unmaßgeblicher Meinung die deutsche
Moral der hier erzählten asiatischen Dinge: Ob freilich je wieder der
interprovinciale und internationale Krieg in Oestreich aufhören, und das
Kaiserwort: viribis unitis zur Thatsache sich gestalten wird, wer kann es
wissen? Begrüßen wir deshalb um so freudiger die herrliche. Wiederauf-
erstehung der deutschen Staatskraft!
Hier liegt offenbar eine der größten Coincidenzen weltgeschichtlicher Ent-
wickelung, welche das Jahrzehnt von 1860—1870 — erweitert um den
Vorschlag ■ und den Nachhall der beiden angrenzenden Jahre — zu einem
überaus bedeutungsvollen in der Geschichte der Menschheit erhebt. Es ist
der gewaltige Befreiungs- und Einigungskampf, aus welchem Nordamerika
sich zu einer neuen socialen und wirtschaftlichen Grundlage seiner dereinstigen
Weltmacht emporarbeitet; es ist in Europa das mächtige Ringen Deutsch-
lands nach Innen und nach Außen, aus welchem, begleitet von dem matten
Abglanz ähnlicher Vorgänge in Italien, das neue deutsche Kaiserthum her-
vorwächst; es sind endlich die großen Umwälzungen in Asien, die sich uns,
wenn wir den Blick auch nur auf die nördliche Halbkugel unseres Globus
richten, innerhalb des genannten Zeitraums zu einem großen Zusammen-
hange verschlingen. Für Asien beginnt im Jahre 1860, eingeleitet aller-
dings durch kurz vorangegangene Ereignisse, mit dem Einrücken einer euro-
päischen Armee in Peking eine Reihe von Entwickelungen, deren Ziel, wie
es scheint, nur die Zertrümmerung der Macht Chinas in ihrem jetzigen,
durch die Mandschu-Dynastie vertretenen Bestände sein kann. Zu beiden
Seiten der asiatischen Coloffalmacht erheben sich andere, an seiner Seeseite
Japan, das in demselben nun abgelaufenen Jahrzehnt seine Einheit und Zu-
kunftsmacht durch Blut und Eisen neu zu begründen sucht, auf der Land-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
496
Noch einmal der Holbeinzwist.
feite Rußland, dessen Griffe in das asiatische Völkergewirr immer kühner
werden. Hier ist ein Feld auch für deutsche Thatkraft. Nach dem Süden
leitete einst das politische Streben unserer Kaiser die Expensionskraft unseres
Volkes, es geschah zu Lande und mit Heereszügen von Rittern und Knappen.
Die Zukunft weist uns und unseren dereinstigen Kaiserregierungen den Weg
nach Ostasien, mit Flotten von Kriegs- und noch mehr von Handels-
schiffen, zu friedlichem, civilisatorischem Verkehr mit den Menschendickichten
Chinas und Japans; nach Ostasien, wohin Europa und Amerika mehr und
mehr convergiren, dieses mit seiner Pacificbahn und ihrer maritimen Fort-
setzung, der Dampferlinie von San Francisco über Jokohama nach Hong-
kong, ersteres mit seinem Suezcanal, der eventuellen Euphratlinie, dem eng-
lisch-ostindischen, dem russisch-sibirischen Telegraphen. Alle diese Friedens-
und Kriegswerke tragen den Stempel desselben auf unermeßliche Zukunft
deutenden Jahrzehnts. In ihrem Lichte aber gewinnen die hier besprochenen,
im tiefsten Innern Asiens theils geschehenen, theils sich noch vorbereitenden
Dinge ihren Reiz für die Betrachtung und ihre Bedeutung für die Praxis.
Berlin, im Frühjahr 1871. F. Mart he.
Uoch einmal der Kolbeinzwist.
1. Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
Der Holbeinzwist ist geschlichtet. Teuflisch verneinende Kritik hat über
die Dresdener Madonna, die so lange das holde Gretchen aller für deutsche
Schönheit begeisterten Fauste gewesen, ein „Sie ist gerichtet!" ausgerufen
und, wie weit „von oben" auch vereinzelte barmherzige Stimmen ihr „Ist
gerettet!" mögen herabtönen lassen, in dieser irdischen Welt der Wissenschaft
pflegt man solchen Offenbarungen von jenseits nun einmal nicht zu lauschen.
Sollen wir da nicht mitleidig der Sache durch Schweigen den Rest geben,
nicht den Schmerz der guten Elbflorentiner achten, von denen nach mensch-
licher Billigkeit Niemand unbefangenen Wahrspruch erwarten durfte? Oder
sollen wir nicht wenigstens als selbstverständlich den Trost gelten lassen, in
Wirklichkeit könnten sie ja nichts verloren haben? Wie — oder wäre nicht
dasselbe, was bisher so schön war, auch künftig noch von gleicher Schönheit?
Wen richten wohl, die heute schmähen, was sie gestern gepriesen? So blin-
den Ueberwindern gegenüber wendet sich fast unwillkürlich die Theilnahme
der Zuschauer dem bis an's Ende standhaften Häuflein der Unterliegenden
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
497
zu, die — meist, was sicherlich kein Zufall ist, der älteren Generation an-
gehörig — des Glaubens leben und sterben wollen, welchen sie von je —
sei's in poetischer Prosa, sei's in prosaischer Poesie — feierlich bekannt haben.
Da stehen sie wie eine Märtyrergruppe im römischen Zwinger, und wenn
auch ihre demüthigen Lobgesänge auf die verhöhnte Himmelsjungfrau im
wilden Gebrüll der beutegierigen Löwen der Kritik verhallen, wird nicht dereinst
in milderen Zeiten die Wahrheit, für die sie leiden, um so lebendiger wieder
auferstehen? Ja wird nicht schon jetzt, wenn denn die siegreiche Sache den
Göttern gefallen hat, dem Cato Fechner die besiegte gefallen?
Doch genug des Scherzes, zu dem, wie man gern einräumen wird, nach
beiden Seiten hin der denkwürdige Streit unbeschadet seines ernsten Gehaltes
überreiche Gelegenheit geboten hat! Daß diese Blätter, nachdem in ihnen
(No. 37, S. 419 ff.) eine Kennerstimme von gutem Klange bereits ihr
wohlbegründetes Votum im Sinne — wie man jetzt sagen darf — der
Mehrheit der Urtheilsberechtigten abgegeben, gleichwohl noch einmal aus ein
Nebeninteresse des Streites zurückweisen, geschieht um des Fechner'schen Buches
willen, das sie gleichfalls schon früher (No. 34, S. 317) „zur Vorbereitung
aus das Studium der Frage" angelegentlich empfohlen haben; denn Fechner
hat dies Nebeninteresse, das seinen eigenen Worten zufolge „leicht das sach-
liche der Frage selbst überbieten" könnte, geflissentlich hervorgezogen. Indem
er, wie immer als Meister der Wissenschaft, doch nach seinem bescheidenen
Geständnisse zugleich nur als Liebhaber der Kunst, die Echtheitsfrage historisch
und kritisch beleuchtet, verfolgt er offen den Zweck, die Hinfälligkeit des heu-
tigen wissenschaftlichen Kunsturtheils aus den Widersprüchen der Autoritäten
unter einander, ja, was schlagender scheint, der einzelnen mit sich selbst, deut-
lich darzuthun. Dabei verhehlt er übrigens keineswegs den eigenen Partei-
standpunkt: er ist — oder genauer: war vor der Dresdener Ausstellung —
Utraquist, d. h. genießt und erkennt den wahren Holbein sub utraque, und
in der That hinterläßt seine Schrift dem Unbefangenen den Eindruck, daß
darin mit dem Scharfsinn eines geübten Anwalts alles für die Auchechtheit
des Dresdener Bildes vorgebracht sei, was sich überhaupt in den Grenzen
redlicher Billigkeit irgend dafür vorbringen ließ. Zu seinen wirksamsten
Mitteln gehört dabei, wie bei Vertheidigungen allenthalben üblich, eben die
Erschütterung des Zeugnisses der Gegner. So und so vielen Aussagen da-
wider stehen so und so viel andere dafür entgegen! Dies beweist allerdings
in wissenschaftlichen Fragen nicht, daß beide Theile gleich Unrecht haben, kann
vielmehr unter Umständen auch nur besagen, daß in dem gegenwärtigen
schwierigen Streite die eine Hälfte der Fachkundigen vollkommen irrt, die
andere ganz aus richtigem Wege ist. Nun kann man freilich jemandem, der
in den bombenfesten Räumen exakter Naturforschung zu Hause ist, nicht übel
Im neuen Reich. 1871, II. 63
498
Noch einmal der Holbeinzwist.
nehmen, wenn er für mißlich hält, sich einem Gebäude anzuvertrauen, dessen
eine Seite mindestens über Nacht den Einsturz droht; allein man bedenke
doch auch, in wie geringer Zeit das Gebäude unserer Kunstwissenschaft auf-
geführt worden. Mit solchen Nothbauten haben wohl alle Wissenschaften
begonnen; daß dazu in der ersten Eile auch untüchtige Arbeiter verwandt
werden, ist natürlich, und es bleibt zur Abhilfe dann allerdings nichts übrig,
als sie zu entlassen und ihr Tagewerk wieder abzutragen. Ist aber darum
gleich alles einzureißen, sotten die Woltmann und Genossen, die von tasten-
dem Gefühle bis zu verständiger Gewißheit vorgedrungen sind, den Irrthum
ihrer Widersacher entgelten, welche zum Theil auf dem Punkte trügerischer
Empfindung ausharren? Doch nein! Fechner will jene ja vornehmlich nur
ihren eigenen früheren Irrthum, die eigene Unsicherheit entgelten lassen.
Der Theil seiner Polemik, der den Lesern — soweit man herumhört — den
tiefsten Eindruck gemacht, ist der Aufruf des früheren Woltmann gegen den
heutigen. Soll man glauben, daß, was jemand gestern für weiß, heut für
schwarz erklärt, wirklich schwarz sei, bloß weil dies Urtheil das spätere, über-
lebende ist? Gewiß nicht, wenn es sich um weiß oder schwarz handelt; ob
aber nicht doch, wo es schön oder nicht schön gilt, das bedarf vielleicht noch
der Untersuchung. Und hierzu gerade möchte ich, so weit es ein Liebhaber
der Wissenschaft wie der Kunst vermag, einen kleinen Beitrag geben. Es
handelt sich dabei zuletzt um die „sonderbare Frage", wie Fechner sie nennt:
„Darf ein Bild aus zweiter Hand gegenüber dem aus erster Hand überhaupt
noch gefallen?" Oder direct auf den vorliegenden Fall angewandt: Hat die
Dresdener Madonna für denjenigen einen Schönheitsverlust erlitten, der von
ihrer Unechtheit überzeugt worden? Zuvor jedoch ist allgemein zu fragen:
In wie weit dürfen die Urtheile über Echtheit und Schönheit einander über-
haupt berühren oder gar stützen? Dabei kommt uns nicht bei, nach irgend
einer Seite hin persönliches Interesse zu zeigen. Autoritäten giebt es auch
für uns nicht, sondern Gründe in jedem einzelnen Falle; wer heute Recht
hat, kann darum morgen sich täuschen, nur muß er nicht, weil er sich gestern
getäuscht hat, heute Unrecht haben. Und wie: wenn in der That gestern
richtig war, was heut und morgen falsch wäre? Man kennt das Verfahren
politischer Principienreiter, ihren Gegnern aus alten stenographischen Berich-
ten frühere Aeußerungen entgegenzuhalten, denen sie jetzt zuwider sprechen
oder handeln. Die Angefochtenen pflegen dann zu ihrer Entschuldigung auf
die inzwischen veränderte Weltlage hinzuweisen, rvas man mit der Zeitungs-
phrase „den Thatsachen Rechnung tragen" nennt. Ist nun, fragen wir, die
— bewiesene oder dafür gehaltene — Unechtheit eines Kunstwerkes eine
Thatsache, welcher der Geschmack Rechnung tragen darf oder vielleicht
gar muß?
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna. 499
Ungerechtfertigte Associationen der Vorstellungen von Sache und Person,
Schöpfer und Werk erfüllen unser Leben und führen täglich zu den hand-
greiflichsten Täuschungen. Wir wünschen, daß ein Ding, das uns gefällt,
von jemandem herrühre, der uns auch sonst zusagt, wir wünschen, von einer
Person, die wir überhaupt schätzen und lieben, nur Handlungen ausgehen zu
sehen, die an sich unseren Beifall finbcn würden. Und was wir wünschen,
glauben wir, bis die Wirklichkeit uns zu unserer Betrübniß mit dem Gegen-
theil überrascht. So ist der Historiker arglos beflissen, erfreuliche Erschei-
nuugeu, die in der Zeit seines Helden hervortreten, mehr oder weniger auf
ihn als ihren Urheber zurückzuführen, so sichtet er andererseits die wirkliche
Ueberlieferung über jenen und sucht manchen ungünstigen Zug aus seinem
Bilde wegzulöschen, indem er ihn der Feindseligkeit oder dem Unverstände
des Berichterstatters beimißt. So steigt ganz im Großen den Menschen aus
der Anschauung der Welt in ihrer Erhabenheit und Schönheit die Idee eines
intelligenten Schöpfers dieses Ganzen auf, und hernach sind sie umgekehrt
bemüht, was sich nun doch als Unvollkommenheit oder gar als Uebel auf-
drängt, dem höchsten Willen durch irgend welchen Kunstgriff des Beweises
wieder abzusprechen. Nirgends aber ist jenes erstere Bestreben, von anmu-
thenden Eigenschaften des Gegenstandes auf eine bereits anderweit namhafte
Kraft, die ihn hervorgebracht, zu schließen, nirgends ist dies Bestreben, von
dem auch die Geschichte der klassischen Literatur viel zu erzählen hat, so ver-
hängnißvoll wirksam gewesen, als gegenüber Werken der bildenden Kunst.
Denn da diese leibhaftig Objecte für das Verlangen nach Besitz und die
Freude daran zu werden fähig sind, so kommt der harmlosen Selbsttäuschung
des Betrachters berechnender Betrug des eitlen Ausstellers oder des habsüch-
tigen Feilbieters entgegen. So hat sich genau wie die Reliquien einzelner
Heiliger die Anzahl der Werke großer Maler in unkritischen Zeiten oft bis
in's Unmögliche vervielfältigt. Was hat nun die Wissenschaft, die von kei-
nem Wunsche noch sonst einem practischen Interesse verführt werden darf,
dem gegenüber zu thun? Mich dünkt, man muß da wohl unterscheiden
zwischen beiden Arten der Association: der, die zum gefälligen Kunstwerk
einen beliebten Künstler hinzudenkt, und der, die einem bestimmten Künstler
ein einzelnes Werk deswegen zu- oder abspricht, weil es der Vorstellung eines
gewissen Schönheitsquantums, die man einmal mit seinem Namen verknüpft,
entweder angemessen ist oder nicht.
Geht man zunächst vom Werke aus, so ist die übrigens unbegründete
Annahme eines schon bekannten Meisters dazu nur ein Zeichen der Trägheit
oder des Leichtsinns in der Forschung: statt die verborgene adäquate Ursache
zu einer vor Augen liegenden Wirkung auszuspüren, ernennt man aus der
Zahl bekannter Kräfte kurzweg eine zur Ursache auch dieser Wirkung. So
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
500
Noch einmal der Holbeinzwist.
pflegte man in vergangenen Zeiten, die keine eigentliche Kunstwissenschaft
kannten, nur zu häufig zu verfahren; was man Tradition über den Ur-
sprung von Gemälden u. s. w. nennt, beruht zum großen Theil darauf, und
sollte tnan heut in der Bestreitung solcher traditioneller Angaben hie und
da zu eifrig vorgehen, so beweist das nur in erfreulicher Weise die Wach-
samkeit der Kritik, welche bei noch unsicheren Zuständen einer Wissenschaft
die Rolle der Polizei spielen muß, die lieber einmal einen Unschuldigen auf
ein Weilchen verhaftet, als daß sie einen Spitzbuben frei ausgehen ließe; im
Zweifel besser zuviel Argwohn als übermäßiges Vertrauen. Die Anwendung
auf den Holbeinstreit ist klar: nachdem gegen die Echtheit des Dresdener
Bildes einmal der dringendste Verdacht laut geworden, ntüßte dieselbe von
den Anhängern positiv bewiesen werden und zwar mit anderen augenfäl-
ligeren Belegen, als durch die Schönheit oder die Tradition, der leicht nur
ein früherer gleich voreiliger Schluß von Schönheit aus Echtheit oder auch
ein früherer Trug zu Grunde liegen kann. Die Frage aber: „wenn nicht
Holbein, wer soll sie denn gemalt haben?" drückt als Vorwurf der einen
gegen die anderen ausgesprochen, wie wir oben sahen, nur muthlosen oder
faulen Verzicht auf weitere Forschung aus; vielmehr sollten sich beide Theile
genieinsam emsig bemühen, eine befriedigende Antwort auf diese Frage zu
finden.
Anders ist die zweite Art der Association beschaffen. Man hat int
Geiste zunächst die Gestalt eines bestimmten Künstlers vor sich und wendet
nun den Blick auf ein einzelnes nicht mit zwingender Gewißheit ihm zuge-
höriges Werk; ist auch da jede Rücksicht auf die Schönheit dieses Werkes
zur Erhärtung seiner Echtheit so unbedingt verwerflich? Indem man dann
die Frage dahin formulirt, ob das betreffende Werk des Künstlers würdig
sei, hat man offenbar den Begriff von seiner Leistungsfähigkeit und Leistungs-
gewohnheit im Auge, den man von den übrigen, am besten bloß von den
sicher beglaubigten Manifestationen seines Vermögens abgezogen. Es bleibt
also immer ein Schluß vom Häufigen auf's Stetige, kurz eine unvollstän-
dige Jnduction und ist als solche nicht ganz verdammlich, aber auch herzlich
wenig werth. Weitaus am meisten wird diese Art des Schließens im nega-
tiven Sinne angewandt, weil Differenzen augenfälliger sind als Congrnenzen,
so daß man einem Autor ein Einzelwerk als unter, bisweilen über seiner
Würde aberkennt; aber jedermann weiß, zu wie abenteuerlicher Hyperkritik
dies Verfahren z. B. gegenüber den Gedichten des Horaz ausgebildet worden
ist. Denn wie sehr schwanken doch die Leistungen des Individuums um ihre
Durchschnittslinie! Richt die eine, erst ansteigende dann eben fortlaufende,
zuletzt absinkende Bewegung allein, welche der zeitlichen Entwickelung seiner
Gesautmtnatur entspricht, giebt die Höhendifferenzen für sein Schaffen ab;
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
501
durch tausend unberechenbare Zufälle und Stimmungen des Tages kann
außerdem ein wellenartiges Auf- und Abzittern des Könnens, ja auch ein
ganz ruckweises Hin- und Hergehen bis ttt dies oder jenes Extrem bewirkt
werden. Mit einem Worte: spricht man ein Werk aus Geschmacksgründen
einem Meister als über oder unter seinem Maße ab, so bleibt man auf dem
Felde der Wahrscheinlichkeit, da über die Einartigkeit individueller Wirkungen
stets nur Wahrscheinliches auszusagen ist. Hätten also die Angreifer des
Dresdener Gemäldes weiter nichts vorzubringen, als daß es ganz oder zum
Theil nicht schön genug sei für Holbein's Hand, so wäre damit so gut wie
nichts erreicht. Bekanntlich aber stützen sie ihr Urtheil vornehmlich auf das
reelle Moment einer absoluten Abweichung in der Maltechnik von der seiner
echten Bilder. Doch darauf brauch' ich hier nicht zurückzukommen. (Vgl.
Crowe in Nr. 37. d. Bl.)
Wir haben zwei Weisen der Verbindung zwischen Schönheits- und Echt-
heitsurtheil kennen gelernt. In beiden Fällen war die Echtheitsfrage als im
übrigen offen, die Herkunft des Werkes von dem betreffenden Meister als
nicht geradehin unmöglich gedacht. Wie gestaltet sich nun aber das Schön-
heitsurtheil, wenn diese Unmöglichkeit anderwärts zu Tage tritt? Da ist
nun sogleich klar, daß unser ästhetisches Urtheil über ein Kunstwerk nicht im
mindesten davon abhangen darf, ob dies auf die Hand gerade eines bestimm-
ten Künstlers, wär' es auch der berühmteste, zurückgeführt werden kann; das
hieße einfach Ursache mit Wirkung verwechseln, da das historische Ansehen
jedes Meisters umgekehrt erst das Ergebniß vorurtheilsfreier Prüfung aller
seiner Schöpfungen sein soll. Wäre also, ohne daß die Madonna von
Darmstadt jemals aufgetreten, von dem Dresdener Bilde sonst nachgewiesen
worden, daß nur eben Holbein es weder erdacht noch gemalt, so hätte das
Gemälde selbst an Schönheit sicherlich nicht die mindeste Einbuße erlitten,
die Gallerie dagegen wäre in gewisser Hinsicht sogar bereichert worden, wenn
man etwa einen bisher unbekannten oder dort vordem nicht vertretenen
Meister dafür hätte ausfindig machen können. Die Erinnerung an sonstige
Verdienste des Künstlers ist und bleibt eine ungehörige Gedankenassociation
beim bloßen Geschmacksurtheil über jedes einzelne seiner Werke. Wohl aber
gesellt sich unabweisbar zu diesem Urtheile, sobald es irgend auf reine Schön-
heit lauten soll, die Vorstellung — ob sie nun Erkenntniß sei oder Illusion,
ist völlig einerlei — daß das betrachtete Kunstwerk wirklich ein wahres
Kunstwerk sei, d. h. auf künstlerischem, nicht auf künstlichem Wege entstan-
den. Wird alsdann jene Erkenntniß als nur vermeinte, oder genauer, die
Illusion als solche entlarvt und in Folge dessen vernichtet, so erhält das
Geschmacksurtheil einen einpfindlichen Stoß, die Schönheit des vorliegenden
Kunstwerkes erfährt einen erheblichen Abzug, der zwar, nachdem der jede
502
Noch einmal der Holbeinzwist.
plötzliche Enttäuschung begleitende Unwille über das Ueberraschende derselben
verraucht ist, in geringem Maße, niemals aber ganz oder auch nur wesent-
lich wieder vergütet werden kann. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob
wir die nun gehobene Täuschung als eine uns absichtlich bereitete, böslich
auf unsere Fehlbarkeit berechnete durchschauen lernen, oder nicht; denn wie
sehr uns auch die Scham über die Richtigkeit solcher Rechnung augenblicklich
zu noch härterer Beurtheilung des täuschenden Objektes antreiben möge, so
lockert doch die Zeit gar bald diesen Stachel und ohnehin wird der Schmerz,
den er uns schafft, gleich anfangs durch das beruhigende Gefühl eigener mo-
ralischer Unschuld gegenüber fremder Bosheit, der wir zum Opfer gefallen
sind, gelindert. Für die Empfindung des plötzlich zu Tage tretenden Schön-
heitsdeficits genügt vielmehr vollständig die Wahrnehmung, daß das angeb-
liche Kunstwerk, oder strenger, daß wir uns selber getäuscht haben. Die Rea-
lität unserer Schilderung von diesem Seelenvorgange wird jeder Leser irgend
einmal empfunden haben; es fragt sich jedoch, wie er zu erklären sei. Wie
kommt es, daß, während die specielle Echtheit, d. h. die Herkunft von einem
bestimmten Künstler, keineswegs integrirender Bestandtheil der Schönheit
eines Kunstwerkes ist, diese doch durch die Zerstörung der generellen Echtheit,
d. h. der Originalität überhaupt, schwer geschädigt wird? Warum hat die
Dresdener Madonna, die ebenso schön bliebe, wenn sie ein Original von
Müller oder Schulze statt von Holbein wäre, in der That an Schönheit
verloren, sobald sie für Copie erkannt wird? Wir nähern uns damit der
Fechner'schen Frage: „Darf ein Bild aus zweiter Hand gegenüber dem aus
erster überhaupt noch gefallen?" Oder lieber: „Warum gefällt es unter allen
Umständen nothwendig viel weniger?"
Wer entsänne sich nicht der unmuthigen Stelle aus der „Kritik der
ästhetischen Urtheilskraft", in der Schiller mit Freuden einmal „eine Spur
von dem Herzen des großen Denkers" erkannte? „Was wird", sagt Kant,
„von Dichtern höher gepriesen, als der bezaubernd schöne Schlag der Nachti-
gall, in einsamen Gebüschen, an einem stillen Sommerabende, bei dem sanf-
ten Lichte des Mondes? Indeß hat man Beispiele, daß, wo kein solcher
Sänger angetroffen wird, irgend ein lustiger Wirth seine zum Genuß der
Landluft bei ihm eingekehrten Gäste'dadurch zu ihrer größten Zufriedenheit
hintergangen hatte, daß er einen muthwilligen Burschen, welcher diesen Schlag
(mit Schilf oder Rohr im Munde) ganz der Natur ähnlich nachzumachen
wußte, in einem Gebüsche verbarg. Sobald inan aber inne wird, daß es
Betrug sei, so wird niemand es lange aushalten, diesem vorher für so reizend
gehaltenen Gesänge zuzuhören; und so ist es mit jedem anderen Singvogel
beschaffen. Es muß Natur sein, oder von uns dafür gehalten werden, damit
wir an dem Schönen als einem solchen ein unmittelbares Interesse nehmen
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
503
können." Es ist klar, daß auch in diesem Beispiele Kant's nicht die Anstel-
lung des virtuosen Spaßvogels durch den gewinnsüchtigen Wirth, sondern die
bloße Thatsache, daß es ein menschlicher Spaßvogel gewesen, den Gästen den
Genuß an seinem Singsang verleidet. Dieselbe Enttäuschung bereiten uns
gemachte Blumen und andere derartige künstlich nachgemachte Naturformen,
wenn wir sie wider Erwarten als solche erkennen. Gewiß haben nun Kant
und Schiller Recht, wenn sie dies durch Enttäuschung zerstörbare Interesse
als ein intellektuelles, als eine Art moralischen Wohlgefallens vom eigentlich
ästhetischen unterscheiden; allein was sich theoretisch sondern läßt, ist doch in
Wirklichkeit unzertrennlich verflochten: ästhetisches und moralisches Wohlge-
fallen verschmelzen im Begriffe des Naturschönen, wir gelangen gar nicht zu
dem Urtheile, dies oder jenes Naturding sei schön, wenn wir nicht seine
Qualität als Natur, „sein freiwilliges Dasein, sein Bestehen durch sich selbst,
seine Existenz nach eigenen und unabänderlichen Gesetzen", kurz — um den
Ausdruck Schiller's zu gebrauchen — seine Naivetät dabei voraussetzen.
Nun ist aber kein Zweifel darüber, daß auch die Kunst nur Kunst zu
heißen verdient, sofern sie zugleich Natur ist, daß ihre Werke nur schön er-
scheinen, indem sie — nicht etwa den Werken der Natur selbst zum Ver-
wechseln gleichen, ein Ziel, das der bloßen Kunstfertigkeit angehört, sondern
indem sie — aus einen der Natur analogen Entstehungsproceß hindeuten.
Mag man nun die Thätigkeit des Künstlers unter die neuerdings so weit
ausgedehnte Kategorie des „Unbewußten" stellen, oder mag man bei den
alten Begriffen des Genialen, Ursprünglichen, Unmittelbaren stehen bleiben:
immer wird man in ihr vornehmlich ein Schaffen gegenüber dem Machen
erblicken, auch das wahre Kunstwerk muß aus sich entstanden erscheinen und
durch sich und für sich bestehen, mit einem Wort: es muß gleichfalls naiv
sein und gilt nur so lange für wahrhaft schön, als es eben für naiv gilt.
Hiermit ist aber zugleich die Nothwendigkeit der Einheit seines geistigen Ur-
sprungs ausgesprochen oder, um Hegel das Wort zu lassen — denn wozu
sollt' ich mich darauf steifen, was einmal bündig gesagt ist, durchaus in an-
derer Wendung wiederzusagen? — „Das wahrhafte Kunstwerk erweist seine
echte Originalität nur dadurch, daß es als die eine eigene Schöpfung eines
Geistes erscheint, der nichts von außen her aufliest und zusammenflickt, son-
dern das Ganze im strengen Zusammenhange aus einem Guß in einem Tone
sich durch sich selber produciren läßt, wie die Sache sich in sich selbst zusam-
mengeeint hat." Wir brauchen für diese Einheit des geistigen Ursprungs,
welche hernach auch die ganze Existenz des betreffenden Objectes durchherrscht,
gewöhnlich den bildlichen Ausdruck „organisch", und indem wir ihn von den
Organismen der Natur ganz vorzugsweise auf die Production schöner Kunst
übertragen, erkennen wir die Verwandtschaft beider Schöpfungsarten unzwei-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
■
504 Noch einmal der Holbeinzwist.
felhaft an. Entdecken wir nun, daß wir statt des vermeinten organischen
Productes ein mechanisches vor uns haben, so ist's mit der freudigen Em-
pfindung freier Schönheit unwiederbringlich dahin. So geht's, wenn wir ein
angebliches Original als Copie enthüllt sehen.
Man wird uns zwar einwerfen, wir hätten doch jedenfalls dem Grade
nach zu viel aus dem kantischen Gleichnisse entnommen. Denn zwischen or-
ganischer Naturschöpfung und todter, künstelnder Nachäffung ihrer Formen
und Phänomene sei ein weit erheblicherer Abstand, als zwischen den echten
Hervorbringungen des Menschengeistes und ihren Nachahmungen, bei denen
doch immer wieder derselbe Menschengeist in Wirkung trete. Die geinachte
Rose verhalte sich zur natürlichen höchstens etwa wie die ganz mechanisch
todtgeborene Photographie zum lebendigen Oelgemälde des schaffenden Meisters.
Die Copie eines Kunstwerkes von Menschenhand, gebundener oder freier nach-
geahmt, mit mehr oder weniger individuellen Abweichungen, sei vielleicht der
Blume zu vergleichen, wie sie sich unter der Hand des Gärtners künstlich
modificirt entwickelt und die Freude an der Copie stehe zu der am Original
wie der Genuß an einem feinen Ergebnisse gärtnerischer Zucht zu dem, wel-
chen der Anblick wildgewachsener Schönheit uns gewährt. Immerhin, denn
wir wollen um das Quantum des Schönheitsdeficits, das wir nachgewiesen,
nicht lange zanken; worauf uns ankam, war, daß überhaupt ein Deficit vor-
handen; bleibt doch die Qualität des Mißbehagens, das ein guter Wirth bei
der Entdeckung eines solchen empfindet, dieselbe, wie groß oder klein es
auch sei.
Welche Forderungen an den urtheilenden Kenner ergeben sich mm aber
aus unserer Betrachtung? Offenbar hat er zunächst den guten Glauben an
die organische Entstehung des Kunstwerkes mitzubringen und aus der Einheit
der dem Ganzen zu Grunde liegenden Idee heraus, die ja auch in der Copie
abbildlich erkennbar ist, die Ausführung der Theile zu beobachten. Selbst
für Befremdliches in den Einzelheiten wird er so lange wie möglich rechtfer-
tigende Erklärung aus dem Ganzen, aus der Hauptabsicht des Künstlers zu
gewinnen suchen; er hat also die Pflicht begeisterungsfähiger Hingabe an
das noch unverdächtige Kunstwerk. Die Wahrnehmung starker Disharmonieen
zwischen Conception und Ausführung, peinlicher Befangenheit im Detail bei
freier Großartigkeit des Ganzen, oder auch großer Ueberlegenheit einzelner
Partieen über andere, wird ihm freilich mehr und mehr die Erfüllung dieser
Pflicht erschweren, doch noch versucht er's vielleicht mit hypothetischen Deu-
tungen, und beschwichtigt ain Ende den murrenden Geschmack durch irgend
welche Compromisse mit reinverständiger Ueberlegung. Taucht aber alsdann
zu dem vermeintlichen Original plötzlich das unzweifelhaft wahre Urbild auf,
so entsteht dem denkenden Betrachter die unbequeme, doch unvermeidliche
L
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
505
Arbeit, die eingelebte Gewohnheit des halb irrenden Genusses zu zerstören,
um für den wahren Raum zu schaffen, ja vielleicht alle jene Compromisse
wieder rückgängig zu machen. Da ist denn nichts begreiflicher, als daß
manche partielle Schönheit der Copie, die als solche gepriesen worden, nun
gegenüber der gleichmäßigeren Haltung des Originals verurtheilt werden
kann. Denn so pflegt es ja wohl selbständig begabten Copisten zu ergehen,
daß sie, während sie in der Wiedergabe des Ganzen natürlich weit unter
dem als Ganzes entstandenen Muster bleiben, bei ihrer diskursiven, von Theil
zu Theil denkenden Thätigkeit eben einzelne Theile, ja einzelne Seiten des
Ganzen über den ursprünglichen Zustand hinausbilden. Und da sie bei diesen
Umwandlungen, weil selbst einer späteren Empfindungsweise angehörig, sich
unwillkürlich in der Richtung aus den Zeitgeschmack des nachgeborenen Beur-
theilers hin bewegen, so raffiniren sie natürlich dabei die Copie in gewissem
Sinne für dessen Auge. Denn nur für Raffinement, nicht für Verschö-
nerung darf die Ausbildung der Theile im Gegensatze zu einem einheitlich
geschaffenen Ganzen gelten. Die Ueberfeinerung des Kopfes der Madonna,
die Auflockerung der ganzen Composition im Dresdener Bilde gegenüber dem
Holbeinischen sind solche Erscheinungen, wobei denn freilich alles Uebrige dem
Raffinisten um so kläglicher mißrathen ist. Wer wollte da dem Kritiker ver-
denken, daß er sein Urtheil zur vollen Anerkennung der gleichmäßigen Schön-
heit des naiven Echten zurückzuläutern strebt? Auf dem Gebiete der Ton-
kunst haben sich ganz ähnliche Wandlungen des Geschmackes ebenso natur-
gemäß vollzogen. Wie lange Zeit über wurden uns z. B. die großen
Schöpfungen Händel's in modernisirten Arrangements vorgeführt, welche
gleichfalls — hier durch Ausbildung der orchestralen Seite unserem an stärkere
Effecte gewöhnten Ohre zuliebe — den Eindruck im Einzelnen zuspitzend
verschärften! Als man hernach hie und da zur echten Instrumentation zurück-
kehrte, hat wohl jeder Hörer momentan einen gewissen peinlichen Ruck em-
pfunden, wie er plötzliche Aufklärungen des ästhetischen Gefühls zu begleiten
pflegt, wer aber hätte sich nicht bald mit Freuden zur wahren Verehrung
des Originalschönen heimgefunden?
Da wir einmal in den Bereich der Musik hinübergeglitten sind, so sei
im Vorbeigehen noch — nur Spaßes halber — des Kritikers gedacht, wel-
cher in der „Neuen freien Presse" über die Holbeinausstellung berichtet hat.
Nicht weil er auch Utraquist ist — steht es doch jedem frei — auch nicht,
weil er auf's anschaulichste erzählt, wie Holbein vermuthlich zur Replik seines
Bildes geführt und wie er dabei verfahren sei, sondern wegen der geistreichen
Art, in der er, dessen Ohren jedenfalls geläufiger hören als seine Augen
sehen, sich selbst und uns über den eigentlichen Unterschied der streitigen
Bilder belehrt. Das Darmstädter, meint er, gehe ganz einfach aus L-dur,
Im neuen Reich. 1871, U.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
506 Noch einmal der Holbeinzwist.
das Dresdener aus E-dur. Nicht übel — ohne Ironie — denn die Diffe--
renz eines saftigeren, sanfteren, geheimnisvolleren, ernsteren Colorits neben
einem trockeneren, härteren, helleren, grellheiteren ist damit nicht uneben be-
zeichnet. Wenn man aber fragt, was mit einer solchen, immer mißlichen
Uebertragung von Terminis der einen Kunst in die andere hier ausgerichtet
sei, so ergiebt sich das Gegentheil von dem, worauf es der Erfinder jenes
Vergleiches absah, nämlich die Unechtheit des Dresdener Bildes. Oder wie:
es wäre auch nur denkbar, daß ein Componist von Bedeutung ein ganzes
Tonstück, das er in B-dur concipirt, selber in eine so fremde Tonart wie
L-dur hinübersetzte? Zwingt ihn Rücksicht aus die etwa um eine Quinte
höhere oder tiefere Stimmlage des Sängers oder des Instrumentes, für das
zuletzt, abweichend vom ursprünglichen Wunsche, das Stück bestimmt wird,
zur Transposition, so wird er auch das schon ungern — zur Tonart
der Ober- oder Unterdominante greifen. Ein Stück aber von B nach E
versetzen, heißt es in einem Theile seines Wesens zerstören; das thäte nie der
schaffende Künstler selbst, wohl aber ohne Bedenken der umschreibende Arran-
geur, der ausübende Dilettant, der falschraffinirende Virtuos, mit einem
Worte der Copist. Und so würden unsere großen Tondichter, wenn sie wie-
der aufstünden, mit tiefem Leidwesen ihre Werke durch die überhöhte Stim-
mung der Instrumente so gut wie durch die moderne Ueberhastung der
Tempi und Pointirung der Accente verwandelt, entstellt, verfälscht sehen; nicht
anders, als Holbein die Autorschaft des Dresdener Bildes schönstens dankend
ablehnen müßte.
Wir haben soeben den Virtuosen ohne weiteres unter die Copisten ver-
setzt, und es lohnt sich in der That einmal die Stellung der ausübenden
Künste von unserem Gesichtspunkte aus zu betrachten. Die für die Perception
xn der Zeit arbeitenden schaffenden Künstler, Dichter und Componist, können
ihre Originalwerke nur symbolisch andeutend durch Wort- oder Notenschrift
fipiren, und diese Werke leben daher nur durch und in beständiger Wieder-
gabe durch Copisten, nämlich Recitatoren, Schauspieler und Virtuosen. Diese
vollführen dabei allerdings zum Theil auch eine künstlerische Thättgkeit, die
darstellende, der sich der bildende Künstler gemeinhin selbst unterziehen muß,
die jedoch auch bei ihm als Technik, als geistdurchhauchtes Handwerk weit
unter seiner eigentlich ersinnenden, idealen Wirksamkeit steht. In ihren Dar-
stellungen sind aber die ausübenden Künstler in Wahrheit nur Copisten des
tiefen Inhalts, welchen der Poet oder Tondichter denkend in seinen Werken
niedergelegt hat. Sowie sie darüber hinausgehen, raffiniren sie gleichfalls
und verpfuschen ihre Aufgabe. Die beliebte Phrase heutiger Recensenten, daß
der Schauspieler oder Geiger seine Rolle oder Partie „erst wahrhaft geschaf-
fen" habe, besagt daher entweder gar nichts weiter, als daß er sie zur Dar-
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
507
stellung gebracht, oder drückt das wollüstige Behagen eines modern verlotter-
ten Geschmacks an pointirt koketter, d. h. unkeuscher Verunstaltung des naiven
poetischen oder musikalischen Textes aus. Uebrigens kann freilich der Virtuos
oder Schauspieler auch noch die einzige Selbständigkeit, die ihm erlaubt ist,
die des unmittelbaren künstlerischen Gehorsams gegen den Ton- oder Dicht-
schöpfer aufgeben, indem er das Vorbild eines berühmten Collegen nachäfft;
alsdann ist er potenzirter Copist und seine Leistung kann nur das humane,
aber unästhetische Wohlgefallen erregen, welches aus der Wahrnehmung
menschlicher — unter Umständen auch thierischer — Gelehrigkeit entspringt.
Die darstellenden Künstler sind nun freilich in der üblen Lage, daß, je treuer
sie ihrer Pflicht bleiben, um so mehr ihre Person zur durchsichtigen Glorie
wird, in der das Bild des schaffenden Künstlers erscheint. Dafür ernten sie
aber auch den lebendigen Beifall, den jener verdient hat, in Wirklichkeit ein;
wie man dem Ueberbringer eines Geschenkes den Dank sagt, den man dem
fernen Geber weiß. Jener genießt das Lächeln oder die Thränen des Be-
glückten, zu diesem steigt die Erinnerung des Herzens auf; der Mime hat
Gold und Kränze der Mitwelt, Nachruhm der Genius, dessen schaffende Kunst
allein freie Schönheit an sich trägt.
Die bildenden Künste, in welchen der Künstler selbst auch die darstel-
lende Ausgestaltung seiner Idee übernimmt, erzeugen dem Auge sich selber
dauernd producirende Werke im Raume, aber freilich nur isolirt an einer
einzigen Stelle desselben. Um ihnen daher eine gewisse Allgegenwart zu
verleihen, treten die sogenannten reproducirenden Künste hinzu, ebenso wie
die executiven Künste den Dicht- und Tonwerken eine Art Unsterblichkeit in
der Zeit gewähren. In dieser Hinsicht mag man denn wohl Kupferstecherei,
Holzschneidekunst u. s. w. dem Geschäfte des Schauspielers oder Concertanten
an die Seite setzen; wobei nicht erst gesagt zu werden braucht, daß jene Ver-
vielfältigungskünste auch nur den Rang von copistischen einnehmen. Dabei
haben sie aber noch ihre Rangordnung unter sich, so daß die am höchsten
steht, welche den innerlich vollständigsten, daher treusten Abriß des Originals
auf geistigem Wege herstellt, was zugleich auch die größte Arbeitssumme er-
fordert und so die Vervielfältigung bis zu einer bestimmten Zahl von Exem-
plaren am schwierigsten macht. Ganz untenan steht dabei die reinmechanische
Copirung durch Lichtbildnerei, deren Reproducte so absolut unkünstlerisch sind
als das Geklimper einer Spieluhr oder das geistlose Herleiern eines ver-
drossenen Schülers, dem durch Androhung von Strafen ein Religionslied
eingezwängt worden. Natürlich soll damit die Photographie nicht gescholten
werden, denn sie hat, wie die Atmosphäre die Sonnenstrahlen zerstreut und
Licht und Wärme selbst in den Schatten hineinspielen läßt, ein Medium der
Kunstanschauung geschaffen auch für Bildungskreise, in die vielleicht niemals
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
508
Roch einmal der Holbeinzwist.
unmittelbar das himmlische Feuer ursprünglichen Künstlergeistes lebenschaffend
und herzerfreuend hineinleuchtet. So ist die Photographie, ja mehr oder
weniger alle Reproduction für die bildende Kunst, was der Handel gegenüber
der wirthschaftlichen Production: sie erzeugt absolut keine geistigen Werths
aber sie verbreitet dieselben und macht sich aus diese Weise nützlich und, wie
billig, auch bezahlt.
Daß nun die nach Identität der Erscheinung strebende Farbencopie
eines Gemäldes den obersten Platz unter den Reproductionsarten einnehme,
noch weit über dem Kupferstiche, versteht sich von selbst, und zwar wird sie
diesen Platz um so mehr verdienen, je selbstloser sie sich darstellt. Wäre
absolute Identität denkbar, so würde sie allerdings aus einem bloßen Sur-
rogat zum Ersätze werden; diese ist aber eben unmöglich und deshalb geht
unser subjectives Geschmacksurtheil, indem es sofort bei Entdeckung der Nicht-
originalität einen Schönheitsverlust registrirt, auch objectiv nicht irre. Sogar
eine Wiederholung durch den schaffenden Künstler selbst ist entweder, wenn
sie bloße Replik ist, eine an Schönheit verminderte Copie, oder aber sie ist
ein neues und selbständiges Kunstwerk, zu dem dann das erste nur — je
nachdem — als Modell, Skizze, Carton u. dgl. m. gelten kann. Hier
bietet sich denn sogleich von selbst der Einwand dar, ob nicht auch ein an-
derer größerer Künstler auf Grundlage eines älteren Werkes eine neue,,
selbständige Leistung auferbauen könne. Sicherlich ist diese Frage zu bejahen
und die ganze Kunstübung gewisser Epochen hat sich auf diese Weise bewegt.
Doch ist dadurch für die Sache der Dresdener Maria nichts gewonnen.
Denn der wirkliche Meister wird bei der Nachfolge gegebener Gedanken doch
immer als Künstler, d. h. von innen, vom Ganzen ausgehen; die Verände-
rungen, die sein Werk gegen das niedriger stehende Vorbild zeigt, werden
solche der Idee sein, centrale Veränderungen sozusagen und mit den bloß
peripherischen der „freien Copie" nie zu verwechseln sein. Die Anwendung
davon kann jeder machen, der im Zwinger zu Dresden gestanden. Die be-
zeichnete Weise der Kunstentwicklung, wo die einzelnen Meister Forffchritte
machen gleichsam in den Schuhen ihrer Vorgänger, gehört Zeiten an, wo
die Kunst einerseits irgendwie durch geistige, meist religiöse Fesseln gebunden
ist und andererseits die menschliche Individualität innerhalb der Völker noch
nicht auf's feinste zugespitzt erscheint; ferner aber wird diese Art desto häufi-
ger begegnen, je weniger die freie Aeußerung des künstlerischen Subjectes
durch die Darstellungsmittel der betreffenden Kunst selber begünstigt wird,
z. B. häufiger in der Sculptur als in der Malerei, mehr im Epos als im
Drama. Hierher gehört die Erscheinung des, zum Theil mythologisch fixir-
ten, typischen Elements in der antiken Plastik, so daß selbst die ergreifend
originellen Schöpfungen eines Phidias in äußerlichem Sinne oft nur Um-
Der Schönheitsverlust der Dresdener Madonna.
509
schöpfungen gewesen sein mögen; hierher gehört ferner die ganze mittelalter-
liche Kunstübung in Sculptur, Malerei und vor allem in der Architectur,
welche letztere überhaupt nie und nirgend eine andere Art der Fortbildung
gekannt hat, als die durch Umbildung vorhandener Formen, hierin der echten
epischen Volksdichtung verwandt. Das Beispiel des Epos ist gerade für die
Unterscheidung, auf die es ankommt, lehrreich, denn heut sondern wir in den
homerischen Gesängen so gut wie im Nibelungenliede bequem die echt künst-
lerischen Abtheilungen, welche auch der Rhapsode, der ihnen die letzte Gestalt
gegeben, noch einmal in seinem Geiste wiedergeboren und so neugeschaffen
hat, von den künstlichen, gemachten Einschiebseln der Homerocopisten und
fahrenden Bänkelsänger. Im Alterthum wie im Mittelalter, wo verglichen
mit unseren Tagen die Individualität noch wie unter'm Schleier der Natio-
nalität, der Glaubens-, Standes- oder sonstiger Gemeinschaft verhüllt lag,
waren auch in den subjectiveren Künsten, so im antiken Drama, im Kunst-
epos und selbst in der Lyrik des Mittelalters schöpferische Umdichtungen
neben eigentlichen Neuschöpsungen durchaus an der Tagesordnung. In der
so innerlichen Musik kann man dergleichen nur aus dem kirchlichen Gebiete
wahrnehmen, in der Malerei bringen erst die Meister des Cinquecento ganz
individuelle Manifestationen hervor. Nach Holbein's Tagen aber hat jeder
Maler — uno der von germanischer Rasse zumal — der Eigenes zu brin-
gen hatte, es auch in eigener Form gebracht. Hat der Meister des Dres-
dener Bildes eine Umschöpfung vorgehabt, was übrigens schon durch die
peinliche Treue in den Einzelheiten ausgeschlossen ist, so ist ihm das nicht
gelungen; was ihm eigen ist, ist ihm äußerlich eigen, nicht eigener Gehalt;
als rasfinirender Copist hat er das Typische neu aufpolirt, ohne die Idee
von neuem denken zu können.
Der Copisten nun freilich ist allerdinge die Welt voll, und zwar
meistens der unbewußten, der Nachahmer im weiteren Sinne, der Eklektiker
und der Manieristen, welche letztere, nachdem sie einmal ihre Manier gesun-
den, genügsam als Copisten ihrer selbst sortarbeiten. Eben weil im ganzen
Verlaufe der Kunstentwicklung so selten Epochen wahrer Originalität ein-
treten, weil sogleich nach dem Erscheinen eines Meisters, der in irgend wel-
cher Richtung vollendete Werke hervorbringt, nicht Stillstand sondern Rück-
gang eintritt, und alsdann das Heer der Schüler und Nachstreber in seinem
mittelmäßigen Wüchse ganze Zeiträume einförmig bedeckt, wie angepflanzte
Nutzgewächse — eben deshalb verarge man uns nicht nach dem Elemetlte
der Originalität in der stets historisch zusammengesetzten Erscheinung der
Schönheit zu suchen, um zur Erkenntniß des wahrhaft Meister- und Muster-
haften zu gelangen. Auch das Geschmacksurtheil ist fähig und darum auch
verpflichtet zu lernen, und wenn dies zuletzt natürlich nur — wie übrigens
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
510 Noch einmal der Holöeinzwist.
alles Lernen — ein Lernen durch Selbstausbildung sein samt, ein Steigern
der eigenen Kraft durch wiederholte Uebung ihrer Function, so kann doch
fördersame Anleitung von außen kommen: die practische Bildung des ästhe-
tischen Urtheils durch Anschauung wird nicht gehemmt, sondern beschleunigt
durch historische Kunstkenntniß. Waren die ersten Geister des vorigen
Jahrhunderts zu verdammen, wenn sie etwa im Laokoon das Höchste aller
plastischen Kunstschöpfung vor sich zu haben wähnten? Gewiß nicht; für uns
aber, die wir inzwischen die wahrhaft ursprüngliche Schönheit reiner Grie-
chenwerke zu Gesichte bekommen haben, wär' es ein Vorwurf, wenn wir noch
länger die wild nach Effekten greifende, von den Schlangenwindungen der
Berechnung tödtlich umgarnte Kunst stark verlebter, abgearbeiteter Perioden
der göttlichen Naivetät der Zeiten des Werdens und Blühens gleichsetzen
wollten. Oder man denke sich Jemanden aufgewachsen allein in Anschauung
und Bewunderung von Gemälden der Caraccischen Schule; offenbar würde
er seinen Schönheitsmaßstab von daher entnehmen, und wenn ihm hernach
auch Rafael beim ersten Begegnen unmittelbar als unendlich überlegen ein-
leuchten möchte, würd' es ihm mit Perugino und Francia, oder gar mit den
älteren Meistern nordischer Kunst so leicht gelingen, würde ihm nicht ein
historisch anleitender Hinweis auf die köstliche Naivetät ihres geistigen Ur-
sprungs, die so oft nur gleichsam ängstlich unter der Strenge gebundener
Form hervorblickt, behülflich und erfreulich über ihren Werth die Augen
öffnen? Das reflectorisch erzeugte Schöne reproducirender Kunstperioden
spricht vordringlich und gerade deshalb gar eindringlich zur Empfindung des
Betrachters eben durch die Accente, die es überall seinen Aeußerungen auf-
setzt: es verweichlicht das Liebliche in's Süßliche, steigert das Ergreifende
zum Erschütternden, vergröbert die Größe zur Massenhaftigkeit, verdünnt
Anmuth zu Niedlichkeit, kurz es giebt allenthalben Uebermaß für Ebenmaß.
Und man sollte nicht das rechte Maß, das zu finden so schwer ist, hernach
gegen das Uebermaß loben dürfen, nicht das reftectirte Licht der Schönheit,
das man zuvor allein gekannt und verehrt, herabsetzen dürfen gegen seine
ungebrochenen Strahlen? Jnconsequenz, wenn sie zum Rechten führt, ist
eine Tugend. —
In der Aesthetik der Dichtkunst wäre ein kritischer Streit wie der
Holbeinzwist gar nicht möglich gewesen und zwar aus zwei Gründen: Ein-
mal gerade, weil diese Aesthetik längst mit literarhistorischer Betrachtung
innigst verwachsen ist; dann, weil die elementare Naturseite der Poesie, Ge-
danken und Sprache, gleichfalls längst an Logik und Grammatik ihre Theorie
besitzt. Die Aesthetik des Musikalisch- und die des Bildnerischschönen kom-
men erst in unseren Tagen zu festerer Begründung und zwar ebenfalls:
weil erstens die Kunsthistorie gerade jetzt aufgerichtet wird als ein Spalier,
Die Krisis in Oestreich.
511
an welchem die an sich haltlose Aesthetik sich emporranken kann, und weil
zweitens die elementare Naturseite des Kunstschvnen in Ton und Gestaltung
nun erst wissenschaftlich in Angriff genommen wird. In ersterer Beziehung
hat die bildende Kunst den Vorsprung, denn ihre Geschichte ist schon bei wei-
tem besser erforscht als die der Musik, während dem, was in anderer Hin-
sicht Helmholtz für die Physik der Tonkunst geleistet, in der unendlich com-
plicirteren Welt sichtbarer Schönheit noch keine Lehre ebenbürtig gegenüber-
steht. Doch wär' es schnöder Undank, wollte man hier nicht gerade Fechner's
Bemühungen zu einer „experimentalen Aesthetik" zu gelangen ehrend hervor-
heben. Alfred Dove.
Berichte aus dem Keich und dem Uuslande.
Ne Krisis in Oestreich. Aus Wien, 24. Septbr. — In unendlichem
Wirrsal kreuzen sich Oestreichs innere Fragen. An den Verfassungsgesetzen
des Staates zerrt mehr als die Hälfte der Landtage, von denen einzelne sich
berufen glauben zu Neuconstituirung des Reiches. Und nirgends .ein Aus-
weg aus dem Chaos! Selbst der Monarch scheint von so banger Ueberzeu-
gung erfüllt. Dem Gewoge wider einander streitenden Meinungen und
Leidenschaften bleibt er vielleicht verzweifelt abseitsstehend in Pest oder in
dem nur Jagdvergnügungen entsprechenden Lustschlosse Gödölle. Die Journale
Wiens erweisen sich währenddeß energischer. Sie demissioniren den Träger
des gegenwärtigen Regierungsgedankens, künden triumphirend den Sturz
Hohenwart's! Solch' dem bloßen Wunsche entsprechender Jubel ist jedoch zu
heißblütig. Der nominelle Schöpfer des Wirrsals von heute sitzt immer noch
fest in der Gunst des Kaisers, fester noch in der der „zweiten Regierung".
In der That, an diesen Begriff, den wir einmal bereits erörtert, muß man
anknüpfen, will man Thätigkeit, ja Existenz der jetzigen ministeriellen Staats-
macht in ihrer echten Bedeutung erfassen. Die letztere zunächst ist in voller
Gänze ein Werk der geheimen hinter den Coulissen wirksamen Mächte unseres
Staates. Es ist kein Geheimniß mehr, daß das Regime Hohenwart einen
Ueberraschungscoup bedeutete. Selbst dem Throne Nahestehende dachten, als
Potocky mit feinem Latein zu Ende war, ein Verwaltungsministerium, eine
Art „constitutioneller Absolutismus mit starker Hand" werde ihm folgen.
Der Kaiser gab sich als Protector solcher Idee. Mehr noch. Er beauf-
tragte Potocky zu ihrer Verlebendigung zu wirken. Der arme Cavalier aus
Galizien handelte damals nach Art anderer Polen förmlich mit Porteseuill es
essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
512
Berichte aus dem Reich und dem Auslande.
Naiv forderte er sogar von einem der Führer der Verfassungspartei ein
Namensverzeichniß parlamentarischer Minister, und noch naiver wirkte Graf
Beust mit allem Apparate des Dispositionsfonds für die „Regierungsfähigen"
der Zukunft. Hatte doch auch ihm der Kaiser jenen Plan als einzig mög-
lichen bezeichnet und in seiner Berücksichtigung empfohlen, den czechischen
Führern einen „derben" Absagebrief zu schreiben. „Die starke Hand", die in
Zukunft die Regierungszügel lenken sollte, blickte selbst aus den Zeilen
unseres sonst so schweigsamen Canzlers. Aber welche Täuschung! Die Namen
des Verwaltungsministeriums waren gefunden, vereint, als plötzlich die
Aeolusse unserer Geheimregierung eine neue Windrichtung anzufachen wußten.
Mit einem namenlosen Ministerium wurde wider Erwarten ein Ueberfall
der öffentlichen Meinung vollzogen in der „Wiener Zeitung". Hohenwart
war Minister! Giskra hat ihn kurz zuvor als Protectionskind der Hofkreise
zum oberöstreichischen Statthalter gemacht. Er erkannte heute in ihm das
Werkzeug der zweiten Regierung, deren Haupt in der kaiserlichen Cabinets-
canzlei als wohlbestallter Staatsrath sitzt. Und das Schlagwort dieser
Staatsmannschaft, die bisher im Hinterhalte jeder Regierungsform gelauert
oder als Todtenwurm an ihrem Busen hauste, ehe sie zu leben begann —
das Schlagwort „Ausgleich", „Versöhnung" der Unzufriedenen — plötzlich r
war es Regierungsprogramm geworden. Ein Zögling der Jesuiten sollt' es
vollziehen, unfähige, geistig ohnmächtige Marionetten zur Seite. Wozu auch
Männer für das Geschäft zu reden und zu handeln, wie die bisherige zweite
Regierung es wollte, im Interesse alten Adels-Vorurtheils, alter kirchlicher
Sympathieen? Es scheint nicht ganz leicht gewesen zu sein, den Monarchen, i
so sehr er auch mit den Ausgleichsgedanken liebäugelt, für . die neuen Männer
zu gewinnen. Ein breites Gewebe der Intrigue hat mitgeholfen, und ist ge-
wiß mitgeweiht worden von frommen Händen. Weiß man doch, wie an
einem Tage, an welchem dem Kaiser die Gefahr einer „starken" deutschen
Regierung in einem Promemoria geschildert worden, plötzlich Briefe Anto-
neüi's und des Papstes an Kaiser und Kaiserin gelangten. Nicht gegen
einen Programmspunkt der Verwaltungsmänner, die unter Lasser für stramme
Regierungsform gesorgt uitb hiefür durch kirchliche Gesetzreform den liberalen
Volkssinn getröstet hätten, wendeten sie sich. Nein. Sie tobten vielmehr
gegen die Zusagen, die in ähnlicher Richtung der Kaiser in seiner letzten
Thronrede gemacht, sie drohten mit den höchsten kirchlichen Strafen. Ein-
mal nur, als im Herrenhause das Schicksal der interconfessionellen Gesetze
entschieden wurde, war der Kaiser energisch genug, solche Drohung zu igno-
riren. Ja mehr noch. Als, wohl im Einklänge mit dem zweiten Regime,
Erzherzöge in die Sitzung kommen wollten um nach langer Zeit ihr Stimm-
recht gegen das Bürgerministerium und für einen Vertagungsantrag Mens-
Supplement zu jeder Weltgeschichte!
Bei Ambr. Abel in Leipzig erscheint und ist in allen Buchhandlungen vorräthig:
Urgeschichte des Orients
bis zu den medischen Kriegen.
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Dr. Moritz Busch.
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dichte, in Verbindung mit literarischen
und biographischen Notizen. Die zweite
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licher Kunst bis auf Giotto und seine Schule.
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müller. gr. 8. P/eis: 2 Thlr. 20 Ngr.
Zweiter Band: Altflorentiner von Orcagna
bis Fiesoie. Mit 11 Tafeln, gr. 8. Preis:
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Dritter Band: Florentinische Schule des
XV. Jahrhunderts. Umbrisch-Florentinische
Kunst. Mit 7 Tafeln und einem Index über
Band I—III. gr. 8. Preis: 3 Thlr. 10 Ngr.
Der vierte Band befindet sich im Druck
und soll gegen Ende dieses Jahres ausge-
geben werden.
Lrlpjig, G Stufte.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
W l W I
Wochenschrift
für
das Leben des deutschen Volkes
tu
Staat, Wissenschaft und Kunst.
Herausgegeben von Dr. Alfred Dove.
1871. Xi 40.
Inhalt:
Die lutherische Kirche im Elsaß.
Deutschenhaß oder Wissenschaft? Die Herkunft der Eddalieder.
Beiläufig: Deutschenhaß und erwachende Vernunft im germanischen Norden.
Noch einmal der Holbeinzwist. Ein Wort über den Urheber der Dresdener Madonna, v. «~-
Berichte aus dem Reich und dem Auslande:
Der Münchener Katholikencongreß. I. Herm. Weingarten.
Vom bairischen Landtage. Aus München.
Unsere Stellung zu Oestreich. $>
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Beiläufig: Deutschenhag und erwachende Vernunft tm Norden.
539
Kopenhagen) unter dem Titel: Digde af Henrik Ibsen (IV,) 178 pp. 12°.
Ueber ihren dichterischen Werth enthalte ich mich jeden Urtheils, so sehr ich
auch den Gehalt, die Tiefe und die leichte, gewandte Form dieser Gedichte
zu würdigen vermag; wohl aber muß ich mich als deutscher Leser in aller-
höchstem Grade verletzt und entrüstet fühlen, wenn er mit demselben Cynis-
mus, den man nur von dänischen Literaten und von dänischen Gelehrten in
Kopenhagen gewohnt ist, sich die häßlichsten Schmäh- und Hohnreden gegen
Deutschland erlaubt, und man muß dies als Deutscher in um so höherem
Grade empfinden, als Ibsen seit Jahren deutsche Gastfreundschaft in Dres-
den genießt und nur in der Voraussetzung, daß man dort seine Gedichte aus
Mangel an Sprachkenntniß nicht lese und verstehe, solches Gebühren sich ge-
stattet. Abgesehen von dem „Ballonbriefe an eine schwedische Dame", datirt
Dresden, December 1870 (Seite 145—163), worin er seine Suez-Reise in
Aegypten beschreibt und es an den ordinärsten Schimpfreden nicht fehlen
läßt (z. B. wo er das deutsche Contiugent der Reisegesellschaft beschreibt,
S. 150—151), ist es namentlich eine Stelle in dem Gedichte über die Er-
mordung Abr. Lincoln's (S. 134), in der er von dem Eindrucke spricht, den
diese Nachricht aus dem Continente hervorgebracht, bei Engländern, Fran-
zosen, Deutschen; und wie charakterisirt er sie? „bomulcls-magnaten, gloirens
scen, de tusend fra loegnens land“ (die Tausende aus dem Land der Lüge)!
Ich habe diese Stelle — um mich nicht etwa zu irren — Norwegern und
Dänen zu lesen gegeben und theils wurden sie verlegen, theils drückten sie
unverhohlen ihre Entrüstung aus. 8apienti sät!" —
Wir nun können doch die lyrischen Ergießungen des Herrn Ibsen so
schwer nicht nehmen. Immerhin mag der Poet sein erregungsbedürftiges
Gemüth auch an der Gluth des Hasses befeuern; im practischen Leben hat
er nicht mitzusprechen, da erscheint die Aeußerung des prosaischen Politikers
ungleich bedeutender. Deshalb machen wir gerne aus das Schriflchen „Dä-
nemark und Deutschland" aufmerksam, „Zeitbetrachtungen von I. H.
Bagger, Obergerichtsprocurator", welches, aus dem Dänischen übersetzt von
Dr. A. W. Peters, bei I. Kühtmann in Bremen erschienen ist. In der
nüchternsten Stimmung des Geistes sucht der dänische Politiker seine Lands-
leute über ihr verkehrtes Betragen in der Vergangenheit wie über die Pflich-
ten aufzuklären, welche ihnen die gesunde Vernunft und das Bedürfniß der
Selbsterhaltung für ihr künftiges Benehmen auferlegen. Es ist das alte
Lied, das so manche geschädigte und betrübte Nation in ihrer Verlassenheit
schon hat singen müssen: Wir haben Frankreich geliebt und auf Frankreich
gehofft; was aber ist uns anders daraus erwachsen als Verlust und, wenn
nicht Unehre, doch Unglück und Unruhe? Hiervoit nun dürsten alleroings
die Dänen mit der Zeit gründlich überzeugt worden sein; zu wünschen ist
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
7
r~
540 Noch einmal der Hvlbeinzwist.
aber, daß ihnen auch die positiven Erwägungerl und Rathschläge des Ver-
fassers nicht umsonst vorgesprochen sein möchten. Er stellt Dänemark an
sich — wie alle Kleinstaaten — als hilflos und gebrechlich dar; auch in
einer nordischen Union sieht er rtoch keinen Dauer gewährenden Machtcomplex.
Dann geht er die Reihe der Großnlächte durch und findet allein im derrtschen
Reiche den nothwendigen und natürlichen Rückhalt für die bluts- und cultur-
verwandten nordgermanischen Kleinmächte. Freundschaft, aufrichtige Freund-
schaft mit Deutschland! ist der Refrain seiner Ermahnung. Nur auf diesem
Wege sieht er die Erhaltung des specifischen Dänenthums, soweit voll einem
solchen in der Gesamnitsphäre germanischeil Wesens die Rede sein kann, ver-
bürgt und gesichert. Fort deshalb mit dem Hochlnuth, der lloch immer der
gefährlichste Feilld aller Kleinen gelvesert ist! Fort mit dem unnützen Ueber-
aufwand für Heer und Flotte, der am Marke des Landes zehrt, ohne es
nach außen irgendwie furchtbarer zu machen! Fort vor allem mit der Spie-
lerei des Freischützenthums, mit den killdischen Reizmitteln der antideutschen
Feste, Taselreden, der Kläsfereien der Presse! Auch die ihrer selbst frohen,
aber erfolg-, ja hoffnungslosen Demonstrationen nordschleswigscher Ab-
geordneter in Land- und Reichstag finden vor des Verfassers Augen keine
Gnade. Er erwartet nicht, daß Düppel und Alsen jemals an sein Land
zurückfallen lverden, hält aber eine Einlösung der nordschleslvigscheu Verbind-
lichkeiten in bescheidenerem Umfange von Seiten Preußens für nicht unmög-
lich, wenn vorher die Dänen selbst Beweise vernünftiger und verträglicher
Gesinnung gegeil uns abgelegt haben würden. Wer möchte ihnl darin unter
uns nicht beipflichten- Wohlan! können wir ausrufen, sangt an endlich
billig zu denken, und ihr werdet auch uns nicht unbillig finden! Hoffen wir
inzwischen, daß die verständig klare Sprache Bagger's nicht ohne Wiederhall
in den Köpfen — wenn auch vorerst nicht in den Herzen — unserer nor-
dischen Vettern bleiben möge. a/D.
Noch einmal der Lolbeinzwist.
2. Ein Wort iilier bcn Urheber der Dresdener Madonna.
Jeder, der die Ueberzeugung gewonnen, daß die Dresdener Madonna
nicht von dem jüngeren Holbein herrühren kann, muß jetzt natürlich die
Frage beantwortet wünschen, wem das namenlos gewordene Werk nun zu-
zuschreiben sei. Zwar fällt diese Frage, wie bereits ein früherer Aussatz dieser
Ein Wort über den Urheber der Dresdener Madonna.
541
Blätter bemerkte, nicht so sehr in's Gewicht, als es den Anschein haben
kann; denn die Ungewißheit über den Maler jenes Bildes vermag die Gründe
nicht zu alterireu, die gegen den Holbein'schen Ursprung desselben sprechen.
Wenn sein Urheber sich nicht sofort mit der nämlichen Sicherheit bestimmen
läßt, mit welcher man die Autorschaft Holbein's verneint hat, so darf dies
nicht befremden, da es in der That seine besonderen Schwierigkeitelt hat, den
Urheber einer Copie attsfindig zu tnachen.
Für eine genaue Erörterung der Frage steht uns das nöthige Mate-
rial vor der Hand nicht in hinreichendent Maaß zu Gebote. Unsere Absicht
ist nur, in dem Bezirk der Kunstgeschichte die Stelle etlvas itäher zu be-
zeichnen, wo man den Ursprung der Dresdener Madonna wird suchet!
müssen. Auch hierauf hat der kundige Verfasser des erwähnten Aufsatzes
schon hingedeutet.
Die historischen Angaben, die uns über das Darntstädter und Dres-
dener Bild vorliegen, sind so widerspruchsvoll und verworren, daß sie einen
sicheren Anhalt für die Lösung unserer Frage nicht bieten können. So viel
allerdings scheint aus denselben hervorzugehen, daß beide Exemplare sich um
1630 in Amsterdam befanden, wahrscheinlich im Besitz des Kunsthändlers
Leblon, den man ja bekanntlich sogar, lvenn auch ohne genügenden Grund,
in dem Verdacht hat, daß er die Copie des Originals zutu Zweck einer Täu-
schung habe anfertigen lassen. Eine spätere Zeit, als die um 1630, dürfte
nach jenen historischen Notizen für die Entstehung der Copie wenigstens nicht
als wahrscheinlich gelten.
So lange jedoch das Dunkel der geschichtlichen Angaben nicht durch eine
glückliche Entdeckung gelichtet ist, wird man sich bei dein Versuch, den Ur-
sprung des Dresdener Bildes zu ermitteln, im Wesentlichen nur an die in
der Natur des Bildes selbst gegebenen Jndicien zu halten haben. Dieselben
Gründe, die bei der Aechtheitsfrage entscheidettd waren, müssen auch hier
maaßgebend sein. Wenn die ganze Haltung der Dresdener Madonna im
Vergleich zu der des Darntstädter Bildes, wie zu der gesamtnten, erst durch
die Dresdener Ausstellung recht anschaulich gewordenen Kunstlveise Holbein's
eine modernere zu nennen ist, so fragt es sich, wo in der Kunstgeschichte zu-
erst Werke von ähnlich moderner Erscheinung hervortreten.
Unter den in Dresden ausgestellten Werken Holbein's gleicht in der tech-
nischen Behandlung, aus die es hier zunächst ankommt, in der That keines der
Dresdener Madonna; wir dürfen in diesen! Punkt auf die eingehenden Erör-
terungen jenes früheren Aufsatzes verweisen: sämmtliche Holbein'sche Gemälde
zeigen, die aus der letzten Periode des Meisters am schönsten, ein tiefes gesät-
tigtes Colorit, gegen welches das des Dresdener Madounenbildes trocken und
kreidig erscheint, eine Gediegenheit der Farbeuverschmelzung, gegen welche der
542
Noch einmal der Holbeinzwist.
coloristische Vortrag in jenem den Eindruck einer gewissen eleganten Glätte
macht. Neben denselben Vorzügen des Colorits läßt das Darmstädter Bild, das
in einer früheren Periode, jedenfalls kurz vor Holbein's erster Reise nach
England (1526) entstanden ist, in der Zeichnung stellenweis noch eine ge-
wisse Unsicherheit erkennen, namentlich in der perspectivischen Verkürzung ein-
zelner Formen, man fühlt, daß hier der Künstler noch nicht mit ganz freier
Hand arbeitete. Zugleich aber gibt sich in dem Bilde mit der höchsten
Sorgfalt der künstlerischen Durchführung und einer bewunderungswürdigen
Kraft des charakteristischen Ausdrucks eine schöne Naivetät der Empfindung
kund, die auch in dem stark überarbeiteten Kopf der Madonna noch fühlbar,
von besonderem Reize ist. Neben diesem Werke, in dem uns mit ursprüng-
licher Frische ein großes, die Mittel seiner Kunst aber noch nicht allseitig
und absolut beherrschendes Talent entgegentritt, erscheint das Dresdener
Bild als die Arbeit eines Künstlers, dessen Fertigkeit schon etwas vom
Charakter der Virtuosität an sich trägt; die Formen sind mehrfach correcter,
der Vortrag hat eine große Leichtigkeit und das räumliche Arrangement der
Gruppe, die Anordnung der umgebenden Architectur wird man geschmack-
voller nennen müssen, als aus dem Darmstädter Bild; dagegen ist die Be-
handlung des ganzen Details durchaus von geringerer künstlerischer Feinheit,
aus den Porträtköpfen ist das warme seelenhaste Leben geschwunden und in
dem Ausdruck des Madonnenantlitzes, dessen unmuthige Würde etwas Selbst-
bewußtes hat, wie in der schlankeren Bildung der ganzen Madonnengestalt
läßt sich das Streben nach einer gewissen Eleganz nicht verkennen, mit der
die Art der coloristischen Behandlung übereinstimmt.
Vielleicht irren wir nun nicht, wenn wir eine ähnliche Geschmacksrich-
tung bei jener Gruppe von Malern zu finden glauben, die um die Mitte
des 16. Jahrhunderts in den Niederlanden auftraten, und, meist selbst in
Italien gebildet, die einheimische Malerei unter den unmittelbaren Einstuß
der italienischen stellten. Manche dieser Künstler, namentlich die der ersten
Generation Angehörenden wußten in der Nachahmung der italienischen Grazie
die volksthümliche Originalität glücklich festzuhalten, während bei Vielen der
späteren die Imitation der italienischen Vorbilder zu einem hohlen und
kalten Manierismus wurde. Jenen ersteren möchte man zutrauen, daß sie
sich auch der Holbein'schen Kunstweise bis zu dem Grade der Ähnlichkeit
zu nähern vermochten, den uns die Dresdener Madonna zeigt. Von
Bernhard von Orley und seinen Genossen sagt Schnaase in den niederlän-
dischen Briefen: „Sie hatten das Gefühl für die Anmuth der älteren ein-
heimischen Werke nicht verloren und behielten manche Eigenthümlichkeit der
Anordnung und Gruppirung bei. In Italien hatten sie vorzugsweise Ra-
phael studirt und auch in ihm besonders die sanften graziösen Motive auf-
Eiil Wort über den Urheber der Dresdener Madonna. 543
gefaßt. Jene einzelnen Härten und naiven Unregelmäßigkeiten, welche die
ältere Kunst sich erlaubt hatte, mußten daher verschwinden; die Gestalten
wurden größer, schöner und richtiger zugleich, die Gruppen mehr übersicht-
lich und zierlich, und das Ganze nahm einen milden freundlichen Geist an,
der auch auf uns seine Wirkung nicht verfehlt. Allein wie die Vereinigung
zweier verschiedener Prinzipien immer nur die Verstachung beider zur Folge
hat, so war es auch in diesem Falle." Was hier Schnaase von dem Ver-
hältniß jener Künstler zu ihren niederländischen Vorgängern sagt, ist selbst-
verständlich nicht direct auf ihre muthmaßliche Beziehung zu der hochent-
wickelten und von den Einflüssen der Renaissance lebendig berührten Kunst
Holbein's anzuwenden; aber es deuten diese Bemerkungen doch einen Gegen-
satz der künstlerischen Behandlung an, der Verwandtschaft zeigt mit den
zwischen dem Darmstädter und dein Dresdener Bild bestehenden Unterschieden.
In den Werken Bernhard's von Orley, von denen sich die früheren durch
energische Charakteristik und ein saftiges Colorit auszeichnen, tritt später nach
dem Aufenthalte des Künstlers in Italien sehr entschieden die Neigung zu
einer gewissen verallgemeinernden Noblesse der Formen hervor, während die
Färbung in's Trockene fällt und einen kühleren, aber meist sehr fein und
zart gestimmten Ton annimmt; dasselbe zeigt sich in den Werken seiner
Schüler und Nachfolger. Von den eigentlichen Manieristen dieser italianisiren-
den Niederländer, an deren Spitze der seiner Zeit hochberühmte Franz Flo-
ris, der „belgische Raphael" steht, ist hier natürlich gänzlich abzusehen, sie
kommen bei unserer Frage nicht in Betracht; denn jedenfalls ist zur Benen-
nung des namenlosen Bildes nach dem Namen eines der Besten im Kreise
dieser Künstler zu suchen. Ihre Richtung dauerte bis an das Ende des
16. Jahrhunderts und die Einflüsse derselben erstreckten sich sporadisch auch
noch weiter in die Anfänge der folgenden Kunstperiode.
Leicht können wir uns vorstellen, wie ein talentvoller und feingebil-
deter Künstler um diese Zeit aus Italien in seine niederländische Heimat
zurückkehrend, von dem Holbein'schen Madonnenbild wie von einem alter-
thümlichen Werk berührt wurde, das nach seinem Gefühl der Modernisirung
bedurfte, wie er die Gruppe vom Druck der umgebenden Architectur befreite
und alle Verhältnisse schlanker gestaltete, wie er das kräftige Colorit des
Originals zu verfeinern strebte, und wie zuletzt, der Welt zu Unfriede und
Freude, die Dresdener Madonna aus seinen Händen hervorging. —
v.
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
544
Berichte aus den: Reich und dem Auslands.
Berichte aus dem Aeich und dem Auslande.
Der Münchener Katholikencongreß. — Wer in den ersten September-
wochen in Baiern gereist ist, wird eine eigenthümliche Erfahrung gemacht
haben: die Gespräche, die er vernahm oder an denen er sich betheiligte,
wandten sich fast alle den kirchlichen Fragen zu, zuletzt dem bevorstehenden
Münchener Congreß, von dem man aller Orten eine Entscheidung in der
Krisis erwartete, die inan hereinbrechen fühlt. Die Delegirtenversammlung,
die am Freitag, den 22. Sept. in dein Museumssaal zu München zusammen-
trat, ungefähr 260 Vertreter der verschiedenen altkatholischen Vereine, kann
wohl als eine berechtigte Vertretung des gesummten katholischen Deutschlands
gelten; es waren fast durchweg Repräsentanten der ersten und gebildetsten
Stände, die hier zu ernster und würdevoller Berathung vereinigt waren,
das geistliche Element, von den Professoren der katholischen Facultäten von
München, Breslau, Bonn abgesehen, nur vertreten durch die wenigen
Geistlichen, die schon mit der Kirche gebrochen hatten oder vor diesem Bruche
standen.
Der allgeineine Verlaus der Versamnilungen ist bekannt: am ersten
Tage, Vormittags von 9 bis gegen 7*2, und Nachmittags von 4 bis nach
7 Uhr, am Sonnabend Vormittag bis nach 1 Uhr die Berathungen der
Delegirten; die öffentlichen Versammlungen, in den gewaltigen Räumen des
Glaspalastes sooann am Sonnabend und Sonntag Nachmittag, von 3 Uhr
bis zum Eintritt der Dunkelheit, am ersten Tage vor mehr als 2000, am
Sonntag vor über 6000 Theilnehmern; alle Verhandlungen unter der über-
aus gewandten Leitung Professor v. Schulte's, des bekannten Prager Kirchen-
rechtslehrers, dessen neueren wissenschaftlichen Veröffentlichungen wir so um-
fassendes und bedeutungsvolles canonistisches Material zur Beurtheilung auch
der jüngsten Entwicklung des Katholicismus verdanken, und dessen scharf ein-
schneidendes, eindrucksvolles Wort nicht im entferntesten an die etwas schwer-
fällige Manier seiner Schriften gemahnt; unwillkürlich wird man bei seiner
Art zu reden und zu leiten an Gneist erinnert, nur dieser etwas in's Süd-
deutsche übersetzt.
Es ist hier nicht meine Absicht, über den gesammten Gang der Ver-
handlungen zu referiren; ich will nur auf die Momente hinzuweisen ver-
suchen, aus denen man das innere Wesen der ganzen Bewegung und die
verschiedenen Strömungen zu erkennen vermag, die in München zusammen-
trafen. Wenn ich mich dabei fast ausschließlich an die nicht öffentlichen
Delegirtenbesprechungen halte, so darf ich nicht fürchten, mich einer Jn-
Bei H. Kirzek in Leipzig sind erschienen:
Die
Straßburger Ghronilien
von Closener und Königshofen.
Herausgegeben
von
Dr. C. Hegel,
Mitglied der Akcid. d. Wissensch. u. der historischen Commission zu München, Prof, in Erlangen.
Zwei Bände in gr. Octav.
Mit einer Karte des Elsaß im 14. und 15. Jahrhundert und einem Plan von Straßburg im
Jahre 1577.
Preis: 6 Thlr. 20 Sgr.
Der Herausgeber sagt in der Vorrede: „Die Herausgabe der Chroniken der Stadt Straß-
burg hat durch ein unerwartetes Schicksal eine weiter gehende, nicht beabsichtigte Bestiminung
erhalten: sie ist zu einer rettenden That geworden.
Während im August und September dieses Jahres ein deutsches Heer die französische
Festung Straßburg belagerte und durch unheilvolle Bomben die Bücher- und Handschriftcn-
sammlungen der Stadt und der Universität in einem und demselben Gebäude vernichtete, war
zu eben dieser Zeit die deutsche Buchdruckerpresse in Leipzig beschäftigt, die literarische Ausbeute,
die ich in den letztvergaugeuen Jahren zumeist aus den genannten beiden Bibliotheken schöpfte,
vollends ans Licht zu fördern. Durch solche wohl einzig dastehende Fügung ist es geschehen,
daß jetzt von den zahlreichen bis dahin noch ungcdruckten Chroniken Straß'burgs nichts mehr
übrig geblieben ist, als was in den vorliegenden beiden Bänden sich findet. Die lange Reihe
von Originalhandschriften der Chroniken ans dem 14. bis ins 18. Jahrhundert, über welche
in der allgemeinen Einleitung des ersten Bandes Bericht erstattet ist, liegt nun für immer
unter den Ruinen des Bibliotheksgebäudes in Asche begraben; mit ihnen viele Stadt- und
Rechtsbücher, Rathsprotokolle und andere Denkwürdigkeiten, die Wcnker'schcn, Schöpflin'schen
und andere Sammlungen zur Geschichte von Elsaß und Straßbnrg, an welchen der deutsche
Fleiß von Generationen in den letzten Jahrhunderten fortgcarbeitet hat, um sie für die künftigen
aufzubewahren. Vernichtet ist damit selbst der Gedanke neuer literarischer Arbeiten, für welche
eben diese Quellen und Sammlungen die unentbehrlichen Hülfsmittel waren; unmöglich auch
die Fortsetzung dieser Ausgabe Straßburger Chroniken.
Das jetzt lebende Straßburg klagt mit bitterem Groll die Deutschen wegen solcher barbari-
schen Zerstörung an. Allein was hat man dort in den Montenten der dringenden Gefahr vor
und während der Belagerung gethan, um jene kostbaren literarischen Schätze zu retten? Ant-
wort: Nichts! Die Anklage bedarf selbst weit mehr der Rechtfertigung! Doch ich will hier allein
die Thatsache des grauenvollen Untergangs, mit der man sich nun abzufinden hat, bestätigen.
Eine politische Nebenabsicht lag meiner wissenschaftlichen Arbeit, als ich sie vor länger als
vier Jahren unternahm, um die Chroniken von Straßburg gleichwie die anderer deutscher Städte
meiner Chronikensammlung einzuverleiben, ebenso fern, wie den verdienten elsässischen Gelehrten,
welche, durch nationalen Wetteifer angeregt, zwei Jahre später (1868) ebctifalls eine umfassende
Ausgabe der Straßburgischen und elsässischen Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts ankün-
digten, die leider nur bei der Ankündigung stehen geblieben ist. Doch henke erscheint mein
Werk vielleicht wie ein Spiegel der Vergangenheit den Lebenden vorgehalten, um ihnen zu zeigen,
wie Straßburg von seinem Ursprung an und so lange es eine eigene Geschichte hatte, eine gute
deutsche Reichsstadt war, wie Elsaß als deutsches Grenzland an den Vogesen seine Aufgabe ver-
stand, die Grenzwacht des deutschen Reichs gegen französische Eroberungssucht zu halten, wie
clsässische und Straßburgischc Schriftsteller (s. S. 183) den Namen und die Ehre der deutschen
Nation mit Nachdruck gegen französische Anmaßung vertratet!!"
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Publicationen
des Königlich Preussischen Statistischen Bureaus
zu Berliii.
(Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.)
Preussische Statistik ( Herausgegeben in zwanglosen Heft: XVI. Die Ergebnisse der Volkszählung vom 3. December 1867. 2 Theile. I. Theil: Die Provinzen, Regierungs- bezirke u. Städte mit über 20,000 Ein= , wohnern. 282 8. 1869. 1 Thlr. 24 Sgr. II. Theil: Die landräthlichen Kreise, Städte, Flecken und Dörfer mit über 2000 Einwohnern. XXXIII. u. 208 8. und 8 Tafeln graphischer Darstell- ungen. 1871. 1 Thlr. 24 Sgr. XVII. Die Bewegung der Bevölkerung des preussischen Staates in den Jahren 1865, 1866, 1867. (VII. u. 472 S.) 1870. 3 Thlr. XVIII. Die Gebäude (im Sinne der Ge- bäudesteuer) in den Wohnplätzen des preussischen Staates alten und neuen Bestandes. (LX. u. 312 8.) 1871. 2 Thlr. 10 Sgr. XIX. Monatliche Mittel des Jahrgangs 1868 für Druck, Temperatur, Feuchtigkeit u. Niederschläge u. fünftägige Wärme- mittel nebst Abweichungen derselben für die Jahre 1866, 1867, 1868, ver- amtliches Quellenwerk). Heften. Format: Imp.-Quart. Heft: öffeutlicht von H. W. Dove. (56 S.) 1869. 18 Sgr. XX. Vergleichende Uebersicht des Ganges der Industrie, des Handels und Verkehrs in Norddeutschland 1867. Nach den Berichten der Handelskam- mern u. kaufmännischen Corporationen. (XII. u. 248 S.) 1869. 1 Thlr. 24 Sgr. XXI. Miscellen. Gesundheitspflege — Seel- sorge — Viehhaltung — im preussi- schen Staate nach den Aufnahmen vom December 1867. (296 8.) 1871. 1 Thlr. 24 Sgr. XXII. Vergleich. Uebersicht des Ganges der Industrie, des Handels u. Ver- kehrs im preuss. Staate 1868. Nach den Berichten der Handelskammern u. kaufmännischen Corporationen. (XII. u. 272 8.) 1870. 1 Thlr. 24 Sgr. XXIII. Monatliche Mittel des Jahrgangs 1869 für Druck, Temperatur, Feuchtigkeit u. Niederschläge u. fünftägige Wärme- mittel, veröffentlicht von H. W. Dove. (48 8.) 1870. 16 Sgr. ,
Statistischer Sauitätsbericlit über die Köuigl. Preuss. Armee für 1867. Bearbeitet von der Militär-Medicinalabtheilung des Königlich Preussischen Kriegs- ministeriums. XXVIII. und 232 8. gr. Quart nebst drei polychromen Tafeln. Preis 1 Thlr. 24 Sgr.
Im Berlage von A. Kröner in Stuttgart erscheint soeben und ist durch alle Buchhand-
lungen zu beziehen:
Ans den Tagen der Schmach.
Geschichtsbilder
aus der '
Welacszei 1
von
Hermann Kurz.
16 Bogen 8. Geheftet. Preis 24 Sgr.
Inhalt: Das heilige Römische Reich, der löbl. Schwäbische Kreis und dessen Direktorialstaat.
— Der Einbruch. — Die Bürger von Heilbronn. — Land und Leute im Franzoseuschrecken.
— Reichsstädtische Regierung und Politik. — Tagesberichte. — Marchez, bougres, marchez!
— Die Ucbergabe von Hohenaspcrg. — Mclac und seine Gesellen. — Der Schutzengel von
Tübingen. — Die Weiber von Schorndorf. — Die Stuttgarter Bürgerschaft. — Das Göp-
pinger Weibervolk. — Der Abzug. — Rechtfertigungsversuche. — Schluß.
Lcipzlz, 0. Acusche.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
das Leben des deutschen Volkes
ln
Staat, Wissenschaft und Kunst.
Herausgegeben von Dr. Älfred Dove
1871. 45.
Inhalt:
Die Souveränetät Böhmens.
Rückblick auf die Holbeinausstellung in Dresden. C. Schn aase.
Die erste deutsche Gesandtschaft im Sudan.
Zwei ungedruckte Briefe Goethe's, mitgetheilt von G. Waitz.
Berichte aus dem Reich und dem Auslande:
Der Samaritertag zu Nürnberg. Maria Dg.
Reichstagsbericht. Aus Berlin.
Deutsche Reichs- und Rechtsliteratur.
Neueste Schriften zur Münzreform.
Literarische Beilage von Duncker & Hum blot in Leipzig.
---------- -------- von A. Refelshöfer in Leipzig.
---------- -------- von O. Spamer in Leipzig.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Im Verlage von Wilhelm Hertz tu Berlin, 7 Behrenstraße ward soeben aus-
gegeben, in allen Buchhandlungen vorräthig:
Gesammelte Werke von Paul Heyse
Band I. Hedichle. (Zmn ersten Male gesammelt).
Octav eleg. geh. (22 Bogen). Preis: 1V5 Thaler.
Die gesammelten Werke erscheinen in rascher Folge in zehn Bänden ä lx/6 Thlr.
Inhalt: Band I Gedichte; Band II, III Novellen in Versen; Band IV, V, VI, VII,
VIII Novellen (in Prosa); Band IX, X Dramen.
Mene Aomane und Aovellen
aus dem Berlage von Hermann Cnftenoble in Jena,
vorräthig in alten önchhandlnugen und Leihbibliotheken.
Gutzkow, Karl, Fritz Ellrodt. Rotnan. 3 Bde. 8. eleg. broch. 5% Thlr.
Bodenstedt, Friedrich, Aus deutschen Gauen. (Erzählungenund Romane. 1. u. 2. Bd.) 2 Bde.
8. eleg. broch. 2 Thlr.
Bodenstedt, Friedrich, Vom Hofe Elisabeth's und Jacob's. (Erzählungen und Romane.
3. u. 4. Bd.) 2 Bde. 8. eleg. broch. 2*/*, Thlr.
Fels, Egon, Das Geheimnis; der vier Tage. Roman. 4 Bände. 8. eleg. broch. 5 Thlr.
Fritze, vr. Hermann Ed., Christian Klebauer und Compagnie. Roman. Zweite Aus-
gabe. 3 Bde. 8. eleg. broch. 4 Thlr.
Gcrstäcker, Friedrich, Im Eckfenster. Roman. 4 Bde. 8. eleg. broch. 5% Thlr.
Gcrstäcker, Friedrich, Die Franktireurs. Erzählung aus dem deutsch-französischen Kriege. 8.
In eleg. Buntdruck-Umschlag broch. 15 Sgr.
Gcrstäcker, Friedrich, Kriegsbildcr eines Nachzüglers aus dem deutsch-französischen Kriege.
8. In eleg. Buntdruck-Umschlag broch. 15 Sgr.
Gcrstäcker, Friedrich, In Mexico. Charakterbild aus den Jahren 1864—67. 8 Theile in
4 starken Bänden. 8. eleg. broch. 6% Thlr. (Das Werk schildert das Trauerspiel in
Mexico bis zur Erschießung des Kaisers Maximilian durch Verrath Napoleon's u. Bazaine's.)
Hick, Georg, Die Parias der Gesellschaft. Roman. Mit einem Vorwort von Gustav vom
See. 3 Bde. 8. eleg. broch.
Köllig, Ewald August, Verfasser des Preisgekrönten Romans „Durch Kamps zum Frieden",
Dälnon Gold. Roman. 8. In eleg. Buntdutck-Umschlag broch. 15 Sgr.
König, Ewald August, Durch Kampf zum Frieden. Preisgekrönter Roman. 4 Bde. 8.
eleg. broch. 4 Thlr.
Möllhausen, Balduin, Das Mormonenmädchen. Eine Erzählung aus der Zeit des Kriegs-
zuges der Vereinigten Staaten gegen die „Heiligen der letzten Tage" in den Jahren 1857 u.
1858. Dritte Auflage. 3 Theile in einem Bande. 8. In eleg. Buntdruck-Umschlag
broch. 25 Sgr.
Mühlbach, Louise, Kaiserburg -und Engelsburg. 'Historischer Roman. 2 Bde. 8. eleg.
broch. 22 3 * * * */a Thlr.
Mühlbach, Louise, Mohannned Ali und sein^Haus. Historischer Roman. 4 Bde. 8. eleg.
broch. 6 Thlr.
Mühlbach, Louise, Mohammed Ali's Nachfolger. Historischer Roman im Anschluß an „Mo-
hammed Ali und sein Haus". 4 Bde. 8. eleg. broch.
Mühlbach, Louise, Reisebricfe aus Aegypten. 2 Bde. 8. eleg. broch. 28/4 Thlr. (Das
morgenländische Leben- am Hofe des Khedive, dessen Gast die Verfasserin war, Feste bei den
Prinzessinnen, Diners on famille beim Khedive, die Harems rc. bilden den höchst interessanten
Inhalt dieses Buches.')
Oelbermann, Hugo, Liebe und Brod oder die Novelle des alten Mannes. Familien-Roman
aus dem neunzehnten Jahrhundert. Zweite Ausgabe. 2 Bde. 8. eleg. broch. 2X/4Thlr.
Schlägel, Max von, Gefangeit und belagert. Meine Erlebnisse während des Feldzuges von
1870—1871. 8. In eleg. Buntdruck-Umschlag broch. 15 Sgr.
Vacano, E. M., Geheimnitzvoll. Eine Criminal-Geschichte. 2 Bde. 8. eleg. broch.
Wickede, Julius von, Aus alten Tagebüchern. Roman im Anschluß an „Eine deutsche
Bürgerfamilie". Zweite Ausgabe. 3 Bde. 8. eleg. broch. 4 Thlr.
Winterfell), A. von, Moderne Odyssee. Komischer Reise-Roman. 3 Bde. 8. eleg. broch.
4V2 Thlr.
Rückblick auf die Holbein-Ausstellung in Dresden.
737
Es kann auffallen, daß im Eingänge von der Adresse des I. 1870
ausgegangen wird. Dies geschieht, weil der Standpunkt jener Adresse der-
selbe ist, den der diesjährige böhmische Landtag einhält. Denn in den sog.
Fundamental-Artikeln, welche dieser entworfen hat, wird jede Verbin-
dung Böhmens mit den übrigen Ländern nur auf die pragmatische Sanction
gestellt; Böhmen legt sich das Recht bei, den Ausgleich mit Ungarn erst
noch anzuerkennen; sie kennen keine gemeinsamen Angelegenheiten de jure,
sondern erbieten sich nur, durch Delegirte über gewisse mit Ungarn und mit
den übrigen Ländern, über andere mit letzteren allein zu verhandeln; sie
kennen keine mit den anderen Ländern gemeinsamen Angelegenheiten der
Justizpflege, Verwaltung, des Cultus und Unterrichts u. s. w. Nur in
einem Punkte unterscheidet sich die Adresse von 1870 von der von 1871,
darin nämlich, daß jene offen ist, letztere sachlich identisch schlauer das
Wort „Souveränetät" nicht gebraucht. Da aber bereits die eingeweihtesten
Blätter die Entwürfe des jetzigen Landtags als Opfer erklärt und weiter-
gehende Forderungen für die Zeit, wo es gerathen sein werde damit heraus
zu rücken, in Aussicht gestellt haben: so ist gerechtfertigt, von derjenigen Er-
klärung auszugehen, welche das Wahre bringt. Das Fundament ist bei
beiden dasselbe: Böhmen stehe mit den östreichischen Ländern nur durch die
Person des gleichen Monarchen im Zusammenhange, darüber hinaus nur
soweit, als ein Vertrag zwischen Böhmen und seinem Könige und Nieder-
östreich u. s. w. zu Stande gekommen sein werde.
Mckblick ans die Möein-Uusstellimg in Dresden.*)
Die vielbesprochene Ausstellung ist geschlossen und wir dürfen versuchen,
uns von ihren bleibenden Resultaten Rechenschaft zu geben. Vergegenwär-
tigen wir uns dabei die Veranlassung ihrer Entstehung. Seit längerer Zeit
ist die Malerfamilie Holbein der Gegenstand eifriger Forschungen. Sie ver-
dankte dies zunächst ihren Verdiensten; man erkannte in Holbein dem Vater
den geistreichen Vorläufer, in seinem berühmteren Sohne den Bahnbrecher
*) Obwohl wir in d. Bl. der so lebhaft erörterten kunstwissenschaftlichen Frage
schon mehrmals unsere Aufmerksamkeit geschenkt, wird doch niemand das Urtheil für end-
gültig gesprochen erachten, ehe nicht auch diese Stimme gerade sich hat vernehmen lassen.
Ueber die neueste Literatur des Streites wird eine kurze Anzeige nächstens unseren Lesern
ergänzende Auskunft ertheilen. Die Redaction.
Im neuen Reich. 1871, II.
98
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
738 Rückblick auf die Holbein-Ausstellung in Dresden.
der Renaissance, und strebte nun von ihrem Entwicklungsgänge Näheres zu
erfahren. Diesem Wunsche kamen denn auch bald neue Entdeckungen in
überraschender Weise entgegen; allerdings waren sie nicht alle echt, sondern
zum Theil, wie jetzt ermittelt ist, künstliche und planmäßig angelegte Fäl-
schungen. Aber auch so wirkten sie anregend, indem sie kritische Untersuchun-
gen und gewissenhafte archivalische Forschungen hervorriefen. Eine weitere
Frucht und höhere Steigerung der Begeisterung gab dann Woltmann's
gründliches und anziehendes Buch über Holbein und seine Zeit, welches, je
mehr es in die Details einging, um so deutlicher die Lücken unserer Kennt-
nisse zeigte und eine ganze Literatur von Streitschriften hervorrief.
Bei dieser wachsenden Vorliebe für Holbein stieg dann nothwendig auch
das Ansetzn seiner Bilder. Da die größten derselben, meistens Wandmale-
reien, untergegangen waren, erschien die berühmte Dresdener Madonna mit
der anbetenden Familie des Bürgermeisters Meyer als das größte seiner
erhaltenen Bilder und daher als die wichtigste Quelle für die Kenntniß seiner
Kunst. Diese Bedeutung behielt es auch noch, nachdem im Jahre 1822 ein
zweites, etwas verändertes Exemplar derselben Composition aufgetaucht war.
In einem prinzlichen Palais bewahrt, zuerst in Berlin, jetzt in Darmstadt
und dadurch der vollen Oeffentlichkeit entzogen, unterlag dasselbe nur der
Prüfung einzelner Kunstforscher, welche es als ein Holbeinisches Original
und zwar als das ursprüngliche anerkannten, zugleich aber das Dresdener
Exemplar für eine von dem Meister selbst, und zwar bei reiferer Kunst-
bildung und mit Verbesserungen gefertigte Wiederholung hielten. Diese
Ansicht fand kaum Widerspruch und wurde auch von Woltmann in seinem
ersten Bande (1866) adoptirt.
Plötzlich wurde dieser Friede zerstört. Ein englischer Kunstkenner, Mr.
Wornum, Jnspector der Nationalgallerie zu London, erklärte (1867) das
Darmstädter Bild für das einzige Original, das Dresdener aber für eine
Copie von anderer Hand. Fast gleichzeitig (1868) kam Woltmann in den
Besitz historischer Nachrichten, aus denen er Verdacht gegen die Echtheit des
Dresdener Bildes schöpfte, und nach neuer Prüfung desselben (1869) sich
dahin entschied, daß es eine bedeutend spätere Copie sei. Andere stimmten
diesem Urtheile bei; man versuchte sogar, aus jenen historischen Daten die
Entstehung dieser Copie nachzuweisen.
Ein historischer Beweis (man hat ihn später auch für die Dresdener
Madonna versucht) war indessen nicht herzustellen; unsere Nachrichten sind
sämmtlich zu lückenhaft und unsicher, um eine Entscheidung darauf zu grün-
den. Das einzige Mittel, eine solche zu erlangen, schien daher eine genaue
Vergleichung beider Bilder unter sich und mit anderen Werken des Meisters
und zwar nicht blos durch die Erinnerung reisender Kunstforscher, sondern
'
Rückblick auf die Holbein-Ausstellung in Dresden.
739
in unmittelbarer Zusammenstellung. Daher denn der Gedanke einer Holbein-
Ausstellung, deren Veranlassung mithin die Rivalität beider Exemplare war,
bei der man jedoch zugleich den höheren kunstgeschichtlichen Zweck eines tie-
feren Eindringens in das Wesen und die Eigenthümlichkeit dieses hochbegab-
ten Künstlers verfolgte.
Die Bemühungen des Comitos hatten günstigen Erfolg; die Auswahl
Holbeinischer Werke, die hier vorübergehend zusammenkam, war sehr bedeu-
tend und lehrreich. Zwar von Vollständigkeit war sie weit entfernt; die
Gallerien von Augsburg, München, Basel hatten Bedenken gehabt, ihre
Schätze den Gefahren des Transportes auszusetzen. Holbein der Vater und
die Jugendzeit des Sohnes waren schwach vertreten. Dagegen war aus
mehreren öffentlichen und privaten Sammlungen Deutschlands, dann aber
auch aus England, aus dem Besitze der Königin und von anderen Eigen-
thümern, ein reicher Schatz von vortrefflichen Gemälden und Zeichnungen
aus Holbein's Blüthezeit eingesendet, welcher neben den ausgezeichneten Por-
träts der Dresdner Gallerie und in Verbindung mit zahlreichen Photo-
graphien nicht erreichbarer Werke einen so vollständigen Ueberblick über diese
Periode seines Wirkens gewährte, wie man ihn noch niemals gehabt hatte.
Die Betrachtung dieser Sammlung war daher für den Kunstforscher unschätz-
bar, und gab jedenfalls das nöthige Material zur Entscheidung jener Streit-
frage über die beiden Madonnen, welche denn auch eifrig und fast leiden-
schaftlich erörtert wurde.
Die Hoffnung, durch die Kraft des Augenscheins ein einstimmiges Ur-
theil der Sachverständigen zu erlangen, blieb freilich unerfüllt. Der Streit
ist nicht geschlichtet, sondern nur organisirt; statt der Behauptung Einzelner
traten Collectiv-Erklärungen gegen einander auf. Vierzehn Kunstforscher, die
sich in den ersten Tagen des Septembers in der Ausstellung zu einer Con-
serenz vereinigt hatten, haben eine Erklärung unterzeichnet, in der sie es als
ihre Ueberzeugung aussprachen, daß „das Dresdner Exemplar der Holbein-
schen Madonna eine freie Copie des Darmstädter Bildes sei, welche nir-
gends die Hand Hans Holbein des Jüngeren erkennen lasse." Dagegen ver-
sichern vierundzwanzig Künstler in einer etwas später unterzeichneten Gegen-
erklärung, daß sie in dem Dresdner Exemplar „trotz einer geringeren Voll-
endung in den Nebensachen, eine Wiederholung von der Hand des Meisters
erkennen". Die Unterzeichner beider Erklärungen sind sehr ehrenwerthe
Männer; unter der ersten stehen die Namen einiger unserer angesehensten
Kunsthistoriker und anderer bewährter Fachmänner. Das Künstlervotum geht
von ausgezeichneten, zum Theil hochberühmten Malern (von Dresden, Berlin,
Weimar) aus, darunter auch solche, welche wie der ehrwürdige Schnorr von
Carolsfeld und Julius Hübner, als Directoren der Dresdner Gallerie, Ge-
sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
740
Rückblick auf die Holbein-Ausstellung in Dresden.
legenheit gehabt haben, sich in der Unterscheidung älterer Meister zu üben.
Aber dennoch (^mieus Plato, sed magis aniica veritas) hat die Sache durch
dies Verfahren wenig gewonnen. Unterschriften sammeln und Collectiv-
Erklärungen geben ist ein Mittel des politischen Parteikampfes, aber wenig
geeignet, eine historische Wahrheit zu ermitteln. In wissenschaftlichen Din-
gen (und dahin muß man doch auch diese Frage rechnen) entscheiden nicht
Autoritäten, sondern nur stets auf's Neue zu prüfende Gründe. Die Unter-
zeichner jener ersten Erklärung haben auf solche verzichtet und dadurch ange-
deutet, daß sie jedem Einzelnen die selbständige Begründung des gemeinsamen
Ausspruches vorbehielten. Die Künstler dagegen geben Gründe, aber leider
nicht überzeugende. Dem Satze, daß das Dresdner Exemplar eine Wieder-
holung von der Hand des Meisters sei, fügen sie hinzu:
„Denn nur dieser war im Stande, so freie Veränderungen und zwar
so große Verbesserungen in den Hauptsachen zu geben, wie namentlich
in der ganzen Raumeintheilung des Bildes, und insbesondere der Pro-
portion aller Figuren. Vor Allem aber konnte nur der Meister eine
solche Erhöhung der Idealität in Gestalt und Geberde der Figur, in
Schönheit und Ausdruck des Kopfes der Maria erreichen, welche weit
über das im Darmstädter Exemplar Gegebene hinausgeht, und das
Dresdner Bild in der That zu einem Gipfelpunkte deutscher Kunst er-
hebt, wofür es mit Recht von jeher gegolten hat."
Ich bin weit entfernt, den Werth der hier erwähnten Verschönerungen
im Dresdner Exemplar zu verkennen (wie dies einige allzu eifrige Anhänger
der Darmstädterin thun); ich bin daher auch ganz damit einverstanden, daß
der Urheber des Dresdner Bildes ein ausgezeichneter Meister gewesen sein
muß. Wenn aber die Herren mit diesem Satze sagen wollen, daß nur der
Meister, nämlich der des ursprünglichen Bildes, Holbein selbst, dies vermocht
habe, so kann ich ihnen nicht folgen. Ein anderer Künstler konnte ebensogut
wie Holbein selbst neben den Vorzügen des ursprünglichen Bildes die
Schwächen desselben erkennen und den Versuch machen, ihnen abzuhelfen. Es
mag selten sein, aber es ist gewiß nichts Unmögliches, daß einem Dritten
dies so vortrefflich gelingt wie hier der Fall. Er hatte zu solchen Aenderun-
gen um so mehr Veranlassung, wenn er später als Holbein, und zu einer
Zeit lebte, wo die Ansprüche sich geändert hatten und solche Schwächen mehr
auffielen. Auch daß die Idealität der Madonna ausschließlich auf Holbein
hinweise, vermag ich nicht zu begreifen. Die einzige Madonna, die ich von
ihm kenne, die von Solothurn, hat einen ganz anderen Charakter. Ucberdies
wissen wir nicht, wie der Kopf der Madonna auf dem Darmstädter Bilde
beschaffen war, ehe er durch Uebermalung entstellt war. Es ist daher sehr
denkbar, daß der Maler des Dresdner Bildes in dieser Madonna nur die
Rückblick auf die Holbein-Ausstellung in Dresden.
741
noch unentstellte des Darmstädter Bildes wiedergegeben hat. Eine Unmög-
lichkeit, daß das Ganze die Arbeit einer fremden Hand sei, ist also nicht zu-
zugeben. Wollten unsere begutachtenden Künstler aber das Positive behaup-
ten, nämlich daß sie in dieser Malerei Holbein's eigene Hand erkennten, so
hätten sie die Merkmale aufzeigen müssen, aus denen sie dies schlossen. Denn
die bloße Versicherung, daß sie Holbein's Hand darin erkennten, d. h. daß das
Gemälde der Vorstellung entspreche, welche sie sich von Holbein gemacht, kann
unmöglich einen objectiven Beweis ersetzen; diese Vorstellung kann irrig sein,
ist vielleicht eben durch das zu begutachtende Bild hervorgebracht. Waren
dagegen objective Spuren von Holbein's eigener Hand in diesem Bilde vor-
handen, etwa eine ihm eigenthümliche Farbenmischung oder Pinselsührung,
so hätte es ihnen als technischen Sachverständigen nicht schwer werden können,
dieselben nachzuweisen. Sie hätten um so mehr Ursache gehabt, darauf ein-
zugehen, als ihnen nicht unbekannt sein konnte, daß gerade das Technische
des Dresdner Exemplars die Zweifel gegen Holbein's eigene Mitwirkung
erweckt.
Da wir so ohne künstlerische Führung geblieben, mußten wir versuchen,
uns selbst ein festes Urtheil zu bilden. Die Vergleichung der beiden Ma-
donnen unter sich reichte dazu nicht aus. Jede schadete der anderen. Neben
der edlen Schönheit des Dresdner Bildes traten die Schwächen des Darm-
städters, sowohl die ursprünglichen als die durch spätere Uebermalung ent-
standenen zu stark hervor. Neben dem überaus warmen Tone, welchen das
Darmstädter Bild durch den allzu dicken Firniß erhält, und neben so man-
chen anziehenden naiven Zügen desselben erschien das Dresdner kalt und glatt.
Der richtige Weg war offenbar, sich zunächst durch die anderen Zeichnungen
und Gemälde Holbein's mit seinem Stile vertraut zu machen und dann vor
die bestrittenen Bilder zu treten.
Kurz vor meinem Eintreffen in Dresden hatte ich den reichen Schatz
Holbeinischer Arbeiten in Basel und außerdem die Madonna von Solothurn,
eine seiner schönsten Schöpfungen', studirt; die Ausstellung in Dresden ge-
währte einen Ueberblick über seine Thätigkeit in England. Es ergab sich
mir daraus, daß er trotz der großen Leichtigkeit des Schaffens und seines
bewegten Lebens in seiner Auffassung und Technik sich sehr gleich geblieben
war. Wir sind gewohnt ihn als den Bahnbrecher der modernen Zeit zu
betrachten; wir schließen aus seinen Werken, daß er italienische Kunst gekannt
habe. Aber er nahm aus dieser nur Eindrücke und Einzelnheiten auf und
blieb in der Technik in stetem Zusammenhange mit seinen deutschen Vor-
gängern, nicht blos mit seinem Vater und mit Burgkmair, sondern auch mit
Martin Schongauer, obgleich derselbe schon ein Decennium vor seiner Geburt
gestorben war. Er ist auch in seinen Gemälden vorzugsweise Zeichner, wirkt
742
Rückblick aus die Holbein-Ausstellung in Dresden.
hauptsächlich durch den Contur, dessen leises Anschwellen und Abnehmen das
Auge für die zartesten Andeutungen der Modellirung empfänglich und es
dem Maler möglich macht, die Rundung der Gestalt ohne eigentliche Schat-
tirung zu versinnlichen. Allerdings sieht Holbein die Natur mit schärferem
Blicke und feinerem Gefühl für Form und Farbe an; die Köpfe seiner Vor-
gänger sind im Vergleich mit den seinigen flach, den Händen giebt er eine
Vollendung und Naturwahrheit, wie sie kaum übertröffen worden. Aber er
erreicht dies ohne graue Schatten, indem er mit wunderbarer Genauigkeit
den Localton auf jeder Stelle so zu steigern oder zu mildern versteht, wie
es der körperlichen Form entspricht. Er verfährt fast wie ein Mosaikarbeiter,
aber die einzelnen Töne gehen, wie in der Natur selbst, durch ihre innere
Verwandtschaft in ein Ganzes zusammen. Sein Augenmerk ist zunächst fast
immer nur auf das Einzelne, und nur mittelbarerweise auf die Gesammt-
wirkung gerichtet. Gewöhnt an miniaturartige Zeichnung für den Holzschnitt
oder für Goldarbeiter giebt er auch auf den Gemälden Schmucksachen und
ähnliche Details in miniaturartiger Ausführung mit einer Präcision und
Sauberkeit, die bei genauer Betrachtung sehr reizend ist, aber bei größerer
Entfernung kaum eine der Mühe entsprechende Wirkung machen und daher
dem modernen Maler Zeitverschwendung scheinen würde. Dagegen nimmt
er es mit anderen Anforderungen sehr lercht. So mit der Zeichnung des
menschlichen Körpers und mit der Luftperspective. Es kommt wiederholt vor,
daß an der meisterhaft gezeichneten Hand ein zu kurzer Arm, unter dem aus-
drucksvollen Kopfe ein zu kleiner Körper sitzt. Auf Bildnissen giebt er die
Gegenstände an der Wand des Zimmers eben so bestimmt und in eben so
kräftiger Farbe wie die im Vorgrunde stehende Figur. Er bestrebt sich, die
Außenseite der Dinge zu schildern wie er sie sieht, aber er macht nicht den
Anspruch, die plastische Erscheinung, den Abstand der Dinge von einander
genau fühlbar zu machen.
Treten wir mit dieser Kenntniß des Holbeinischen Stils vor die
Dresdner Madonna, so macht sie uns, ungeachtet der darin enthaltenen Hol-
beinischen Porträtköpse und Motive, einen fremdartigen Eindruck. Der Ur-
heber dieses Bildes hat nach Vorzügen gestrebt, um die sich Holbein nicht
bemühte, und dagegen das vernachlässigt, worauf dieser Werth legte. Den
Schmuck der weiblichen Figuren, den Teppich, die aus dem Darmstädter
Bilde so vorzüglich ausgeführt sind, hat er einem Gehilfen überlassen und
nicht einmal dessen grobe Mißverständnisse verhütet. Dagegen ist das Räum-
liche und Plastische, die räumlich mögliche und bequeme Anordnung des
Ganzen und dann auch die organische Totalität der einzelnen Gestalten ein
Gegenstand seiner Sorgfalt. Er begnügt sich auch nicht, durch Localtöne zu
modelliren, sondern rundet seine Gestalten durch eine sehr ausgeführte Schat-
Rückbück auf die Holbein-Ausstellung in Dresden. 743
tirung ab. Besonders die Verschiedenheit des knieenden Knaben auf beiden
Exemplaren ist sehr charakteristisch. Auch in Beziehung auf die Harmonie
der Farben unterscheiden sich beide Meister; Holbein geht auch hier vom
Einzelnen aus, bringt die Töne nur mit den benachbarten in Einklang. Der
Urheber des Dresdner Bildes erstrebt auch hier unmittelbar eine Einheit des
Ganzen, die er durch den kräftigen schwarzgrünen Ton im Gewände der
Madonna und durch das stärkere Roth ihrer Schärpe erreicht.
Ich habe diese Verschiedenheit der Malweise vielleicht sehr unvollkommen
geschildert; aber daß sie vorhanden ist, wird nicht bezweifelt und selbst von
denen, welche Holbein's eigene Thätigkeit an dem Dresdner Bilde am
Eifrigsten behaupten, nicht in Abrede gestellt. Sie glauben nur, daß sie
ihrer Annahme nicht entgegen stehe, da es eine ganz gewöhnliche Erschei-
nung sei, daß strebende Künstler sich in verschiedenen Manieren versuchten.
Allein die Veränderung ist hier viel stärker als die, welche man sonst als
Aenderung der Manier bezeichnet. Es handelt sich nicht um äußerliche Ver-
änderungen, welche unmittelbar auf den Beschauer wirken, sondern um eine
andere Schule, eine andere Auffassung der Natur und der Kunst. Es be-
deutete für Holbein ein Aufgeben aller seiner künstlerischen Gewohnheiten,
selbst derjenigen, in welchen seine Stärke bestand. Ohne Zweifel ist auch
eine solche Aenderung möglich, aber sie erfordert längere Zeit und müßte
auch aus seinen anderen Bildern erkennbar sein. Wenn Holbein diese Wieder-
holung', wie man voraussetzt, aus Bestellung der Familie des Stifters ge-
malt hätte, so müßte dies bei seinem letzteren, längeren Aufenthalt in Basel
vom August 1528 bis zum Herbst 1531 geschehen sein. Jene durchgreifende
Aenderung müßte also wenigstens an den auf der Ausstellung befindlichen
datirten Bildnissen von 1528 und von 1531 sichtbar sein, aber sowohl diese
als alle späteren Porträts sind sämmtlich in der früheren Malweise ausge-
führt und zeigen keine Hinneigung zu der, die wir auf dem Dresdner Bilde
wahrnehmen.
Ein auffallender Umstand ist, daß auf diesem einige der Porträtköpse
den in Basel bewahrten Naturstudien mehr gleichen als die auf dem Darm-
städter Bilde. Wenn man annehmen dürste, daß dies die Folge einer neuen
Benutzung dieser Studienköpfe wäre, so würde dies für die Entstehung in
Basel und durch Holbein sprechen. Allein diese Annahme läßt sich nicht
durchführen. An dem einen Kopfe, an dem des knieenden Mädchens, läßt
sich nämlich sehr deutlich erkennen, daß die etwas unschöne Profillinie, welche
sie in der Studie und auf dem Dresdner Bilde hat, auch aus dem Darm-
städter Exemplare vorhanden gewesen, und nur bei der Restauration, welche
auch die meisten anderen Köpfe entstellt hat, durch Uebermalung zu Gunsten
eines anderen Profils vertilgt ist. Dies aber berechtigt zu der Vermuthung,
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
744
Rückblick auf die Holbein-Ausftellmig in Dresden.
daß auch die übrigen Köpfe bis zu jener Uebermalung ebenfalls den Stu-
dien glichen, und so dem Urheber des Dresdner Exemplars als Vorbilder
dienten.
Ich vermag nach allem diesem nicht, mich jenem Künstlerzeugnisse an-
zuschließen, welches in dem Dresdner Bilde Holbein's eigne Hand erkennt;
ich halte es für eine spätere Wiederholung, aber freilich durch einen bedeu-
tenden Meister, der fremde Motive so innig mit seinen eigenen Kunstan-
schauungen zu verschmelzen verstand, um daraus ein höchst bedeutendes Ganzes
zu schaffen. Wer dieser Meister gewesen, wann und wo er gelebt habe, mag
künftiger Forschung vorbehalten bleiben. Ohne Zweifel war es kein Unbe-
rühmter, aber es ist schwer, ihn unter der Hülle fremder Motive zu er-
kennen, und es entspricht dem heutigen Zustande der Kunstwissenschaft besser,
eine Lücke unserer Kenntniß einzugestehen, als sich in unsicheren Vermuthungen
zu ergehen. Freilich bleibt dann das berühmte Bild vor der Hand ein
namenloses, und das ist unbequem; das Publikum verlangt einen Namen
von gutem Klange, um sicher zu sein, daß es seine Bewunderung keinem
Unwürdigen darbringe. Allein darf man dieser Schwäche huldigen? Die
Schönheit des Bildes ist ja dieselbe geblieben, die sie war; wird sie ver-
bleichen, weil die Geschichte ihrer Entstehung eine etwas andere ist, als man
annahm? Ein Sonett in dem bei der Ausstellung offen liegenden Album
sagt von dieser Madonna sehr schön:
Und du strahlst wie des Abendsternes Scheinen
In Himmelsruhe, sanft und unverwandt,
Wem ein Mal du dein Licht in's Herz gesandt,
Der zählt fortan auf ewig zu den Deinen!
-Nun wohl, sie strahlt noch stets und wird noch immer ihr Volk zu sich
ziehen. Und wäre dies nicht, verschwänden ihre Verehrer, weil sie nicht mehr
den Namen Holbein's in alter Weise an sich trägt, so wäre das ein Beweis
des mangelnden Kunstsinnes unserer Zeit, der um so mehr dahin treibt, die
Tyrannei der Namen zu brechen und die Beschauer dahin zu leiten, daß sie
mehr mit eigenen Augen sehen.
Es versteht sich, daß ich diese meine Ansicht nicht für unwiderlegbar
halte; sie beruhet auf Beobachtungen und Schlüssen, die irrig sein können,
sie setzt das Gewöhnliche voraus, während zuweilen auch das Ungewöhnliche
geschieht. Dagegen aber muß ich protestiren, daß man sie (wie es geschehen)
als eine subjective Meinung behandelt, neben der andere subjective Meinungen
sich mit gleichem Rechte behaupten können. Sie ist vielmehr objectiv be-
gründet und kann nur durch andere objective Beweise (seien es urkundliche
oder durch den Augenschein gelieferte) widerlegt oder beseitigt werden.
Versuchen wir nun zunl Beschlusse, die Bilance von Gewinn und Ber-
Die erste deutsche Gesandtschaft im Sudan.
745
lust zu ziehen, den uns diese Ausstellung gebracht hat. Von den beiden
streitenden Madonnen ist keine ganz ohne Verlust davon gekommen. Die
Darmstädter hat zwar den Vorzug ausschließlicher Legitimität erlangt, aber
es hat sich'dabei ergeben, daß sie durch Uebermalung nicht unbedeutend ent-
stellt ist und diesen Schaden behalten oder sich einer nicht gefahrlosen Her-
stellung unterwerfen muß. Die von Dresden kann ihre Aechtheit nicht unbe-
stritten behaupten, aber sie hat den Vorzug der Schönheit, und zwar einer
Schönheit, die im Wesentlichen aus Holbein zurückzuführen ist. Dagegen
hat die Kunstwissenschaft sich nur großen Gewinnes zu rühmen. Sie hat
eine sehr viel tiefere Kenntniß des großen Meisters erlangt, nach welchem
die Ausstellung sich nannte; sie hat die Wichtigkeit unmittelbarer Verglei-
chungen noch viel höher als bisher schätzen gelernt; sie hat endlich eine neue
Erfahrung von der Unzuverlässigkeit ihrer Ueberlieferungen und von der
Nothwendigkeit unermüdlicher kritischer Prüfung davon getragen.
C. Schnaase.
Are erste deutsche Gesandtschaft im Sudan.
(Gerhard Rohlfs, Von Tripolis nach Alexandrien. Beschreibung der im Auftrage
Sr. Majestät des Königs von Preußen in den Jahren 1868 und 1869 ausgeführten
Reise. Bremen 1871. 2. Bd.)
Um die Erschließung des afrikanischen Continentes hat sich die deutsche
Gelehrtenwelt wesentliche Verdienste erworben: fast die Hälfte der in den
letzten Jahren nach dem Sudan gereisten Forscher gehörte unserer Nation
an, und die erzielten Erfolge erregten die Aufmerksamkeit und Bewunderung
des gebildeten Europa. Wenn wir aber einen Barth, Overweg, Vogel und
Beurmann mit gerechtem Stolze die Unseren nennen, so wird dennoch jeden
Patrioten ein Gefühl von Beschämung darüber überschleichen, daß diese kühnen
Vorkämpfer der Wissenschaft nicht von des Vaterlandes Kräften getragen,
sondern im Solde Englands oder mit knapp bemessenen, eigenen Mitteln
muthig allen den Gefahren die Stirne boten, welche ein mörderisches Klima
und treulose Halbbarbaren zu bereiten pflegen, daß drei von ihnen in der
Blüthe ihres Lebens im Kampfe erlagen, während die eigene große Nation
sich in ihrer Unterstützung sehr lau, fast gleichgültig zeigte.
Der Aufschwung unseres Vaterlandes hat auch hier gebessert. Der
jüngste in der Reihe jener Erforscher Afrikas, Gerhard Rohlfs, wurde schon
bei seiner Reise nach Bornu und dem Niger wesentlich durch die Unter-
Jm neuen Reich. 1871, II. 94
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
746
Die erste deutsche Gesandtschaft im Sudan.
stützungen des Königs Wilhelm I. von Preußen gefördert; das Jahr 1868
führte denselben Gelehrten in einer fast amtlich zu nennenden Sendung von
neuem aus den Boden Libyens, um dort zum ersten Male das Banner des
jungen Deutschlands entfalten und durch einen würdigen Vertreter bis
zu den trüben Fluthen des Tsad, ja bis zu den „äußersten Aethiopen" tragen
zu lassen.
In Anerkennung der großen Dienste, welche der Scheich Omar von
Bornu den deutschen Reisenden geleistet hatte, beschloß im Herbste 1868 der
König Wilhelm, als Schutzherr des norddeutschen Bundes, diesem mächtigen
Negersultan durch Uebersendung eines Briefes, begleitet von einer Auswahl
passender Geschenke, seine Dankbarkeit zu erkennen zu geben. Die Ueber-
sührung der Ehrengaben nach Tripolis, ihre Vervollständigung durch Fabri-
kate des muhamedanischen Nordafrika, sowie die Bildung einer eigenen Ka-
rawane für den Wüstentransport wurde Rohlfs, als einem mit den Ver-
hältnissen des Sudan wohl Vertrauten, übertragen und ihm zugleich gestattet,
den Rückweg von Tripolis über das Hochland von Barka und die Oasen
Audjila und Sivah in der Richtung auf Alexandrien zu nehmen, um diesen
erneuten Besuch des afrikanischen Bodens auch für die Wissenschaft nutzbar
zu machen. In zwei elegant ausgestatteten Bändchen übergibt der Reisende
dem deutschen Publikum den Bericht seiner Erlebnisse und Resultate.
Es ist ein Boden uralter, klassischer Cultur, auf welchen wir versetzt
werden: das Gebiet der phönikischen Ansiedlungen am Südrande des Mittel-
meerbeckens, welche in der Folgezeit unter hellenischen Einflüssen und des
Römervolkes kluger Verwaltung mächtig emporblühten, bis die Stürme der
Völkerwanderung ihre Kraft brachen, dann die Cyrenaika, das Colonialland
dorischer Männer aus Thera, endlich das hochheilige Ammonion, wo, durch
breite Wüstengürtel von der übrigen Welt geschieden, ägyptisches und helleni-
sches Wesen im Dienste des widderhörnigen Zeus-Ammon wunderbar ver-
schmolz. Dennoch kann die Ausbeute der Reise für die Archäologie nur als
eine mäßige bezeichnet werden. Es standen unserem Forscher weder die Mittel
zu Gebot, auf den mit Wüstensand bedeckten Ruinenstätten Ausgrabungen
anzustellen, noch konnte er die chaotischen Trümmerfelder aufräumen lassen,
um neue Schätze an's Licht zu bringen, er mußte sich begnügen, diejenigen
Reste von neuem zu untersuchen, welche vor ihm schon bedeutende deutsche
und englische Archäologen — ich will hier nur an Barth und Beechey er-
innern — durchforscht hatten, so daß er nur vom gegenwärtigen Zustande
bekannter Denkmäler berichten und hie und da eine ältere Messung corrigiren
kann. Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, daß Rohlfs während der
ganzen, in das Frühjahr 1869 fallenden Reise, vorzüglich in der Cyrenaika,
viel mit Regen und Sturm zu kämpfen hatte, daß aber trotz des ungünsti-
Verlag von Wilhelm Hertz in Berlin
(Wesser'sche Buchhandlung, 7 Behrenstraße.)
Dr. I. E. EiHlNtMll, Professor in Halle, Ernste Spiele.
Vorträge, theils neu theils längst vergessen. Zweite Auflage, gr. Octav eleg. geh.
Preis l2/s Thlr.
Inhalt: Ueber Lachen und Weinen, Stellung deutscher Philosophen im Leben
poetischen Reiz des Aberglaubens, Wir leben nicht auf der Erde, Langeweile, Collision
von Pflichten, Heidnische im Christenthum, Apologie der Sophistik, Spiel, Putzsucht und
Eitelkeit, Gewohnheiten und Angewohnheiten, Träumen, Nationalitätsprincip, Schwär-
merei und Begeisterung, Zwei Märtyrer der Wissenschaft, Dummheit, Vergcsien.
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und Können.
Verlag von 8. Hirzel in Leipzig.
Die
Physiologie der Farben
für
die Zwecke der Kunstgewerbe
auf Anregung der Direction des kaiserlich
österreichischen Museums für Kunst und In-
dustrie bearbeitet
Dr. Ernst Brücke,
Professor dor Physiologie an der Wiener Universität,
Mitglied der kaiserl. Acad. d. Wissensch. etc. etc.
Mit 30 in den Text gedruckten Holzschnitten,
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Thorismund
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Durch Krieg zum Sieg.
Ein Lebensbild
aus
dem neunzehnten Jahrhundert j
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Herrn. von Schmettau, Hauptmann a. D.
Preis: broch. 1 Thlr., eleg. geb. 1 Thlr. 10 Sgr.
Man lasse sich nur nicht durch diesen Namen, der an Alles eher erinnert, als an einen
preußischen Edelmann, abschrecken. Die Schilderungen der Kindheit auf einem Lausitzer Guts-
hofe, des Garnisoulebens, des Feldzuges wider die Einschleppung der Cholera u. A. mehr sind
frisch gehalten, wahre — gewiß zum Theil selbst erlebte Ereignisse liegen ihnen zu Grunde.
Aber auch, wo der Gesichtskreis sich erweitert und die wechselnden Bilder eines Lebens im
Orient vor unsere Augen geführt werden, zieht nicht bloß die geschickte Darstellung und der an
und für sich interessante Stoff an, sondern der tiefe sittliche Ernst. Man sitzt mit am Webe-
stuhl des Lebens des Helden, sieht die Fäden sich verschlingen, verwirren, wieder ordnen, bis zu-
letzt der göttliche Plan des fertigen Gewebes klar daliegt. Dies Buch sei daher auf das
Wärmste empfohlen, zum Vorlesen auch in Familienkreisen ist es wohl geeignet; ohne Dank für
den Verfasser tvird es Niemand lesen. (Kreuzzeitung Nr. 248.)
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
Mitarbeiter: Bamberger, Blanckeiiburg, Bluntschli, Fischer.
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neyclopädie der Reichspolitik.
Soeben erschien bei Duncker & Humblot in Leipzig:
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herausgegeben unter Mitwirkung der namhaftesten politischen Schrift-
steller von Franz von Holtzendorff.
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Ein ausführlicher Prospectus ist diesem Hefte beigegeben.
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Dr phil., König!. Sachs. Obersorstrath a. D- re.
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Leipzig, ©. Seufze.
J
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Sonnabend, 9 September
1871.
«oncBpondeaiea sind äs 4t« taut**»» *a die Sx?«£Moa 4or iiigeaeissa BeitaM tranoo zu richten. Dieselfee berechnet für die dreigespaiteno Golondztil« oder deren Raum
in HaapthUtt SS kr.; ia der Beila**, w*leh« das Kcatagufelat* gleiok ffeaabt«* wiri} V kr. s. V-
tor ikKivteBcdtab&dit T^rehrL !nß®rant®n würd© diese? ruvü eine wriwia« Dsrss!»L«L§ eingeführt; und z'war wird für zods» (wenn auch abgekürzte) Wort oder Zahl
, kr, »Sdd; 3 Air»- &räesr.. il. STs*> ? mb«, (in der Beilage) in Ansatz gebracht, wobei dio Expedition das Hauptsächlichst» durch fettere Schrift auszeichnen wird. Der entfallend»
' Bstrsg lat dar 3«f*Usjte feelanÄgm, wobei Briefmarken aller Länder in Zahlung angenommen werden.
Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. I. v. Gosen.
"'C»»MM:«^^SW!SWWWSrSWLW^E>-«»SWSSSSSSSSSSSSS>WS>S»iS«WSSKi8SSDS««iWS»«S««»i«^«>«»««»«»«-EiW«aW^
Uebersicht.
Neutrale Stimmen über Völkerrecht und Kriegsbrauch im letzten Kriege.
— Ein Vorläufer der deutschen Nationalkirche auf katholischer Seite.
— Holbein-Ausstellung in Dresden. (I. Der.Holbein-Congreß.) —
Aus den Kriegsgerichtsverhandlungen von Versailles.
Werteste Posten. München: Durchreise des Deutschen Kaisers.
Ein Erkenntniß des obersten Gerichtshofs. Nürnberg: Keine weiteren
Huhestörmsgeu. Berlin: Ein kaiserlicher Erlaß. Salzburg: Der
Deutsche Kaiser. Die Bcrgbeleuchtung.
TeLsHTSphifche Weichte.
v DLeichenhall, 8 Sept. Fürst Bismarck, Graf Beust und Sec-
tionschef v. Hoffman» sind hier angekommen. Die Oesterreichee reisen
heut oder morgen wieder ab. Fürst Bismarck bleibt mindestens eine
Woche bei seiner hier anwesenden Familie.
(3) Brett, 8 Setzt. Eine bundesräthliche Note dankt für die offi-
zielle Mittheilung von derBollmachtsvcrlängerung Thiers' und spricht die
-Hoffnung auf Fortbestand der seitherigen Freundschaft aus.
Diese Depeschen aus dem Hauptblatt hier wiederholt.
T Höh in sch wtt irga u, 8 Sept. Der Deutsche Kaiser ist nach
4 Uhr im besten Wohlsem hier eingetroffen, wo ihm der herzlichste Em-
pfang zutheil wurde. Der König und die Königin-Mutter waren dem
Kaiser einige Stunden entgegengefahren.
* BrrLi», 6 Sept Ächlußenrsr: Bayer, ^prsr. Aul. v. 1870 10 -hg,
-ayer. 4^-prse. Lnl. 99^ 4p-oe. -Pram.'AÄ. 1127,« 'Lad. Prüm.'Aul. il(%,
4s,proe preuß. An! SS^/z SSk^Muderrer L. 98^ 1882er AnierckMer SLVt
stzerr. Gtlvcrr. 58. Bspirrrrute 49*, Sftrrr, L. v 1860 65'-z v. 1354 77,
TWdiiaett«r16l3^ ?mchardeu104^ östrrr.-frmy. StaatSb. W31z. Prior. 880,
tlSalisier 1054 g Sch^tzanwrissn^eu —, Türkm 44Vg. kr««- A-ü. —, Preuß.
Ceutral'BvdemCredit 1301z, Rumänin 40/^, italienische 5prec Rente 58V«.
Wechsel: Wien 82-^. Tendenz: Schluß ruhig
r iSztllz, $ Sept. BchlrEcurse. «wSftoctlca loi.% SrssrrLchnarties
3T8V«, Socifcarben 10iv4 Galizier 105'4 1882er ftföerifoacr 96% BundeS.Auleihe
101 Rumänin 40ö8 Souch-Miffruri 73 Vs, Rockford 43, PenmsÄar 67
Oberschl. Eiseubahu-Acüeu btt. A. 202, Eentral'Bactfic 8s, Därmst. Baut
—, Güdd. Bodmcredit 115=4. Lenden;: geschäftslos.
% Berlin, 8 Sept Productenmarkt. Äoggea per Sept.-Oct. 52 % per
Os? -Nov. 62%, Nov.'Dec. 52^4 Ipril'Mar 53^. —. Weizen Sept.Oci. 76
per April-Mai 71^4 " Mb3l Sepl-Oct. 28 % per April Mai 27 4g — Spiritus
loce eff. 19 Thlr — Sgr., Sept.-Oct. 18 Thlr. 19 Sgr., per Nov^-Dec. 1? Thlr.
21 Ggr, Zpril-Mai 18 Thlr. 5 Sgr. Tendenz: matt.
* London, 7 Sept. Gch'ußcurse: 3proe. Consols 93®/i©. 1882er Amrri-
krr.er 93^ TürktN 46, neue Spanier 33 Vg.
£ London, 8 Sept. Börse, Jproc. Lonsols 93^4, Spree. Türken 457^^
1883er Gmerikaner933,, Italiener 59 ^4 Lombarden 163proe. Spanier L3l-,
Aul. Morgan —, Zproc. ftauz. Rente 52neue franz. Rente — Fr. Pr.
% Liverpool, 8 Sept. Baumwollbericht. Tagesumsatz 15,000 Ballen.
Tagesimport 8500 B.. Tendenz: fest.
Wertete telegraphische Curs- und Handelsberichte s. fünfte Seile.
SkenLrale Stimme» über Völkerrecht und KriegSbranch
Lm letzten Kriege.
I.
Jt, Es ist wohl niemals ein größerer Krieg geführt worden in welchem
«an sich nicht gegenseitig Vrrletzun g desVölkrrrech ts und des Kriegsgebrauchs
vorgeworfen hatte. In dem jetzt glücklich beendigten furchtbaren Kriege
zwischen Deutschland und Frankreich ist das in noch stärkerm Maß, als
jemals früher, geschehen; doch darf es gewiß als ein erfreulich es Zeichen
der Zeit angesehen werden daß beide Theile, schon zu einer Zeit wo die
Entscheidung nur von dem Übergewicht der materiellen Macht abzuhängen
schien, lauter als das sonst geschah, an das öffentliche Gewissen appellirten,
und die gegen sie erhobenen Anklagen zu widerlegen suchten. Zahlreiche
osficrelle Erlasse, von denen diejenigen des Grafen ^haudordh allerdings
oft an das bekannte Wort erinnerten: „On ne parle jamais si haut que
<juand on dit une sottise,“ geben Zeugniß davon. Aber auch Privat
Männer, Gelehrte und Journalisten find nicht zurückgeblieben. Die fran-
Lösischs Preffe hat allerdings die schöne Aufgabe, welche ihr, wie der deut-
schen, hiebei oblag, völlig verkannt. Statt aufzuklären, hat sie den Pr»
L.rjAtismus ihr<:r Landsleute bis zum Nationalhaß gegen Deutschland auf-
gestachelt, feie Nationaleitelkeit bis zum Wahnsinn gesteigert, und dadurch
bei Regierung und Volk jenen Terrorismus hervorgerufen unter feem sie
schließlich selbst jede Freiheit und Selbständigkeit verlieren mußte. Sie
trifft daher auch die Hauptschuld an allen GewaltLhütigkeiLön und Rechts-
verletzungen welche man Frankreich vorwerfen kann, und nicht minder der
größte Theil der Verantwortlichkeit dafür, wenn auch deutscherseits die
Kriegführung bisweilen einen Charakter annahm welcher der Natur und
Geschichte unseres Volks bisher fremd war, und wenn vereinzelt, in Augen-
blicken der höchsten Erregung, auch der friedfertigste und ruhigste Land-
wehtmann zu Handlungen hingeriffen ward deren strenge Rechtmäßig-
feit zweifelhaft ist, und feie er bei kaltem Blut und ohne solche Provocation
nie begangen haben würde. Die deutsche Preffe hat sich von ähnlichen Ver-
irrungen fast ganz frei gehalten, und einzelne größere Blätter, namentlich
auch die „Allg. Ztg.," jhaben sich nicht nur um die Feststellung der für die
Beurtheilung wichtigen Thatsachen große Verdienste erworben, sondern
auch mehrfach so eingehende Erörterungen der Rechtsfragen *) gebracht, daß
mancher Leser den Gegenstand damit vielleicht schon für erschöpft hält. Das
ist nun freilich keineswegs der Fall, und wird auch nicht möglich sein ehe
das zur wiffenschaftlichen Würdigung der zahlreichen, im letzten Kriege
theilweise zum erstenmal aufgetauchten, völkerrechtlichen Fragen erforder-
liche Material ungleich vollständiger als bis jetzt vorliegt. In dieser Be-
ziehung ist übrigens schon in den letzten Monaten viel geschehen. Die von
der Hamburger Handelskammer herausgegebenen „Actsnstücke in Bezug auf
Handel und Schifffahrt während des deutsch-französischen Kriegs," Dr.
Hahns „Der Krieg Deutschlands gegen Frankreich" (Berlin, Herz 1871),
die neuesten Hefte von Regidi's und Klauholds Staatsarchiv, und andere
Veröffentlichungen, enthalten bereits einen großen Theil der in Betracht
kommenden osficiellen Erlaffe und Correspondenzen. Ueber vielen für eine
richtige Beurtheilung unentbehrlichen Thatsachen ruht dagegen auch heute
noch völliges Dünkel. Immerhin ist jedoch schon jetzt reicher Stoff zu kri-
tischen Erörterungen der Handhabung des Völkerrechts und KrregsbrauchS
im letzten Kriege vorhanden, und es ist erfreulich daß neuerdings gerade
bedeutende Juristen des neutralen Auslandes damit den Anfang gemacht
haben. Späterhin wird wohl auch der eine oder der andere unserer deut-
schen Kenner des Völkerrechts dem guten Beispiel folgen, welches ihnen
seiner Zeit der zu früh verstorbene treffliche Wurm in seinen „Denkwürdig-
keiten des Völkerrechts im dänischen Kriege 1848 bis 1850" (abgedruckt im
siebenten Jahrgang der Tübinger Zeitschrift für die gesammte Staats-
Wissenschaft) gegeben hat.
Unter allen bis jetzt über die einschlagenden Fragen erschienenen
Schriften ragen zwei, zuerst in der Genter „Revue de droit international
et de 16gisl,ation compar6e“ erschienene, größere Abhandlungen deS
fleißigen belgischen Juristen G. Rolin-Jaquemyns"*) weit hertzor. Die-
selben verdienen um so mehr Beachtung, weil bei jeder einzelnen behan-
delten Frage das Bestreben des Versaffers nach völliger Objektivität und
Unparteilichkeit deutlich hervortritt, anerkennenswerthe Sorgfalt auf die
Feststellung des Thatbestandes verwandt ist, manche wenig bekannte Doku-
mente vollständig mitgetheilt werden, und die völkerrechtliche Literatur
aller Nationen in umsaffender Weise zu Rathe gezogen wird. Uns Deutsche
wird es zwar nicht wundernehmen, aber es muß uns doch freuen, daß
dieser unparteiische Neutrale fast alle ftanzösischerseits gegen die deutsche
Kriegführung erhobenen Beschwerden unbedingt für unbegründet erklärt,
und sich bei Würdigung der Frankreich schuldgegebenen Verletzungen des
Völkerrechts auf deutsche Seite stellt.
Könnten die Präcedenzsälle früherer Kriege als allein maßgebend an-
gesehen werden, so würde die deutsche Kriegführung wohl von jedem Vor-
wurf freizusprechen sein. Aber die humane Tendenz der heutigen Zeit
legt einen andern Maßstab an, und auch deutsche Schriftsteller, z. B.
Bluntschli in seiner Rectoratsrede vom 22 Nov. v. I., haben deßhalb aner-
Vgl. l!, a. die großer» Aufsätze, u der „Mg. Ztg." Nr. 32 (Berlin, 22 Jan.>
und Nr. 65, 67, 68, 70 (von Alfred Stern in Gottingcn).
3i) La guerre actudlö dang ses rapporta avec 1« droit international par 6.
/ Rolin-J-rquemyns (Decbr. 1870.) Separatabdrnck Berlin bei Puttkammer
und Nlühlbrecht. 8econd essai sur iä guerre France-ADeniande dan»
sei rappo.ts avec Je droit international dorr demselben (August 1871L
Separatabdruck ebendaselbst.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
kennen müssen daß die Mängel und die Schwäche des modernen Völker»
rechts während des letzten Krieges in erschreckender Weise zu Tage getreten
seien, und namentlich der Grundsatz der Verhältnißmäßigkeit zwischen
Verbrechen und Strafe und ebenso zwischen der Gefahr für das Heer und
den Schreckmitteln der Kriegsgewalt vielfach verletzt sei. Von dieser Aus-
fassung geht auch Rolin-Jaquemyns aus, und da es für den deutschen
Leser von besondern: Interesse sein wird die Ausstellungen kennen zulernen
welche dieser unbefangene Neutrale gegen unsere Kriegführung erheben
zu können glaubt, so will ich zunächst diese in möglichster Kürze zusammen-
stellen und mit wenigen Bemerkungen begleiten.
In seiner Proclamation an das französische Volk aus Saarbrücken vom
11 Aug. v. I. sprach König Wilhelm aus: „Ich führe Krieg mit den fran-
zösischen Soldaten und nicht mit den Bürgern Frankreichs." Wenige
Tage später veröffentlichten die Oberbefehlshaber der einzelnen deutschen
Armeen die Maßregeln welche gegen die Gemeinden oder einzelnen Per-
sonen, die sich in Widerspruch mit den Kriegsgebräuchen setzen, zu ergrei-
fen seien. Der berühmte Astronom Leverrier sah sich durch diese Ver-
öffentlichung veranlaßt am 1 Sept. 1870 im französischen Senat zu erklä-
ren : das sei nicht länger „uue guerre r£guli£re, mais une guerre de
sauvages.u Es konnte Rolin nicht schwer werden diesen leidenschaftlichen
und phrasenhaften Angriff gegen die Proclamation der deutschen Oberbe-
fehlshaber als unbegründet zurückzuweisen. Aber zwei Bestimmungen der-
selben: die Vorschrift daß die Kriegsgerichte „zu keiner andern Strafe als
derjenigen zum Tode verurtheilen" dürfen, und daß „die Gemeinden denen
die Schuldigen angehören, sowie diejenigen in denen das Verbrechen be-
gangen ist," collectiv zu einer Strafe verurtheilt werden sollen, scheinen
auch ihm über den Zweck hinauszugehen, und deßhalb völkerrechtlich nicht ge-
rechtfertigt werden zu können. Ueber den ersten Punkt läßt sich streiten.
Ein Beweis für die Richtigkeit der zweiten Ausstellung dürfte darin lie-
gen daß in allen späteren Proclamationen der deutschen Heerführer immer
nur von der Verantwortlichkeit derjenigen Gemeinde die Rede ist in wel-
cher die strafbare Handlung begangen ward.
In einer Anfang Octobers bei der Besetzung von Beauvais ange-
schlagenen Proclamation wurde für den Fall eines Ueberfalls (attaque
par surprise) mit Niederbrennen des Orts, für Verheimlichung von Waf-
fen mit Niederbrennen der betreffenden Häuser gedroht. In ähnlicher
Weise verkündete General v. Senden am 10 Dec. in Boulzicourt: daß alle
an sich gehässigen Confiscation immer nur ein Sequester
haft feinl
(Schluß felgt,)
r Güter statt-
Girr Vorläufer der deutschen NattouaMrche auf katho-
lischer Seite. *)
H Das so vielfach ausgesprochene Verlangen nach Versöhnung der
kirchlichen Gegensätze in unserem Volk und Aufrichtung einer nationalen
Kirchenvereinigung würde als eine, wenn auch.recht schöne, doch unprak-
tische, weil unausführbare Idee betrachtet werden müssen, wenn dieselbe
nicht bereits Fleisch und Blut gewonnen hätte in einer Reihe ausgezeich-
neter Persönlichkeiten. Nicht bloß unter den Protestanten haben Theolo-
gen , Philosophen und Staatsmänner dieser Idee durch ihr Denken und
Thun Realität innerhalb ihres persönlichen Lebens gegeben; auch auf
katholischer Seite fehlt es nicht an solchen die jenen die Bruderhand ge-
reicht, und frei von jenem exclusiven Glaubensstolz, den das Dogma von
der alleinseligmachenden Kraft des römischen Kirchenwesens pflanzt, der
einen über allen kirchlichen Sonderbekenntnissen stehenden Wahrheit die
Ehre gebend und dem heiligen Zug der christlichen Liebe folgend, sich im
Wesen und in der Hauptsache mit allen eins wußten denen christliche
Gesinnung über der kirchlichen Formel steht. Wenn nmn nicht läugnen
kann daß das Axiom welches Bunsen in seinem „Gott in der Geschichte"
ausgesprochen: „Es' lebt nichts in der Gemeinde was nicht vorher schon
Fleisch und Blut geworden ist in einer echtmenschlichen Persönlichkeit,"
durch die Geschichte des Christenthums eine reiche Bestätigung findet, so
schwebt auch im Hinblick auf Persönlichkeiten wie Bunsen und L. Schmid
die Hoffnung bereits nicht mehr in der Luft: daß die kirchliche Entwick-
lung in Deutschland einer Vereinigung zustrebe, durch welche die Kluft
zwischen Protestantismus undKathotismus ebenso wenigstens in den maß-
gebenden Regionen geschlossen werden wird, wie das bereits in einem
Theil der protestantischen Christenheit zwischen Lutheranern und Refor-
mirten geschehen ist.
Professor Nippold, der verdienstvolle Bearbeiter der neuesten Kir-
chengcschichte und Herausgeber der nun vollendet vorliegenden Biographie
Bunsens, macht in der Vorrede zu dem biographischen Denkmal welches
zwei evangelische Freunde dem in legitimster Form zum Bischof von Mainz
erwählten, durch Hrn. v. Ketteler aber ersetzten, Professor Or. Leopold
Häuser und Dörfer welche Francs-Tireurs Zuflucht gewährten, ohne dcrß^ Schmid aufgerichtet, darauf aufmerksam daß unter .der unabsehbaren
die Maires davon sofort dem nächsten Militäreommando Anzeige machten, i Reihe von Schriften welche nach den Bewegungen von 1848 sich mit der
niedergebrannt oder bombardirt werden würden. Die erstere Proclamation
gibt unserm Autor zu der Frage Anlaß: ob es denn nicht genügt haben
würde die Einwohner und die Eigenthümer verantwortlich zu machen?
die zweite zu der begründeten Ausstellung daß die Gemeindebehörden im
Kriege besetzter Landstriche nicht als Agenten und Spione der Jnvastons-
armee behandelt werden dürfen, und man keine Denunciation von ihnen
verlangen könne. Die vielbesprochene Zerstörung des größten Theils von
Bazeilles am 1 Sept. v. I. läßt Rolin unerwähnt. Die den Thatbestand
in überzeugender Weise feststellende Rechtfertigung des bayerischen Armee-
corps durch den General v. d. Tann am 29 Juni d. I. wird er noch nicht ge-
kannt haben. Ebenso wenig erwähnt er der zur Strafe für die Zerstörung der
Brücke von Fontenay erfolgten Niederbrennung dieses Dorfs und der dem
Territorium des Generalgouvernements Lothringen in Folge kaiserlicher
Anordnung auferlegten außerordentlichen Strafcontribution von - 0 Will.
Franken. Dagegen findet er mit Recht daß der Präfect der Meurthe,
Graf Renard, die Gränzen des Erlaubten,überschritt, als er am Nachmittag
des 23 Jan. dem Maire von Nanzig eröffnen ließ: wenn nicht bis zum
folgenden Mittag 500 Arbeiter der städtischen Zimmerplätze sich behufs
Herstellung der zerstörten Brücke am Bahnhof einfänden, zunächst deren
Aufseher und demnächst ein Theil der Arbeiter erschossen werden würden.
Diese Drohung ist übrigens, wie erinnerlich sein wird, nicht zur Ausfüh-
rung gekommen, sondern durch Aufgreifen der nöthigen Zahl Arbeitsfähi-
ger unter den auf den Straßen der Stadt promenirenden Reichen wie
Armen ersetzt worden.
DieBestimmung des königlichenDecrets vom 15 Dec. V.J., wodurch
unter andern den Elsäßern und Lothringern der Eintritt in die französi-
schen Streitkräfte bei Strafe der Confiscation ihres gegenwärtigen uub
Mftigen Vermögens und zehnjähriger Verbannung verboten wird, kann,
nach Rolins Ansicht, selbst aus dem Gesichtspunkt der gemeinschaftlichen
Nationalität völkerrechtlich nicht gerechtfertigt werden, wenn auch der Um-
stand daß man die künftigen Angehörigen des Deutschen Reichs verhindern
wollte gegen ihre früheren und künftigenLandsleute dieWaffen zu tragen,
mildernd in Betracht komme. Denn während des Kriegs darf in der Be-
handlung derjenigen besetzten feindlichen Gebietstheile welche man dem-
nächst im Frieden zu behalten gedenkt, und denjenigen bei denen dieß nicht
der Fall ist, ein Unterschied nicht gemacht werden. Auch würde statt der
seitdem rückwärts gekehrten kirchlichen Frage beschäftigt, keine einen so
durchschlagenden Einfluß ausgeübt als Bunsens „Zeichen der Zeit"
und Schmids „Ultramontan oder katholisch?" Diese beiden Männer
stehen dadurch als hervorvorragende Säulen am Eingang der neuen kirch-
lichen Entwicklungsphase, der wir gegenwärtig in Folge der reactionären
Uebertreibungen in rascherem Tempo entgegenzugehen scheinen, als eö
noch vor einigen Jahren für möglich gehalten wurde. Beide haben in
der geistigen Verwirrung welche dis revolutionären und reactionären Agi-
tationen in die Christenheit gebracht, mit Energie die Nothwendigkeit or-
ganischer Fortbildung des Geschichtlichen mittelst gewissenhaften Eindrin-
gens in die Grundprincipien des religiösen Lebens zur Anerkennung zu
bringen gesucht, und durch die Allseitigkeit ihrer Bildung und die Lauter»
keit ihrer Gesinnung viele Gemüther dort den Fesseln egoistischer Partei-
rabulistik zu befreien gewußt. „Habe ich doch," bekennt N-ppold, der
beiden nahe gestanden, „von L. Schmid, nachdem ich aus seinen Schriften
vor allem eine allseitige Beurtheilung des deutschen Katholicismus gewon-
nen, in persönlichem Gedankenaustausch die kernige gesunde Kraftnatur
bewundern gelernt, die, weil in sich selbst klar und rein, auch auf andere
jene Ströme lebendigen Waffers ergießen konnte, von denen der Eine
Herr aller christlichen Kirchen am Brunnen Jacobs geredet. Die unver-
geßlichen Morgenstunden unter den alten Bäunten, die in duftender Früh-
ingsblüthe sproßten, waren schnell enteilt. Der Eindruck des durch und
durch deutschen Namens blieb, der, weil beider Confessionsbildungen
Vorzüge in sich einend, beider Schattenseiten von sich fern halten konnte."
Wir ziehen aus dem Umstande daß keiner unter den katholischen
Schülern und Freunden Schmids cs unternommen hat sein Leben und
Wirken darzustellen, nicht den Schluß daß die zahlreichen Beweise von
Liebe und Verehrung die Schmid noch nach der päpstlichen Annullirung
seiner Wahl zum Bischof von Mainz von Geistlichen und Laien seiner
Kirche empfangen, unter dem gegenwärtigen Kirchomegiment nur noch
als Ausdrücke eines irregeleiteten Gefühls der Vergessenheit übergeben
seien, und hoffen vielmehr daß diese mit ebenso viel Verständniß als war-
mer Verehrung verfaßte Schilderung seines stillen, treuen, charaktervollen
*) Leopold Schmids Leben und Denken. Nach hinterlassenen Papieren heraus-
gegeben von Bernhard Schröder und Friedrich Schwarz. Mit einer Vor-
rede von Friedrich Nipp old. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1871.
4443
Wirkens und seiner tiefsinnigen christlich-philosophischen Anschauungen, ob-
schon von evangelischen Händen ausgegangen, sich den Weg in viele katho-
lische Pfarrhäuser und Familien bahnen, und der durch Schmid geweckten
Sehnsucht nach einer höheren und wahreren Einigung der Christenheit, als
sie unter dem infallibeln Papst möglich ist, neue Nahrung geben wird.
Denn eine solche Aussaat, wie sie Schmid so reichlich ausgestreut, kann
nicht schon nach wenigen Jahrzehnten ans deutschen Gemüthern wieder
ausgerottet werden, so gewaltthätig auch die Machinationen sind die man
zu diesem Zweck in Bewegung gesetzt hat.
Wir müßten an der Zukunft unserer nationalen Erhebung verzwei-
feln, wenn wir nicht hoffen dürften daß mit ihr sich auch eine gerechte
Würdigung derjenigen Bahn brechen würde die muthig dem confessiona-
listrschen Zersetzungsproceß entgegengetreten sind, und in Geduld unver-
diente Zurücksetzungen und Verketzerungen getragen haben, um durch
religiöse Einigung unseres Volkes einen neuen nationalen Aufschwung
für dasselbe möglich zu machen. Schmids Denken und Wirken war durch
und durch deutsch-national, obschon' er seiner Kirche, soweit sie auf christ-
lichem Boden sich erhalten hat, von ganzem Herzen ergeben geblieben ist.
Er betrachtete die Kirche durchaus nicht als eine rein objective Heilsan-
stalt, deren Satzungen sich das nach Seligkeit verlangende Subject urtheils-
los zu unterwerfen habe, sondern übte und weckte Kritik, und betrachtete
die sittlich-religiöse Selbständigkeit im Denken und Leben als eine der Grund-
bedingungen des Christenhums. Die eigene religiöse Ueberzeugung verein-
fachte er fortwährend, und fand, je länger je mehr, in der Person Christi
den eigentlichen Quellpunkt seiner Erkenntniß und seines innern Lebens.
„Ich will," sagte er, „weder mehr noch weniger als Christ sein. Damit bin
ich mir vollständig bewußt ein Glied einer sehr reellen religiösen Gemeinde
zu sein. Es ist diejenige zu welcher bereits alle die Katholiken die den
Haß gegen die Evangelischen und alle die Evangelischen welche die Feind-
schaft gegen die Katholiken nicht bloß in Worten, sondern in der That vem
abscheuen, und jeden Menschen in der Liebe zum Herrn gebührend achten,
sowie alle die Freunde gediegener Sittlichkeit gehören, die da es wohl be-
herzigen daß dieselbe und die echte Frömmigkeit miteinander stehen und
fallen." Das Christenthum betrachtete Schmid im vollen Sinn und nach
jeder Hinsicht als die Religion der Versöhnung. „Die Aufgabe welche die
Christenheit (nämlich die wie sie sein soll) stets als die ihrige erkannte, be-
steht in der Durchführung der Versöhnung als des Wesens des Christen-
thums, sowohl nach innen als nach außen. Die Wirklichkeit der Versöh-
nung ist aber die wahrhafte Einigkeit." Die Geschichte der deutschen Nation
wird nur verständlich wenn ihr letzter Zweck als die Verwirklichung dieser
christlichen Einigkeit erkannt wird. Im Mittelalter erscheint unter der
Herrschaft des Romanismus die Darstellung der Fülle des christlichen
Lebens als Hauptsache. Der generalisirende Realismus des romanischen
Geistes hat die Vorherrschaft, obschon auch der germanische mit seinem
individualisirenden Nominalismus sich Geltung zu verschaffen weiß. Zur
wahren Einigkeit aber reicht es nicht aus daß ein Gegenstand in der Fülle
und Objectivität seiner Beziehungen vorliegt; seine Momente müssen auch
in lauterster Reinheit hervortreten. Darin zeigt sich die Aufgabe der mit
der Reformation des 16. Jahrhunderts begonnenen neuen Epoche. Trotz
der kirchlichen Fülle entsprach die Christenheit dem Christenthum nie weni-
ger als am Schluffe des Mittelalters; sie erscheint geradezu als ein Zerr-
bild. Die die Religion der Versöhnung bekennen, bewegen sich in den un-
versöhnlichsten Gegensätzen. Dieser Kampf der kirchlichen Fülle mit der
christlichen Reinheit dauert fort bis in die Gegenwart. Aber das Bedürf-
niß nach Einigung beider ist erwacht mit dem Nationalgeist, der immer
entschiedener an die Spitze der Geschichte vorrückt, und dieser verbürgt die
endliche Erreichung dieses erhabenen Ziels wahrer religiöser Einigung
der Christenheit. Die deutsche Nation tst dazu noch nicht zu sehr gealtert.
Der deutsche Geist hatte im Mittelalter sein Knaben-, in der Zeit nach der
Reformation sein Jünglingsalter, und jetzt erst tritt er in das ernstbeson-
nene Mannesalter. Dieser Ernst des Mannesalters bringt es mit sich
daß er nicht mehr in phantastischer Leidenschaftlichkeit gegen sein eigenes
Fleisch und Blut wüthet, nicht mehr eine Einigkeit durch Gewalt zu er-
zwingen sucht in einem Bereiche wo alle menschliche Macht rechtlos ist.
„Die Einigkeit der deutschen Christenheit ist nur als eine Einigkeit freier,
klarer, voller und thatkräftiger Ueberzeugung möglich. Es steht fest daß
die deutsche Christenheit zur Lösung der ihr von Gott gestellten Aufgabe
des überzeugungevollsten, innersten, wie objectivsten Handelns bedarf, und
zwar abseilen sowohl der Einzelnen als ganzer Kreise. Alle List und Ge-
walt muß schwinden vor der Weisheit und Kraft der Ueberzeugungen und
zwar durch diese." Aber nur im Zusammenhang mit dem nationalen
.Fortschritt, also nunmehr: nur durch einen wahrhaft volkthümlichen Aus-
bau des Deutschen Reiches wird sich diese geistige Erneuerung und Eini-
gung der deutschen Christenheit verwirklichen lassen.
Durch diese Ideen, welche in zunehmender Klarheit das ganze Denken
und Leben des edeln Schmid durchzogen und getragen haben, tritt er, ob-
schon leiblich uns entrückt, durch diese Biographie als ein echter Prophet
in unsere Mitte. Möchten auch die noch ungedruckten Hinterlaffenschaften
seiner fleißigen Hand, denen zum Theil diese herrlichen Gedanken entnom-
men sind, bald aus der Verborgenheit hervortreten, damit es dem deut-
schen Volk möglich wird den Mann, der ausersehen war als Bischof auf
dem Stuhle des Bonifacius, von welchem aus schon wiederholt Ketten ge-
schmiedet worden sind um die deutschen Gewissen an Rom zu fesseln, end-
lich einmal als wahrer Wohlthäter der deutschen Nation den Segen christ-
licher Gewissensfreiheit und Bruderliebe zu verbreiten, vollständig kennen
und verehren zu lernen.
Holbein-Ausstellung in Dresden.
I. Der Holbein-Congreß.
LN. Neben dem modernen, den praktischen Interessen sehr, den idealen
ungleich weniger günstigen Princip der Arbeitstheilung macht sich als
Correlat und als Correctiv ein anderes geltend, das Princip der Coneen«
tration der Kräfte. Die schätzbarsten Ergebnisse werden ihm bereits ver-
dankt, und die Mittel der Concentration kommen dttrch Aneignung immer
größern Kreisen zu nutze. Zu den verschiedenen Congreffen und „Tagen"
von Fachgenoffen aller Art, die unter diesen Mitteln einen bevorzugten
Platz einnehmen und deren Nutzen und Wichtigkeit ebenso häufig über«
wie unterschätzt wird, ist so in diesen Tagen ein neuer gekommen, der unter
selten glücklichen Auspicien in die Reihe der Vorgänger eingetreten ist:
der Congreß der Kunstforscher, der durch besondere Einladung an die Ein-
zelnen von den Veranstaltern der Holbem Ausstellung auf die Tage vom
1 bis 3 September nach Dresden einberufen worden ist.
Wenn schon die meisten „Tage" unterschätzt werden, indem man sie
für unfruchtbare Vorwände für Ausflüge und gehäufte gesellige Ver-
gnügungen erklärt, so ist dieß mit dem Holbein-Congreß insbesondere der
Fall. Die Zahl der Fachgenoffen auf dem Gebiete der Kunstforschung ist
so klein (und erscheint es noch mehr), daß eine Uebersicht über die vorhan-
denen mitarbeitenden Kräfte besonders erwünscht ist. Auch ist die persön-
liche Annäherung Gleichstrebender um so mehr werth, je bestrittener und
unbefestigter noch die Stellung dessen ist was sic wollen und vertreten.
Die Kunstwissenschaft befindet sich aber mehr als eine andere in dem Falle
daß die Erbringung des Beweises für ihre Wissenschaftlichkeit als aus-
stehend angesehen, und ihr Gebiet als ein offener Tummelplatz des schön-
geistigen Dilettantismus aller Verunreinigung durch Unberufene schutzlos
preisgegeben ist. Nun aber findet sich ein Kreis mehr oder weniger schon
berufener oder selbst berühmter Fachmänner zusammen, man lernt sich
kennen, persönlich schätzen, durch Austausch besser verstehen, die Methode
der Forschung und Darstellung ergründen und erproben; man geht endlich
mit dem Bewußtsein einer vom andern, nicht daß man es schon so herrlich
weit, bis an die Sterne weit gebracht, wohl aber daß eine treffliche Fülle
von Strebungen, mit einer erstaunlichen Masse von natürlichen und er-
worbenen Fähigkeiten gefördert, einen Ausbau, eine Erweiterung und Ver-
tiefung des schon vorhandenen Gebäudes der Wissenschaft verheißt, so daß,
der vornehmthuenden Geringschätzung der jungen Disciplin gegenüber,
wenigstens ein wohlbegründetes Selbstvertrauen erwacht, und der Wetb
eifer entsteht es in jeder Art von wissenschaftlicher Tüchtigkeit, in beharr-
lichem Streben, den andern Zweigen der geschichtlichen Forschung gleich
oder gar zuvor zu thun.
Eher noch als die gewöhnliche Unterschätzung würde die häufige
Ueberschätzung solcher Congreffe hier das richtige treffen: man schmeichelt
sich durch dergleichen Zusammenkünfte die Wissenschaft direct in bestimmten
Punkten zu fördern, und gibt sich da allerdings einer angenehmen, aber nichts-
destoweniger leeren Selbsttäuschung Hirt. Unzweifelhaft daß — mit ver-
schwindend seltenen Ausnahmen — der Fleiß eines Einzelnen in der auf-
gewandten Zeit an unmittelbaren Ergebnissen mehr zu Tage zu fördern
vermöchte als die Versammlung vieler Fachleute, mag sie auch das feier-
lichste Programm aufstellen und das Gesicht in die ehrbarsten Amtsfalten
legen. So eine glückliche Ausnahme aber macht die erste Versammlung der
deutschen Kunstforscher, insofern sie dazu berufen gewesen ist eine lange
schwebende und mit^steigender Erbitterung hüben und drüben diseutirte
Streitfrage endgültig aus der Welt zu schaffen, und eine andere —
gleichfalls alte, doch in gewifferWeise ganz nA; gewordene—Frage für die
fernere Behandlung auf die ruhige Bahn besonnener Forschung, sicherer
Methode und begründeter Voraussetzungen zu bringen.
Beide Fragen beziehen sich auf die Geschichte der Holbein, deren Werke
zum Theil in Dresden so eben zu einer Ausstellung vereinigt sind, und so
hat der erste deutsche Kunstforschercongreß wohl guten Fug sich Holbein-
Congreß zu nennen. Möchten künftige Bereinigungen mit gleichem Recht
ihre Namen von andern großen Meistern tragen. Nach der Luft auf der
dießjährigen Versammlung zu schließen, dürfte die Vermuthung nicht wenig
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für sich haben daß über die deutsche Kunst wichtige Enthüllungen bevor-
stehen, mit denen sich in prüfender, bestätigender und berichtigender Weise
an der Hand der Denkmäler Materialien zu beschäftigen eine verlockende
Aufgabe und Aussicht für künftige Congreffe wäre.
Doch bleiben wir einstweilen bei der Gegenwart, und zwar für dieß»
mal bei dem innerlichen Verlauf der eigentlichen Congreßtage. Was zw
nächst die Betheiligung betrifft, so übertraf dieselbe wohl die Erwartungen
bei weitem. Gleichwohl läßt sich eine feste Zahl der Genoffen nicht an-
geben, da kein Merkzeichen der Zugehörigkeit, aber auch keine Liste der
„Mitglieder" existirte, und daher eine Entscheidung unmöglich ist wie
weit Künstler, Kunsthändler, Sammler und sonstigeKunstfreunde, nament-
lich auch zufällig vorübergehende, in den Kreis hineinzureihen sind. Auch
ein festes Programm war für die drei Tage nicht entworfen worden, was
in vielfacher Hinsicht zu bedauern ist, doch dießmal in den Verhältnissen
lag. Jedenfalls aber ist so das quasi Ofsicielle von dem Privaten in den
Erlebniffen jener Tage nicht zu sondern. Deßhalb sckll nur von dem un-
zweifelhaft Gemeinsamen berichtet werden.
Der wesentlichste Theil des Corrgresses spielte sich in den Morgen-
stunden von 6 Uhr an innerhalb des Zwinger-Pavillons vor den Bildern,
Zeichnungen und Photographien der Holbein-Ausstellung ab. (Das Publi-
cum hat von 10 Uhr ab Zutritt und wird immer erst in der zwölften Stunde
zahlreich). Dort werden die Gläser der Hauptbilder geöffnet, genaue
Untersuchungen an den einzelnen Kunstwerken vorgenommen, die zusam-
mengehörigen gegen einander gehalten und die streitigen Meinungen
discutirt.
Der lebhafteste Kampf entbrannte selbstredend über dis beiden Ma-
donnen-Exemplare (von Darmstadt und von Dresden), und es gäbe für
einen berufenen Humoristen keinen köstlicheren Stoff zu einer modernen
Batrachomyomachie, als die Helden und die Phasen dieses Kampfes zu
verherrlichen. Schon arbeitet die stoffbildends Hand an dieser Schöpfung,
und neseio quill majus nas?itur Iliade. Doch dieß sub rosa, so weit die
Sache ein ernstes Interesse hat, wird sie demnächst ausführlich geschildert
werden.
Den übrigen Theil der Tage füllten, abgesehen von mehr oder minder
gemeinsamen Mahlzeiten und deßgleichen Ausflügen, Besuche der über-
reichen Dresdener Kunstsammlungen, die durch die aufopfernde und all-
bereite Fürsorge des Hrn. Hofralhr A. v. Zahn -den Kongreßmitgliedern zu
bequemer Zeit, und unter Gewährung aller nur möglichen Erleichterungen
und Unterstützungen, zu fruchtbarer Besichtigung offen standen.
Am Mittage des .2 September, dem ersten Jahrestage der Capitula-
tion von Sedan, gestaltete sich in ungezwungenster Weise die gemeinsame
Mahlzeit inHrlbigs Restaurant an der Elbe zum unvermeidlichen Fest-
mahl, das aus der improvisirten Art seiner Entstehung seinen anmuthig-
sten Glanz, die Abwesenheit jedes Zwanges und die glückliche Herrschaft
eines heiter und geistreich geselligen Verkehrs entlehnte. Das Kreuz aller
osficiellen Zweckeffen, die programmmäßigen und effectoofl gedrechselten
Toaste, fehlte, dafür aber wurde dasMahldurch eine Reihe kurzer, in freiester
und unmittelbarer Gedankenentwicklung einander folgender Tischreden
gewürzt, die in der erfreulichsten und handgreiflichste^ Weise Zeugniß da-
von ablegten daß die Beschäftigung mit den höchsten Ideen der Mensch-
heit in den schönsten Formen der Darstellung auch ihren Adepten einen
höheren Schwung gibt. Von dem ersten Glase, welches Profeffor Alfred
Woltmann aus Karlsruhe den Manen des deutschen Meisters Hans Hol-
beins deS jüngeren weihte^ bis zum letzten Trinkspruch, der, vom Profeffor
C. v. Lützow aus Wien bereits mit sprudelnder Champagner-Laune aus-
gebracht, demVaterHolbein, in höchst humoristischer Verwerthung des zwi-
schen ihm und seinem Sohn ausgebrochenen Autorenstreites, galt, wußte
jeder Redner den Stoff und den Ton zu treffen welcher der herrschenden Stim-
mung im Moment entsprach und einen lebhasten Wiederhall in den Ge-
müthern fand. Auch der Stadt Dresden, die leider zufällig durch keinen
einzigen „Eingebornen" vertreten war, wurde der Dank für die gastliche
Beherbergung der Holbein-AuSstellung und des Holbein-Congreffcs in Ge-
stalt des Wunsches ausgesprochen: daß sie fortfahren möge zu blühen als
ein Mittelpunkt des Kunstlebens und des geistigen Lebens in Deutschland
überhaupt.
Die Befriedigung der Theilnehmer durch den Holbein-Congreß war
allgemein, und erweckte den Wunsch, der wohl Folgen haben wird, ähnliche
Zusammenkünfte in regelmäßiger Wiederkehr in den verschiedenen Kunst-
hauptorlen Deutschlands zu veranstalten
Bevor die Versammelten sich trennten , haben die noch Anwesenden
heute (5 September), auf Anregung aus Dresdener Kunftkreisen selber
heraus, den Beschluß gefaßt: die in der vorher angedeuteten Hauptfrage ge-
wonnenen festen Ergebniffe in gedrängter und unzweideutiger Form zusam-
menzufassen, und durch Unterschrift der Consentirenden gewiffermaßen als
Urkunde über das Resultat der Besprechungen und der Fonftontirung dev
beiden'Madonnen zu bestätigen. Das Gutachten lautet:
Die Unterzeichneten sind übereingekommen zu erklären:
1) das Darmstädter Exemplar der Holbein'schen Madonna ist das
unzweifelhaft echte Originalbild von Hans Holbeins des jüngeren Hand;
2) im Kopf der Madonna, des Kindes und des Bürgermeisters Meyer
auf diesem Bilde sind nicht unerhebliche spätere Retouchen wahrzunehmen^
durch welche der ursprüngliche Zustand in den genannten Stellen ge-
trübt ist;
3) dagegen ist das Dresdener Exemplar der Holbein'schen Madonna
eine freie Copie deS Darmstädter Bildes, welche nirgends die Hand HanS
HolbeinS des jüngeren erkennen läßt.
Diese Erklärung ist bereits von einer beträchtlichen Anzahl der nam-
haftesten Kunstforscher, Künstler und Kunstfreunde Deutschlands unter-
zeichnet toorden, und wird, nachdem die zustimmenden Unterschriften der
bereits abgereisten Congreßrmtglieder noch durch Circulare eingeholt sein
werden, mit den Namen der zu ihr sich Vekcnnendeuin C. o. Lützows „Zeit»
schrift für bildende Kunst" zur Veröffentlichung gelangen.
Details, streitige und unklare Punkte, Gründe und weiter gehende
Vermuthungen, sind mit Recht ausgelassen; nur das einfache Factum wird
csnstatirt daß die berühmte und berüchtigte sogenannte „Madonnenfrage"
nicht mehr existirt.
Wie es zu dieser Lösung gekommen, das und noch manches andere
Interessante und Wichtige von der Holbein Ausstellung wird der Inhalt
unseres nachfolgendes Berichtes sein.
AuS den Kriegsgericht-Verhandlungen von Versailles.
* Viertes Kriegsgericht. Sitzung vom 5 Sept. Da die Ver-
theidiger Marchand und Augll wiederum ohne Entschuldigung ausgeblieben
sind, beschließt der Gerichtshof sich bei dem Barreau von Versailles zu be-
schweren und für die Angeklagten Suetens und Bocquin den Lieutenant Guinea
und den Wachtmeister Bordelais als Vertheidiger von Amtswegen zu bestellen.
Zeuge Noel Fleury, Weinwirth in der Rue de Solferino, erkennt die Rötiffe,
Suetens und Papavoine als solche wieder die am Montag und Dienstag die
Verwundeten in der Straße pflegten; sie trugen alle drei Gewehre auf der
Schulter. Ich habe, sagt er, sie verhaften lassen, weil sie dem 135. Bataillow
angehörten, welches in dem Viertel geplündert hatte; ob sie aber selbst an den
Plünderungen unt> Brandstiftungen theilnahmen, ist mir nicht bekannt. Präs..
,\u der Untersuchung waren Ihre Aussagen viel positiver. Zeuge: Ich kann
höchstens behaupten daß die Angeklagten an der Plünderung der Ehrenlegion
theilnahmen, weil dasBataillon dort sein Hauptquartier hatte, und daß sie auch
von dem Plan das Palais in Brand zu stecken Kenntniß hatten. Die Retisse
blieb ant Dienstag Abends in meinem Local während der ganzen Zeit da die
Marinesoldaten die Barrieadc der Nue de Solferino stürmten, d. i. bis halb
8 Uhr Abends, und der Brand begcmngegen 6 Uhr. Die Retisse, welche zuerst ein
rothes Unterkleid trug, zog des Abends einen schwarzen Rock darüber, vermuth-
lich um nicht als Marketenderin wieder erkannt zu werden. Ein Mitglied
des Gerichtshofs ($um Zeugen): Als Ihnen die Rötiffe ein Gewehr über-
gab, sagte sie da: Hier haben Sie ein Gewehr, oder: Hier haben Sie mein Ge-
wehr? Zeuge: Sie sagte: Hier haben Sie mein Gewehr! Die Nähterin
Rochaix aus der Rue de Lille hat allen Vorgängen in der Straße zugesehen.
Sie erkennt die drei ersten Angeklagten ebenfalls wieder; im Laufe des Montags-
seien auch die andern beiden hinzugekommen. Sie giengen von Haus zuHaus,
holten Schnaps für die Föderirten u. s. w.; eine andere, die nicht aus der An-
tlagebank sitzt, nahm auch an den Barricadentämpfeu selbst theil. Ich hörte wie
die Enfants Perdus zu den Weibern sagten: „Man wird überall Feuer an-
legen," und jedermann erhielt 65 Fr. Ob auch die Weiber etwas empfangen
haben, ist mir nicht bekannt. Präs, (zu den Angeklagten): Ihr habt jede 10 Fr.
erhalten? DieMarchais: Aber nicht um Feuer anzulegen. DiePapavoine:
Ich habe keine 10 Fr. erhalten. Präs.: Man hat sie Ihnen aufgehoben. Aus wei-
teresBesragen erklärt dieZeugin: sie habe Petroleumfässer heranrollen sehen; dabei,
halten aber die Weiber nicht mitgewirkt. Zeugin wird mit dem Zeugen Fleury
confrontirt, und sie können sich über die Kleidung welche die Rötisse an jenen»
Tage getragen hätte nicht recht einigen; die Rochaix sah sie in einer weißen
Jacke, Fleury dagegen in einem schwarzen Caraco. Einige Entlastungszeuge»
bringen nur unerhebliche und nicht immer für die Angeklagten günstige That--
fachen bei: so wird bekundet daß die Marchais nach der Belagerung zu dem.
Äam der Preußen gegangen sei und sich erst als Concubine des. Guy den,
Föderirten angeschlossen habe. Verschiedene Weinwirthe der Vorstädte geben der»
Angeklagten das Zeugniß daß sie — stets pünktlich gezahlt haben. Einer v«rr>
ihneir, Berry, will die Rötisfe noch am Montag, Vormittags um 11 Uhr» in.
seinem Hause gesehen haben, während die Zeugin Rochaix dieselbeAngellagtc
an jenem Tage schon früh um 3 Uhr in der Rue de Lille wahrgenommen, haben
will. Damit wird die Beweisaufnahme geschlossen, und der Ankläger Hc^ptmann
Joueune erhält das Wort. Er beklagt den schmachvollen Antheil welchen das
weibliche Geschlecht an den Verbrechen der Commune genommen habe, geißelt
die abenteuerlichen Ideen der Frauen-Emancipation und nennt dtze Angeklagten
die würdigen Töchter der Megären von 1793. Es würden, fügt tzr hinzu, ihnen
noch andere Vertreterinnen des schöner»Geschlechts aus der Anklagebank folgen,
so die Schulvorsteherin Michel welch- die Kirche St. Svlpice in emen Club ver»
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-wandelte und in ihrer Anstalt statt geistlicher Lieder die Marseillaise und den
Chant du d6part studieren ließ. Er beantragt die Anwendung des Gesetzes in
seiner ganzen Strenge. Advocat Thiroux sucht die Retisse als eine durch die
Genfer Convention geschützte Ambulanzenwärterin darzustellen. Der Anwalt
Haußmann plaidirt für die Papavoine und Bocquin; der Wachtmeister Bor-
delais verläßt sich ohne weitere Ausführungen auf die Gerechtigkeit der Richter,
und der Lieutenant Guin ez endlich sucht mildernde Umstände aus dem niedern
Bildungsgrad und der verdorbenen Umgebung seiner Clientinnen herzuleiten.
Die Anklage lautet gegen die Retisse, Suvtens, Marchais und Papavoine auf:
1) Versuch die Regierung umzustürzen; 2) Versuch der Ermordung, Plünderung
und Zerstörung; 3) Diebstahl, begangen in bewohnten Gebäuden und im Verein
mit mehreren Personen; 4) Mitschuld an der Brandstiftung von öffentlichen
und Privatgebäuden: 5) Mitschuld an derErmordung des Hausmeisters Thornö.
Gegen die Bocquin richtet sich die Anklage nur auf die ersten drei Punkte. Der
Gerichtshof erklärt nach einer anderthalbstündigen Berathung die Retisse, Suö-
tens undMarchais in allen Punkten, mit Ausnahme des letzten, für schuldig, die
Papavoine in. den ersten drei Punkten und die Bocquur in dem dritten für
schuldig. Er verurtheilt demnach die Retisse, Sustens und Marchais zum Tode
(Sensation im Zuhörerraum), die Papavoine zur Deportation nach einem be-
festigten Platz und die Bocquin zu zehnjähriger Einschließung. Die Angeklagten
sind bei der Verkündung des Urtheils wie vernichtet. „Ich habe sin," sagt der
Berichterstatter des „Constitutionnel," „über den Hof in das Gefängniß zurück-
kehren sehen; sie konnten sich kaum auf den Beinen erhalten. Die Rötiffe war
bleich und zitterte; die Marchais strauchelte als ob sie betrunken wäre; die
Suötens weinte bitterlich, und die besser davon gekommene Papavoine hielt ihre
Gefährtin unter Lamentationen aufrecht. Der Bocquin, die zuletzt kam, schienen
ihre 10 Jahre Gefängniß nicht sehr nahe zu gehen. Im Publicum verglich mau
dieses Urtheil mit dem vom letzten Samstag, und man sagte sich daß die Mit-
glieder der Commune vielleicht wohl daran thäten keine Nichtigkeitsbeschwerde
einzulegen. Wenn man sie z. B. an das vierte Kriegsgericht wiese, so könnte ihr
Leben dabei in Gefahr gerathen u. s. w.
Neueste Posten.
X München, 6 Sept. Ueber die Durchreise des Deutschen Kai-
sers in München können wir nachfolgendes berichten. Der kaiserliche Train
-fuhr, von Salzburg kommend, heute Vormittags um 10 Uhr 37 Min. in
den Bahnhof ein. In der prachtvoll mit Fahnen und Gewächsen aller
Art geschmückten Einsteighalle wurde der Monarch von der Generalität,
verschiedenen Hofbeamten und dem preußischen Gesandtschaftspersonal em-
pfangen; als Ehrenwache war eine Compagnie deS Infanterie- Lsibregi-
ments aufgestellt, dessen Musik bei der Ankunft des Zuges die preußische
Volkshymne spielte. Der Kaiser, der die Uniform des 6. bayerischen In-
fanterieregiments, dessen Inhaber er ist, trug, begab sich sofort in Beglei-
tung des Prinzen Luitpold, welcher in der Umform des 4. preußischen Feld-
Artillerieregiments war, und des Prinzen Leopold in den aufs prachtvollste
decorirten Wartsaal, wo Se. Majestät, bedient vom königl. Hospersonal,
das Frühstück einnahm. Wahrend desselben spielte die Regimentsmusik
verschiedene Piecen. Der Kaiser unterhielt sich mit den zu seinem Empfang
anwesenden und am Dvjeüncr theilnehmenden Personen auf das freund-
lichste. Nach einem Aufenthalt von etwa 40 Minuten setzte der hohe Nei-
sende um 11 Uhr 20 Minuten die Fahrt per Bahn nach Peissenberg fort.
Der größere Theil des kaiscrl. HofgefolgeS blieb in München zurück, und wird
über Augsburg weiter reisen. Eine ungeheure Menschenmasse aus allen
Ständen und Classen hatte sich trotz der drückenden Sommerhitze am ganzen
Bahnkörper hinauf bis zum Hirschpark bei Nymphenburg aufgestellt, um
den Kaiser zu sehen. Bei der Ankunft und Abfahrt wurde derselbe mit den
lebhaftesten Hochrufen begrüßt.—Durch Erkenntniß des obersten Gerichts-
hofes vom 4 Sept. d. I. wurde ausgesprochen daß gleichwie die Ableistung
eines falschen Zeugenmdes, ebenso die Ableistung eines falschen Haupt-
eides in einer Civilsache alsdann straflos sei wenn der Schwörende durch
wahre Angabe der betreffenden Thatsache die strafrechtliche Verfolgung
seiner Person wegen Verbrechens oder Vergehens herbeiführen würde.
Nürnberg, 8 Sept. Um eine etwaige Wiederholung von Excessen
zu verhüten, waren gestern Abends die nöthigen militärischen Vorkehrungs-
Maßregeln getroffen. Während der Nacht durchzogen Militärpatrouillen
die Stadt. Soweit unsere Erkundigungen reichen, ist sowohl der Abend
als die dkacht ohne jede Ruhestörung verlaufen. (N. Korr.)
Berlin, 7 Sept. Der Reichsanzeiger veröffentlicht folgenden aller-
höchsten Erlaß:
„Aus allen Theilen Deutschlands sind Mir bis zur neuesten Zeit Tele-
gramme über den warmen und freudigen Empfang zugegangen welcher den
heimziehenden Kriegern bei der Rückkehr in ihre Heimath bereitet worden ist.
Neben dem erhebenden Bewußtsein an der Größe und Einigung Deutschlands
mitgewirkt zu haben, wird jeder von ihnen in dieser Ausnahme den Ausdruck
der Dankbarkeit erblicken welche das Vaterland ihnen zollt, und darin zugleich
-die Anerkennung finden welche ihnen nach so mühevoller Ausdauer und so be-
wunderungswürdigen Thaten gebührt — Thaten deren folgenreiche Bedeutung
unausgesetzt lebhaft gewürdigt wird, wie gegenwärtig bei der Wiederkehr der
glorreichen Tage von Gravelotte und Sedan Mir zahlreiche Glückwünsche von
den verschiedensten Seiten her bekundet haben. Mit dem herzlichen Danke für
diese begeisterten Zurufe drängt es Mich über die feierliche Bewillkommnung,
unserer braven Truppen Meine volle Befriedigung auszusprechen. Bad Gastein,
4 Sept. 1871. Wilhelm."
/X Salzburg, 7 Sept., Nachmittags 4 Uhr. Se. Maj. der D utsche
Kaiser arbeitet seit heute früh 5 Uhr mit seinem Bureau unausgesetzt.
Das Bureaupersonal hat noch nicht Mittag machen können. Fürst Bis-
marck conferirte von 10 Uhr bis gegen 11 Uhr mit Andraffy, von 11 Uhr
bis 1 Uhr aber mit Graf Beust im „Hotel zum Erzherzog Karl" im Zim-
mer Nr. 40 (drnr nämlichen worin die ehemaligen Gasteiner Verträge ge-
schloffen worden sind).
* Salzbur g, 7 Sept., 10 Uhr Abends. Eine großartigere Berg-
beleuchtung als die gegenwärtige ist, dürfte seit dem Jahr 1816, in dem
Salzburg an Oesterreich gekommen, nicht stattgefunden haben. Von dem
sagenreichen Rosenegger Hügel mit seinen Denkzeichen aus der Römerzeit:
an bis tief in das Pongau bilden sämmtliche Berge einen tellurischen
Sternenhimmel. Vom Staufen bis zum Horn des Nockstein ist ein nur
durch die Thalmulde unterbrochener Feuerkranz. Der Abend südländisch
sommerlich, der Fremdeuandrang wie niemals, das Gewoge auf den Stra»
ßen und öffentlichen Plätzen wie Meeresrauschen, der Jubel für die beiden
Kaiser, wo sie sich zeigen, ungeheuer.
Verschiedenes.
* Paris, 7 Sept. Gestern früh hat eine im Faubourg St. Antoine
ausgebrochene Feuersbrunst die dort in der Cour St. Jacques gelegenen
Werkstätten der im Jahr 1848 gegründeten „Gesellschaft der Sesseltischler" ver-
zehrt. Der Schaden wird auf mindestens 800,000 Frcs. veranschlagt, unk
wäre noch viel bedeutender, wenn nicht die bei dieser Gelegenheit zuiu erstenmal
mit bestem Erfolg angewendeten Dampfspritzen dem Element nach einigen Stun-
den Einhalt gethan hätten. Der Brand soll durch die Unvorsichtigkeit eines in
senen Werkstätten beschäftigten Gesellen entstanden sein.
Industrie, Hantel nud Verkehr.
Berlin, 7 Sept. Die Börse war heute im ganzen fest; für Lombarden
und Credit lagen große.Kaufanträge vor, welche den CnrS, der schon höher als
gestern einsetzte, noch weiter steigerte, nnd dar Geschäft belebte: Franzosen aber
blieben zu den gestrigen Preisen vernachlässigt. Italiener und Türken waren der
schwachem G.schäst niedriger; Amerikaner bei mäßigen Umsätzen behauptet. Eisen-
bahnen fest, aber nicht sehr belebt, Rheinische etwas höher, Köln-Mmdeuer, Ber-
gische, Schweizer Westbahn gefragt. Inländische und deutsche Fonds gut behaup-
tet. Prioritäten fest und still. Banken fest, Darmstädter gefragt. Wechsel sehr
matt. Sehr bedcatendes Geschäft zu steigenden Surfen fand in Gewebebank
Schuster statt. Hessische Bank in Posten lu7 be; u. G. — In Berliner Bank
fand sehr bedeutender Umsatz statt
8 Paris, 7 Sept. (Börse.) .Die offieiellen Mittheilungen über das Re-
sultat der mit dem Grafen Arnim geführten Unterhandlungen lassen noch immer
auf sich warten, und dieBöise scheint plötzlich dieEittdecknng zu machen oaß man
die Eventualität der Räumung einiger Departements schon hinlänglich eöcomptir»
habe. Es stellen sich daher für Anleihe über 90 und für Rente über 57.50 Ver-
käufer ein und beide Surfe gehen gegen den Schluß wieder verloren. Doch wird
die Situation im allgemeinen noch immer günstig angesehen, und das Ausgebot:
dringt wirksamer nur für Italiener durch, die auf 60.45 ü 50 zurückweichen. An-
leihe schließt 89 95, Rente 57.42, Foncier 1025, Mobilirr gehr von 227 auf 218
und spanischer Mobilier von 485 auf 478. Soeiötö günörale 575. In Bahnen
sind die Veränderungen geringer: Nord 1007, Ostbahn 545, Lyon 907, AutrichicuS
808, Lombarden 415.
Telegraphische LnrS - und Handelsberichte.
* Frankfurt a. SR.. 8 Sept. Erössuungscurse: Oesterr. Creditaetien
283. GlaatSbahn 366^ 1860« L. — 1882er Amerikaner 953/4, Lombarden
182% 2463/4 ,pas. aurl. Sch. 321,6 Silberr. —, f:auj. Rente leere—.
Tendenz: matter.
* Frankfurt «♦ M., 8 Sept. Gchl»ßcurfe; Bayer. 5proc. Aul v. 1870
l'Xvg bayrr 4<,«proc. Anl. 99. 4proc. bayer. Präm. Aul. 112 V* iVjptot»
taget. Ostbahu 134^4 neue Ear. 118, mit 15 Proc. Einzahlung 11784 4proe..
Dsenzdahn 112 Vi 4pr»c. bad Pramieu-Anleihe 110 V4. 188 ^cr Amerikaner 95 V**
KölN'Miud L. 96 V4 österr. Gilderrente 57V» Papierrrutr 49 >2 1860er L 651»
1864er L. 134 74. Barrkactim 744 Creditact,ev 282:Vi, Lombarven 182fr östnr
fcanz. SlaatSbahu 365^. Llisabeth B. 226 Franz Joseph B. 83 Rudolfs-
rahn 751,2 Ungar. Ostbahn 72* * Sproe. Spanier 32 Napoleons 9.171**
neuc Staatsbahn 355, franz. Rente volle 843 4, leere 89 y* Wechsel: London
1163 g fcctrt« Siy2 Wien 97 Z 4.
' Frankfurt a. M., 8 Sept. Rachbörse. Treditaetteu 282-> 4 Staatsbahn
3651/4 1864er L. —. 1882» Amerikaner 9514 Lombardru 182Z<,, Stlberrent*
577/», Galizier 246 Vs, Spanier —, neue Staatsbahn —, Nordwestbahn —
Tendenz: still.
; Amsterdam, 8 Sept Wechsel auf;London 11.78 E., 3pro«. Spcni»
321/,. gproe. Nmerikauer 96'?/g, 5pro^ Papiexrenre 487,. 5proc. Silberreat«
57 i/z, 5vroc. Türken 44V», 5proc. Aussen fiO5/»-
J Amsterdam, 8 Sept. Marktbericht. Petersburger Roggen 187. Roggen
per Oct 194. per Rov. 198, per März 307, per Mai 310. Rapssamen per
Oct. 8 t 1.5, per Nov. 88. Rüböl loco 431/4, per Herbst 46, per Frühjahr 49 ‘/j.
* Mew-Bork, 7 Sept Soldagio 1133/4, Wechsel in Gold 1083/4,-188. er
Bond« 551/4. 1835er *153$, 1804er 112. Baumwolle 203/4, Petroleum ;«
Philadelphia 233/,.
% New-York, 7 Sept. Per Kabel. Gold, SchlußeirrS ilSty*, WechjL
per London 1083/4. 1862er Bonds IIÖV4, 1885er Bonds 1 !££/$, !9o4er Bond-»
112, Illinois 137. Erie-Aetien L414, Bauniwollr 2.3.4. ^hl '6.10, Petrol-:,«»
24. Petroleum tn Philadelphia
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4446
Bortesungen an der AniverMt Jena im Winter
vom 16 October 1871 bis zum 16 März 1872.
I Theologische Facultät. — Hase: 1) Kirchengeschichte von 800
bis 1750. 2) Theolog. Seminar. — Diestel: 1) Hiob. 2) Pädagogik.
3) Geschichte der Religion Israels seit dem babylon. Exil. 4) Pädagogisches
Seminar. 5) Mtestamentl. Seminar. — Pfleiderer: 1) Christliche Ethik.
2) Briefe an die Philipper, Kolosser, Ephescr. 3) Homilet, u. katechet. Semi-
nar. — Lipsiue: 1) Dogmatik. 2) Galaterbrief und Brief des Jacobus.
3) Ueb. das Wesen der Religion. 4) Ncutestl. Seminar. — Grimm: 1)
Römer- u. Hebräerbrief. 2) Einleitung in das N. T. 3) Examinatorimn üb.
Dogmatik u. Dogmengeschichte. — Hilgenfeld: 1) Matthäus, Marcus, LucaS.
2) Einleitung in das A. T. 3) Biblische Theologie. — Spieß: 1) Bncfe
deö Petrns, Jacobus u. Judas. 2) Ueb. den Volksaberglauben.
II- Juristische Facultät. — Danz: 1) Institutionen. 2) Erbrecht.
— Luden: Deutschen Strafproceß. — Leist: Pandekten.^— v. Hahn:
1) Handelsrecht. 2) Wechselrecht. 3) Ueb. Juhaberpapiere. — En bemann:
1) Civilproceß. 2) Verfassung u. Gesetzgebung des deutschen Reichs. —
Schüler: Strafproceß. — Langenbeck: 1) Praxis des CivilproceffeS.
2) Strafrecht des deutschen Reichs. 3) Ueb. Separationen u. Ablösungen
arundherrlicher Lasten. 4) Referirkunst. — Hermann: 1) Deutsches Staats-
recht. 2) Deutsches Privatrecht. 3) Kirchenrecht. — Burckhard: 1) Sächsi-
sches Pnvatrecht u. sächs. Civilproceß. 2) Pancckten-Repetitorium n. Examina-
torium. 3) Pandektenprakticum.
III. Mediciuische Facultät. — Ried: 1) Chimrg. Klimk. 2) Chr-
rurgie. 3) Verbandcursus. — Gegenbaur: 1) Descriptive Anatomie des
Menschen. 2) Anatomische Präparirübungen — Schultz e: 1) Geburtshülfl. u.
gynäkolog. Kl'.nik u. Poliklinik. 2) Gesammte Geburtshülse. 3) Curfe geburts-
hülfl. Overationen. 4) Curfe gynäkolog.Untersuchung. — Gerhardt: 1) Me-
dicinische Klinik u. Poliklinik. 2) Specielle Pathologie u. Therapie.— Müller:
1) Allgemeine Pathologie u. allgem. Patholog. Anatomie. 2) Sectionen. —
Preyer: 1) Physiologie der vegetativen Functionen. 2) Psychvphysik. 3) Ar-
beiten im Physiolog. Laboratorium. — Schillbach: 1) Pathologie u. Therapie
der Augcnkrankheiten. 2) Klinik für Augen- u. Ohrenkrankhsiten. 3) Augen-
operationScursus. 4) Anatomische Chirurgie. — Frankcnhäuser: Frauen-
krankheiten. — Siebert: 1) Gerichtliche Medicin. 2) Psychiatrische Klmik. —
Seidel: Krankheiten des Kehlkopfs mit laryngoskopischen Uebungen.
IV. Philosophische Facultät. — Snell: 1) Anwendung des Jn-
fluitesimalcalcüls auf die Geoinctrie. 2) Aralytische Mechanik, II. Thl. —
Stickel: 1) Kleine Propheten mit Geschichte des hebräi'chcn Prophrtenthums.
2) Arabische Sprache u. Schriftsteller. 3) Syrische Schriftsteller. 4) Oriental.
Seminar. — Ripperdey: 1) Römische Literaturgeschichte. 2) Philolog. Se-
minar. — Ernst Schmid: 1) Ueb. VulcaniSmus u. Plutonismus. 2) Allge-
meine Geologie. 3) Gesteinslehre. 4) Mineralog. Uebungen. — Fischer: ____________________
Herzogliches Collegium Carolinum,
Polytechnische Schule in Braunschweig.
Anfang des Studienjahrs 1871—72 am 10 October, Vorstellung der zur Auf-
nahme Angemeldeten am 5 October, Morgens 9 Uhr, im Geschäftszimmer des Direc-
toriums und Beginn der etwa nothwendigen Aufnahmeprüfungen am 6 October, Mor-
gens 10 Uhr.
Programme mit der Anzeige der Vorlesungen und Uebungen und den Aufnahme-
bedingungen werden durch das Directorium unentgeltlich verabreicht.
Braunschweig, den 21 Juli 1871. (7702-3)
Das Dlrectoriuü! der Anstalt
Dedekind. Ablburetz.
1) Geschichte der griech. Philosophie. 2) Ueb. Goethe's Faust. — Adolf
Schmidt: 1) Neueste Geschichte seit 1848. 2) Historische Uebungen. — Hil-
debrand: 1) Geschichte der nationalökonom. Cultur. 2) StaatSwissenschafil.
Seminar. 3) Statistisches Seminar. — Geuther: 1) Allgemeine Chemie.
2) Chemische Uebungeir. — Häckel: 1) Zoologie. 2) Naturgeschichte der Pflan-
zenthiere. 3) Zoolog. Cursus. 4) Histolog. Cursus.— Bursiau: l) Mytho-
logie, Religion u. Cultus der Griechen. 2) Herodots I. Buch. 3) Philolog.
Seminar. ' 4) Archäolog. Seminar. — Moritz Schmidt: I) Griechische
Staatsalterthümer. 2) KallimachoS' Hymnen. 3) Philolog. Seminar. —
Fortlage: 1) Logik u. Encyklopädie der Philosophie. 2) Metaphysik u. Reli-
gionsphilosophie. — Stöckhardt: 1) Betriebslehre. 2) Schafzucht u. Woll-
kunde. c) Landwirthschaftl. Buchhaltung. 4) Besprechung landwirthschaftlicher
Fragen. — Langethal: 1) Ökonomische Mineralogie, Geoguosir und Boni-
trren der Felder u. Wirsen. 2) Specieller Pflanzenbau. 3) Oekonom. Jnsecten-
lehre. — Schrön: 1) Reine Mathematik. 2) Trigonometrie. 3) Praktische
Astronomie. — Artus: 1) Allgemeine Chemie. 2) Organ, und Physiolog.
Chemie. 3) Pharmakologie. 4) Chemische Uebungen.— Falke: StaatsthierarMi-
künde. — Ludwig: 1) Pharmacie. 2) Chemische Praktica. 3) Phytochemie,
I. Thl. mit chem. Pharmakognosie. 4) Analyt^ u. pharmaceut.-chem. Praktica.
5) Pharmaceut.-naturwiss. Berlin. — Schaffer: 1) Differential- u. Integral-
rechnung. 2) Populäre Astronomie. 3) Ueb. Telegraphen u. andere durch Elek-
tricität bewegte Maschinen 4) Mathemat. Uebungen. — Reichardt: 1) Ana-
lyt. Chemie. 2) Stöchiometrie. 3) Agriculturchemie. 4) Elemente der Chemie.
5) Chemische Uebungen. — Vermehren: 1) Topographie der Stadt Rom.
— 2) Cursor. Lectüre des Thucydides. — Hallier: 1) Pharmakognosie des
Pflanzenreichs. 2) Kryptogamenkunde. 3) Phytotom. Uebungen. 4) Excursio-
neu zur Aufsuchung von Kryptogamen. 5) Examinatorium u. Repetitorium
üb. Botanik. 6) Geschichte u. Geographie des Pflanzenreichs. — StraSbur-
g er: 1) Morphologie der Kryptogamen. 2) Die Befruchtung bei den Pflanzen.
3) Praktischer Cursus. — Abbe: 1) Theorie der Functionen. 2) Mechanik der
festen Körper. — Conrad: 1) VolköwirthschaftSpolitik. 2) StaatSwisienschaftl.
Seminar. — Delbrück: 1) Sanskritgrammatik. 2) Erklärung vedischer Hym-
nen. 3) Fortsetzung der Interpretation des Hidopadesa. — Klopfleisch:
1) Deutsche Mythologie. 2) Uebungen auf dem Gebiete der deutschen Mytho-
logie. — Bernhard Schmidt: 1) Philologische Kritik. 2) Catull. 3) Pau-
sauias, I. Buch. — Wittich: 1) Geschichte Europa's im Zeitalter des spanisch-
österreichischen Principales. 2) Historische Uebungen auf dem Gebiete des Mittel-
alters. — Zürn: I) Anatomie u. Physiologie der Hausfäugethicre. 2) Lehre
vom vergleichenden Exterieur der Haussäugcihiere. 3- Thierärztl. Geburtshülfe.
4) Die externen Parasiten der Menschen u. Haussäugethicre. 5) Veterinärklinik.
— Spittel: Landwirthschaftl Bankunde._______________________________[9077]
Dir Lrhr- & Erstehungs-Anstalt
von
Aug. Machwart in Afchaffenbnrg a.M.
bildet Söhne achtbarer Familien zu jedem Lcbens-
berufe heran. Pension gut. Preise rnäßig.
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Prospekte stehen zur Disposition. 18662-8713}
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In diesem ausschließlich den modernen Sprachen gewidmeten Institut werden junge Leule von
14 Jahren und darüber ausgenommen. Die Cuese beginnen den 13 Oetober. Wegen Prospek-
ts und Referenzen beliebe man fick an rie obengenannten Directoren zu wenden. jH-3285-X)
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Mittwoch den 20 September l. I-, Abends 6 Uhr,
im Gasthause zum „Schönthal" dahier zur corcnrSrechtlichen Versteigerung:
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Wohnhaus Nr. 26^, assecurirt Fr. 9000.
Scheune „ 267, „ „ 70 0.
Magazin „ 261, „ „ 3000.
Fabrik chemischer Produkte, Nr. 259, assecurirt Fr. 15,000, mit Dampfmaschine, Dampf-
heizung und Apparaten, 15 Jucharten Wiesland, Garten, Hofraum, Theer- und Brennbütte —
Alles ein Ganzes bildend.
2) Das Wohnhaus Nr. 54 an der Marktgasse in Wyl, assecurirt Fr. 24,000, nebst Garten.
Folgenden Tages, den 21 September l, I., Morgens 9 Uhr, beginnt bei der Fabrik die
Versteigerung der vorräthigen chemikalischen Products und Rohstoffe, der Fabrications-Utensilien, der Ge-
räthe fttr Photographen, der chemisch-technischen Fachbibliothek, deö Bureau- und Hausmobiliars, des Pack-
materials, der Feldgeräthschaften rc.
Ueber die Kaufsbcdingungcn ertheilt die Gerichtökanzlei ans fiank'.rte Anfragen nöthigen Aufschluß;
bei ihr können auch Verzeichnisse der vorhandenen Chemikalien und Apparate bezogen werden.
Kaufliebhaber werden zu zahlreicher Theilnahme bestens eingeladen.
Wyl, den 30 .August 1871. [8-511-6]
Namens der Concurscommisfion Wyl:
(9135-36) Die Bezirksgerichtskanzlei.
Lehrer.
Für die oberen Klaffen einer Privatrealschnle
wird.ein evang. Lehrer für den Unterricht in Natur-
geschichte, Geographie, Rechnen und Zeichnen (bei
gutem Gehalt) gesucht. Eintritt sofort oder später.
<&cf. Bewerbungen werden bis zum 15 September
entgegengenommen unter 0. Z. 60 franco durch
die Annoncen. Expedition von H aasenstein K
Vogler in Frankfurt a. M. [8965-68]
Der Direetor einer renommirten Ma-
schinenfabrik, welche vorzugsweise Locomotiven,
Waggons und sonstiges Eisenbahnmaterial darstellt,
sucht eine andere Stelle. Derselbe besitzt
eine langjährige Erfahrung sowohl als Constnictrur
als auch als Betriebschef. Gefällige Franco-Offerte
werden unter 8. 6. 360 an A. Schwab (Rudolf
Moste) in Augsburg erbeten. [8988—89]
Mathrmalik-Lehrcr.
Man sucht für eine Erziehungsanstalt der fran-
zösischen Schweiz einen tüchtigen Lehrer der Mathe-
matik, der Naturwissenschaften und besonders des
kaufmännischen Rechnens.
Bei gleichem Verdienst wird dein Bewerber der
Vorzug gegeben, welcher englisch mtb' französisch
versteht. Näheres bei ,8-2286 6) [9095-97]
Direetor Vollmer, Hannover.
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an.brr Akademie in Genf so eben beendigr
hat, sucht eine Stelle als Hauslehrer in einer
auswärtigen Familie. Referenzen HH. Karl
Wo gr und Pictet, Professoren in Genf. Franco-
Offerte sub A. Y. 724 befördert die Annoncen-
Erpedition Haasenstein u. Vogler in Genf.
(H.c.-3332-X.) [9118]
4417
»
Derloosrmg
von OeljMiilven und anderen Kunstwerken
zum Besten des
„Vereins Düsseldorfer Künstler zu gegenseitiger Unterstützung und
Hülfe"
concessionirt von allen deutschen und vielen ausländischen Regierungen.
Bezugnehmend ans unseren Ausruf vom 1 Januar 1870 machen wir dem betheiligten Publicum fol-
gende Mittheilungen:
Als die Ausgabe der Loose kaum begonnen hatte, wurde das Vaterland durch den Krieg mit Frank-
reich so schmerzlich betroffen, daß das Comite es für seine Pflicht hielt, die Interessen des Künstler-Unter-
stützungsvereinö vor den allgemeinen patriotischen Zwecken zurücktreten zu lassen. Damit die geschlagene»
Wunden, die einer augenblicklichen Hülfe bedurften, desto schneller geheiit würden, gewährte es allen pa-
triotischen Derloosungen den Vortritt und ließ den Ziehungstermin ohne weitere Verbreitung von Loosen
ablaufen.
Die preußische und alle deutsZen Regientngen, die Intention des Comitä's in vollem Maße wür-
digend, gewährten eine neue Frist bis zum 30 Juui 1873, mib wurde diese Verlängerung vor Ablauf des
ersten Teru ines durch die öffentlichen Blätier bekannt gemacht.
Jetzt, wo die Leiden des Vaterlandes gemindert sind, hat das Comite das VerloosungS-Geschäft wie-
der anfgenommen und den
Anton Schmidt, Düsseldorf,
zu seinem General Agenten ernannt.
Man wolle sich wegen Entnahme von Loosen an diesen Herrn wenden. Wir bemerken aus-
drücklich daß die alten Loose beibehalten sind, und daß dieselben, obschon sie das
frühere Datum tragen, nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben.
Dem kuustliebcnden Publicum können wir diese Vettoosung um so mehr empfehlen, da der volle
Werth der auszugebenden Loose (40,000 Thlr.) in den zur Verloosung kommenden Oelgemälden und
Kunstgegenständcn wirklich vorhanden ist. Die von der k. preußischen Regierung ernannten Aufsichts-
Commissäre iürg-n dafür daß der Werth der Gegenstände nicht überschätzt wird.
Die Ziehung findet statt sobald die Loose abgesetzt sind, und wird der Termin seiner Zeit durch die
auf den Loosen angegebenen Zeitungen bekannt gemacht werden.
Düsseldorf, den 1 September 1871.' (9115—17)
Im Ramrn des Vcrloosnngs-Comiltz'r,:
Direetor Bcndemattn Maler G. Hürit/n« M. Herchenbach, Schriftführer.
1,1871,
zwischen
und Schleswig-Holstein^ Dänemarks Norwegen, Schweden, Finnland und Rußland.
Nach Äteustadt und Fehmarn: jeden Mittwoch und Sonnabend, Vormittags 10 Uhr.
Nach Heiligerrhafeu und Kiel, anlaufend Neustadt und Fehmarn: jeden Sonnabend, Vor-
mittags 10 Ubr.
Nach Fehmarn, Nykjöbinq (Falster) und Masuedfnnd (Wordingborg): jeden Dienstag und Frei-
tag, wüh 4*, Uhr.
Nach Appenhagen: täglich, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Chriftiania über Kopenhagen, anlaufend Gothenburg, FredrikSsaern, Valiö,
Horten und DrvbaEr jeden Freitag, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Christiania, anlaufend Kopenhagen, Gothenburg, Fredrikövaern und MofS: leben
Montag, Nachmittags 4 Uhr
Nach Gothenburg, anlaufend Kopenhagen, Helfingborg, Torekov, Halmftad und War-
berg: Sonntags und Mittwochs, Nachmittags 4 Uhr.
Nach LandSerona und Hrlffngbora, anlaurnch Kopenhagen und Malmö: leben Sonnabend,
Nachmittags 4 Uhr.
Nach Malmö: täglich, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Stockholm, anlaufend Talnrar: Sormabends, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Nsrrköping, anlaufend Pftad, Ralmar und Stockholm: Dienstag?, Nachmittags 4 Uhr.
Nach StoSholm und LSeftervik, anlaufend Cimbrishamn, AhnS^ Sö'.veSborg, Ear!S-
tzamn, Carlscrona, Galmar, Oöcarshamn r jeden 2. Sonnabend, am 24 Juni u. s. w.,
Nachmittags.
Nach Björneborg, Chrifttnestad, Nicolaiftad, bezw. dem nördlichen Fimllano: etwa alle vier
Wochen, zum erstenmal am 8 Juni u. s. w.
Nach Neval: Sonnabends, Vorrnittags 10 Uhr.
Siach Helfingfors, alllaufend Reval: Sonnabends, Vormittags 10 Uhr
Nach Nbo. anlaufend Meval und Helfingfors: jeden dritten Sonnabend, ars am 10 Juni,
1 Juli u. f. w., Vormittags 10 Uhr.
Nach Wyburg, anlaufend Reval und Helfingfors: jeden dritten Sonnabend, als am 24 Juni
u f. w., u. f. w, Vormittags 10 Uhr.
Nach St. Peter sbnrgr wöchentlich ein bis zweimal.
Nach Riga: jeden Sonnabend, Nachmittags 1 Uhr. [6712]
Ersikhungs-Institut für junge Mädchen in Straßburg.
keLsioriLLt: rue St. Elisabeth, 3.
Wissenschaftlicher Unterricht durch Professoren vom Fach, Französisch und Deutsch. Gesunde Lage
des Locals in Gärten. Beginn des Schuljahres den 2 Oktober. Prospectus bei der Direction.
sttähere Auskunft bei Hrn. Professor Pfarrer Baum in Straßbura und Hrn. Pfarrer Bauer
in Mainz. [5097] (8999-9^01)
3»r Desmseclion im Großen bei Cholera-Epidemien kta9l eium
besonders fiir Communal-, Polizei-, Berwaltungs- und Sanitäts-Behörden sehr wichtigen,
alle für die Durchführbarkeit und Wirksamkeit der Desinfektion entscheidenden Einzelheiten praktisch dar-
legenden Beitrag die Schrift:
Dr. Z. Wilbrand,
Hild-sh-imr. Cholera- und Ty-hus-Verhältmsse ^ di-
Desinfeetion der Stadt während der Cholera-Epidemie von 1867 nach Petten-
kofer. Bericht an die k. Landdrostei zu Hildesheim.
Mit Plan von Hildeöheim. Preis 22 Sgr.
(Verlag der Gerstenberg'schen Buchhandlung in Hildesheim.) (8783)
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/feSton ihrer Dampfschiffe I. Ranges
von Liverpool nach
Madeira direct
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^^^^'^^'genoMmen wenn diese Daten
auf einen Montag fallen, in welchem Falle die
Abfahrt an dem folgenden Tage stattfindet. Passage-
Preise: Erste Cajüte: £ 17. 10 s. 66. Zweite Ca-
jüte: £13 5z. Retour-Billets 6 Monat gültig,
resp. £ 30, 13. 6d. und £ 23. 3. 9d. Auf jedem
Dampfschiff befindet sich ein qnalificirter Arzt Wegen
weiterer Detalls wende man sich gefälligst an
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Kenntnissen, welcher französiich und englisch cor-
respondirt, die Antwerpener Handelsakademie be-
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Stelle in einem größeren Chemikalien- oder Ma-
terialgeschäft.
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dieses Blattes.__________(9108-10)
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Ich kann mir nicht versagen in, Interesse noch
vieler Sprachleidenden dem Herrn G. Moserter
in'Karlsruhe hiermit öffentlich zu danken für
die im Monat März d. I. in 19 Tagen vollbrachte
dauernde Heilung meines lästigen Sprachübets.
Zugleich nehme ich Gelegenheit feine Anstalt, was
Organisation betrifft, bestens zu empfehlen.
(9111) I. Boffle, stud. phil. Innsbruck.
Für Baumwollspinnereien, j
Ein junger Mann der die Theorie und
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Hülfsdirigent. Gef. Franco-Offerte dejörrert
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Min junger Mann im Alter von 73 Jahreil,
^ Primaner, Schulbildung, während d-Slctz.
ten Feldzuges und noch jetzt Militär-Beamter,
sucht, da ihm seine jetzige Stellung nicht die er-
warteten Auösichten bietet, eine seinen Kennt-
nissen entsprechende Stellung. Gtt'. Offerte be-
fördert sub J. 8175 die Aimoncen-Erpedmon von
Rudolf Mosfe in Berlin. (5163) [9128]
Min junger Mann, Lsndwehr-O'steter, der metz-
^ rere Jahre einem industriellen Etablissement
vorgestanden har, sucht nach seintr Rückkrhr aus
dem Felde, vom 10ctober eine äh -.lickeStellung.
Auch würde derselbe eine Secretärstelle bei eiirrr
hohen Familie annehmen. Adr. befövbert sub
a. 8!68 die A"nonceii-Ervrditioii von Rudolf
Mosfe in Berlin.______(5L6K L9127]
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chen, mit prima Neferenze«, sucht
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6 Wochen regelmäßig bereist,
die Vertretung einer baye-
v t schen leistungsfähigen
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lich Syphilis, Geschlechts- und Hautkrankheiten selbst
in den hartnäckigsten Fällen gründlich und schnell,
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4452
Es Hai Gott dem Allmächtigen gefallen meinen innigst geliebten Gatten
(9168)
zu sich in die Ewigkeit abzurufen. Er verschied nach schwerer, mit christlicher Geduld und Ergebung getragener, Krankheit sauft den 5 Seplember Mit-
tags. Diese schmerzliche Kunde widmet den aurwärtigcu Freunden und Verwandten ' die tiefbetrübte Wittwe
Aeschach bei Lindau, 7 September 1871. Friederike Zeist.
Mit Bezug auf die Kundmachung vom 28 Juli l. I., betreffend die Ausgabe
neuer Actieu, und in Folge Beschlusses der Generalversammlung vom 13 Juni d. I.
(Punkt 3) hat der Verwaltungsrath sich bestimmt gefunden zu gestatten daß die am
T Januar 1872 zu leistende zweite Einzahlung von 100 Francs auf die neuen
Actien in vorhinein stattfinden kann.
Da die öprocentigen Zinsen des Einzahlungsbctrages vom 15 August 1871 an
laufen, so sind bei der Einzahlung der zweiten Rate die Zinsen vom 15 August 1871
an ä 5 Procent bis zum Einzahlungstage zu ^vergüten.
Die Einzahlungen welche unter denselben Bedingungen wie die der ersten Rate
zu leisten sind, werden angenommen:
1) in Wien am Sitze der Gesellschaft, Schwarzenbergstraße Nr. 17',
2) in H-aris bei der Caffe der Soci&ö g^n^rale de Credit mobilierv Placks
Vendöme Nr. 15,
3) in Lyon bei dem Credit Lyoncaip,
4) in Berlin bei den M. Mendelssohn k Comy.,
5) in Frankfurt a M. bei den HH. Gebrüder Bethmanu.
Die Besitzer neuer Aetierr welche die zweite GinzahlLMg in vorhinein
zu leisten wünschen, haben die Jntenmsscheine mit einem arilhmetifch geordneten
Rummernverzeschniß einzureichen. ^
Wien, am 4 September 1871.
Die Genera! - Airecko«.
[9171}
1ü heutiger Sitzung ist
Herr Peter R&uera
zum 6 steii Director erwählt worden.
Hamburg, den 6 September 1871. (9169)
Der Verwaltungsratli der Norddeutschen Bank in Hamburg,
Höheres Eyiehuags- v«L HaWs-IaSitat
mit Penfiouat in Würz bürg.
Der lluterncht für das Wintersemester beginnt
Dienstag den 3 Octaber lfd. Js.
Näheres der Prospect. (9164)
—__ A- Meder, Director.
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ivegen daselbst Aufenthalt nehmen sollen, finden bei der Wittwe eines höheren Staatsbeamten. Aufnahme,
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Im deutsch-österreichischen Poftverein 1 fl. 28 kr. ohne Bestellgebühr.
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39 kr.
Siangcns 17. Brient-Gcscllschastsrtist.
Am IS! Oetober d. I. treten wir unsere
siebe uze Hute Orient-Gesellschaftsreise an, die
größte und schönste welche durch uns zur Aus-
führung gelangt. — Wir besuchen Wien, Pest,
Koustantrnopcl, Smyrna, Ephesus, Rho-
dos, Cypern, Beyrut, den Libanon und
Autilibanon, DamaScus, Liberias, den
See Genezareth, Capernaum, Nazareth,
Sichcm, Jerusalem, Bethanien, Jericho,
den Jordan, das Todte Meer, Marsaba,
Bethlehem, Arimathia (Namleh), Jaffa
(Joppe), und sodann daö Wunderland der Pyra-
miden, und zwar: Port-Said, Suez-Canal,
Jsmailia, Suez, Kairo, die Pyramiden
und Alexandria. Der Rückweg wirdCandia
(Kreta) vorüber über Corfu und Triest ge-
nommen. Eine schönere uud vollständigere Reise
Nach dem Lande der Geschichte und de« Alterthums,
der Wunder und Märchen, wie diese, ist kaum l crck-
bar Dieselbe wird von uns persönlich geleitet
werden. Reisedauer 82 Tage. Preis 169 Na-
poleonsd'or für Fahrt, Verpflegung, bestehend in:
Kaffee, DSjcüner uud Diner, auf den Schiffen, incl.
auf dem Lande, excl. Wein, für Führung, Drago-
manr (Dolmetscher), schtitzende Begleitung (Be-
duinen), sowie für alle Transportmittel zu den
Landtouren und Aueflügen, als da sind: Reit-und
Saumlhiere. — Die Anmeldung muß bis spätestens
den 2 * September erfolgen. — Ausführliche Reise-
Programme h 10 Sgr. sind in dem unterzeichneten
Bureau zu haben, woselbst auch nur Aumeldungen
angenommen werden.
Berlin, Markg'<rfens?r. 33, (9179)
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fcibßn dieses Blattes. wi?2j
Nr. 258,
MagtM Mgemtinm Zeitung.
Freitag, 15 September
1871.
Cerr„ponS«n»en sind an die Redaction, in*erat® an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Dieselbe berechnet für die dreigespaltene Colonelseile oder deren Raum
im Hauptblatt IS kr.; In der Beilage, -welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird, 9 kr. a. W. . _ . .
Tur Bequemlichkeit der verehrt. Inserenten wurde neben dieser auch eine -wort-weise Berechnung eingeführt: und zwar wird für jedes (wenn »uch abgekürzte) wort oder zjüii
I kr, aüdd., 3 Kkr, Baten-., «/, lTgr., 7 cent. (in der Beilage") in Ansatz gebracht, wobei die Expedition das Hauptsächlichste durch fettere Schrift auszeichnen wird. Der entfallende
Betrag ist der Bestellung beiiufugen, wobei Briefmarken aller Länder in Zahlung angenommen werden._____________________________________
Verlag der I. G. Tolta'schm Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. I. v. Gosen.
Uebersicht.
Sommerfrischen und Wasserplätze in Südwestdeutschland. (I. St. Blasien.
Schluchsee.) — Holbein-Ausstellung in Dresden, (ll. Hie Dresden!
Hie Darmstadt!)
Neueste Bosten. München: Päpstlicher Nuntius. Handelsappella-
iions gericyl. Senat. Berlin: Vorschreitender Kriegskostenzahlung und
derRäumung. Wiesbaden: DieCurhaus- und Theaterangelegenheit.
' Paris: Tödtung eines deutschen Soldaten. General v. Vlumenthal.
Verhaftung Paffedouets. Georges Sand.
Telegraphische Berichte.
S~ Baden-Baden, 14 Sept. Heut um 6% Uhr ist der Kaiser
in Begleitung des badischen Prinzen Wilhelm angekommen. Das diploma-
tische Corps, die Behörden und der Gemeinderath empsiengen ihn, viele
Vereine und die Bürgerschaft bildeten Spalier bis zum Meßmer'schen
Haus, wo er abstieg. Glockengeläute, Böllerschüße, enthusiastischer Em-
pfang. Abends findet Illumination, Fackelzug, Serenade und Beleuch-
tung des alten Schlosies statt.
® Bern, 14 Sept. Der Eröffnung der Mont« Cenis-Bahn werden
die Bundesräthe Dubs, Challet-Venel und Ceresole beiwohnen; dieselben
treffen nächsten Samstag in Turin ein.
* London, 14 Sept. Die Correspondenz zwischen dem auswärtigen
Amt und dem Collegium der ausländischen Bonsbesitzer betreffend die
rumänische Eisenbahnfrage ist so eben veröffentlicht worden. Auf die Re-
klamationen antwortend, betont Lord Ruffell: die Regierung halte den poli-
tischen Standpunkt fest in Schuldangelegenheiten fremder Staaten nicht
zu interveniren.
* Paris, 14 Sept. Die Commission des Pariser Municipalraths
setzte in Uebereinstimmung mit dem Seine-Präfecten, den Emissionscurs
Lei der Repartition der gänzlich liberirten Obligationen auf 300, der nicht
liberirten auf 207 fest. Die Subscription auf die Pariser Stadtanleihe
wird am 26 Sept. eröffnet und am 27 Sept. geschloffen.
* Paris, 14 Sept. Die Entwaffnung der Nationalgarde in mehre-
ren Departeinents hat begonnen. Die Ruhe wurde nirgends gestört. —
Die Verhandlungen mit dem Grafen Arnim wegen Verlängerung der
Frist der elsäßischen Producteneinfuhr dauern fort, und es besteht di-Hoff-
nung daß ein günstiges Resultat vor der Vertagung der Nationalver-
sammlung werde erzielt werden.
Telegraphische Curs- und Handelsberichte siehe fünfte Seite.
Sommerfrischen und Wafferplätze in Südwest-entschland.
I. St. Blasien. Schluchsee.
f St. Blasien, 2 Sept. Die Ansichten der Aerzte über Lungen»
ghmnastik und Nervenleiden und, wir dürfen es Wohl sagen, die Theuerung
die in den bisher bekannten watering places von Baden, dem Renchthal
und jenseits des Knibis einzureißen beginnt, haben schon jetzt angefangen
dem Zuge der mehr oder weniger Hülfsbedürftigen neue Bahnen anzw
weisen. Da muffen wenigstens 2000 Fuß überstiegen sein bis Rast ge-
nommen werden kann, sich zu erfrischen und den mehr und mehr das Leben
^bedrohenden Gehirn- und Lungenleiden im Entstehen entgegenzuarbeiten.
So hat denn seit einigen Jahren das einfach bescheidene St. Märgen
Äber Freiburg (ungefähr 2300 Fuß ü. M.) eine stets sich mehrende Gesell-
schaft angezogen; das noch bescheidenere Waldau, einige Hundert Fuß
höher, das ebenso hohe Rößlewirthöhaus oberhalb der Höllensteig fand
schon vor einigen Jahren für nöthig eine „Dchendance" für Sommer-
frischler zu bauen; um den Titi See mit seinem dunkeln Gewäffer, im ein-
fachen Dorfe Hintergarten, siedelten sich hülfsbedürftige Gäste an. Noch
früher hatte in Schluchsee der alte Ganter seinen Gasthof zum Stern den
Curgästen geöffnet, die erst nur von Freiburg, bald aber von nah und fern
angezogen wurden, um über dem User des fischreichen Sees — es werden
Hechle bis zu 33 Pfund dort gefangen — umgeben von Wäldern, an
fahrbarer Straße nach allen Seiten, ein paar Wochen in gemüthlicher
Ruhe zuzubringen. Bald war der Gasthof zu eng; in benachbarten Häusern,
beim Pfarrer des Orts, in dem bäuerlich bescheidenen Gasthause zum Schiff
wurden Wohnungen gesucht und vergeben. Schluchsee nahm den Anlauf
zu einem Bad in größerm Maßstab; alle Vorbedingungen dazu waren vor-
handen. Im See konnten Badanstalten zur Genüge aller errichtet werden;
Gondeln zu bauen zu Luftfahrten und für „Fishing Englishmen“ war eine
Sache von geringen Kosten. Aber es gieng langsam voran ; von letzter»
befanden sich kaum zwei auf dem See, die erster» find beim dürftigsten
Anfange geblieben. Auch kam bald nach dem Rücktritt des alten Ganter
eine gewisse Verminderung der Aufmerksamkeit gegen die Gäste zu Tage,
welche sich bis auf das Ausbleiben erwarteter Leckerbissen, namentlich der
,,frutti del lago,u der Hechte und Forellen, erstreckte und bei der Theuerung
der Lebensmittel natürlich war. So kam es daß Schluchsee zunächst nur
die Villeggiatur des Mittelstandes blieb, der sich freilich in diesem Jahr
bis zur Wohnungsnoth noch ansiedelte, obwohl das Schiffwirthshaus,
jetzt auch die Post für den Ort, in Speisen und Wohnstätten eine gewisse
Eleganz anstrebte.
Inzwischen war in nächster Nähe eine nicht zu verachtende Concurrenz
entstanden, die bei größerer Eleganz und mäßigen Preisen gerade jenen
Theil der Curgäste beanspruchte welche Schluchsee fern blieben. Ueber
Seebruck, durch eine von Abt Martin Gerbert geführte Straße, über Blasi-
wald durch einen sonnigen erst nach einer Stunde in tiefen Waldesschatten
sich senkenden Karrenweg verbunden, liegt am Eingang des hochromanti-
schen Albthales, eine Stunde von dem gleichfalls erst seit wenigen Jahren
fahrbar gemachten Werrathale, die ehemalige Abtei St. Blasien. Reiche
geschichtliche Erinnerungen haften an derselben, wenn gleich die imposante
Kuppel, angeblich eine Nachbildung des Pantheons, welche den überraschend-
M Anblick bietet, und der große Complex der Kloster- und Prälatur-
Gebäude den Zopfstyl des vorigen Jahrhunderts aufweisen. Schon durch
Otto II, 980, in seinem Besitze bestätigt, im elften Jahrhundert im Besitz
einer Klosterschule, an welcher der Chronist Bertholt von Konstanz lehrte,
in dessen Einsamkeit die hartnäckigsten Papisten, wie der Zäringer Geb-
hard, Bischof von Konstanz, vor weltlicher Verfolgung ein willkommenes
Asyl fanden. Im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert war auch St.
Blasien den Weg der übrigen Benedictinerklöster gegangen: adelige Aebte,
adeliges Wesen, Versorgung armer Verwandten durch Chorstellen und
Lehensbesitz brachten dasselbe bald so herunter, daß im letztem Jahrhundert
eine Anzahl bürgerlicher Aebte nöthig war um dasselbe vor völligem Ruin
zu schützen. Dann kam der Bauemkrieg, in welchem das Kloster anfangs
vom Anführer Kunz Jehle von der nahen Niedermühle im Albthal geschützt-
ward, bis dieser als Opfer der Reaction gehängt wurde, und die Mönche
zu ihrem Entsetzen eines Morgens dessen blutige Hand an das Kloster-
thor genagelt fanden, mit der Umschrift: „Diese Hand wird sich blutig
rächen." Und nach wenigen Tagen gieng dasselbe mit den meisten Neben-
gebäuden in Flammen auf. Wieder ward ein Bürgerlicher zum Abte gewählt.
Kaspar Müller (Molitoris) von Schönau war des Klosters Wiedererbauer,
Ordner und Schriftsteller (um 1550); von ihm datiren blühende Zustände des
Klosters, welche erst der dreißigjährige Krieg unterbrach und später (1745,'
eine Feuersbrunst, die unter Abt Franz II das Kloster mit dessen Archiv
und den zur Renovation dort liegenden Urbarien der Unterthanen zusam-
men zerstörte, und durch den Verdacht absichtlicher Brandstiftung unter
dem Salpeterfabricanten Fridolin Albiez den „Salpeterer Krieg" und mit
ihm eine noch nicht ganz erloschene religiös-politische Secte hervorrief. Der
Abt und seine Nachfolger wurden Reichsfürsten; ein Vermögen, welcheszur
Zeit der Aufhebung ohne die Besitzungen in der Schweiz auf 6 Mill. ge-
schätzt wurde, und wohl das Doppelte bctmg, mochte diesen Schritt recht-
fertigen. Sein Nachfolger Martin Gerbert stellte nicht nur im Aeußern das
Kloster oder den Tempel zu der Würdigkeit her, deren Spuren jetzt noch
nicht verwischt sind, sondern war auch der Repräsentant jenes Wissenschaft
lichen Lebens durch welches seine Mönche, mit ihm ein P. Herrgott, P. Heer,
Uffermann, Eichhorn und Naugart, „Typis St. Blasianis“ ihre Werke in
die Welt ausgehen ließen. Seine Grabstätte ist wohl als diejenige auch der
gelehrten Strebungen des Klosters zu betrachten: 1807 erlag es dem Schick-
salederSäcularisation, und ein Theilseiner Mönche flüchtete nach Oesterreich,
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4554
wo ihnen Und ihren litcrarischöN und kunsthistorischen Schätzen eins Zu-
flucht zu St. Paul im Lavaniha! wurde. DieKlostergebäuds mit 300 Morgen
Wald- und Wiesengelände wurden an Hm. v. Eichthal in Karlsruhe ver-
kauft ; das kupferne Dach der Kuppel und die Eisengitter der Fenster des
Erdgeschosses stellten mehr als die Hälfte des Kaufpreises von 80,000 fl.
dar. Hr. v. Eichthal war ein mächtiger Industrieller: wo früher die Mönche
ihren Studien obgelegen, raffelten bald die Webstühle einer Baumwollen-
fabrik; Weiler thalabwärts wurde in einer Gewehrfabrik gehämmert; das
Ganze ward getrieben durch die infernalisch tönende Turbine. Aber auch
für das Wohl seiner Arbeiter war er besorgt: er verschaffte ihnen Schlas-
und Speisesäle, und die erste Eisenbahn Deutschlands schaffte ihnen das
Mittagessen aus der Küche, jedem an seinen Platz. Eichthal erlag ehren-
voll der Ungunst der Verhältnisse; seine Nachfolger Kraft .und Grether
aus Lörrach kauften das Anwesen um 100,000 fl. und beschäftigen jetzt
weit mehr als 600 Arbeiter.
Daß ein Gasthaus dem Kloster Bedürfniß war, gieng schon aus der
Zahl der Bauern hervor die demselben Zinsen und Abgaben brachten, wenn
auch vornehme Reisende, wie Nikolai, in der Abtei ihr Absteigquartier
haben mochten. Dasselbe blieb auch unter der Eichthal'schen Zeit eine an-
sehnliche Pachtung. Doch erst nach Führung der Werra- und Albthal-
straßen, der romantischsten des Schwarzwaldes, gewann es Bedeutung für
die Touristen, die sich von Jahr zu Jahr mehrten. Mit dem jetzigen Be-
sitzer Ellensohn, der früher dem Gasthause zu Mainau vorgestanden, be-
gann es einen Rang unter den Gasihöfen einzunehmen, und in kurzer Zeit
wurde es im Sommer zu eng für die Zahl der Gäste, und manche „Equi-
page" mußte des Abends noch auf stundenweite Entfernung ihr Unterkom-
men suchen. Da erbaute der Besitzer jenseits der Alb ein elegantes Schwei-
zerhaus mit 30 Zimmern, für ruhigen längern Aufenthalt ganz geeignet,
durch Bäder in der frischen Alb dem Erfrischung Suchenden heilsam. Kurz
vor dem großen Krieg wurde cs fertig; der Großherzog und seine Familie
waren die ersten die auf ihrer Schwarzwaldfahrt dort Einkehr nahmen!
nach ihnen wurde es Friedrichs- und Louisenruhe genannt. Freilich machte
der glorreiche Krieg es fast unnöthig, desto mehr aber zeigte sich das Be-
dürfniß in diesem Jahr, da des Reifens und der Sommerfrische Lust mit
doppelter Stärke hervorbrach. Die Eleganz und Güte der Tafel, die auf-
merksame Bedienung, der nahe Wald und allenthalben in demselben an-
gelegte mühelose Spaziergänge mußten gerade Leute von höherer Lebens-
stellung anlocken. So geschah es daß Hunderte von Gästen um den gast-
lichen Tisch sich sammelten, Minister und Finanzdirectoren, Generale u&b
reiche Kaufleute neben den Leuten von bescheidenern Lebensstellungen. Äie
alle suchen nur in der reinen Luft, dem vortrefflichen Wasser, dem guten
Tisch Erholung und neue Kraft zu ihrem Berufe. St. Blasien hat keine
andern Heilquellen als Luft und das Waffer der rauschenden Alb und
Tannendüfte. Allein dieses ist hinreichend für seine Gegenwart, und es
wird auch seine Zukunft haben.
Holbein-AuSstellnng in Dresden.
II. Hie Dresden! — Hie Darmstadt!*)
* Das berühmte und gefürchtete Madonnen-Turnier, die unmittelbare
Vergleichung der beiden rivalisirenden Exemplars des Holbein'schen Botiv-
bildes mit der Familie des Bürgermeisters Jacob Meyer zum Hasen,
ist so sehr der Kernpunkt der ganzen Holbein-Ausstellung, ist so
sehr eine Sache ganz für sich, die im Vordergründe des Jntereffes bei
Kennern und Laien steht, daß ich glaube darauf verzichten zu müssen mir
die „Madonnen Frage" zur Steigerung für den Schluß aufzusparen, son-
dern mich verpflichtet fühle gleich direct auf diese fürchterlichste aller kunst«
historischen Fragen, die glücklicherweise endlich keine Frage mehr ist, los
zugehen.
„Kommt die Confrontation der beiden Madonnen, die für diesen
Herbst beabsichtigt war, wie zu hoffen steht, im laufenden Jahr in Dresden
zu Stande, so wird die Dresdener „Holbein'sche" Madonna in der Kunst-
geschichte von da an nur noch als das interessante Denkmal eines langen
Irrthums fortleben."
So schrieb ich kurz nach der Ausstellung alter Bilder zu München im
Jahre 1869 (Ergänzungsblätter, Bd. 5, S. 26), nachdem ich dort das
Darmftädter und kurz darauf hier das Dresdener Exemplar der Meyer'>
fchen Madonna gesehen und verglichen hatte. Jetzt — ein jedes freilich
später als zu hoffen stand — ist der Zeitpunkt der Prophezeiung und weit
über alles Erwarten schlagend diese selber eingetroffen. Die Kühnheit mit
der ich damals urtheilte, ohne die Bilder neben einander gehabt zu haben,
hat mir nachträglich ein gewiffes Bangen erregt, das mich namentlich vor
dem ersten Betreten der Holbein-Ausstellung ergriff. Aber mit dem dreisten
Urtheil hab» ich das'Nichtige getroffen: der erste Eindruck schon zeigte daß
der Abstand zwischen beiden Bildern viel größer ist als ich ihn mir je vor-
*) S. Ällg7Ztg7'Nr7252 B.
gestellt hatte — wiederum cm Beweis wie sehr man jedesmal unter dem
Banne des gegenwärtigen Kunstwerkes steht. Jeder mit Selbstkritik aus-
gerüstete Beobachter wird diese Wahrnehmung an sich selber gemacht haben.
Man sollte sich jetzt der Thatsache, wenn auch nicht zur Entschuldigung, so
doch zur Erklärung früherer Urtheile über das jetzt gerichtete Dresdener
Bild erinnern, statt aus denselben ein Capital zuschlagen das keine Zinsen,
keinen Herrn und — keinen Werth hat.
Ich komme auf diese Gedanken, veranlaßt durch die kritischen Stand-
punkte welche von dem Dresdener Madonnen-Turnier Gelegenheit genom-
men haben sich öffentlich darzulegen. Wir stehen einer Thatsache gegen-
über, die allerdings Befremden, Staunen, Verwunderung im höchsten
Grad erregen muß. Im Jahre 1743 wird ein Bild bekannt das, in einer
Gallerte wie die Dresdener ist, sich den hervorragendsten Spitzen beigesellt,
das einen fast vergeffenen deutschen Künstler unter die Maler erster. Ranges
stellt, und das mit seinem Meister zusammen im Sturm Weltruf erwirbt.
Da taucht 1822 auf räthselhafte Weise ein zweites altes Exemplar derselben
Composition mit einigen Abweichungen aus, natürlich ganz bescheiden als
Copie des weltberühmten Dresdener Bildes. Bald wird es ein zweites
Original von des Meisters eigener Hand, in kurzem sogar das ältere von
beiden; und während das neuentdeckie Bild hiermit den Gipfel seines
Ruhmes und seines Ansehens ersteigt, fängt das andere, das altbewährte,
im Weltruf eingesessene, an in den Augen der Kenner erst langsam, dann
immer schneller und schneller zu sinken, von der Entdeckung mitarbeitender
Schülerhände in untergeordneten Theilen bis zu dem Todesurtheil der abso-
luten Unechtheit, deffen Forme! ich bereits neulich mitgetheilt habe. Und auf
allen Stadien die diese gegen einander schwankenden Wagschalen der bei-
den Bilder durchlaufen, sprechen die sogenannten Kenner mit unfehlbarer
Ruhe und untrüglicher Sicherheit jedesmal die der augenblicklichen Lage
entsprechenden Urtheile über beide Bilder aus; bezüglich des Dresdener
Bildes stehen die älteren Zeugen gegen die jüngeren, und wer nur im
Abstand weniger Jahre sich über die Madonnen-Frage geäußert hat, steht
mehr oder minder gegen sich selbst.
Wer nun den burlesken Humor der Paradoxie in sich hat, dabei
das Ganze für Geschmacksache und "somit unentschuldbar hält, und ein eil
Zahn auf die anmaßenden Kunstweisen hat, der braucht sich bloß in Muße-
stunden den grausamen Scherz zu machen alle jene Weisheitssprüche zu
sammeln, und das Sammelsurium, fein bequem auf den chronologischen
Faden gereiht, dem kunstliebenden Publicum darzubieten,um sich ganz ruhig
mit schadenfrohem Herzen neben diese „sogenannte" Kunstwissenschaft am
Halseisen stellen zu können, und aus der Menge das suppeditirte Goethe'sche
Motto mit Hohngelächter erschallen zu hören: „Jeder dieser Lumpenhunde
wird vom andern abgethan!"
Das ist im wesentlichen dasjenige was der in der Deutungs-, Herkunfts-
und Echtheitsfrage der beiden Madonnen vielgewandte und vielgeprüfte
Profeffor Gustav Theodor Fechner in Leipzig vorgenommen hat in einer
mit gewohntem Fleiß und Geschick gearbeiteten Broschüre von XII
und 167 Seiten, welche unmittelbar vor dem Beginn der Holbein Aus-
stellung, unter dem Titel: „Ueber die Echtheitsfrage der Holbein'schen
Madonna-Discussion und Acten," zu Leipzig im Verlage von Breilkopf
und Härtel erschienen ist.
Doch auf die Prämissen kommt's an in der Logik! Die mittlere und
hauptsächlichste aber der obigen Prämissen zu dem Unternehmen Fechners
ist hinfällig, und die beiden andern können die Neigung, nicht aber die
Berechtigung zu demselben begründen. Eine Untersuchung über die Echt-
heit der Urkunden — Originalbilder sind Urkunden für die Kunstgeschichte
— hat mit dem Geschmack gar nichts zu thun, und speciell z. B. gegen
mich erhebt Fechner, entgegen den Acten des Processes, also mit schreien-
dem Unrecht, den Vorwurf: daß ich, wie er cs nennt, die Echtheitsfrage
mit der Schönheitsfrage solidarisch behandelt habe. *) Dagegen hat er
*) So soll ich (S. 34) „die Proportionen des Bildinhaltes" im Darmstädter
Bilde „vortheilhafter" als im Dresdener gefunden haben. Nach dem Grund-
sätze : chnque chef-d’oeuvr« de l’art nalt avrc son cadre, und einge-
denk der Erfahrung daß die Künstler der Nenaisiance ihre Gruppen streng
nach den Linien der Umrahmung anzuordnen lieben, bin ich allerdings aus
dem Geschmacke der Zeit heraus auch noch heute der Ansicht: daß das Darm-
städter Bild in den Proportionen strenger und stylvoller ist als das Dresdener.
Von Solidarität aber des GeschmackSurthcils mit dem historischen ist hier bei
mir so wenig die Rede, daß ich vielmehr sage: „Das Darmstädter Bild hat
in den Figuren etwas gedrücktes; die Composition ist in und mit ihrem Raum
gedacht, aber die Personen, namentlich der Bürgermeister selbst, haben sich
den Raumbedingungen beugen müssen. Ein modern fühlendes Auge konnte
leicht daran Anstoß nehmen, und dem Copisten den Auftrag geben bei der
Wiederholung mehr Raum zu schaffen. Ob das im ganzen besser thut oder
nicht, geht uns nichts an; wohl aber ob die Veränderungen durchweg einen
empfindenden und erfindenden Künstler verrathen." Dieß wird dann aller-
dings unter Hinweis aus den gelockerten Zusammenhang zwischen den Figuren
und der Umrahmung und auf die Verschlechterung der Architektur unter dem
Gesichtspunkte der tektonischen Richtigkeit geläugnet. Das aber sind keine Ge-
4555
selber der Sache gleich im ersten Absatz seiner Vorrede ein „nationales Ge-
rnüthsintereffe" beigelegt. Das ist in der mir bekannten wiffenschastlichen
Methodologie ein so neuer und fremdartiger Begriff, daß ich es nicht für
unverfänglich halte ihn auch nur zu erivühnen. Es ist wesentlich hie-
von Notiz zu nehmen.
Hr. Fechner hat sich in die Reihen der Kunstsorscher gestellt, wo der Streit
am heißesten brannte, und ausgesprochenermaßen die Absicht verfolgt der
Kunstwissenschaft strenge Methode beizubringen. So hat er mit vortreff-
lichern Fleiß und Scharfsinn über die Geschichte der Holbeinischen Madonna
gehandelt, und als eine drei Zeilen lange Katalog-Notiz kurz darauf zu
Tage gekommen, erklären müssen: daß seine eigenen mühsamen, aber erfolg-
losen Bestrebungen in derselben Richtung einfach in Schatten treten. In
der langen Abhandlung, deren Schluß die letzten Worte bilden, bemüht ec
sich streng methodisch nachzuweisen daß daS Kind in den Armen der Madonna
das kranke Kind des Bürgermeisters Meyer, nicht bas Christkind sei, und
heute, wo das Darmstädier Bild mit dem freundlichen Kind ohne allen
Zweifel als das frühere — ich will heute gar nicht sagen: das einzig echte
— erkannt und anerkannt ist, muß er selbst lachen über diese romantisch'
thörichte Auslegung. Jetzt wagt er den dritten methodisch kritischen Gang,
selbst von „nationalem Gemüthsintereffe" beeinflußt und der wieder'
holentlich ausgesprochenen festen Ueberzeugung lebend: daß die Madonnen-
Frage schwerlich jemals werde entschieden werden können. Spöttisch, höh'
nisch stellt er die bisherigen Kämpen gegen einander und, indem er alle
Autorität zu untergraben sucht und glaubt, rettet er die „Frage" in der
Schwebe.
Das steht, zumal in der geschickten Weise wie es gemacht ist, sehr
objectiv aus; irr Wahrheit aber ist cs nur unnütz und langweilig, und
jetzt, wo die Möglichkeit eines abschließenden Urtheils in der Sache zugleich
mit dem Inhalte derselben sich sogar den Widerstrebendsten aufgedrängt
hat, erscheint die Vorsicht als Zaghaftigkeit. Man muß eben den Muth
des Urtheils über Dinge, Meinungen und Personen haben. Ohne dieß
keine Forschung. Hr. Fechner aber verfährt stets nach demselben Schema,
wie folgt: „Sv wenig Bruno Meyer noch ein gutes Haar am Dresdener,
läßt Karl Förster ein solches am Darmstädter Bilde indem sich aber
solche Extrems bekämpfen, richten sie sich zugleich." Solche Schlußfolgerung
aber ist wohl nicht gerade objectiv. Wenn A sagt: daS ist weiß, B da-
gegen : ich sehe daß es schwarz ist, so folgt daraus keineswegs daß der
fragliche Gegenstand schwarz und weiß, oder vielleicht auch roth ist, A
und B aber beide Esel sind; sondern A kan» recht haben, B aber blind sein.
Darüber muß man ins reine kommen.
Auf S. 33 finde ich mich noch einmal demselben Kenner, außerdem
aber dem Grafen Algarotti und Fr- v. Schlegel gegenübergestellt. Es ist
aber doch wohl keine Vermessenheit von einem modernen Forscher ein
ruhigeres Urtheil für sich in Anspruch zu nehmen als dem glücklichen
Finder und Käufer des Bildes zur Seite stand, und wenn der Romantiker
schmacks-, sondern Thatsachen; und wenn hier ein Geschmacksurtheil geäußert
ist, so lautet es zu Ungunsten des Darmstädter Bildes. Da ich einmal auf
mich selber zu reden gekommen bin, will ich noch ein paar Punkte berühren.
Der Verfasser thut niir (S. 45) die Ehre an in mir nur Woltmannö Echo
wiederzufinden. Das ist nun an und für sich, wenn der Augenschein für
eigene Studien mid Beobachtungen unverkennbar spricht, um der Ueberein-
stimmung in wesentlichen Punkten willen, eine abgeschmackte Imputation.
Speciell aber bei den kritischen Ergebnissen der Münchener Ausstellung ist,
soweit nicht noch andere an gewiffe Beobachtungen Urheberrechte haben,
zwischen Weltmann und mir kaum zu sondern, da wir wochenlang in so
unmittelbarem Gedankenaustausch vor dem Bilde gestanden haben, daß kaum
die Priorität dieses oder jenes Gedankens ermittelt werden könnte. Nur die
Veränderungen in der Architektur habe ich zuerst bemerkt und nach ihrem
kritischen Werthe festgestellt; und das hat Weltmann auch in der „Süddeutschen
Presse" gesagt, wie es zu seinen liebens- und lobenswerthen Gewohnheiten
gehört daß er sich für empfangene Anregungen und Mittheilungen an ge-
eigneter Stelle öffentlich dankbar erweist. Ferner lese ich auf S. 55:
„Worauf Meyer den von ihm gethanen Ausspruch stützt, Holbein habe die
Architektur besser als die gleichzeitigen Baumeister in Deutschland verstanden,
ist schwer zu sagen." Ich finde das erstaunlich leicht: aus die Thatsachen!
Oder weiß Hr. Profeffor Fechner einen deutschen Baumeister der neben Hol-
bein her schönere Renaissance erfunden hat, als der Maler von feinen Ba-
seler Zeichnungen an bis zum Kamin Heinrichs VIII.? Dann hätte er ihn
nennen sollen. Ich unterwerft mich der Entscheidung des H:n. Prof. Lübke, der
jetzt die Renaissance in Deutschland erforscht. An einer Stelle aber hat Hr.
Prof. Fechner— z«ar blind geladen, aber doch getroffen. Ich habe nämlich
(auß.r einer unhaltbaren Vermuthung über die Entstehungszeit des Dresdener
Bilres) meine frühere Ansicht zurückzunehmen, da das Darmstävtrr Bild keine
wesentlichen Deränderungen von fremder Hand erlitten. Tie-'e Ansicht habe ich
zwar gehabt, aber niemals geäußert. Das vortreffliche Oberlicht in München
ließ die Retouchen in dm Köpfen, welche jetzt in schönem Seitenlicht leicht
constaiirt sind, nicht erkennen. Wenn ich das Bild „wunderbar intrct" nannte,
so bezieht sich das an der Stelle ersichtlich auf den Gesammtzusta»,d des Bil-
d.s, insbesondere auf die Firnißdccke; da aber bleibt es richtig. Der Verfasser
hat hier wie sonst seine Geschicklichkeit bewährt — auseindaner zu lesen was
zusammen gedacht ist.
den reinen Farbenaccord im Dresdener Bilde bewundert, der Kritiker aber
die Harmonie vermißt, so braucht man nur nicht zu verschweigen daß zwi-
schen beiden Urtheilen das Bild von einem dunkeln Firniß befreit worden
ist, um, von allem übrigen abgesehen, schon dadurch über den „Widerspruch
zwischen den Kennern" hinweg zu kommen. Wenn das was hier Hr. F.
vorreitet Methode wäre, so würde diejenige Wiffenschaft glücklich zu preisen
sein die am wenigsten Methode hätte. In der That ist dieß das non pluo
ultra des Dilettantismus und der Planlosigkeit. Der Vers. fürchtet, von
nationalem Gemüthsintereffe beherrscht, die Entscheidung, die, wie er fühlt,
wenn sie überhaupt möglich ist, gegen sein Jntereffe ausfallen muß. Anstatt
nun der Wiffenschaft den Dienst zu leisten dessen sie bedarf, ihr den Grund
ihrer Irrthümer und die Mittel zur Vermeidung ähnlicher Täuschungen in
der Zukunft aufzuweisen, zertrümmert er ihre Autorität, und anstatt eine
befestigende Methode zu schaffen, beseitigt er die Wiffenschaft selbst als
solche. Das ist ein ganz amüsantes Spiel für den der harmlos zuschaut,
wem es aber mit der Wiffenschaft überhaupt und mit der Kunstwissenschaft
insbesondere ernst ist, der muß solch Spie! als frivol bezeichnen. In
schwierigen Wendepunkten muß man feste Punkte zu finden streben, nicht
aber alles Feste zu untergraben und zu stürzen suchen. Wie wenig Hr.
F. einen Begriff davon hat daß die vorliegende eine wisienschaftliche Frage
ist, wie sehr vielmehr gerade er sich darin gefällt die ganze Sache als
allersubjectivste Geschmackssache dem schwankenden Belieben der Menge zu
überantworten, und die Unsicherheit auf diesem Wege zum Princip zu er-
heben, hat er bewiesen indem er in der Ausstellung ein Album auflegte, und
das Publicum zur Niederlegung seiner Ansicht in demselben aufforderte.
Man hätte nun glauben sollen, er und seine Gesinnungsgenoffen hätten
damit von der vernichteten Autorität an die Mehrheit appelliren wollen.
Als aber auf den ersten zwei Seiten, mit Ausnahme einer einzigen Dame,
zahlreiche Stimmen sich einmüthig für die Darmstädter Madonna aus-
sprachen, da citirte eine unbekannte Hand darunter die Verse: „Verstand
war stets bei wen'gen nur zu finden; man soll die Stimmen wägen und
nicht zählen!" Da ist der fehlerhafte Cirkel, in den jeder falsche Schluß
mit seinen weiteren Ableitungen unhaltbar hineintreibt. Wo der schwache
Punkt dieser vorgeblichen Methode steckt, das sprach mit selbstvernichten-
der Naivetät ein anonymes Sonett „Hans Holbeins Maria in Dresden"
aus, das in das ausgelegte Buch eingeheftet worden, und dessen vier erste
und drei letzte Verse also lauten:
Du Himmelsbild! Sie (?) wollen dich verneinen,
Verläugnen daß Du von des Meisters Hand!
In öder Forschung trüben Kreis gebannt,
Verirrte, die auf rechtem Weg sich meinen.......
O heii'ge Demuth! Laß vor Deinem Bilde
Auch nur in Demuth die Versöhnung finden,
Erleuchte uns und sie, die armen Blinden!
Schärfer kann sich der dilettantische Götzendienst, der in Dresden
mehr als irgendwo sonst in der Welt mit einzelnen Bildern getrieben wird,
nicht bekennen. Die Tradition ist unfehlbar, der Gläubige sinkt, über
stemden Zweifel schon zerknirscht, auf die Kniee; wie dem besten Infallibi-
listen ist ihm besonnenes Suchen nach der Wahrheit „öder Forschung
trüber Kreis," der Ketzer „gebannt," ein „armer Blinder!"
Wie jemand der zu kunstwissenschaftlichen Forschungen irgendwelche
Beziehungen hat, so naiv, oder der gar keine hat, so stech sein kann, ist
für ein gesund organifirtes Gehirn etwas unverständlich. Mit der Wissen-
schaft kann man über ihre Irrthümer und falschen Voraussetzungen streiten;
wer aber die Forschung öde und ihren Kreis trüb nennt, deffen Urtheils-
kraft bedarf noch in solchem Maße der durchwärmenden und durchleuchten-
den Kraft ihres himmlischen Lichtes, daß ihm kein Urtheil, am wenigsten ein
absprechendes, nicht in einem einzelnen Fall, am wenigsten über ein ganzes
Gebiet, zusteht.
Durch solche kindische Ueberhebung sollte der Dilettantismus gerichtet
sein, doch nicht bloß der blöde, der draußen steht, sondern derjenige welcher
sich noch als schleichender Erbfehler im innersten Kreise der jungen Kunst-
wissenschaft vorfindet, und gelegentlich breit macht. Und nach dieser Rich-
tung hin rnöchte ich mir erlauben die Consequenzen aus der Sache zu ziehen,
welche Hr. Fechner nicht daraus zu entwickeln vermocht hat.
Ich habe Eingangs die Madonnen-Frage die fürchterlichste aller kunst-
historischen Fragen genannt. Das ist sie; denn keine hat die kunstwissen-
schaftliche Forschung so wie sie in der Irre gehend gezeigt. Wir sehen hier
niederschlagender als irgendwo die Nachwehen davon daß die moderne
Kunstwissenschaft vonLiebhabern begründet ist, die vom Genuß au-giengen.
Aus der begeisterten Schilderung hat sich die historisch-krittsche Kunstbe-
trachtung mühsam losgerungen. Daß die Begeisterung vielfach sehr sub-
jektiv, übermäßig, unkritisch gewesen wer möchte es läugnen! Warum
aber wollen wir anstehen dieselbe auf ihren rechten Werth, d. h. oft auf
Werthlosigkeit, zurückzuführen? Die Bewunderung der Antiken im vori-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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gen Jahrhundert, die einen Winckelmann zu den genialsten Seherblicken
in den Geist des Alterthums befähigte, kommt uns heut ihrem Gegen-
stände nach, da wir die griechischen Originalwerke inzwischen kennen und
die römischen Copien von ihnen unterscheiden gelernt haben, beinahe komisch
vor. Aber die wissenschaftliche Disciplin in der Archäologie ist straff und
streng genug, um zu verhindern daß man Winckelmann und Otto Jahn wegen
des belvederischen Apollo gegen einander hetze, in der Absicht beide lächer-
lich zu machen und zum süßen Dusel der ruhig genießenden antiquari-
schen Liebhaberei zurückkehren zu dürfen.
Soll denn jeder immer jede Erfahrung wieder für sich machen? Lernen
wir an der älteren verwandten Wissenschaft daß die Erkenntniß des Besse-
ren, indem sie den Blick schärft und kritisch sicher macht, auch über die
Kunstempfindung vergangener Tage sich erheben kann; daß die Verzückung
welche aus der Copie von dem durchgefühlten Original her den genuß-
bereiten Beschauer anwehte, aufhören darf, und muß, sich an der Copie zu
entflammen, sobald die Kenntniß des Originals selber jene nicht mehr bloß
als Abbild, sondern als selbständige Arbeit zu betrachten auffordert. Der
bei weitem größte Theil der Urtheilswandlungen betreffs des Dresdener
Bildes erklärt sich aus dieser Erwägung, bezeichnet also Abschnitte auf
dem Wege von der Kunstliebhaberei zur Kunstwiffenschaft.
Ein anderer Theil freilich bleibt noch anders zu erklären, freilich auch
aus einem Rest von Dilettantismus, aber einem anders gearteten:
und hier kann ich meinem lieben Freund Alfred Woltmann ernste Vor-
würfe nicht ersparen. Es spukt in der Kunstgeschichtschreibung noch mehr
als sonstwo der H e r o e n c u l t u s. Daß jemand bei veränderter äußerer
Beglaubigung eines Gegenstandes nach einander wesentlich verschiedene
Geschmacksurtheile über denselben äußert, thut zur Beurtheilung des histo-
rischen Thatbestandes nicht das allermindeste, discreditirt auch den For-
scher als solchen und seine objectiven Ergebniffe gar nicht. Wohl aber be-
gründet es einen Vorwurf gegen die kritische Freiheit und Sicherheit des
Geschmacksurtheils welches sich von fremden Einflüffen bestimmen läßt.
Gegen den Heroencultus wende man sich hier wie überall; das ist noch ein
Pfahl im Fleische der modernen Kunstgeschichte, ein Stück Dilettantismus
in der Wiffenschaft.
Ein Bild ist grundsätzlich nicht deßwegen schön und gut weil es von
Holbein ist: ebensowenig ist es nicht von Holbein weil es nicht schön und
gut ist. Die Urheberschaft kann nur nach Beglaubigungen und Qualitäten
festgestellt oder geläugnet werden. Hinterher ist die ästhetisch-kritische Be-
urtheilung gänzlich frei, und in allen diesen Beziehungen muß die richtige
Kritik vom Zweifel ausgehen; nicht mit der Lust und der vorab ge-
faßten Meinung, dabei zu bleiben, sondern an dem Gegenstand selbst die
Zweifel niederschlagen und damit die beste Gewähr geben zu lasten. Blei-
ben die Zweifel bestehen, so sind sie eben berechtigt, und mit dem Vertu-
schen ist nichts gewonnen. Wie solche Zweifel dann mit andern veralte-
ten, mit scheinbar oder wirklich feststehenden Wahrheiten zu vereinigen
sind, das ist eine weitere Frage. Ob z. B. Unschönheiten und Ungeschick-
lichkeiten in einem notorisch Holbein'schen Bild irgendein nachweisbares
Verhältniß zu seinem bekannten Kunstcharakter haben, oder so bedeutend
sind daß. sie die Vorstellung von diesem selber zu modificiren zwingen, das
bleibt dem Geschichtschreiber zu erörtern und zu entscheiden anheimgestellt.
Es kann ja auch sehr wohl der Kunstgedanke eines Meisters sich in einer
sehr befremdlichen Form dennoch als Grundlage nachweisen lasten, also ge-
schichtlich für die Kenntniß seines Geistes sehr interessant, an sich aber
unerfreulich, selbst widerstrebend bleiben u. s. w.
Kurz, die Kunstwiffenschaft als solche gewährt gleich jeder andern
Wiffenschaft Genuß nur im Finden derWahrheit, nicht im begeister-
ten Anschauen des Gegenstandes. Voreingenommenheit jeder Art, die das
Wahrheit suchende Auge und Urtheil verwirrt, liegt außerhalb des wissen-
schaftlichen Kreises.
Sieht man sich aber mit solchen Grundsätzen die Beurtheilungen der bei-
den Madonnen-Bilder an, wie fieFechner in dankenswerther Vollständigkeit
zum bequemen Ueberblick vereinigt hat, so erlebt man das Schauspiel daß
die Binde des Dilettantismus bei den Vertretern des Darmstädter Bildes
allmählich fällt, bis die streng wistenschaftliche Kritik des Thatbestandes
endlich vollständig Platz greift, wobei auch über das Darmstädter Exem-
plar mit Ruhe und ohne Beschönigung geurtheilt wird.
Dagegen zeigt sich bei den Vertretern des Dresdener Bildes eine kri-
tiklose Hast und Verblendung, die sich in gesuchten Rettungen des Clienten
und in manchmal hart ans Alberne streifenden Verunglimpfungen des
Gegners ergeht.
So empfindlich die Lehre aus der Madonnen-Frage also auch für die
Kunstwiffenschaft ist, die rein methodologische Untersuchung des Streites
läßt unzweifelhaft erkennen auf welcher Seite das Streben nach wisten-
schastlicher Begründung zu finden ist, und die Lösung des Streites gibt
die Aussicht daß die Kunstwiffenschaft gefördert und geläutert aus dieser
Prüfung und Selbstbesinnung hervorgehen wird. Vor allen Dingen nach
innen und nach außen Krieg dem Dilettantismus!
Bruno Meyer.
Neueste Posten.
T München, 14 Sept. Der päpstliche Nuntius dahier, Msgr.'
Meglia, hat in den letzten Tagen eine Conferenz mit dem Staats-
minister Grafen v. Hegnenberg gehabt. — Mit der bevorstehenden Auf-
hebung des Handelsappellationsgerichts zu Nürnberg werden von Appel-
lationsgerichten einiger Regierungsbezirke besondere Senate für Handels-
sachen errichtet, so namentlich bei dem Appellationsgericht dahier. Diesen
Senaten sollen alle Berufungen aus den Regierungsbezirken Ober- und
Niederbayerns zugewiesen werden. Das Ministerium hat die betreffen-
den Handels- und Gewerbekammern bereits beauftragt, behufs der Er-
nennung der technischen Affestoren für jene Senate die entsprechenden Per-
sonalvorschläge alsbald in Vorlage zu bringen.
* Berlin, 13 Sept. Die „Prov.-Corr." schreibt: „Nach Art. 71
des Frankfurter Friedensvertrages soll die Räumung der noch von deutschen
Truppen besetzten Forts von Paris, sowie der Departements Oise, Seine--
etQise, Seine-et-Marne und Seine bei Abzahlung einer dritten halben
Milliarde auf die Kriegskosten stattfinden. Da die von der französischen Re-
gierung geleisteten Zahlungen dem Betrag von 1500 Millionen Fr. nahe
kommen, so hat der Kaiser, obwohl das Abnahmegeschäft noch nicht voll-
ständig erledigt ist, dennoch den Beginn der Räumung angeordnet. Zu-
nächst werden daher die deutschen Truppen aus den noch besetzten Pariser
Forts, wie aus den Departements Seine et Oise, Seine-et-Marne und
Seine ausrücken. Das Departement Oise bleibt noch besetzt, bis die
dritte halbe Milliarde regelrecht zur Ablieferung gelangt ist. Zur Rück-
kehr in die Heimath sind die 2. und die 22. Division bezeichnet, so dast
auf französischem Boden fortan noch 6 Divisionen mit einer Effectiv-
stärke von rund 80,000 Mann zurückbleiben werden. Dieses Zahlen-
verhältniß entspricht auch den Bestimmungen des Vertrages welcher unter
dem 11 März dieses Jahres zu Schloß Ferneres zwischen dem Ge-
neral v. Stosch und Herrn Jules Favre in Bezug auf die Er-
füllung der Friedenspräliminarien abgeschlosten worden ist. Es ist
darin die Verabredung getroffen daß in dem Maße wie die Zahlung der
Kriegskosten vorschreitet, auch die Zahl der Nationen, für welche Entschä-
digung zu leisten ist, sich verringern soll, und zwar in der Weise daß vier-
zehn Tage nach Ablieferung der ersten Hälfte der zweiten Milliarde nur für
80,000 Nationen Lebensrnittel und für 30,000 Nationen Fourrage Ent-
schädigung zu leisten ist. Die Ausführung aller dieser Anordnungen ist
selbstverständlich an die Voraussetzung geknüpft daß die Abwickelung des
ganzen Zahlungsgeschäfts regelrecht von Statten geht."
Wiesbaden, 12 Sept. Die nähern Bedingungen unter welchen
unsere Cur- und Theater-Angelegenheiten definitiv geregelt werden sollen,
sind die folgenden: die Gemeirrde übernimmt die fiscalischen Cur-Etabliffe-
ments(Cursaal, Colonnaden und Anlagen) zum Preise von 100,000 Thlrn.
unter dem Vorbehalt daß dieselben nach wie vor nur den Curinter-
esten dienen dürfen. Die seit 1 Jan. 1867 rückständigen, alljährlich von.
der Spielbank zur Verschönerung der Stadt zu zahlenden 30,000 Gulden
werden der Gemeinde überwiesen und zum Curfonds geschlagen; der letztere
selbst, im Betrage von 1 Mill. Thlr., wird zwischen Wiesbaden und EmS
in der Weise getheilt daß ersteres zwei Drittel, letzteres ein Drittel erhält.
Die Verwaltung desselben führt der Gemeinderath nach einem besondern
Statut. Von den 57,000 fl. welche die Spielbank jährlich für das Thea-
ter zahlte, werden 17,000 Thlr. jährlich auf den Kron-Fideicommißfonb
übernommen, während die Stadt den Rest aufzubringen hat. Das Insti-
tut wird ein „königliches" bleiben. — Der Generalbauplan der Stadt ist
gleichfalls von der Regierung genehmigt worden, und wird nun das Ter-
rain an der Wilhelmsstraße zwischen der englischen Kirche und dem.
„Victoria-Hotel" mit Landhäusern bebaut werden. (Frkf. I.)
* Paris, 13 Sept. Die „Franz. Corr." schreibt: „Wie wir ver-
nehmen, ist es gestern Abends in der Nähe des Bahnhofs von Pantin zu,
einem Conflict zwischen einer französischen Schildwache und einem deutschen»
Vorposten gekommen, in Folge deffen der deutsche Soldat von dem franzöt-
sischen durch einen Schutz getödtet wurde. So wird wenigstens heut in
den nördlichen Vorstädten von Paris erzählt." — Der preußische General,
v. Blumenthal ist auf der Durchreise nach England in Paris eingetrosten,
und im „Hotel de Bristol" abgestiegen. — Pastedouet, einer der na-mhaf-
testen Persönlichkeiten der Pariser Commune, ist gestern früh bei seiner
Tante, einer Wäscherin in der Rue Constantine, entdeckt und verhaftet
worden. — Georges Sand, dessen .^Journal d un Voyageur r,endant la
guerre“ jetzt in allen Händen ist, verläßt die „Revue de deux Mondes,"
und ist ausschließlich für den „Temps" engagirt, welcher ihr 60 Cent, für
die Zeile zahlt, und das Rechr einräumt nach Belieben über die Spalten
seines Feuilletons zu verfügen.
BerschiederreS.
Bukarest war in der Nacht vom 5 zum 6 d. M. zur Abwechslung wie-
der einmal der Schauplatz einer Judenhetze. Den Anlaß dazu gab folgen-
der Vorfall: „Einem griechischen Victualienhändler war eine Junge entlaufen,
den man während einiger Tage vergebens suchte. Nun fügte es der Zu-
fall — einige behaupten, es sei kein Zufall gewesen — daß Freunde des Vic-
lualienhändlers den Jungen am Nachmittag des 5 in der Nähe der alten Syna-
goge trafen und erkannten. Im Nu hatten sie das Gerücht verbreitet, es hätten
die Juden den Jungen im Keller der Synagoge eingesperrt gehalten, mit der
Absicht ihm das Blut abzuzapfen, und nur durch einen außergewöhnlichen Zu-
fall sei cs dem Opfer geglückt aus dem Keller zu entkommen. Diese Fabel
genügte um binnen wenigen Minuten einige hundert Müßiggänger und Rabu-
listen dort zu versammeln, welche ohncweiters die anwesenden Israeliten zu
maltraitiren begannen und Miene machten die Synagoge zu stürmen. Glück-
licherweise traf die Polizei noch zur rechten Zeit ein um ein Gemetzel zu ver-
hüten. Die lügenhafte Erdichtung war bald constatirt, denn ein anderer griechi-
scher Victualienhändler, dem der Keller der Synagoge verpachtet ist, bewies daß
er an den vorhergehenden Tagen wie am Tag des 5 selbst den Keller behufs
Verkaufs von Waaren die er dort aufgespeichert hat besucht habe, ohne des
Jungen ansichtig zu werden. Nebstdem constatirte er die Unmöglichkeit einer
Flucht. Die Judenhetze aber dauerte trotzdem fort, und hatte bis zum 7 Abends,
an welchem der Bericht der „N.Fr. Pr.," dem wir obiges entnehmen, abgesandt
wurde, noch kein definitives Ende gefunden.
Industrie, Handel und Verkehr.
Augsburg, 14 Sept. Bayer. Staatspapiere: 5proc. halbj. Oblig. —,
4proc. Obig. 93 y2 P., 4proc. halbj. Obl. 931/2 P., 4%*>roc! OM. 99% P.,
4%proc. halbj. Obl. 99% P., 3%proc.Obl. 87% ©., 5proc. Aul. 1870 100%P.,
4proc. Erundr.-Ablvs.-Obl. 93% G., 4proc. Präm.-L. ä 100 Thlr. 113 P. —
Industrielle Papiere: Bayer. Ostbahn 134% P., 2. Eln. 118'/r P. mit 40 Proc.
Einz. 117% G., Bankactien 913 P., 4proe. Bankvbl. 99% G., 4proe. Pfand-
briefe 9478 G., Augsburger Bank 108 P., Augsb. 7fl.-L. 6% P., Augsb.
Kammgarn-Spinn. 107 G., Mech. Spinn.- n. Web. Augsburg 200 G., Banmw.-
Spinn. Stadtbach Augsburg 216 G., Baumw.-Fcin-Spinn. Augsburg 28 G.,
Haunstetter Weberei 150 P., Bamnw.-Spinn.- u. Weberei Kempten 65 G.,
Baumw.-Spinn- u. Weberei Bamberg 85 G., Mech. Bamnw.-Spinncrei Bayreuth
95 G., Baumw.-Spinnerei Kolbermoor 67 G., Gas-Jndustric-Actien Augsburg
98 G., Gasbel.-GescVschaft Augsburg 188 G., GaSbel.-Gesellschaft München 150 G.,
Maschinenfabrik Augsburg 88 G., Seilerwaarenfabrik Füßen 135 G.
(Veredelungs-Verkehr.) Anläßlich der Eingabe der inländischen Webereien
bezüglich der Anwendbarkeit des Appreturverfahrens auf Elsaß und Lothringen,
entschied der österreichische Finanzminister: Elsaß und Lothringen gehören nicht zum
Zollverein; die österreichische Regierung behalte sich selbst nach erfolgter Einbe-
ziehung dieser Landestheile in den Zollverein vor einen speciellen Beschluß zu fassen
ob eine solche Begünstigung ans Elsaß und Lothringen auszudehnen sei. (Pr.)
(Eisenbahnlinie Villach-Franzensfeste.) Auf der ganzen Strecke
schreiten die Bauten sehr rasch vorwärts, indem die Schienenlegung theils vollendet,
theils im besten Zug ist, so daß die Strecke Villach-Lienz mit 1 Oct, jene von
Lienz-FranzeuSfeste am 1 Nov. d. I. für den Güterverkehr fahrbar sein dürfte,
während die Eröffnung für den Personenverkehr erst im Frühjahr 1872 für die
ganze Strecke erfolgen soll.
(Eisenbahnconferenz in Belgrad.) Man schreibt der „Wiener Preffe"
aus Belgrad vom 9 Sept.: „Die Conferenzen, von denen ich Ihnen bereits meldete,
haben hier zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien begonnen. Einerseits ist der
hiesige Generalconsnl v. Kallay der Vollmachtsträger, andererseits die HH. Mija-
tovits, Sectionkchcf im Finanzministerium, und derJngenieur-Hauptmann ProtitS.
Die Herren haben schon zwei Sitzungen gehalten. Die Unterhandlungcn und
Berathungen drehen sich um den Anschlußpunkt zwischen der Pest-Kikindaer und
Belgrad-Alexinatzer Bahn, und zwar hier in Belgrad. Ueber die Donau wird eine
sehr kostspielige Brücke geschlagen werden. Ich höre, Ungarn macht sich anheischig
die Linie Kikinda-Belgrad spätestens bis November 1872 ferikg zu machen. Die
Staatsbahngesellschaft wird die Concession für diese Strecke bekommen. Mau
hofft daß alle Details zwischen Ungarn und Serbien in noch zwei bis drei Sitzun-
gen in Ordnung gebracht werden würden. Beiderseits ist eine Zuvorkommenheit
au den Tag gelegt worden die das beste Resultat hoffen läßt."
Telegraphische CnrS - und Handelsberichte.
* Berlin, 14 Sept. Schlußeurse: Bayer. Sproe. Aul. v. 1870 100$
bayer. 4%proc. Aul. 99% 4proc. Präm.-Aul. 114% bad. Präm.-Aul. 111%,
4%proc preuß. Aul. 99%, KölmMiudeuer L. 96% 1882er Amerikauer 95%,
öftere. Silbrrr. 58, Papierreute 49%. österr. L. v. 1860 85, v. 1864 76 %,
Treditactieu 161% Lombard«: 104% österr.-stanz. Staatsb. 209%, Prior. 288,
Galizier 105% Gchatzauweisuugen —, Türken 43%. frauz Aul. —, preuß.
Ceutral-Boden-Credit 120%, Rumänier 39%, ital. 5proc Rente 58V8- Wechsel:
Angsburg 56.20, Frankfurt 56.22, London 6.17%. Paris 7?°/„, Wien 62%.
Tendenz: günstig.
t Berlin, 14 Sept. Schlußeurse. Treditactieu 161% StaatSbahuactteo
208%, Lombarden 104% Galizier 105% 1882er Amerikauer 957/8 BuudeS-Anleihe
101, Rumänier 39%, South-Miffsuri 73, Rockford 42, Peniusular 66%,
Oberschl. Eisenbahn-Actieu Lit A. 203%. Central Pacific 86%. Darmst. Bank
155%, Südd. Bodeucredit 115%. Tendenz: fester.
$ Berlin, 14 Sept Producteumarkt. Roggen per Sept.-Oct. 52%. per
Oct-Nov. 52%, Nov.-Dec. 52% April-Mai 52%. Weizen Sept-Oct. 80%,
per April-Mai 78% - Rüböl Sept.-Oct. 28%2 Per April-Mai 27 % — Spiritus
loco eff. 19 Thlr. 23 Sgr., Sept.-Oct. 18 Thlr. 7 Sgr., per Nov.-Dec. 17 Thlr.
9 Sgr., April-Mai 17 Thlr. 26 Sgr. Tendenz: ermattend.
* Frankfurt a. M., 14 Sept. Sröffnuugscurse: Oesterr. Treditactieu
283%, Staatsbahu 364%. 1860er L. —, 1882er Amerikaner 95%, Lombarden
1831/z, Spanier 32%. Tendenz: fest.
* Frankfurt a. M«, 14 Sept. SHuZcurfe: Bayer. 5proe. Aul. v. 1870
100% bayer. 4%proe. Aul. 99 4proc. bayer. Pram^-Aul. 113% 4%proe.
bayer. Ostbahu 1337/8 ueue Em. 118%. mit 15 Proc. Emzahl. 117%, 4proe.
Alfeuzbahu 111% 4proe. bad. Prämien-Anleihe 111, 1882er Amerikauer 95%,
Köln-Miud. L. 96% österr. Silberreute 577/g, Papierreute 49. 1860er L 85,
1864«: L. 133, Baukactiru 745, Treditactieu 283, Lombarden 183% österr.
stäup Staatöbahn 364% Elisabeth-B. 227%, Franz-Joseph B. 83, Rudolfs«
dahu 75%. Ungar. Ostbahu 72%. Lproc. Spanier 32%, Napoleons 9.15.
neue Staatsbahn —. Wechsel Loudrn 116, Paris 81 Wien 97%. Tendenz: fest.
Franz. Rente volle 85, leere 89- ,
* Frankfurt a. M., 14 Sept. Nachbörse. Crebitaetieu 282% Staatsbahn
366, 1864er L. 85% 1882er Amerikaner 95% Lombardes 183%. Silberreute
—. Galizier 246% Fest. Officiell schloffen: bayer. Ostbahn 131, 118%,
117%, bayer. 5proc. 106 4%proc. 93%.
* Wien, 14 Sept. Gchlußcmfr: Silberreute 68.90, Papierrenie 58.80'
1660er Loose 98.30. 1864er L. 134.50. Bankactien 762 Treditactieu 288.40,
Lombarden 187. Staatsbahu 373 Auglo-Bustriau 248.50, Frauco-Aostnau
119.20. Uniousbank 258, Galizier 250, Franr-Joseph 205. Prioritäten
89, Rudolf 161.50, Prioritäten 89.50, Elisabeth 230.25, Napoleons 9 45 %
Wechsel: Augsburg 1 0,50. Frankfurt 100.80, London 117.80, Paris 45.80.
Tendenz: schwankend.
% London, 14 Sept Börse. Zproe. TousolS 937/8, 5proc. Türken 45%,
1882er Amerikauer 93%, Italiener 59% Lombarden 16.30, 3proc. Spanier 34%,
neue span. Anl. 3% Pr., Aul. Morgan 100%, 3proc. stanz. Rente 56%, neue.
stanz. Rente 7% Fr. Pr., neue Amerikaner % Dir conto.
% Liverpool, 14 Sept. Baumwollbencht. Tagesumsatz 15,000 Ballen.
Tagesimport 5(00 B. Tendenz fest
§ Vkew-Pork, 14 Sept. Per Kabel. Gold, SchlußcurS 1137/5, Wechsel
per London 108%« 1882er BondS 115% 1885er Bonds 115%, 1904er Bouds
111%, Illinois 137. Erie-Aetien 32%, Baumwolle 21, Mehl 6.60, Petroleum
24, Petroleum in Philadelphia 23%.
4557
HVXitielst Erlasses Sr. kaiserl. königl. Hoheit des Kronprinzen vom 7 d. M. sind wir von der Allerhöchsten Bestätigung des Verwaltungs-Ausschusses der
MV Kaiser Wilhelms-Stiftung für Deutsche Invaliden, unter dem Vorsitze des Hrn. Generals der Infanterie v. Holleben, unterrichtet worden.
Es hört deßhalb mit dem heutigen Tage unsere einstweilige Verwaltung der uns zugekommenen Stiftungsmittrl auf. Alle bisher an uns gerichteten Anträge in
Angelegenheiten der Invaliden des letzten Krieges und der Wittwen und Waisen Gefallener sind fortan äu den Verwaltungs-Ausschuß (hier Linden- Straße 4)
zu richten. — Berlin, den 8 September 1871
Da» Central-Comit« drr Dcutschcn Vminc !nr Pflege im Felde vernmiideter und erkrimkler Krieger.
R. ». Sydow. pw»)
Augsburger Bank.
Die im §» 14 unserer Statuten für das Jahr 1671 vorgeschriebene
außerordentliche General-Versammlung
ftubet Dienstag den 26 September, Vormittags 16 Uhr,
im hiefigen Börsengebäude statt.
Gegenstände der Tagesordnung sind:
1) Wahl des AufsiLtsrathes auf die nächsten drei Jahre,
2) Beschlußfassung über die Bestimmungen des § 22 der Statuten.
Die Legitimation erfolgt durch Eintrittskarten, welche gegen Vorzeigung der Jnterimsscheine bis spätestens 22 September, Abends 8 Uhr, bei dev
Augsburger Bank oder in München bei der Bayerischen VereinSbank eingeholt werden können.
Augsburg, den 14 September 1871.
Der Aussichlsralh der Augsburger Ban'!;.
Johann v. Stetten, Vorsitzender. Alvert Grzbe^ger, stellve^cr. Vorsitzender. (9391)
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4558
Königliche Industrie-Schute zu München.
Die Juscnption für das Schuljahr 1871/72 wird am 2 und 4 OctoLer d. I., Vormittags von 9
bis 12 Uhr. im Schullocale (Dameustiftsgafse Nr. 2) vorgenommen, und zwar am 2 Oktober 1871
str die außerordentlichen Schüler und Hospitanten, sowie für diejenigen ordentlichen Schüler
welche sich einer AnfnahmS- oder Nachprüfung zu unterziehen haben, am L Oktober 1871 fiir diejeni-
gen Neneintretenden welche im Besitze res Maturitatszeugniffrs einer Gewerbschule sind, und für
solche ordentliche Schüler denen der Uebertritt vom ersten in den zweiten Curs unbedingt gestattet ist.
Zum Eintritt in den l. Enrs ist das zurückgelegte 15. Lebensjahr, der Nachweis eines guten
sittlichen Verhaltens nnd das Absolutorium einer Gewerbschule oder das Bestehen einer diesem
Absolutorium entsprechenden AufnahmöPrüfung erforderlich.
Wer nur an einzelnen Lehr-Geaenständen oder nur an den praktischen Arbeiten sich betherligen will,
kann als außerordentlicher Schüler ausgenommen werden wenn er im Besitz der für das betreffende
Fach erforderlichen Vorkenntuisse ist. (8176—77)
Bezüglich der sonstigen Einrichtungen der Anstalt gibt der Jahresbericht derselben nähere Auskunft.
München, den 8 August 1871. Das königl. Rcctorat der Industrie schult.
Königliche Industrieschule Aürnöerg.
Diese an die Stelle der vormaligen polytechnischen Schule getretene öffentliche Unterrichtsauftalt soll
Jünglingen welche ans dem obersten CürS einer Gewerbeschule kommen, oder den Nachweis gleicher Be-
fähigung liefern, die für einen höheren Gewrrbs- oder Fabrikbetrieb nöthigen Kenntnisse und Fertigkeiten
m abschließender Weise vermitteln, und als technische Mittelschule solche Techniker der Privatindustrie
die eine höhere theoretische Ausbildung zu erlangen streben, zum Uebertritt an die technische Hochschule ent-
sprechend vorbereiten.
Sie umfaßt eine mechanisch-technische, eine chemisch-technische rmd eme bautechnrsoye
Abtheilung mit je zwei Jahrescurscn. „ .
Das chemische Laboratorium der Anstalt wird den Anforderungen der Gegenwart entsprechend
umgebaut und neu eingerichtet. „ . ... _ ,
Dasselbe wird mit Beginn des Schn jihres eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen für Prak-
ticantm bieten, denen Gelegenheit gegeben ist sich unter der Leitung von Prof. Dr. Kämmerer in den
Operationen der praktischen Chemie und der chemischen Analyse zu üben
Die Inskription für das Schuljahr 1871/72 findet Montag den 2 Oktober,
Vormittags von 8 bis 12 Uhr, nnd Nachmittags von 2 bis 4 Uhr im Nectoratszim-
mer der Schule (Peunthos), statt, wobei der Geburtsschein, die Zeuguiffe und Zeichuungcn des letzten Jah-
res vorzulegen sind.
Außerordentliche Schüler und Hospitanten für einzelne Lchrgegcnstände haben sich am
gleichen Tag« zu melden.
Näheres über Aufnahmsbediugtmgm, Schuleinrichtung nnd Lehrprogramm enthalt der Jahresbericht,
der, wie die Beftiinmungea über die mechanische Lehrwerkstätte u. f. w., durch den Aciuar der Schule zu
beziehen ist.
Nürnberg, den 9 September 1871. [9^55—5t>]
Das königliche Rccloral -er Industrieschule.
FüchLvsrrer.
Kgl. bmt lall-mrthschilft!. Centrilsihulk Mtiheustephil«.
Die Vorlesungen (auch des Brauercurses) beginnen am 13 Oktober. — Anfragen und An-
Meldungen an den königl. Direktor Dr. Wentz._'4984)__________________8445]
Die höhere landwirthschaflt. Lehranstalt in Worms a.RH.,
stets zahlreich von Landwirthen jeglichen Alters, aus allen Ländern Deutschlands be-
sucht, beginnt das nächste Semester nuten Zusammenwirkung von 11 Fachlehrern am
1 MovsmÄrr. Anfragen nnd Anmeldungen nimmt entgegen
(8481-83)__________________________________der Dorstan-: Br. Schneider
Höheres Wehmgs- vsd Ksndkls-InMllt
mit Keufisuttt in Würz bürg.
Der Unterricht für das Wintersemester beginnt
Dienstag den 3 October ljd. Ir.
Näheres der Prospect. (9164)
H. Miede?, Director.
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ans den 23 ds. Mts , Nachmittags 4 Uhr, einzuladen, nm die Berichte des Ausschusses und der
Direction anzuhören, über die Rechnungen und allfällige Vorschläge zu berathen und in Gemäßheit des
8. 15 die Wahl für das abzutretende Ausschuß-Mitglied vorzunehmen. Die Versammlung beginnt mit
der in §. 20 vorgeschriebenen Legitimation der erscheinenden Actionäre.
Augsburg, den 4 September 1871. (8934—35)
Der Vorsitzende: Mbert (EezErsfg-e.
Münchener Aasöekeuchlungs - Hesellschast.
Die HH. Aktionäre unserer Gesellschaft werden hiemit auf
Samstag den 23 Septcmdcr 1871.
Vormittags 10 Uhr,
zur ordentlichen Generalversammlung in das Bureau der Gesellschaft (Rosengasse Nr. 5/1)
statutengemäß eingeladen.
Die Legitimanon über den Actienbesitz nach ß. 30 der Statuten hat am genannten Tage zwischen 9 nnd
10 Uhr zu erfolgen.
Tagesordnung;
Geschäftsbericht des Vorstandes und der Direction; Rechnungsablage und Bericht der Rech-
nungS-Reserendäre, sowie Festsetzung der Dividende; Wahl von einem Vorstands-Mitglied
und zwei Rechnungs-Referendären.
Gasdrleuchtungs-Grj'cllschast in München.
Der Vorsitzende des Vorstandes:
(4804) Ernft SchosnLin. [8732—33]
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Alles ein Ganzes bildend.
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Folgenden Tages, den 21 September l I., Morgens 8 Uhr, beginnt bei der Fabrik die
Versteigerung der vorräthigeu chemikalischen Producte und Rohstoffe, der Fabrications-Utensilien, der Ge-
räthe für Photographen, der chemisch-technischen Fachbibliothek, des Bureau- und Hausmobiliars, des Pack-
materials, der Feldgeräthschafteu :c.
Ueber die Kaufsbedingungen ertheilt die Gerichtkkanzlei auf frankirte Anfragen nöthigen Aufschluß;
bei ihr können auch Verzeichniffe der vorhandenen Chemikalien und Apparate bezogen werden.
Kaufliebhaber werden zu zahlreicher Theilnahme bestens eingeladen.
Wyl, den 30 August 1871. [H-511-G]
Namens der Concurscommission Wyl:
(9135-36) Die Bezirksgerichtskanzlei.
Dem in Nr. 253 dieses Blattes bckaunt gegebenen (9372)
Prospekt zur Errichtung eines Consortiums für Fondsspeculationen
an der Hamburger Sörse
von H. Heilbut in Hamburg wird das Zeichnungs-Formular nachgetragen:
Zeichnnngs- Formular.
Herr» H. Heilbut in Hamburg.
Meine Betheiligung an dem von Ihnen errichteten Consortium mit . ..Antheilen ä 75 Thlr.
Pr. Crt. bringe ich Ihnen hierdurch zur Anzeige, und lasse den Betrag der ersten Einzahlung von IO Pro-
cent mit Pr. Thlr.
per Posteinzahinng ersten; auch verpflichte ich mich zur prospectmäßigen Einzahlung der noch restireu-
den 90 Procent nach geschehener Aufforderung Ihrerseits.
Name:....................... Wohnort und Adresse:............... ..........
Stand:...................... Poetstation:................
Datum: . ................................................ . . .
KB. Die offenen Räume sind deutlich auszufüllen und dieses Zeichnungsformular franco an mich
zurückzusenden; die Einzahlung kann am bequemsten und billigsten auf eine Postkarte bei der nächsten Post-
station geschehen. — Sollte das Consortium wider Erwarten nicht zu Stande kommen, so erfolgen die
eingezahlten . . . . 0 Procent zurück.________________________________________(5173)
KM für Kllndkl und Industrie.
In Gemäßheit des §. 23 unseres Statuts machen wir bekannt daß der Aufsichtsrath unserer Bank
Herrn Geheimen Kegierungsi ath a. D., Franz Dülberg,
zum Mitglied der Bankdirection ernannt hat. (9276—78)
Darmstadt, IO September 1871. Bank für Handel und Industrie.
Kairo, Aegypten.
99
Besitzer: Ed, Friedmann.
Billigstes Bötel I. Rangc\ Grosser Garten, Bäder, Bibliothek, Zeitungen etc. Deutsche
Bedienung. (H 4806-Z) (8853—61)
€ anstatt in Württemberg.
Gesuch eines Reisenden.
(9376—78)
Für unsere FabricatiouSartikel in baumwollenen und halbwollenen Stoffen suchen wir einen soliden,
tüchtigen Reisenden. Der Eintritt sollte alsbald geschehen, und sichern wir neben hohem Gehalte eine
dauernde und angenehme Stellung zu. Anträge unter Betschluß von Zeugniffen sehen entgegen
(1782) Elsas SS Eorrrp. in ©anstatt, mech. Buntweberei.
Bekanntmachung.
Bcrschollenheits - Erklärung des Schreiuergescllen
Georg Seif rou Burgau.
Der Schreinergeselle Georg Seif von Burgau,
geboren am 13 December 1790, hat sich bereit»
vor 62 Jahren auf die Wanderschaft nach Steier-
mark und Ungarn begeben und seither nichts mehr
von sich hören lassen.
Auf Antrag semer einzigen hier noch lebenden
Verwandtin wird deßhalb Georg Seif öffentlich
aufgefordert sich binnen 6 Monaten bei dem
hiesigen Gerichte zu melden und seine Ansprüche
auf sein dahier noch liegendes Vermögen von 150 fl.
geltend zu machen, widrigenfalls Georg Seif
als ohne Leibeserben verstorben erklärt und sein
Vermögen seiner gerichtslnkmnten Erbin ohne
Caution ausgeantwortet werden müßte.
Burg an, den 12 September 1871
Königlich bayerisches Landgericht.
________________v. Brück.___________(9390)
OekonMie-Verkauf.
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Gegend des ehern. Kurheffens, ist besonderer Ver-
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bester Wiesen, 5 Acker Gärten nnd 4 Acker Wald.
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zu verkaufen over zu vermiethen.
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au die Annoncen-Expedition von Rudolf Moffe
in Frankfurt a. M. zu wenden.
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Gewerbschule besuchen wollen. Gründliche Nach-
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aus : Sonntagsbeilage zur Norddeutschen Allgemeinen
Zeitung, Nr. 28, 1871,Okt. 1,3. 2
Die Hobeln'Ausstellung in Dresden
Sett^oem 15. August ist im nordwestlichen
Theile/Hes Zwingers zu Dresden dem Publicum
eine/MuSstellung von Werken des allgefeierten
scheu Malers Hans Holbein des Jüngeren
eöffnet, welcher Künstler, Knnftgelehrte und das
kunstliebende Publicum bereits seit 1869, wo die
erste Anregung dazu gegeben wurde, mit dem größ-
ten Interesse entgegensteht. Der große Zudrang
von allen Seiten, ganz besonders von Sachverstän-
digen und Kunstautoritäten, gilt aber nicht allein
dieser immerhin bedeutenden Sammlung von Hol-
bein'schen Bildern, sondern ganz besonders der
Gegenüberstellung der zwei Exemplare eines und
desselben Gegenstandes: der sogenannten Madonna
des Bürgermeisters Meyer, eines Bildes, das einem
Jeden, der auch nur einmal das Dresdener Mn-
seum besucht, neben der Sixtinischen Madonna von
Rafael unvergeßlich in der Erinnerung fttn wird.
Nicht so allgemein bekannt, wie die Dresdener
Madonna, war das Darmstadter Duplikat, im Be-
sitz der Prinzessin Karl von Hessen, früher in Ber-
lin, Eigenthum ihres Vaters, des Prinzen Wilhelm
von Preußen, und bei der Grbschaftstheilm'g auf sie
übergegangen. Obwohl die hohe Besitzerin gern
jedem besuchenden Kuustfreunde den Zutritt zu dem
Bilde, welches in ihrem Wohnzimmer seinen Platz
hat, da es in ihrer Familie sich einer hohen Ver-
ehrung erfreut, gewährt, so sit es dennoch eben nur
von speciellen Verehrern von Holdem besucht wor-
den, die es freilich um so höher schätzten, als die
meisten dies für das erste und in letzter Zeit für
einzig wahre Original von Holbeins eigener Hand
hielten.
Nicht ohne Animosttät verficht dagegen eine
andere Gruppe, an deren Spitze die Repräsen-
tanten des Dresdener Museums, die Originalität
und damit die höhere Vortrefflichkeit der Madonna
der Dresdener Galerie.
Die Documente über die Geschichte der beiden
Bilder reichen nicht bis zu ihrem Ursprung zurück,
doch läßt sich das Darmstädler Bild durch die For-
schungen Woltmanns, der ein sehr verdienstvolles
und umfangreiches Werk über Holbein geschrieben,
verfolgen bis in die Familie Meyer, während die
authentischen Nachrichten über das Dresdener Bild
nicht weit über die Mitte des vorigen Jahrhunderts
zurückreichen.
Es bleibt uns somit nur übrig, vor die Bilder
selbst hinzutreten, die unmittelbar neben einander
aufgestellt find, in vortrefflichem Licht und in
Augenhöhe, so daß die unmittelbare Vergleichung,
die früher nur vor einem der Bilder, das andere
im Gedächtniß, möglich war, in voller Untrüglich,
keil geführt werden kann.
Der erste Eindruck, den man vor den Bildern
empfängt, ist so überraschend und die Originalität
des Darmstädter Bildes so in die Augen sprin-
gend, der Unterschied und der Abstand zwischen bei-
den Bildern so ungeheuer, wie man es sich, bei
aller Treue des Gedächtnisses für die frühere Ver-
gleichung par äistanee, im Entferntesten nicht vor-
gestellt hat. Ich gestehe, so sehr ich auch früher
schon für die Originalität des Darmstädter Bildes
war — daran, daß das Dresdener eine Wieder-
holung von Holbeins Hand und somit auch ein!
Originalwerk Holbeins sei, — daran zu zweifeln, \
iit mir nicht in den Sinn gekommen. Seit ich diej
Bilder neben einander gesehen, in dem Moment,
wo ich davor hintrat, war eS für mich eine unum-
stößliche Gewißheit, daß das Dresdener Bild eine
Copie, und zwar nicht von der Hand Holbeins, ist.!
Dasjenige, was zunächst auf uns einwirkt beim j
Beschauen eines Bildes, bevor wir erkennen, was
das Bild darstellt, ist die Farbe und der Ton des \
Bildes — die Farbe aufs Auge — der Ton auf ;
die Empfindung. Das Darmstädter ist flüssiges {
Gold — das Dresdener erstarrtes Blei.
Ich muß mich von vornherein dagegen ver-
wahren, daß ich dem Dresdener Bilde fein ihm;
stets gezolltes Verdienst absprechen will — das!
Werk Holbeins bleibt stets erhaben, wenn es auch ;
von anderer Hand durchgeführt worden — bleibt \
doch Mozart immer Mozart, selbst von einem Leier-1
kästen ausgeführt — ich will nur den Unterschied ’
zwischen beiden Bildern klar zu machen suchen und
bin genöthigt oft da, wo nur ein weicher Uebcrgang
in Wirklichkeit ist, eine harte Contour zu ziehen.
Irr diesem Sinne sei es mir gestattet, die Bilder
gegenüberzustellen.
Wir sprachen uns bereits aus über den ersten
Eindruck, de» das Darmstädter Bild neben dem
Dresdener hervorruft. Mag man immerhin ein-
werfen, auf einen bloßen Eindruck hin, sollen wir
-uns nicht verleiten lassen ein Urtheil zu fällen.
Gewiß ist das recht und billig, und wir wollen die
sorgfältigste Prüfung im Einzelnen sogleich begiu-
uen, nur hüten wir uns, die Wichtigkeit des ersten
Eindrucks auf den Beschauer, — ich meine aber
den verständnißvollen Beschauer — und dessen Prü-
fung, zu unterschätzen. Meiner Meinung nach ist
der erste „Eindruck eines Kunstwerks auf den Be-
schauer eben so wichtig für die Würdigung des-
selben als es die Conception eines Kunstwerks und
die daraus im Künstler entspringende Begeisterung
für die Schöpfung des Kunstwerks ist. Diese Be-
geisterung, die lebensfrische Stimmung ist dasjenige
Element, welches dem Kunstwerk die Ursprünglich-
keit. die Originalität verleiht und die ensprechende!
Stimmung im Beschauer hervorruft. Das Können, j
die Fähigkeit seinen Ideen in Form und Farbe!
Ausdruck zu geben, macht den bildenden Künstler!
zum Maler. Die Fähigkeit, dem Künstler i
beim Bilden überallhin folgen zu können, -
macht den Beschauer zum Kunstverständigen; \
an den bloßen Kunstliebhaber dürfen wir diese An- 1
spräche nicht machen. Wir dürfen die Composttion
der Holbein'schen Madonna mit ihren einzelnen
Figuren als bekannt voraussetzen und können!
nöthigenfalls eine der vielfachen Nachbildungen i
nach dem Dresdener Bilde zur Hand nehmen.
Irgend eine äußere Rücksicht, gleich viel welche, \
wird Holbein veranlaßt haben, das Maß des Bil- I
des anzunehmen, wie wir es im Darmstädter Bilde j
haben, eine gleiche Rückstcht hat ohne Zweifel auch '
das etwas höhere Format des Dresdener Bildes
gefordert. Daraus ergab sich von selbst eine Er-
Höhung der Architektur — die Nische, in, oder viel- >
mehr, vor der die Madonna steht. Die Rundung
des Bogens allein zu erhöhen, widerspräche jedem
architektonischen Gefühl; der Künstler erhöhte also
die beiden Pilaster, welche die Nische einschließen;
dadurch rage» in dem Dresdener Bilde die Köpfe
der zu beiden Seiten Knieenden nicht mehr in die
Kapitäle der Pilaster hinein. Wenn die Verthei-
diger der Dresdener Madonna darin eine wesent-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Z-
liche Verbesserung der Composttion erblicken, so
geben sie damit die Composttion des Darmstädter
Bildes, als die zu verbessernde, d. h. als die ori-
ginelle Composttion zu. Wenn Holbein mit eigener
Hand dies Bild gemalt hätte, so hätte er wahrlich
die Kapitälc besser gezeichnet; jeder Bauschüler
wird der Reinheit und dem Schwung der architekto-
nischen Linien in deut Darmstädter Bilde einen
unendlichen Vorzug zugestehen. Ganz absehen
wollen wir von dem Farbenton der Architektur, der
in dem Dresdener Bilde schwer und kalt, wie klar
und farbig ist dagegen die Muschel hinter dem
Kopf der Darmstädter Madonna colorirt!
Die alten Meister haben fast durchgängig über
den Köpfen ihrer Figuren, sei es bei größeren Com-
posttionen, sei es bei Portraits, geringeren Raum
gelaffen, als wir modernen Künstler es zu thun
pflegen — wir sehen es bei allen auf dieser Aus-
stellung befindlichen Portraitköpfen. Es ist noch
von Niemand behauptet worden, daß ste dadurch
gedrückt erscheinen.
Es scheint mir also die Erhöhung des Raumes
über den Dresdener Figuren durchaus keine Vor-
befferung der Composttion — ganz besonders aber
keine Im Sinne Holbeins erstrebte Verbesserung.
Wollten wir jedoch annehmen, was zu beweisen
schwerlich gelingen würde, das Dresdener Bild sei
eine von einem geschickten Maler unter Holbeins
Aufsicht gemachte Copie, so liehen sich Holbeins Cor-
rectnr vielleicht einige Aenderungen zuschreiben, die
in Bezug auf die Grundfläche, auf der die Figuren
im Darmstädter Bilde kaum Platz haben, nicht un-
Vortheilhaft erscheinen. Dadurch ist es möglich ge-
worden, die knieende Figur des Bürgermeisters
soviel länger zu machen, daß seine gefalteten
Hände, die auf dem Darmstädter Bilde von der
Schulterlinie des vor ihm knieenden Jünglings
überschnitten werden, ein ganzes Stück höher ge-
rückt find. Eine Aenderung in der Zeichnung des
herabhängenden Füßchens des Christuskindchens
könnte demselben Einfluß zugeschrieben werden.
Was aber die Aenderung am Kopfe der Ma-
donna betrifft, so bin ich durchaus nicht der Anficht,
daß ste zum Vortheil geschehen.
Denn obwohl der Kopf der Madonna das bei
weitem Gelungenste auf dem Dresdener Bilde ist,
so weicht er doch in Form und Ausdruck von dem
Original sehr wesentlich ab. Die Stirnpartie ist
verbreitert und der ganze Oberkopf mächtiger und
höher, auch ist das Gesicht in allen Theilen weit
mehr modellirt, der Hals, der, aus dem Darmstädter
Bilde abgetönt, mehr zurücktritt, ist auf dem andern
stark beleuchtet und er sammt dem Kopfe gehört
einer mindestens zehn Jahre älteren Frau an;
ebenso der Ausdruck, zwar von großer Schönheit,
aber die große Weichheit der Darmstädter Ma-
donna mit ihrer unendlichen Anmuth und ju-
gendlichen Naivität, entspricht bei weiteur mehr
der Idee feiner Madonna.. Das Christaskindchen
auf ihrem Arm ist von einer milhen Freund-
lichkeit und Lieblichkeit im Ausdruck und wiUde
niemals Veranlaffung gegeben haben, eine
Geschichte zu erfinden, um die Kränklichkeit im
Ausdruck des Dresdener Bildes zu erklären, die
dort allerdings höchst auffallend ist. Wiederum
zeigt der Körper des Kindes große Schönheit i >
der Zeichnung, man sehe den Contour de-. Brust,
der mit einer Meisterschaft gezogen ist und ein
Verständniß der Form documentirt, daß nur ver-
sucht sein möchten, Holbein selbst habe hier Hand
angelegt. Aber die Weichheit des Fleisches steht
hier, wie überhaupt im ganzen Bilde, weit zurück.
In dem Kopfe des Bürgermeisters vermissen wir
die Innigkeit des Darmstädter, ebenso in dem
knieenden Jüngling, der hier aus dem Bilde heraus-
schaut, während im Darmstädter er auf den nackten
Knaben den Blick richtet.
Am auffallendsten ist aber die Auffaffung der
Frauenphystognomien in dem Dresdener Bilde ver-
schieden von der auf dem andern Bilde; während
hier innere Hoheit und Seelenadel aus den beiden
Frauen mit der nonnenhaften Kopftracht leuchtet,
erblicken wir dort, bei allem Streben nach Aehulich-
keit in den Gefichtszügen, eine gewiffe Rohheit der
Auffaffung, die, unterstützt durch den unangenehmen
rothen Fleischton in den Köpfen, an Gemeinheit
gegenüber dem klaren, tiefen Ausdruck der vorderen
Frau auf dem Darmstädter Bilde streift. Ebenso
\ seelenlos ist der Bück der vorne knieenden weißen
\ Mädchengestalt. deren Studienkopf als Handzeich-
\ nung tu der Nähe hängt. Auf dem Darmstädter
I Bilde hatte auch ste einst aufgelöstes, über die
> Schulter herabhängendes Haar, bevor der Meister
ihr die reich mit Gold und Perlen gezierte Kops-
; brdecknng aufsetzte; man steht, gegen da« Licht ge-
1 sehen, noch die Spuren dieser Aenderung, ein fror
; alle diejenigen, welche die Originalität eines Bildes
j nicht in der inneren Auffaffung und der qualitativen
\ Beschaffenheit eines Bildes suchen, sondern durch
\ äußerliche Merkmale darthun wollen, untrügliches
\ Zeichen der Ursprünglichkeit. Es ist ° unglaublich,
' daß ein Künstler, welcher den Mädchenkopf auf dem
Darmstädter Bilde geschaffen, denselben bei einer
Wiederholung so vergröbern und ins Unedle
übertragen sollte. Wir wollen die Behand-
lung der Hände nickt im Einzelnen durchgehen,
empfehlen aber die Vergleichung auf beiden Bil-
dern, um in jedem Finger die Originalität des
Darmstädter Bildes zu constatiren. Das Bein
> und der Fuß des knieenden Jünglings, mit rothem
! Tricot bekleidet, ist auf dem Darmstädter Bilde mit
einer verständnißvollen Einfachheit gemalt, die wir
auf dem Dresdener Bilde in gedrechselte und ge-
quälte Nachahmung verkehrt sehen.
„Hände, Fuß' und Haar
Die sind des Teufels Waar'!"
sagt einmal ein alter Maler — wenn cs nicht etwa
Lucas Cranach war, so könnte es auch Holbein
selbst sein.
Sehen wir uns nun einmal das Haar auf bei-
den Bildern an, nachdem wir Hände und Füße ab-
solvirt, so finden wir auf dem Darmstädter das
Haar überall der Kopfform angeschmiegt, so daß
nicht allein die Form des Schädels darunter ficht-
bar wird, sondern wir sehen auch das Haar in
Particen, die eine mannigfaltige Schatten- und
! Lichtmaffe bilden, vertheilt — man vergleiche also
! den Haarwuchs des Jünglings und des vor ihm
i stehenden Knaben mit dem aus dem Dresdener
l Bilde; hier sind es Perrücken, das Haar ist nicht
: angewachsen, fallt hart und reizlos auf die Stirn,
j wie auch beim Bürgermeister. Die Flechten des
vorne knieenden Mädchens sind nicht einmal von
Haaren geflochten — und nun gar erst ihre gold-
! und perlengestickte Kappe, sammt der Krone der
Madonna — wie reizvoll und lichtvoll, von wie
: liebevoller Durchführung sind diese Nebensachen
von Holbeins Hand gemalt ans dem Darmstädter
Bilde — wie lichtlos kalt und ungeschickt dagegen
auf dem Dresdener Bilde! —
Es bleibt uns nun noch übrig die Vergleichung
der Gewandungen.
Geradezu unfaßlich ist es, daß Holbein, der
das lichtblaue Gewand der Madonna mit klaren
Falten gemalt, bei einer Wiederholung nicht mehr
gewußt haben sollte, mit welchen Farben er diesen
Ton gemischt. Denn daß er von dem bei der Ma-
donna typisch gewordenen Blau des Kleides abge-
wichen mit Absicht, ist nicht denkbar. Dahingegen
dürfte es einem anderen Copisten sckon schwerer
werden, die Farben, aus denen das Gewand ge-
malt, zu erkennen. Möglich, ja wahrscheinlich ist
es, daß das dunkelgrüne Kleid der Dresdener Ma-
donna, welches jetzt einen tintenartigcn, schweren
Ton hat, einst der Farbe des Originals ähnlicher
gewesen ist. nur find die Lasuren mit der Zeit so
entsetzlich nachgedunkelt. Der rothe Gürtel der
Madonna, defien Enden lang herabhängen, ist herr-
lich gemalt aus dem Darmstädter Bilde, in seinem
Fall sich umlegend und natürlich faltend, -während
er auf dem Dresdener Bilde mehr angestrichen als
gemalt ist. Am deutlicksten tragen aber die Gold-
brokar-Aermel der Madonna das Gepräge der Copie
— einer recht schlechten — jeder Laie steht deutlich
den Unterschied — wie breite Lichtflächen zeigen die
Darmstädter Aermel; wie voll fitzt der Arm dar-
unter, und doch wie lebendig maskiren sich die Fal-
ten in der breiten Lichtfläche. Alle diese Falten
find in der Dresdener Lichtfläche scrupulöS nach-
gemacht — nur ohne das mindeste Verständniß, die
ganze schöne Lichtfläche zerstörend. Von der Nach-
ahmung der schwarzen Gewänder de- Bürger-
meisters und der beiden weiblichen Figuren läßt sich
eben auch nichts besseres sagen, und das gelbe Ge-
wand des Jünglings mit dunkclrothem Sammet ver-
i bramt, ist kalt und todt in Farbe und Modellirung,
, ohne Licht, ohne Wärme.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Und es ist nicht etwa bloß der gelb gewordene
Firniß, der die goldige Harmonie des ganzen Darm-
städter Bildes ansmacht — das grüne Gewand der
Dresdener Madonna wäre durch keinen Firniß der
Welt leuchtend und warm herzustellen — es ist eben
die Transparenz der Ursprünglichkeit der Farben-
gebung, die das Schaffen nothwendig begleitende
Begeisterung, die den FarbenZanber über die ganze
Schöpfung zieht — und diese Begeisterung fehlt
der Dresdener Copie, muß jeder Copie jeden Bil-
des fehlen.
Jede Copie, die ich noch gesehen habe, ist
dunkler und weniger transparent als das Original
— leuchtender in der Färbe niemals. Wer jemals
das Bild eines Anderen oder gar sein eigenes
copirt hat, wird sich erinnern, wie schwer es ge-
worden, in der nachgeahmten Modeüirung trans-
parent im Ton zu bleiben, während beim Original
oder beim Arbeiten nach der Natur die Trans-
parenz von selbst kommt.
Vergleichen wir auch noch das weiße Gewand
des Mädchens auf dem Darmstädter Bilde mit
seiner feinen schwarzen Stickerei auf den Aermeln
— wie reizend ist das Muster darauf gezeichnet,
mit wie sicherer Hand in seiner Kleinheit hinge-
schrieben — wie unsicher, holperig und ungleich
wiederholen sich die kleinen Muster auf dem Dres-
dener Exemplar. Holbein selbst würde bei einer
Wiederholung sicherlich das Muster nicht so treu
nachgeahmt haben, wie es der Copist augenschein-
lich sich bemüht hat, — er hätte vielleicht ein ähn-
ttches gemacht, aber mit derselben Sicherheit wie
das frühere. In solchen kleinen Nebensachen suchen
Wiederholungen von ein und demselben Meister
niemals genau nachzuahmen; die Nachahmungen
darin verrathen mehr als alles Andere, die Copie
von anderer Hand.
Erwähnen muffen wir noch, daß der knieende
Jüngling auf dem Darmstädter Bilde eine grüne
Tasche trägt, während dieselbe auf dem Dresdener
Bilds schwarz ist und ein recht störendes Loch in
der Lichtmasse macht.
Diejenigen, welche die Originalität des Dres-
dener Bildes vertreten, werden uns vorwerfen, wir
lassen auch kein gutes Haar an ihrem Bilde; doch
wir sind der festen Ueberzeugung: von den Be'-
suchcrn der Ausstellung, welche unbefangen ver-
gleichen, werden Wenige heimkehren, die nicht un-
serer Ansicht wären; — freilich ist es empfindlich
für das Dresdener Museum, einen seiner schönen
Edelsteine von allen Seiten als unächt verschreien
zu hören und unheimlich muß dem Bilde allerdings
sein, wenn cs nun zurückkehrt auf seinen alten
Ehrenthron, den man ihm nicht ohne eine gewisse
Prätenfion in einem Separatzimmer mit wenigen
Gefährten errichtet hat.
Mögen sich die Dresdener damit trösten, daß
von allen herrlichen Portraits des Meisters Hol-
dein das ihrige, der Goldschmied Heinrich VIII.,
Morett. unangefochten das schönste bleibt, das er-
habenste Wunderwerk deutscher Portraitmalerei
was so lange von den Dresdener Kunstkennern
verkannt und unter einem ftemden Namen, freilich
vom besten Klang, im Katalog aufgeführt wurde
— man schrieb es bekanntlich früher dem Leonardo
da Vinci zu — bis es actenmäßig mit unwider-
leglichen Beweisen unserm gefeierten HanS Holbein
dem Jüngeren zurückgegeben wurde.
Außer diesen Hauptbildern enthält die Aus-
stellung aber noch eine ganze Reihe schöner Werke
unseres Holdem, besonders Portraitbilder, die im
Allgemeinen zu unbekannt fein dürften, als daß
wir sie einzeln aufführten oder gar beschrieben.
Die Museen von Berlin, Braunschweig, Karlsruhe,
Darmstadt, Gotha und andere Sammlungen haben
hergegeben, was ste an Originalgemälden und be-
sonders an Handzeichnungen besaßen. Andere
größere Museen haben, eingedenk der sich so oft
wiederholenden Eisenbahnunfälle, es nicht gewagt,
ihre Schätze von Holbein'scheu Bildern den Wechsel-
fällen einer größeren Reise preiszugeben — einen
Vorwurf kann man ihnen daraus eben nicht
machen.
Sie haben dafür, »m einen möglichst weiten
Ueberblick zu geben derjenigen Werke, die von Hol-
Lein noch in der Welt vorbanden sind, die Photo-
graphien nach den Originalbildern geschickt, wie es
Wien und München, Basel und andere gethan.
Um so dankbarer ist es anzuerkennen, daß viele
Privatsammlungen ihre kostbaren Werke von Hol-
bein eingesendet haben. Vor Allen hat die Königin
von England ihre prachtvollen Holbcin - Portraits
hergegeben, und der Katalog nennt uns eine ganze
Reihe von Privatpersonen, welche schätzbare Bei-
träge geliefert haben.
Ebenso führt uns der Catalog einzeln die
Handzeichnungen und Holzschnitte auf, so daß die
Anzahl der Werke Holbein's stch ans 440 beläuft,
darunter die allerintereffantesten Sachen, sowohl als
Handzeichnung, wie auch durch die Persönlichkeiten,
welche sie darstellen. '
Endlich ist auch noch ejn von einer Dame dem
Muster des Teppichs auf dem Darmstädter Bilde
nachgestickter Teppich ausgestellt, ändere Damen
waren eifrig beschäftigt, sich Muster und Farbe des
Teppichs in genauester Richtigkeit aufzuzeichnen, um
ein Gleiches zu thun. Welch einen Beleg für die
gewiffenhafie Durchführung beö Details aus Hol-
bein'schen Bildern haben wir in der Möglichkeit,
daß das Muster eines in der Verkürzung gemalten
Teppichs nach einzelnen Stichen abgezählt werden
kann! und daß dennoch die Gesammtwirkung des
Bildes bei solcher Durchführung eine durchaus colo-
ristiscke und breite bleibt. Ein Tizian kann nicht
schöner sein in der Farbenwirkung, als das Bild
der Darmstädter Madonna von Hans Holbein, dem
leuchtenden Vorbild uns deutschen Malern für alle
Zeit. Kein deutscher Künstler wird diese Ausstellung
besuchen, ohne die erhabensten Eindrücke zu empfan-
gen, — aber auch keiner ste verlaffen, ohne stch vor
die Brust schlagen zu muffen, ohne in seines Her-
zens Tiefe auszurufen: Herr, sei mir armem Sün-
der gnädig! —
Für diejenigen unserer Leser, denen es ferner
liegt, die Geschichte des Künstlers eingehend in
ihrer Entwickelung zu verfolgen, sei folgende bio-
graphische Skizze gegeben:
Holbein wurde 1495 zu Basel geboren und
starb 1543 zu London an der Pest. Er war der
Schüler seines Vaters, Johann Holbein des Nette-
ren, dessen Bilder häufig für die seines Sohnes
gelten konnten. Bald jedoch überflügelte er seinen
! Vater. Er lebte in Basel und Augsburg, hat
zahllose Portraits gemalt; Zeichnungen und Holz-
schnitte sind ebenfalls in großer Menge aus uns
gekommen.
Leider sind uns die meisten seiner großen Wand-
bilder verloren gegangen, wie dir de- Rathhaus-
saales zu Basel, die Hausfayade zu Luzern, da«
große Familienbild Heinrich VIII. von England zu
Schloß Whitchall, welches 1688 verbrannte; ebenso
der Triumph des Reichthums und der Armuth und
andere. Die Zeichnungen und Theile von Cartons
sind unS davon erhalten und geben uns eine Idee
von der Großartigkeit dieser Schöpfungen.
Holbein's Freund, Erasmus, den er vielfach
gemalt, sah, daß des Künstler- großartiges Genie
im Schweizerland doch keine rechte Nahrung fand,
und veranlaßte ihn, nach England zu gehen, wo an
dem prachtlicbenden Hofe Heinrich Vffi. sein Talent
die größte Anerkennung fand. Thomas Morus, der
große Gelehrte und Staatsmann, sein und seiner
Familie Portraits sind in Handzeichnungen auf der
Ausstellung — war durch Erasmus Empfehlung
sein eifrigster Befürworter, und Holbein stand beim
König in hohen Gnaden; der König nahm ihn in
seinen Schutz, als Holbein einen hohen Lord, der,
als er gerade eifrig bei der Arbeit war, in seine
Werkstatt gewaltsamer Weise eindrang, die Treppe
hinunter geworfen.
Seine Heimath zu verlaffen, entschlöß er stch
um so leichter, als er. mit einer älteren Wittwe
verheirathet, von diesem bösen Weibe entsetzlich
gequält wurde. Zwar kehrte er noch einmal zurück
und der Baseler Rath that sein Möglichstes, ihn
dort zu fesseln, allein er ging wieder nach Eng-
land, wo er als Hofmaler Heinrich VIII. schon im
48. Lebensjahre an der Pest starb. O. Heyden.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Nr. 337.
Sonntag, 3 December
1871.
Correspondenzen sind an die Redaction, Inserate an die Expedition der -Uigswsissn Leitung franco an richten.
Insertionspreis nach aufliegendem Tarif.
Verlag der I. G. Cotta'scheu Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. I. v. Gvsen.
Usbersicht.
Holbein Ausstellung in Dresden. (HI. Resultate.) — Zur englischen
Literatur. — Hr. v. Treitschke über Graßherzog Leopold von Toscana.
Treueste Pfosten. München: Auflösung drs Handelsministeriums
und Vertheilung von dessen bisherigen Geschäften. Reichsgoldmünzs.
Stuttgart: Telegramm des Kaisers. Berlin: Die heutige Neichs-
tagssitzung. Die Cmruption in Belgien. Paris: Graf Beust. Er-
schießung Cremieux'. Die Leiche Ferw's.
WrrHerordentLiche Beilage. Nr. 833.
Telegraphische Berichte.
" Stuttgart, 2 Dec. Die Abgeordnetenkammer nahm den Antrag
des betreffenden Ausschusses an: mit den Kriegsentschädigungsgeldern die
4VrProe. Staatsschuld zu tilgen. Der Antrag Pfeiffers: außerdem noch die
5pwc. und 6proc. Staats odligativnen aufzukaufen, wurde abgelehnt.
* Berlin, 2 Dec. Die „Nordd. Allg. Ztg." bezeichnet die Cir-
culardepesche Andrassy's als ein Friedensprogramm und neues Pfand der
Freundschaft Deutschlands und Oesterreich - Ungarns. Dasselbe Blatt
bespricht den Vorfall in Rio; nach deutschen Berichten sei ein vorbereiteter
Ueberfall unter der Eonnivenz der brasiüschen Polizei und dem Einflüsse
dortiger Franzosen anzunehmen; eine gründliche Ermittlung des Sach-
verhalts fei unerläßlich: die deutsche Regierung würde sich glücklich schätzen
wenn kein Anlaß vorläge auf Genugthuung zu dringen.
* Berlin, 2 Dec. Der „Kreuzzeitung" wird die wiederholt auf-
tauchende Nachricht: die Regierung beabsichtige die facultative Civilehe
vorzuschlagen, als unrichtig bezeichnet. Es handle sich vielmehr um die
Noth-Civilehe.
* Drs-SdLn. L Dsc. In seiner Rede zue Eröffnung des Landtages
gedachte der König der Wiederherstellung der Kaiserwürde, des ruhmvollen
Antheils der sächsischen Truppen am Kriege, sowie der opferwilligen Hin-
gebung aller Classen derB Witterung. Ein geordneter Zustand der Finan-
zen ermöglichte die Mobttlsirnug aus der Staatecaffe ohne Beihülfe des
Reichs, und rasch erholten sich die Verhältmffe des Landes. Vorgelegt
wurden: eine Reform des Vvlksschulwesms, Organisation dr Verwal-
tungsbehörden, Revision der Gemeindeg» s tzgebung auf Grundlage einer
ausgedehnten Selbstverwalrung, Verbesserung der Beamtengehalte. Das
Verhältniß zu allen auswärtig n Staaten blüh dasselbe freundliche wie
früher. Dem Reiche gegenüber hielt d»r König an der früyer angedeu-
teten Stellung fest.
Weitere Telegramme stehe fünfte Seite.
Holbeirr-Urrsstellung in Dresden.
UI. Resultate.*)
* Die (durch ein Mißverständlich verursacht ) lange Unterbrechung
zwischen den früheren Berichten und diesemSchlußbencht hat denBortheil
daß ich eine große Menge in.,wischen laut gewordener Meinungsäuße-
rungen übersehen und von den Eindrücken einer Rundreise durch die her-
vorragendsten Hvlbeinorte in Deutschland Nutzen ziehen kann.
Die Holdem Ausstellung ist wohl für die Jugendgeschichte Holbeins
und fern Behält, ch z>m Barer enticheidend geworden. Frerüch war bei
weitem nicht alles dort was zur Münz der Streitfrage nothwendig ist,
doch genug um sie in Fluß zu bringen, und um dw Nothwendigkeit nahe
zu legen über ste mit werter hergeholten Mütein ins reine zu kommen.
Nachdem die berüchtigte Augeymger Jnschnft sich als Fälschung er-
wiesen hat, Holdein also unzwe-ftlhuir erst 1497 oder gar 1498 geboren
ist, nachdem ferner der Km härmen-Mar, durch dre Inschrift ihm nicht
mehr zugewieftn, demjenigen Han-Halbem zugehört der 1512 nach mensch-
licher Wahrscheinlichkert der einzige war dem man ein so außerordentlich, s
Werk zutrauen konnte, fallen auch die anderen sogenannten Jugend werke
Haas Holbsin des Jüngeren eins noch dem andern mit immer größerer
Wahrscheinlichkeit dem Vater zu, die S-lbersuftzeichnungen, die Madonna
mit den Matglöckchen, siche.- das Ächwmz'zche Votiobild, das mit vieler
*) S. Mg. Ztg. sfr. 258, B.
^ Wahrscheinlichkeit in eine für den Sohn viel zu frühe Zeit gerückt wird,
und endlich selbst der Sebastians-Altar in der Münchener Pinakothek.
Das ergibt für Holbein den Vater eine ganz normale Entwicklung, freilich
zu einer Größe hinaus die man sich aus durchaus unzureichenden Gründen
bisher gescheut hat ihm zuzuerkennen, während man gleichzeitig keinen
Ausland nahm einem Kaa?-en die größten Meisterwerke der deutschen Re-
naissance Kunst zuzuschreibenden man als Jüngling zwar in vielen bedeu-
tenden Arbeiten, aber doch auch manchen sehr verfehlten, tastenden Ver-
suchen verfolgen konnte.
So beginnt der jüngere Holbein für uns nachweislich erst mit seinen
Arbeiten in Basel, und zwar war er dort bereits gegen das Ende des
Jahrs 1515. AuS diesem Jahr soll, nach einem Alliance-Wappen zu
schließen, auch ein bisher verschollenes und gerade vor der Holbem-AuS-
stellung entdecktes Werk seiner Hände stammen, welches aus Schilderungen
der Schriftsteller bereits bekannt war. Professor S. Vögelin in Zürich
hat in der Stadtbibliothek nach mühseligem Suchen den von Patin und
Sandrart beschriebenen viereckigen bemalten Ti'ch mit der Darstellung des
populären Niemand, der, ein Schloß vor dem Munde, zwischen alten zer-
brochenen Geräthen sitzt und „alles verbrochen haben soll und sich doch
nicht verantworten kann," aufgefunden. Reigentänze, Jagden in Humor»
strscher Darstellung und Erweiterung des Begriffs und Lanzenstechen sinh
am äußeren Rande herum dargestellt. Die sehr geschickte, trefflich gezeich-
nete und in dekorativem Sinne geistvoll componirte Arbeit hat leider sehr
gelitten. Der schwarze Grund ist durch die Farbe gewachsen, und stellen-
weise zeigen sich nicht unerhebliche Beschädigungen; doch laßt sich bei ge-
nauerer Prüfung das Erhaltene noch ganz wohl erkennen, und die voll»
ständige Uebereinstimmung mit den alten Beschreibungen, wie die unzwei-
felhaft echte Bezeichnung mit Holbeins Namen auf einem erbrochenen
fcp ty natürlich au? dem Tisch liegt daLmran sich wirklich, wie
Cändrart"schreivt,' versucht fühlt danach zu tzreffm, läßt an Holbeins Ur-
heberschaft keinen Zwerfel.
Die Arbeiten der ersten Baseler Periode bis 'zum September 1526
waren auf der Holbein Ausstellung in Originalen sehr spärlich und auch
in Reproduktionen nicht annähernd vollständig vertreten. Die neu aufge-
tauchten beiden H-siligengestalten aus der Kunsthalle in Karlsruhe möchte
ich ablehnen, nicht bloß wegen der sichtlich modernen Inschrift, sondern
auch wegen ihrer ganzen Kunstart, die sie im günstigsten Fall als mäßige
Augsburger Schulbilder charakterisirt, aber mit nichs auf den jüngeren
Howein hinweist. Bon dm Originalen dieser Periode nahmen die beiden
Exemplare der Meysr'schen Madonna weitaus die erste Stelle ein; und
wenngleich ich den Streit über deren Verhältniß zu einander und zu Hol-
bein vom wissenschaftliche» Standpunkt aus für erledigt und mit den
Ntchtüberzeugten für hoffnungslos halte, so will ich doch noch auf einige
Gesichtspunkte anläßlich der Madonna-Frage in Kürze hinweisen.
Weil immer so viel Wesens von der Veränderung der Csmpcsitio»
als einer höchst verdienstlichen Arbeit eines ganz außerordentlicheu Mei-
sters gemacht wird, komme ich noch auf einen hier einschlagende Punkt
zurück. Dreberühmte Architekturveränderung konnte einfach dadurch bewirkt
werden daß die Theile von den Kragsteinen aufwärts ein paar Zoll höher
geparst wurden; was der Copist mehr gethan hat, ist ein Beweis keines
Unverstandes. Von der eigentlichen Eomposition aber hat er die gesammtr
Frauengruppe — von der Verkleinerung des Kopfputzes bei der Verstor-
benen abgesehen, — gänzlich unverändert gelassen; auch die Gruppe des
knieenden Jünglings und des nackten Knaben ist tinf.ch beibehalten; nur
die Figur des Bürgermeisters ist — in sich auch ohne Veränderung — um
so viel in die Höhe gerückt wie sie auf dem Dresdener Bild im Bode»
steckt?)
Bei dem Aufrücken des Bürgermeisters, das an sich eine rein mecha-
nische Arbeit ist, iß aber eine Feinheit zerstört worden die eben mechanisch
nicht empfunden werden kann. Im Darmstädter Bilde ruhen die gefal-
teten Hände d,:s Bürgermeisters fest auf dem Nocken des vor ihm knisens-
den Knaben. Das ist psychologisch richtig und stimmt zu der ruhigen, aber
tiefen Innigkeit im Kopse. Warum wachen wir unsere Betpulte mit einer
Vmdsrlchue? Doch wahrlich nicht bloß um das Gebetbuch darauf zur
lege». Man gehe in sie erste b-ste katholische Kirche, und man wird er,
*) Dieß gibt selbst Fechner S. 78 vnd 98 zu. , .
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
5978
kennen welches ihr vornehmster Gebrauch ist: die gefalteten Hände, ja die
Stirn darauf ruhen zu lassen. Rückt man aber eine solche mit untadeligem
Feingefühl gezeichnete Figur mechanisch vom Boden in die Höhe, so löst
fich der natürliche und wünschenswerthe Zusammenhang mit der Stütze
auf: wir haben das Dresdener Bild, das in diesem Punkt ebenso
hinter der originalen Feinheit des Darmstädter zurückbleibt, wie im Aus«
druck des Bürgermeisterkopfes.
Man sagt weiter auf Seite der Gegner: „So lange nicht der Maler
des Dresdener Bildes in einem andern als Holbein sicher nachgewiesen ist,
kann nur Holbein selbst der Urheber dieser Trefflichkeit sein." Nun wäre
eS allerdings, zum Theil um den Streit gänzlich abzuschneiden, zum Theil
auch an sich ganz intereffant, denjenigen kennen zu lernen deffen mäßige
Arbeit sich des unverdienten Glückes zu erfreuen gehabt hat sich über ein
Jahrhundert im Glanze des Holbein'schen Namens zu sonnen. Aber nöthig
ist ein solcher Nachweis nicht, um dem negativen Resultat des Madonnen«
Vergleichs die Sicherheit einer wiffenschaftlich feststehenden Thatsache zu-
geben: die Dresdener Madonna rührt tu keinem Theil von Holbein her.
Unendlich viele und zum Theil sehr vorzügliche Originalwerke schmücken
die Räume unserer Gallerten als „unbekannt." Sollte sich nicht noch viel
leichter ein Copist dem forschenden Auge entziehen, um so mehr, als beim
Copiren immer etwas von der eigenen Manier aufgegeben und also selbst
der bekannte Meister leicht unkenntlich wird?
Ferneristes viel leichter mit vollkommenster Sicherheit zu sagen: „Der
Und der ist nicht der Meister dieses Werkes," als weiter mit derselben Zu-
verlässigkeit zu bestimmen: „Dieser andere ist der Meister." 4
Wer will da die Möglichkeit behaupten daß der Copist überhaupt je-
mals zu finden sei? Das ist aber auch nur eine intereffante, keine wichtige
Sache. So viel steht fest: daß in den ersten hundert Jahren nach Holbeins
Tode duzendweise holländische und andere, namentlich durch die italienische
Schule gelaufene,Künstler existirt haben die eine solcheCopie sehr vielbeffer
hätten machen können als das Dresdener Bild mit seinen tausend effec-
tiven Stümpereien gemacht ist. So eine Copie wie die nach Raphaels
dellc jaröiniörc von Kare! van Mander in Dresden—um ein ganz nahe
liegendes Beispiel zu nennen — ist,waS treue Wiedergabe der eigenthüm-
lichen Schönheiten des Originals und tüchtige sichere Maltechnik betrifft,
der Dresdener Madonnen-Copie, die sich Holbeins Namen angemaßt hat,
unendlich überlegen. W. Bode's Vermuthung daß Franz Francken der
dielgesuchte Künstler sei, kann fich ja möglicherweise bestätigen, und hat^
jedenfalls den Werth daß wieder einmal eine competente kundige Hand
nach derselben Richtung weist, nach der auch alle übrigen ausgespäht
haben.
Vergleicht man die beiden Madonnen-Exemplare besonders mit Rück-
sicht auf das Verhältniß ihrer Abweichungen und ihrer Uebereinstimmungen
Miteinander, so befremdet es daß derselbe Künstler welcher fich Ln den all-
gemeinen Verhältniffen der Composition große Freiheiten herausgenommen,
sich in den allerpenibelsten Details auf das strengste an sein Vorbild an-
geschloffen hat. Dieß scheint doch wohl nur für einen Copisten wahrschein-
lich zu sein, der sich aus eigenem oder fremdem Antriebe zu einigen mecha«
Nischen Veränderungen der Composition verstieg, darüber hinaus aber nichts
zu ändern wagte. Stellte sich Holbein, wie die Vertreter des Dresdener
Bildes sagen, frei über sich selbst, und corrigirte seine ursprüngliche Com-
position, so mußte er einer solchen Verbesserung so hohen Werth beilegen,
daß er sie in einer seiner Kunst überhaupt würdigen Weise durchführte.
Holbein, der sich mit ein paar mechanischen Aenderungen selber corrigirt
und in allen wesentlichen Theilen seiner Technik hinter sich selbst zurück-
bleibt, ist ein Unding.
Und wenn eS sich noch nur um Flüchtigkeiten und nicht gleichzeitig
auch um die entschiedensten Styllosigkeiten handelte! In dieser Beziehung
muß immer wieder auf die dekorativen Details, und zwar vor allem auf
die verschlechterten ornamentalen Motive in der Architektur zurückgegriffen
werden. Solche Dinge sind wichtig für die Zeitbestimmung, und wenn sie
auch nicht immer die genaue Datirung geben, namentlich in Copien nach
älterem, wo der nachgebildete Styl-Charakter immer einen etwas binden-
den Einfluß ausübt, so steht doch leicht der terminuo ante quem non, das
früheste mögliche Datum, fest. Das ist auch hier der Fall, und das ist auch
von der Gegenseite im Streite gefühlt; daher die Bemühungen diese tekto-
ttischen Bedenken zu beseitigen.
Holbeins Architektur ist, wie die aller Maler, häufig nicht vorwurfs-
frei, wenn man sie als wirklich gebaute oder zu bauende bettachtet. Hin-
gegen zeigt sie immer feinen Sinn für Verhältnisse und besonders für
tektonische Folgerichtigkeit. Unter allen Holbein'schen Zeichnungen konnte
man nur ein einziges Beispiel zeigen wo die statische Function nicht in
der Form des Bautheiles zum leicht verständlichen Ausdruck kam, und die-
ses Beispiel war nur ein scheinbares, mußte nach genauer Untersuchung
aufgegeben werde».
Wie überhaupt, so auch im Darmstädter Bilde, bewsBt Halbem?
Architektur tektonischen Sinn: ein zweigliedriger Architrav über der Nischen-
wand wächst in zwei über einander vorkragende Console aus. Ueber
Architrav und Console läuft ein beendigendes Leiftchen hin, und über der
ganzen Oberfläche dieses Unterbaues — die Console mit eingeschloffen —
wölbt sich die Nischenhalbkuppel. Im Dresdener Bild ein einfacher Archi
ttav, vorn rechtwinkelig abgeschnitten. Vor die Stirn der Nischenward
ein schwacher Pilaster gesetzt, der so in ein zweitheiliges Capital — ohne
tektonischen Zusammenhang mit dem Architrav — endigt, daß das untere
Glied aus einer volutenförmigen Aufrollung des Pilasters selber besteht.
Das schützende Glied wird also von oben her angewickelt und — für das
Gefühl — allmählich aufgewickelt. Eine Beendigungsform (Leistchen)
fehlt, und die Kuppe! wölbt sich nur über dem Architrav, nicht auch über
der Fläche des Pilaster-Capitäls. Das ist ein tektonischer Widersinn, den
man dem Urheber des Darmstädter Bildes nicht unterschieben darf.
Mit den Veränderungen des Teppich-Musters ist es dieselbe Sache.
Man sagt: Holbein könne nicht Lust gehabt haben ein zweitesmal auf einen
Teppich große Sorgfalt zu verwenden. Das Porträt des Gyze im Berliner
Museum mit seiner prächtigen Tischdecke, die dem Darmstädter Teppich
nichts nachgibt, könnte beweisen daß Holbein sich nicht scheut bei wieder-
kehrender Gelegenheit dieselben Nebendinge mit demselben Fleiße zu ge-
stalten; selbst bei Wiederholung derselben Bilder zeigt sich keine Wider-
willigkeit und Ungeduld alles wieder mit Liebe und Verständniß zu ge-
stalten. Jedenfalls konnte und durfte Holbein nicht den Charakter ver-
ändern. Es verschlägt nicht so viel daß die Farbenskala in der Wieder-
holung ärmer, daß die Harmonie der Töne greller und trockener, daß das
Muster in unwesentlichen Partien etwas anders geworden ist; das könnte
man allenfalls der Unlust des sich wiederholenden Künstlers zu gute halten,
der durch Vereinfachung über die Sache hinwegzukommen und durch Neue-
rungen sie sich intereffant zu machen suchen mochte. Aber in dem Einsatz
zwischen den quadratischen Hauptfeldern des Musters ist der Styl-Charak-
ter des persischen Teppichs verlaffen: an Stelle des geometrischen Musters
im Darmstädter Bild ist ein breit und schwer geschwungener Renaiffance-
Schnörkel getreten, von einer Form die vor dem Ende de- löten Jahr-
hunderts vorkommen zu sehen jeden Kenner der Entwicklung des Orna-
ments befremden muß. Zeugt die Gleichgültigkeit gegen den Styl des
Teppich-Musters schon gegen Holbeins Urheberschaft, so verräth sich in dem
Charakter der eingeschmuggelten Form vollends der spätere Nachahmer.
Wer sich weiter für die Sache interessirt, den verweisen wir auf die
meisterhafte vergleichende Beurtheilung der Technik beider Bilder von
I. A. Crowe (im „Neuen Reich," Nr. 37); was dort ausgeführt ist, darf
daher als bekannt vorausgesetzt werden. Niemand der unbefangen sieht,
wird anstehen Crowe beizupflichten wenn er, nach dem Hinweis auf die zu
Dresden vereinigten Hauptbilder Holbeins, sagt: „Kein einziges dieser
Meisterstücke das nicht in der Technik an die Darmstädter Madonna er-
innerte, kein einziges das nur dazu führen könnte das Dresdener Bild als
Original anzuerkennen." Ganz ähnlich urtheilt Schnaase (anderselben
Stelle Nr. 43), und A. v. Zahn hat im „Dresd. Journal" (und daraus
in der „Zeitschr. f. bild. Kunst") noch so viele und treffende Bemerkungen
hinzugefügt, daß kaum noch etwas in dieser Richtung zu wünschen übrig
bleibt.
Traurig sieht es dagegen im Heerlager der Dresdener aus. Ganz
verunglückt ist der Versuch von Albert Jansen („Die Echtheit der Hol-
bein'schen Madonna in Dresden, bewiesen von Albert Jansen). Der Ver-
faffer geht von einer unbewiesenen Voraussetzung aus, verwendet das vor-
liegende Material mit Willkür, und untergräbt schließlich seine eigene Vor-
aussetzung, nämlich die Echtheit des Darmstädter Bildes, indem er Ver-
dacht gegen diese erhebt durch Raisonnements die nur beweisen daß er die
sehr speciellen und unbedingt zuverlässigen archivalischen Erhebungen über
die Schicksale der Holbein'schen und der Meyer'schen Familie kaum vom
Hörensagen kennt. Die „Erklärung der Dresdener Künstler," welche sie
der Erklärung des größeren Theils der deutschen Kunstgelehrten entgegen-
gesetzt haben, zeigt nur wie der Sinn dieser letzteren Erklärung von ihnen
mißverstanden worden ist. Man durfte wohl den Unterzeichnern dieser
letzteren Erklärung, die ja doch Männer sind, zutrauen daß sie nicht die
j kindische Vorstellung haben konnten mit einem „sic volo, sie jubeou eine
I Frage zu beseitigen die vielleicht gar nicht vor ihr Forum gehörte, und viel«
leicht nicht spruchreif war. Sie haben nur, wozu sie wohl berechtigt waren»
Zeugniß ablegen wollen von der Ueberzeugung die sich ihnen gemeinsam»
in dem Moment der für die möglichst endgültige Entscheidung gegeben
war, als die richtige aufgedrängt hatte; sie haben zu dem Zwecke nur die
großen Hauptsachen, auf die es für die Wissenschaft ankommt und über die
sie in gleichmäßiger Richtung klar geworden zu sein glaubten, in scharfer
i Fassung formulirt, eS jedem Einzelnen überlaffend 'sich die speciellen Ge»
! sichtöpunkte, die hiemit noch nicht erledigt sind, und die neuen Fragen.
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auf ©rttttb der gestrudenen Gesammtergebniffes diesen oder jenen noch
interesstren könnten, nach seiner eigenen Ueberzeugung zu untersuchen und
zu beantworten. Die Dresdener haben geglaubt: Erklärung ist Erklärung,
und wenn eine gegen die andere steht, so macht eine die andere wett.
Wenn man zudem noch weiß was manche der Unterzeichner für eine
Vorstellung von Holbein haben, so wird die Sache vollends bedenklich.
Man vergegenwärtige sich nur folgendes Bild des idealen Holbein der
Künstler, im Gegensatz zu dem historischen der Kunstgeschichte. 1489 schon
ist er geboren, das steht in sämmtlichen Auslagen des von dem Hrn. Direc-
tor Julius Hübner redigirten Katalogs der Dresdener Gallerie. Nach 1564
erst kann er gestorben sein; denn von diesem Jahr datirt ein dem Grafen
Erwin Nostiz in Prag gehöriges Gemälde der Holbein-Ausstellung, und an
dem Inhalte dieser zu rütteln hat kaum einer der unterzeichnenden Künst-
ler ohne in diesem Falle „sachverständige" — Unterstützung eines
Kunstgelchrten gewagt. Er malt in der Weise der verschiedensten Maler,
wie die durchweg echten Werke der Holbein-Ausstellung des klarsten be-
weisen, in der sich Anklänge an die französische Schule, an die nieder-
ländische, an die italienische und Gott weiß was noch sonst für welche fan-
den. Er bedient sich, um die Forscher zu täuschen, selbst gelegentlich der
Monogramme fremder Künstler, wie z. B. desjenigen des ein halbes Jahr-
hundert später lebenden Hans Bock auf dem Bilde des Todes der Virginia,
das Hr. Direktor Hübner kürzlich als echten Holbein für die Dresdener
Gallerie angekauft hat. Ja, dieser ideale Holbein geht sogar bei hellem
lichten Tag auf dem Dresdener Zwingerwall als Gespenst um, und er-
scheint seinen getreuen Anhängern, wie sehr ergötzlich und erbaulich izu
lesen steht in dem Brief eines Weimarer Künstlers, der durch mehrere
Zeitungen als Curiosum zu gehen das Glück gehabt hat.
Die späteren Perioden Holbeins waren auf der Ausstellung viel rei-
cher, namentlich durch Originale vertreten, zu denen von Seiten der Köni-
gin von England eine Reihe jener wundervollen Kopfstudien aus ihrer
Sammlung dargeliehen war, nebst anderen Zeichnungen, Bildern und einer
großen Anzahl von Photographien. Mit Zuhülfenahme der Braun'schen
Photographien nach den Baseler Handzeichnungen ergab sich ein Gesammt-
bild des Künstlers, welches gewiß für die meisten Beschauer ein über-
rasch end großartiges war, und das wohl nur wemgeForscher selbst in diesem
Umfange zu übersehen in der Lage gewesen. Je mehr sich hier eine voll-
ständig fest geschloffene Künstlerindividualität dem geistigen Auge darstellte
mit einer keineswegs complicirten Entwicklung, sondern in einem einfachen
Fortschreiten zu immer größerer Sicherheit und Klarheit begriffen, um so
weniger ist es faßbar wenn von manchen Seiten in diese Künstlerindivi-
dualität Zweifel gesetzt und ihr Charakter als ein noch schwankender und
verschwimmender dargestellt wird.
Abgesehen von dem großen Gewinn einer solchen Uebersicht über die
ganze Thätigkeit des Meisters — einem Gewinn der nicht leicht zu über-
schätzen ist — brachte die Ausstellung über Holbein denJüngeren nicht viel
bewndere Belehrung. Hervorzuheben bleibt das Auftauchen eines seiner
vollendetsten Meisterwerke, eines männlichen Brustbildes mit Händen, im
Besitze eines Hrn. Millais in London, der spätern englischen Zeit des
Meisters angehörig. Dasselbe steht mit den ersten Spitzen seiner Por-
trätkunst, mit dem Morett und dem Gyze u. s. w., vollkommen gleich.
Ueber einzelne Arbeiten, die bisher wohl für echt galten, ist der Stab
gebrochen, oder ihre Echtheit ist wenigstens zweifelhaft geworden. Auch
das ist Gewinn für die kunstgeschichtliche Forschung. Zu den unzweifel-
haft verworfenen gehört das eine Exemplar der Kopfstudien zum Thomas
Wyat in der Handzeichnungensammlung der Königin von England, das
nicht nur minder sorgfältig, sondern auch ungleich minder geistvoll und
Virtuos ausgeführte Exemplar. — Zu denjenigen an welchen Zweifel er"
regt worden sind, die noch der Bestätigung bedürfen, möchte ich die beiden
ausgeführten Zeichnungen zu Dolchscheiden, die mit dem Todtentanz in
der Berliner Bau-Akademie und diejenige mit parodirten mythologischen
Scenen in Bernburg rechnen. Gegenüber den Skizzen welche von beiden
in Basel erhalten sind, zeigen sie geringe Freiheit: auch ist es wohl nicht
unbedenklich daß sie von der Gegenseite gezeichnet sind, was namentlich in
Verbindung damit daß die Berliner Dolchscheide aus Christian van Mechels
Nachlaß stammt, und also wohl eine Stecherzeichnung zum Zwecke der
Nrproduction in dessen Oeuvre de Holbein ist, ein schwer zu beseitigendes
Verdachtsmoment bildet. Die Bernburger Zeichnung kenne ich nicht im
Original, will daher über sie nicht urtheilen; bei der Berliner scheint mir
die Sache kaum mehr zweifelhaft, doch will ich mich gern bescheiden eine
Anregung zur Untersuchung gegeben zu haben, wenn meine Vermuthung
sich nicht bestätigen sollte.
Weiter noch auf einzelnes einzugehen, würde den mir zugemessenen
Raumüberschreüen, und so schließe ich mit demWunsche: daß zunächst, was
während des Krieges im Jubiläumsjahre nicht möglich war, recht bald
geschehen möge, daß eine möglichst umfassende Dürer'Ausstellung nach
einem der vornehmsten und für Dürer wichtigsten Kunstorte Deutschlands,
Nürnberg oder Wien, ausgeschrieben werde, und mit gleichem Erfolg und
gleich trefflichen Ergebniffen zu Stande komme, wie die dießjährige Hol-
bein- Ausstellung in Dresden. Bruno Meyer.
Zur englischen Literatur.
v. A. Die Tauchnitz-Sammlung hat uns so eben wieder mit einer der
hervorragendstenErscheinungen der englischen Literatur, welche der Sturz des
französischen Kaiserthums hervorgerufen hat, bekannt gemacht. Ihr Titel
ist: „The Members for Paris by Trois Etoiles.“*) Unter diesem Pseu-
donym haben die Schilderungen Pariser Zustände in der Blüthezeit des
zweiten Kaiserreichs, ursprünglich in den Spalten des „Cornhill Magazine"
veröffentlicht, verdientes Aufsehen erregt, so daß sich deren Verfaffer veran-
laßt gesehen sie als selbständiges Werk erscheinen zu lassen. Mit großem
Geschick ist hier das politische Element mit dem romantischen verschmolzen,
und die im Juvenal'schen Styl gehaltene Satire auf das damalige aller
Freiheit und Männlichkeit beraubte Frankreich mit seiner Corruption,
Speculationswuth, Jagd nach Reichthümern und Orden u. s. w., mit so
einschneidender Ironie und vernichtender Ruhe geschrieben, daß dem Buche
nicht leicht etwas ähnliches an die Seite zu stellen sein dürfte. Die Cha-
raktere sind meisterhaft gezeichnet und von außerordentlicher Wirkung.
Die eigentlichen Helden in der fortwährend spannenden Erzählung sind
die Nebenfiguren, vor allen Hr. Manuel Gerold und dessen Sohn Emile,
beide Republikaner von echtem Schrot, die selbst dem viel gerühmten alt-
römischen Heldenthum dieser Art in nichts nachstehen, wie man überhaupt
die Tugenden jener Zeiten mit den hier geschilderten vergleichen kann.
DennMerold entsagt seinem angebornen Herzogstitel und Familiensttz,
und imMuslande lebend verwendet er seine Einkünfte fast gänzlich auf die
Unterstützung bedürftiger Gesinnungsgenossen. Und wie ergötzlich sind
die Ränke des Ministers Gribaud — natürlich wie fast alle im Werke vor-
kommenden Gestalten ist auch er ein wohlgelungenes Porträt — nament-
lich gegenüber dem Börsenkönig Macrobe geschildert. Beide suchen sich
fortwährend zu überlisten; bald siegt der eine ob, bald der andere, bis end-
lich der Speculant in allen seinen Hoffnungen getäuscht zu Grunde geht.
Sein Herz hängt nämlich nicht so sehr am Geld als vielmehr an Rang
und Auszeichnung. Darauf ist all sein Streben gerichtet, und diesem Ehr-
geiz fällt schließlich seine ihm ganz unähnliche Tochter als Gattin deS
HoraceiGerold, des eepublicanisch gesinnten Mitgliedes für Paris, der nach
seines Vaters Tod den Herzogstitel wieder annimmt und sein Familien-
fchloß eben wieder beziehen will, zum (freiwilligen) Opfer. Neben diesem
anfangs als beschränktes Mädchen geschilderten, aber später als Gattin
ihren edlen engelgleichen Charakter entfaltenden Weib entzückt uns die
liebliche und nicht minder edelgesinnte Georgette, welche, wie ihre Freundin
AngÄique Macrobe, wohl geeignet ist uns den Beweis zu liefern daß trotz
allem auch echt weibliche Tugend in Frankreich nicht erloschen und nicht
alles dem Verderbniß anheim gefallen ist, welches die jüngste Katastrophe
zum großen Theil hat vorbereiten helfen. Des Prinzen Arcola, der Tante
Dorothee wäre auch noch als besonders gelungenerund hsrzerhebender Ge-
stalten zu gedenken gewesen; doch mögen diese flüchtigen Worte genügen
den Leser auf das Werk selbst zu verweisen, und er wird unS für die Em-
pfehlung Dank wissen.
H. v. Treitschke über Großherzog Leopold von ToScana.
* Bonn, 30 Nov. In der kürzlich erschienenen 4. Auflage seiner
„Historischen und politischen Aufsätze," Bandtl. S. 345, schreibt Hr. Prof.
Heinrich v. Treitschke wie folgt:
„Der Großherzog von Toscana verwarf noch beim Beginn des Kriegs
(zwischen Oesterreich und Piemont 1859) ein letztes Anerbieten Frankreichs,
das ihm seinen Besitz verbürgte wenn er die Neutralität bewahre. Er
blieb ein Fremder, ein Erzherzog: das lehrte der an seinem Hof auf-
tauchende frevelhafte Gedanke die lieblichste Stadt der Erde zu bombar-
diren. Von allen, auch vom Heere verlassen, entfloh er endlich zu den
Oesterreichern."
Beide Behauptungen sind vollständig unwahr und leiten das Urtheil
der Leser irre.
Je größere Bedeutung die florentinischen Ereignisse vom 27 April
1859 für die Entwicklung der Dinge in Mittelitalien gehabt haben, um
so mehr ist es, so scheint mir, Pflicht des Historikers sich angelegen sein zu
lassen den richtigen Thatbestand festzustellen, und nicht nach Jahren zu
wiederholen was im ersten Moment nur Parteihaß ausheckte.
Großherzog Leopold von Toscana wurde vom Thron seiner Väter
gestoßen weil er in dem Kampfe zwischen Oesterreich und Piemont neutral
bleiben wollte. So der englische wie der französische Gesandte in Florenz
*) Nach einer Notiz in der neuesten Nummer des MhenLnm (vom 18 Nov. d. I.)
wäre der Verfasser Hr. Grenvillc Murray.
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touren über die Loscanische Neutralität, das alte politische Princip
Staates, verständigt. Als der großherzogliche Ministerresident in Paris
bei der französischen Regierung den Antrag auf positive Anerkennung dieser
Neutralität stellte, erhielt er vom Grafen Walewski zur Antwort: es be-
dürfe deffen nicht; jeder Staat der sich an einem Kriege nicht bethätige,
sei de jure neutral, und habe das Recht als solcher betrachtet zu werden.
Der Anklage Florenz zu „bombardiren" beabsichtigt zu haben, sollte
rnan bei einem ernsten Manne der Geschichte schreibt nicht begegnen, wenn
er von Toscana und seinem letzten Herrscher nur das geringste weiß. Die
Versiegelte Ordre an den Commandanten des kleinen den Palast Pitti be-
herrschenden Forts Belvedere, von welchem nie ein böser Schuß gefeuert
worden ist — eine Ordre die man einmal zum Vorwand jener absurden
Behauptung gebraucht hat, war ein einfacher Militärbefehl des comman-
direnden Generals Ferrari da Grado vom August 1858, und enthält nichts
als defensive Dispositionen, wie sie für jeden Waffenplatz ertheilt werden,
und nicht eine Sylbe von einem Angriff auf die Stadt, der wahrlich nie-
mandem in den Sinn kam.
Welche Mittel angewendet worden um es dahin zu bringen daß der
Großherzog „vom Heere verlassen" war, womit die Historie begann, nicht
aber endete, unterläßt Hr. Prof. v. Treitschke seinem Leser zu erklären.
Alfred v. Reumont.
teuere Posten.
: München, 2 Dec. Wie wir Vernehmen, erhielt gestern die
Formations-Urkunde welche die Auflösung des im Nov. 1648 gebildeten
I. Handelsministeriums betrifft, die allerhöchste Genehmigung. Nach der-
selben wird dem äußeren Amte zugewiesen: die oberste Leitung der Siaats-
verkehrsanstalten (Posten, Eisenbahnen, Telegraphen, Dampfschifffahrt,
Ludwigscanal, der Bau der Staatseisenbahnen, die Aufsicht über Privat-
bahnen, die Dampfschiff-Unternehmungen) und das gesammte Zollwesen;
an das Ministerium des Innern kommen Landwirthschaft, Handel, Gewerbe
(welche eine besondere Section mit einem Ministerialdirector bilden), Ber-
sicherungs- und Creditwesen, Statistik, gesammtes Bauwesen und das Ober-
bergamt; dem CultuSministerium ist zugewiesen das gesammte technische
und landwirthschaftliche Unterrichts Wesen nebst Fortbildungsschulen und
thierärztlichem Unterricht. Diese Formationsordnung tritt am 1 Januar
1872 ins Leben. — Gestern ist auf allerhöchsten Befehl der Graveur des
Hauptmünzamtes, Hr. Ries, nach Hohenschwangau abgereist, um dort das
Modell des Bildnisses Sr. Maj. des Königs für die neue Reichsgoldmünze
abzunehmen.
Stuttgart, 1 Dec. Der Deutsche Kaiser hat dem Könige telegra-
phisch seine Theilnahme an dem gestrigen Erinnerungsfeste ausgedrückt.
Der König antwortete dem Kaiser gleichfalls im telegraphischen Wege.
R)
* Berlin, 30 Nov. Der französische Gesandte wohnte der heutigen
Sitzung des Reichstags in der Diplomatenloge bei; der hervorragendste
Punkt derselben, die Rede des Staatsministers Delbrück, welche dadurch
eine besondere Bedeutung gewann daß sie gewiffermaßen im Aufträge des
Reichskanzlers gehalten wurde, und jedenfalls deffen Intentionen wieder-
gab, machte auf den Marquis de Gabriac einen solchen Eindruck daß er
sich in das stenographische Bureau begab um dort Einsicht in den Wort-
laut der Rede behufs telegraphischer Meldung ihrer Hauptpunkte zu neh-
men. — Wir müssen noch einmal auf den Leitartikel zurückkommen, wel-
chen gestern die „N.A.Z." den Vorgängen in Brüffel widmete: er ist eine
Mahnung an die Conservativen. Besorgnißerregend sei die zu Tage ge-
tretene Thatsache daß die Lanarand Dumonceau'sche Angelegenheit, welche
mit Fug und Recht die sittliche Entrüstung der ganzen gebildeten Welt
errege, in Belgien nur liberale Widersacher finde, und daß die klerikale
Lud sogenannte conservative Partei die wahren Grundsätze der Erhaltung
in ungewöhnlicher Verblendung verläugne. In den Kreisen
welche als konservativ galten, und in denen die klerikale Richtung vor-
herrschte, enthülle sich ein erschreckender Grad von sittlicher Fäulniß. Die
Corruption fei neben UltramontanismuS und Cornmunismus der dritte im
Bunde der Feinde Belgiens, welche zu bekämpfen die liberale Presse dieses
Landes sich zur Aufgabe machen solle.
* Paris, 1 Dec. Graf Neust ist gestern früh mittelst Ostbahn in
Paris eingetroffen, und stattete noch im Laufe des Vormittags dem Hrn.
Thiers in Versailles einen Besuch ab. Die Unterredung der beiden Staats-
männer war, wie die „Frz. Corr." berichtet, den obwaltenden Verhältnissen
entsprechend, eine sehr höfliche, aber etwas kühle, wie denn die Beziehun-
gen zwischen den Cabineten von Wien und Versailles gegenwärtig über
bas Maß internationaler Courtoisie nicht hinausgehen. Graf Beufl konnte
gleichwohl, ohne der Wahrheit zu nahe zu treten, den Präsidenten'der
Republik versichern daß die kaiserliche Regierung seine reorganisatorische
Thätigkeit mit der aufrichtigsten Theilnahme und mit den besten Wün-
schen begleite, wogegen Hr. Thiers sich etwas demonstrativ jeder Meinungs-
äußerung über die inneren Angelegenheiten Oesterreichs enthielt. Im
übrigen bewegte sich das Gespräch meist um Personalien, wie die des Pariser'
und Wiener Botschaften Postens u. dgl. m., endlich um private Erinnerun-
gen der beiden Staatsmänner, die sich in ihrer langjährigen politischen
Laufbahn schon oft begegnet sind. Graf Neust blieb bei dem Präsidenten
zum Dsjeüuer, dem auch der Minister des Aeußern beiwohnte; dann
kehrte er noch im Laufe des Nachmittags nach Paris zurück. Er soll
morgen die Reise nach London fortsetzen. — Ueber die gestern in
Marseille erfolgte Hmrichtung des Advvcaten Gaston Cremievx
wird von dort folgendes nähere gemeldet: In der Nacht um
2 Uhr erschien der Rabbiner in dem Gefängniß St. Pierre, um den Ver-
mtheilten aus seine letzte Stunde vorzubereiten. Crsmieux war sehr gefaßt
und antwortete: „Ich werde zeigen wie man stirbt." Er wurde nun zu
Wagen nach dem Fort St. Nicolas gebracht, vor tvelchem der für die
Hinrichtung ausersehene Platz Pharo liegt. Hier bar er noch um einige
Minuten, um eine Dichtung vollenden zu können; dann theilte er dem
Rabbiner Bidrl seine letzten Verfügungen mit, in welchen er u. a. Hrn.
Esquiros bitten läßt ein von ihm begonnenes Theaterstück zu Ende zu
bringen. Um 7 Uhr wurde er in einem Fuhrwagen nach dem Pharo gebracht;
Cremieux nahm, nachdem man ihm das Urtheil verlesen, an seinem Pfahle
Stellung, und richtete an das Peloton nur die Bitte nach dem Herzen zu zielen,
damit sein Leichnam nicht mit verstümmeltem Angesicht in die Hände seiner
Familie zurückgelange. Er ließ sich nicht die Augen verbinden und commandirte
selbst: Feuer! Es lebe die Repub ... Er hatte noch nicht geendet als die
Kugeln ihn zu Boden streckten. Die Leiche wurde den Familien Crömieux
und Molina ausgeliefert, die ihn auf dem israelitischen Friedhof bestatten
ließen. 3000 Mann von der Garnison hatten der Hinrichtung beige-
wohnt. — Die Leiche Theodor Ferr^'s wurde gestern in aller Stille aus
dem Kirchhofs von Levallo § Perret in einem auf zehn Jahre gemiethe-
ten Terrain bestattet; das Grab liegt rmgeschieden von anderen Gräbern.
Kein Geistlicher wohnte der Beerdigung bei; man bemerkte außer der
Schwester Ferrs's nur etwa 30 Personen, worunter einige den arbeitenden
Classen angehörige Frauen. Ein Kranz von Glasperlen und ein Jmmor-
tellenkranz (das Symbol der libre- penseurs) wurden auf dem Grabe
niedergelegt.
Verschiedenes.
* Die längst erwarteten Authentischen Mittheilungen über
Kaspar Hauser vom Bezirksgerichtsassessor Meyer sind nun im Druck
vollendet, und werden demnächst bei Seybolb in Baireuth erscheinen. Diese
authentischen Mittheilungen sind mit Genehmigung der bayerischen Ministerien
der Justiz und des Innern aus den bei den betreffenden Aemtern noch voll-
ständig vorhandenen Acten (im ganzen 42 Folianten, deren jeder über 1000
Blätter zählt) gezogen. Die Angabe Vehse's in seiner „Geschichte der deutschen
Höfe:" daß alle auf Kaspar Hauser bezüglichen Acten durch den damaligen
bayerischen Bundestagsgesanbten nach Wien gebracht worden und von dort nie-
mals zurückgekommen seien, ist demnach unrichtig. Nur wenige Protokolle der
allerersten Vernehmungen Hausers vor der Nürnberger Polizeibehörde konnten
nicht mehr aufgefunden werden. Durch diese „Authentischen Mittheilungen"
wird Kaspar Hauser, entgegen der bekannten Auffassung Fcuerbachs, als
zweifelloser, wenn auch theilweise zu entschuldigender Betrüger entlarvt.
Industrie, Handel und Verkehr.
*** Augsburg, 1 Dec. (Bör senwoche.) Die Gründung neuer Banken
ist noch immer au der Tagesordnung. Mehrere Plätze brachten in dieser Woche neue
Schöpfungen auf den Markt, alle selbstverständlich mit voller Berechtigung und
gleich gutem Erfolge, wie es in der Börseusprache heißt. Wir enthalten uns oft
Gesagtes zu wiederholen, die Lörsen'undigen werden sich schon selbst zu schützen
wissen, das Privatpublicum möge aber auf seiner Hut sein, daß e« nicht schließ,
lich die Zeche bezahle — dem: die Abrechnung auf dem GründungSfelde kann nicht
mehr lange auf sich warten lassen. — Auf unserem Platze fanden erhebliche Um»
sätze in Devisen statt; Amsterdam, London, Bremen, Hamburg und Pari« in
Posten zu steigendem Eurse gehandelt, schließen mit Ausnahme von Paris matter,
Frankfurt und langsichtige Thalerwechsel begehrt. — Bor. heimischen S'.aatöpapieren
waren bproceritige beliebt und bleiben mit 10072 vergebens gesucht, — mau scheiat
vorerst eine weitere Berloosung nicht zu erwarieu. 4proceutige Pfandbriefe bis
% 7* bezahlt, schließen 96V* Geld. — Einen bedeutenden Aufschwung nahmen
Bayer. Vereinöbank-Acüen, die bis 131 7z bezahlt wurden. Augsburger Bank
1065/8 Geld, für Oesterr. Credit zn 13? Nehmer. Eifenbahn-Actieu haben etwas
im Preise nachgegeben, nur Lombarden und Bdrarlbergerbahn höher, letzrere scheinen
ein LieblingSpapier des soliden Capital« zu werden. Elisabeth zu 246 beachtend,
werth; von Ostbahn-Actien kamen Posten zum Umsatz. Oesterr. Silberprlontäteu
stabil doch gtht das flottante Material der beliebten Sorten nach und nach in
feste Hände über; 5 Procent ige Lombarden, Franz-Joseph- und Nordwestbabn-Prio-
ritäten sind zu den jetzigen Curscn als Capitalanlage noch immer preiswürdig,
und dürften beim Jahresschluß weiter steigen. Köln-Mindeuer 3V2 Prämien-
scheine trotz der bevorstehenden Berloosung schwach behauptet.
Berlin, 1 Dec. Die Börse war heute namentlich auf speculativem Ge-
biete fest und zum Theil angeregt; die auswärtigen Notirnngen und die Disconto^
Herabsetzung der englischen Bank wirken günstrg ein. Besonders belebt waren.
Lombarden und Nordwestbahn; auch Credit und Franzosen in gutem Verkehr;
Italiener, Türken, 5proc. Amerikaner gefragt. Schwere Eisenbahnen waren be-
liebt, und bei gutem Verkehr mehrfach höher; Schweizer West- und Unionsbahu
belebt. Banken still und fest; Unionsbank gicug in Posten um. Bon Industrie-
papieren, die im ganzen fest und ziemlich belebt waren, wurden Lanrahütte, ober-
schlesischer Eisenbahnbedarf und Vulcan viel gehandelt. Für inländische und deutsche
Fonds, Pfand - und Reuteubriefe und inländische Prioritäten zeigte sich Kauflust;
fremde Prioritäten fest, aber stiller. Bon Russen waren Bühnen und Englische
in gutem Verkehr. Pester Lproc. Stadtattleihe zum Emissioutcu^se von 81 gut
59*1
zu lassen. Ungarische Anleihe 77"/g bez. — Kölu-Mindener Prämien-
scheine sind folgende Serien heme gezogen: 572, 1086, 2254. — Rum. Cou-
pons 65 bez.
X Wien, 1 Dec. (Börscnrcvue.) Wenn die Leidenschaft des Spiels wie-
der einmal in solcher Weise entflammt ist wie das jetzt an unserer Börse der
Fall ist, so ist es vergebens für alles was in dieser Leidenschaftlichkeit geschieht
einen vernünftigen Erklärungsgrund ausfindig zu machen. Die Börsenraison,
welche jetzt zu unerhörter Hinaufschwiudeluug einzelner Effecten führt, ist einfach
die daß, wenn ein Effect ohne bestimmte Ursache einen gewissen unerklärlichen
Curs erreicht hat, es ebenso einen noch viel hohem erreichen könne. Es gibt
Papiere die man, als sie vor einigen Wochen um 20—30 fl. tiefer standen, nicht
preiswürdig fand, und die seitdem nicht ertragnißreicher geworden, die man aber
dennoch jetzt zu dem hohem Curse noch als fpeculationswürdig kaust, lediglich deß-
halb weil das Spiel ein lebhaftes geworden. Die Curse einzelner Effecten streifen
bereits an die höchsten die sie zur ärgsten Blüthezeit des Gründungsschwindelö er-
langt hatten. Und befinden wir uns dann nicht wieder inmitten eines ganz anö-
Lündige« Gründuugsfchwindels. Sucht man nicht bereits wieder mit der Laterne
nach Objecten für neue Emissionen? Fast jeder Tag bringt uns eine neue Grün-
dung. Man sollte meinen das abgebrauchte Manöver, Actren neuer Gesell-
schaften, deren Statuten niemand kenitt, mit einem hohen Agio ait der Börse ein-
zuführen, könne nicht mehr verfangen? Und siehe da, eö ist in dieser Woche mch-
reren Syndikaten gelungen ihrcir ganzen Äctienvorrath mit erheblichern Agio an
den Mann zu bringen. WaL sogar dem gegenwärtigen GrüudungSwesen den
Schein besserer Qualität gibt, daö ist daß sich die ersten Firmen, die sich 1869
von deni Gründungsschwindel fern gehalten oder wenigstens nur im stillen ver-
schämt mitwirkten, nun am sichersten an demselben betheiligen. Die Directoren
unserer ersten Banken sind fortwährend auf Reisen, um auszuspähen wo sich im
Auölande die hiesige Gründerpraxis durch Errichtung irgend eines Bankinstitutes
importiren lasse. Ist eö nun einer Bank gelungen einen solchen Ableger irgend-
wo anzupflanzen, so entsteht sofort eine Hetzjagd der andern Institute, die gleich-
falls daö Bedürfniß nach ähnlichen Kindesweglegungen empfinden. Es gibt kein
größeres Bankinstitut mehr hier dessen Kinder nicht bereits in den Hauptstädten
des Occidents und — Orients zerstreut wären. So versuchen sich sitzt zwei hie-
sige Institute niit Bankcngründungen in Konstantinopel, die Wechslerbank und
Handelsbank, die beide bereits iu Berlin Mütter geworden, sind nun auch in
Frankfurt mit wenigstens, wie sie behaupten, gesunden Knäblein itiedergekomuten.
Dieses Treiben erhöht natürlich die Spielwuth und wilde Speculativn. Im Vorder-
gründe der letztem standen in dieser Woche selbstverständlich die Bankpapicre, von
welchen Credit gegen die Vorwoche um 13 fl., Angto um 7, Franco um 6, Bank-
verein um 7, Wechslerbank um 6, Handelsbank uni 9 fl. avancirten. DenBank-
actien zunächst kommen jene der Baugesellschaften, von welchen die „Allg. Oest."
ihren Curs abermals, ohne daß eine Rechtfertigung vorläge, um 7 fl. erhöhte.
Daß die Steigerung lediglich dem Spiel und nicht etwa reellen Käufen der
Capitalisten für die Anlage zuzuschreibcil ist, geht schon daraus hervor daß die
Anlagseffecten ziemlich stagnireu, Rentrn und Prioritäten im Verhältnisse zu der
allgemeinen Hausse nur eine sehr geringe Aufbesserung von kaum einem halbett
Procent aufzuweisen haben, und selbst Eiscnbahneffcctcn bis auf einige wenige so-
gar rückgängig waren. Bon den Anlagöeffecten machten nur diejenigen eine Aus-
nahme die eben um ihn zu erweitern in den Kreis der Spccutationspapiere
hineingezogen worden. Ist dieß aber einmal gelungen, so tragen günstige Mel-
dungen, wenn sie eben hinzukommen, dazu bei ein desto rascheres Emporschnellen
zu bewerkstelligen als die reellen Besitzer dieser Effecten sich nicht gen: von ihrem
Besitze trennen, daher leicht Mangel an Material eintritt. So sahen wir in die-
ser Woche Dampfschiff — wozu allerdings die Zuendeführung der Refundirmigö-
angelegenheit beitrug — um 30 fl., Innerberger Acüen uni 15 fl. steigen. Die
Haitsse der lctztern führte auch zur Avance der anderweitigen Montanpapiere. Die
Valuten, die indessen große Neigung zürn Rückgänge zeigen, stagnirtm, weil Zah-
lungen an das Ausland den Eingängen für die voiit Auslande gekauften Effectcn-
mengc daö Gleichgewicht halten.
(Ocsterreichische 100 fl.-Loose von 1861.) Ziehung am 1 December
Gezogene Serien: Nr. 127, 1251, 1638, 2338, 2367, 2682 und 3171. Es
gewinnen: 2^0,000 fl Serie 3171 Nr. 19 25,000 fl. S. 2682 Nr. 82,
15,(00 fl. S. 127 Nr. 96, 10,0(0 fl. S. 2358 Skr. 89; je 5t00 fl.: S 1251
Nr. 89 und S. 2682 Nr. 34; je 2o03 fl.: S. 127 Nr. v4, S. 2367 Nr. 22
und S. 3171 Nr. 47; je 1000 fl.: S. 127 Nr. 58, S. 1838 Ser. 66, S. 2338
Nr. 10. 73 und S. 2367 Nr. 3 72; je 500fl.: S. 127 Nr.4', 83, S. 1251
Nr. 16, 39, 28, 94, G. 2338 Nr. 23, 67, 75, S. 2367 Nr. 49, S. 2682
Nr. 54, 64 und S. 3171 Skr. 20, 96, 98; je 400 fl.: S. 127 Nr.2, 42, 45,
78, 81, 87. S. 1251 Nr. 6, 42, 68, S. 1638 Nr. 28. 58. S. *338 Nr. 25,
37. 65, S. 2367 Nr. 7, 10, 18, 80 82, S. 2882 Nr. 10, 11, 27, 38. 59,
82 und S. 3171 Nr. 2, 23, 2o, 49, 78. Auf alle übrigen in den obigen
Serien enthaltenen Nummern entfallen je 17V st. Oe. W. Auszahlung am
1 März 1872.
Telegraphische Berichte.
* Bern, 2 Dec. Der Ständerath beschloß, eine Subvention für
zwei Militärstraßen zur Deckung der Gränze von Bulle Voltigen unb La
Croix zu gewähren.
* Dkew-Aork, 2 Dec. Man versichert: die Regierung beabsichtige
in den kubanischen Gewässern starke maritime Streitkräfte aufzustellen, um
für den Fall des Ausbruchs einer Jnsurrection oder anderer Unruhen in
Cuba die amerikanischen Interessen zu wahren.
* Habana, 1 Dec. Am Montag brachen hier Ruhestörungen poli-
tischer Natur aus, doch ist die Ordnung wieder hergestellt.
* Lindau, 2 Dec. Getreidemarkt. Weizen stilles Geschäft. Preise un-
verändert. Primasorten 37—371/8' feinste Gattuugen 38—381/2- Gering, unver-
käuflich.
Frankfurt a. M., 2 Dec Erösilmngscurse. Oesterr. Treditactinr
323 V-, Staatsbahn 396, 1860er L 87^, 1882er Amerikaner 97 Lombarden
205 Vk, Silberrente 57?/«, Galizier 260*2, Spanier 31?/g. Tendenz: steigend.
* Frankfurt <su 2 Dec. Schlußcurse. Bayer Lproc. von 1870
100 1/4, 4V2proc. bayer. An!. 997/g, 4proc. bayer. Präm.-Aul. 112 7z, 47,proc.
bayer. Ostdahu 145, uene Emission 126, mit 40 Proc. Einzahl. !26, Wsenz-
bahu 1263/z bad. Präm.-Aul. 1(93/4, 1882er Amerikaner 97 > 2- Köln-Mtndener-k.
—, österr. Silberreute 57%, Papierrente 497/g 1660er L. 87% 1664er L
—, Bankaktie« 811, Kreditactieu 3231/4, Lombarden 205Vg, GtaatSvahn 395%
neue 193, Elisabethbahn 246 7^, Franz-Joseph Prior. 86^/4, Rudolfsb. Prior. 78
Uugar. Ostdahu Prior. 75, Zproe tpau. au öl. Schuld 317/«. Navoleonsd'or 9 19,
Wechsel: London 118*8, Barts 91% Wien 100 sh. Darmstädter Bank 464,
Nordwestb.-Prior. 86/4. böhm. Westbahn 2603/^, Deutsch österr. Bank 118,
Brüsseler Bank 109*4, Wechselbank 10 ? —107 V->—1 7 V4* Tendenz: fest.
* Frarrkfurt a. M., 2 Dec. Nachbörse. Ocherr. Lrebmrctten 323^4,
Staatsbahn 396, 1860er L. 87% 18°-2et Amerikaner 97 y2, Lombarden 2058 8,
Silberrente 57 78, Galizier 26012, Bankactieu —, 3proc. Spanier 311/4. Schluß fest.
* Frankfurt a. M., 2 Dec. Schlußnotirungen. (Ergäuzungsdepesche.)
Staatsbahn-Prwr. 58^4, Lombarden-Prior. 48, Central-Pacific 873/^, 7proc.
Chicago 73%, 5proc. Italiener 6H2, Zettrlbank 121V*, Oberhessen 80%,
Demsche Veremöbank 1228/4.
* Frankfurt a. ®., 2 Dec Abend. Effrctrusocietät. 1882er Amerika-
ner Borwö 977« österr. Silbrrrcute 58, 1860er L. 873/4, Trevnactieu 3223/z,
Lombardei! 2050», StaatSbahnacti.cn 3963/4, Galizier 2607z, Elisabeth-Westbahu
246, oproc. Spanier anst. Schuld 32, neue Staatsbahn 1938/4.
II Berlin, 2 Dec. An gestriger Börse wmden die Acüen des Bergifch-
Märklschen Bergwerksvereins in Dortmund zn 108 eingeführt und heurr
bis 10974 lebhaft umgesetzt.
* Berlin, 2 Dec., 12 Uhr 10 M. Anfangsbericht. Oesterr. Creditictieu
I848/4, 1860er Loose 8774- österr.-stanz. StaatLbahu 226, Lombarden 1173/4,
Italiener 62 W 1882er Amerikaner 9874, Türken 46, Rumänen 4474, Köln-
Mmdener Präm.-Anl. 97 7s, DiSconto Commaudü 224, Galizier lllVa-
Stimmung: sehr fest, lebhaft
* Berit«, 2 Dec. Schlußcurse. Bayer. 5proc. Anl. v. 1870 S0o3/8,
bayer. 4i zproc. Anl. 100, 4proc. Präm.-Anl. 113, bad. Pränu-Alll. 1107z,
l^zproc. preuß. Aul. 102, preußs. Teniral-Boderr-Creditactieu —, Diöcomo-
Commaudit Kölu-Mindener L. 96%, 1882er Amerikaner 981/4, österr.
Sllberrente 58, Papierrcnte 497z, österr. L. v. 1860 37, v. 1864 80,
Creditactien 1843/4, Lombarden 11774, österr.-franz. Staatsbahn 226, neue
Staatsbahn —, Prior. Galizier HIV4, Türken 453/4, Rumänier 447i,
itstl. bproe. Reute 621s- Wechsel: Augsburg 56.20, Frankfurt 56.24, London
6.20, Paris 7872. W:en 348/4. Südd. Bodencreditl'auk —, Nordwefibahn IL68/4,
Darmst. Zettelbauk 1313/g, Oberschl. E.-A.-A. Lit. A. 214, Berliner Wechslerbank
1147/g Uuionbauk 118%, Rhein. Eisenbahn 1617,, sächsische Hypotheken-Pfand-
briefe 30, Preußische Bank 200, Schweizer Westbahn 5274- Tendenz: sehr fest,
belebt.
(*) Berlin, 2 Dec. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen per Dec.
798/4, per April-Mai 79Vs- — Roggen per Dec. 55S/8 per Dec.-Jan. 553/g,
per April-Mai 553/if per Mai-Jum 567;. Tendenz: flau. — Rüböl per
Dec. 27%, per April-Mai 287z. — Spiritus per Dec. 22.10, per Aprü-
Mai 22.12.
(*) Kölu, 2 Dec. Getreidemarkt. (Schlußbcricht.) Weizen fester, hiesiger loco
9.7tya, fremder loco 8.10, per März 8,107$, per Mai 8 l2y2, per Juli 3.15.—
Roggen behauptet, loco 6.15, per März 6, Per Mai 6.372, per Juli 6.6.
Wetter: Frost.
* Hamburg, 2 Dec. Productenmarkt. (Schlußbericht ) Weizen loc»
gefchäftslos, auf Termin matt. Weizen per Dec. 156, per Dec.-Jan. 157, per
8lprck-Müi 165. Roggen loco unverändert, auf Termin matt, per Dec. 112, per
Dec.-Jan. 112, per Aprll-Mai 115. Hafer fester. Gerste still.
* Wie«, 2 Dec. Schlußcurse. Slldcrrcntr 68.2), Papierrente 58.60,
500fl-Loose v. 1860 101.50, lOOfl-t'. ö. 1864 141.50, Baukactien 816, Credit-
actiea 323.60, Lombarden 205.75, Staatsbahn 396, Anglo-Austrtan 292 50,
Frauco-Austriau 130.40, Unionsbank 281.75, Galizier 259.75, Franz-Joseph
212.75, Prior. ICO, Rudolfsbahn 164 50, Prior. 90.80, Elisabethbahn 246.75>
Napoleons 9.3072 Wechsel: Augsburg 98.90, Fraussurt a. M. 99.10, London
117.20, Paris 49.20, Nordwrstbahu 221.50, Prior. 100, Alföldbahll 185.25,
Tendenz: matt.
* Mir», 2 Dec. Mend-Privatderkrhr. Creditactien 323, 1860er Loose
101.50, 1864er L. 141.50, StratSdahuaelien 394, Lombarden 205.50, Napoleons
9.317z Süderrente —, Papierrente 58.55, Franco-Lustnau 130.30, Anglo-
Austrma 293.10, Unionsbauk-Actieu 281.25. Matt.
* London, 2 Dcc Erössnungscurse. 3proc. Consolö 923/.,6 ex , 1882er
Amerikaner 923/z, Türken 487ig, 3proc. Spanier 33.
* Liverpool, 2 Dec. (Äufangsbericht.) Muthmaßlicher Umsatz 10,0/0 B.,
Tendenz: ruhig. Tagesimport 5000 B, davon 2-^0 B. amerikcuuschc.
* Liverpool, 2 Dec. AnfangSbericht. Muthmaßlicher Umsatz r?,QOQ B-
Tendenz: begehn, Preise fest, Tagesimport 4718B ; davon amerckanische 1925 B.
Orleans Nov - Jan.-Verschiffung 9%. Amerikanische aus irgendeinem Hafen
Alles Käufer.
(“) PariS, 2 Dec, 12 Uhr 50 M. Lproc. Rente 56.80, öproe. Aul. 91.75,
Crvd. Mob. —, Staatsvahn 876.25, Lombarden 448.75, 5tzroc. ital. Anl. 65.30.
* Paris, 2 Dec. Schlußcurse. 3proc.^Reute 57.02, bproc. Aul. 92.10,
472proc, Rente 81.50, Crbdlt mobilier 236, Staatsbahn 876, Lombarden 451,
bproc. Italiener 65.75. 1882er Amerikaner 107, Spanier 333/z, Türken 49.50,
Pariser Anleihe 283, Credit foncier 967, Wechsel aus tzrauksurt 216, Ms London
25.75. Goldag-.o per Aäll 1172-
(*) PariS, 2 Dec. Produeteubencht. (Schlußbericht) Mehl 8 Vlarkeu
per Dec. 86, per Jau.-Äpril 67, März und April 87. Tendenz: Preise nominell.
Wetter: 2 Grad Wärme. — Rüböl per laus. Mouat 1147'» per Jan.-April
114.25, März-April 113. Tendenz: matt. — Zucker 68 50.
* Rew-Bork, 1 Dec, Gold 1103/g, Baumwolle 19, Petroleum in Phi-
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Holzstichen.) — Zur Tagesgeschichte: Aus der Seetion für Medicinalresorm und öffentliche Ge-
sundheitspflege bei der 44. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Rostock. Von Dr.
Sachs in Balherstadt. — Kritische Besprechungen: Die Reinigung und Entwässerung der Stadt
Heidelberg nebst einem Anhang über die Wasserversorgung der Stadt. Denkschrift der von dem
Heidelberger naturhistorisch-naediclnischen Verein erwählten ärztlichen Commission. Besprochen von
Dr. Semon. — Nachtrag zu vorstehendem Referat. — A, Hausser, k. k. Feldarzt im 14. Husaren-
regiment in Graz: Wissenschaftliche Beschreibung und Beurtheilung der Garnisonstadt Graz vom
militär-sanitätspolizeilicben Standpunkt aus. Besprochen von Dr. H. Wasserfuhr. — Kleinere
'Mittheilungen: Glycerin-Impfstoff. Erfolge bei Revaccination. Pocken in London. Geburts- und
8terbeverhältniss« Englands, Frankreichs, Oesterreichs und Italiens im Jahr 1868. Desinfcctions-
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Unser nationales Epos, das wie den Griechen die
Homerischen Lieder, wenn unsere Entwicklung eine
einheitliche geblieben wäre, Gegenstand und Aus-
gangspunkt aller deutschen Kirnst und Dichtung sein.
müßte, hat in dieser Ausgabe eine seiner würdige
künstlerische Ausstattung erhalten. Alle neueren Na-
tionen müssen uns um das Nibelungenlied beneiden.
Italiener, Engländer, Spanier und Franzosen be-
sitzen wohl Epvpoten und gereimte Romane, aber
kein wahres Epos wie die Nibelungen, als besten
Verfasser kein Schreiber Konrad, kein Kürnberg,
überhaupt kein namhafter Dichter, sondern die Na-
tion selber anzusehen ist, die ihren Glauben und
ihre Schicksale wie Geist und Gemüth darin nieder»
gelegt und abgespiegelt hat. Darum sollte dieses
Gedicht jedem Deutschen geläufig, dieses Werk io
jedem deutschen Hause zu finden fein.
Stuttgart.
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bietet das so eben in VI. Auflage im Verlage
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(zur leichteren Anschaffung) auch in 18 Lieferungen
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folgen alle Buchhandlugen zur Einsicht-
nahme.
Der Verfasser schildert nicht nur das Geschlechts-
leben und die Geschlechtsorgane des Menschen
physiologisch und anatomisch, sondern widmet
namentlich sämmtlichen dahin gehörendctt soge-
nannten geheimen Krankheiten und deren
Behandlung eine gründliche Besprechung, was
um so zeitgemäßer'sein dürfte, als namentlich die
Behandlung der an letztgenannten Krankheiten
Leidenden m neuerer Zetr häufig von gewiffen-
losen Charlatanen als Mi tel zunt schnellen Geld-
erwerb benutzt wird, wodurch unzählige Menschen,
welche den verlockenden Verheißungen jener Spe-
culanten Glauben schenken, körperlich und dazu
noch unter großen pecuniären Opfern ruinirt
werden — Diesem entgegen zu arbeiten ist der
Zweck dieses Buchs, welchem schon viele dieWieder-
berstclkring ihrer Gesundheit verdanken, und für
dessen Werth wobl die Thatsache genuaend sprechen
dürste daß in sehr kurzer Zeit fünf starke Auf-
lagen (30,000 Eremplare) verkauft wurden.
Außer den erwähnten Krankheiten behandelt
das Werk genau das weibliche Geschlechts-
leben im gefunden und kranken Zustand,
vor, während und nach der Geburt, sowie
die Krankheiten des Wochenbettes, und
gibt die einfachsten und wirksamsten Mittel an
wie man sich in allen diesen Fällen am zweck-
mäßigsten und naturgemäßesteu zu verhalten hat.
Den Schluß des Werkes bildet außer der Phy-
siologie und Psychologie des kindlichen
Lebens noch die diätetische Behandlung
des KindeS vom zartesten Alter, sowie die
Darstellung und Behandlung der Kinderkrank-
heiten. * . (12047)
Wir bitten genau auf den Trtel deS
Buches zu achten!
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3ii der am IS Mai a. c. abgehaltene« ersten ordentlichen Generalversammlung
unserer Gesellschaft wurde beschlossen den Artikel 10 der Statuten in folgen-
der Weise abzuändern:
„Jeder Actic werden für eine angemesiene Zahl von Jahren Dividendenscheine, uud zwar für jedes
Jahr zwei, auf den Inhaber lautend, beigegeben, welche bei Ablauf des letzten Jahres gegen Vorweisung
der Actien bei der Gesellschaftscafle durch neue ersetzt werden."
„Der eine Dividendenschein lautet auf eine am 2 Januar auf die JahreS-Dividende zu leistende
Abschlagszahlung, deren Höhe vom Aufsichtsrathe bestimmt wird."
„Der zweite Dividendenschein lautet aus den Restbetrag bis zur Höhe der von der ordentlichen General-
versammlung genehmigten Gesammtdividcnde, zahlbar am 1 Juli."
„Die Dividenden werden gegen Abgabe der betreffenden Dividenden-CouponS bei der GesellschaftSeaffe
in Micsbach und bei den in öffentlicher Ausschreibung namhaft zu machenden Bankhäusern ausbczayl.t."
Diese Abänderung wurde beim k. bayer. Handelsgericht München r. d. I. angemeldet und dorts dbst
gemäß Schreiben dieser Stelle vom 19 Juni 1871 eingetragen.
Wir machen daher den HH. Actionären hiemit bekannt daß der Umtausch der alten Couponschogen
gegen neue, unter Vorweis der Actien, vom 13 bis 30 December a. c. bei unserer hiesigen Gesell.schastö--
Caffe erfolgt. [13027—^8j
Mieöbach, am 27 November 1871.
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selbe bietet keine bloße Wiederholung und Concipirung
der vielen Erscheinungen über die Jnfallibilität imd
das Concil, sondern eine durchaus originelle Be-
handlung und Kritisirung der kirchlichen Vorfälle,
von höchster, aufsehenerregender Bedeutung. Er
spricht in liebevoller, ergreifender Weise Worte der
Versöhnung, und wird bei der wiffenschaftlichen,
geistreichen Durchführung und Confequenz zum Nach-
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ves Wohngebäude und Dependance, auch für In«
dustrielle und Kaufleute äußerst praktisch einge-
richtet. bequeme Stallung und Remise, »veltläufi--
ger Garten mit Anlagen. Quellen. Obstdäumen.
Rebengängen, Schaukel rc. Reine Lust. prächtige
Fernsicht. Preis 15,060 Gulden.
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die Annoncen - Expedition Haasenstein unv
Vogler in Zjürtch. (H-6728-Z) [12048-50]
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Special-Arzt Dr. Meyer in Berlin heilt bries-
lich Syphilis, Geschlechts- und Hautkrankheiten fübst
in den hartnäckigsten Fällen gründlich und schnell.
Leipzigrr-VtL. 91* * 13704]
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
5984
GSvxsf) Beschluß des Aussichtsrathes ist die Abschlagszahlung auf dir Dividend-; für das Iahtr
1871 mit 5 Procent festgesetzt worden, und rann dieselbe gegen Ablieferung der bezüglichen
Dividenden-Coupons vom 2 Januar 1872 ab mit il. 17. 86 fr. pr. Stctir bet der Grseü-
schaftscaffe in Miesbach ober der Bayerrfcheu VerrinSbavV in München in Empfang
genommen werden. [12029—30j
Miesbach, am 27 November 1871.
Dberdaycrischr Acürn-Grscllschüft für Kohlrnbrrgdau.
Fodr. Dütt
Kunst-^uolion.
Donvevstug Zen 14 Deeern'ver n-'d folgende Tage, Vormittags 9 V? Hbr, werden
Leipziger Strasse Nr. 37 »m Kaiser-Saal 100 Orginal-Aquarellen TOf> Hildebrandt,
darunter die vollständige Madeira Collect on, 50 Originat-Aquarellevt von Mensel,
Decant, Bellanger, Winterhai t er etc., 20 Mi niaturbild er(B iieubeinmalereii
Origina^Oelgemälde, antike Elfenbeinschnitzereien, viele antike Uhren, 1 gr.
antike Bonle-TThr m't Untersata, antike goldene und silberne Sckmucksachen
aus dem 17. Jahrhundert diverse Kunstgegenstände, Antiquitäten,Schild-
platt etc. 1 Sammlung goldener und silberner Medaillen und Münzen etc. ver-
steigert. — Besichtigung: von Freiiag den 8 bis Mittwoch den 13 December täglich
von 10-3 Uhr. & (12093-95)
Frantz, kgl. Auct.-Comm., Charlotien-Str. 62, Berlin.
BMnMHBMMil Wmm
[7^341
Murgthal, Gioßherzogthum Baden.
Jmge Leute aus guter Familie, die sich im Französischen und Englischen zu vervollkommne« wün-
schen, können in einem Institut ersten Ranges, und von Engländern uud Amerikanern besucht, unter günsti-
gen Bedingungen Ausnahme finden. Briefe zu adressiren an P. Hehler (11809—18)
Sckloß SMmäHrttbm’cs, Murothrrl, Groffherzoqtbum Baden.
bestehend aus
CEentfaÄri?,, Kohlenwerk, Steinbrüchen und Oekmwrme mit Wal-
dung
in einer der schönsten Geg ndeu Bayerns mit einem Netto. Ertrag von ca. fl. 80,000 ist gegen eine An-
zahlung von fl. 100,000 sofort zu verkauf n. Gefällige Offerte werden unter E. H. Nr. 70 6 an die
Annoncen Expedition von Rudolf Mofse in München erbeten. [L-091]
!
Bekanntmach, reng.
Der Bierwirth Friedrich Ruf von Augsburg
hm mir eine Klage zustellen lassen, in welcher er
egen AloyS Frhrn. v. Niederer, vormal k.b.
euttnant, unter der Behauptung, er bade ihm
und dem k. b. Oderlieutenanr Moriz Frhrn. jv.
Niederer 1000 fl. unter solidarischer Haftung
vorgestreckt, aus Rückzahlung dieses Darlehens nedft
Verzugszinsen klagt. Hievon gebe ich vein AloyS
Fthrn. o. Niederer, z. Zt. unvckannten ÄusenthaltS,.
mir dem Bemerken illachricht daß an ihn die Auf-
foiderur.g ergangen ist,
binnen 38 Tagen
aus ben dahiw wohnhaften Advocaien einen An-
walt zu bestellen und durch diesen dem Gegenan-
walte. dem k.Adoocaten Dr. Gotthelf, von der
erfolgten Bestellung Anzeige machen zu lasten.
D»'e zug stell len Urkunden liegen auf meinem Ge-
schäftszimmer zur Empfangnahme bereit.
München, den 30 November 1371.
Der lünigl. Staaröanwalt ant Bezirksgerichte
MÜ! chen 1. I. (,12092)
_______________v. Bibra.______________
RüÄehrbefehl.
Auf Antrag der.Maurermeisters-Ehefrau Bar-
bara Bühl er vou Harburg wird deren Ehemann,
der Maurermeister Melchior Bühler von da,
welche sich seit flMvnrteu von seinem Wohnsitze
heimlich entfernt h t und dessen Aufenthalt uitbe-
kan t ist, hieinit öffentlich aufgefordert zu seiner
Eheftau zurückzukehren, widrigenfalls er gemäß
Art. 657 u 658 der P.-O. zu gewärtigen hat daß
er als böslich verlass, nd er Ehecheil ar gesehen unb
die Klage auf Ehescheidung wegen böslicher Der-
lastung zugelassen w rden würde. (1212U-
Donauwörth, am 30 Nsv. 1871.
K. Stadt- und Landgericht.
Kurz, kgl. Stadt- und Landrichter.
Stiimuchutz-Bkkkaiif.
In den kürstl. Fürst end erg'scheu Waldungen
des Forstbezirks Engen, «/* biS l Stunde vsn
der Etsenbahu von Donaue''chingen nach Singen
entfernt, sind einige hundert noch nickt gefasste
Forlen- (Kiefern- Stämme von auserlesener Be-
schaffenheit, einer Sch stlänge vou 12 18 Metern
und einer burchschnittlicheiftNutzhvs maffe von r
bis 3 Kubikmeteun zu verkaufen. Kaufliebhaber
wolle" sich an die fürstliche Forstei Engen «KreiS
Konstanz) wenden. 12115)
2) on au es «hingen, den 29 Nov. 1871.
Fürst! Fiirftenbero'skji«" Dnmimenkanzlti.
Ein Redacteur
wird für eine natronal-l be ake Zeitung in
Norddeutschland gesucht. Offerte gezeichnet: 8.Z.
nimmt die Annouceu-Expednion vou Haasenstein
u. Vogler in Hamburg eMgegi-n. (12100)
Eine pcrsecle Kamme,jungser
sucht bet einer hohen Herrschaft pwent zu werden,
womöglich in Muncken. Gef. Offerte unter H.
Ne. 12’ 16 befördert die Erp. d. Ss. (12116-17)
Cursblatt von 6. Sontheimer.
(12107)
Stuttgart, den i December 1871.
Unter- den neu erstandenen Banken mache ich heute auf die Frankfurter WcchSlerbank
^momentan ca. 108’/, nctir:) aufmerksam und glaube ich das, diese« Institut angesichts de«
günstig«« Terrain« in Frankfurt sehr wobt proSpcrircn wird. Für die Leitung sind erfahrene
und solide Kräfte gewonnen und der EmissionecurS ist durchaus nicht übermäßig hoch gestellt,
so daß immerhin die Cbancc einer Eursstcigerung vorhanden ist. Württ. Notenbank in gu-
tem Der kehr. auch Klrchhrimcr Maschinenfabrik wieder mehr begehrt. Die Fabrik erfreut
stch de« besten Geschäftsgang«. Die Umsätze in amerikanischen Eisenbahnprioritälen nehmen
mledcr täglich an Umfang zu. Da« Publicum überzeugt sich durch die veröffentlichten gün-
stigen Resultate der monatlichen Betriebseinnahmen daß diese Effecten durchaus nicht in die
Kategorie der schlechten Werthe geboren, so bat beispielsweise oic St. Loiii«. und South
Eastern-Eistttbahn im Monat Oktober ein« Mehreinnahme von 3801 Dollar« auf 81 in Be-
trieb befindlichen Meilen erzielt: der EnrS diese« Papier« ist daher wieder wesentlich gestiegen.
Auch für 7% Oregon hält die Nachfrage an und selbst f.% Georgia Aid werden zu dein
jetzigen nicrern Eur« in Posten durch (Kapitalisten am Markt genommen. Alle Berichte stim-
men darin überein daß der Staat Georgia nicht im entferntesten, an eine Benachiheiligung
der BondSbeßtzer denkt und die dießsällice» Gerüchte die Folge politischer Parteimanöver sind;
nach weinen Erkundigungen wäre Georgia einer der besten Südstaatrn. Ter jetzige gedrückte
CurS für dessen Bond« dür fte sich daher al« ein günstiger Moment zu billigem Ankauf eignen.
Ai« fclibe Kapitalanlage unter den Amer. Prioritäten erwähne ich ferner die 6% Buffalo,
New-Aor? und Philadelphia (Stücke--von 000 und 1000 Doll.), sowie die 6% Lerlrgron,
welche von der Missouri Pacific-Bahn garantiri und daher nach meiner Ansicht noch bessere
Garantie al« Südmissouri bieten: e« exifliren nur Abschnitte von 1000 Dollar«. Hiesige
Pfandbriefe gesucht bei fehlendem Material, da einige Institute rie Ausgabe einstellen mußten,
indem Gelder gegen Hopothekcn. weit weniger mehr gefuch, find, feit durch Errichtung be-
treffender Anstalten rem Bedürfniß ’m Lande vollständig entfpiochen wurde.
Für Disconirn bleibe ich ronlantestcr Käufer. Wechsel und Auszahlungen nach Amerika
lbcwerksteUigc ich zu günstigsten Bedingungen. Von heute a» werde« die Per 1 Januar
«Illigcn EonponS für »oll an Zahlung genommen.
Staatspapiere.
Württemb. 60/0 Oblig.
.. .. '
,, „
.. 4°/o ..
„ ö'/,% ..
Bayern 6°/^ „
Oestreich ■? y*% Sifberren je
Spanien 3°/o von 1809 .
Amerika 0°/» von 1881 .
fio/0 von 1882 .
„ 6% von 1885 .
Amerik. Eisenb.-Prior.
6°/o Buffalo New-York
6% Central Pacific.
0°/o l exmgton . .
6% Missouri Pacific
M/s Georgia Aid . .
6% South Missouri.
sto/o Union Pacific . .
7% California Extension .
70'o Oregon u. California
7U0 New-York Oswego .
7o/o Kansas Pacific . , .
70/0 S». Louis ». SouthEast.
7o/0 Springheld u. Illinois
8°/» Union Pacific Omaha
Pfandbriefe.
G®/» Crpdjtvprein . . .
Renten-An«t»U. . .
6% Württ. Llypoth.-Bank
Prioritäten.
So/# Alt'öld.........
S°/o Elis.-B. 1870steuersr
IjO/fl Franz-Joseph .
E«,V Ungar. Osthahn
3o/# Lombarden . .
3<y# Staatsb.-h« ." .
3% Livotmaw . .
Er-
hältlich.
102V4
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käuflich,
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Actien.
Stuttgarter Bank. . >
Württ. Notenbank . ,
„ Verei-shank .
,, Depositenbank
Rheinische Crodübank
Bayr. Haudelsb. München
Oestr-Deutsche Bank
Deutsche Vereinsbank
Kirehbeimer Mas,;h -Fahr
•V/jO/q Bayer. Osibahn.
Loose.
■1% Meining Priorit.-Anl
3'/,°/o Köln-Mindenor .
3% Madrider ...
Brauhschweigor 20 Thli
Meininger 7 fl, . . .
Badische 35 H. . .
ßu/o Oesterreich, von 1860
Ungarische 100 fl .
Weehselcurs.
London 10 PW. St- .
Paris ‘200 Frcs. . .
Wien 100 11. östr. .
Coupons.
Sübcrrenle . . .
O'csterreii h sche. .
Amerik. Goldcoupons
Spanische ....
Banknoten.
Russische . . . »
Englisc! e . . . .
Oe^ierreichische . -
Französische . . •
Amerikanische . -
0isront8atz.
Stuttgart 3 Monat .
Frankfurt 3 „ .
Augsburg 3 „
Berlin 3
/Belehnung v. Werthpapier.
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hältlich.
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Ü
Erste Beilage zu den Berlinischen Nachrichten von
und gelehrttn
-
M 206.
Frankreich.
Paris, 31. August.
sGrafArnim. DieRLumungsfrage. Die elsaß-
lothringische Industrie. General Faidherbe.
Die Befreiungsliga. Belfort. Befestigung von
Paris. Reklame für Napoleon. Verhaftungen.
Schlägerei.) Graf v. Arnim, der vorgestern in Ver-
sailles angekommen ist, hatte eine Unterredung mit dem
Finanz-Minister Pouyer-Quertier und wurde von Thiers
empfangen. Die Zusammenkunft war nur eine sehr kurze.
Aus den Worten des Grafen soll jedoch hervorgehen, daß
Deutschlanv die Räumung, die Frankreich verlangt, an-
nimmt. Selbstverständlich müssen jedoch die Bedingungen,
unter denen dieselbe stattfinden soll, noch geregelt werden.
Die Summen, welche auf die dritte halbe Milliarde noch
rückständig waren, sollen heut bezahlt worden sein, so daß
eine der Hauptbedingungen für die Räumung der Um-
gegend von Paris jedenfalls erfüllt ist. Die weiteren Ver-
handlungen zwischen Deutschland und Frankreich werden
natürlich von dem Ausgange der Discusston über die Pro-
position Rivet, die heut in Versailles begonnen hat, ab-
hangen. Was die Frage Betreffs der freien Einfuhr der
elsaß-lothringcr Erzeugnisse nach Frankreich anbelangt, so
erfährt man, das der parlamentarische Verein Ferray diese
Frage discutirt und sich dahin ausgesprochen hat, die Er-
zeugnisse der elsaß-lothringer Industrie bis zum 31. Dezem-
ber \ des Zolles bezahlen zu lassen, welche die altdeutschen
Waaren bet ihrer Einfuhr in Frankreich entrichten müssen.
General Faidherbe ist nach Lille zurückgekehrt; er war
nicht zu bewegen, seine Austrittserklärung aus der Natio-
nal-Versammlung zurückzunehmen. Faidherbe hatte sich
für die Diskussion über die Nationalgarde als Redner
einschreiben lassen; das Echo du Nord bringt die Ansich-
ten des Generals über dieses Institut, dessen Schicksal
nunmehr von der National-Versammlung besiegelt ist.
Faidherbe tritt in diesem Bekenntnisse als Verfechter einer
von der Armee getrennten Nationalgarde auf und beruft
sich auf das Wort von Thiers: „Die Stadt muß die
Stadt bewachen." — Da die Liga zur Befreiung von
Elsaß und Lothringen in Folge der Beschwerde des Gra-
fen v. Waldersee aufgelöst werden soll, wird jetzt eine
Petition an den Chef oer Executive, welche bereits über
7000 Unterschriften zählt, vorbereitet, um die Erlaubniß,
sich versammeln zu dürfen, trotz Remusat's Versprechen
zu erhalten; in jener Petition wird der Minister des
Auswärtigen ziemlich hart mitgenommen. Eben so ist
eine Agitation im Werke, welche die Fakultäten der Uni-
versität Slraßburg nach Rouen verlegt wissen will. —
Der Deputirte für Belfort ist von der Stadt beauftragt,
von rer Regierung und der Kammer die Genehmigung
zu erwirken, daß die genannte Stadt in ihrem Wappen
die Insignien der Ehren-Legion führen dürfe. — Außer
den Befestigungen der Höhen von Chatillon sollen die des
Moulin d'Orgemont in nächster Zeit in Angriff genom-
men werden. — Gestern Abend fiel in der Nähe des
Triumphbog'...o ein Luftballon mit der Inschrift: „Na-
poleon lll. wirb nach Frankreich zurückkehren!" niever,
Man ist eifrig damit beschäftigt, diejenigen Theile
der Tuilerieen - Ruinen niederzureißen, die bei einem
eventuellen Wiederaufbau nicht verwendet werden,
durch die im September gewöhnlich eintretenden
Regengüsse aber zum Einstürzen gebracht werden könnten,
was möglicher Weise Unglücksfälle- herbeiführen würde. —
Seit mehren Tagen waren die Polizei-Agenten benachrich-
tigt, daß in den Steinbrüchen von VanvreS und Jssy sich
mehrere Personen versteckt hielten; sie bemerkten dann auch
das tägliche Kommen und Gehen mehrerer Frauen mit
ungewöhnlich großen Körben, welche sich alle einem und
^»selben Brunnen näherten und nach einigen Augenblicken
leer ^irückkehrten. Einer der Agenten folgte den Frauen
und wu^e sich mit so großer Geschicklichkeit bei ihnen für
einen versorgn Communisten auszugeben, daß man ver-
sprach, lhn antet«* Tages zu dem Brunnen zu führen, wo
neun andere Communen sich aufhielten. Am andern
Tage war natürlich die Oertttü/eit mit der nöthigen Anzahl
Agenten besetzt; zuerst wurde eine der Frauen verhaftet
und dann an die Brunnenbewohner die Aufforderung ge-
richtet, heraufzusteigen aus ihrem Versteck, wo sie seit 24
Monaten gehaust hatten. Da sie die Unmöglichkeit einer
Flucht oder Hülfe erkannten, gehorchten sie ohne Weiteres;
keiner derselben hatte eine wichtiges Commando gehabt. —
Gestern Abend fand auf dem Boulevard Magenta eine
Schlägerei zwischen Franzosen und Deutschen Statt. Vier
Bäckergesellen, die ruhig vor einem Kaffeehause saßen,
murren an ihrer Sprache von fünf bis sechs Franzosen
als Deutsche erkannt und von ihnen verhöhnt. Die Deut-
schen blieben zuerst ganz ruhig; als die Franzosen aber
nun zu Thätlichketten übergingen, setzten sie sich zur Wehr
uuv schlugen sie aus dem Felde. Die übrigen Franzosen,
welche sich im Kaffeehause befanden, blieben ruhige Zu-
schauer. — Der pariser Gcmeinderath beschloß in seiner
gestrigen Sitzung, das in Zukunft ein kurzer Bericht über
iece Sitzung gleich nach Schluß derselben den Journalen
zugestellt werde.
Versailles, 30. August. sNational-Versammlung.)
Unter den Anwesenden bemerkt man den Cardinal Bonnechose,
den italienischen Gesandten, Jvrome David, Mac Mahon, den
Admiral Saiffet, Lord mit Lady Lyons, den päpstlichen NunciuS,
zu dessen Sette sich Madame Rattazzi befindet.
Die Sitzung wird etwas vor 3 Uhr eröffnet. Nachdem einige
Antrage, darunter einer, welcher die Aufhebung des Belagerungs-
zustandes von Paris verlangt, niedergelegt worden, schreitet man
zur Dtscuisiou über den Antrag wegen der Gewalten des Herrn
Thiers. Hr. de Lavergne erhielt zuerst das Wort, um zu erklä-
ren, weshalb die Minorität gegen den Entwurf gestimmt hat.
Sie hätte gefunden, daß der Antrag Angesichts des Feindes im
Innern und im Aeußern vollständig unpassend gewesen sei.
(Widerspruch aus der Linken; Beifall auf der Rechten.) Unter
dem Vorwände, vorläufig festen Boden zu gewinnen, habe man
den Pact von Bordeaux in einem Augenblicke zerrissen, wo man
so sehr der Ruhe bedurft habe. Neun Commissare von fünfzehn
hätten den Auftrag erhalten, den Antrag zurückzuweisen. Da die
Nothwendigkeit vorlag, von den gerechtesten Beschwerden abzu-
sehen (auf der Linken: oh, oh! auf der Rechten: sehr gut!), so
babeu wir die versöhnlichsten Gesinnungen gehabt. (Nein, nein!)
Wir haben also mit unseren Collegen ein gemeinschaftliches Ter-
rain gesucht und erklärt, daß wir Constiruireude seien, und mit
Stimmeneiuhett, die meinige ausgenommen, die Erhebung
des Herrn Thiers zur Würde eines Präfideuten der Re-
publik angenommen. Indem wir aber diese Würde be-
willigte», wollten wir, die Minorität, daß keine Dauer der Prasi-
^ntschaft hinzugefügt werde und daß Herr Thiers nur durch Bot-
Sonntag, den 3. September
1871»
schäften mit der Versammlung in Verbindung trete. Sein Mi-
nisterium sollte verantwortlich sein wie er. Hier endete das Ein-
verständniß. Im ersten Punkte behielten wir Recht, im zweiten
ist die Absetzung des Präsidenten immer ein gewaltsames und
äußerstes Mittel, während die Aenderung eines Ministers und
selbst eines Ministeriums ohne Krisis vor sich geht. Man hat
uns geantwortet, daß Hr. Thiers nie etc Tribüne aufgeben werde.
Die Majorität der Commission will nur, daß Hr. Thiers es
durch ein einfaches Schreiben kundgiebt, wenn er die Absicht hat,
sich vernehmen zu lassen. Dies war die große Streitfrage, die
zwischen der Majorität und uns bestand. ~ Man schlug uns eine
verkappte Diktatur vor, und dies ins einem Augenblicke, wo
in allen Fragen zwischen Hru. Thiers. und der Majorität der
Versammlung ein großer Mangel an Uebereinstimmung sich kund-
gegeben (Tumult) und Hr. Thterö diese Zwistigkeiten in einer der
letzten Sitzungen offen dargelegt und Erschwert har (neuer Tu-
mult): bei dem Departemeulal-Gesetze, der Reorganisation der
Armee und der Nationalgarden. Ein neuer Streit wird wegen
des Navinel'scheu Antrages (Verlegung der Ministerien nach
Versailles) entstehen. Eine conseroative und liberale Majorität
von mehr als 500 Stimmen (auf der Linken: oh oh! auf der
Rechten: ja, ja!) findet sich immer hier. Ibu«» Alle« steht das
Recht zu, zu befehlen; alles, was daraus abzielt, Sie zu spalten
oder zu schwächen, ist ein öffentliches Unglück. Wir schlagen
Ihnen daher zwei Amendements vor. Das erste besteht m der
Unterdrückung der Worte: „So lauge sie nicht ihre Arbeiten be-
endet hat", die sich im ersten Artikel befinden. Das zweite be-
steht darin, an Stelle der Worte: „er (ThierS) wird jedes Mal,
wenn er es für nothwendig erachtet und nachdem er dem Präsi-
denten seine Absicht kundgegeben, anaehört werden", folgende zu
setzen: „Er wird von der Versammlung jedes Mal angehört wer-
den, wenn er «S durch eine Botschaft verlangt; in der Tagesord-
nung wird dies mitgetheilt." (Auf der Rechten: Bravo!).
Vitet (Berichterstatter der Commission): Der Siegelbewahrer
hat ein Amendement eingereicht, welches an die Commission ver-
wiesen wurde. Die Commission hat sich gefragt, ob die Lücke
wirklich bestehe und ob sie absichtlich gemacht worden sei. Nein,
sie wurde nicht absichtlich gemacht. Ich würde sonst nicht die bc-
dauernswerthe Verantwortlichkeit breser Auslassung übernehmen.
Man kaun sein Vertrauen durch Worte und durch Thaten dar-
thun. Wir haben das Letztere gewählt. Ihm dte Belohnung
gewähren, will sagen, daß er sie verdient hat. Ein Commentar
würde ein Pleonasmus gewesen sein. (Ironisches Gelächter auf
der Linken.) Wir stellen den Antrag, daß Grund vorliegt, das
Amendement des Hrn. Dufaure anzunehmen. (Bewegung in ver-
schiedenem Sinne.)
Dufaure: Wrr waren zwilchen die beiden Gewalten als Dc-
putirte und Minister gestellt. Wir mußten also den Gefühlen
der Kammer und denen deö Hrn. Thiers Rechnung trage». Wir
fürchtete» beim Vortrag des Berichts, daß einige Empfindlichkei-
ten gegen die Absicht der Commission sich erheben könnten. Die-
seö war der einzige Grund, weshalb wir auf der Tribune erschie-
nen- Wir waren sicher, daß die Commission mit uns complotti-
ren würde, um jene heut so nothwendige Eintracht aufrecht zu
erhatten. Sie nimmt unter Amendement an; eö lagen andere
vor, denen wir uns hätten anschließen können (aus der Linken:
oh! oh!), aber Angesichts dieser Uebereinstimmung der Commis-
sion schließen wir uns ihrem Projekte an. (Zeichen lebhafter Be-
friedigung auf der Rechten.)
Präs.: Es liegen mehrereGegenprojecte vor. Einige derselben
werden von den betreffenden Dcputirren zurückgezogen. Unter
denselben befindet sich auch de Cho.seu!. , Die Regierung hatte
sich zuerst für seinen Entwurf ertlart; da dieselbe aber später sich
de»n Projekte der Commission anschloß, >o fällt die Nützlichkeit
desselben weg.
Pascal Duprat hat für den ersten Paragraphen des Em-
gaugs zum Dccrel, welches die constitutrenden Gewalten der Ver-
sammlung festsetzt, ein Amendement gestellt. Er verlangt, daß
derselbe durch folgende Worte ersetzt werde: „Die Natwnal-Ver-
sammluug, in Erwägung, daß eie dringlichen Pflichten, welche für
sie zu erfüllen bleiben, noch nicht gestatten, einer, anderen Ver-
sammlung, welche die definittve Coustitulrung Frankreichs als
Mission hat, den Platz abzutreten re." Was, fragt Pascal Du-
prat, ist die Natur und die Tragweite Ihres Mandats? Zwei
extreme Meinungen sind in dlcier Bezlehung vorhanden. Der
einen zufolge ist Ihr Mandat erloschen. Sie haben sogar die
Grenze desselben überschritten. Sw hätten sich also nur vor
dem wahren Souverän zurückzuziehen, von dem man hier nicht
sprich»! (Erregung). Nach der anderen sollen Sie kaum bcuu
Beginne Ihrer Arbeiten sein, und Sie sollen Frankreich eine
Verfassung geben. Ich billige weder die eine noch dw andere.
Ja! Sie haben dringliche Pflichten zu erfüllen: daö Budget zu
votiren, die Armee-Reorgantsation und das Wahlgesetz zu er-
neuern. Aber Sie wollen alsdann Frankreich eine Versassung
geben, dieses Recht haben Sie nicht. Sw sind nicht so souverän,
wie Sie behaupten. Herr Thiers sagte es Ihnen eines Tages,
daß Sie es vollständig seien, aber er schmeichelte Ihnen au diesem
Tage. (Heiterkeit). Und übrigens fügte er hinzu: „Souverän,
aber nicht coustttulrend." Sie wurden in Folge der Friedens-
Präliminarien gewühlt, am 28. Januar wurde dieses Ueberein-
kommeu uuterzerchnet. Erinnern Sie sich des Artikels 2.?
(Wahl einer Versammlung, um zu wissen, ob der Krieg
fortgesetzt werden und unter welche» Bedinguugen der Frieden
gemacht werden soll.^ Bel ca siel: Ich frage Sw, ob Sie Ihr
Mandat von den Preußen erhalten haben? Pascal Duprat:
In acht Tagen gemachte Wähle», damals war noch jeder Ver-
kehr unmöglich: kein Wort von Verfassung! Nichts als die
Kriegs- und Friedensfrage! Erinnern Sie sich der Wahlen vorn
2. Juli? In dcuselbeu hat eine Idee, dw der Republik, vorge-
herrscht. Sogar die Pariser Depulirieu, welche am 2. Juli hier
eingelreten sind, sagten, daß Sie keine Eonstituirende seien. Neh-
men Sie sich in Acht! Niem Amendement kann Sie gegen
zwn Excesse sicher stellen. Ich möchte nicht das Recht haben,
Ihnen zu sagen: Sie machen Emgrisse in die nationale Souve-
raintläk, Sie sind Usurpatoren! (Lärm. — Aus der Liuken:
Sehr gut!)
General Ducrot: Bei einer feierlichen Gelegenheit haben Sie
einstimmig Ihr constlluirendes Recht bekräftigt. Es war am 21.
Mürz: Sw richteten an diesem Tage ein Manifest an das Volk
und die Armee. Sie sagten: Wir werden unverletzt den Schatz
bewachen, welchen Sie uns anvertraut haben, um daö Land zu
reorganisircn und zu covstitutren. (Bravo auf der Rechte«.) Ist
dieses ein Wort ohne Tragweite? Nein! es wurde während
voller zwei Stunden mit Herrn Thiers in der Commission, den
15., besprochen. Tolain: Wir sind nicht dafür verantwortlich,
waö in derselben vorging. Duc rot: Eme emzige Stimme er-
hob sich, um dagegen zu proteslireu, Die des Herrn Milieu.
(War später bei der Commune! Verschiedene Ausrufe.) Ja)
sagte Herrn Thiers: Wir sind aufrtchug, wenn wir sagen, wir
wollen constilurreu.
Lancy: Seit der Eröffnung der Debatte warte ich und bin
erstaunt. Sie sagen nichts von der Execullvgewait, die Sie er-
richten wollen. Das Unke Centrum macht einen Vorschlag und
es schweigt; ich bm erstaunt, daß die Rechte bereit ist, daö zu
votiren, was nicht nach ihrem Geschmacke zu sein scheint; wenn
eine Zweideutigkeit vorliegt, so muß sie cö sagen. (Auf der Rech-
tcu: Und das Amevdement!) Der Antrag Rivet, der Antrag
Vitet rühren von Mäuuern her, denen die Sicherheit mehr als
die Freiheit am Herzen liegt. Daö Land verlangt eine neue
Lage. Wir und genöthigt, alle Fragen zu vertagen. Diese Re-
gierung, die ohne alle Lebenskraft ist, steht nicht auf festen Füßen.
Das Verdienst des linken Cenlrums und der Commission ist, die-
se« erkannt zu haben. (Auf der Rechten: Bltlbcu Sie beim
Amendement.) Man mutz die beiden Gewalten verbessern, durch
deren Mängel die Maschine nicht vorwärts kommt. Die Unpo-
pularität, deren Gegenstand die Versammlung ist, wird von einem
Manne in Schranken gehalteu. Weun Sie glaube». in der
Reorganisation der ExecuttvgetMt ein Heilmittel zu finden, so
täuschen Sie sich. Wenn die Versammlung die nämliche bleibt,
wie wollen Sie, daß das Land befriedigt ist? Steigender Lärm.)
Die gesetzgebende Gewalt muß modificirt werden. Unterdrücken
Sie den Pact von Bordeaux, um etwas Definitives.... (Von
da ab versteht man wegen des furchtbaren Lärme kein Wort mehr.
Mehrere Mitglieder verlassen den Saal. Endlich wird es stiller.
Man versteht dann wieder, wie Redner sagt, daß man eine
Verfassung haben müsse, daß die jetzige Versammlung dieselbe
nicht machen könne und daß man auf die von 1848 zurück-
kommen müsse, wie es Redner in seinem Amendement verlange,
daß außer ihm Warmer und Turquet unterschrieben hätten.) Pa-
geS-Duport verliest das Dccrel, welches die Wähler zusammen-
beruft und worin gesagt wird, daß es sich um die Zusammenbe-
rusung einer constiluirenden Versammlung handle.
Louiö Blanc: ES ist nothwendig, aus der Lage herauszutre-
ten, in der wir uns befinden. Und wie soll man aus dem Pro-
visorium ohne klares, genaues, regelmäßiges Verfahreu in eine
definitivere Lage übergehen? ES kann keine zwei Souveräne ge-
ben. Der Souverän ist das Land. (Langer Beifall auf der
Linken.)
Baragnon (Fusionist) will die Frage vom Gesichtspunkte der
Versöhnung aus betrachten. Er beginnt auf sehr verletzende Weise
von der Regierung des 4. September zu sprechen. Eine Stimme
(Testeltn'ö) unterbricht ihn mit den Worten, daß er die Stiefel
der Bonaparte geküßt habe! Man verlangt den Ordnungsruf;
Tumult. (Nach der Independance beJge hätte Testelin gerufen:
Ohne den 4. September würden Sie noch die Stiefeln des Kai-
sers wichsen.) Viele Deputirte von der Rechten und der Linken
stürzen nach dem Hinteren Theile des Saales, wo sich der Unter-
brecher befindet. Der Lärm steigt. Nachdem derselbe ungefähr
10 Minuten gedauert hat, bedeckt sich der Präsident, denn man
steht auf dem Punkte, handgemein zu werden. Nach und nach
stellt sich die Ruhe wieder her, und die Devutirtrn kehren aus ihre
Plätze zurück. Der Präsident nimint seinen Hut wieder ab. Ba^
ragnon hat die Tribune verlassen.
Präs.: Wenn diese Unordnung fortdauert, so können wir die
Sitzung nicht fortsetzen. (Zu dem Deputirten Testelin:) Sie
haben die Ruhe durch Ihre beleidigende Unterbrechung gesidrt;
ich rufe Sie förmlich zur Ordnung. Testelin: Ich habe einen
ernsten Fehler begangen; ich bitte die mildernden Umstände zu
berücksichtigen. (Nein, nein!) Grövy: Hr. Testelin beauftragt
mich, der Versammlung sein Bedauern auszudrücken. Ich halte
den Ordnungsruf nicht aufrecht. Baragnon (wieder auf der
Tribune): Ich sagte also, daß mau die Decrete der September-
Negierung nicht zu Rath zu ziehen braucht, um zu wissen, daß
wir constituiren können. Wir können eö kraft der Gewalt der
Dinge. Man hat gewagt, Ihnen zu sagen, daß wir in Folge
ei.'^eö Vertrages zwischen Frankreich und Preußen nicht constt-
tuirend sind. (Bravos auf der Rechten.) Preuße« war ein Sie-
ger, die Regierung vom 4. September war ein Schuldner, der
nun seine Schuld bezahlt hat, indem er uns zusammenrief. (Bei-
fall auf der Rechten.) Naquet: Um die constituirende Gewalt
zu haben, muß daö Volk, daö für Sie gestimmt hat, die Absicht
gehabt haben, Ihnen dieselbe zu ertheilen. (Unterbrechungen auf
der Rechten.) Mein zweites Argument gegen die constitui-
rende Gewalt ist der Sinn, welchen die Wahlen vom 2. Jul»
haben. (Lärm)
Das Amendement von Pascal Duprat wird verworfen. Die
Linke erhebt sich allein für dasselbe.
Präsident liest den ersten Paragraphen des Eingangs zutu
Decrci vor, in welchem die constituirende Gewalt für die Ver-
sammlung in Ansprüche "Miauen wird- ________________ t____________
Gamben«: Das Land hatte geglaubt, daß man yker nichts
Definitives gründen könne. Wrr haben alle Macht provisvrt,ch
zu verwalten. Warum wurde dieser Modus vivendi gestört? Oer
Ursprung dieses ersten Bruches des Pacteö von Bordeaux beruht
ans Illusionen; man glaubte, man tonne die Beseitigung und
Vertrauen dadurch begründen, daß man Benennungen decretirl.
Diese Vermittelungsversuche sind nur eine Verlängerung der
Zweideutigkeit. Es giebt in der Versammlung keine Partei, die
stark genug wäre, um die Gewalt »tu Erfolg und Ansehen aus-
üben zu können. Wir werden uns morgen mit der nämlichen
Kammer zusammenfinden. Weshalb? Weil wtr uns in einer
komischen Lage befinden, da wir nur hierher gesandt wurden, um
zu sehen, ob wir den Krieg fortsetzen sollten oder nicht. Die
Thatsache allein, daß wir über diese constituirende Gewalt diö-
cultren, beweist, daß man sie uns nicht übertragen hat! Die
constituirende Versammlung von 1848 bestand aus 000 Mitglte-
dcr», die gesetzgebende Versammlung von 1840 aus 750 Mit-
gliedern, wie die heutige Nattonat- Versammlung. Aber die
Frage der Republik oder Monarchie wurde damals ute aufgewor-
fen. Wenn Sie (sich an die Rechte wendend) genöthtg sind, die
Republik anzunehmen, so wird auch dies in Folge einer großer»
Berufung an daö Land geschehe», um zu missen, waö eü »vill. (Bei-
fall auf der Linken. Lärmende Reclamationen auf der Rechten.)
Präs.: Es ist nicht nöthig, daß Sie Den Redner unterbrecheu,
um darzuthun, daß Sie feine Anficht nicht theilen. Gam
betta: Unser Mandat muß in der nämlicheu Reinheit zurückge-
geben werden, wte wir es empfangen haben. Seit 7 Monaten
haben Sie es so gewollt. Und heut nehmen Sie dle consutui-
rende Gewalt in Anspruch; es geschieht, sagen Sie, weil man
es Ihnen bestreitet, ohne fönst irgend eine» guten Grund anzu-
geben. Hr. Pagos-Duport (Legitimist) überreichte mir die
22. Nummer des Bulletin des Lois de 1* Republique frangais,
und sagt mir mit triumphireudcr Miene: vertheidigen Sie sich.
Dieö ist ei» Leichtes für mich. Er fügt tu einem commerciellen
Styl (Pages-Duport war früher Börsenmann) hinzu: „Lasse«
Sie Ihre Unterschrift protentten." (Pages-Duport spielt hler
auf bas Deficit vom 8. September an, wo man zuerst eine con-
stttutrende Versammlung zusammenberufen wollte.) Am 8. Sep-
tember hatten wir die Wähler in voller Freiheit zusammenberu-
fe« (Ausruf auf der Rechten). Keiner von Ihnen, meine Her-
ren, ist gekommen, um uns Gewalt anzuthun. (Beifall auf der
Linken. Furchtbarer Lärm und Interpellationen auf der Rech-
ten.) Wenn die Zeit uns nicht von den Fremden zugemessen
worden wäre, fo hätten wir in der That eine constituirende Ver-
sammlung zusammeuberufen. Da die Eommunicationen aber
unmöglich wurden, fo wurtze es auch unmöglich, eine constttuirende
Versammlung ^ zusammenzubringen. Gehen wir zum 8. Fe-
bruar über! Man sah damals zuweilen auf den nämlichen Listen
Republikaner und Monarchisten, was andeutete, daß das Land die
Republik und die Monarchie zugleich wollte. Die Gemeinderathö-
wahlen haben Ihnen auch die constitmrende Gewalt versagt. Sie
stellen Sich, als wenn Sie glaubten, daß die constuuirende Ge-
walt Ihnen gebore, aber Sie »vürdcn keinen Gebrauch von ihr
machen; Sie stellen sich, ats wenn Sie Ihnen angehöre, »veit
Str Frankreich verhindexn wollen, sich derseiben zu bedienen (Pro-
ieflanonen). Ja! Vermeiden Ste, etwas gegen das zu utuerneh-
men, was die Autorität der Station selbst ist. (Heftige Einrede«
von Setten der Rechten). Wenn Sie die conftuuireude Gewalt
ausüben, um die Republtk oder die Monarchie zu organisiren, so
sind Sie, erlauben Sie es, Ihnen zu sagen, Waghälse! Um
keinen Preis möchte ich die Republik, weiche von einer Versamm-
lung gegründet »vürde, die nicht competent ist. (Neuer Sturm.
Man versteht kein Wort mehr von dem, was der Redner sagt.
Schließlich wird es wieder ruhiger.) Da meine Unterbrecher mich
nicht »veiler reden lassen wollen, so fasse ich mich kurz und sage
Ihne»: die Auflösung wird dennoch an Sie herantreten, wenn
Sie nicht den Patriotismus und den Muth haben, diesen Ent-
schluß selbst zu fassen. (Gambella verläßt die Tribüne unter
furchtbarem Lärm. Dte Aufregung int Saale ist unbeschreiblich.)
Benot st d'Azy ergreift daö Wort, um darzuthun, daß die
Kammer eine dringliche Pflicht erfüllt, indem sie sich als conflt-
tuirende Versammlung erklärt.
Man verlangt die Abstimmung. 433 Mitglieder sprechen sich
für den 1. Paragraphen, also für die conflitutrende Gewalt, hud
227 gegen dieselbe auö.
Edgard Quin et überreicht einen Antrag, daß am nächsten
3. Januar eine neue Versammlung gewählt werde und daß die-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
ck Li-Wa« Mwmtoiö W »« -ck«W. »aß di» OMitt« »ick« Reg,«« über ^
)r. Thiers dis zum Zusammen- heoeutenbc Mitte! verfügen und auf zahlreiche Gaste rech» ^ x>cr Geweikverein der deutschen Porzellan-Arbeiter unk
e allgemeine Verwaltung des Von verschiedenen Seiten wird übrigens m Zu- verwandter Berufsgenossen hält hier am Sonntag den 3 und
Me m 28. ZüiiUük zülsmmkriirett.
werde sich vorher auflösen und Hr. ........... _...... ............ .......
tritt der neuen Versammlung die allgemeine Verwaltung des Von verschiedenen Seilen wird übrigens in Zu- verwandter Berufsgenossen hält hier am Sonntag den 3
Landes behalten. Die Dringlichkeit wird verlangt, aber nicht er- sn>Zflen an die Blätter dieser Linus, namentlich als schlcch- Montag den 4. September seine erste ordentliche Generalver-
rmit D,e Diücusston wird dann auf morgen sertagt und die > ^ ,r . . , aerüat und gefragt, ob der Oberst famm ung ab. Der Gewerkvereln gehört nicht dem Verbände am
Styung um 6L Uhr geschloffen. . (K 30 «Ernailrmir «iifat rrcn im Stabe des ist aber auf Grund der sog. Musterstatuten organisirt und hat
Versailles, 30. August. sJm Prozeß gegen die Com- des Niglmentö, der, wenn um Nicht irren, un üistw »ablreube Vereine in allen Gegenden Deutschlands. Die Dele-
muneführer^ wurden vor dem dritten Versailler Kriegsgericht Prinzen Friedrich Karl den Feldzug der Loire-Armee ^ten werden in der Znvaildenstraße 7l. tagen,
heut die letzten Vertheidiger gehört. Zunächst wird noch eine m(t angesehen, derleichen von den Preußen gelernt habe. — _ Analog dem Verfahren der Ltschlermetster, welche die Ge-
Zeugin über die Vorgänge in der Maure deö 11. ArronrlssementS GorresponventkN der I'ost in Newyork zufolge, seueu, die ihre Aecordarbeilru liegen gelassen habe», bei der Ge-
am 24 Mar vernommen. Du'.^"«aschbaadlenn Carre war . . m g*fstjrer Napoleon eine Besitzung in Amerika werbe-Deputalion auf Schadener,atz verklagen, werden ihrerseits
dort blS zum 25. Mar nut Abzahlung von Bredbons beschäftigt, t-rmerben um dort den Nist seiner Lage in Ruhe und diejenigen Gesellen, welche ihre Akkordarbeiten vollenden oder
-sie faß in dem für die Eheschließungen bestimmten Zimmer und zu crwerven, um oorr oen ckii,r iriurr „g..,. »ßI1 v-« ausaesverrt wur.
konnte Alles sehen und hören, was in dem Hause vorging. Wah- Frieden zuzubringen. Der Grund des Geredes liegt daiitt, ebenfalls mu Klaaen auf Schadenersatz vorgehen
rrnd deö ganzen 24. Mai hörte sie dort weder einen Schuß sal- vaß bei einer Lrinkgesellschaft in Oak Grove bei London, ± Daß nicht allenanzö,Ischen Fabrikanten den Verkehr mit
len noch sonst irgendwelches bemerkenswerthe Geräusch. Von wo Napoleon und die Kaiserin die Gäste des amerikanischen Deutschland abbrechen wollen, baß viele im Gegentheil ihre Fa-
Mitgliedern der Commune hat sw dort nur emes gesehen, wte Vankiers Henry waren, der Kaiser den Gastgeber erfucht hnkaie ganz unserm Geschmack entsprechend anfertigen, dafür
f/ 1001 Je\\ÜUi ®*fv#i5lblst*te ^~n haben soll als sein Agent sich nach einer passenden Be- kann man in den Schauleustern der Uhrmacher und Ipeciell der
Gatiueau für Clement, Hr. Lachaud für Courbct und Hr. Agenten in Amerika, ist daraufhin mit Photographien von selbst m<1««g« (ohne Angabe
LechevaIier für Parcnt. Die Aufgabe dieser drei Anwälte mehreren zum Verkauf stehenden großen Gütern nach hes Compvnisten) und „Piefte's neuesten Pariser EmzugSmarsch"
war eine verhaltntßmaßrg dankbare, sn Gunsten CwmentS Europa abgegangen. Die EpKbNlgm von Spanien be- auf ihrem Repcrtoir haben. Für Franzos.u wenigstens werden
ÄßstÄiifhUinÄE absichftgt, demselben Berichterstatter zufolge, ebenfalls sich rn beide Stücke wohl nicht berechnet sein.
?? ? Itx Union nietetAulctfsen — Gestern bereits theilten nur - Auch lll diesem Zähre, wie bei allen früheren Epidemieen, ist die
>ich-n Äünsiletnaiut S? m Lachaud ließ « sich b-s°ndk« Newrastlk sich rem Sinke ang-schwffen »adeu, zunächst will -Is» «mSchNau«d-mm DuA
»"n ""n «.»-f. d°° « d-- ihre Berpflcgung ken letz,m r°geu ..»schm«, schlechter »«Tm taJIi ?m«Tu“btu|r *n
geworren war. Heut nun liegen Einzelheiten über den Hausern am Schiffbauerdamm 15. und 19., in den Häusern der
Thatbestand vor, und der 1>aiI>-I>!6w8 wird u. A. geschrieben: Karlstraße an der Pauke, und die letzte auf einem Kahne vor dem
Schon während der paar vorhergegangenen Tage Hütte gerücht- Hause Schiffbauerdamm Nr. 7., gerade dort, wo Spree und
weise verlautet, daß die Unzufriedenheit der „Ausländer" über Panke sich mlletnander verelnen. Die jetzige Epidemie ist wieder
ihre Lehandlung und über die ihnen gemachten, aber nicht gehal- am Schiffbauerdamm Nr. 15., einem allen Gerber und Färber-
nen Vrrfprechuugen bald in einer Arbeitseinstellung endigen würde, hause, und zwar rn einer ganz wohlhabenden und in sehrgeregel-
Auch die au» verschiedenen Theilen Englands an Stelle der len Verhältnissen lebenden Famtlie zum Ausbruche gekommen,
feiernden Arbeiter eugagirten Kräfte haben sich dem Slrtke ange- Dem am Montage im Clublocale, Ftauzöstlchestraße 48., zusam-
schlossen ober sind schon wieder nach Hause zurückgekehrt. Diese mentrelenden Ausschüsse zur Abwehr der Cholera liegen folgende
lehieren sind übrigens me»st keine gelernten Handwerker, sondern Anträge vor: 1) Bereitstellung von ärztlichen Nachtwachrposten
gewöhnliche Arbeiter, und dre wenigen Handwerker unter ihnen mit dem nöthigen Krankenwärter- und Trägerpersonal. 2) Be-
rn Pinrr ■'Dinttihe sleaeii bie TOänn« üom 4 Seßteinber sind unsolide Leute, die in ihrer eigenen Gegend rcttie rejlstcUung von Cholera.Lazarethcn, auch mtl E,ttrlchtunüen zu der
L^LApoSÄL ^afferttichch^welche^/^e/Vötth/idiäer Arbeit bekommen können. D'e meisten englischen Arbeuer kann mehrfach bewährten Heiß-Waffer-Behandlung. 3) Bere.lsreUung
der Frau Lafargue bekanntlich zu seinen treuen Anhängern zählt. mfher ,fhr l,lttU,fl
Daö Publikum verhielt sich zu diesem oralorischen Excurse sehr
angelegen, sein, seinen Clienten von dem Vorwurf, daß er bei
nahe allein die Niederwerfung der Vendomesäule verschuldet
hätte, rein zu waschen. Er erinnerte daran, daß dieses Denkmal
der napoleonifchen Siege schon unter dem Kaiserreich der radika-
len Opposition ein Dorn im Auge war, daß nach dem 4. Sep-
tember Herr Etienne Arago, der Maire von Paris, selbst die
Säule einschmelzen und aus dem Metall ein Denkmal für die
Stadt Straßburg gießen lassen wollte, daß während der Belage-
rung von den verschiedensten Seite»/ so auch von dem Maire
Heriffon und seinen Adjuncten, der Vorschlag laut wurde, die
Säule einzuschmelzen, kurz, daß die Zertrümmerung dieses Kunst-
werkes ein Glaubens-Artikel in dem republikanischen Programm
war. Einmal auf dieser Bahn, nahm Herr Lachaud Gelegenheit
man weder sehr intelligent noch sehr anuaudig aussehend neu- von Leichenhallen, da Die Cboleralnchen weder in den Wohnungen
nennen. Die Leute aus Preußen sind ohne Zweifel von den neuen noch in den Krankenhäusern bleiben können. 4) Verbot uiid Auf-
AnlömmUngen die besten. Sie kommen meist von Berlin, und Hebung der wider Gesetz und Recht heunttch eingeführten Wasser-
sowohl die Arbeitgeber wie die feiernden Arbeiter geben zu, daß Closels; Verbot der Unraihabflüsie durch Rinnsteine und Canäle
sie durchgängig geschickte Handwerker sind. Jetzt, nachdem sie in Panke, Spree und Schifffahrlücanal; strenge Executivn der
zur Erkenntniß ihrer wirklichen Lage gekommen sind, geben sie gesetzlichen Verordnung, welche die Verunreinigung der öffnttli-
rhrer Unzufriedenheit lauten Ausdruck und erklären, mau habe che» Wasserläufe bestraft, und durch Rinusteiue und Canäle nur
sie durch falsche Vorspiegelungen nach Newcastle gelockt. Der den Abfluß von unschädlichem Fabrik-, Wasch-, Küchen-, Wasser-
in Newcastle erscheinrude honber» Daily-Express schildert den leilunge-, Brunnen- und Regenwasser gestaltet, b) Errichtung
„ _ . Y . . Vorgang folgendermaßen: Am Drenßag Nachmittag stellte das von Sachverständigen-Commifstonen, welche das Wafferleitungs-
[SSom Hofe. Vertretung der Arbeiter rm Par- deutsche Conüngeut in den Werken von Srr William Armstrong und das Trmkwasser zu untersuchen und die Schließung von
lament. Die englische Seeherrschaft a. D. Lu- — etwa 130 an der Zahl — die Arbeit em mit dem Programm Brunnen zu veranlassen haben, welche durch Senkwaffer verdor-
rus in der Armee Kaiser Napoleon. Die Ar- „neunstündige Arbeitszeit, höhere Lohnsätze und bessere Kost." den sind, daü aus Dung. und Senkgruben, Rinnsteinen und Ca-
NeitAeinsiellttna in Newcaiile l Das Befinden der Wie sich herausstellt, tst eö auf genanntem Werke Sitte, den neu nälc», Schlächtereien, Gerbereien, Färbereien, Caltun-, Tuch-,
von eintreffenden Arbeitern die drei ersten Tage nach ihrer Ankunft Farbewaarrn und andern (tzlflstofffabrikcn mit dem verdorbenen
Königin macht befriedtgende Fottschrltte. Der Prinz von JU verpflegen, während noch für Kost und Logiö ein Grundwasser in die Brunuenlesscl dnngl. 6) Aufhebung der
Wales wird am v. nächsten Monats aus Deutfchlano zu- zzb^g gemacht wrrd. Die deutschen Arbelter nun, waren außer Mistkuren und der Senkgruben und Ausstellung von Petrvteum-
rückkehren, UM den Herbstmanövern beizuwohnen. Lvrv gewöhnlichen Nahrung an den ersten Tagen reichlich mit Tonnen mit trockener Eloseteinrichtung und täglicher Abfuhr die-
kalt, obgleich eö demselben seine ästhetische Bewunderung nicht
versagen konnte. Eö scheint nun noch eme Replik des Regie-
rungscommissärs und dann wahrscheinlich eine Dublik vom Ver-
thechlgertische bevorzustehen, daher daö Urtheil wohl kaum vor
Sonnabend gefällt werden dürfte. (Nat.-Z.)
Get-tzdritannte« und Irland.
London, 31. August.
Granville, Minister des Aeußern, ist nach kurzem Besuche Bier und Tabak versehen worden, alö dann aber am Dienstag, fer luftdicht verschlossenen Petroleumlomren. 7) Tägliche Abfuhr
hei Glavstone rn Wbitbv nach London zurückgekehrt. — nach Ablauf dleser „Gnaocnlage", an Stelle des Bieres Wasser gefährlicher Abfälle aus dem Gewerbe- und Fabnkbetklcbe, oder
ben Provin'blüttern wird das Anbrecken einer neuen auf den MUtagStisch kam, scheint eine offene Rebellion staltgesun- vollständige Deümfeclion derselben. 8) DeSinfectron der Wä,che
Xrbi# gwrphinn bpr Arbeiter den zu haben. Die Deutschen nahmen das Wasser, gossen eö der Bellen und aller Ausleerungen von Cholerakranken. — Zur
Agllauon für vle unmittkloarc BernetUttg ver ^rvkllkr Tische und den Fußboden und verlangten Bier. Als ihncn Behandlung und Ernährung Hllfödedürftiger, zur Bereitstellung
tm Parlament angekündigt. Es besteht hier eme loge- dws nicht gegeben wurde, weigerten sie sich, nach Tlsche zu von ärztlichen Tag- und Nachiwachlposten Mit den nöthigen Mll-
■Mrttttlfl» Willst fl'lr llte Diprlrellttlil ber A rbklt bßst lt)Cld)Ct -tm» 3li>rsnmmlnnn niih rrnnitllfpn ?in? 1-In imh 6'r/tntpMin.irl^r. imh
lein und dem nöthigen Krauleuwärler- und Trägerpersonal wird
die öffentliche Wohlthätigkeit ln Anspruch genommen werden, die
sich hoffeniltch in dleiun ^alle ebenso bewähren wird, wie in frü-
heren Fällen, da es sich in erster Linie darum handelt, der Ver-
breitung der Cholera durch cie Ausleerungen der Cholerakranken
sich auf den Schultern der Masse ins Parlament tragen
zu lassen. Bis jetzt hat die Sache wenig genützt, allein
heute, wo die Sterne dem Cabinet Gladstone ungünstig
nannte Liga für die Vertretung der Arbeit, von welcher arbeitend Sie Ulten eine Versammlung und ernannten eine
-^iese-Ag»^rivN-ausgchcn soll, und wenn- man nach der Deputation, welche zu r-n Geschäflssührern ging und bessere
Becentung'der Liga selbst die Bedeutung dessen, was sie Nahrung, höhere Löhne, so wie neunstündige Atbeuszett vcr.
leisten wird bemessen darf so dürfte die Sache nicht langte. Dle Velden ersteren Forderungen wurden zugestanden,
2! iS aSSSt sin ninH-r bem bocktönendkn die letztere dagegen abgeschlagen und ttl Folge dessen verltetzen ihouu.b mu «yv»iu vmm p.r nuv.l«.«..».,. vre ^yvcecalranlen
von großer Bölchllgleu felN^ -^ltller oem yvchtonkncrn säinmlltchrn Deutschen Mil Ausnahme von zweien das Eta- entgegen zu treten. Die an der Cholera erkrankte Frau befindet
Namen Liga bergen ftch namltch emlgc wenige 2tgtla- und zogen m corpore nach dem Hauptquartier der sich durch die schnelle Hilfe, welche sie in der Nacht vom Freitag
toren, welche auch die Haupstützen anderer Lärmgesellfchas- strikenden Arbeiter. Eine große Menschenmenge folgte ihnen, zum Sonnabend empfing, bereits auf dem Wege der Besserung,
len sind, und derartige Vereine zu benutzen suchen, UM und begrüßte sie ebenso laut mit Hutrahö, wie sie dieselben erst obgleich ine Krankheit daö zweite Slabinm scyou überschrtiten zu
~ - - — - - - - - - ------ vor wenigen Tagen auegeschimpkt und ausgezischt hatte. Im haben schien. Die übrigen Erkrankungen in demselben Hause wa-
Ganzen genommen scheinen die Scenen, als eine Gruppe nach ren nur leichter Art und kamen nicht über daö erste Stadium hin-
der andern über die Straße zog, sehr aufregend gewesen zu sein. aus. Bis fetzt und in diesem Jahre ist noch kein Todesfall ander
y*-», "'7'. ^7,Als sie daun mit einer Musikbaude an der Spitze im Versamm- Cholera in dem Hause Schpfbauerdamm 15. zu verzetchneu.
zu fktN scheinen, glauben die Wühler eine günstlge E)eie- lungslocal der Liga anlangten, gaben sie die folgende Erklärung — Ueber die vielbesprochene „Elsernkreuz-Dame", welche stck,.
genheit herankommen zu fkhen Mid machen sich daher das ^b: Sie feien Alle in der Norddrutscheu Brauerei zu Berlin wie gestern gemeldet, gegenwärtig in der Stüdlvoigtel befindet
blllige Vergnügen eines wortreichen Aufrufs, in welchem engagm worden, unter der Vorspiegelung, daß nur noch zweitau- wird uns Folgendes milgelheilt: Marie Fiedler, Tochter eines
den Conservativen mit dem Scheunenthor gewinkt wird. scnd Maschmenschloffer tn Newcastle selen, wahrend 6800 in den Kasernenbeamien in Potödanr, nicht im besten Leumund stehend,
Janorirt bedeutungslose Partei-Schlagwörter" — heißt btztendrel MonatennachAmer'ka auogcwandeu wären. Man litt eö im vorigen Jahre nach dem Auömarsch der Garnison ins
Sdiluffc SfiXn nid!e{nenriormacn SuöfsiU aeaen ?stbe ‘tn£U ^?^ 27 Sch. für die Woche von 57 Stunden ver- Feld nicht länger mehr in der „un verödeten Residenz. Sie ver-
eö am Schluffe dkffelveu Nach einem zorulgen "US>au grgr» nut AuSflcht auf AccvrdarbeU, und lm Ailgcmemeu soll- schaffte sich Montur und AuSrüstuna ernes Gardeiaaers und folow
Gladftone „und straft als ersten Schritt zur Vertretung ^n sie etwa doppelt so viel verdienen, wie daheim. Im Gegeniatz dex Armee auf den Kriegsschauplatz Wie im Kriege nur ***
eurer Ansprüche durch Ausschließung vom Parlamente zu diesen Vorspiegelungen sei ihnen bald klar geworden, daß man Träger einer Uniform etwas gilt, so 'gilt die Uniform auch alles,
die Männer, welche durch ihre politische Verrätherei, Feig- sie nur in Dienst genommen hübe, um die Agitation um neuotzün- Kein Wunder daher, daß Marie Fiedler den Kneo-rwauplatz
beit und gemeine Anbetung des Geldes den Beschluß zu Wege dige Arbeitszeit zu vereiteln, daß dw Lebeusmittel theurer seien, «ach allen Richtungen hin durchstreifte, ohne Auf>^" L» erregen
gebracht daben daß daö erniedrigende Brandmal der politi- als man ihnen gesagt, und daß auch «n jeder andern Beziehung dle oCec angehalten zu werden. Einmal wurde f* Dem *1)0^-
nnterhrstrf,insl nidfi won fudi slcnDmtticn luerbcst foU ihnen gegebenen Versprechungen »ucht gehalten worden feien, wagen als Bedeckung mitgegeben und—" bei emem Uebcrfalle
fchen Unterdrückung Nicht von euch genommen werden fou. Nachdem rhnen z^L. ein anstandlges Logrs versprochen, habe dieses .Wagens durch Franctire»»" eine unbedeutende Verwun-
Man kann bald mit dem besten Willen nicht mehr umhin, ^ie jg einer Schule einquirtiert, wo ihrer 36 m einem Zim- düng. In, Januar d. I. >val Marie Fiedler in St. Germain
das „Nule Britannia", auf welches John Bull sich bei mer auf SchulUschen, anstatt tzeltcn, schlafen müßten. Als Er- p^r Paris, wo sie der preußischen Feldpolizer bei einer großen
icder Gelegenheit so viel zu gute thut, für eine Ironie gänzung zu dem Obigen diene dann noch das folgende Telegramm, Hausiuchung nach Waffen in die Hände fiel, weil sie sich mcht
aniuseben Schon wieder ist ein Krieasschlff aufgefahren, welches dem heutigen Maoch^tei- Duardian aus Newcastle zu- wegen ihrer Abwesenheit von ihrem BatatUon, das damals bet
wenn auch nur in einem ^lusi und obne bevcutenden Seht-: 51 deutsche Arbelter, welche am vorigen Dlevstag di« Arbeit St. Denis stand, ausweisen konnte, und die Felbpotizel, die allen
wenn auch nur in emem ZlUß UNv ohne vemmenoen ^st^wn, sind per Dampfer von Newcastle nach London abge- Dingen gern aus den Grund geht, fand bald heraus, daß dieser
Schaden zu nehmen. Der gepanzerte Schraubendampfer ^jst. Sie wurden von einer dichten Menge der strikenden Arbei- Gard.jägkr cigentitch ein Mädchen sei. Nu» nahm die Abenttu-
„Repulfe" fuhr wahrend der Ebbe auf eme Sandbank tm durch die Straßen begleite,, «ud allseitig zeigte man große rerin den Namen einer der angesehensten Adelssamilien in Potö-
Nore auf, und konnte erst bei eintretender Fluth Mlt Hilfe Begeisterung ob ihrer Abreise Etwa 20 andere gehen am Soun- dam an, nannte sich Marie v. W., gab vor, ihren verwun-
eines Schleppdampfers wieder flott gemacht werden. An abend per Dampfer nach Hamburg; jedoch wlld die Lücke wieder detcn Bräutigam, einen Hauptmann von den Gardejägeru, in
wem die Schuld liegt läßt sich noch nicht feststellen, aber durch 120 gelernte Handwerker ausgefüüllt, die beute Morgen den Lazarethen zu suchen, und die Uniform uuc zum Zwecke UN-
^ Lciitbümlichtä Hufamnien Sffm¥ e« fca6 «ft irnitte emwfm. @te wurden u; dn» H-wiho-u'rch- E,-. gehind-rr-n Lom-mm-n- je, dnven, kn-j, WN«I- Sie
m Llgt-Ntyllmilches ZufammentiksstN tft es, blissement gebracht, und nachdem der deutsche Conful ihnen die gewiegten Beamecu fo zu taufchen, daß diese sie unter größtmög-
Stunden zuvor der VtceadNltral, welcher das Svercdm- Sachlage auseinandergesetzt hasse, erklärten sie sich bereit, die ui lichster Rücksicht nach Versailles in's große Hauptquartier mik-
mando in Sheerneß führt, den Offizieren und Mann- Berti» eingegangenen Berpfiichtuiigen zu hallen, und unterzeich. nahmen, sie dort bei zwei alö Krankenpflegerliilleii beschäftigten
schäften des Schiffes nicht genug des Lobes zu neten neue Contracte. höchst achtbaren Damen einquartirten, jür Fraueukleider sorgten
sagen wußte. Ein noch komischeres Zusammentref- ^ ^ ""d sic unter dem Schutze des Postcouriers aus dem Haupl-
fen ist es daß der Daiiy Telegraph erst heute Berutiicyre Nachrichten quartier nach der Hcimalh zuruckfandten. Kaum war die Schwind-
einen Artikel brinat in welchem er sich mit Hand Berlin. I. kaisrrl. Hoheiten der Kronprinz und die Frau lerin aber unter Zurücklassung ihres Koffers abgereist, als die
und Kuß aeaen Me ^bee von enem Verfalle ds tnass- Krön Prinz essin beehrten die permanente Ausstellung des V.r. Krankenpflegerinnen d.e Meldung machten, dieselbe habe das ge-
nnd Fuß gegen vle Zdee von etnem Berfaue des engkl Berliner Künstler (Kommandanleustraße 77-79.) mit ihrem lammte Silberzeug m bcttachlklchem Werthe aus dem Quartier
scheu Seemannsthums wehrt. Dem Oatly lelegraph Besuche entwendet; die Durchsuchung des Koffers bestätigte diese Angaben
zufolge ist der englische Seemann von heut seinem Vor- J_ stm 31_ ^ M. abgeh-lleneu öffentliche Sitzung der auch, aber das distingutrle Auftreten oer Fremden, der angenom-
gänger aus der letzten Generation UM einige Hundert Stadtverordneten folgte eine geheime. In Betreff einer mene klangvolle Namen verhinderte em weiteres Einschreiten,
per Cent überlegen, und „es giebt Capitains in Masse, Bauangelegenheit wurde die Amtsverschwiegenheit proctamirt. die einzige Folge der "vedEx ^ Bermung" war die Wer-
die Australienfabrer von 1500 Tons führen und die Ihnen Mehrere Unterstützungen wurden bewilligt. Darauf fand, wie sung an die »a Lästny statlon,ue Buhnpolizet-Behorde, Marie
sltnS■„Ivwfi «M« rnmnS «M mitartS Surt," Die der »«„ 7 ». W. „unter Aufiicht" Vach Hause nistn ju l.i|[eu. Jetzt v'Stz.
fftnhehT bi/'iffiam ^ianulä ns LrbüHc^mfaUräea Di-u-r-, dreier A-°et,-huu--uff-der, ein« >>ch tauch, di-s-ld- P-,k°»»cht.tt den „au, g-m-tu- vchw.u«.
fünfzehn bis zwanzig Mmutennolylgyalle, um aue Veger Stadlscraeanten, von 6 Handarbeitslehrerinnen, eines Haus- leim auf.
zu fPannen, wahrend jetzt jedes Stuck Segeltuch Ui stehen 10 GemeindeschuUehrern, einer Gemelndeschullehrerin statt. — Auf dem Vithhüf iu der Landöbergerstraße bewahrt eiu bie-
bis acht Minuten vor dem Wtnve hangt. Selbst dle _ Schreiben von Bewohnern des Stadtbezirks Nr. 123. siger Kaufmann bedeutende Gelreldebvirathe, namentlich Roggen,
richtige Landratte, welche in einem deutschen oder franzö- wegen der getroffenen Wahl- de» Bezirksvorsteher-Slellvertreterö aitf. Am Donilerstag Mittag fuhr dort plötzlich em Wage» vor,
fischen Dampfer über den atlantischen Ocean fährt, wird für diesen Bezirk wurde! »ach genommener Kenntniß zu de» Acten deffen Führer abstieg und mu der ruhigste» Miene von der Wett
bas änastlicbe und liederliche Hantieren der ausländischen genommen. - Zum Mitgliede der 33. Cholera-^chutzcommission fünf Sack a 2 Scheffel Roggetr auflud und dann das Fuhrwerk
wurde an Stelle des Bk. Jochse, wie uns Milgelheilt wurde, wieder die Landöbergerstrape entlang IN Bewegung letzte. Einem
Matrosen bemerken, und sich vor dem Schlafengehen an irgend Apotheker Flore gewählt. Oie Sitzung nahm etwas über Manne, der aus dem Hose das Aufladen mit angesehen halle,
einem schwatzlgen Abend fest vornehmen, die nächste Reise von halbe Stunde in Ansvrucb. _ waren nachträglich Zweifel aufgestiegen, ob Jener em Recht an
Liverpool nach New-Iork auf einem englifchcn Dampfer zu — Zur Jahresfeier der Capitulation von Sedan und der Ge- dem Fortschaffe» des Roggens h^be. Er setzte mit andern Per-
machen." — Das Offizicrcorps des 10. Husaren-Regimentö fangennehmung Stapoleous waren am Sonnabend zahlreiche Hau- fönen dem Führer des Fuhrwerks nach und brachte ihn zurück.
(Prinz 0 Wales) hat sich für daS bevorstehende Manöver bei ftr, darunter die meisten öffentlichen Gebäude, beflaggt. In Auf Befragen erklärte derfetbe, er fei auf der Straße von zwei
einen VorrLldSrvEr^^li vörtresslicber den Commnnalschulen wie m den höheren Lehranstalten wurde ihm ganz unbekannten Personen beauftragt worden, zehn Scheffel
Aloerfyot einen Borratyöwagen nach eigener vortreNUcher flfll Uin unterricht abgehalten oder eö wurde eine ge- Roggen dort auszuladen, diesem Auftrage sei er nachgekommen.
meivfame Feier begangen, in welcher Schüler und Schülkrittnen Piai» ries Polizei herbei, die den Meufcheu verhaftete und das
auf die Bedeulsamleit des Tages aufmerksam gemachl wurden. Fuhrwerk mit Befchlag belegte.
Auch in den militärischen Kreisen wurde der Tag festlich begangen. — Ein meiifchliches Skelett, dessen Beschaffenheit mit großer
- Die Eilenbahn Aschersleben-Halle wird zum 4. Sep- Bestimmtheit auf ein begangenes Verbrechen schließen läßt, rst am
tember in Betrieb gesetzt, jedoch vorläufig nur bis Könnern, da Mittwoch von Erdarbeitern beim Bau der neuen Strafanstalt am
dre Schwierigkeiten, weiche der Kmmündung in den großen Ccu- Plöyeniee aufgeftlndcli worden. Die vollständig erhaltenen Schä-
tralbahnhof bei Halle entgegcnstlhen, zur Zeit noch nicht völlig delknochen zeigen m der rechten Schläfengegcnd ein Loch von der
gehoben find. > Größe emes Achtgrofchenstückes und dem entsprechend, an den vor-
— Gestern ist die Einführung und Eotirung der Coinmaudit- flehenden KnochtU der Augenhöhlen Verletzungen, die nur durch
Antheile der Gewerbebant H.I Schuft er s. Co. in Frankfurt etneu, nut großer Kraft ausgeführten Schlag mtt einem hauen
Construction bauen lassen, in welchem die Herren Alles
das an Eßwaren und Getränkcn bei sich zu führen ge-
denken, waö sie selbst währenv der friedlichen Campagne
nicht missen mögen. Wenn man das Velzeichmtz deffen
liesft was dieser Wagen enthalten wirk, von drei Fässern
Bier an durch die wohlklingenden Namen einer inter-
Nätionalrn Weinkarte hindurch bis hinab zu dem Soda und
Selterwasser, welches zu kühlenden Mischungen benutzt wird,
so bedarf es keiner besonderen Erklärung, um zur Erkennt-
Gkgtitßüüdt tzetgebkücht seist köstttest. LetchstälN Mt gän;
hberflächlich eingescharrt, der Kops etwa 9, die Füße 15 Zoll un-
ter der Erdoberfläche. An demselben find Fletschtheile nicht mehr
erkennbar, wohl aber einzelne Reste seinen braunen Tuches, die
von dem Aufschlage eines Rockarmels herzurühren scheinen, an
dem sich drei Kndpfe befunden haben. Die Leiche mag etwa 15
Jahre au der Stelle gelegen haben, so daß der Schluß gerecht-
fertigt erscheint, daß um diese Zeit dort ein Mord verübt worden
ist; die entsprechenden Recherchen sind bereits eingeleitet.
— Am Donnerstag Abend gegen 11 Uhr brannte die gefüllte
Scheune des Gutsbesitzers Bötzow am Friedcichshain gänzlich
herunter; die Feuerwehr konnte weiter nichts als die in der Nähe
stehenden Getreide-Mitten vor dem Anbrennen schützen. Um
1 Uhr Nachts brannle wieder auf dem Felde zwischen der Greifs-
waiderstraße und der Prenzlauer Chaussee eine Getreide-Miete.
Das Feuer kann nur von dem sich Nachts dort herumtreibenden
Gesindel angelegt sein, weil sich die Entstehung nicht anders er-
klären läßt.
— Der Arbeiter Zrohmuth fiel am 31. v. M. auf dem Neu-
bau Moritzstraße 20. in den ausgeschachteten Hosraum hinab und
erlitt anscheiuend schwere Verletzungen am Kopse. — Am Abend
desselben TageS brach in der zwischen der GreifSwalderstraße und
dem Verlorenen Weg belegenen und mit Getreide gefüllten
Scheune des Gutsbesitzers Julius Boetzow Feuer^ aus. Die
Scheune brannte vollständig aus. Der entstandene Schaden wird
aus 2850 Thlr. berechnet. — Wenige Stunden später ging eine
dem Ackerbürger Schilling gehörige, zwischen der GreifSwalderftr.
und der Prenzlauer Chaussee belegene Getreidemiete in Flammen
auf. In beiden Fällen liegt aller Wahrfcheinlichkeit nach Brand-
stiftuug vor.
— In der Woche vom 25. bis 31. August vermehrte sich die
Bevölkerung Berlins durch Geburten um 251 männliche und 252
weibliche, durch Zuzug um 1747 männliche und 612 wetbliche, zu-
sammen um 1998 männliche und 864 weibliche Personen; sie ver-
minderte sich durch Tod um 404 männliche und 381 weibliche, durch
Abzug um 994 männliche und 374 weibliche, zusammen um 1398
männliche und 755 weibliche Personen; mithin fand ein Zugang
von 600 männlichen und 109 weiblichen Personen statt.
Königsberg. fCholera-BerichtZ Am 31. August er.
sind beim hiesigen Polizei-Piäsidium angemeldet: erkrankt 59 und
gestorben 35 Personen. __________________________________
Verhandlungen
des volkstvirthschafttichen Congresseö in Lübeck.
3. Sitzung am 30. August. (Schluß.)
Endlich reserttt Herr v. Äusserow über seinen Antrag, be-
treffend die Empfehlung der Errichtung von Schiedsgerichten
zur Verhütung von Arbeitseinstellungen.
Er macht darauf aufmerksam, daß die Arbeitseinstellungen kei-
neswegs immer die Frucht socialdemokratischer Agilation seien,
sondern ebenso häufig einen berechtigten Kern haben. In den
wiederholten StrtkeS liege aber eine Gefahr für die Coalitionö-
fteiheit, und deshalb erscheine eö geboten, von dem in der Ge-
werbe-Ordnung vorgesehenen Rechte zur Bildung von SchiedS-
gerichten aus Gewerbvgenossen Gebrauch zu machen. Daß dlcs
bisher noch nicht geschehen, liege in dem geringen Vertrauen, daö
man in die Heilkraft dieses Mittels setze, und das seinen Grund
in den wenig befriedigenden Erfahrui»gen der Gewerbe- und Frie-
denögerichte habe. Die Erfolglosigkeit dieser Gerichte liege in-
dessen vorzugsweise in der Beschränkung ihrer Competenz. Daß
man bei emer ander» Organisation sehr gute Resultate zu erzie-
len im Stande sei, beweisen die von dem Redner in eingehender
Darstellung geschilderten Erfahrungen, die man mit den Schieds-
gerichten nach dem System des Helln Mundella in England ge-
macht, welche auf dem Princip der Freiwilligkeit, der Gleichbe-
rechtigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und der Beur-
theilung durch Fachgenossen beruhen. Emen sehr wohlthäiigeu
Einfluß habe aus die englischen Arbeiter die Organisation der
traäe-uviovs geübt.
Dr. Oppenheimer nennt Herrn v. Kusserow's Darstellung zu
apologeiifch. Der gemeinsame Antrag stimme mit dem übrrem,
den jungst erst die strikenden Maurer in Berlin gestellt. Redner
wendet sich gegen Schulze-Detttzlch, der nicht auf gesundem Wege
sei, warnt vor dem buhlerischen Socialismus, gegen den es keine
Hilfe gebe, wie gegen Gewalt oder Absurdität. Der Lohn regu-
ttre sich selbst und könne so wenig wie die Goldwährung kümtlich
festaeiieUt werd.-»; auch gebe es in Deutschland keinen Klaffen-
Vaß und d-.'ieibe werde gleichfalls nur künstlich erzeugt durch die
wiribsch^llch irrectlonellen StrikeS.
H>. Faucher bittet den Congreß dringend, nicht das schwere
gewicht seiner Autorität in die Wagschale zu werfen zu Gunsten
von Gerichten, die keine Gerichte sind, von Richtern, die keine
Richter sind, von RechlSstrettlgkeiten, die mit dem Rechte nichts
zu thun haben. Durch derarttgeö gefellichaftsgefährliches Einmi-
schen zwischen Arbeiter und Aibeitgebrr verlasse der Congreß völlig
lernen Boden; dann erkenne ec an, daß der AlbeilSverirag kem
freier Vertrag sei, daß eine Verpflichiung der Gesellschaft zu Gun-
jjen deö einen von beiden Theilen vorliege. .'Itedner bittet alle auf
den vorliegenden Punkt bezüglichen Anträge pure abzulehnen.
Dr. Witte wünscht in erster Linie ebenfalls die Verwerfung
des Antrages und Vertagung cts zum nächsten Congreß. Even-
tuell beantragt er folgende Resolution:
». „In Anbetracht, daß Strikes unter allen Umständen wirthschaft-
kick) tchädlich sind, sowohl für die Arbeitgeber, wie für die Arbelt-
uehmcr, weil während der Dauer derselben ein ungeheures Capi-
tal nicht geleisteter Arbeit und nicht verdienten ArdeuslohnS voll-
kommen und für iiumer verloren geht, empsiehlt zur möglichsten
Vermeidung derselben der volkswirthschaftltchc Congreß den be-
Iheiligten Kreisen die Errichtung von Vergleichsausschüssen, zu glei-
chen Theilen aus Arbeitgebern und Arbettuehmern gebildet."
Hundt v. Hassten nimmt, mit den Antragstellern Kusserow
und Genossen überein, doch ist ihm die Fassung zu abrupt und
empfiehlt er die Annahme folgenden Amendements: Zur Verhü-
inng von Albeitö-EillsteUungeu und Arbeltsstörtiligen empfiehlt
der volkSwirthschafttiche Congreß, nach Analogie der Schiedsge-
richte, Uc gesetzliche Emsührung von Vergtelchungs-Ausschüsseu,
deren Aufgabe die möglichst ichnelle Beseitigung jener durch
Coalition der Aldetter drohenden oder eingetretenen Arbeitsstö-
ruug ist.
Dr. Böhmert verwahrt die Gewerkvereine alö eine berechtigte
Form deö Associationswesentz gegen die dagegen gerichteten Slu-
griffe. Oem Arbeiter könne cö Niemand verdenken, wenn er sich
mtt seinen Genossen zusammenthuc, um eine Stütze zu haben
und nicht gezwungen zu sein, den cealutcii Arbeitgebern gegen-
über sich unbedingt jeder, auch der schnödesten Bedingung zu un-
terwerfen. Oie Erfahrung beweise, daß der Arbeiter durch dieö
Mittel oft seinen Zweck erreicht und namentlich eine nothwendige
Steigerung der Arbeitslöhne erreicht habe.
Herr Wolfs (Sielttn) glaubt, daß man durch Schiedsgerichte
nur den Frieden noch mehr stören, also den Zweck unbehinderter
LohuauSgleichungen hindern würde, tritt daher Herrn Fauch er
zur Sette, der tu England die Coatttionöverhältnilse besser zu stu-
diren Gelegenheit gehabt, alö die Antragsteller.
Zum Schluß der Discussion weist Herr Kusserow darauf hin,
wie die Gegner seines Antrages nur alt bekannte Theorieeu über
die Preiöbeiitmmuns durch Angebot und Nachfrage vorgebracht,
oder sich gegen die von ihm nur nebensächlich erwähnten tracles
unions gewandt, dagegen keinen Beweis dafür erbracht hätten,
daß die Erricht-ung von Vergleichsausschüffen wirthschaftliche Nach-
theile im Gefolge haben würde. Es handele sich nicht um einen
Eingriff einer dritten Macht in d.e freie Concurrenz, nicht um
eme Parteinahme zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, sondern
um die Ermöglichung einer friedlichen Verständigung unter den
BerufSgenoffen selbst. Gerade hierdurch werde der schädliche Ein-
fluß falscher Propheten gebrochen, und würden beide Theile vor
den wltthschastlichen Nachtheilen der Arbeitü-Einstellungen be-
wahrt werden.
Die Versammlung tritt in der hierauf folgenden Abstimmung
nach Ablehnung der Gegenanträge dem Antrage des Herrn von
Kusserow bei:
„Zur Verhütung von Arbeuse.nstOlungen empsiehlt der volks-
wirthschastliche Congreß den bethettigten Kreisen die Errichtung
von Vergleichsausschüffen."
Die Neuwahl des ständigen Ausschusses ergiebt folgendes Re-
sultat: Braun, Prince-Smilh, Faucher, Böhmert, Wolff, Breh-
mer, LammerS, Alex. Vieyer und Soelbccr.
i chttztittg am ßl. ÄllM.
In otk Sitzung vom 29. halte die Beksammlllttg sich Mit oen
Milden Stiftungen beschäftigt. Referent Dr. Baumeister
(Hamburg) hatte folgende Resolution beantragt: ES empfiehlt
sich, gesetzlich zu bestimmen: 1) daß die Anordnungen des Stif-
ters nur auf eine begrenzte Zeitdauer maßgebend sein dürfen für
die Verwendung des StiftungSvermögenö; und daß, nach Ablauf
der für alle gleichen, von der Grüudung an gerechneten Frist, der
Entschluß über die etwa anderweitige Verwendung des StiftungS-
vermögeuö dem Befinden geeigneter Staatsorgane unterliege;
2) daß diese gesetzliche Begrenzung gleichmäßig Anwendung finden
solle auf früher gegründete vorhandene milde Stiftungen. Nach
einiger Debatte wurden die Verhandlungen über diesen Gegen-
stand bis zum Donnerstag vertagt.
In der heutigen Sitzung wurde die Verhandlung wieder
ausgenommen und nach längerer DlScussion die Resolution des
Referenten mit großer Majorität angenommen.
Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildet die Bera-
thung über die Haftpflicht für Unfälle zur See.
Der Referent^vr. Lamiuerö, beantragt, zu erklären: „Oie
Sicherheit des Seeverkehrs erheischt, daß Schiffssuhrer und Rhe-
der für vermeidliche Unfälle haftbar gemachl werben." Er weist
darauf hin, daß die Organisation 'der uau ischen Vereine zur
Evidenz nachgewiesen, daß d.e deutsche Gesetzgebung in Bezug
aus die vorliegende Frage hinter der der meisten Nationen zurück-
gebltebcn, daß eö ihr aber noch nicht gelungen sei, aus den Ge-
setzgeber selbst fördernd einzuwirken. Er ruft deshalb den Cou-
greß auf für den Schutz der durch die Schifffahrt gefährdeten
Passagiere und insbesondere der bisher noch sehr vernachlässigten
Schiffsmannschaft. In weiterer Ausführung und unter Hinweis
auf die englische Gesetzgebung begründet Redner seine Resolution,
zieht dieselbe jedoch, da sich Widerspruch gegen dieselbe erhebt und
eine DiScussion wegen der vorgerückten Zeit nicht mehr möglich
ist, schließlich zurück.
Die von dem Eongresse in der Münzfrage gefaßten Be-
schlüsse sind durch die Herren Prince-Smith und Svetbeer
einer nochmaligen Redaction unterworfen worden und werden in
dieser Fassung von der Versammlung einstimmig geuehmigl.
Sie lauten: I. Die Reform des Münzwesens im Deutschen
Reiche ist ein dringendes Bedürfniß. 11. Der gegenwärtige wutv-
schaftliche Zustand Deutschland- und der wichtigsten Staaten, so-
wie die finanzielle Lage des Deutschen Reichs und der Einzel-
staaten sind dieser Reform außerordenlltch günstig, lll. Es ist
daher eine durchgreifende Münzreform nicht länger zu vertagen,
vielmehr ist es wünschenöwerth, dem deutschen Reichstage schon
tu seiner nächsten Session einen Gesetzentwurf zur Her-
stellung eines einheitlichen Münzsystems für ganz'' Deulsch-
lnnd vorzulegen. IV. Alü die wesenttichilen Grundgedanken die-
ses Gesetzentwurfes sind zu empfehlen: a) Die Einführung eines
einheitlichen Münzsystems für ganz Deutschland auf der Grund-
läge der reinen Goldwährung ist der Zweck der Reform.
6) Zuc allgemeinen deutschen Geldrechaungs-Einheit tst eine
solche Münze zu wählen, welche in leicht berechenbarem Verhält-
niß zur Thalerrechnung steht, c) Die definitiv elnzusührenden
Münzen sind nach dem Decimalsystem einzutheilen unter Zulas.
sung der Vertheilung der kleinsten Oecimalmünze. ll) Der Feia-
goldgehalt der hauptsächlichen Goldmünze ist im Reichsmünz-
gesetze so zu normiren, daß der Werth ihres Zehnlheilü, wel-
cher die RechnungSeinheit zu bilden hat, mit 20 Sqr. der
gegenwärtigen Währung übereinstimmt, e) Zur Durchfüh-
rung der Reform ist ein U bergaugsstadium erforderlich, wah. end
dessen durch geeignete Voikehlungeu möglichst abzukürzender Dauer,
auf Grund des oesiiullv einzuführenden Systems, Goldmünzen in
genügender Zahl zu prägen und die bisherigen Silber-Eouranl-
münzen, soweit nicht ein Theil derselhew später als Scheidemünze
beihalten werden soll, einzuziehen sind. Die im Umlauf vcrbletbenden
Sitbermünzeii gellen un UebergangSstablunt als Quoten der neuen
ReichS-Gotbmünze und alö dieser gleichgestelltes gesetzliches Zah-
lungöitttttel. Im Müuzgesetz ist zu vestuninen, daß Private ge-
gen eine nach bem KostetiprftS.zu^MMMi^esi^öepüjU-izzZjen
öffentlichen Münzstälten Gold i>!>iii,z^^^«MDWWIfgegeueuic
ttrue Ausprägung von Silöer°Cou:^^^^^^^Wffilsiiidcl \.
BiS znni Erlaß des dentichen si„d olle
provisorischen Maßregeln, weicheWWWWZweck haben, die
Durchführung des ganzen ReforiftpkaneS vorzubereiten, zu ver-
tneiben. Insbesondere ist die Ausprägung von neuen Goldmünzen
vor der Feststellung des tünsligc'n Münzsystems nicht zu ein-
pfehlcu."
Mil einer Uebersicht über die Thätigkeit des zwölften Con-
greffes und dem herzlichsten Ausspruch des Dankes an die Stadt
Lübeck, an welche die Mitglieder auch fernerhin durch eine dank-
bare Erinnerung geknüpft sein wurden, schl.eßl der Präsident
Braun die Sitzungen.
Der fl- Deutsche Zuristentag.
Stuttgart, 31. August. Gestern fand die zweite und letzte
Plenarversammlung zu eudgiltiger Feststellung der in den Ablhet-
tungeil gefaßten Beschlüsse statt. D.e wlchllgsten derselben betra-
fen die Haftpflicht d.s Staates, dle Zustandigkett der Strafge-
richte, die deutsche Notanatsordnung, die SlrafgerichtSpflege und
die neue beutlche Civilprozeßorbnung. Bezüglich der Haftpflicht
des «staats sprach sich die Versammlung principiell dahin aus,
daß ein dringender Rechtögrund vothanden fei, zu erklären, daß der
Staat die Hajlpfllcht für feine Beamten zu ü ernehmen und dem etwa
Verletzten volle Entschädigung zu leiten habe. — Zn Bezug auf
die Zuständigkeit der Slrasgcnchle wurde beschlossen: die Zustän-
digteit der Strafgerichte soll in der Regel von oer m thesi an-
gedrohten Strafe abhängig gemachl werden; Abweichungen hier-
von sollen nur bei Zuwetsung gering strafbarer Falle, welche an
sich zu den Mittelgerlchleu gehören würden, zu den Sirasgerich-
len niedrigster Ordnung gemacht werden. — Oie Frage über die
deutsche Notariats-Ordnung wurde dem künftigen Junsten-
tag zur wetteren Berathung überwiesen, jedoch dre Thesis aufgc-
stellt: „Die sogenannte freiwillige Gerichlsbarkctt ist ihrem innern
Wesen nach von der streitbaren Gerichtsbarkeit grundverschieden und
von dieser unbedingt und vollstaubig zu trennen"; außerdem wurde
für wünschenöwerth erklärt, daß Cie Eompelenz der Notare durch
Vereinbarung mit dem Reichstage eiiihetttich geregelt werbe, daß die
jnrisdictio voluutam möglichst uneingeschränkt bleibe, baß die räum-
liche Ausdehnung der Notariate nicht zu groß beniesten werde, daß
die Siolarialögeichafte mögllchst vccem art werden und daß dem
Notariatüstande eine organische Gliederung gegeben werbe, zu
welchem Zwecke am beiten Notariats- lind Disciplinatkammern
eittjurlchien feien; endlich wurdc der Grundsatz ausgesprochen, daß
das Notariat und die Advocatirl getrennt werden mu>se. — Be-
züglich der Strafrechtspflege wurde beschlossen: aj eine Ver-
besierung der Slrasrechlspflc-e tst von einer möglichst auSgedchu-
ten Mitwirkung des Laieneltineiilks bet dec Avullhettung aller
SlrasrechlsfäUe zu erwarten und tst für diese Mitwirkung bet den
Strafgerlchlen mittlerer Utd unter,rer Ordnung die Form des
Schöffengerichts zu empfeh'e»; 6) der deutsche Juristentag geht
über die Frage: „empsiehli Ila) dre Einführung der Schöffenge-
richte namentlich auch dan», wenn die Berufung gegen Cie Ur-
lhctte der genannten Slras>'richle btsettigt wird?" zur TageSvld-
nung über, weil die,clbe mt der Lehre von den Rechtsmitteln in
Verbindung steht und «ich, in bloßer Berückstchllgung des Ver-
fahrens mit Laten zur Euscheidung gebracht werben kann; e)
den Schöffen tst das Richtranu in seine,» vollen Umfange über-
tragen. — In Bezug aus die deutsche Civilprozeßorbnung
sprach die Versammlung a«S: 1) Die im mündlichen Verfahren
der Verhandlung voraugseuden Schriftsätze haben die Haupt-
bestinimung einer gegen,eligc» Information der Parteien; 2)
nur die gestellten Anträge inö aus den Schriftsätzen *u verlesen;
3) es bedarf keiner ichriftlrhen Fixiruiig des Tharbestandes durch
einen motivrrten Beweiöbschluß; 4) der Thaibesiaud deö End-
urtherls ist aus dem Grsattntinbegnff der mündlichen Verhand-
lung durch den Richter je,su,kellen, mit Vorbehalt eines summa-
rischen Berichtiguugöversahens; 5) die rn dem revidirte» Ent-
wurf der deutschen Prozeßltdiiung gewählte Coustruclidii ist dem-
gemäß als Grundlage eine gemeinsamen Prozeßordnung aunehm-
Var; o) neue Thatsachen «o Bcwetsmttrel find dis zum Schluß
der Verhandlung, ans weihe das EndUllheit ergeht, mit jolchen
Maßgaben zuzulassen, wr. sie der Entwurf der deutschen Pro-
zeßordnung enthält; 7) dö Recht der unbedingten Bcrutung ist
als Regel im neuen Prv/ßgesetze schlcchierdings aufrecht zu er-
halten, und es kann die stoße reviaio iajure dafür nui)t gen st-
W. Die ivkitike, bet VkrsiNttAUttg LvtAeieW 8kW t ,/Gvlt
die Entscheidung über die richtige Anwendung der LandeSgcsetze
den obersten Landeögerichlen überlassen und nur die Entschelhung
über die richtige Anwendung der RetchSgesetze dem höchsten Reichs-
gerichte zugewiesen werden?" wird als unerledigt dem nächsten
Juristenlag überwiesen. — Ein Antrag des KreiörtchtekS Dr.
Hilfe aus Wongrowitz aus Reform der Rechtspflegestatistik
wurde auf so lange zurückgestellt, btS die allgemeine deutsche Ge-
setzgebung vollendet und eingeführt ist; über einen Antrag des
GertchtSrathö Leouhardi aus Glauchau, das Rechtsmittel der
Berufung bei bloßer Klagfreisprechuug betreffend, wird zur Ta-
gesordnung übergegangen.
In die ständige Deputation werden in Folge einer Tags vor-
her stattgehabten Besprechung berufen: Ober-TribunalSrath v.Köst-
lin von hier, Ober-Tribunalsdirector v. Kübel von hier, Rechtsan-
walt Dr. Kielmeyer von hier, Präsident Kühne aus Celle, Justrzraih
Dr. Meyer aus Thorn, Professor v. Bar aus Breslau, Ober-
Handelögerichtsrath v. Keller aus Wien, Hof- und GerichtS-Ad-
vokat Ritter v. Riedling aus Linz, RcgierungSrath Professor Dr.
Wahlmann aus Wien, Ministerialrath Stenglein aus München,
Professor I. Seuffert ans München, Geheimeralh Dr. v. Wäch-
ter aus Leipzig, Gencral-StaatSanwatt Dr. Schwarze aus Dres-
den, Kreisgerichtsblrcctor v. Stößer aus Lörrach, Präses Dr. Al-
brecht aus Hamburg, Ober-AppellalionSrath Lecker aus Olden-
bürg, Vicepräsident Dr. Drechsler aus Leipzig, Rechtsanwalt
Makower aus Berlin als Schriftführer und Geh. Justizrath Bor-
.chardt aus Berlin als Kassenführer.
Die Rede des Professor Dr. Gneist, mit welcher der neunte
deutsche Jurlstentaq geschloffen wurde, haben wir bereits gestern
unter Berlin mitgelhelit.
Die Holbein-Ausstelluttg in Dresden.
Wem irgend au einem guten Zug aus dem gesunden Born
deutscher Kuast gelegen ist, der soll nicht versäumen, zu dieser
Zeit nach Dresden zu gehen, oder, wenn die Herbstreiic einiger-
maßen vorüberführt, dort vorzusprechen, um die Holbein-Auö-
stellung zu besuchen. Bekanntlich giebt es zwei Exemplare von
des Meisters berühmter „Madonna deö Bürgermeisters Meyer."
Die eine hat ihr besonderes Cabiuet in der Dresdener Gallerte,
ihrer sixiinischen Schwester gegenüber, die andere ist aus dem
Besitze der weiland Prinzessin Marianne von Preußen in de«
ihrer Tochter, der Frau Prinze,sin Karl von Helsen, der Schwester
unseres Prinzen Adalbert, gekommen und ziert das Wohnzimmer
der hohen Frau in Oarmstadt, wie es früher in der Wohnung
der fürstlichen Mutter in Berlin hing. Vergleichungen dieser
beiden Bilder, welche zu Gunsten des weniger bekannten, daher
minder berühmten, Darmstädler hinneigen, finden sich schon »r
den Schriften von Kn gl er und Waagen. Immer aber konnte
nur bisher der in der Vorstellung bewahrte Eindruck des einen Bildes
mit der leibhaftigen Gegenwart des andern zusammengehalten
werden. Alles mußte auf eine wirkliche Nebenemanderstclluug
beider ankommen. Zum ersten Mare tst diese jetzt aus Anregung
hervorragender Männer der Kunstwell geschehen und damu er»
schon im Frühjahr 1869 gefaßter Plan zur Ausführung gebracht.
Zugleich ui sehr schätzbarer Ausdehnung, iufofein durch Hinzu-
ziehung von anderen Gemälden, auch Zeichnungen des Meisters,
von Holzschnitten, Photographleen und anderen Nachbitdungen
seiner Werke und der seiner Familie eine Holbem-Ausstellnug
von 440 Nummern daraus geworden ist, weiche un nordwest-
lichen Ziviuger.PavlUon, in den Räumen, wo sonst der Reisende
die Werkstatt des verehrten Meisters Schnorr aufzusuchen pflegte,
würdige und gute Ausstellung gesunden hat.
Wer sich den ganzen Umfang der Hotbein'schen Wirksamkeit
vergegenwärtigt, kann noch manches Werk herbnivüuicheu; mau
thut aber besser, mit dem Zusammcngevrachten zusrtkden zu jem,
da eö, ganz abgesehen von der wichtigen Gegenüberstellung der
beiden Hauptbilder, deö Interessanten t» reichem Maße bietet
An Gemälden hat die Galerie Duermondt in Aachen zwei
herrliche Bildnisse gesandt, Augsburg die Kreuztragung Christi,
> ' ]omt
eine heilige Ursula und einen h. GeTrg^IkMy^
ganzen Folge von Zeichnungen aus dem KupferstichkaV
vielbewundertes Bildniß des Kaufherrn Gyße beigesteueü',.^
den, außer der Madonna, das nicht minder hochberuhmle
des GotdschmidlS Hubert Morctt, sowie ankere PorlrattS. Mit.
findet ferner das Original der lieblichen Madonna mit dem Mai-
glöckchen aus Ragaz, die W ollmaun in i.inem betannlen Werte
über Holbein und dessen Zeit m Holzschnitt nnttheltt, die Mu-
donna von der Burg zu Nürnberg, den Auarstugel aus der
Ständegalerie in Prag, Bildnisse aus Wiener Privatgalerieeu,
die herrlichen Portraits von Sir Henry Guilford, Meister Hau«
von Antwerpen und Herzog Thomas von Norfolk aus Winoftr-
Castle. Ebendaher sind 15 Zeichnungen in Kreide, Tasche
und Farben gegenwärtig, Bildnisse aus der Folge der W.ndioc-
Zeichnungen, lebensgroße Brustbilder, als Sluvteu für Gemälde
nach der Natur, denen sich 66 Bl. Original-Phorographteeii aus
derselben Folge anreihen: vorzügliche B.älter ,ür das Slubmm
des Meisters. Andere Zeichnungen har das städtische Museum
tu Leipzig, daö Museum von Wermar, haben Londoner Puval-
sammlungen geliefert. Auch die Wiener Gulerreen sind durch
Zerumungen und Phoiographieeu vcrtrelen. Ntchr zu uber,eheu
sind die ichönen M »nt atu ren aus der Sammlung des Derzo^v
von Buccleugh. Pholographreen endlich verqegeuwa.,>»eu
das Bild von Sir Äticharo Soulhwell aus den Uffizien in Flv-
renj, Bilder aus der Pinakothek m München, Schatze aus der
Haudzeichnungösammlung des Museums von Bajet, vier ganz
vorzügliche Bildnisse aus dem Haag, das anziehende.Gentälde vvi»
dein „Brunnen des Levens" in Liliabon, einige Blatter aus der
Galerie der Handzelchuungen des Louvre in Paris und aus den
Wiener Galerien, die Piadonna von Solothurn u. f. w. — Es
feljU nichr das Lichtbild von der Copie des s^ausjatzade des Het-
lenstem-Hauseö m Luzern, das Holdem m>t Gemälden ge>chmuckr
hatte, u. s. w.
Sehr natürlich, daß die beiden Madonnen des Bürgcrmerstec
Meyer von Basel stets eine Gruppe von Beschauern gescssetl hat
len, welche die große Frage erörtern. Ich bekenne, daß ,ich mu*
kaum irgend je eine Ueberzeugung beim erste» Anblick ,v ,chia-
gend aufgeCrangt und bei wiederholtem Anschauen so sehr de-
slätigi har, als diese: daß das Darmstädier Bild ein Original
von der eigenen Hand des Meisters, daö Dresdener eme gure
Kopie tpäicter Zeit sei. Nicht mehr als Alles scheint mir dafür
zu sprechen. Man fühlt sich ganz der zpolbem vor bem Darm-
städler Bilde. Die Empfindung, das tnnete Auge, i» in den
«buitanC der Klarheit und Slcveiheit gerückt aus Me wohlthueude
Art, die sich dem Moment vergleichen läßt, wenn vor dem de-
waffneten physischen Auge die Glaser plöyuch in die richtige Stet»
lung treten und jede Unsicherhell und Vermuthung aushort. Ich
nehme den Kops der Madonna nicht aus. Gewiß hat der Dres-
dener Lrcblrch-rcs, Aumuthtgercs, sagen wir Moderneres, als der
Kops der Darmstädtcr; aber er hat mchi dre,e Hohen, und vvr
Allem er hat nicht diese Gemülhüttese. Daß die Dresdnerm mehr
gefällt, uamenliich der Dailieuwett mehr zusagt, ist erklärlich, aber
Manche würden bei üslerem Sehen sich dennoch zur alleren
Schwester allmaiig herühergezogen sindeu. — Fast sind es nur
noch diese Madonuen-Kopse allein, welche den Gegenstand abwei-
chender Meinungen bilden; nicht so alle übrigen Kopse, von de-
nen icbem Einzelnen im Darm,lavier Bilde dereitwillig der Vor-
zug zuerkannt wird. Gleich das Chrtstuskind aus dem Arme der
Olutler. Die s. g. Deulungssragc (ob nämlich das Kind wegen
jelneü krüttkuchcn Weienö Nltht anders üls 2k>uü und duö luuftc
Kuäbcheu tm Vordergründe.nicht anders als daö lüugste Meycrcheu
zu deuten sei) ist hoffentlich nun am immer beseitigt; denn Jeder-
mann sieht, daß sie vor der Dacmstädter Tafel Niemals hätte aus-
kommen können. Das Kind ichuuegr sich, uns anblickend, tachend
an den z-als der Mutter au, wie Kinder zu thun pflegen, welche
vor wcuge» thun, >vas ihnen geheißen worden oder aus uuwlll-
türltchem Impuls emfällt, — hier das Segnen. Die Ansicht von
Civive, daß das nackte Knäbchen auf dem Teppich vielleicht den
wauser vorstellen solle, hat nur nn ersten Augenblicke Ansprechen-
des, mau kommt bald wieder aus den jüngsten Spvß der Fainiiie
zuruck und die Geste des linke» Armes, «veuu sie einer Eitlaruug
bedarf, kann >re z. B. auch Caiin finden, daß der Äiater d>e Aur-
merlsamleit des Kleinen zum Slillhatlen hat s>sskt» wollt».
— Aus das Angenehmste berührt es, wie Holdem luinntt-
lichcn Kopsen der vereh.enden Famitie neben der Reatuat
und Objeclwttät, welche das Fundament aller seiner Bildnisse
bilden/ diesen Hauch von inniger Andacht beigegeben hat/ welche
sich in der unmittelbaren Nähe und unter dem Eindruck des Her-
ligrn weiß und fühlt/ und die selbst das simple Besicht der Toch-
ter in Seelenschönheit taucht. Diese Verklärung der Köpfe ist
nur dann auf dem Dresdener Bilde/ wenn man das Darmstädter
nickt dagegen sieht. Man vergleiche in dieser Beziehung die Köpfe
des älteren Knaben/ um zu bemerken/ wag Holbein gewollt und
erreicht hat, und was der Kopist nicht erreichen konnte: die Züge
besonders um Augen und Mund/ den sprechendsten Theilen des
menschlichen Gesichts.
Dies bringt mich auf die übrigen Veränderungen in dem Dres-
dener Bilde. Keine ist erheblich, manche aber eine vermeintliche
Verbesserung, keine wirkliche. Zu der letzteren möchte zu rechnen
fein, daß der knieeudc Donator nicht so in den Fußboden gedrückt
ist, wie beim Darmstädter Bilde. Zu den ersteren gehört aber
die, allerdings geringe, Aenderung in der Architektur, welche der
Nische daö Geschlossene nimmt und sehr richtig schon von Wolt-
manu eine Verschlechterung genannt wurde. ‘ Auch hat derselbe
Holbein-Forscher schon darauf aufmerksam gemacht, daß daö durch
den Firniß angegrunte blaue Gewand der Madonna schlechtweg
für Grün genommen wurde, eine Anordnung, welche der Meister,
däucht mir, weder gemacht noch geduldet hätte. So viel Zeit,
als dazu gehört, diese Wirkung dev Firnisses bis zu dem Grade
walten zu lassen, wo der Irrthum mögltch wird, muß zwischen Ori-
ginal und Kopie jedenfalls liegen; sie kann wohl nicht allzukurz
sein. Die Linien deö Teppichs, die sich im Darmstädter Bilde
biegen, weil er herabhängt, sind im Dresdener gerade gelegt, die
Behandlung der Stoffe, Stickerei u. s. w. ist in der Nachbildung
nicht mit der eingehenden Liebe und Sorgfalt geschehen, wie sie
Holbein eigenthümlich ist. Auch dies tritt erst jetzt bei der Zu-
fammeustellung recht deutlich hervor. Orr Mantel der Madonna
legt sich nicht in so voller Falte über die Schulter des Bürger-
metsters.
Mit diesen Bemerkungen soll nicht gesagt sein, daß man es in
dem Dresdener Exemplare nicht mir einem vorzüglichen Bilde zu
thun habe. Es ist dem Beschauer auch Gelegenheit gegeben, sich
votirend für dasselbe auszusprechen, indem Professor Fechner, der
auch dem Katalog, den man erhält, eine schätzbare Uebersichl der
Literatur über die beiden Exemplare der Madonna deö Bürger-
meister Meyer angehängt hat, ein Buch auslegte, in welches Ze-
der seine Empfindungen vor den beiden Btldern und seine Er-
klärung, weichem er den Vorzug gebe, einzutragen gebeten wird,
so daß dadurch eine Art von Volköbeschluß vorbereitet ist. Jeden-
salls dürfen wir uns freuen, beide Bilder auf deutschem Boden
zu haben. Und auch vor dem Dresdener Bilde werden wir fort-
fahren können, den Eindruck der freundlichen un-beruhigenden
Gemeinschaft mit dem Heiligen, der von dieser Schöpfung des
Meisters ausströmt, zu empfangen. Wollte Gott, wir hatten
nur viele solche Wiederholungen von Meisterwerken der Kunst.
Neben dieser Madonnenf.age wird vielleicht, abgesehen von
diesen oder jenen Speziaizwecken, am meisten inleresstren, sich
Holbein in seiner Eigenschaft als Bildnißmalec zu vergegenwär-
tigen, ui welcher er so groß ist. In fernen Bildnissen manisestirt
sich seine Kraft als Geschichrömaler, in seinen Bildnissen steht
seine Zeit vor Augen und sieht uns mit ihren Augen deutlich an;
alle seine Gestalten sind dramatis personae von ihr. Und das
gerade, weil er jede Individualität in ihrem Persönlichsten faßt
mit einer Wahrheit, dre man unerbittlich nennen möchte. Jeder
Charakter in seiner festen Beschlostenheil coneentrirt, der Mund
zugehalten, aber sprechend, der Blick vorgefandt. Eö liegt etwas
von dem E nst deö Daseins auf dem Grunde ihrer Seele. Auch
in ihrem Sonntagskleide zeigen sie das Arbeitegesicht des Le-
bens. Die Siellung, meistens einfach und geradeaus, die Hände,
die Tracht, unlcritüyen den Charakter des Antlitzes; überall die
deullichste Objectivtlät. Wie Holrein die Menschen seiner Zeit
in ihrem historischen oder culturdistortschen Wesen erfaßte, empfin-
det man klar, wenn man sich in daü Ban Dyk-Zunmer in Wind-
sor Caflle versetzt, aus dem unö die Zeit von Carl Stuart enl-
gegenlr.it, oder sich eine Galerie Rembrandt'scher Bildnisse ver-
gegenwärtigt, der wahrlich als Physiognomiker neben Hotbein
auch guten Bestand bat. Mit welchem Vergnügen kehrt man,
wenn man
"Üese Äg^L?r^M^eäe'dcr"DreSdenrr SammIung zu-
Bebendem lebensgroßen Hüflbttde des Goldfchmieds Morelt.
letz lebt daran, die Hand mit dem Handschuh und die Hand
ohne diesen, der Atlas, die Stickerei, der Pelz, das Gold des
BarihaareS, die Haut, daö Auge endltch und die Seele.
Man muß den Männern sehr dankbar sein, welche den Genug,
den diese Ausstellung bietet, ermöglicht haben. Jedenfalls ge-
wahn sie den Vortheil, den es immer mit sich fuhrt, wenn man
Gelegenheit hat und nimmt, einen Meister, er fer aus welcher
Kunst er wolle, ganz und voll möglichst gründlich zu erfassen.
Plan hat immer mehr davon, als von dem leidigen Potpourri-
Wesen. Und daß wir hier einen echt deutschen und gediegenen
Meister vor Augen haben, mag uns unziigänglicher machen für
manche seltsamen Farvenmustten der Gegenwart.
Friedrich Eggers.
Der Pro;cß des Di-. Schöppe.
(Aus Nordamerika.)
Carl« sie, Penna., 9. August 1871..
Gouverneurs folgen werde. Und daß diese Entscheidung nur in
der Entlassung deö Angeklagten bestehen wird, darüber herrscht
nur eine Stimme. Der Gouvemeur, so glaubt inan hier allge-
mein , hat durch die Gewährung dieser persönlichen Audienz die
moralische Verpflichtung übernommen, den Fall in endgiltiger
Weise zu entscheiden. (Pos. Z.)
Theater.
(Victoria-Theaters Seit dem ersten Tage dieses Mo-
nats hat der Director Behr diese Bühne übernommen und da-
mit ist wohl eine neue Aera für dieselbe zu erwarten. Hr. Behr
ist in Berlin nicht fremd, er gehörte vor Jahren mit Erfolg zu
den Mitgliedern der k. Oper uns hat, feildem er aus den Rei-
hen derselben getreten war, dafür gesorgt, sich einen guten Ruf
als tüchtiger Künstler zu bewahren; das Publikum erwartet da-
her von seiner Leitung des Victoria-Theaters, dessen Lebensfähig-
keit nach so wandelbaren Schicksalen wohl mehr als hinreichend
erwiesen ist, mit Recht das Beste. Es verlautet überdies, daß
Hr. Behr jeder Gattung des Schauspiels sein Repertoir
öffnen will und sich dazu mit tüchtigen Kräften aus-
gerüstet hat. Wir begreifen, daß er für das neue Capitel
ur der Geschichte dieses Theaters, dem er seinen Namen ge-
ben soll, nach einem möglichst glänzenden Aufaugöbuchstadeu
suchte und meinten mit ihm, daß dazu der Name deö „Walzer-
königs^ Strauß und seine Oper Indigo und die vierzig
Räuber den geeignetsten Anhalt zu bieten schien, zumal wenn
er den Berlinern Gelegenheit verschaffte, den Compouisten per-
sönlich kennen zu lernen und dirigirca zu sehen: Strauß au
der Spitze eines tüchtigen Orchesters, Indigo, burleske
Operette in 3 Akten, für Berlin bearbeitet von Ernst Dohm
mit neuen Costümen, Decorationen, Maschinen, Opern- und
Ballettratten: ja der berühmteste Kalligraph kaun für die Herstel-
lung gläuzeuder Initialen nicht eine größere Menge von Effecten
entfalten, als hier sich aneinander reihlen. Dre Aussicht zu einer
glänzenden Karte war geboren, dieselbe nun auch zu einer Wahrheit
zu machen, stand nicht ausschließlich in der Macht des neuen DtrectorS.
ES ist ein eigen Ding um die sogenannte „burleske Operette";
waö man sich darunter eigentlich vorzustellen hat, das ist uns bisher
so recht eigentlich nur von Offenbach klar gezeigt worden, den
man deshalb freilich mit Recht Seitens der Kritik verfehmt, von
Seiten des Publikums dagegen, und zwar mit Unrecht, zugejauchzt
hat. Die Frage nach dem Warum ist tercht erklärt; O f senba ch
versteht es, die Leute zu amüfiren, und zwar nicht nur durch
seine Musik, sonder» auch durch den unteryaltlicheu, komischen
oder burlesken Inhalt seiner Stücke. Wer besäße nur eine ästhe-
tische Ader und hätte sich nicht hundertmal gescholten, daß er lei-
nen Abend mit dem Zuschauen der Offerrbachiaden hingebracht?
Aber diese Reflexionen kommen erst, wenn man das Theater ver-
läßt, so lange die Vorstellung daüert, ist der Zuschauer unter dem
Bann der drolligen Unterhaltung, er sagt sich: „daö ist absoluier
Blödsinn!" aber-----er lacht, und überdies die prickelnden
Melodieen sprechen ihn an. Alle Sünden deö Erfinders dieser
Elitarlung der komischen Oper treten aber in ihrer ganzen Schal-
heit erst bei seinen Nachahmern hervor. Nach dieser Richiung
hm haben es die Wiener so arg getrieben, daß eine
Rettung aus dem Jammer, eine Ruckehr zu Besserem
dringendst geboten war, nnd es ist ein unbestrittenes Ver-
dienst deö Kapellmeisters Johann Strauß, daß er m:t seinem
Indigo dies Remuigswerk unternommen und wenigstens den Weg
zu einer besseren Richtung gezeigt hat. Freilich sein Wegweiser
zeigt rückwärts, er schreibt das fatale Wort „Burleske Ope-
rette" darauf uud laß; damit den Zuschauer ein Ziel erwarten, an
welches er ihn nicht befördert. Indigo ist weder eine „Op er eite"
noch ist Text und Musik „burlesk". ES ist die alte Geschichte vou
Allbaba dem Eseltreiber und den vierzig Räubern; darin lieg: kern Bor-
wurf. Wie oft, wie siunm und tnmg Hai das Märchen des Mor-
genlandes wie des A'-si-q itpur nlchl schon der Oper reichen Stoss
geboren, aber auchßj-snnrttz-M^cn Fällen haben sich die Opern-
Componistcn äsn' rq-m jCput luv. den Mälchenschatz gewagt. Wer
eine Oprra-^ ,a,j,yq u,sivs n^ba" machen will, muß vor Allem
welche ‘mVÄ iLgt-Vlnuen, wie eö z. p. lener
Librettist Löhne, so el ® 0V'iri*11 ^e!’\n,
randot" eisn Heiden ersteren •. . Ullter -r-extschrciber halt sich
einfach an die S^.„ abgeschraubt für das ekgeutUch komische
oder gar burleske ...,mig oder gar mchiö her. Der
Comvonist fühlte sich unstreitig.auch von dem romantischen
Element angezogen, eö ist, als t>l> er träumend sich all den Ein-
drücken der Zauberivelt hiugiebt und „ur ab und zu, weit weni-
ger, als man es erwarten soll, den hüpfenden Elsen
gestattet, ihn an daü Reich der Tänze zu mahnen, in
welchem er und fern Geschlecht unbeschränkt herrschen und
gebieten. Die Ouvertüre ,ß breit und in großem Styl angelegt,
schließlich spitzt sie sich zu emer feurigen Galoppade zu, und diese
Art dcr Entwickelung in Melodie und Rhythmus bleibt die
Signatur des Ganze». Da findet uud windet sich manche
Blüthe zu einem Sträußchen zusammen: ein Terzen rm
ersten Akt „Zum lieben schönen Deutschland", die Erklärung
deö Selamö und das Finale im ersten, das Lied Fantaüca'ö
im zweiten Akt mit dem Schluß „Wir sind nicht mehr schwache Wei-
der, Wir sind Räuber, kühne Räuber", ein Duelllno
Alibaba und Anderes mehr; aber der
In dem bekannten Schöppe'schen Prozeß, der den Lesern dieser zwischen Janio und
' ist noch keine endgiltige Ent- Strauß hat seine Lorbeeren bisher doch nur auf dem Ge
biete des Tanzes geholt. Vieles, im zweiten Akt namentlich, ist
zu breit, selbst für die „komische Oper" in einem höheren Sinne,
geschweige denn für die „Operette", an welche daö Publikum
doch einmal gewöhnt ist, und von der es geschickt entwöhnt wei-
den muß. Darstellung und Ausstattung thaten das Möglichste
für den Erfolg, der Hauptantheil an letzterem gebührt ohne alle
Frage dem Frl. Lina Mayr, welche als Gast dle „Fantaoka"
saug und spielte. ES ist dies nicht nur die Hauptrolle, sondern
eigentlich die einzige durchgesührie Rolle im ganzen Stucke,
in der That eine der anstrengendsten Aufgaben, welche ........
Zeitung noch erinnerlich fern wird, .
scheidung getroffen worden, trotzdem der Unglückliche nun schon
über zwei und ein halbes Jahr im Kerker schmachtet. ES sind
im Laure dieser Zeit sehr wichtige Eurlastungsmomente für deu
Angeklagten anS Licht gekommen, allein im ganzen Staate Penn-
sylvanien existirt kein Gerichtshof, der die Macht hat, im jetzigen
Stadium des Prozesses irgend welche Entlastungsbeweise anzuhö-
ren. Auch der letzte Anker, auf den die Verfolgung sich in die-
sem Falle noch gestützt haue -- daß nämlich eine Verbindung
von Blausäure und Morphium die acute Wirkung der Blau-
säure, die sonst innerhalb von 5 biS30Minulen zu tödten pflegt.
und
wenn wir
bis auf 22 Stunden und noch länger verzögern könne — ist der sie einmal ganz materiell nur nach ihrem Umfange und dem Auf
Anklage setldem durch thatsächliche, gerade daü Gegentheil bewei- gebot, daö sie an physischer Kraft verlangt, betrachten, als ein klei
“ * ' -' - - v ^ - ...iss—+ ~ ^ v.
sende Experimente, die von den ersten wissenschaftlichen Autoritä-
ten des Landes gemacht worden sind, unter den Füßen weggezo-
gen worden. Mil der Widerlegung dieser Hypothese, über welche
zur Zeit des Schöppe'schen Prozesses keine auf thatsächliche Ex-
perimente gestützte Resultate bekannt waren, füllt im Grunde ge-
nommen die ganze Anklage gegen Ur. Schöppe in Nichts zusam-
men. Die Behauptung des objectiven Thatbestandes — daß
wirklich ein Mord in diesem Falle begangen worden sei — wird
durch die oben erwähnten Experimente auf's Glänzendste zu
Gunsten des Angeklagten widerlegt Von einem Beweise deö
objectiven Thatbestandes ist überhaupt in diesem Prozesse niemals
die Rede gewesen. Wett die Verstorbene dem Angeklagten ihr
Vermögen hlnierlaffen hat, so könnte sie wohl an Gift gestorben
sein — so folgerten die entfernten Verwandten der Verstorbenen
und mit ihn.» der Staatsanwalt. Fragt man aber nach dem
Beweise des objectiven Thalbestandeö, ja, der ist niemals geliefert
worden. Die Motive — die Motive, hieß es stets, sind vorhan-
den; darum hat Ur. Schöppe die Dame ermordet. Daß em der-
artiges Slrafverfahrcn allem Rechtögefühi auf's Krasseste und
Schneidendste Hohn spricht, bedarf kaum noch der Erwähnung.
Daher allen, läßt sich auch die öffentliche Entrüstung, die sich ge-
gen die Vollstreckung des Urtheils in diesem Falle so allgemein
geltend gemacht hat, zur Genüge erklären.
Ur. Schöppe har vor einiger Zeit — gestützt auf die durch
nachträglich entdeckte Bewerfe gelieferte Wieocrtegung des objec-
liven Thatbestandes — sich in einer Eingabe an den Gouyxrneur,
John W. Geary, v n Pennfylvanien mit der Bitte gewandt,
der Gouverneur wolle ihm (dem Angeklagten) eine persönliche
Audienz gestalten. Auf diese Eingabe lst von dem Gouverneur
eine zusagende Antwort ertheilt worden, und hat derselbe ver-
sprochen, im Laufe dieses Sommers den Angeklagten persönlich
in dem Gefängniß zu Carlröle sich vorführen lassen zu wollen.
In Uebereinstimmung mit den deshalb von dem Gouverneur auf-
gestellten Regeln ist von dem Angeklagten ein Memorial vorbe-
reitet worden, in welchem die Wichtigkeit der nachträglich entdeck-
ten Entlastungsbeweife in kurzer Darlegung gezeigt ist. Dieses
Memorial wird dem Gouverneur bei der bevorstehenden Audienz
persönlich von dem Angeklagten überreicht werden.
Man glaubt allgemein, daß auf die dem Angeklagten gewährte
persönliche Audienz eine endgiltige Entscheidung von Seiten des
ucü Hercultcum erscheint. Frl. Mayr, der erklärte Llebltng deö
PubltkumS, stürmisch mit minutenlangem Beifall und Blumenspenden
begrüßt, zeigte, daß und wre sehr es ihr darum zu thun «st, diese
Gunst zu verdienen. Sie staltete die Fantasca mll dem ganzen
eigenartigen Liebreiz ihres Darstellungstaientö aus und machte
sie zu einem aumnthig-neckischen Wesen, ohne zu übertreiben oder
durch kleine Zuthaten Glanziichtec aufzusetzen, Die oft störend
wirken; sie wußte aber auch, was wir ihr als ein besonderes
Verdtenst anrechnen, dem romantischen Theil gerecht zu werben
und durch sehr geschickte Behandlung ihrer Sluam-Mutel
zu überraschen. Eö will viel sagen, wenn eö nur ihr
gelang, mtt dieser FanlaSca dm ganzen Abend hindurch
zu inleressiren. Das Lied mit dm Schtuß „Wir sind Wer-
ber" wird ein Gegenstück zu dem „sescheu Brasttlauer" werden,
dcr Beifall wenigstens läßt es erwaUen. Glanzendes Costüm
erhöht den Eindruck der anziehenden Erscheinung der Künst-
lerin und von Scene zu Scene steigerte sich ihr Erfolg. ES
war der Abend deö Frl. Lina Mayr! Alle übrigen thaten
ihre Schuldigkeit; Hr. Mathias, von seiner langjährigen Thä-
tigkeit am Frledrlch-Wilhclmöstädtischcn Theater bestens accredlltrt,
war ein recht ergötzlicher Alibaba; Hr. «öwoboda hatte als Ja-
nio viele sehr gelungene Momente; dieSltmme erschien ein we-
nig angegriffen und wurde erst allmälig frei. Aus der große»
Zahl der übrigen mögen Frl. Löffler, Hr. Hafel und Hr.
Schirmer mit Auszeichnung genannt ein. Chor und Ballet,
mehr aber noch die gläuzcnde Aussiattulg au Costümen und De-
corationen, verdienen das höchste Lob Hier lst eine ganze
Reihe von überraschenden Momente:, welche in der Er-
scheinung deö Schiffes am Schluß gipsen, von Dingen, die man
„gesehen haben muß". Daö Orcheste unter der stcheren und
eleganten Führung des Componisten Strauß ließ Nlchis zu
wünschen übrig. Er, wie die Haupldrsteller und der Director
wurden von dem überaus zahlreichenPubiicum wiederholt ge-
rufen. So stehen wir denn vor einen vielversprechenden neuen
Capitel der Chronik dieser Bühne; der glanzvolle Anfangsbuch-
stabe ist vorhanden, nicht minder glänzede Jlluftrattonen scheinen
sich bieten zu sollen, möchlc es der neua Direeuon getingen, für
einen fesselnden uud gehaltvollen Inhal zu sorgen, 'bet weichem
das Publikum und sie selbst ihre Rechrmg findet uud die Kunst
nicht zu schlecht fortkommt!
- --- —nvv* o-'»» wmm l«* WH wtwvui«»
vollen Oberregiffeur Hrn. W. Keller im Wallner-Theater die
beliebte Posse „Kläffer", m«t neuen Couplets, zum erste»
Male wieder in Scene. Herr Helmerdtng, der von feinem
Urlaube zurückgekehrt, wird zum ersten Male wieder als „Haase"
auftreten uud glauben wir dem Benefizianten gewiß ein ausver-
kauftes Haus versprechen zu dürfen.
Berlin. Am Montag findet im Reunion-The ater daö
Abschieds-Benefiz für Frl. Graichen, eins der beliebtesten Mu-
glieder dieser Bühne, statt. Frl. Graichen, eigentlich als Sou-
brette au dieser Bühne engagirt, hat sich mit Fleiß und Eifer
sehr schnell darin gefunden, auch als Sängerin ln den hier zur
Aufführung gelangten Opern mitzuwirken und als solche auch be-
währt; ihr Abgang von dieser Bühne wird sich sehr bemerklich
machen. Zu ihrem Abschicdöbenefiz, in welchem sie als „Gala-
thec" auftreten wird, wünschen wir ihr eine recht rege Theil-
nahme des Publikums.
Die Cholera und die Bedürsnitz-Anstalten.*)
Seit einer geraumen Reihe von Jahren wiederholt sich regel-
mäßig das Schauspiel, daß bei dem Herannahen epidemischer
Krankheiten, namentlich der Cholera, über die ungenügenden
Zustände unserer Ledürfnißeinrichtuugen von allen Seucn
Klagen erhoben werden, welche, nachdem.in der Presse bei Ver-
einen und Privaten eia mächtiger Staub aufgewirbelt ist, schließ-
lich Alles beim Alten belassen.
Gewiß sind die schweren Klagen über die mangelhaften Zu-
stände in der bezeichneten Richiung so begründet und so lanbbe-
kannl, daß darüber kein Wort mehr verloren werden darf, eö s.i
denn das des berechtigten Erstaunens darüber, wie in unserer so
wohl organisirten Stadt der handgreiftiche Nachtheil für das
öffentliche Wort noch immer verkannt werden kann. Gleichwohl
«rfcheint es in der That weder zweifelhaft, was zu thun ist, noch
wie eö zu thun ist, um alle» berechtigten Ansprüchen in gründ-
licher Werse nnd verhältntßmäßig kurzer Zeit gerecht zu werden,
sobald man nur Muth und Kraft zu denjenigen Reformen besitzt,
welche schließlich doch unerläßlich bleiben.
ES ist hier nicht der Ort und augenblicklich auch kaum die
Zeit, um sich t„ dogmatischen Erörterungen zu ergehen, der Un-
lerzeichnete möchte sich vielmehr nur erlauben, kurz uud prägnant
diejenigen prarlischen Zielpunkte hinzustellen, welche seiner An-
sicht nach eine schnelle und gedeihliche Reform in's Auge zu fas-
fen hat. Er verfolgt dabei die wohlgemeinte Absicht, wenn mög-
lich, diesmal wirkliche Resultate milherbeiführen zu helfen und er
stützt sich dabei auf die Studien und Erfahrungen, die er theorc-
tisch und prakisch theils als ftüherer mehrjähriger Vorsitzender
einer städtischen Deputation für den einschlägigen Gegenstand,
theils als langjähriger hiesiger Grundbesitzer aus eigener An-
schauung zu machen Gelegenheit hatte.
Die Hauptsätze fassen sich ihm darnach in Folgendem zu-
sammen:
1) Daö einzig richtige, bis jetzt durch.Theorie uud Praxis be-
währte System für Bedürftuß-Einrichtungeu ist das Tonneu-
system mit geregelter A bfuhr; die schlechteste, ja absolut
verderblichste Einrichtung sind die kloakenartigen AparlemcniSgru-
ben zur unlerfchiedötofcn Aufnahme der gefammten Abgänge eines
Hanswesens mit viertel- oder halbjährlicher oder uoch scUeoerer
Räumung.
2) Jedem Hausbesitzer ist daher in bemessener Frist kategorisch
aufzugeben, die bei ihm vorhandenen Apanementsgrubeu zu de-
fettigen, dagegen in den Bedürfnißräumen Tonnen aufzustellen
und für dre compacten Abgänge auö den Küchen >ür Müll,
Asche:c. besondere trockene Müllgruben einzurichten, während
alles unreine Wasser aus den Haushallungen durch die Sllchca-
itctle in deu Rinnstein abzulassen ist. (Diese Einrichtung hat der
Unterzeichnete bei sich selbst seit ca. 12 Jahren genossen und si-
hat sich in aller Beziehung bewährt.)
3) Die s. g. Waterclosetö in ihrer jetzigcn Einrichtung sind
möglichst schleunig zu befettigen, weil die gebrauch.iche Methode,
die Lxkremenre durch Wasser auszulösen, aus vcn Holen in Senl-
gruben anzusammeln uud letztere zur Nachizen in deu Straßen-
Rmnstein abfließen zu lassen, fast „och verpestender wirkt, als das
Ausleeren der Apartemeiusgruden. Slalt dieser WaterclosetS
sind Nachteimer mit geregelter Wechselung und Abfuhr ein-
zurichten.
4) Die langverheißene, schon bei der Eru^ung der englische»
Wassercompagnie projecurte regelmäßige Spülu»., -er Rinnsteine
muß endlich eine Wahrheit werden und kaun es, namentlich,
wenn die Stadt die Wasserwerke selbst übernimmt.
5) Für die geregelte Abfuhr der Tonnen und der Nach.a,^„
sowie für rechtzeitige Räumung der trocken«! Müllgruben
durch streng organisirte Einricytungeu gesorgt werden, sei eö, dag
diese der Staat (die Polizei), die Commune oder eine concessio-
nirie Privatgesellschaft übernimmt.
Die Letztere wird sich zweifelsohne finden, wenn die Behörden
die all 2 uud 3 besürworleten Maßregeln treffen und zugleich den
Kostenpunkt regeln helfen.
6) Eö ist nämlich durchaus falsch und etne Quelle vieler Ge-
fahren, das Reinigungswcfen als eine nebensächliche, möglichst
toimttose Angelegenheit behandeln zu wollen. Die konkurrireude»
öffentlichen, namentlich GesundheitS-Jntereffen verlangen geradezu
pekuniäre Opfer, welche die Hausbesitzer und neben diefeu
alle Einwohner etnwandslos mittragen müssen.
Eö »st deshalb, nöthigenfallö polizeilich, durch ausreichende Taxen,
durch Abfuhrordnungen rc. auch die materielle Existenz der
organisirten Unternehmer sicher zu stellen und ihrer Wirksamkeit
Vorschub zu leisten.
Hteiillil hängt eng zusammen, daß
7) die bestehende regellose Abfuhr durch die Ackerbürger der
Umgegend (die s. g. Mistbauern) absolut verboten wird, weil
Dieselben sich jeder Controlle entziehen, auf der einen Seite durch
nnverhältnißmüßige Billigkeit die Grundbesitzer anlocken und de»
hiesigen organistrlen Unternehmern die Existenz erschweren, aus
der andereu Seile aber bet dringenden ländlichen Arbeiten und
namentlich zur Erndtezeit, — also in der Wtinmsten Periode
— die städtischen KemtgungSarbeiten total vernachlässige».
8) Wenn solchergestallt coucessionirte Abfnbrgesellschasteu ein
ausschließliches Recht für ihren Geschäftsbetrieb erhalten sollen,
so muß denselben eine correspondirende Pflicht auferlegt werden
und umgekehrt wird es Pflicht uud Recht der Hausbesitzer, mit
diesen Gesellschaften nöthigenfallö unter polizeilicher Controlle
zu arbeilen.
Dem Unterzeichneten ist nicht unbekannt, daß das hier vorge-
tragene Programm seine schärfsten Gegner auf Seite derjenigen
hat, welche für die Canalisatton schwärmen. Allem, weuil
man auch nicht, wie Unterzeichneter, annimmt, daß die Canalisa-
lion ein gefährliches, nirgends befriedigend gelöstes, für Berlin
nach den verschiedensten Richtungen ganz besonders uachtbettigeö
Experiment bleiben wird, so steht doch fest, daß dessen Ausfüh-
rung längere Zeit in Anspruch nimmt, als die Interessen der ge-
genwärtigen Generation ertragen können. Deshalb bleibt die
Frage erlaubt, ob die Behörden unserer Stadt es nicht endlich
vorziehen dürften, wenigstens den jetzigen Zuständen dadurch ein
Ende zu machen, daß sie dem hier vertretenen System vorerst
Vorschub leisten und zu dem Behufe diejenigen administrativen
oder legislatorischen Maßregeln treffen, welche es allerdings er-
heischen wird?!
Salu« publica, lex suprema.
_____ Dr. A. Th. Woeniger.
") Da es sich hier um eine völlig unpolitische, zugleich das all-
gemeinste Interesse beanspruchende Angelegenheit handelt, so
darf der Gegenstand wohl der gefammten verehrlichen Presse
unserer Stadt zur geneigten Beachtung empfohlen werden.
Wohlthätigkeit.
Für die Abgebrannte» des GebirgödorfeS Schmie-
defeld bei Suhl sind an milden Gaben ferner bei uns ein-
gegangen: Nr. 5) E. C. 5 thlr. 6) W. K. 1 Ihlr. 7) Z. B.
1 thlr.
Fernere Beiträge nehmen wir dankbar an.
Haube nc Speuer'sche Zeitungs - Expedition.
Zweite Beilage.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
*
Ur. 182.
Mflgt zur Allgemeinen Zeitung.
Sonnabend, 1 Juli
Carrespondensea sind an die Redaotien, Inaerate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Dieselbe berechnet für die dreigespaltene Coloneizeüe oder deren Raun
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Zur Bequemlichkeit der verehrl. Inserenten wurde neben dieser auch eine wortweise Berechnung eingeführt; und zwar wird für jedes (wenn auch abgekürzte) Wort oder Zahl
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Betrag ist der
Verlag der I. G. Eotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: vr. I. v. Gose«.
Uebersicht.
Enthüllung über die Augsburger Holbein-Jnschrift. — Aus Madrid.
Politik, Literatur und Kunst. (Ul.) — Reliquien-Fälschung in Rom.
Iterreste Postep. München: Ministerrath. Festdecoration. Die
Münchener theologische Facultät. Professor Zenger. Zollconferenz.
Stuttgart: Olga-Orden. Berlin: Das Programm des Hrn. Thiers.
Nachsicht gegen Frankreich. Ratzeburg: Dotation für Bismarck.
Wien: Zum tschechischen Ausgleich. — Verschiedenes.? ___
Telegraphische Berichte.
* Berlin, 30 Juni. Die Abreise des Kaisers nach.Hannover war
für heute früh bestimmt, wurde aber wegen rheumatischer Schmerzen,
welche die Nachtruhe beeinträchtigten, und Morgens, obwohl weniger hef-
tig, fortdauerten, aufgegeben. Der Kronprinz ist nach Hannover abgereist.
* Breslau, 30 Juni. Die der Aktiengesellschaft Königs-Laura-
Hütte gehörigen Werke arbeiten ungestört fort, und sind von dem Strike
des fiskalischen Bergwerks Königshütte nicht berührt.
* Paris, 30 Juni. Fortwährend werden neue Candidaten auf
die Liste gestellt. Das Coinitv Renouard vereinigte sich mit dem
Comite der Union der Pariser Presse. Der Versuch eine Einigung mit
dem radikalen Comite zu erzielen blieb bisher erfolglos. Die „Agence
Havas" bezeichnet es als wahrscheinlich daß die Candidaten welche sich für
die Politik Thiers' aussprachen durchdringen. Der Herzog v. Broglie
stattete heute Thiers einen Besuch ab, und kehrt Abends nach London zu-
rück. — Die „Amtszeitung" vom 29 Juni sagt: „Gestern forderten wir
zwei Milliarden und erhielten fünf, heute zeigen wir Europa eine Armee
von 100,000 Mann, von Tapferkeit beseelt und in bewunderungswürdiger
Weise geführt, welche so eben die Civilisation rettete. Frankreich, feinden
letzten durch das Kaiserreich verschuldeten Unglücksfällen dcs Glückes ent-
wöhnt, beginnt seiner wieder bewußt zu werden und sich zu fühlen."
* Bordeaux, 29 Juni. In einer Ansprache an die Dele'girten der
republicanischen Comites erkennt Gambetta die jetzige Regierung an,
welche durch ihre Handlungen den Beweis für ihr Recht und ihre Macht
geliefert habe. Gambetta betont die Nothwendigkeit der Hebung des
Volksunterrichts und der allgemeinen Wehrkraft.
Diese Depeschen aus dem Hauptblatt hier wiederholt.
* Berlin, 30 Juni. Dem „Reiche Anzeiger" zufolge ordnete der
Kaiser die Reduction der in Frankreich verbleibenden Bataillone auf eine
Etatsstärke von 802 Mann an. — Bismarck ist gestern nach Lauenburg
gereist, wie die „Krzztg." hört, wegen des Ankaufs eines Hauses inner-
halb des Dotationsareals.
* Berlin, 30 Jnui. Schlußcurse: Bayer, bproe. Au!. *». 1870 160Vr,
bayer. 4^roe. Aul. 97%. 4prsc. Prörm-Aul. 1083% bad. Prärm-Arrl. 107 %,
4%proc. preuß. Aul. 96%, Kölu-Miudruer L. 83%, 1882er Amerikaner S«,
österr. Silberrrvte 56% Papierreute 48, österr. L. v. 1860 82. v. 1364 68%,
Lrrditactieu 102%, Lombarden 80%, Lsterr.-irauz. GtaatSd. 231%. Prior. 283,
Galizier 102%, Bchatzauweisnugeu 100%. Türke» 44%. Rumäuter —, stanz.
Anleihe 82 %. Wechsel: Wien 81. Tendenz: fest, lebhaft.
t Berlin, 30 Ium. Schlußcurse. Creditaeüen 162%, StaatSbahnaetieu
232%, Lombarden 90>%. Galizier 102%. 1882er Amerikaner 97, Buudes-Anleihe
1003/^. Rumänier 47, Touth-Mistouri 70% Rockford 43, Peuinsular 65,
Oberschl. Eisenbahn-Actien I,it. A. 187 %, Teutral-Pacific 86, Darinst. Bank-
actien 145. Tendenz: bewegt. *
Weitere telegraphische Curs- und Handelsberichte siehe fünfte Seite.
Enthüllung über die Augsburger Holbein-Jnschrift.
* In diesen Blättern war vor einiger Zeit von der Inschrift auf
einem Bilde der Augsburger Gallerie die Rede, welche besagt daß es (der
jüngere) Hans Holbein im Alter von 17 Jahren gemacht. Ich habe deren
Echtheit, gegen Angriffe die von manchen Seiten erfolgten, zu vertheidigen
gesucht, und zwar vor kurzem erst ausführlich in den Jahrbüchern für
Kunstwissenschaft. Eben aber ist die Entdeckung gemacht worden daß sie
doch gefälscht ist, und ich eile deßhalb dieß mitzutheilen. Der Conservator
der Augsburger Gallerie, Hr. E. v. Huber, schreibt mir über diesen Punkt:
«Wie Sie schon von Hrn.His Heusler benachrichtigt sein werden, fand am
12 d. eine Untersuchung der Inschrift an dem Holbein'schen Bilde „Anna
und Maria das Christkind haltend" statt. Da Sie schon früher eine solche
Untersuchung in einer öffentlichen Besprechung wie in einem an mich ge-
richteten Brief anregten und wünschten, konnte ich mich um so weniger dem
Ersuchen des Hrn. His Heusler entgegenstellen und nahm die Untersuchung
in Gegenwart des genannten Herrn und Freund Sesar's vor. In dem
festen Glauben daß höchstens starke Sprünge und Undeutlichkeiten sich er-
weisen könnten, waren wir im höchsten Grad überrascht und bestürzt daß
sich zweifellos die Unechtheit der besagten Schrift, und sogar Spuren von
jedenfalls ganz verschiedenen Buchstaben, wie das bisher durchschimmernde
Roth als Linien der Schriftumfaffung herausstellten. Im Bestreben nach
Wahrheit und Offenheit habe ich mit bestem Willen und mir bewußter
rechtlicher Handlungsweise diese Untersuchung vorgenommen, bin aber
über das Ergebniß tief betrübt. Die letzte Restauration des Bildes fällt in
das Jahr 1654, wo, wie Sie wissen, ich noch auf der Münchener Akademie
studierte und Sesar bei Quaglio daselbst arbeitete, indem wir uns beide
erst einige Jahre später dem Restaurationsfache widmeten, weßhalb wir,
mit den frühern Vorgängen und Zuständen des Bildes ganz unbekannt,
durch den jetzigen Vorfall wie durch einen Blitzstrahl aus heiterm Himmel
betroffen wurden." Nach einem Briefe des Hrn. His füge ich noch zur Er-
gänzung bei daß die Schrift auf der zweiten Seite des Buches nach Be-
tupfen mit einem in Terpenthin getauchten Pinsel, ohne Anwendung von
Putzwaffer, nach und nach fortgegangen. Da sie über den Retouche-Firniß
gemalt war, sei unzweideutig bewiesen daß sie erst bei der letzten Restau-
ration entstanden. Die erste Seite sei absichtlich unberührt geblieben. Die
Spuren der ersten Schrift seien nicht zu entziffern, sondern nur schwach
und von Farbenriffen unterbrochen, jedenfalls aber stehe in der untersten
Reihe keine Zahl wie bei der aufgemalten Inschrift.
Es ist beklagenswerth wenn man unzweifelhaft dargethan sieht daß
ein Mann der eine so warme Kunstliebe besaß, und in seinen Restaurationen
so viel für ältere Kunst gethan hat, der dabei im Leben so ehrenhaft da-
stand, wie der verstorbene Conservator Eigner, die Mittel welche seine Ge-
schicklichkeit ihm bot zu Fälschungen benutzt hat, durch welche er keinerlei
äußerlichen Vortheil suchte und fand, sondern bei denen er gewiffermaßen
nur einer fixen Idee folgte. So erfand er einen „Großvater Hans Hol-
bein," der Maler gewesen sei. Diesen habe ich definitiv beseitigt, indem
ich die Wahrnehmung machte daß die Beweise für deffen Existenz auf Fäl-
schung beruhten, sowohl die Inschrift eines früher im Augsburger Maxi-
miliansmuseum befindlichen Gemäldes, als auch die von Eigner verschie-
denen Kunstgelehrten mitgetheilte Abschrift der Annalen des Katharinen-
klosters, welche mit dem angeblich verschollenen, in Wahrheit aber auf der
bischöflichen Bibliothek zu Augsburg befindlichen Original nicht stttnmt.
Ich wies damals die Fälschung nach, ohne einen Fälscher zu nennen, weil
mir noch möglich schien daß Eigner selbst der Getäuschte sei. Ehe ich das
fand, hatte ich bereits die Inschrift auf dem Bilde der heiligen Anna
arglos als wiffenschaftliches Material verwerthet. Jetzt war eine neue
Prüfung nöthig, die ich wiederholt vornahm, aber die mich doch nicht zu
dem Schluß führte auch diese für unecht zu halten, denn bei dem Bilde,
im Maximiliansmuseum gab gerade die Form einzelner Buchstaben und
Zahlen Anstoß, während alle Einwendungen gegen die Buchstabenformen
auf dem Bilde der heiligen Anna sich als grundlos erwiesen haben, und
gegen den lateinischen Wortlaut, so ausführlich er ist, nie etwas vorge-
bracht werden konnte.
Mir bietet diese Erfahrung aus dem Grund etwas schmerzliches, weil
für mich, den Augsburg und die dortigen Gemälde überhaupt zum Hol-
bein Studium geführt haben, mit den ersten Eindrücken dieser Werke auch
die Anregungen verknüpft sind welche ich während der Betrachtung durch
Eigner selbst empfieng. Ferner ist es für einen Schriftsteller immerhin
unbequem eine Partie seines Werkes abtragen und neu construiren zu
müssen. Dennoch ist es mit Freude zu begrüßen, und man athmet auf
wenn eine wiffenschaftliche Streitfrage aus der Welt geräumt ist, und
wenn man, an Stelle von Vermuthungen und Zweifeln, einen sichern
Weg vor sich steht.
Jetzt steht selbstverständlich fest daß von 1495, als dem Geburtsjahr
Holbeins, welches nach dieser Inschrift anzunehmen war, nicht die Rede
sein kann, sondern daß, nach allem was wir wissen, 1497 als solches zu be-
zeichnen ist. Ebenso kann man nun nicht mehr von den sogenannten Augs-
burger Jugendbildern des jüngern Hans Holbein sprechen. Es ist klar daß
die Schriftsteller welche sie in die Kunstgeschichte einführten, Waagen und
Paffavant, es unter dem Einfluß Eigners gethan haben, den hier ebenso
eine fixe Idee, wie bei dem Großvater, leitete.
vor entfallend«
3262
Ueöer das was der Künstlerfamilie Holbein überhaupt angehört,
konnte man auf Grund neuerer Forschungen im ganzen klar und einver-
standen sein, darüber aber bestanden verschiedene Meinungen was dem
einen und was dem andern Mitglieds dieser Familie angehöre. Jetzt ist
diese Frage in ein neues Stadium getreten, und es kann darüber kein.
Zweifel bestehen daß der Cyclus von Brldern zu denen die heilige Anna
in Augsburg gehört, sowie noch manches andere, nicht dem jüngern, son-
dern dem ältern Hans Holbein zuzuschreiben ist. Anders verhält es sich
mit dem Altar des heiligen Sebastian, hinsichtlich dessen es mir immer noch
schwer möglich sein würde an die Urheberschaft des ältern Holbein zu glauben,
und der eine andere künstlerische Individualität, freilich nicht ohne starke
Familien Verwandtschaft zu jenem, offenbart. Aber auf diese Frage werden
demnächst neue archivalische Untersuchungen, welche in Augsburg gemacht
worden sind, ein überraschendes Licht werfen, und so mag sie vorläufig vor
Veröffentlichung dieses Materials unberührt bleiben.
Karlsruhe, Ende Juni. A. Weltmann.
AuS Madrid.
Politik, Literatur und Kunst.
III *)
* Unbekümmert um ihre Gegner und Verkleinerer, unbekümmert um
die Gleichgültigkeit und Undankbarkeit der Menge, hat die Academia
Efpanola fortgefahren dem Land werthvolle Früchte ihrer Arbeiten zu
spenden und die Freunde der spanischen Literatur zu ihren Festen zu
vereinigen, die sich nicht bloß wegen der bescheidenen Zahl der Gäste, der
fast mehr als bescheidenen Ausstattung des Festsaales, sondern nament-
lich wegen des anspruchslosen einfachen Tons der hier herrscht, zu einer
Art von Familienfesten zu gestalten pflegen. Von einem dieser Feste,
dessen Würze eine Rede von dem bekannten Dichter Don Patricio de la
Escofura war, dürfte ein kurzer Bericht willkommen sein. Die Würdi-
gung der drei zeitgenössischen Dichter, Don Felipe Pardo, Don Ventura
de la Bega und Don Josö de Espronceda, die mit ihm zu Don Alberto
Lista's Füßen gesessen hatten und bis zu ihrem Tod seine Freunde ge-
wesen waren, hat sich in Escosura's Rede zu einem fast vollständigen Bilde
der Bestrebungen entwickelt welche die spanische Dichtung im Anfang
unseres Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre beherrschten; ein äußerst
wohlthuender, gemüthvoller Ton klingt durch diese Schilderungen ge-
meinsamen Jugendstrebens und seltsamer Lebensschicksale hindurch, welche
der einzig Ueberlebende des vierfachen Dichter Kleeblattes als Kränze auf
das Grab seiner Kunst- und Lebensgenossen niederlegt.
Pardo, in Lima 1806 geboren und seit 1828 wieder Bürger von
Peru, bewahrte durch sein wechselvolles von den politischen Stürmen
seiner Heimath erschüttertes Leben die Eindrücke die er durch seine Er-
ziehung in Madrid erhalten, von dem unbeugsamen Classiker Hermosilla
die Achtung vor der Formenstrenge, von dem milderen Lista die sanfte
Empfindung. Als er Spanien verließ, richtete er folgenden Abschied
an seine Geliebte:
Amor, tus raudas alas
AI cefiro confia:
LIeva ä la amada mia
Mi postrimer adios,
Y dile que, en la ausencia
Que fiera nos divide,
La sacra fe no olvide
Jurada por loa dos I
Verse die so einschmeichelnd süß klingen wie die bekannten Me-
tastasio's:
Dille che si consoli:
Dille ehe m'aini; et dille
Che partö fido, Achille,
Che tido tornerä.
Dagegen erinnern seine von glühender Vaterlandsliebe und heiligem
Zorn gegen die Feinde der wahren Freiheit, die Demagogen, erfüllten
«erst satirischen Gedichte politischen Inhalts mehr an Jovellanos, wie
seine Oda ä Olmeda, La Lampara und sein Peru. Wie mächtig rau-
schen in dem letzteren seine Octaven dahin:
Ah! Cien hombres de noble sentimiento
Bastan, de la diviua Providencia
Las miras ü llenar. No mas que ciento !
Dönde estan? Los sumerge la indolencia
En torpe sueno? Y ceden sin aliento
El campo ä, la atrevida turbuiencia?
Que ! No veis que ese sueho es tan funesto,
Corno al provecho de la patvia el vuestro?
Die politische Satire entsprach offenbar am meisten dem Tempera-
ment und Talent des Dichters; dabei ist nur zu bedauern daß die'Zu-
stände und Personen die er in „Constitution politica,44 in „Vaya una
Kepübliea-4 u. f. w. geißelt, uns Europäern nicht hinreichend bekannt und
wichtig sind, und daß er sich häufig durch seine Leidenschaft hinreißen läßt
statt des Mißbrauchs gewiffer Grundsätze diese selbst anzugreifen. Pardo
wäre kein spanischer Dichter wenn er sich nicht auch auf dem dramatischen
Felde versucht hätte. Während seiner Studienjahre in Madrid wurden -
zwar noch viele Stücks des alten spanischen Theaters aufgeführt, aber
dieselben galten in den Schulen nur noch als alterthümliche Ueberbleibsel
einer untergegangenen Cultur. Der Pseudo-Classicismus der Franzosen^
der a'.n Ende des 16. Jahrhunderts in Spanien eingeführt worden, stand-
noch in Blüthe; Moratins Schule herrschte, kaum wagte noch Quintana ein.
chüchternes Wort zu Gunsten der Nationaldichter des goldenen Zeitalters
einzulegen; Moratins begabtester Schüler, Breton, der erste Stern des
Dichterhimmels der Zeit, war mit Pardo befreundet, und dieser verließ
Spanien bevor daselbst die Romantik mit El Trovador und Los Ämantes
de T.eruei Einzug hielt. So ist es denn nicht zu verwundern daß in den
drei Lustspielen die er uns hinterlassen, dem dreiactigen Los frutos de la
educacion, dem fünfactigen Una huerfaua en Chon 1 los und dem zwei-
actigen Don Leocadio die drei berühmten Einheiten sorgfältig beobachtet
sind, und daß der Dichter selbst als einen besondern Vorzug des ersterem
rühmt: „Die Handlung geht in weniger als vierundzwanzig Stunden
vor sich." Das erste Stück, das in Lima 1829 zur Aufführung gekom-
men, ist ein wesentlich literarisches Drama, die Huerfana ist ein bewegtes
Sittenbild, Don Leocadio, in Styl und Vers den beiden andern ähnlich,
dem französischen Theater entlehnt.
Während äußere Lebensschicksale Pardo nicht gestatteten sein Talent
aus diesem Gebiete völlig zu entwickeln, hat Don Ventura de la Vega mit
seinem „Bombre de Mundo44 dem spanischen Theater eine ebenso kostbare-
Perle geschenkt als Moratin mit seinem „El 81 de las Niflas.44 „Diese
beiden bescheidenen Lustspiele," sagt Escofura, „ohne tiefe Leidenschaft,
ohne sichtbare Kunstmittel, mit einem Wort: ohne andere Hülfsmittel,
als die Wahrheit des Gedankens, die Einfachheit desStyls, die tiefe Kennt-
niß der Gesellschaft und des Menschen, haben im ersten Augenblick ihres
Erscheinens auf der Bühne triumphirt, die Zuschauermenge begeistert, bie
Verständigen in Erstaunen versetzt, die Kritik zum Schweigen gebracht,.
Epoche und Schule gemacht." Die in Paris 1866 gedruckte und schön ausge-
stattete Sammlung Vega's enthält noch die beiden ziemlich verunglücktem .
geschichtlichen Dramen „Don Eernando de Antequera44 und „La Muerte
de Cesar,44 das seiner Zeit mit Beifall aufgeführte dramatische Bruchstück
„Los dos Camaradas44 und verschiedene unbedeutendere Stücke. Aber sein
dauernder Ehrentitel ist allein „El Hombre de Mundo,44 wo er sein Talent
als dramatischer Dichter, seine Beobachtungsgabe, Styl-Eorrectheit, Mäßi-
gung in Anwendung von Bildern und in Einflechtung von. Episoden und
seine feine Anmuth am reichsten entfaltet hat. *) Als Lyriker der classischen
Schule nennt ihn Escofura: mehr Denker als Mann der Leidenschaft,
streng in der Sprache, untadelig im Styl, im dichterischen Ausdruck immer
glücklich, ein vollendetes Muster im Geschmack, einen würdigen Nachfolger
Rioja's, den würdigsten Nebenbuhler des Herzogs v. Frias, Don Juam
Nicasio Gallego's und seines Lehrers selbst, des unvergeßlichen Don Al-
berto Lista. Etwas von dem Geiste des Meisters Leon (in seiner Ode „A
Felipe Ruiz“), etwas von der Form der unsterblichen „Coplas44 von Jorge
Mannque nehmen wir wahr in dem anspruchslosen Gedicht „A orillas del
Pusa,44 welches Escofura hatte entstehen sehen dürfen. Wir führen nur
die Anfangsverse an:
rIu raudal, de ese elevado
Monte al Tajo, en raudo giro
Se derrumba,
Tan hu milde, que senta do
Des de aqul su euna miro
Y su tuüiba,
No importa que el Tajo ufano
Tu brevs curso no iguale;
Corre ledo;
Y que uuuea el cortesaiio
En la earta te sehale
Con el dedo. ...
Mit besonderer Vorliebe spricht Escofura von dem bedeutendsten unter
den dreien, Don Jose de Espronceda, der auch seinem Herzen am nächstem
stand. Er ergänzt die treffliche Lebensgeschichte des Dichters, die wir von
*) Eine bühnengerechte deutsche Bearbeitung dieses geistvollen Lustspiels, das seit
seiner ersten Aufführung im Jahr 1846 nichts von seiner zündenden Wir-
kung eingebüßt hat, und noch heut auf allen größeren Theatern Spaniens
ein beliebtes Repertoire-Stück ist, läßt leider auf sich warten, während un-
gleich schwächere Producte neuerer spanischer Dramatiker den Weg auf unsere
Bühnen gefunden haben. D. R.
*) S. Allg. Ztg. Nr. 180, B.
3263
Don Antonio Ferrer del Rio haben, durch manchen Zug aus seiner eige-
nen Erinnerung. Er nimmt aus sich selbst, den Jugendfreund, auch den
Vorwurf welchen man dem jungen Espronceda gemacht, ein unruhiger
Kopf, ein Buscaruidos, gewesen zu sein; „das Lesen Ealderons stachelte
beide aus das Beispiel jener Edelleute nachzuahmen die stets mit dem
Degen in der Hand für die Männer und mit einer Liebeserklärung auf
den Lippen bereit standen für die erste wie für die letzte Frau der sie be-
gegneten." Was Escofura hierüber erzählt, erinnert rins lebhaft an die
Abenteuer womit der ältere Zeitgenoffe, der Maler Goya, Hof und Volk
Don Madrid im Athem gehalten hatte. Bekannt ist wie Espronceda, nach
einer unglücklichen militärischen Erhebung in Estremadura, nach Portugal
floh, von dort nach London, wo er sich in das Studium der englischen
Literatur vertiefte, ,und sich besonders dem Einfluß der Byron'schen Dich-
tung überließ: wie er 1830 im Juli auf den Barricaden von Paris kämpfte,
dann sich an allen spanischen Pronunciamientos bis zum September 1810
betheiligte, und sich alsbald unumwunden als Republicaner bekannte. Bei
.einer Begegnung die er damals mit Escofura hatte, gab derDichter seinem
Schmerz sich „außerhalb der gewöhnlichen Lebensverhältnisse" zu finden
rückhaltlosen Ausdrück; das revolutionäre Fieber hatte seine Kräfte unter-
graben; eine unglückliche Liebe aus Liffabon, über welche Escofura wie
sseine übrigen Biographen emen Schleier breiten zu müffen glaubten, und
die Byron'sche Weltschmerz-Poesie hatten damals schon seinen Geist mit
-tiefer Schwermuth umnachtet, so daß sein „vorzeitiger Tod als eine beson-
dere Gnade der Vorsehung für den großen Dichter und vielleicht selbst für
seine Bewunderer erscheinen mußte." Unwillkürlich gemahnt es uns bei
diesem Dichterloos an unsern Hölderlin, und noch mehr an Lenau.
Mit Recht bezeichnet es Escofura als die wahre Eigenthümlichkeit des
Dichters des „Diablo Mundo44 daß in seinen Werken alles persönlich, alles
der unmittelbare Ausfluß des Gefühls sei. In dieser Beziehung nimmt
Espronceda eine ganz einzige Stellung in der zeitgenössischen Literatur
Spaniens ein. Allem Anschein nach berufen ein Nachfolger Herrera's und
Quintana's zu werden, ringt er sich mit ungestümem Drang aus den hei-
mischen Ueberlieferungen los, freilich nur um unter den Einfluß der Dich-
tung, ja der Persönlichkeit Byrons zu gerathen — einen Einfluß der nach
unserer Meinung viel unbeschränkter war als Escofura zugeben möchte.
Der letztere will seinen Freund liebreich in Schutz nehmen gegen den Vor-
wurf daß er der Dichter der Verzweiflung und des Unglaubens gewesen
sei, und führt zu diesem Zweck seinen prachvollen Bimno al Sol, classische
Strophen aus dem Pelayo und die lieblichen Verse aus seinem Nacht-
gesang an:
Todos suave reposo
En tu calma, oh noche! buscan;
\ aun las lagrimas, tus suenos
Al desventurado enjugan;
Oh que siiencio! oh que grata
Oscuridad y trislura!
Cömo el alrna contemplaro9
En sl recogida, gusta! ...
Wir finden aber daß ein Byron, ein Heinrich Heine, selbst ein Alfred
de Muffet die Wunder der Natur auch nicht weniger innig gefühlt haben
als ihr spanischer Genoffe. Und wenn Espronceda in seinem Gedicht „A
Jarifa en una orgia44 ausruft:
Qud la virtud, la pureza?
Que la verdad y el cariüo?
Mentida ilusion de niho,
Que halagö ini juventud....
so kommt uns mehr als ein ähnlich klingender deutscher, ftanzösischer und
englischer Vers in den Sinn von Dichtern die nicht wenig über die Ver-
sicherung erstaunt gewesen wären womit Escofura seinen Freund schützen
will ; derselbe habe nämlich nie vergessen daß er als Caballero geboren sei.
<§s will uns sogar fast philisterhaft scheinen wenn Escofura seinen Freund
und, Verwandten gegen den Namen eines zweiten Don Juan Tenorio ver-
wahrt, und sagt: „Ich muß wiederholt erklären daß es unmöglich ist in
dem Leben meines Freundes einen einzigen Umstand anzuführen der ihm
diesen Namen verdient hätte, wenn man nicht von seinem stattlichen Aeu-
ßeren und seiner großen Liebenswürdigkeit sprechen will." Da wir bei den
Freunden der spanischen Literatur eine hinreichende Kenntniß der Dichtun-
gen des lyrischen Espronceda voraussetzen*), so eilen wir über dasjenige hin-
*) Um and) denjenigen unserer Leser welchen die Dichtungen Espronceda's unbe-
kannt sind, einen annähernden Begriff von dem Grnndton derselben zu geben,
möge uns verstattet sein in deutscher Uebersetzung einen kleineren lyrischen
Erguß hier mitzutheilen, welcher in seiner tief fchwermüthigen Weise allerdings
stark an Lenan erinnert.
An einen Stern.
Wer bist du, räthsclvoller Stern, der immer
So trüben Schein vor tausend Sternen trägt,
Daß mir bei deinem ungewissen Schimmer
Beklommen stets das Herz im Busen schlägt?
weg was Escofura hierüber, und insbesondere über El Estudianle.deSala-
manea und El Diablo Mundo, ausführt. Ueberraschend war für uns die
Mittheilung daß Escofura im Besitz eines ungedruckten, aber vollständigen
Trauerspiels, Bianca de Borbon, von Espronceda ist. Die in Romanen,
Legenden, Ueberlieferungen gefeierte Generalin von Don Pedro El Cruel,
oder El Valiente y Justiciero, ist bekanntlich die Heldin von Stücken Lope's,
Ealderons, Tirso's, Moreto's, Alarcons, Veler de Guevara's, Claramonle's,
Hoz y Mota's, Canizareö'. Die beiden ersten Acte, welche Espronceda viel-
leicht noch in Spanien geschrieben, gehören ganz der alten classischen Schule
an. Herntvsilla und Lista würden ihren Zögling hier nicht verläugnen;
die drei letztem verrathen den Einfluß Shakespeare's und der romantischen
Schule. So steht auch dieses Trauerspiel Espronceda's, das uns durch
Auszüge von Escofura kennenzulernen vergönnt war, am Scheidewege
der beiden Richtungen, der classischen und der romantischen, welche fast bie
ganze zeitgenössische Dichtung Spaniens bestimmen.
Reliquien-Fälschung in Rom.
's Bekanntlich wurde in Rom vor einigen Monaten die Geschichte
eines jahrelang getriebenen Handels mit falschen Reliquien ruchtbar, die
, Dokumente zu derselben liegen nun gedruckt in einer eben erschienenen
Schrift „Proeesso delle false reliquie, Doeumenti ufficialb4 vor, und wir
glauben: die Sache, welche sosehr mit dem katholischen Cultus sich berührt,
sei interessant und wichtig genug um noch einmal die Aufmerksamkeit auf
sie zu lenken. Auch der vorliegende Fall zeigt nämlich wieder daß es
neuestens noch, wie von jeher, Leute in Rom gab welche den frommen Glau-
ben an Reliquien auf das frivolste zu einem lukrativen Geschäft ausnütz-
ten, und Ueberreste ganz anderer Art, als die von heiliggesprochenen Per-
sonen, zur Verehrung auf unseren Altären auslieferten.
Nämlich bei der von Seite der italienischen Regierung erfolgten Be-
schlagnahme römischer Archive kamen unter andern auch die Acten eines
interessanten Processes zu Tage, der sowohl durch den Gegenstand selbst
als durch das Verfahren dabei geeignet war ein Licht über gewiffe Zu-
stände der päpstlichen Regierung zu verbreiten. Der Hauptangeklagle
war der ehemalige Portier an der römischen Reliquienschatzkammer, Giu-
seppe Colangeli, dem folgende Reate zur Last kamen:
1) Hatte er die Amtssiegel privatim für die Ausfertigung von Ur-
kunden verwendet, womit er Reliquien die er zu besitzen vorgab als
echte beglaubigte, und diese Siegel zu gleichem Zweck auch seinem Ge-
schäftsfreunde Vincenzo Campodonicy geliehen j
2) Yvn den ümlkich conirastgnirten Authentiken hatte er sich auf
mancherlei Wege einige angeeignet und zu Privatspeculationen verwendet;
3) ganz falsche und gar nicht existirende Reliquien, z. B. Gebeine
vom heil. Georg, *) gab er für echte her, und zu denselben Authentike»,
die auch wieder für ganz andere Gegenstände waren abgefaßt worden;
4) für solche Reliquien ließ er sich dann bezahlen, und zuletzt
5) wiesen alle Zeichen darauf daß er einen anonymen Brief gegen
den Custos der römischen Reliquienkammer verfaßt habe.
Der Verlauf der Untersuchung ergab außerdem noch weitere Details.
Ein gewiffer Vincenzo Campodonico hatte ein sehr einträgliches Reliquien-
Geschäst, das er allen Fremden in angelegentlichster Weise anpries. Eine
Ein dämmernd Rückerinnern wohl voll Trauer
An deines Urlichts längst erlofchne Pracht,
Da du, getäuscht wie ich, des Glückes Dauer,
Des nun verlornen, ewig dir gedacht?
Vielleicht hat einst mit goldnen Traumessonnen
Die Hoffnung deiner Jugend Pfad erhellt,
Und mit des Friedens, mit der Liebe Wonnen
Dein erstes Licht erfüllt die Erdenwelt.
Und als die Lieb' auf heiligem Gefilde
Zum erstenmal bezwang die Menschenbrust,
Da strahltest du, o Stern voll Zaubermilde,
Ein trauter Freund des Schweigens und der Lust.
Dein war das Licht das einst mit holdem Prangen
Sich über Edens Rosenflur ergoß,
Und in der Brust dieß glühende Verlangen
Nach ewiger, endloser Lieb' erschloß.
' Doch, ach wie bald ist dir die Freud' entschwunden 1
In Leid und Weh verkehrte sich dein Glück,
Von düstern! Flor ist nun dein Glanz umwunden,
Und nur Crinnrung noch blieb dir zurück!
Voll Schwermuth nun seh' ich dich niederschauen,
Doch ist dein Blick für mich ein Pfeil der Qual;
Magst du auch Liebe noch ins Herz mir thauen,
Jst's eine Lieb', ach, ohne Hoffnungsstrahl!
Der unverkennbare Einfluß welchen Byron und Victor Hugo ans Espronceda
ausübten, tritt unter andern: auch in seinem „Kosakengesang" hervor, dessen
versuchsweise Uebertragung wir bei einer andern Gelegenheit in diesen Blättern
(Nr. 321 Beil., 1870) veröffentlicht haben. D. R.
*) Von diesen: Heiligen, dessen Existenz bekanntlich nur auf einer Sage be-
r ruht, will übrigens die römische Rcliquienkammcr noch eine Fahne besitzen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Hauptsache war ihm die Anfertigung ganzer heiliger Leiber. Zu diesem
Zwecke verfertigte er sich aus seinem in einem Malerkasten befindlichen
,,unqualificirbaren" Reliquien-Schatz kleine Zusammenstellungen von Theil-
chen der verschiedenen Körpertheile eines Heiligen, setzte darauf falsche,
d. h. von ihm geschriebene, Namen und nachgemachte Siegel, und ließ
dieselben in ein Kästchen von sehr alterthümlichem Aussehen legen, so daß es
schien als ob von einem beinahe ganz in Staub zerfallenen heil. Leib hier
alle Körpertheile vertreten seien. Diese Kästchen ließ er sich dann au-
thentisiren und legte sie in Wachsmodelle, welche er von einem Modelleur
sich machen ließ, und welche die Figur des begehrten Heiligen hatten.
Solche heilige Leiber verkaufte er mit Hülfe seiner Freunde, eines Mit-
glieds aus dem Jesuitenorden, P. Benoit, und eines Abtes aus dem
Minoritenorden, P. Rembert, nach Frankreich und anderswohin, bis nach
Canada, um den Preis von 140 Scudi.
Aehnlich, nur in weniger großartigem Maßstab, trieb es auch sein
Bruder, Giuseppe Campodonico.
Das Ergebniß der Untersuchung und der ganzen Verhandlung war
für Colangeli ein Jahr Gefängniß; von den drei andern aber geschah keine
weitere Erwähnung. Weil aber, wie es scheint absichtlich, im Urtheils-
spruch der Grund worauf, die Strafe sich gründete nicht angegeben war,
ergriff der Advocat des Colangeli die Berufung, und davon war die un-
glaubliche Folge daß Pius IX den Verurtheilten begnqdigte, und somit
jede weitere Untersuchung, die nothwendig zur Verurteilung nicht nur
des Vincenz Campodonico, sondern namentlich des Jesuiten Benoit hätte
führen müssen, unmöglich machte. Die Acten wurden versiegelt im ge-
heimen Archiv niedergelegt.
Als nach der Eröffnung dieser Archive die Zeitungen diesen Proceß
besprachen, richtete Colangeli einen Brief an den Redacteur der in Rom
erscheinenden Zeitschrift „La Capitale," in der er sich einerseits gegen die
ihm gemachten Vorwürfe vertheidigte und andrerseits das Verfahren der
Reliquienverabfolgung von Seiten der Beamten des römischen Reliquien-
Schatzes charakterisirte. Mag auch hier vieles der Leidenschaftlichkeit des
Angeklagten aufgerechnet werden, so scheint doch vom Ersten bis zum Letz-
ten, trotz der entgegenstehenden Gesetze, das Ganze als ein sehr einträgliches
Geschäft betrieben zu werden, und gerade dem Custos A. Scognamiglio
werden hier Thatsachen vorgehalten die, wenn sie auch bloß halb wahr
sind, doch beweisen daß von ihm dieses „Geschäft" nicht bloß sehr schwung-
haft, sondern mitunter auch sehr offen betrieben wird.
teuere Posten.
3 München, 30 Juni. Diesen Morgen wurde unter Theilnahme
sämmtlicher Staatsminister eine Sitzung des Ministerraths abgehalten in
welcher, wie wir vernehmen, die kirchlichen Verhältniße zur Berathung ge-
langten. Graf v. Bray soll sich in Folge neuerer Vorgänge und nament-
lich in Folge des Vorgehens des Herrn Bischofs von Passau, den Ansichten
des Herrn v. Lutz wesentlich genährt haben, so wird wenigstens seit einigen
Tagen behauptet. —Die von den Künstlern beabsichtigte großartige Fest-
decoration zum Truppeneinzug wird wahrscheinlich nicht zur Ausführung
gelangen, da die Zeit bis zum Einzug hiezu nicht mehr ausreichen soll.
X München, 30 Juni. Die theologische Facultät der Universität
München beabsichtigt beim Cultusministerium den Antrag zu stellet:, daß
Döllingers und Friedrichs Lehrfächer durch andere Persönlichkeiten besetzt
werden. — Der Professor der hiesigen Universität Dr. Zenger soll hoff-
nungslos an der Herzwassersucht darnieder liegen. Von Seite der kathol.
Geistlichkeit wurde dem Kranken die Spendung der heiligen Sterbsacra-
mente verweigert, weil er einer der Unterzeichner der Professoren-Adreße
an Döllinger ist. — Zu Berlin findet im nächsten Monat eine Zollcon
ferenz statt welche von fast allen europäischen Staaten beschickt werden wird,
Es soll eine Vereinbarung erzielt werden über eine möglichst einheitliche
Classification aller zollpflichtigen Waare::, sowie über ein gleichmäßiges
Vorgehen bei der Uebernahme oder Uebergabe der einlangenden und tran-
sitirenden Waaren. Von Seite Bayerns wird hiezu der kgl. Generalzoll-
administrator v. Meixner abgeordnet.
Stuttgart, 27 Juni. Se. Mas. der König hat eine Ördensaus-
zeichnung für besondere Verdienste auf dem Gebiet der fteiwillig helfenden
im Kriea nbertrieben imb ihr. mrf
denn auch der hohen Frau verliehen worden.
(—) Bor litt, 28 Juni. Die Rede welche Hr. Thiers vor einigen
Tagen in der französischen' Nationalversammlung zu Gunsten der Credit-
forderung gehalten hat, ist hier an maßgebender Stelle in vielen Be-
ziehungen sehr übel vermerkt worden. Eine officwse Mittheilung in der
heutigen „N. A. Z." gibt dieser Mißstimmung einen kräftigen, vielleicht
zu kräftigen Ausdruck. Allerdings hat die „N. A. Z." darin vollkommen
Recht daß sie jene Rede als Beweis für die Mäßigung unserer Geld«
forderungen verwehrtet. Wenn Frankreich trotz seiner Erschöpfung und-
trotz der furchtbaren Verwüstungen von denen seine Hauptstadt heimge-
sucht worden ist, sich in der Lage befindet nicht bloß eine Armee in der
von Hrn. Thiers namhaft gemachten Stärke auf den Beinen zu erhalten,
sondern auch noch die erhebliche Summe von jährlich 200 Millionen auf
die Tilgung der Staatsschuld zu verwenden, während wir die Amortisa-
tionspflicht von uns abgewälzt haben, so kann freilich nicht geläugnet
werden daß die Kriegsentschädigung von 5 Milliarden eine für französische
Verhältnisse durchaus mäßige ist. Es war also von Seiten der deutschen.
Politik gewiß ein Act der Großmuth, wenn sie die ursprünglich höher ge-
griffene Entschädigungssumme auf Verwendung der brittischen Regierung,
herabsetzte, und gewiß wird man der Reichsregierung nur zustimmen können
wenn sie sich angesichts des von Hrn. Thiers entwia'elten Programms
jeder moralischen Verpflichtung, in Sachen der Contribution Nachsicht zn
üben, für enthoben erachtet. Aber die „N. A. Z." gefällt sich doch in
einiger Uebertreibung wenn sie von formidablen Rüstungen der Franzosen
in diesem Augenblick spricht und die Aeußerungen des Hrn. Thiers einer
Drohung für die Nachbarn gleich erachtet. Wir wenigstens haben nach dem
einstimmigen Urtheil competenter Personen diese französischen Rüstungen
für eine Reihe von Jahren nicht zu fürchten, und es scheint daher als ob
die beunruhigende Sprache der „N. A. Z." nur den Zweck habe im vor-
aus allen Versuchen einer Abkürzung des Militäretats im Reichstage zu
begegnen.
* Berlin, 26 Juni. Die heute von der „Nordd. Allg. Ztg." ausge-
sprochene Mahnung, in Sachen der Contribution gegen Frankreich keine
Nachsicht zu üben, fällt doppelt ins Gewicht, wenn man bedenkt daß Deutsch-
land in der That schon Nachsicht geübt hat. Nach dem Frankfurter Ver-
trage vom 10 Mai sollten die ersten 500 Millionen innerhalb 30 Tagen
nach Wiederherstellung der Regierungs-Autorität in Paris erfolgen.
Da am 28 Mai die letzten Kämpfe in Paris stattfanden, so läuft
wohl diese 30tägige Frist vom 29 Mai an und endigt am 27 Juni.
Durch das ebenfalls in Frankfurt getroffene Uebereinkommen vom
21 Mai wurde bezüglich dieser ersten halben Milliarde näher be-
stimmt , daß 40 Millionen bis 1 Juni, weitere 40 Millionen bis 8 Juni
und 45 Millionen bis 15 Juni zu zahlen seien (und zwar in Noten der
französischen Bank). Bezüglich der Zahlung der ersten 80 Mill. haben
die Blätter Nachrichten gebracht; ob auch die am 15 Juni fälligen 45 Mill.
erlegt wurden, weiß man nicht; vielleicht hängt die um diese Ze:t zum Zweck
der Erholung neuer Instructionen erfolgte Abreise der Friedenscommtssäre
Arnim, Goulard rc. auch mit jener Stipulation zusammen. Jedenfalls
aber hätten, mögen jene 45 Mill. bereits gezahlt sein oder nicht, am 27 Juni
die ersten 500 Mill. erlegt sein sollen. Es ist indessen, wie die „B. B.-Z."
hört, inzwischen ein anderweitiges Abkommen getroffen worden, welches
den Zahlungs-Termin bis zum 4 Juli prolongirt hat. -Und trotz
dieser Prolongation, und trotz des blendenden Erfolgs der Subscription ist
vielleicht doch Hr. Thiers, so schwer es seiner Eitelkeit fallen mag, noch ein-
mal gezwungen um Nachsicht bitten zu müßen. Denn bekanntlich waren
ja bei der Zeichnung bloß 12 Frs. auf 5 Frs. Rente einzuzahlen. Wenn
nun nicht starke Volleinzahlungen erfolgt sind, was kaum zu erwarten ist,
so wird auch die Doppelzeichnung des Anlehens der ftanzösischen Regie-
rung zunächst nicht mehr als etwa 260 Mill. zur Verfügung stellen. Mit
der Banknotenpreße aber wird sich Hr. Thiers nicht aus der Klemme
ziehen können, da ja nur die ersten 125 Mill. in Noten der französischen
Bank erlegt werden durften.
Natzebnrg, 28 Juni. Die heut ausgegebene Nr. 37 des „Offic.
Wochenbl. f. d. Herzogth. Lauenburg" veröffentlicht das folgende Rejcript:
„Ich habe Mich veranlaßt gefunden den zu den: Domaniun: des Herzog-
tluuns Lanenburg gehörigen Grundbesitz im Amte Schwarzenbeck, welcher Mir
zum freien und unbeschränkten Eigenthum durch den mit der Ritter- und Land-
schaft des Herzogthums unterm 19 d. abgeschlosienen, von Mir am 21 d. ge-
nehmigten Receß überlassen worden ist, mit allen daraus resultirenden Privat-
rechten und Verbindlichkeiten dem Kanzler des Deutschen Reichs, Fürsten
v. Bisnlarck, in Anerkennung seiner Verdienste als eine Dotation zun: Eigen-
thum zu übereignen. Indem Ich Sie hievon in Kenntniß setze, haben Sie das
Erforderliche zur Ausführung Meiner Gnadenbewitligung zu veranlassen.
Berlin, 24 Juni 1871. Wilhelm. An den Minister für Lauenburg."
St Wien, 29 Juni. Es ist selbst für den Kenner der hiesigen Ver-
hältniße sehr schwer sich in der Menge von Lesarten über den augen-
blicklichen Stand der tschechischen Ausgleichsangelegenheit zurechtzufinden.
Die einen stellen den Ausgleich als beinahe zu Stande gebracht dar, die
andern versichern wieder, die hier anwesenden Tschechenführer hätten keine
bindenden Zusagen machen können, und es seien neuerliche Berathungen
in Prag erforderlich. Nach allem was wir hören steht in den „allein maß-
gebenden" Kreisen der Entschluß fest keinem Uebereinkommen die Zustim-
mung zu geben durch welches die den Deutschen in Böhmen gebührende
Stellung beeinträchtigt werden könnte, das Ministerium seinerseits glaubt
fest daran daß bei Wiedereinberufung des Reichsraths die Tschechen m
3265
demselben erscheinen werden, und es scheint mithin die Absicht eine Ver-
änderung in der gegenwärtigen Zusammensetzung der Vertretungskörper
eintreten zu laßen, d. h. den böhmischen Landtag oder den Reichsrath auf-
zulösen, aufgegeben zu sein.
Verschiedenes.
Breslau, 29 Juni. (Strike der Belegschaft auf Köiiigs-
grube.) Nachdem schon in: Laufe der vorigen Woche das Gerücht verbreitet
war daß eine allgenreine Arbeitseinstellung seitens der Belegschaft der fiscali-
schen Königsgrube beabsichtigt werde, ist jetzt der Ausbruch des Strike seit
dem 26 d. M. eine vollendete Thatsache. Bezüglich der Beweggründe welche
die Grubenarbeiter zur Arbeitseinstellung veranlaßt haben, wird übereinstim-
mend gemeldet: daß vor allem zwei'Verfügungen der Bergbehörde und der
Grnbenvcrwaltung als die Veranlassung des Strike zu betrachten sind. Nach
der einen Verfügung dürfen die Bergleute seit Beginn dieser Woche die Grube,
auf der sie angelegt sind, nicht, wie früher, nach vollbrachter Gedingezahl ver-
laßen; sic sollen vielmehr die volle Schichtzeit von 6 resp. 8 Stunden in der
Grube verbleiben. Die zweite Verfügung bestimmt daß die Arbeitszeit durch
Ausgabe von Marken genauer controlirt werden soll. Hierdurch wird der alte
Usus des Aufschreibens in den Zechenhäusern beseitigt, und der Bergmann
darf nicht mehr auf dem seinen Grubenweg vielleicht wesentlich, abkürzenden
und der zu befahrenden Strecke am nächsten liegenden Schacht anfahren. Wie
die Verhältniße gerade bei der Königsgrube liegen, so darf man gespannt
sein ob die aus etwa 3000 Mann bestehende Belegschaft oder die Verwaltung
der fiscalischen Grube aus dem Strike siegreich hervorgehen, wird. Für den
Betrieb der Königshütte würde selbstverständliche ein Andauern des Strike von
größten: Nachtheil sein, da diese Hütte, sobald das tägliche Förderguantum der
Grube wegfällt, in kürzester Frist ihr tägliches Verbrauchsquantnii: nicht mehr
zu decken vermöchte. Aehnliche Mißstände würden sich für. den Eisenbahnbe-
trieb und für größere industrielle Kreise ergeben, die ihren Kohlenbedarf von
Königsgrube entnehmen. Leider haben sich die strikenden Bergarbeiter, wie
die „Breslauer Morgenzeituug" erfährt, zu Excessen hinreißen lassen. Sie
haben, nachdem bereitsvorhcr die zur Austheilung von Marken bestimmten Bu-
den zerstört worden sind, das Gefängnis; und die Wohnung eines höheren
Bergbeamten gestürmt und.demolirt, und.den gegen die Exeedeuten einschrei-
ten Bürgermeister. mißhandelt. .Eine Schwadron Ulanen ans Gleiwitz, zwei
Compagnien Infanterie aus Cosel und Ratibor sind bereits eingetroffen, und
weitere Trnppenverstärlüngen in Aussicht genommen..— Nachdem es auf eine
kurze Zeit den Anschein gewonnen hatte, als ob es gelingen würde eine Eini-
gung zwischen der Grubenverwaltung und den Bergarbeitern berbcizusühren,
ist der Strike, der anfangs, nur auf die oben erwähnten-Beschwerden gegrün-
det war, in eine ganz andere Phase getreten, da die Bergarbeiter nunmehr
höheren Lohn, Aufhebung der Städteordnung in Königshütte, Ern:äßignng
der Steuern re. unter tumultuarischen Excessen verlangen.. Ob die Bergarbei-
ter von irgendwelcher Seite her wiederum aufgehetzt und zur Stellung der-
artiger, unbedingt nicht zu gewährender Forderungen angestachelt worben sind,
läßt sich jetzt noch nicht feststellen. Die Excesse aber, mit beuenbie oberschlesischen
Bergarbeiter die Gewährung ihrer Forderung zu erzwingen suchen, die Miß-
handlung des hochgeachtetes Bergraths Meitzen, des Bürgermeisters Götz, einzel-
ner Bergbeamten, Steiger:c.> die Demolirung der Amtslocale derBerginspection
und der Wohnung des Hrn. Bergraths, die Terrorisirung der noch zuM Anfahren
geneigten Bergarbeiter, der unter Sturmläuten erfolgende Aufruf zum ener-
gischen Widerstand gegen die Bergbehörde, die gewaltsame Verhinderung von
Kohlentransporten nach der Königshütte — alles dieß sind Momente die für
die Tumultuanten die unter einer gewissen Leitung zu stehen scheinen, von sehr
bedauerlichen Folgen sein werden. Nach den bisher eingetrossenen Meldungen
haben auch die Ennahnungen des kgl. Landrath Solger und der katholischen
Geistlichkeit zu keiner Beruhigung der aufgeregten 'Masse geführt, die leider bei
weitem Excessen sehr leicht mit dem inzwischen in dem bedrohten District an-
gelangten Militär in blutige Collision gerathen dürste. (Schles. Ztg.)
Ueber die Excesse meldet die „Bresl. Ztg." unterm 27 d. aus Königs-
hütte folgendes: „So eben Mittag 1Uhr große Zusammenrottung tumuituiren-
der Bergarbeiter auf dem neuen Ringe. Der die Leute beruhigende Bergwerks-
Dircctor, Hr. Bergrath Meitzen, ist von den Bergleuten auf das Gröbste miß-
mißhandelt, ebenso hat der Bürgermeister vor der wüthender: Menge die Flucht
ergreifen müssen. Auch dem Pfarrer und geistlichen Rath Deloch, sowie dem
Äandrath Solger will es nicht gelingen die aufgeregten Gemüther zu beschwich-
tigen. Die Tumultuanten demoliren die Fenster und stürmen die Thürei: der
kgl. Berginspection und der Wohnung des Bergraths Meitzen. Militär ist be-
reits requirirt." Ein anderer Correspondent der genannten Zeitung schreibt:
„Ich komme so eben vom neuen Ringe, woselbst die Wohnung des Bergraths
Meitzen. Vor derselben unabsehbare Menschenmengen mit Knüppeln und Aexten
bewaffnet. Alle Läden sind geschlossen. Den Bürgermeister Götz holt man aus
der Wohnung des Bergraths heraus ui:d empfängt ihn mit Stockhieben, er
blutet sehr start; den Bergrath verfolgt die Menge in seinen Garten,
wohin er sich geflüchtet, sowie zwei Polrzeidiener. Von allen Seiten späht man
nach Bergbeamten, von denen schon heute früh der Steiger Stobrawa an:
sch immsten davon gekommen ist. Auf dem Rückweg begegnete ich den: Bürger-
meister Beyer (aus Görlitz), der den katholischen Pfarrer Deloch und Caplan
Lukaschtzyk holte, um das Volk zu beschwichtigen. Noch einen Rapport bei dem
Redacteur des „Katolik" (Hrn. Miarka) zu machen, kehrte ich zurück, und fand
die Menschenmenge größtentheils mit entblößtem Kopf um den Friedensstifter
(katholischen Pfarrer) versammelt, der in polnischer Rede spricht, des großen
Wagenverlehrs und der erregten Stimmung des Volkes wegen mir aber unver-
ständlich bleibt; nur der Ruf der Menge: „bedziemy wszyscy czekac“ (wir
werden alle warten), ist weithin vernehmbar. Tausende von den gestern genom-
menen Marken sieht man von einer Hand zur andern wandern mit den Buch-
staben K. Gr. und der Nummer, was die Bergleute (anstatt Königsgrube) mit
„Kärtowitzer Grund mann" (der bekannte Abgeordnete) ausdeuten. Eine Depu-
tation von besonnenern Bergleuten kam zum Redacteur des „Katolik (ein pol-
nisches, bei der polnischen Bevölkerung sehr beliebtes, in einer Auflage von
nahezu 2000 Exemplaren erscheinendes Wochenblatt), um ihn um Rath zu fra-
gen, und das Volk durch Placate zu beschwichtigen. Es feiern seit zwei Tagen
etwa 6000 Bergleute; der Kohlcntrausport nach der Hütte wird durch Berg-
leute verhindert, tun die Werke in Stillstand zu bringen. Mau spricht daß die
Kohlen nur noch bis heut Abend auf den Hüttenwerken langen sollen, und
mußten seit gestern alle Kohlenzüge leer heimfahren."
Von Seiten der königlichen Berginspection zu Königshütte geht der „Schles.
Ztg." folgende, die Motive oer Arbeitseinstellung betreffende Erklärung zu:
„Mit Bezug aus eine in der „Breslauer Ztg." enthaltene Correspondenz aus
Königshütte sieht sich die unterzeichnete Berginspection veranlaßt zu erklären:
daß der daselbst angeführte Grund der Arbeitseinstellung seitens der Arbeiterder
Königsgrube, nämlich Herabsetzung des Lohnes auf 12 Sgr. pro Schicht bei zwölf-
stündiger Arbeitszeit vollkommen irrig ist, da eine Lohnherabsetzung weder stattge-
funden hat noch beabsichtigt worden ist. Es sind im Gegentheil die Löhne der Arbei-
ter im Allgemeinen und die derHäuer im besonderen seit ernerReihe vonJahren stetig
im Wachsen begriffen. Die letzteren stehen gegenwärtig je nach Maßgabe der
individuellen Leistungen zwischen 20 Sgr. und 1 Thlr. pro Schicht. Ebenso wenig
ist der wahre Grund der Arbeitseinstellung in der Einführung der Eontrol-
marken, welche im bergpolizeilichen und im eigenen Interesse der Arbeiter ge-
schehen sollte, sondern lediglich in bedauerlichen Verirrungen und der allerdings
sehr auffallenden Forderung derselben, die von der Berginspection auf sieben
Stunden herabgesetzte tägliche Arbeitszeit der Häuer wieder auf 12 Stunden zu
erhöhen, zu suchen. Königshütte, 28 Juni 1871. Königl. Berginspection:
Meitzen." Wie anderweitig gemeldet wird, hat sich der Hr. Oberprästdent Graf
Stolberg gestern früh selbst nach Königshütte begeben, und ist von dort aus
hier die telegraphische Meldung eingegangen daß gestern Nachmittag mit dem
Erscheinen der aus Gleiwitz requirirten Schwadron Ulanen die Ruhe in Königs-
hütte vollständig hergestellt worden sei. Eine größere Anzahl der Excedenten
ist verhaftet worden.
Industrie, Handel und Verkehr.
(Sucz-Canal-LooseZ Be: der am 15 Juni erfolgten Ziehung fielen ans
folgende Nummprn höhere Gewinne: Nr. 291315 159,000 Fr.; Nr. 22580 und
252773 25,000 Fr; 142170 und 1826 -7 5000 Fr.; Nr. 527, 1021, 15233,
22671, 34779, 44455, 5?5?5, 69683, 84860, 100558, 102632, 118716,
147820, 147950, 59231, 163433, 189680, 262387, 264093 und 266737
2000 Fr.
Telegraphische GupS- und Handelsberichte.
* Frankfurt a* M», 30 Juni. EröffnungScurfe. Oesterr Creditatteu
2857z, Staatsbahn 409, 1850rr L. —, 1332er Amerikaner 96% Lombarden
1683 4, Galizier 239. span, ausl. Sch. —, SAberreute —. Fest.
* Frankfurt a. M., 30 Juni. Schlnßcnrfr: Bayer. üprse. Aul. v. 1879
1CK)3*, bot?er. L'/yProe. Aul. 97% 4proc. daher. Präm.-Anl. 109, 4%prse.
bayer. Ostbahv 132, urur Gatts. —, mit 15 Prsc. Linzahl. —, 4proc.
Msenzbahu 105, 4proe. bad. Präm.-Raleihe 107 1382er Amerikaner 96%
Köln-Mirck. L. 933/4, jjstrrr. Gilberrente 56% Pavrerreute 48, 1860er L. 82%
1354er L. 120 Brnkactteu 746 TrÄitacnen 286. Lombarden 169% österr."
frruz. GtaatSbahi: 408 % EÜfadrchEahu 214 Fcanz-Js'rph-Bahn —. Rudolfs-
bahn 74. Ungarn. Ostb. 691/2. 3prsc. Spanier 32, Nrdoi>«ns 9.24% Wechsel:
London II83/4. Paris 937/g Wie» 95 % Tendenz: fest. — Franz Rente vollbczahlt
82ty4—■% leere 84 % — 3%
* Frankfurt a. M., 30 Juni. Nachbörse. Creditaetten 285% StaatS-
bahn 408% 1860er L. 82% 1883er Amerikaner 96% Lombarden 189%
Silberrente 56% Papierrente —, Galizier 239, Spanier —. Still.
* Wien, 30 Juni. Gchlnßcurse: Gllbrrrrnie 69.20, Papierrente 59.50,
1860er Loose 109.25, 1864er L. 127.50, Banketten 783, Lrehitaetieu 301.75,
Lombarden 178.30, StgatSbahn 427, Ancsio-Anstrian 258, F .'aueo-Austnau
121.60. Unionöbank 273.25, Galizier 250.25. Franz-Joseph 203. Prioritäten
96.99 Rudolf 163.25, Prior. 91.40. Elisabeth 224.25, Napoleons 9.85% Wechsel:
Augsburg 103.30, Frankfurt 103.50, London 123 40 Parts 48.50. Tendenz:
Geldnoth.
* London, 29 Juni. Schlußcurse: 3proc. Tonsols 923/,6 1882er A neri-
satter 91, Türken 46 neue Spanier —.
t London, 29 Junu Börse 3proc. Tonsols 92% 5proc. Türken 47,
1882er Amerikaner 91, Italiener 57% Lombarden 147/z, Zproc. Spanier 31%
Tertdenz: günstig.
J London, 29 Juni. Marktbericht. Banka-Zinn 132% Straiis 131%,
Chiliknpfcr 67% Walaroo 77.
t Liverpool, 39 Juni. Baumwollbericht. Tagesimport 7000 Ballen.
t Liverpool, 29 Juni. Baumwollbericht. Tageöumfatz 20 000 Ballen.
Für Speculation 7000 B.^ Orleans 83/4. middling 8s/,g. fair Dhollera 6%
middl. fair Dhollera 6% Tagöimport 10,750 B., davon indische 7250. Tendenz:
steigend.
* New-York, 29 Juni. Goldagio 112% Wechsel in Gold 110% 1882er
Bonds 113% r885er 113% 1904er 111, Baumwolle 203° Petroleum iu
Philadelphia 25%
x Skew--Bork, 29 Juni. Per Kabel. Gold, Gchlußcnra- 112'8 Wechsel
per London 110% 1882er Bonds 113% 1885er Bonds 113% Erie-Actieu
Illinois 1L5% Baumwolle 20% Petroleum 25%
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Priorität«-Anlehnt
der königlich bayerischen Mzisi idwigs-Bah».
Ta IwÄcl“ S't!' « ******* d-r mm Ludwig»«-»- fmb nach.
* ü K |f f“of ‘Ä “&• “0mm 3o|Jtc lm <18- «-H..NS1
t iU a fi. 1000 .............fl. 16,000.
„ D. Nr. 130. 165. 194. 367. 374. 440.
B. Nr. 73. 117. 246. 247. 277. 547.
E. Nr. 49. 96. 147. 148. 341.
C Nr. 89. 157. 269. 273. 380.
re F. Nr. 46. 109. 129. 162. 480. I 10 1
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„ . . . .. ^ „ Summa fl. i,800.
3) Von dem auf 4 Procent conv. Pnontats-Änlehen von fl. 700,000 vom Jahre 1856. (13. Ziehuna.)
it. K. Nr. 7. 82. 123. 162. 359. 5 Stück a fl. 1000 .......................... « <
L.
M.
Lit. A,
„ B
„ C.
Nr. 45. 225. 389. 392. 4 Stück s fl. 500 ..................................................................fl. 2,000.
Nr. 45. 60. 368. 393. 398. 401. 439. 812. 818. 934. 10 Stück ä ff. 100.................................fl. 1,000.
Summa
Nr. 352
Nr. 252.
Nr. 41.
v ® aliJ800'0#0 2-hre 18S8. (8. Ziehung.)
1 Stiick L fl. 500 .
414. 490. 534. 853.
Nr. 113
Nr. 14.
Nr. 274
1
..................................................................»
5 Stück L fl. 100................................................^
Summa |
5) Vom 4proc. Vrioritiits-Anlehen von fl. 900,000 vom Jahre 1861. (3. Ziehung.)
. 476. 2 Stück ä fl. 1000 .........................................................
Lit. G.
.. H.
J. Nr. 165
Lit
A.
B.
C.
Berloofuug Per 1 Oktober 1869.
„ „ 1 „ 1870.
Berloosung per 1 October 1870.
Ludwigsbafen, den 21 Juni 1871.
fi 10,000.
... ... . fl. 6,000.
11 Stück ä fl. 100 ... . fl. 1,100.
~ ^ . . Summa fl. 17,100.
7) Vom 4vroc. Pnontats-Änlehen von fl. 700,000 vom Jahre 1865. (3. Ziehung.)
Nr. 5 346. 2 Stück ä ff. 1000 ..........................; ........... ff. 2,000.
Nr. 230. 267. 320. 3 Stück ä fl. 500 ♦ . ft. 1 500.
577. 580. 876 960 5 förftrf Ä ff im
2
320.
580.
.......................... jt. 1,UUU.
5 Stück a ff. 100 ....*•!............................... fl. 500.
Summa fl. 4,000.
8) Vom 5proc. Vrioritiits-Änlehen von fl. 2,0Ü0MÜ vom Jahre 1869. (2. Ziehung.)
7. 67. 145. 530. 702. 809 6 Stück ü fl. 1800..................
830. 919. 1070 7 Stück a fl. 500 .
1035. 1125. 1146. 1456. 1545. 1627
Nr. 7.
Nr. 107. 399. 566. 798.
Nr. 76. 253. 386. 774. ivov. xizu. ii*o. iiot>. 1040. 1627. 1843 1881. 12 Stück 4 fl. 100
Summa ,» xv,,iS
Die Besitzer vorsiebender Obligationen werden hievon mit dem Bemerken in Kenntniß gefetzt daß deren Auszablunq vom 1 October d. I. an
in Frankfurt a. M. bei M A. v Rothschild Sk Söhne,
in „ „ PH. Rik. Schmidt,
in Mannheim bei W. H. Ladenburg & Söhne,
in Berlin bei S- Bleichröder,
in Neustadt a. d Haardt bei L. Daequö,
in München bei der Bayerischen Berein-bank,
in LndwigShafen a. Rh. bei der Königlichen Filialbauk,
in „ bei der DireetionSeaffe,
rfölgt, daß die Verzinsung derselben am 1 October d. I. aufhör;, und daß die per 1 April 1872 und später fälligen Coupons, welche an diesen Obligationen
ehlen, bei deren Auszahlung in Abzug gebracht werden.
Aus früheren Berloosungeu sind von oben bezeichneten Prioritätö-Anlehen noch rückständig:
Von den auf 4 vrocent convertirteu Änleheu.
Berloosung per 1 October 1863. Lit. F. Nr 358. J. Nr. 76
Lit. L. Nr. 1.
Lit B. Nr. 665. F. 183. M. Nr. 343. M. Nr. 386. 495.
Lit. A Nr 85. C 125. 448. M. Nr. 321. c69
Lit. B. Nr. 164. 84. 355. 825. 922.
Lit. A. Nr. 701. B. 252 C. Nr. 365. H. Nr. 277. M. 748. 821.
Lit B Nr. 412. 649. C. Nr. 45. K Nr. 40 M Nr. 240. 291. 518.
Lit. A. Nr. 135. 305. 320. B. Nr. 56. 438. 0. Nr. 174* 0. Nr. 387. E. Nr 7. 117. F. Nr. 297. 373. 469.
G Nr. 184. H. Nr. 236. L. Nr. 301. M. Nr. 85. 346. 481. 516. 735. 964. 975.
Von den 4procentigen Änlehen.
Lit. 0. Nr 997. E Nr. 6 615. 675. 901. F. Nr. 298 484. 1214. 1548 1571 1903. 1. Nr. 19. 168. 804.
Lit. 0. Nr. 134. 258. D. Nr. 1773. 1835 E Nr. 1826. 1903. F. Nr. 235. 310.
G. Nr. 273. J. Nr. 270. 777.
Von dem Zprocentigen Anleiten vom Jahre 1869.
Lit. B. Nr. 17. 5(6. 1148. U. Nr. 230. 273. 484 663. 857. 1185 1841.
1864
1865.
1866.
1867.
1868.
1869.
1870.
3267
I. L. G. Dehne,
Maschinenfabrik in Halle a.S.
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gl wendang in Brauereien, Brennereien, Zuckerfabriken, Färbereien, Pa*
§f pierfabnken, Stearin- urd Seifenfabriken und in chemischen Fabriken,
namentlich aber als DampfKessel-Speisepumpe und als Dampf-Feuerspritze
' in Fabriken und sonstig n industriellen Anlagen. Fräs von Tiilr. 65 an.
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Bei der Handels- und Gewerbekammer in Brünn ist die Stelle
eines SecLetärs zu besetzen. Bewerbungen find an das unterzeichnete
Präsidium innerhalb 4 Wochen, von heute, zu leiten.
Jahresgehalt fl. 2000 öst. Whrg., Penflonsansprnch gleich dem der
Staatsbeamten.
Anforderungen: Allgemeine Bildung, juridische und volkswirtschaftliche
Studien, Kenntniß der beiden Landessprachen, Gewandtheit in schriftlicher
Darstellung.
Brünn, 24 Zuni 1871.
Das Präsidium »rr Handels- und Gewerbeirammer.
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Der Central verein deutscher Zahnärzte
wird seine XI. Jahresversammlung vom 7—10 August d. I. in Berlin (im Norddeutschen Hofe,
Mohrenstr. 20) abhalten.
Statutengemäß kann an den allgemeinen Verhandlungen jeder Arzt oder Zahnarzt theilnehmen der
durch ein Mitglied des Vereins eingeführt wird. Fachgenoflen des In- und Auslandes werden freundlichst
zu recht zahlreicher Betheiligung eingeladen. Erster Versammlungsort am Abend des 6 August der reser-
virte Saal des Norddeutschen Hofes. Programme und jede nähere Auskunft durch die unterzeichneten
Vorstände: Hofrath Dr. Wilh. Süersen in Berlin. Dr. Klare in Leipzig, Dr. Zeitmann in
Frankfurt a. M. (2953)____________________‘_____[5825—27]
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kleinen Kinder ' Dargestellt für
jung^ Mütter von Dr. 3. Piringer.
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gebd. 28 S(ir.
Em hereorragendrrWienerArzt schreibt hierüber :
„In diesem zügle.ch anziehend und sachgemäß ge*
iebtitbener Buche sinder sich em wahrer Schatz
von lehrreichen Erfahrungen und vrakrrschen Winken
zur körperlichen und geistigen Pflege der Kleinen
und Erhaltung der Gesundheit der Mutter; es
entspricht allen Bedürfnissen m vollkommenster
Weise, und ist ebensowohl Müttern aller Stände,
a;s auch Aerzten zu empfehlen. .4740—42)
Geschäfts-Eröffnung.
Einem geehrten Publicum die ergebene Anzeige
daß ich mit dem heutigen Lage im früheren
Cafe Fehr, Paradeplatz,
ein Cafs Restaurant eröffnet habe, und bitte
um geneigten Zuspruch.
Luxemburg, 25 Juni 1871.
p. H. Simons,
früher vis-ä-vis dem Central-Bahnhofer.
On parle frängais, 2 Billarde. English
spoken. _______[6716—18j
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und Schleswig-Holstein^ Dänemarks Norwegen^ Schweden^ Finnland und Rußland.
Nach Neustadt und Fehmarn: jeden Mittwoch und Sonnabend, Vormittags 10 Uhr.
Nach Heiligenhafen und Kiel, anlaufend Neustadt und Fehmarn: jeden Sonnabend, Vor-
mittags 10 Ubr.
Nach Fehmarn, Nykjöbing (Falster) und Masnedfund (Wordingborg): jeden Dienstag und Frei-
tag, früh 412 Uhr.
Nach Kopenhagen: täglich, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Christiania über Kopenhagen, anlaufend Gothenburg, FredriEsoaeru, Vaüö,
Horten und Dröback: jeden Freitag, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Christiania, anlaufend Kopenhagen, Gothenburg, Fredrcksvaern euch MosS: jeden
Montag, Nachmittags 4 Uhr.
Nach LSothenburg, anlaufend Kopenhagen, Helfingborg, Torekov, Halinftad und War-
berg: Sonntags und Mittwochs, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Landscrona und Helfingborg, anlaufend Kopenhagen und Malmö: jeden Sonnabend,
Nachmittags 4 Uhr.
Nach Malmö': täglich, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Stockholm, anlaufend Calmar: Sonnabends, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Norrköping, anlaufend Astad, Calmar und Stockholm: Dienstags, Nachmittags 4 Uhr.
Nach Stockholm und Weftervik, anlaufend Cimbrishamn, Ahns, SölveSborg, CariS-
hamn, CarlScroua, Calmar, OScarshamn: -eben 2. Sonnabend, am 24 Juni u. s. w,,
Nachmittags.
Nach Björneborg, Christinestad, Nicolaiftad, bezw. dem nördlichen Finnland: etwa alle vier
Wochen, zum erstenmal am 8 Juni u. s. w.
Nach Reval: Sonnabends, Vormittags 10 Uhr.
Nach HelfingforS, anlaufend Reval: Sonnabends, Vormittags 10 Uhr.
Nach Abo, anlaufend Reval und HelfingforS: jeden dritten Sonnabend, als am 10 Juni,
1 Juli u. s. w., Vormittags 10 Uhr.
Nach Wyburg, anlaufend Reval und HelfingforS: jeden dritten Sonnabend, als am 24 Juni
u. f. w., u. f. w., Vormittags 10 Uhr.
Nach St. Petersburg: wöchentlich ein bis zweimal.
Nach Riga: jeden Sonnabend, Nachmittags 1 Uhr. [6712]
[1427]
(6715)
Canstatt a. Neckar, bei Stuttgart.
Bad-Hütet zu verkaufen.
Wegen Todesfall wird das „HAtel Wilhelmsbad" in Canstatt dem Verkauf ausgesetzt.
Dasselbe enthält 60 aufs eleganteste eingerichtete Zimmer und Salons, einen großen Tanzfaal,
einen Speisesaal, 3 Restaurationslocale, Büffets, eine helle geräumige Küche, 2 Speisekammern und
2 Keller. Zum Hotel gehörig und in unmittelbarer Verbindung mit demselben ist ein 2 württemb.
Morgen großer, schattiger Park nebst Terrasse und Musikpavillon, ein Badhaus mit 20 Badcrbinetten
zu kalten und warmen Mineralbädern, irisch-römische Bäder, russische Dampf- und Bassin Bäder, ein
DampskcsielhauS mit Dampfmaschine, WaschtrockenhauS, eine Gasanstalt, Wasserthnrm mit 5 eisernen
Reservoirs, Mineralwafferbrunnen, Stallungen, Remisen, Felsenkeller am Cursaal, Eiskeller rc.
Im Hütel ist Zimmertelegraphenleitung und die Säle und RestauratiouLlocale haben Einrichtung
zur Luftheizung.
Das ganze Anwesen befindet sich im besten baulichen Zustand und ein großer Theil desselben, wie
z. B. das Badhauö, die Restaurationslocale, Speisesaal, Luftheizung, GaSeinrichtnng rc. wurden erst
im Jahr 1869/70 erbaut.
Kaufsliebhaber wollen sich gefälligst an Herrn Eduard KauSler in Canstatt wenden.
NB. Der Betrieb des Hotels rc. erleidet durch den beabsichtigten'Verkauf keinerlei Unterbrechung,
sondern wird bis zu Abschluß desselben in unveränderter Weise fortgeführt.
Für praktische Aerzte und Studierende.
So eben erschien vollständig und ist dnreh jede Buchhandlung zu beziehen:
Lehrbuch der praktischenMedicin.
Mit besonderer Rücksicht auf
Pathologische Anatomie und Histologie
von
Dr. C. F. Kunze,
prakt. Arzt in Halle a./S.
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Verlagshandlung Veit & Comp, in Leipzig.
Töchter-Institut in Mont Fleuri bei Lausanne.
geleitet von Frau Dr. Heldenmaier.
Dieses seit Jahren bestehende, reizend gelegene Institut ist besonders denjenigen ©trat zn empfehlen
die ihre Töchter hehufs Vollendung ihrer Erziehung in die französische Schweiz schicken wollen. Sowohl
für das materielle Wohl als für die geistige Ausbildung der Zöglinge ist bestens besorgt. (6436—39)
Um nähere Auskunft zu haben, wende man sich gefälligst an die Vorsteherin selbst. [^-1076 Lnei
«in junger Mann, welcher längere Zeit als (Korre-
spondent im Bankfach thätig gewesen ist und
gute Zeugnisse auszuweisen hat, sucht eine seinen Lei-
stungen entsprechende Stelle. Gef. Mittheilungen
werden erbeten unter E. B. 855 durch die HH.
Hänfenstem 8 Vogler inTeipzig. [6726-27]
Fabrikanten und Kaufleute
können auf ein seit 50 Jahren bestehendes Geschäfts-
haus in Köln o. Rh. gegen mäßige Provision
Wechsel ziehen. Franco-Offerte Litr, G. F. 41,
poste restante Köln. (6711)
Bekanntmachung.
Unterm Heutigen hat mir Gerichtsvollzieher R ö-
der dahier Namens des Handlungshauses Gebrü-
der Feit l er zu Darmstadt, bezw. deren An-
waltes k. Advocat Dittmann dahier, eine Klags-
Vorladung zugestellt, inhaltlich welcher der zur Zeit
unbekannt wo sich aufhaltende Bäckermeister Georg
Kirchner, früher in Aschaffenburg wohnhaft, von
der klagenden Firma laut Schlußscheia vom 22 Sep-
tember v. Js.
a) 26 Säcke Weizenmehl Nr. 0 ä 200 Pfund
und weitere 26 Säcke Weizenmehl Nr, 1 &
200 Pfund um den Kaufpreis von 17 fl. 30 kr.
per 140 Pfund und
b) 56 Säcke Pester Weizenmehl Nr 7 ä MO
Pfund um den Kaufpreis von 12 fl. 30 kr.
per 140 Pfund.
lieferbar bis März l. I. — kaufte, aber trotz ge-
schehener Aufforderung vom 21 April l. I. das
gekaufte Mehl nicht abgenommen, auch nicht be-
zahlt hat, und nunmehr belangt wird, die Differenz
zwischen obigen Bcstellungspretsen und dem Tages-
curse voll jetzt nach der von der Klägerin unterm
14 Mai l. I. ausgestellten Rechnung mit 342 fl.
51 kr. nebst 6% Zinsen hieraus vom 14 Mai
abbin zn ersetzen, auch die Proceßkosten zu bezahlen.
Nach derselben Urkunde ist Beklagter auf
Montag den 7 August LJ., früh KUHr,
in die Sitzung des Handelsgerichts Aschaffenburg
vorgeladen, zur Verhandlung über obige Forderung.
Beklagter Georg Kirchner wird hiemit aufge-
fordert obige Actenstücke persönlich oder durch eineu
Bevollmächtigten auf d w Kanzlei des Unterfertig-
ten in Empfang zu .nehmen.
Aschaffenburg, den 28 Juni 1871.
Der k. 1. Staatsanwalt,
Scherer. (6720)
Bekanntmachung.
Unterm Heutigen stellte mir Gerichtsvollzieher
Röder von hier Namens des Bischofsfonds zn
Miltenberg, bezw. dessen Anwalt, kgl. Advocat
Dittmann, eine Aufforderung jit, wonach
Georg Lang, Sohn des verlebten Strumpf-
webers Peter Lang von Miltenberg, zur Zeit
unbekannten Aufenthalts,
aufgefordert wird, innerhalb dreißig Tagen vou
heute an, feine zur Berücksichtigung un Berthei-
lungsverfahren — in Sachen des betreibenden Theils
gegen Rosina Lang, Wittwe des S'.rnmpfweber«
Peter Lang, zu Miltenberg wohnhaft, wegen Sub-
hastatiou, geeigneten Forderungen an Hauptsache,
Zinsen und Kosten und den beanspruchten Rang
mündlich oder schriftlich auf der Gerichtsschreiberet
deö k. Bezirksgerichts Aschaffenburg anzumelden
und auszuführen, sowie auch mir Beweis zu ver-
treten, falls er Urkundeii besitze, solche vorzulegen,
endlich ailch bei der Anmeldung einen im Sprengel
de« k. Bezirksgerichts Aschaffenburg wohnenden
Zuflelluugsbeoollmächtigten aufzustellen, außerdem
bei Uiiterbleibung dieser Aufstellung die betreffenden
Zustellungen für ihn Requisiten an die k. Staats-
anwaltfchafi gemacht würden.
Beklagter Georg Lang wird hiemit aufgefordert
obige Actenstücke persönlich oder durch einen Be-
vollmächtigten auf der Kanzlei des Unterfertigten
in Empfang zu nehmen.
Aschaffenburg, den 28 Juni 1871.
Der k. I. Staatsanwalt,
Scherer. (6719)
Ein Hauslehrer,
von zwei Knaben von 6 und 11 Jahren auf da«
Land gesucht, um dieselben tüt das Gymnasium
vorzubereiten. Zeichnen- und Musikunterricht
wäre sehr erwünscht. Gehair 250Thlr. bei freier
Station. Antritt baldigst. Franco-Offerte mir
Abschrift von Zeugnissen werden unter v. Z. 853
durch die HH. H a a s e n st e t u u. Vogler m
Leipzig erbeten. i6728]
Agentur-Gesuch.
Für den Absatz aller Arteir Werkzeugmaschinen,
sowie Maschinen und Apparate für Wollspinnereien
und Färbereien sucht eine renornmirte Fabrik unter
vortbeilhafreu Bedingnngeil einen Agenten für Baden,
die Pfalz und die ««gränzenden Gebiete. Nähere«
unter Chiffre T. T. 848 durch die HH. Hänfen-
stem Lk Vogler in Stuttgart, Königs»
siraße 54. [6722-23]
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
He. 226.
Augsburg, Montag, 14 August
1871.
CorresDondenzen sind an dis Eadwtioa, Inssnt« an die Expedition in All*smoinon Eaitanc franco zu richten. Dieselbe berechnet für die dreigespaltene Colonelzelle oder deren Raum
'* Im HftuptbUtt U kr.} ln d*r Btil&f«, woloh*r_da« HontsfsbUtt floioh goaehtat wird, 9 kr. a. W.
abgekürzte) Wort oder Zahl
wird. Der entfallende
MomagS erscheint nur ein Blatt.
Verlag der I. G. Totta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. I. v. Gosen.
Uebersicht.
Die Augsburger Gerichtsbücher über Hans Holbein den Aeltern. —
Südwestdeutsche Idyllen. (2. Stein am Rhein.) — Aus den Kriegs-
gerichtsverhandlungen von Versailles.
Neueste Posten. München: Die Ministerkrisis. Hohe Reisende.
Eiserne Kreuze. Berlin: Zur Näumungsfrage.
Telegraphische Berichte.
* Versailles, 12 Aug. Nationalversammlung. Der Antrag des
linken Centrums auf dreijährige Vollmachtsverlängerung für Hrn. Thiers
mit dem Titel eines Präsidenten der Republik wurde eingebracht. Bei
Auflösung der Nationalversammlung innerhalb dieser Zeit sollen die Voll-
machten des Hrn. Thiers nur so lange dauern als nöthig ist um eine neue
Versammlung zu eonstituiren. Der Präsident soll die Exekutivgewalt aus-
üben; alle Executivacte bedürfen der Gegenzeichnung des betreffenden
Ministers. Die Minister sind der Nationalversammlung verantwortlich.
Ein Mitglied der äußersten Rechten bringt einen Vorschlag ein auf Verlän-
gerung der Bestätigung der Hrir. Thiers zu Bordeaux übertragenen Voll-
machten. Für beide Vorschläge wird auch von Hrn. Thiers die Dringlich-
keit gefordert. Nach Aufhebung der Sitzung für 20 Minuten wird die
Dringlichkeit angenommen.
* Frankfurt a. M.. 12 Ang Abend.EffrcteusocietSt. 1882er Amerikaner
97%, Silberreute 58% 1860er L —. E,evitactieu 275%. Lombarden 173%,
Staat-bahn 403, Galizier — Elisabeth —, 3proc. span. außl. Schuld 31% 6,
frans. Rente volle —, leere 88%. Fest.
* Parts. 12 Aug. Schlutzcurse. Zproc. Rente 55.72, Credit Mobilier 175,
Staat-bahu 867, Lombarden 382. Italiener 59.37, 1882er Amerikaner 126 93,
neue Anleihe 88.57.
* Amsterdam, 12 Aug Wechsel auf London —, 3proe. Spanier
31'1%5, 6proc. Amerikaner 98%,, bproe. Papierrente 48. 5proc. Silberrente
56 %g, 5proc. Türken 44%, 5proc. Russen 80%. Fest.
I Amsterdam, 12 Aug. Roggen per Oct. 187—188.
Die Aug-burger Gerichtsbücher über HarrS Holbein den
Aeltern.
* Je spärlicher die Quellen zur Geschichte der hochberühmten Künstler-
familie der Holbeine fließen, desto willkommener find auch geringfügigere
neu aufgefundene Notizen über sie. Ein glücklicher Zufall ließ mich vor
mehreren Tagen die alten Gerichtsbücher der Stadt Augsburg aus dem
Ende des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts entdecken. Eine ge-
naue Durchsicht dieser in mehrfacher Beziehung äußerst intereffanten Ar-
chivalien zeigte mir eine Fülle von Nachrichten über die persönlichen Ver-
hältnisse der hervorragendsten Männer jener Glanzzeit Augsburgs. Ich
beschränke mich hier auf die Notizen über die Familie Holbein, einmal weil
gerade die Augsburger Periode derselben noch in dichtem Dunkel begraben
liegt, dann weil, nach außen wenigstens, keine so großartig gewirkt hat wie
sie. Ich bemerk^nur noch daß Schrift und Sprache dieser Gerichtsbücher in
gleichem Maße verderbt sind. Die Einträge sind in protokollarischer Weise,
im Flusse der mündlichen Verhandlung, niedergeschrieben worden, und
namentlich wegen der völlig willkürlichen, zahlreich angewandten Abkür-
zungen nur mit großer Schwierigkeit zu entziffern, während die Sprache
im Kampfe mit der fremden Terminologie der römischen Rechtvbegriffe die
gewagtesten Versuche zur Verdeutschung derselben macht, und dadurch nur
noch unverständlicher wird. Ich gebe nun in folgendem die Notizen in
chronologischer Reihenfolge getreu in der Schreibweise des Originals.
Gerichtsbuch des Jahrs 1503, uff mitwoch post Felicii:
„Item der Holbain muler ist zu Paulsen Mair geschlachtgwannder,
wie daz er sich unterstanden und im durch sein eigen gewalt und
furnemen ein prett naher gtissen und im sein hus in sein abwesen
geöffnet hab mit . . Das Folgende unleserlich.
Dieser Paulsen Mair war nach dem Steuerbuch v. 1.1503 der nächste
Nachbar des alten Holbein, der mit seiner Mutter in einem Hause zusam-
men wohnte. Woltmann befindet sich daher in einem Irrthum wenn er
auf S. 133 seines Buchs sagt: der Vater Holbein.sei in jenem Jahr nicht
'in Augsburg zu finden; er tritt uns außer im Gerichtsbuch auch im Steuer-
register entgegen.
Daß die Vermögensverhältniffe unserer Künstlerfamilie in arg zerrütte-
tem Zustande waren, geht aus mehrfachen Auspfändungen hervor, denen
der ältere Holbein sowohl als seine Mutter unterworfen wurden. So ist
zum „donrstsg post Cantate 10. tag maii“ des Jahres 1515 eingetra-
gen: „hudwig Smid metzger hatt alle recht erlangt ann Holbain
maler pro 1 fl.,11 was nach der Ausdrucksweise der damaligen Zeit so viel
bedeutet als: der Gläubiger hat nach constatirter Zahlungsweigerung sei-
nes Schuldners (Holbeins) vom Gericht eine Auspfändungsvollmacht er-
halten. Wie schlimm muß die Lage des Künstlers gewesen sein wenn er
nicht einmal einen Gulden aufbringen konnte! Ein andermal (1516, „af-
termofltag post Reminiecere 10. tag februarius“) treffen wir Holbein
in einem Rechtsstreit mit den beiden Pflegern eines jungen Jlsung, „mnb
verfalln zins" und am 13 Nov. (mitwoch post Martini) in einem eben-
solchen mit „Jörg Lotter“ wegen einer Schuld von 32 Kreuzern. Auch hier
kam es Wieder zur Auspfändung. Solche Mißstände mögen ihn Wohl in
erster Reihe bewogen haben die Vaterstadt zu verlassen, und sein Heil an-
derwärts zu suchen. Seine beiden Söhne, Hans und Ambrosius, hatten
schon vor längerer Zeit den Wanderstab ergriffen, um nach der schönen
Sitte jener Zeit ihre jungen Kräfte im Kampfe mit den Gewalten des Le-
bens zu erproben. Hans war noch im Jahr 1515 nach Basel gezogen, wo
er bereits in den letzten Tagen des Jahres mit einer Illustration des En-
comium Moria von Erasmus debütirte, während sein älterer Bruder Am-
brosius mit Sicherheit erst im September des nächsten Jahrs in der kunst-
gebildeten Rheinstadt nachgewiesen werden kann. Nach dieser Richtung
wandte — vermuthlich mit Zuthun b?r Söhne — auch der hartbedrängte
Vater seine Schritte. Das Gerichtsbuch zum Jahr 1517 enthält zum
12 Jan. (monfag post Erhardi episcopi) folgende Notiz: „auf ohge-
nanten tag ist Sigmund Holbain vor gerächt erschienen unnd (hat)
im auf sein begern und anrüstn ain erber gericht disen unterschid
geben: erstlich das Sigmund Holbain eingesebriben werd das in 4
wuchen den nechsten Hans Holbain sein bruder an Sigmund als er
furhielt nit begert hat mit im gen Eyszneu zu <ziehen laut der urtl
für ains. Fürs ander dieweil die 34 fl. verrechnetz geltz laut der
hanndtschrift ain verwerte bekantlichc schuld ist, so latz ein erber
gericht mit dem nachgeweiz bietten bey dem alten griehtsbrauch
wie es von alter her körnen ist beleyben. Fürs 3. gibt ain erber
gericht Sigmunden Holbain zu underschid der dreier II. gewetteter
schuld halb das er muge mit dem burggraven erkunden auch nach
diser stat recht. Das im Sigmund Holbain ein zuschreyben begert
hat und im zu geben ist.“ Der Sinn dieser Stelle dürfte nach meiner
Ansicht der sein: Hans Holbein hat gegen seinen Bruder Sigmund (vgl.
über dessen künstlerische Thätigkeit Woltmann S. 164 ff.) auf Erfüllung
eines Versprechens geklagt, das dahin abzielte eine gemeinschaftliche Reise
machen zu wollen. Sigmund widerspricht dem und läßt sich über dir
Haltlosigkeit dieses Klaganspruchs ein gerichtliches Zeugniß ausstellen.
So weit wäre das Verhältniß deutlich. Aber was bedeutet „Eysznen,“
wohin Hans den Bruder mitziehen will? Lange dachte ich mit meh-
reren Freunden an Eisenach das im schwäbischen Volksmund wie „Eisne"
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
40
gesprochen werden würde, wenn ich mir auf der andern Seite auch sagen
mußte daß für eine Wanderung Holbeins nach Sachsen nirgends ein An»
Haltepunkt vorliegt. Eine genauere Durchsicht der His'schen Schrift „Die
Basler Archive über Hans Holbein den Jüngern" (Basel, 1870) belehrte
mich jedoch bald eines andern. Hier findet sich nämlich auf S. 7 c er Ab-
druck eines Schreibens des Raths von Basel an den Convent von Jffew
heim im Elsaß vom 4 Juli 1526, worin der erstere ein Gesuch des jungen
Holbein (der inzwischen Bürger in Basel geworden war) um Ausantwor-
tung verschiedener von seinem verstorbenen Vater im Jsienheimer Antoni-
terhaus zurückgelaffenen Malergeräthschaften mit warmen Worten dem
Convent zur Gewährung empfiehlt. Der Vater hatte also dort „verrück-
ter Jarenn“ gearbeitet, und zwar an einer Altartafel. Nun lautet der Ort
Jffenheim (Städtchen zwischen Mülhausen und Colmar) in der Adresse
des Schreibens „Ysenenn,“ was mit unserm „Eysznen“ ohne allen Zwei'
fel zusammenfällt. Die Wanderung des ältern Holbein zu Anfang des
Jahres 1517 gieng also nach dem Elsaß, wohin schon früher eine Spur
(nach Murbach, Woltmann S. 342) leitet. Die Altartafel die er dort für
das berühmte an Kunstschätzen reiche Antoniterkloster malte, ist leider ver-
loren gegangen. Wann er von dort nach Augsburg zurückgekehrt ist, läßt
sich nicht bestimmt sagen. Das Verhältniß der beiden Brüder muß auch
nach dem Abzug des einen fortdauernd ein arg getrübtes gewesen sein.
Schon in der letztangeführten Stelle des Gerichtsbuches ist von einer Geld-
schuld des Hans an Sigmund die Rede; wenige Tage später („aftermon-
tag post Antony 20. Januarius“) betreibt Sigmund bei Gericht mit Er-
folg die Auspfändung des zahlungsunfähigen Bruders. Ob ihn dieselbe
noch in Augsburg traf, läßt sich mehr vermuthen als sicherstellen; wahr-
scheinlich wird er mit Beginn der besiern Jahreszeit die Elsäßer Reise an-
getreten haben. Jetzt verschwindet sein Name für einige Jahre aus den
Gerichtsprotokollen, und kehrt erst 1521 („afftermontag post Conversio-
nis Pauli, 29. tag Januarius) wieder. Auch dießmal besteht die Veran-
lassung in einem Gantproceß: „Banns Kämlin vischer clagt Holbain
raaler pro 40 kr.,“ und 4 Wochen später „donrstag post Remioiscere:
Hans Kämlin hatt alle recht erlangt an Hans Holbain maler pro 2 fl.
40 kr.“
Damit enden die Einträge. Nach dem im städtischen Archiv aufbe-
wahrten Handwerksbuche der Augsburger Maler starb der alte Holbein im
Jahr 1524. In dem Steuerbuch dieses Jahrs findet sich sein Name zum
letztenmal eingetragen, und zwar, wie schon in den vorausgegangenen
sieben Jahren, am Schlüsse des Registers, nicht mehr, wie vor 1517, in
einer bestimmten Straße, so daß wir annehmen dürfen daß er innerhalb
jener Jahre nur noch vorübergehend sich in Augsburg aufgehalten habe.
Danach berichtigt sich auch die auf mangelhafte Auszüge meines Vor-
gängers gegründete Angabe Woltmanns (I. S. 83): daß der Künstler schon
1516 zum letztenmal in den städtischen Steuerbüchern vorkomme.
Wohl hätte ich gewünscht in den Gerichtsbüchern, wie über den Vater
Holbein, so auch über den größern Sohn, namentlich über die Zeit seines
Wegzugs nach Basel, einige Anhaltspunkte zu finden. Meine Bemühun-
gen darum waren (bis jetzt wenigstens) erfolglos. Doch gebe ich die Hoff-
nung nicht auf in den andern, gerade für die Geschichte des 16. Jahrhun-
derts in üppiger Fülle strömenden, Quellen über diesen größten Sohn des
erinnerungsreichen Augsburgs die zur Kenntniß seiner Jugendwerke noth-
wendigen Nachrichten aufzuspüren.
Augsburg, im August 1871. Stadtarchivar l)r. Meyer.
Südwestdentfche Idyllen.
2. Stein am Rhein.
ä Wenn eins oder das andere jener liebenswürdigen Tagesblätter
welche in der Schweiz seit Jahr und Tag gegen Deutschland hetzen, be-
merken sollte daß ich das Städtchen Stein unter meine süddeutschen Idyllen
einzureihen im Begriff stehe, dann wird wohl ein neues Gezeter losgehen.
Um dem jedoch von vornherein die Spitze abzubrechen, erkläre ich feierlich
daß Deutschland nicht im entferntesten daran denkt die Schweiz im ganzen
oder Stein im besondern zu anneetiren; daß ich nicht zu den Agenten des
Fürsten Bismarck gehöre, zu demselben überhaupt in gar keiner Beziehung
stehe; daß ich endlich ebensowenig einer jener zahlreichen Spione des
Grafen Moltkc bin welche dieser schlaue Kopf, nach der Meinung des
„geistreichsten" Volkes der Erde, sogar unter Gaffenkehrern und Nähe-
rinnen bekanntlich unterhält. Deutschland wird der Schweiz nicht bloß
ihre Seen und Gletscher und Wasserfälle, sondern sogar auch das
Stückchen Land mit welchem ihr Gebiet bei Stein und Schaffhausen in !
das deutsche Territorium vorspringt, sicherlich unangetastet lassen. Ich
reihe bloß deßhalb Stein unter meine harmlosen Bilder ein weil es mir
dort so gut gefallen hat, und weil ich dort jene idyllische Ruhe fand welche
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in der Schweiz nur noch da anzutreffen ist wohin Bädeker nicht gedrungen.
Wie dankbar war ich dem braven umsichtigen Manne dafür daß er in seinem
Schweizerführer das Städtchen in kleinster Nonpareille Schrift mit wenig
Zeilen abthut, und nichts anderes davon zu berichten weiß als daß es
1863 durch eine Feuersbrunst einen Theil seiner alten Häuser eingebüßt.
So ist es bis jetzt denn von der Landplage des großen Touristenverkehrs
verschont geblieben.
Aber noch mehr. Da es seitab von den schweizerischen und bqpi-
schen Eisenbahnen liegt, so hat es seinen alten Charakter treu bewahrt,
unberührt von dem sehr achtungswerthen, aber jedem Fr-unde der Natur
und Kunst für Auge und Nase gleich entsetzlichen Fabrikwesen der „Jetzt-
zeit." Wie muthete mich diese noch unentweihte frische Luft des Rhein-
thals köstlich an, als wir unter Obstbäumen und Rebengehängen bald den
schönen Strom erreichten und die letzte Strecke des Weges uferentlang
fuhren. Seine mächtig dahinziehenden Waffer blitzten im Glanz einer
hellen Abendröthe so friedlich durch das üppige Laub der Reben und der
Bäume; die feine Mondsichel erhob sich am lichten westlichen Himmel, und
unter ihr funkelte der Abendstern. Leise rauschten die Wellen und ge-
mahnten mich an längstvergangene Jugendzeiten, wo ich weiter abwärts
in der rheinischen Musenstadt demselben Klange so oft gelauscht.
Daß wir inzwischen auf schweizerischen Boden gelangt waren gab sich
deutlich zu erkennen. Die Kreuze und Heiligenbilder, die mich überall im
katholischen Oberlande Badens begleitet hatten, hörten plötzlich auf; wir
waren auf reformirtem Boden. An Sauberkeit, Sorgfalt, Behäbigkeit der
ländlichen Wohnungen erkannte ein kundiges Auge ebenfalls sofort die
betriebsame deutsche Ostschweiz. Mit einbrechender Nacht fuhren wir in
das Städtchen ein. Noch war es hell genug um an den alterthümlichen
hohen Häusern der Hauptstraße, welche dem Fluffe parallel läuft, an ihren
bemalten Fayaden, den weit vorspringenden Dächern, der zwanglosen
malerischen Gruppirung, den ungetrübten Charakter jener oberrheinischen
Städte zu erkennen, der sich in seinem Einfluß bis nach Rottweil verfolgen
läßt. Von Basel bis Konstanz läßt sich das Gepräge in mannichfacher Ab-
stufung verfolgen. Doch zunächst galt es die Herberge aufzusuchen: ich fand
sie jenseit des Rheins, der hier eine stattliche hölzerne Brücke trägt, im
„Schwanen." Einfach und gut, noch in jener treuherzigen altväterischen
Einrichtung wo Wirth und Wirthin, unterstützt etwa von einer freund-
lichen Kellnerin, den Gast selber bedienen, der gottlob hier nicht über eine
Schaar schwarzbefrackter Kellner zu stolpern braucht. Die Wirthsstube mit
getäfelter Holzdecke und dem großen, übrigens kunstlosen, Ofen in der Ecke
entspricht dem gemüthlichen Charakter des Ganzen. Der Wirth setzt sich
beim Abendesien dem Gaste gegenüber, und erweist sich, in einem Gespräch
das auch die Politik berührt, als verständiger, vorurtheilsloser Mann.
Daß man so seitab von den modernen Verkehrswegen liege wird indeß
doch beklagt, die Verbindung durch Eisenbahnen mit Deutschland und der
Schweiz gewünscht, und daran die Bemerkung geknüpft daß das kleine
Stein für sich allein 700,000 Fr. für die Eisenbahn bewilligt habe. Das
ist viel; und ist zugleich ein Beweis von dem Princip der Selbsthülfe welches
in der Schweiz das Gemeindeleben und dadurch auch das Staatsleben
durchdringt. Wie ganz anders bei uns, wo man alles von der Regierung
verlangt, wo der „Staat" wo möglich jeder Gemeinde, jedem Oberamt ein
besonderes „Eisenbähnle" bauen soll! Wie wenig wiffen unsere süddeut-
schen Demokraten, der Mehrzahl nach, worauf es in jedem gesunden Staats-
leben, namentlich in der von ihnen so hochgepriesenen Republik, ankommt!
Am andern Morgen weckte mich der goldenste Sonnenschein, und ich
eilte schon vor dem Frühstück — denn der Tag versprach sehr heiß zu
werden — hinaus, um das Städtchen genauer kennen zu lernen. Wie
malerisch baut es sich mit seinen meist alterthümlichen Gebäuden am Ufer
des prächtig dahinziehenden Stromes auf. Links von der Brücke das ehe-
malige Salzlagerhaus der Stadt, ein Bau in den charaktervollen Formen
des späten Mittelalters, rechts die unregelmäßigen Gebäude des ehemaligen
Klosters, jetzt zu Schulwohnungen eingerichtet, zum Theil der Zunft zum
K eeblatt eingeräumt. Die abgetreppten Giebel, die vorspringenden Erker
geben der Gruppe ein höchst malerisches Gepräge. Doch hinein in die
Stadt! Jetzt im klaren Morgenlicht erkennt man bester die zum Theil
noch wohlerhaltenen Malereien der Favaden. Wie heiter und behaglich,
wie anheimelnd ist solch eine alte Straße, wenn man sie mit den nüchternen
Straßen unserer modernen Städte vergleicht. Damals belebte noch fröh-
licher Farbensinn und „Lust am Fabuliren" die Welt. Die Gemälde in
Stein sind von geringen Localkünstlern ausgeführt, das ergibt sich auf den
ersten Blick; aber wie sicher behandeln alle ihre besondere Aufgabe, wie gut
verstehen sie in den Beiwerken und in den Hauptsachen den architektonischen
Charakter zu wahren; wie harmonisch wirkt daher alles bei großem Reich-
thum der Farben! Eine der besterhaltenen Fayaden ist die am „weißen
Adler," den Formen nach etwa auf die Mitte des 16. Jahrhunderts deu-
tend, im Figürlichen äußerst ungeschickt, in der Gesammiwirkung vortreff»
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lich. Allerlei Tugenden und sonstige Allegorien; dann die Geschichte von
dem Vater der seinen Söhnen einen Bündel Pfeile zum Zerbrechen vor-
legt, das ihren Bemühungen widersteht, bis er an dem einzelnen heraus-
gezogenen Pfeil beweist wie leicht alle zu zerbrechen find, sobald man sie
aus dem festen Verbände löst: eine Lieblingsgeschichte der damaligen Zeit,
öfter auf Glasgemälden und gemalten Oefen anzutreffen, übrigens auch
jetzt noch zu beherzigen. Daneben die andere Erzählung von den drei Prä-
tendenten um einen erledigten Königsthron, welche der Richter nach der
Leiche des verstorbenen Fürsten schießen läßt um den echten Sohn von
den vorgeblichen zu unterscheiden. Diese und andere Geschichten stehen
noch in ftischen Farben da und erfreuen auch heute das Volk ebenso wie
vor dreihundert Jahren als sie entstanden. Während ich meine Notizen
machte, gesellten sich mehrere Leute zu mir, aufmerksam ohne Zudringlich-
keit, und ein angehender behäbiger Fünfziger, den man als den Hrn. Prä-
sidenten bezeichnete, erklärte mir mit gutem Verständniß einiges, das an-
fangs dunkel war, und führte mich noch zu andern schätzenswerthen Anti-
quitäten, besonders zu einem Zimmer im „rothen Ochsen," in welchem ich
die ganze Arche Noä mit ihrem Thiergewimmel auf einer Wand geschil-
dert fand. Es war eine Arbeit vom Anfang des 17. Jahrhunderts, ähnlich
den übrigen Wandgemälden, mit welchen auch hier die Faeade des Hauses
geschmückt ist. Die Aufgabe bei allen diesen Arbeiten war: die Unregel-
mäßigkeit der Fayaden zu verdecken und durch völlige Bemalung denselben
architektonische Haltung und künstlerische Harmonie zu verleihen, und
diese Hauptsache ist den alten bescheidenen Faeadenmalern von Stein treff-
lich gelungen.
Eine höhere Bedeutung dürfen nun aber die Wandgemälde ansprechen
mit welchen in dem schon erwähnten ehemaligen Kloster ein Saal völlig
ausgestattet ist. Bis jetzt wurde dieses abseits liegende Kunstwerk noch
nirgends gebührend gewürdigt, und selbst die verdienstliche photographi-
sche Publication welche die Schaffhauser historische Gesellschaft kürzlich
demselben gewidmet hat, genügt noch nicht um dem Werth der Arbeit ge-
recht zu werden. Es handelt sich hier um einen jener seltenen Fälle wo wir
ein Profanwerk künstlerischer Decoration aus dem Anfang des 16. Jahr-
hunderts noch unangetastet als Ganzes vor uns haben, und darin zugleich
die Arbeit eines der namhaftesten Künstler jener Zeit. Und doch wiffen wir
diesen Namen nicht mit Bestimmtheit zu nennen; aber eine Spur hat der
Künstler doch dafür hinterlaffen, denn über der Eingangsthür halten zwei
allerliebste Kinder eine Schiefertafel, auf welcher in großen lateinischen
Charakteren die Buchstaben T und 8 und die Jahrzahl 1516 zu lesen sind.
Ich vermuthe nun daß sich darunter ein Maler aus der bekannten Schaff-
hauser Künstlerfamilie Stimmer verbergen mag, und es könnte denn recht
wohl ein älterer Tobias Stimmer sich ergeben, der vielleicht der Großvater
des gegen Ende des 16. Jahrhunderts wirkenden gleichnamigen Meisters
war. Es ist ja nichts seltenes daß die Namen der Großväter sich bei den
Enkeln wiederholen. Dieß alles ist freilich nur Vermuthung, welche so
lange in der Luft schwebt bis urkundliche Forschung sie entweder bestätigt
oder widerlegt hat. Zu solcher Forschung in den Bürgerbüchern, Zunft-
registern, Steuerrollen von Schaffhausen möchte ich mit diesen Zeilen einen
dortigen Historiker veranlaffen.
Der Mühe werth ist die Sache in hohem Grade. Wir haben es jeden-
falls mit einem der ersten Meister zu thun, welche die Renaissance in
Deutschland mit überlegener künstlerischer Kraft zur Geltung brachten.
Bekanntlich sind es die Werke der Maler, Bildhauer und Kleinkünstler in
welchen sich die neue Weise zuerst Bahn bricht. Die Stürme und Kämpfe
der Reformation ließen erst gegen Mitte des Jahrhunderts dann auch
architektonische Unternehmungen in dem neuen Styl hervortreten. Neben
Burgkmair, Holbein, Dürer ist nun der Meister von Stein einer der frühe-
sten Bekenner der Renaissance in Deutschland. Der ganze Saal ist von
ihm ausgemalt worden, und zwar mit drei Gemälden aus der Geschichte
Roms, ebensovielen mi§ der karthagischen Geschichte, und endlich zwei
großen Darstellungen welche das Leben in einer süddeutschen oder einer
schweizerischen Stadt zu Anfang des 16. Jahrhunderts schildern. Das
reichste Culturintereffe liegt in diesen lebensfrischen Bildern, um so mehr
als der Künstler nach der naiven Sitte der Zeit auch die antiken Vorgänge
in den Lebensformen seiner Tage behandelt. Die Bilder sind grau in grau
ausgeführt, nur die Haare haben einen bräunlichen gelben Ton erhalten,
und die zahlreichen Verzierungen an Kleidern, Waffen, Geräthen sind in
Gold aufgesetzt. Auch den Dächern der Gebäude hat der Künstler einen
rothen Ton gegeben. Als Einfassung aber für diese äußerst interessanten
Bilder hat er eine Pilaster Architektur geschaffen, mit prächtigen Goldorna-
menten auf weißem Grunde, in welchen wie in den decorativen Zuthaten
der Bilder der sicherste Renaiffance-Grschmack zum Ausdruck kommt. Aller-
dings ist das Verständniß der menschlichen Gestalt nicht überall gründlich
genug entwickelt, um den Meister aus die volle Höhe eines Dürer und Hol-
bein zu heben; aber an Lebensfülle, Frische und Leichtigkeit der Schilde- !
rung, an feiner liebevoller Durchführung steht er in seiner Zeit unter den
ersten da.
Während dieser Meister nun mit vollen Zügen die Kunstweise der
Renaissance entfallet, sehen wir um dieselbe Zeit in demselben Raum einen
andern Meister sich noch unbeirrt in den Geleisen der mittelalterlichen An-
schauung bewegen. Die Decke des Saals, ein Meisterwerk der Holzschnitzerei,
nach inschriftlichem Zeugniß 1515 entstanden, zeigt sich, ohne die leisesten
Anklänge an die neue Kunst, noch ausschließlich in spätgothischen Formen-
Sechs breite Parallelstreifen, durch schmale Vertiefungen in Form von
Tonnengewölben getrennt, bilden die Decke, an beiden Seiten und in der
Mitte durch breite Bänder verbunden. Diese sämmtlichen Flächen haben,
im Gegensatz zu den Tonnengewölben, welche ganz leer geblieben sind, ge-
schnitzte Flachornamente von ebenso reicher Erfindung als meisterlicher
Ausführung. Wir begegnen hier wohl der Thätigkeit derselben Schule
welcher die prachtvollen Schnitzwerke des Rathhaussaales in Ueberlingen
zu verdanken sind, derselben geistreichen und freien Verwendung gothischer
Motive, die hier in feindurchdachtem rhythmischen Wechsel sich zwischen
geometrischen Maßwerken und prächtig behandelten Pflanzen- und Blu-
menranken bewegt. Dazu ist alles reich bemalt, und auch darin bewährt
sich der sichere Tact jener Zeit für harmonischen Wechsel und wirksamen
Contrast der Töne. Ich muß mir hier versagen näher auf einzelnes ein-
zugehen ; das Ganze aber in seinem originellen Gegensatz ist eines der lehr-
reichsten Beispiele wie scharf in jener Epoche gewaltigen Umschwunges
nicht bloß im äußern Leben, nicht bloß in Staat, Religion und Wifsen-
schaft, sondern auch in der Kunst die alte und die neue Zeit aneinander-
stoßen. Hier haben beide Auffassungen in seltenster Art sich zu einer ge-
meinsamen Arbeit von hohem künstlerischen Werth zusammengefunden.
Mit diesen bedeutenden Werken sind aber die künstlerischen Schätze
welche das kleine Stein birgt noch nicht erschöpft. Ich will nur kurz herr-
licher Glasgemälde des 16. Jahrhunderts gedenken, welche man noch an
ihren ursprünglichen Stellen, im Zunfthause zum Kleeblatt und im Schützen-
hause vor der Stadt, antrifft. Sie sind eines der noch immer in einzelnen
Beispielen vorhandenen Denkmale eidgenössischen Zusammenhaltens und
freundnachbarlicher Gesinnung ; denn es war damals Sitte sich gegenseitig
solche Scheiben zu verehren, so oft eine Zunft sich ihr Versammlungs-
gebäude, eine Stadt ihr Rathhaus, eine Gesellschaft ihr Schützenhaus
neu errichtete. Die Scheiben tragen dann stets in der Mitte das Wappen
des Geschenkgebers, wozu in den Ecken kleine Darstellungen aus der bibli-
schen oder der griechisch römischen Geschichte, manchmal auch schon aus den
Heldenthalendes schweizerischen Volks, hinzugefügt sind. So auch hier, wo
die Scheiben die Entwicklung verschiedener Epochen des 16. Jahrhunderts
in vorzüglichen Beispielen vertreten. Endlich wäre noch eines riesigen
silbervergoldeten Prachtpocals auf dem Rathhause zu gedenken, das Geschenk
eines Bürgers der Stadt, der unter den drei Kaisern Ferdinand H und III
und Leopold I am Wiener Hofe diente, zum Frhrn. v. Schwarzen Horn
erhoben wurde und Gesandter bei der Pforte war. DerPocal, derdieJahres-
zahl 1658 trägt, ist ein treffliches Werk der Goldschmiedekunst, freilich in
den willkürlichen Formen des Styls von Louis XIV. Der Geschenkgeber,
der unter dem Namen des „Verdienenden" Mitglied der fruchtbringenden
Gesellschaft war, hat seine Gabe mit einer Anzahl langathmiger eingravir-
ter Verse geschmückt, die mindestens ebenso barock, aber lange nicht so er-
freulich sind wie das Werk selbst.
Ich breche ab, obwohl sich noch manches von den Sehenswürdigkeiten
Steins erzählen ließe. Man bekommt dort das wohlthuende Gefühl daß
die Bewohner in pietätvollem Sinne das Andenken und die Zeugniffe ihrer
i Vergangenheit hegen und pflegen. Diese Wahrnehmung ist um so er-
! quickender, je seltener sie heutzutage wird, je mehr die alten Städte des
Reiches gegen ihre alten Monumente zu wüthen suchen. Fand ich die
Leute in Freudenstadt doch eben beschäftigt da§ letzte ihrer schönen alten
Stadtthore abzubrechen, weil es den Verkehr hindere, wie die abgeschmackte
Redensart lautet. Noch schmachvoller gehen die Nürnberger ihren alten
Stadtmauern neuerdings zu Leibe, ohne zu ahnen wie sie dadurch der
! herrlichen Stadt gleichsam die Haut abziehen, um sie dann in häßlicher
> Blöße dem Gespött preiszugeben. Ungern verließ ich gegen Abend
j das stille saubere Städtchen, wo mir so wohl gewesen war. Gern
' batte ich, wenn auch nur einige Stunden, wieder auf Schweizer Boden
• gelebt, wo sich, trotz des wüsten Lärmens jener schweizerischen Volks-
schichten die man als den vornehmen und niederen Pöbel bezeichnen muß,
' doch noch gesunder Sinn und Gerechtigkeit gegen Deutschland erhalten hat.
I Suchen wir alle Keime der Völkerfreundschaft sorglich zu pflegen und zu
fördern. In einer Zeit wo die Feindschaft der Völker, wo der blinde
j Racenhaß zu so furchtbaren Katastrophen geführt hat, ist dieß eine um so
nothwendigere Mahnung, je leichter selbst Besonnene sich zum Fanatismus
hinreißen lassen.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
4020
Nus den KriegSgerichtSverhaudlungen von Versailles.
* Sitzung vom 10 August. Die Vernehmung der Zeugen gegen Assi
wird fortgesetzt. Hr. Pelka ud, Generalrath im Nievre-Departement, als
Belastungszeuge vorgeladen, kann gleichwohl nur aussagen daß Assi sich in den
Arbeiterbewegungen des Creuzot mit anerkennungswerther Mäßigung aufge-
führt habe. Präsident wiederholt die bei ihm schon stereotyp gewordene
Phrase: die politischen Ansichten der Angeklagten gehen uns nichts an; wir
haben hier nur über die ihnen zur Last gelegten Verbrechen zu erkennen. Ad-
vocat Bigot: Es scheint mir gleichwohl Beachtung zu verdienen daß ein als
Belastungszeuge vorgeladener angesehener Mann hier aus freien Stücken be-
kundet wie Assi, der vielgenannte Agitator des Creuzot, sich in diesen Arbeiter-
fragen vollkommen loyal benommen habe. Es befindet sich ferner bei den
Acten ein Bericht vom 5 Juni, wonach ein deutscher Officier von Assi gesagt
hatte: „Hr. v. Bismarck kennt ihn recht gut; er hat ihm jährlich 25,000 Frcs.
gegeben damit er Strikes in den großen Arbeitercentren anstifte." Es ist Zeit
diesem albernen Klatsch ein Ziel zu setzen, und ich verlange daher daß der Ver-
faffer jenes Berichts als Zeuge vorgeladen werde, und den deutschen Officier
namhaft mache der ihm diese Dinge gesagt haben soll. Ich werde gleichzeitig auch
Hrn. v. Bismarck auf telegraphischem Wege von diesem Antrage Mittheilung
machen. Der thörichte Ruf „Sie sind ein Prussien!" muß endlich einmal auf-
hören. Hat man nicht vor einem Jahr denselben Ruf vor dem Hause des Hrn.
Thiers erschallen lassen? Präsident: Alles das gehört nicht hierher. Re-
gierungscommissär: Sie sollten doch wenigstens beim Justizminister an-
fragen, Hr. Bigot, ehe Sie ihn ins Spiel ziehen. Hr. Bigot: Ich möchte wohl
wissen wer hier vom Justizminister spricht; der Hr. Regieruugscommissär sollte
sich nicht jeden Augenblick in meine Functionen eindrängen. R e g i e r u n g s-
Commissär: Ich habe keine Lectionen zu empfangen, am wenigsten von
Ihnen. Der Streit verbittert sich wieder, bis Advocat Lachaud im allseitigen
Interesse zur Mäßigung und Selbstbeherrschung mahnt. F o s f 6, Handlungs-
cvmmis und zur Zeit selbst in Haft, war Adjutant Assi's unter der Commune;
er bestreitet ebenfalls die Anfertigung von Petroleumbomben geleitet zu haben,
im Auftrage Assi's hat er nach der Affaire der Caserne Lobau die Verhaftung
Adamcourts besorgt und auch, als 2lssi selbst ergriffen wurde, hat er sich, ob-
gleich er zu Pferd und die Flucht ihm leicht war, sich von seinem Freunde nicht
trennen wollen. Ein Wärter von La Roquette bezeugt dagegen daß
Adamcourt, als er in der Caserne Lobau den Capitän Combes süsilliren ließ,
nur auf Befehl Assi's gehandelt habe; wenigstens hat Adarncourt dieß dem
Zeugen versichert. Frau C h a rv et, Marketenderin, will wiederum wiffen daß
der Befehl zur Hinrichtung des Hauptmanns von Lullier unterzeichnet gewesen sei,
so glaube sie zum mindesten gehört zu haben. Angeklagter Lullier constatirt
daß er unter dem Datum dieses Befehls sich in Haft befunden habe. Weiter wird
auf Veranlassung 2lssi's Hr. Ernst Picard, ehemaliger Minister des Innern,
als Zeuge vernommen. Präs.: Sie sollen zu 2lssi gesagt haben: Sie hätten
. Einsicht von einem Briefe genommen aus welchem hervorgehe daß Assi ein
preußischer Agent gewesen sei. Hr. Picard: Aus die Kunde von der Verhaf-
tung Assi's begab ich mich zum Profoßen, um ihn zu vernehmen; namentlich
wollte ich von ihm hören: ob es wahr sei daß die Insurgenten in verschiedenen
Theilen von Paris Torpillen gelegt haben. Ich konnte hierüber von ihm keine
befriedigende 2luskunft erhalten. Mit dem Briefe verhält es sich folgender-
maßen : in Paris war ich in den Besitz eines an 2lssi gerichteten Briefes ge-
langt, welcher auf Beziehungen zwischen dem 2lngeklagten und den Preußen
schließen ließ. Dieser Brief ist seitdem in Verlust gerathen. Advocat Bigot:
Sollte es nicht zufällig derselbe Brief sein der sich bei den Acten befindet und
gestern zur Sprache kam? Dieses Schriftstück wird Hrn. Picard vorgelegt, und
von ihm in der That als dasjenige auf welches er sich beziehe anerkannt.
Der Brief, fügt Hr. Picard hinzu, steht in keinem Zusammenhang mit dem
18 März, sondern vielleicht mit einer früheren Verschwörung, welche den
Preußen während der Belagerung die Thore von Paris öffnen sollte. Advocat
Bigot: Hat Hr. Picard nicht schon früher eine Unterredung mit Assi gehabt?
Hr. Picard: Allerdings. Es war kurz vor dem 18 März, als man mir zwei
Delegirte eines Bataillons der Nationalgarde anmeldete. Ter eine von ihnen
war Assi. In dem Gespräch war nur von dem für den Monat 2lpril fälligen
Solde die Rede. Noch früher habe ich einmal als Rechtsanwalt Assi bei mir
empfangen, nachdem er sich schon brieflich umEluskunst über einen Rechtspunkt
in Sachen des Creuzot an mich gewendet hatte. Assi: In der erstgedachten
Unterredung war auch von den Kanonen von Montmartre die Rede, und
ich machte geltend daß dieselben auf Kosten der Bürgerschaft hergestellt
worden waren und also auch ihr gehörten. 2ldvocat Bigot: Hat
Hr. Picard nicht auch dem Adjuncten der Mairie von Montmartre, Hrn.
Lafont, versprochen: die Regierung wolle keinen Schritt thun um die Kanonen
von Montmartre abzuholen, ehe sie sich nicht mit dem Centralcomite verständigt
habe? Hr. Picard: Ich habe als Minister dem Hrn. Lafont keine solche Er-
klärung abgegeben. Die Regierung wollte nur einige Tage warten ob nicht
die Bevölkerung selbst das 2lnormale jenes Falls einsehen werde; die War-
nungen die ich in einer Versammlung der Maires gab, blieben leider ungehört.
Adv. Bigot: Bei den Acten befindet sich eine Aussage des Hrn. Lafont welche
anders lautet; ich bedaure daß Hr. Lafont wegen Unwohlseins nicht erscheinen
kann. Hr. Picard: Hr. Lafont hat keinerlei 2luftrag von mir erhalten.
Vertheidiger Laviolette: Ist es Hrn. Picard bekannt daß die Kanonen am
18 März nicht bewacht waren? Hr. Picard: Sie waren schlecht bewacht.
Die Vertheidigung hatte ferner als Entlastungszeugen Rochefort und
Rossel vorgeladen; beide weigerten sich, der erstere seine Krankheit vor-
schützend zu erscheinen. Sie sollten, wie Hr. Bigot sagt, nähere Aufschlüsse über
die Verhaftung Assi's unter der Commune und über die Frage geben ob derselbe
wirklich die Anfertigung von Petroleum-Bomben angeordnet habe. Georges
C a v a l i e r, bekannter unter dem Namen Pipe en Bois, wird vorgeführt. Assi
(zum Zeugen): Haben Sie Befehl erhalten das Pulver in Sicherheit zu bringen ?
Es ist dieß von Wichtigkeit, weil man behauptet: ich habe Paris in die Luft
sprengen wollen. Cavalier: Ich habe in der That am 20 Mai in der Frühe
Assi 25 Omnibuswagen zur Verfügung gestellt, um das Pulver wegzuschaffen
welches von dem Bombardement bedroht war. Frln. Helene, eine „Vertrauens-
person" des Capitäns Moussu von der republicanischen Garde, war vorüber
Caserne Lobau zu Assi gekommen, beschwerte sich über die Gewaltthaten Adam-
courts und erwirkte von 2lssi einen Passirschein. Präs. (lym Vertheidiger):
Sie haben auch Hrn. de Pöne vom „Paris-Journal" vorladen lassen. Advocat
Bigot: Ec sollte bezeugen daß die Protokolle welche dieses Blatt aus den ge-
heimen Sitzungen der Commune veröffentlichte, ihm nicht von Assi mitgetheilt
worden waren. Präs.: Das ist für die Verhandlung gleichgültig. Mehrere
andere unerhebliche Zeugen werden vernommen. Präs. (zu Assi): Erkennen
Sie diesen fünfläufigen Revolver, den man bei Ihnen gefunden hat und von
welchem ein Lauf entladen war? Assi: Mein Revolver war von demselben
Kaliber wie der des Prinzen Peter Bonaparte... Präs.: Lassen Sie fremde
Persönlichkeiten aus dem Spiel. Adv. Bigot: Der eine Schuß ist wahrschein-
lich von dem Gendarmen abgedrückt worden welcher Assi entwaffnete; 2lssi hat
auf niemanden geschossen. Vicomte Arthur Beugn ot, Hauptmann vom 132.
Linienregiment, welcher zufällig der Verhandlung beiwohnt, bittet vernommen
zu werden. Er ist am 18 März mit zwei seiner Leute verhaftet nach dem
Chateaurouge und dann nach der Rue des Rosiers gebracht worden. Er sah
wie nach derHinrichtung der beiden Generale der MaireCl^menceau herbeikam
und verzweifelt ausrief: „Wie, das Verbrechen ist also schon vollbracht?"
Später sei er auf Befehl Jaclards in Freiheit gesetzt worden. Ferr6: Nicht
Jaclard, sondern ich gab diesen Befehl. Hr. v. Beugnot: Er war auf alle
Fälle von Jaclard unterzeichnet. Präs. (zu Ferre): Was liegt Ihnen an die-
sem Punkte? Sie würden damit nur beweisen wie früh Sie öffentliche Gewal-
ten an sich gerissen haben. Ferro: Ich will beweisen daß wir niemals den
Soldaten Gewalt anthun wollten die sich weigerten sich mit ihren Brüdern zu
schlagen. 2ldv. Boy er (zum Zeugen): War cs das Centralcomite oder irgend
eine Art von Kriegsgericht welches die Generale Lecomte und Clement Thomas
vcrurthcilte? Zeuge: Es hieß nur immer daß wir vor das Centralcomits
gebracht werden sollten, und General Lecomte verlangte dieß sogar ausdrücklich.
Angeklagter Billioray: Es muß festgestellt werden daß es auf dem Mont-
martre auch eine ganze Menge von Oomitäs de vigilnnee gab. Wir vom
Centralcomitd tagten nicht in der Rue des Rosiers, sondern in der Rue Basfroi.
Zeuge kann nicht aussagen wer die beiden Generale füsillirt hat; er bekundet
aber daß die Generale schon des Morgens gegen 9 Uhr ergriffen worden waren
und erst Nachmittags um 5 Uhr erschossen wurden. Reg.-Comm.: Es ist
unmöglich daß man in der Zwischenzeit nicht die Zustimmung des Central-
comito's eingeholt haben sollte.
Es wird zu dem dritten Angeklagten, dem frühern Schulvorsteher Raoul
Urbain, übergegangen, Delegirten für die Mairie des 7. Arrondissements
und Mitglied der Commune. In der erstern Eigenschaft will er sich im Anfang
geweigert haben die Autorität des Centralcomitd's anzuerkennen. Präs.: Sie
haben durch den Polizeicommissär Endrös zahlreiche Verhaftungen vornehmen
lassen, und ihm den bei den Acten befindlichen schriftlichen Befehl gegeben jeden
der sich widersetzen sollte niederzuschießen. Urbain: Ich that dieß, weil ich
erfuhr daß die Mairie angegriffen werden sollte. Der Vicomte von Montaut rieth
mir die Franc-Tircurs von der Caserne Bellechasse gegen das reactionäre Vier-
tel loszulassen; aber ich wollte keine Plünderung gestatten. Nur um einzu-
schüchtern gab ich den erwähnten Befehl an Endros, mit dem ausdrücklichen
Beifügen jedoch daß derselbe nur 48 Stunden gelten solle. Präsident:
Sie haben 8000 Franken entwendet. Urbain: Diese 8000 Franken waren
mir zur Bezahlung der Beamten als Prämie zur Verfügung gestellt worden;
dazu hatte ich meinen Gehalt. Präs.: Wie hoch belief sich dieser? Aus
105 Franken wöchentlich. Präsident: Und dieß gestattete Ihnen 4000
Franken in einem Testament Ihrem Sohn zu vermachen? Urbain: Als die
Truppen einrückten, nahm ich aus der Caffe der Mairie was ich in derselben
fand, und gieng nach dem Stadthaus um das Geld dort abzuführen. Dort
fand ich aber alles in der größten Verwirrung. Nun kehrte ich nach
meinem 2lrrondiffemcnt zurück, wo ich den Befehl vorfand mich nach dem Platze
St. Sulpice zurückzuziehen. Ich war über das Verbleiben der Frau Leroy und
meines Kindes sehr beunruhigt, und vergaß darüber das Geld welches ich bei
mir hatte. Es waren dieß 2500 Fr.; auf dem Stadthaus cmpfieng ich, hüt
jedes andere Mitglied, 1000 Fr., und von meinem Gehalt waren mir 500 Fr.
verblieben. Dieß ist der Ursprung der 4000 Fr. über welche ich, sowie
über die in der Mairie zurückgelassenen Möbel, in dem bei den Acten be-
findlichen Testamellt zu Gunsten der Frau Leroy, die^ich für meine rechte
Frau ansah, und meines Sohnes versügte. Dieses Testament wird ver-
lesen; es heißt darin: das; Urbain gedachte Vermögensobjecte der*Wittwe
Leroy vermache, welche er als seine rechte Frau und als die zweite Mutter
seines Sohnes Victor Lldolf ansehe, mit dem Auftrage diesen Sohn zu einem ehr-
lichen und rechtschaffenen Republicaner zu erziehen, wie er selbst sein Lebenlang
gewesen sei u. s. w. Präs.: Die Frau Leroy hatte als sie verhaftet wurde,
1000 Frcs. bei sich. Urbain: Das ist mir nicht bekannt. Ich selbst besaß
bei meiner Verhaftung 1900 Fr., und hatte ihr für meinen Sohn die 1000 Frcs.
übergeben die ich auf dem Stadthause empfangen hatte. Hausdurchsuchungen
und Verhaftungen habe ich sonst nie angeordnet; ein 2ldjunct hatte ans An-
4021
laß der Explosion der Avenue Rapp mehrere Personen, darunter die Ehegatten
Landau, verhaften lassen;, ich verhörte dieselben, und da ihre Aussagen sich
widersprachen, so behielt ich sie zwei Tage und drei Nächte in Haft.
Präsident: Haben Sie nicht bei Landau die Thüren einbrechen und
5000 Frcs. und Schmucksachen abführen lasten? Urbain: Man könnte
ebenso gut sagen daß ich die Thürme von Notre - Dame fortgetragen habe.
Reg.-Comm.: Für solche Späße ist hier nicht der Ort. Urbain: Wenn
ich mich unangemesten ausgedrückt habe, so geschah das wider meinen Willen.
PrA s.: Ist Ihre Schwester nicht zur Directorin einer Anstalt der Schwestern
von St. Vincent-de-Paul ernannt worden? Urbain: Sie hatte ihre Stelle
während der Belagerung verloren, und ich suchte sie nun dort unterzubringen.
Präs.: Haben Sie nicht in einer Sitzung der Commune den Antrag gestellt
daß man 10 Geiseln als Repressalien erschießen solle? Urbain: Ja, leider
habe ich diesen Antrag gestellt, jedoch nur auf einen Bericht Montauls über die
scheußliche Behandlung, welche einem unserer Ambulanzdiener vom Feinde
widerfahren war. Ich stellte meinen Antrag nur in der Absicht die 2lrmee von
ähnlichen Gräuelthaten abzuschrecken. Das Decret über die Geiseln ist aber in
meiner Abwesenheit votirt worden. Präs.: So wollten Sie also eine Uebel-
that, die Sie nicht einmal verificirt hatten, durch eine viel schlimmere Uebelthat
wettmachen? Die Zeugen Landau, Sellier und Salvet werden ver-
nommen. Landau, ein ehemaliger Polizei-Jnspcctor und seine Frau erzählen die
schlechte Behandlung die sie bei ihrer Verhaftung von Urbain und seinen Or-
ganen erfuhren; auch wollen sie ihre Ringe dann an den Fingern der Frau
Leroy wiedergesehen haben. Der Vertheidiger Rouselle macht geltend daß
Urbain in allen diesen Ausschreitungen nur das Werkzeug Montauts gewesen
sei. — Die Sitzung wird um halb sechs Uhr aufgehoben.
9t t u e fl t Doste rr.
3 München, 12 Aug. Bezüglich der Ihnen vorgestern als noch
unverbürgt mitgetheilten Ministerliste können wir nun versichern daß die-
selbe, mit Ausnahme der darin bezeichneten neuen Stellung des Hrn.
Staatsministers v. Braun, eine vollständig richtige ist. Die betreffenden
Anträge sind Sr. Maj. dem König auch bereits unterbreitet; es ist jedoch
die allerhöchste Entschließung hierauf noch nicht erfolgt, wenigstens war es
bis heute Mittags noch nicht der Fall. — Wie der „Bayerische Kurier"
mittheilt, wurden Hr. Hofvergolder Radspieler und noch 12 andere hiesige
Bürger, in Anerkennung ihrer Verdienste während des Krieges, durch
Verleihung des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet, und ihnen die Auszeich-
nung mittelst Schreibens des Fürsten Pleß übersendet.
* Berlin, 11 Aug. Die „Kreuz-Ztg." theilt heut an auffallender
Stelle folgendes ihr am 8 Aug. aus Paris zugesendete Schreiben mit:
„So eben lese ich in einem Abendblatte, welchem ein mehr oder weniger
osficiöser Charakter beigelegt wird, daß in Folge einer langen Unterredung zwi-
schen dem General v. Manteuffel und Hrn. Pouyer-Quertier eine neue Conven-
tion unterzeichnet worden sei, der gemäß die Pariser Forts in den nächsten Ta-
gen geräumt werden, und die Räumung der Departements Oise, Seine, Seine-
et-Oise und Seine-et-Marne in der künftigen Woche beginnen werde. Diese
hochwichtige Nachricht sei der Nationalversammlung gestern noch nicht mitge
theilt worden, weil man in Compiögne noch die Ratification des Kaisers Wil
Helm erwarte. Diese Angaben sind schon deßhalb mit großer Vorsicht entge
genzunehmen, als es nicht in der Competenz des Oberbefehlshabers der Occupa
tionstruppen liegt derartige Conventionen abzuschließen und zu unterzeichnen.
Der Finanzminister war allerdings vorgestern bei dem General v. Manteuffel
nebst der Frau v. Laroche-Lambert, deren Sohn eine Tochter des Hrn. Pouyer-
Quertier zur Gemahlin hat, zu Tisch gebeten, und er mag die Gelegenheit be-
nutzt haben um sich mit dem General über die Räumungsangelegenheit zu be-
sprechen. Möglich auch daß zwischen Berlin und Versailles unterhandelt wird;
aber wir haben Motive daran zu zweifeln daß es bereits zu einer Abmachung
gekommen ist. Es würde übrigens dem Hrn. Thiers von minder großer Wich-
tigkeit erscheinen ob eine Räumung einige Wochen früher oder später stattfinde,
wenn er einen „Erfolg" in dieser Sache nicht als ein Mittel seine Stellung zu be-
festigen erblicken dürfte; denn es läßt sich nicht verkennen daß er in den innern
Angelegenheiten seinen Frieden mit der Nationalversammlung nur durch Com-
promiffe aufrecht erhält welche sehr weise, aber doch geeignet dazu sind schließ-
lich seinen Glanz zu vermindern. Da man andrerseits nicht wissen kann was
sich in Frankreich ereignen würde wenn Hr. Thiers aufhörte Chef des Staats
zu sein, so ist es auch im Interesse Deutschlands so viel wie möglich ihm unter
die Arme zu greifen. Nehmen wir daher einen Augenblick an daß der Gegen-
stand etwaiger Unterhandlungen dieser sei: Frankreich zahle die am 31 Dec.
fälligen 500 Millionen nicht sofort in baarem Gelde, sondern in Wechseln auf
zwei oder drei Monate Sicht, dagegen räumen die.Occupationsarmeen sogleich
die oben genannten Departements. In Berlin würde man alsdann in Ueber-
legung zu ziehen haben ob es zweckmäßiger sei dem Chef der Executivgewalt
diesen „Erfolg" zu verschaffen oder sich nicht der Gefahr auszusetzen besagte
Wechsel protestirt zu sehen. Denn, wie die Dinge nun einmal in Frankreich
stehen, kann doch niemand dafür bürgen daß trotz alledem Hr. Thiers nicht über
Nacht das Opfer eines parlamentarischen Zwischenacts werde. Es wäre dieß
sehr zu beklagen, aber die Möglichkeit ist ins 2luge zu fassen."
Während die „Krz.-Ztg." selbst diesem Brief offenbar eine große
Wichtigkeit beilegt, ist es doch auffallend daß derselbe eine thatsächliche
Ungenauigkeit enthält; denn die 500 Millionen welche der Briefschreiber
als bis zum 31 Dec. zu zahlend annimmt, sind, wie neulich die „Prov.-Korr."
bestätigte, bereits berichtigt (wenn auch nicht wirklich der ganzen Summe
nach bezahlt, da ja von diesen 500 Millionen die Kaufsumme der elsaß-
lothringischen Bahnen in Abzug gebracht wurde). Die Bedeutung des
Briefes dürfte indeß hierdurch kaum abgeschwächt werden; es geht aus
demselben Wohl hervor daß die Reichsregierung sich reiflich überlegt ob sie
die Zahlung der dritten Halb-Milliarde und der weiteren Summen, welche
seitens der französischen Regierung mittelst langsichtiger Wechsel bewirkt
werden will, in dieser Art annehmen solle. — Wie die „Deutsche Neichs-
Korresp." in Erfahrung gebracht haben will, soll die Auszahlung der Do-
tationen in diesen Tagen begonnen haben, und sollen insgesammt 16 Per-
sonen mit derartigen Belohnungen bedacht sein. Die Namen derselben,
welche in hiesigen Kreisen genannt werden, weichen jedoch von einander ab,
so daß wir uns vorläufig noch enthalten müffen sie wiederzugeben. Außer
dem Staatsminister Delbrück werden noch zwei süddeutsche Diplomaten
genannt, die übrigen gehören dem Militärstande an.— Der Ausbruch der
Cholera in einigen Hafenstädten gibt hier Veranlassung zur Berathung
umfassender Vorsichtsmaßregeln: neulich fand eine Versammlung von
Privatleuten statt, welche sich über eine Reihe von Maßregeln verständigte;
die Thätigkeit der Sanitäts-Commission ist schon längst der nahenden
Seuche zugewendet, und gestern hat auch die Stadtverordnetenversamm-
lung sich mit derselben beschäftigt; es wurde beschlossen Bezirkscommissionen,
welche die Einhaltung der samtätspolizeilichen Vorschriften zu überwachen
haben, zu bilden.
Industrie, Handel and Verkehr.
Berlin, 11 Aug. Die Börse verkehrte heute ruhiger als in den letzten
Tagen, aber im allgemeinen in fester Haltung. Von den fremden Speculations-
Effccten waren Nordwestbahn und Galizier belebt, in Amerikanern, österr. Papier-
nnd Silber-Renten fanden größere Umsätze statt. Franzosen und Italiener waren
matt. Eisenbahn-Actien bei fester Stimmung summarisch belebt, Bergisch-Märki-
sche giengen in Posten um. Dasselbe gilt von den Jndustrie-Actieu, von denen
besonders die Eisenbahnbedarfö-Actien verschiedener Gesellschaften in größerem
Verkehr waren. Deutsche und preußische Fonds bei ziemlich lebhaftem Geschäft
fest, Bundeö-Anleihe ofserirt und matter. Inländische Prioritäten fest, aber wenig
lebhaft, garantirte Devisen gefragt, namentlich lP/zproc. Bergisch-Märkische; von
den fremden Prioritäten waren österreichische matter, russische ziemlich fest. Von
russischen Fonds giengen beide Köln. Schatzanweisungen in großen Posten um,
auch 70er und 71er englische Anleihen belebt, Bodencredit-Pfandbriefe mußten
etwas nachgeben. Breslauer 4^,proc. Stadtoblig. 95^.
TODESANZEIGE.
Nach Gottes Willen erlag heute Mittags 12 Uhr in ssinem 32. Lebensjahre umer innigst geliebter Sohn und Bruder
Emil von Hefner-Alteneck,
Oberlieutenant im kgl. bayer. 2. Artillerie-Regiment „Brodesser,“
Ritter des eisernen Kreuzes II. Classe,
versehen mit denTröstungen unserer heil. Religion, wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus dem besndeten Feldzug einem dort entstan-
denen Brustleiden. Um stille Theilnahme bitten
München, den 11 August 1871.
Dr. J. H. v. Hefner-Alteneck, Direetor des bayer. Nationalmuseums, General-Conservator,
Elise v. Hefner-Alteneck, geb. Pauli.
Franz v. Hefner-Alteneck, Accessist,
Friedrich v. Hefner-Alteneck, Ingenieur. (4525) (8250)
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4023
Kundmachung.
Ju Ausführung des §. 1/a des Gesetzartikels XXXVII vom Jahre 1871 und nach Verordnung des hohen k. Ungar. Ministeriums für öffentliche Arbeiten
und Commuuicationen wird m Sicherstellung des Baues der Linie Bänreve-Fülek" der Gömörer Industriebahnen eine Offert-Verhandlung ausgeschrieben.
Es sind die Gesammtkosten der zu vergebenden Arbetten und Leistungen, in w lcheu die Lieferung der Schienen, des Kleinmaterials, sowie der Fährbetriebs»
mittel nicht inbegriffen ist, auf 1,124,300 fl. österr. Währ. berechnet. ^
Plane, Kostenanschlag, Bedingnißbefte, Vertragsentwurf, Concurrenzbedingungen und Offertformulare können nn Bureau der geferttgten Dwectton (Ofen,
Wafferstadt, Hauptgasse Nr. 47, I Stock, Bureau *. I) vom 1 August d. I. angefangen, während der üblichen Amtsstunden eingesehen werden.
Offerte sind' in rechtsverbindlicher Form, gestempelt uno versiegelt mit folgender Aufschrift: „Offert auf Uebernahme des Baues der Linie BänrLve-Fissek";
im Falle der Sendun per Post gegen Retour-Recepisse längstens bis V September l. I«, Mittags 12 Uhr, an die gefertigte Direction einzusenden
oder daselbst zu überreichen
Dem Offerte muß ein Certificat der k. ungar. StaatS-Central-Casse zu Ofen über den vollzogenen Erlag eines Reugeldes von 25,0«) fl. osterr. Wahr.
als Theilbetrag der auf 60,000 fl. bemessenen VertragS-Caution beigeschlossen sein.
Das Reugeld ist in ungarischen Staatsobligationeu, in vom Staate garantirten Obligationen, in Pfandbriefen der ungarischen Bodenereditanstalff oder aber
im Baaren zu erlegen. (7735—37)
Ofen, am 27 Juli 1871. , ; i340]
Bon der königl nngar. Eisenbahnbau-Direction.
nngar.
Aufforderung des Bezirlsgcrichts Zofingen (Schweiz)
Die löbl. Gesellschaft zu „Ackerleute« ^ in Zsfi««en hat in ihrer Generalversammlung
vom 2 Februar abbin ihre Auflösung und die Lertheilung des Gefellfchaftsgutes, mit Ausnahme der
zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecket: bestimmten Fonds, beschlossen. Die Lertheiluug wird
nach Mitgäbe des 8. 81 der Gesellschaftsordnung vom 30 April 1870 in der Weise erfolgen, daß jedem
fltz-und stimmfähigen Mitglied ein ganzer Theil, jedem nicht stimmfähigen Mitglied itnd jeder Wittwe
eines Mitgliedes aber nur drei Vierrheile zukommen.
Um nun über den Stand der Mitglieder auf 2 Februar 1871 ein genaues Derzeichmß zu erhalten,
ergeht auf Begehren des bestellten TheilungSauSfchusseS an alle nicht in Zofingen wohnenden dastgen
OrtSdÜrger und an die Wittwett von solchen welche theilungsgenösstg zu sein glauben, andurch eine
öffentliche Aufforderung unter Androhung deS Rechtsnachtheils des Ausschlusses von der Theilungsmasse,
sich bis mit 31 December 1871 beim Thetlungsauifchusse schriftlich anzuntelden und sich zugleich durch
legalistrte Zeugnisse der zuständigen Behörde über folgettdes auszuweisen:
a) daß sie den 2 Februar 1871 erlebt haben.
Diejenigen Mitglieder welche, insofern sie am 2 Februar 1871 das 24. AlterSjahr zurückgelegt haben
auf einen ganzen Theil Anspruch machen, zudem noch: „ c „
b) daß sie auf odgedachten Zeitpunkt sitz- tmd stimmfähig waren, daS heißt: daß sie nicht unter
Vormundschaft gesetzt, over in der Ausübung deS ActivbürgerrechteS eingestellt: daß sie nnt keiner Crr-
minalstrafe belegt, oder, sofern dieß geschehen, wieder in ihre volle bürgerliche Ehrenfahigkeit eingesetzt
worden: daß sie nickn vergeltStagt, oder wenn dieß der Fall gewesen, ihre bürgerlichen Rechte wieder
erlangt: daß sie keinem rechtskräftig verhängten Wirthshäuscrverbvt unterliegen und nicht durch zuchr-
volizeirichterliches Urtheil im Activoürgerrecht eingestellt seien.
Selbstverständlich haben die Wittwen von Gesellschaftsmitgliedern bloß den unter a geforderten
Ausweis zu leisten. „ „ . . . ■ _ t t -
Im fernern werden die auswärtigen Bethetligteit aufgefordert, behufs seinerzetttger Erhebung threr.
Antbeile an: Gesellschaftsvermögen, hier wohnende Bevollmächtigte zu bestellen.
Zofingen. den 6 März 1871.
Der Gerichtspräsident:
A. Leueuberger.
12230—37] (H. 716) Der GerichtSfchreider:
Bachmarm.
Wir hasten unser Geschäft eröffnet.
Königsberger Vereins-Bank.
Königsberg i. Pr., im Juli 1871.
(8054-55)
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Ausstattung
der Töpfe
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nebenstehend.
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V4 & Vs kkct. Töpfe.
Vi 4- V* PM. Töpfe.
Nur echt wenn jeder
Topf nebenstehende
Unterschriften trägt
San bittet besonders ans den Namen J. VON LIEBIG in blauer Schrift zu achten.
En gros-Lager bei den Correepondenten der Gesellschaft Hra. Gebr. Frommel in Augsburg.
Mr Musikdircctoren!
Die Musikgesellschaften „les Armes
LSunies" (Fanfare) et ,,1'OdSon" (Orchester-
in Chauxdefonds, Kanton Neuenburg
(Schiveiz) schreiben hiermit die Stelle eines Musik-
direktors für beide Vereine zur Besetzung aus.
Musikoirectoren, die gründliche Kenntnisse der
Blech-, Saiten- und Holzinstrumente und über
Musik-Arrangement besitzen müssen, werden mit
dem Bemerken zur Bewerbung eingeladen, daß beide
Vereine die günstigsten Bedingungen zusichern und
ein schöner Nutzen durch die Vereine der Neuen-
bnrger Berge in Aussicht gestellt werden kann.
Einige Kenntniß tcr ftanzösischen Sprache ist
nothwendig.
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Das „Waldheiligt!)um" (Ille Forest 8anc-
tuary) ist eine der vollendetsten Schöpfungen der
Dichterin Felicia HcmanS, die zu einer Zeit, als
Byron, Scott und Moore den brittischen Parnaß
beherrschten, sich neben diesen Geistern ersten Rang«
glänzende Anerkennung zu erobern verstand und auch
heute noch als eine der ersten englischen Poetinnen
gilt. Obgleich sie schon im Jahr 1835 starb, er-
leben ihre Werke noch fort und fort neue Auflagen.
Unser Gedicht, zu dessen Lob sich auch Bulwer in
feinem „Pelhant" begeistert vernehmen läßt, schildert
die innern und äußern Kämpfe eines vor den religiösen
Verfolgungen seines Vaterlandes mit seinem Kind
in die Wälder Nordamerika's geflohenen Spaniers.
Freiligraths Uebersetzung lieöt sich, trotz ihres treuen
Anschlusses an die Vorlage, deren weiche und elegische
Färbung sie trefflich wiedergibt, wie eine originale
Dichtung: mit solch wunderbarer Fülle poetischer
Gestaltungskraft hat sich der deutsche Nachbildner in
die Seele seiner Vorgängerin hineinzuversetzen gewußt.
Diese „Perle der cngllscheu Dichtung," wie u. a.
Joh. Schcrr sowohl in seiner Geschichte der englischen
Literatur, als auch in seiner allgemeinen Literatur-
geschichte, eben das Waldheiligthnm, mit Bezugnahme
auf Freiligraths Uebersetzung nennt, erschien zuerst
mit andern Nachbildungen drittischer Poesien kurze
Zeit vor 1848 mld blieb m jenerPcriode der politischen
Gährung der Geister ziemlich unbeachtet. Die Ver-
lagSbuchhaltdlmtg bringt es nunmehr der deutschen
Lesewelt in einer Einzelausgabe und hofft damit in
einer Zeit, in der die großen religiösen Fragen
wieder in den Vordergrund getreten sind, eine will-
kommene Anregung zu bieten,
gar- Zu beziehen durch alle Buchhand-
________________lungeu._________[248]
(8179- Im Verlage von Carl Oerolds Sohn
in Wien ltt erschienen und in allen Buch-
handlange» vorravig:
Naturrecht
oder
Philosophie des Rechts
und dvs
Staate».
Auf dem G.uude de* ethischen Zussnimtn-
hanges von Recht und Cultur.
V ou
Heinrich Ahrens,
o. o. Professor der Siaatswissensehaft an
Universität Leipzig etc. etc.
6. durchaus neu bearbeit te, durch
Staatslehre und die Principien
Völker» echts, vermehrte Auflage.
Zweiter Band
Das System des Priva'rechts, die Staats-
lehre und die Principien des Völker-
rechts.
8. Preis Thlr. 3.
Per 1. Bind, 6. Auflage, die Ges> hielte der
Rechtsphilosophie nn1 d.e allgemeinen Lehren
entli Jteni, erschien Eude des Jahres 1869,
und kostet Thlr. 2. tO 8gr
Von diesem nun wieder vollständig vorliegen-
den, iu fast alle neueren Sprachen übersetzten,
und >n mehr als 20 Ausgaben verbreiteten Werke
enthält diese neue Auflage zum erste« mal eine
vollständige Darstellung der Staatslehre, ihres
allgemeinen Theils, sowie der Verfassung**- und
Verwaltufigslehre; io der letzteren sind insbe-
sondere auch die Hoheitsrechte des Staates zu
allen Culturgebietcn der Gesellschaft, zur Volks-
wirtschaft, Wissenschaft und Kunst, Schule
und Unterricht, und vorzüglich zur Religion,
Confession und Kirche, nebst dem System
der Abwehr von Seilen des Staates, nach
allen wesentlichen Seiten, auf Grund einer ethisch-
organischen, nicht b;oss die Selbständigkeit, son-
dern auch die Wechselbeziehungen unter allen
Geboten wahrenden Auffassung erörtert worden.
der
die
des
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
&
4024
Verlag vo« £. %. Drockhaus in Leipzig.
Go eben erschien: (7971—72)
Herr« Mahlhnbers Rnseabentkuer.
Von Friedrich Grrstacker.
dritte Äuflage.
Mit Illustrationen von Otto Brausewetjter.
8. Cart. 15 Ngr.
Gerstäckers Erzählung der tragikomischen Reiseabenteuer, welche dem Herrn Commercienrath Mahl-
huber aus GidelSbach arrivirt, gilt für eines der gelungensten Erzeugnisse aus dem Gebiete des deutschen
Humors. Bereits in zwei starken Auflagen verbreitet, wird das Buch in der vorliegenden dritten
Auflage um so sicherer wieder neue Freunde finden, da es mit 20 ergötzlichen Illustrationen
erscheint.
MEYERS RE1SEBÜCÜER für 1871.
Süd-Deutschland von Berlepsch.
Rheinlande von Hey’l und Berlepsch.
Nord-Deutschland von Berlepsch.
Thüringen von Schtoerdt und Ziegler.
Riesengebirge von Letzner.
Harz von Berlepsch.
Rom von Csell-Fels.
London von Ravenstein.
Paris von Berlepsch.
Süd-Frankreich von Csell-Fels.
Schweiz von Berlepsch.
Suisse von Berlepsch und Rambert.
Bibliographisches Institut in Hildburghausen.
(7540-52)
Prager Handelsakademie.
Das neue Studienjahr beginnt
am 1 October d. J.
Bedii jung der Aufnahme ist der Nachweis über die in der Unterrea^chule oder dem
Untergyn-nasium zu erwerbenden Kmntnisse. Die Studierenden haben die Berech-
tigung zum einjährigen freiwilligen MilllardSenütt und finden in Er-
hranhunggsällen Im neuerbauten Handels - Spital unentgeltliche
Pflege.
Ausführliche Prospecte und sonstige Auskünfte ertheilt bereitwilligst [8251—56]
im Aufträge des Verwaltungsratlies:
Karl Ahrens, Director.
Kunst - Auction.
Der künstlerische Nachlaß des kgl. Hofmalers und Professors Peter v. Heß, bestehend in Oelgemäl-
den, Skizzen, Handzeichnungen rc. rc. soll unter Leitung des Unterzeichneten in München am 28 Sep-
tember d. I. versteigert werden. — Im directen Anschluß an diese Auction wird unter derselben Lei-
tung die Versteigerung einer vorzüglichen Collection alter Originalgemälde stattfinden. Alles weitere
wird der im August d. I. in der Fleischmann'schen Buchhandlung hier erscheinende Katalog mittheilen;
auf Franco-Anfragen näheres durch (3004) [5925—27]
München, Theresien-Str. 57/1. Kurl Förster, herzoal s-m. Rath.
Fünfte allgemeine Versammlung
deutscher Müller und Mühleninteresfenten,
zugleich General-Versammlung unseres Verbandes
gjtmt 3, 4 und 5 September 1871 zu Köln im Isabellen-Saale des Gürzenich.
W Wir beehren uns hiemit anzuzeigen daß die dießjährige Versammlung unseres Verbandes am 3, 4
und 5 September in Köln stattfinden wird, und laden alle unsere Mitglieder sowie sonstigen Müller und
Mühleninteressenten zur Theilnahme an derselben ein.
Programme über die Tagesordnung sowie über den Festtheil sind ebenso, wie die Eintrittskarten, zu
haben bei dem Cassierer unseres Verbandes, Hrn. R. Lingner, Director der Berliner Actien-Brod-
Fabrik in Berlin. [8243 44]
>lDer Vorstand des Verbandes deutscher Müller und Mühlenintereffenlen.
I. A.
Der Vorsitzende Jos. I. van den Wvnqaert.
Die gräfl. Forstei Langenstein,
Bezirksamts Stockach un badischen Seekreis, soll durch einen tüchtigen jüngeren Forstmann wieder be-
setzt werden.
Jahresbesoldung 1000 fl. nebst freier Wohnung und den bestimmten Vergütungen für auswärtige
Geschäfte.
Anmeldungen unter Anschluß der Zeugnisse wollen bei uns binnen 14 Tagen geschehen.
Karlsruhe, den 10 August 1871.
Gräflich LangensteinFche Rentei-Administration,
Waldhornstraße Nr. 5. (8210—11)
D.e bereits avisirte
Tisiel’sche GeseIis©iMsfüsrl©fse
midi dem Orients!?
> li
■ginnt am 25 September 1871 ab Wien und führt über Pes* . iantinopel,
Syrien, Palästina, Aegypten zurück über Triest. i.l- 497)
] Prospecte sind noch gratis und franco zu beziehen durch den Beiseunternehmer L
Gustav Thiel in Boppard a. Rhein, Arrangeur der Orientreise Sr. k. k. Hoheit«
| des Kronprinzen von Preussen bei Gelegenheit der Eröffnung des ßuezcanals. [8262] ||
Im Berlage von Franz Lipperheide in
Berlin erschien so eben und ist durch alle Buch-
handlrmgen zu beziehen:
Die Wucht am Rhein.
das deutsche Volks- und Soldatenlied
des Jahres 1870. ,
Mit Porträts, Facsimiles, Musikbeilagen,
Uebersetzungenc:.
%m Besten der (Carl Wilhelms - Dotation und der
Kaiser Wilhelm-Stiftung
herausgegeben
von
Georg Scherer und Iran; Lipperheide.
VIII. und 64 Seiten klein Quart-Format.
Polks-Äusgabe, geheftet, Preis 15 Kgr.
Obige Schrift gibt alles was irgend zu dem
so berühmt gewordenen Liede in Bezug steht,
erschöpfend wieder: das erste, und ein späteres
Manuskript SchueckenburgerS. das Manu-
script Wilhe lms, die Porträts des Dichters und
des Componisten, eine ganze Reihe von Ueber-
setzungen (2 hebräische, 2 griechische, 2 lateinische,
3 französische, 7 englische, 3 holländische. 1 polnische
und i litthauische), die Geschichte des Liedes rc. rc.
Ihre Majestät die deutsche Kaiserin und Köni-
gin von Preußen geruhte die Dedication dieses
Werkes anzunehmen. [82321
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Ludolf St.-Goar,
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Große Eschenheimergasfe 81.
Pgst-Aukgabe.
Die Schule im neuen deutschen Reich.
II.
>Q Berlin, Ende August.
Was die pädagogischen Neigungen des Reichs-Militaris-
mus, von denen im vorigen Artikel die Rede war, betrifft,
so dürsten nur die Grenzen noch überall zu finden und fest-
zustellen sein. Daß in den betreffenden Kreisen das reichs-
militärische Interesse an der Schule bereits eifrig erwogen
wird, läßt sich kaum bezweifeln und eben so wenig, daß die
Wünsche unerhört weit gehen — nach zivilen Ansichten we-
nigstens. Wie gar so weit — das wird am klarsten ein
Beispiel zeigen.
A. v. Rhüden, ein ehemaliger hannöver'scher Offizier,
hat sich vor Kurzem in einer eigenen Schrift über „Armee
und Schule" eingehend und mit erschrecklicher Deutlichkeit
ausgesprochen. Er wirft einen alten, für die gedankenlose
Menge aber noch immer sehr gefährlichen Köder aus: er
tritt ein für die Beschränkung der Militär-Dienstzeit und
des Militär-Budgets. Beides kann und soll durch eine voll-
ständige Umgestaltung des ganzen BolkSschulwesenS leicht und
sicher erreicht werden. Zu diesem Zweck wird ein ganzer
Plan entwickelt und einige Abschnitte desselben lasten klar
die Richtung erkennen, welche unserer Aufmerksamkeit nicht
entgehen darf.
„Die Seminare" — sagt der Offizier A. v. Rhöden —
„werden nach dem Vorbilde der Unteroffizier-Schulen orga-
nifirt, nur mit der Modifikation, daß die genügende Zeit
dem Unterricht zum Zwecke der Ausbildung von Seminari-
sten bleibt und nicht durch die militärische Ausbildung ver-
kürzt wird. Die Seminaristen tragen Uniform — das Le-
ben in den Seminaren ist ein militärisches —, die Leitung
ist eine militärische. Der Unterricht wird von einem Pä-
dagogen, nicht Theologen, gegeben und überwacht. Die
Gegenstände des Unterrichtes sind dieselben wie bisher, nur
werde in der Religion das Memoriren möglichst auSge>
schloffen; dagegen werden die Seminaristen fleißig geübt im
Erklären und Erzählen der biblischen Geschichte . . . Da?
Hauptgewicht im Unterricht wird auf eine gründliche Aus-
bildung in der deutschen und preußischen Geschichte
gelegt. Die Seminaristen müssen im Stande sein, der Ju-
gend die Geschichte so vorzutragen, daß sie mit warmer Liebe
zum Vaterlande und mit tiefer Da kbarkeit zum Hause
Hohenzollern, den Wiederaufrichtern des gefallenen Deutsch-
lands, beseelt werden. Durch die militärische Erziehung
wird den Seminaristen Pünktlichkeit, Ordnung, ein adrettes,
rasches Wesen, die Fähigkeit, seine Gedanken zusammen zu
haben und rasch gebrauchen zu lernen, zur zweiten Natur
gemacht.
Die Seminaristen treten nach ihrer Entlastung aus dem
Seminar in die Armee ein und zwar in solche Garnisonen,
in denen sie Gelegenheit zum Probeunterricht und zum Or-
gelspielcn haben. Nach mSxflrchst kurzer DlruflzrU avur -
ciren sie zum Unterossicier. Nachdem sie 4 Jahre tadellos
gedient haben, werden sie zur Uebernahme einer Schule als
Unteroffizier abkommandirt. Sie machen 3 Jahre die Prü-
* fung durch, ob sie wirklich die Befähigung und die Lust zu
diesem Berufe haben — wenn nicht, so treten sie in du
Armee zurück und haben Berechtigung aus Civilanstrllung
— die 3 Jahre in der Schule werden ihnen als Dienstzeit
angerechnet. Im andern Falle, wenn sie also in der Schule
bleiben, treten sie aus der aktiven Armee ans und in du
Landwehr über, — sie können sich dann ohne weitere Er-
laubniß verheirathen. Die Schullehrer aber bleiben immer
Soldaten, auch tragen sie Uniform und avanciren bis zu den
höchsten Unterosfiziersgraden — Der Staat zahlt die Gage..
Die Gemeinde liefert nur Bauplatz uud Gartenland unent-
geltlich. Der Staat baut oder kauft also das Schulhaus,
und errichtet ein kleines Exerzier- und TurnhauS dabei.
Die Lehrer werden controlirt durch Organe der Regie-
rung, welche den Unterricht, dann durch Offiziere der aktiven
Armee, welche die körperliche und geistige Erziehung über-
wachen, so weit es sich pm die richtige Vorbereitung für den
Dienst im Heere handelt.
Dem Pfarrer wird jede unberechtigte Einwirkung aus die
Schule genommen... Die Organe der Regierung sind ein-
mal Schulräthe — Pädagogen, nicht Theologen, — die
Schulinspektoren, welche in genügender Anzahl von der Re-
gierung den unter Gymnasiallehrern, gebildeten Patronen,
Grmeindemitgliedern, auch denn Pfarrern gewählt werden.
Die Pfarrer jedoch nur, wenn die Gemeinde damit einver-
standen — und wenn sie in der Armee gedient, weil dann
angenommen werden kann, daß sie vielseitigere, klarere An-
schauungen haben, um in der Richtung und dem Geiste der
militärisch organisirten Elementarschule zu wirken.
Die Controle beschränkt sich auf genaues Innehalten der
Regulative oder vielmehr des Schulreglcments. Letzteren Aus-
Ei« wirdrraufgefundcnes Meisterwerk
Holbein's.
in.
Die Erklärung der dem Niemand gegenüberliegenden
Figur, des Krämers, dem die Affen seinen Tragkorb leeren,
verdanke ich ebenfalls der Freundlichkeit Professor Kinkel's.
Er hat mich auf folgende Stelle in Van Mauders Schilder-
Boeck aufmerksam gemacht: Im Leben des Hcrri de Bles
(Ausgabe von 1618, Folio 141) sagt der Kunsthistoriker:
„Bei Martin Popenbroek in der WarmoeS - Straße ist
von ihm eine sehr schöne Landschaft. Ein Krämer liegt unter
einem Baume eingeschlafen. Unterdeffen kommen eine Menge
Affen herbei, zerren seine Waaren aus' der Bütte, hängen
sie an den Bäumen aus und treiben viel Schabernack mit
denselben. Einige legten das als ein Spottbild gegen den
Papst aus. Die Affen sollten die Martinisten oder Luthe-
raner sein, die das Papstthum eine Krambude nannten,
und es (mit höhnischen Geberden) aufdeckten. Doch mögen
sie das falsch deuten. Vielleicht hatte Henrik nie an solches
gedacht, denn die Kunst soll keine Satire sein."
Dieses Bild ist, wenigstens in einer Kopie, auf uns ge-
kommen. Unter Nr. 715 hängt in der Dresdener Gemälde-
sammlung ein Gemälde, das Michiels in seiner vorzüglichen
Uistioiro äs 1a psmtnrs ^lamunäs IV. p. 418 folgender-
maßen beschreibt:
„Unter einem hundertjährigen Baume ist ein Juwelier
eingeschlafen, und die Affen haben die Gelegenheit seines
Schlafes benützt, um ihm seine Kleinodien zu stehlen und sie
aus die Aeste zu tragen. In der Mitte des Bildes kommt
eine Person herbeigelaufen, die beim Anblick dieses tollen
Streiches sich die Haare ausrauft — ohne Zweifel der Ge-
nosse dcs Kaufmanns. Der Hintergrund erinnert an Bou-
vigne, den Bayardsfelsen, daS Schloß Crsvecoeur, die Lieb-
lingsgegenden des Malers. Aber dieser Grund ist zu blaß,
schlecht in der Perspektive und ohne Harmonie im Ganzen.
Die Farbe zu schwarz in den Zweigen des Vordergrundes,
bildet einen harten Contrast mit dem Uebrigen. Fast Nichts
druck wählen wir lieber, weil er militärische Kürze und
Klarheit bezeichnet und grade deswegen eine verschiedene Aus-
legung des Inhalts nicht zuläßt. Ein kurzes klares Schul-
reglement und richtig erzogen, streng controlirte Lehrer, eines
Weiteren bedarf es nicht, um größere Resultate zu erzielen,
als mit den jetzigen Regulativen und Organisationen."-----------
Genug. Die Ansichten dcs Herrn v. Rhöden bezeichnen
vielleicht die äußerste Grenze, bis zu welcher sich die Wünsche
des Militarismus versteigen. Aber man würde sich einer
schweren Täuschung hingeben, wollte man sie nur als eine
literarische Curiosität behandeln. Ein Schulorganismus, wie
ihn dieser Offizier für uns wünscht, ist durchaus keine Un-
möglichkeit und besteht bis auf den heutigen Tag in der
österreichischen Miliiärgrenze. Unsere Schulbehörde.. sind
ähnlichen Einrichtungen durchaus nicht abgeneigt und Men
eine große Vorliebe für militärfcomme Lehrer. Auch ist
schon wiederholt der Gedanke laut geworden, dem Mangel
an Lehrern durch Einstellung von Unteroffizieren abzuhelfen,
und vielleicht wäre es längst geschehen, wenn diese nicht jede
andere Civilversorgung dem armseligen Einkommen einer
Schule vorzögen.
Endlich ist nicht zu übersehen, wie die neue Reichsregie-
rung bereits thatsächlich gezeigt, daß in unserem Schulwesen
militärische Gründe vorzugsweise maßgebend seien, und darum
sie die oberste, die entscheidende Unterrichts-Behörde wäre.
Und zwar zuerst in Preußen selbst. Das Schulcollegium in
Kassel wollte die Berechtigung einer höheren jüdischen Schule,
gültige Zeugnisse zum Einjährigendienst auch an ihre christ-
lichen Schüler ertheilen zu dürfen, nicht anerkennen. Als die
Sache im Reichstage zur Sprache gebracht wurde, erklärte
Minister Delbrück in sehr entschiedenem Tone, daß der
Reichsverfaffung auch der Schulbehörde gegenüber und zwar
von Seiten der Reichsregierung volle Geltung verschafft wer-
den solle. Noch bedeutsamer ist ein anderer Fall. Die städti-
schen Behörden Berlins tragen sich schon seit anderthalb
Jahren mit dem Plane, unter dem Nam n Mittelschulen
solche Unterrichtsanstalten zu errichten, welche nach den ihnen
gesetzten Zielen zwischen den Volksschulen und den höheren
Schulen stehen, aber doch die „Ausbildungs-Berechtigung"
zum Einjährigendienst haben sollen. Von gut unterrichtete»
Seite wird jetzt mitgetheilt, daß dieser Plan nur geringe
Aussicht auf Verwirklichung habe, und zwar weil die Mi-
litär-Behörden demftlben ihre Zustimmung versagen.
Daraus läßt sich wohl folgern, daß in ähnlichen Fällen die
Reichsmilitär-Brhörde in demselben Sinne entscheidend mit-
wirken werde.
So ergibt sich denn, daß die ganze Schulgesetzgebung
in Deutschland an einen sehr bedeutsamen Wendepunkt ge-
langt ist. Offenbar handelt es sich um eine der schwierig-
sten und vrrhängnißvollsten Auseinadersetzungen zwischen dcr
Gewalt des Reiches und der einzelnen Staaten. Es ist da-
rum sehr wahrscheinlich, daß in der nächsten Zeit die Schu!-
gesetzgebung nirgends einen Schritt vorwärts thun werde. Ja
in Preußen haben die Offiziösen bereits Ordre erhalte^
kund und zu wissen zu thun, es werde Minister v. Mü'e;
dem nächsten £ u ; vV/?-
wvtft « richtig ist daß ln Preußen durch Gesetze das Sü/Ki
wesen nicht in eine haltbare Form gebracht werden könne,
ohne unsere veraltete, vollkommen unzureichende Gemeinde-
Verfassung nicht bloß zu resormiren, sondern einfach durch
eine völlig neue zu ersetzen: so ist doch schwer einzusehen,
wie gerade jetzt dieser Umstand auf den Unterrichtsministet
bestimmend eingewirkt haben solle. Da? weiß er schon seil
vielen Jahren. Allen seinen Vorgängern und auch ihm ist'r
wiederholt bewiesen worden, z. B. von Harkort und dem
verstorbenen Waldeck. In den vielen Berathungen über die
verfehlten Unterrichtsgesetz-Entwürfe ist man bei dieser fun-
damentalen Frage stets rathlos stehen geblieben, und die
Unterrichtsminister haben die Achseln gezuckt. Jetzt auf ein-
mal soll v. Mühler anderen Sinnes geworden sein? Dar
würde seinem Kopfe wenig Ehre machen. Also der Grünt
muß anderswo liegen, und es wäre sehr wunderbar, wenn
man im Reichskanzleramte darüber nicht Bescheid zu geben
wüßte.
Wenn nun zugegeben werden muß, daß die Regierung
deS geeinigten deutschen Reichs einen maßgebenden Einfluß
auf die Volksbildung und also auch auf die gesetzliche Re-
gelung des gesummten deutschen Schulwesens wünscht und
erstrebt, dann kann auch nicht in Abrede gestellt werden, daß
wir dieses Verhältniß ohne Säumen in's Auge zu fassen
haben. Die alte, in den vierziger Jahren in Gebrauch ge-
kommene Schablone sollte schon lange aufgegeben sein. Wir
Habens ja schon erlebt, z. B. in Oesterreich, daß die nach
den alten Programmen geformten Gesetze den Anforderungen
der Gegenwart nicht zu entsprechen vermögen. Denn heute
hat „die Trennung der Schule von der Kirche" einen ande-
ren Sinn als vor 20 Jahren, und die „Consessionslosigkeil
der Seminare" ist ein leeres Wort, so lange nicht entschie-
den, ob irgend welcher Religionsunterricht in der öffentliche.
Schule ertheilt werden solle oder nicht. Zahlreiche Versuche
haben gelehrt, daß eine höhere Bildung der Lehrer, also
ist dem Auge angenehm aus diesem Bilde, das man als eine
Kopie des von Van Mander citirten betrachtn muß. In
einem Loch des großen Baumes, unter dem der Colporteur
schläft, sieht man die Nachteule, die dem Künstler als Mo-
nogramm dient. Ein Affe paßt einem anderen Uhu auf, der
sich unter einen Stein geflüchtet. Aber man wird diese
Thiere wie die übrige Composition copirt haben."
Das Urtheil über den künstlerischen Werth oder Unwerth
des Dresdener Bildes wird uns auch von anderer Seite be-
stätigt. Wir werden dasselbe einer genauen Prüfung unter-
ziehen. Für sitzt läßt sich wohl nur Folgendes feststellen:
Lovrx mot äs Llss, Heinrich mit der Zoddel, sogenannt
nach einem alleinstehenden Haarbüschel auf der Stirne, bei
den Italienern nach seinem Malerzeichen, dem Käuzchen,
Civetta, war um 1480 geboren. Alle bestimmten Angaben
sind ungegründet. Ueber d e Priorität der beiden Bilder
läßt sich also a priori Nichts bestimmen. Doch ergibt sich
mit Wahrscheinlichkeit, daß sie unabhängig von einander ent-
stunden und — wie der Nemo — aus einen populären Schwank
zurückgehen. Diesen ausfindig zu machen, ist noch Sache
der Forschung. Unser eTasel aber, 1515 ent-
standen, wie wir gleich sehen werden, beweist, daß
die Auslegung aus den Papst eine nach-
trägliche, dem ursprünglichen Gedanken
ganz fremde ist. (Das Thatsächliche, was man über
llsnrzr inst äs LIss weiß — nicht nur behauptet —
ist zusammengestellt bei Michiels lV. 374 und VII 465.)
Wenn somit die beiden Vorstellungen des inneren Kreises
auf Zeitvorstellungen, populäre Spässe zurückgehen, so hat
dagegen Holbein in dem äußeren Rahmen seiner eigenen
Phantasie den Spielraum gelassen. Die Jagd-, Vogel-, Fisch-
fang-, Tournier- und andere Scenen stehen weder unter sich,
noch mit den Mittelbildern in erweisbarem Zusammenhang.
Vielleicht gehören einzelne, in den äußeren Bilderkreis herein-
ragende Figuren noch zum Niemand — genauere Untersuchung
muß das feststellen - im Ganzen haben wir sicher freie
Spiele der künstlerischen Produktion vor uns. Als gemein-
same Idee, wenn eine solche aufgefunden werden soll, ließe
sich allenfalls das Fangen oder Erwischen angeben.
auch der Präparanden nicht gehofft und gefordert werden
kann, so lange die Besoldungsfrage der Lehrer nicht zu einem
befriedigenden Austrag gebracht worden, und man hat sie
überall in der Schwebe gelaffen, weil man sich scheute, das
Verhältniß der Gemeinde zum Staat neu zu ordnen, d. h.
den Gemeinden eine größere Selbstständigkeit, als sie bisher
genossen, zu gewähren und zwar auf Grund rein demokra-
tischer Verfassungen. Der rechte Anfang einer Schulreform
ist allein — zumal in Preußen — die Umgestaltung der
Gemeinde-Verfassung. Hier sind die ersten und kräftigsten
Hebel anzusetzen. Und gerade wenn man zu den alten
Schwierigkeiten die Ansprüche mit heranzieht, welche die
neue Reichsregierung höchst wahrscheinlich an die Volksbil-
dung stellen wird: dann wird man sich um so weniger der
Ueberzeugung verschließen können, daß einer gewissen Ver-
gewaltigung der Schule nur begegnet werden kann, wenn
die Nächstbetheiligten, also die Gemeinden, alle diejenigen
Reformen selbstständig ausführen, welche als sichere Posi-
tionen gegen Militarismus und Kirchenthum und Minister-
Allgewalt betrachtet werden dürfen.
Um diese Positionen handelt es sich heute vor allen
Dingen und in erster Reihe. Trügen nicht alle Anzeichen,
dann werden wir dieselben schon in nächster Zeit höchst nö-
thig haben. In jedem Kampfe um die Freiheit und den
Fortschritt ist die wohleingerichtete, für ihre Zwecke gut aus-
gestattete, von Gunst und Laune irgend welcher Herren un-
abhängige Schule das stärkste Bollwerk. Ihre Reform ist
darum unsere wichtigste Angelegenheit, wichtiger als sie je-
mals gewesen, vielleicht die einzige, in welcher die Gemein-
den heute noch mit einiger Selbstständigkeit vorgehen können.
Schon in kurzer Zeit kann's anders sein. Denn die Pläne
der Reichsregierung sind dunkel und der Militarismus hat
Eile.
Deutsches Reich.
* Berlin, 30. Aug. Ueber die Ga st einer Con ferenz
schreibt man der „N. ft. Pr." von hier: .So lange der Kaiser
und Fürst Bismarck in Gastein weilen, darf man sich darauf ge-
faßt machen, täglich neue Wunder über den Verlauf der dortigen
Badecur zu vernehmen; inzwischen ist das Ding so arg getrieben
worden, daß alle Wett den wunderlichen Mittheilungen gegenüber
ungläubig bleibt. Die Eingeweihten machen aber so vergnügte Ge-
sichter und zwar in gesteigertem Maße nach jeder neu eingehenden
Post, daß die Versicherungen von der Zufriedenheit mit den dort
erzielten Resultaten völlig glaubhaft erscheinen. Ja, diese Zufrie-
denhcit erstreckt sich jetzt selbst bis in das russische Gesandtschafts-
hotel, und man gibt jetzt dort zu, daß es sich in Gastein doch
nicht blos um Acte der Höflichkeit gehandelt habe. Das, was
darüber in die russischen Kreise gedrungen ist, muß also dort auch
wohl befriedigt haben. Für die Befestigung des Friedens und der
guten Beziehungen der Großmächte in Europa konnte nicht mehr
geschehen, als in Gastein erreicht worden ist, so lautet jetzt das
Stichwort in diplomatischen Kreisen ; ob man fich viel dabei denkt,
ist freilich eine andere Frage."
Am Montag Nachmittag haben 1783..krisß1tnMl«,.^y^M,
sächlich nach Hamburg, Schleswig und Stettin gewendet. Ein
großer Theil, circa 700, nahm unter Begleitung zurückbleibender
stellender Collegen seinen Weg durch die Linden nach Charlotten-
burg zu und erregte großes Aufsehen.
Die Bevölkerung von Charlottenburg befindet sich ge-
genwärtig in großer Aufregung. Am Montag fand eine fast den
ganzen Tag hindurch dauernde Schlägerei unter den Maurern
statt, die noch erhöht wurde, als eine Menge aus Berlin auswan-
Lernder Tischlergesellcn hinzukam. Viele Fenster u. s. w. wurden
zertrümmert, es erfolgten sieben Verhaftungen.
Köln, 30. August. Gestern Nachmittag wurde vor dem
Zuchtpolizeigerichte in erster Instanz wegen des Artikels * Berlin,
21. Juni (Nach den Einzugsfeierlichkeiten) gegen die „Rheinisch e
Zeitung" verhandelt. Die Anklage war auf speziellen Antrag
des Kriegsministers erhoben; der incriminirte Artikel enthielt die
ganz kurze und nur objektive Mittheilung, daß den Strapazen bei
den Einzugsfeierlichkeiten 18 Mann erlegen seien. Nachdem die
Untersuchung auf Grund der §§ 131 und 186 des Strafgesetzbuches
begonnen hatte, ließ die Nathskammer den erstgenannten Paragra-
phen fallen und hielt die Anklage nur noch auf Grund des letzteren
aufrecht, die nun dahin lautete, daß „in Beziehung auf die Mili-
tärbehörde unwahre Thatsachen behauptet und verbreitet seien, welche
dieselbe verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herab-
zusetzen geeignet wären." Der Vertheidiger, Hr. Adv.-Anw. Schnei-
der führte zunächst ouS, daß der § 186 unbedingt eine Person
oder eine Corporation verlange, die verächtlich gemacht oder in der
öffentlichen Meinung herabgewürdigt werde. Die Militärbehörde
könne aber hier nicht als solche Person aufgdsaßt werden ; Militär-
behörde sei ein abstrakter Begriff, der eine Behörde bezeichne, die
wieder in eine ganze Menge von Behörden zerfalle. Abgesehen aber
davon liege dem inkriminirten Referate die Absicht zu beleidigen
gar nicht zu Grunde Es sei eine kurze objektive Mittheilung wie
über sonstige gewöhnliche Unglücksfälle. ES werde übrigens vom
Kriegsministerium die Thatsache, daß Soldaten in Folge der Stra-
pazen bei den Einzugsfeierlichkeiten gestorben seien, gar nicht in
Abrede gestellt, nur handle eS sich um die Z a h l der Gestorbenen.
Aus dieser irrthümlichen Zahlenangabe werde aber doch gewiß
Niemand eine Beleidigung oder Berläumdung herleiten können. Er
sei daher fest überzeugt, daß daS Gericht nur auf Freisprechung er-
kennen könne. — Der Vertreter des öffentlichen Ministeriums hielt
dem entgegen die Anklage vollständig aufrecht, indem er fich be-
mühte, auseinander zu setzen, daß der Tendenz der „Rheinischen
Zeitung" entsprechend, die schon oft Bekanntschaft mit dem Zucht-
polizeigerichte gemacht, der Inhalt deS inkriminirten Artikels den
animus injariandi vollständig enthalte. Sein Antrag lautete auf
50 Thlr. Geldbuße und Bekanntmachung des Urtheils durch die
Presse. — DaS Gericht schloß sich aber nach einer kurzen Replik
zwischen dem Vertreter deS öffentlichen Ministeriums und dem Ver-
theidiger den Ausführungen deS Letzteren an und sprach den R e-
dakteur von Strafe und Kosten frei.
, (Nach der Rh. Ztg.)
Saarlouls, 28. August. Eine Petition mit ca. 80 Un-
terschttften hiesiger Bürger ist an den Reichskanzler Fürsten Bis-
marck abgesandt wordcki. Die Petenten der Saarfestung und deS
nächsten Umkreises bitten um Entschädigung für die durch den
Krieg erlittene Zerstörung ihrer Gartenanlagen, wirthschaft-
licher nnd gewerblicher Etablissements, sowie für die zur Zeit un-
tersagte Benutzung einiger Gewerbseinnchtungen; insbesondere wird
gebeten um vorschußweise Auszahlung der ermittelten Beträge aus
den bereitesten Mitteln der preußischen Staatskasse auf Rechnung
des Reiches an die Betheiligten. (Kobl. Tagbl.)
* AuS Nassau, Ende August. Ein aus dem Obertaunus-
kreise der „Mrh. Ztg." zugehende Correspondenz beschwert fich über
die ungerechtfertigte Verzögerung, welche sich betreffs der Aus-
zahlung der Pen s i o n e n an die Kriegsinvaliden zum
empfindlichen Nachtheile derselben geltend macht. „Die Gesetz-
gebung, sagt das fortschrittliche Organ, hat ihre Pflicht in dieser
Hinsicht erfüllt, daS Jnvalidengesetz, das der Reichstag beschlossen
hat, sorgt, wenn auch nicht allzu reichlich für diese bedauernswer-
then Opfer des Krieges. Auch an der nöthigen Beschleunigung bei
dem Zustandebringen deS Gesetzes hat es. der Reichstag nicht fehlen
lassen, denn doppelt gibt wer rasch gibt; hat er sich doch durch
die Nothwendigkeit deS raschen Gebens bestimmen lasten, nicht
auf der Trennung deS FriehenSpenfionS-GesetzeSvon
dem Jnvaliden-Gesetze zu beharren. Wie kommt eS nun,
baß man vielfach solch' armen Invaliden begegnet, welche auS den
Lazarethen entlasten, in ihren HeimathSorten ein kümmerliches
Dasein fristen und mit Noth und Entbehrung aller Art zu kämpfen
haben, weil fie' weder ihren Sold noch irgend eine Pension be-
ziehen und unkundig des Geschäftsganges, nicht wissen, an wen sie
fich dieserhalb zu wenden haben? Wenden sie sich an den Bürger-
meister ihres Dorfes, so zuckt der die Achseln und weiß oft eben
so wenig den Geschäftsgang als der Invalide, und so zieht sich die
Sache hinaus, der Mann wird muihlos und ungehalten, aber er
muß inzwischen darben oder betteln (!!). Es sind nicht Wenige,
denen cs so geht, wie wir e« hier beschrieben haben, und es wäre
wirklich an der Zeit, daß diesem Uebelstande Abhülfe geschafft und
das Reich diesen Braven gerecht würde." Ja, wenn „dieseBraven"
Generäle wären!
O Fulda, 30. August. Wie als bestimmt verlautet,
soll noch im Lauft dieses Jahres in Folge einer von mehreren
österreichischen Bischöfen ergangenen Einladung eine Synode
der deutschen, österreichischen rrnd ungarischen Kirchensürst-n
in Salzburg oder Innsbruck stattfinden. Als Zweck
derselben bezeichnet man die Beschlußfassung über verschiedene
auf dem Gebiete der kirchlichen Verwaltung vorzunehmenden
Revisionen namentlich die Etweiterung der Competenz der
Domkapitel.
ZZ7 Stuttgart, 30. Aug. Seit ich Ihnen neulich
Schrift'okk' „H sia j j e n) $fi e g c 1" hier mit Be-
schlap belegt und angeklagt sei, hat sich unser Staatsanwalt,
mit Namen Lenz, den Scherz gemacht, meiner Mittheilung
im hiesigen „Beobachter", der von derselben Notiz genom-
men hatte, eins jener wunderlichen Dementi's angedeihen zu
lassen, wie sie gewissen amtlichen Regionen so geläufig sind.
Herr Lenz versichert, daß „von hier aus eine solche Anklage
nicht erhoben, noch auch die Beschlagnahme jener Schrift
veranlaßt worden ist". Sie haben ohne Zweifel dieses De-
menti gelesen, aber auch Recht gethan, daß Sie keine Notiz
davon nahmen. DaS Factum der Beschlagnahme steht fest.
Es waren etwa 1500 Exemplare, die man bei der Beschlag-
nahme erwischte. Die Anklage zielt nicht nur gegen den Ver-
leger, sondern auch gegen den Verfasser, Herrn von Corvin,
und zweckt anscheinend darauf ab, das Büchlein, das über
die U n sitt lichkeit der P fassen seine unerbittliche
Geißel schwingt und das dem sittlichen Bewußtsein des k.
sächsischen Censors von ehedem keinen Anstoß erregte, als
unfitllich verurtheilen zu lassen. Wie ich
höre, wird Dr. Becher als Vertheidiger bei-
der Angeklagten fungiren. Wenn also der Staats-
anwalt Lenz in der vorerwähnten Weise dementirt,
so hat sein Dementi entweder gar keinen Sinn oder es hat
den Sinn, den unser „Beobachter" vermuthet; aus dem
„von hier aus" liegt der Accent und e8 soll damit an-
gedeutet werden,daß eine andere fremde Hand zu uns
herübergelangt habe, um den „Pfaffenspiegel" zu belangen
und zu fassen. Ob das möglich ist ohne Mitwirkung hiesiger
Behörden und was das für eine fremde Hand sein mag,
will ich nicht w iter untersuchen — genug, mit der Beschlag-
nahme und mit dem Prozesse hat es seine Richtigkeit.
* AuS Bayern, 30. August. Die ultramontanen
Preß-Organe sind die ersten von den Landesblättern, welche
sich über den neuen Erlaß deS Kultusministeriums über
das neue Dogma äußern. Wenn die entschiedensten unter
denselben hiervon Veranlassung nehmen, um, wie daS „Vaterland"
der Regierung offene Fehde seitens der Kirche anzukündigen, so sin
Gehen wir nun aus den Styl und die künstlerische
Charakteristik des Bildes über, so müssen wir zum Voraus
gestehen, daß bei der jetzigen Beschaffenheit der Tafel, wo
das Einzelne mit Mühe aus dem allgemeinen Dunkel heräus-
buchstabirt werden muß, ein abschließendes Urtheil sehr schwie-
rig ist und von uns nicht in Anspruch genommen wird.
Einige allgemeine Züge lassen sich immerhin feststellen.
Die Zeichnung ist ungemein flott und sicher. Nir-
gends ist einer schwierigen Stellung aus dem Wege gegan-
gen, nirgends aber auch eine solche absichtlich gewählt wor-
den. Mit vollkommener Sicherheit handhabt der Künstler
die menschliche Figur, die Thierwelt, alle Verkürzungen und
die Perspective. Einzelnes ist geradezu einzig gedacht und
prägt fich durch seine Naturwahrheit unvergeßlich ein. An-
deres ist ziemlich nach bekannten Bildern der Zeit. Am
schwächsten schienen mir in der Zeichnung die nackten Kinder.
Die Extremitäten erlauben kaum ein Urtheil über die Aus-
bildung des Künstlers. Sie liegen zmn Theil zu sehr im
Dunkeln, theils sind sie mehr andeutend gehalten. Jeden-
falls war das zur Zeit nicht die Specialität des Malers.
Die Malerei kann man kaum mit einem der bekann-
ten und anerkannten Werke Holbein's vergleichen. Die meiste
Ähnlichkeit bietet noch die Passion. Beidemale leuchtende,
iiesgesättigte Farben in äußerst brillanter Zusammenstellung.
Das Altarblatt ist darin noch reicher und mannigfacher,
das Tischblatt einfacher, aber harmonischer. Gold ist aus
dem Tischblatt außer bei den Wappen in der Mitte sehr
selten angewandt, dagegen helle brillante Lichter fast bei allen
Personen und den meisten Gegenständen. ES läßt sich nicht
mehr entscheiden, ob diese Lichter das Ganze nicht etwas un-
ruhig machten.
Das für Halbem Charakteristische tritt unS eigentlich erst
in der Composition entgegen, hier aber voll und ganz.
Die Composition erhebt sich zum höchsten Reichthum, geht
stellenweise sehr in die Breite und verräth überall eine Fülle
innerer Anschauung. Alles scheint im Geist des Muters,
Nichts erst aus der Leinwand sich zusammengefunden zu ha-
ben. Die möglichst vollkommene Raumersüllung über-
rascht im höchsten Maße. Unter diesem Gesichtspunkt ist die
Tafel ein Meisterwerk ersten RangeS. Einzig in den Ecken
zwischen dem dem Rahmen parallel lausenden äußern Bil-
derkreiS und dem elliptischen innern sind einige Figuren
mehr aushülssweise angebracht.
Endlich der Reichthum der Erfindung ist so
einzigartig, wie ihn kein Künstler außer Holbrin besessen.
Im äußern wie im innern Bilderkreis dieselbe unerschöpfliche
Quelle, aus der sich spielend eins um daS andere ergießt.
Wie muß dieser Reichthum nicht erst gewirkt haben, als noch
alles Einzelne hell und bestimmt vom Grunde sich abhob,
während er jetzt mit Mühe herausgesucht werden muß.
Fasten wir diese Punkte zusammen, so ergibt sich die
Schwierigkeit, unsere Tafel in Holbein's bekannte Entwick-
lung einzureihen. Dazu kommen nun noch einige Einzeln-
heiten, die entschieden auf den Anfang seiner Entwicklung
hinweisen. Von Ornamenten ist auf der gan-
zen Tafel nur Eines vorhanden und dieses
Eine ist ein gothisch gezacktes Blatt. Von ei-
ner architektonischen Disposition, die Holbein
später nie, auch bei kleinen Skizzen nicht sich entgehen
ließ, gerade hier, wo sie so besonders nahe lag, keine Spur.
Endlich die . angedeuteten Schwächen, die gerade bei Holbein
später nie mehr vorkommen — das Alles stellt unser Blatt
als Ausgangspunkt von Holbein's Kunst hin, woraus
sich denn das von seiner sonstigen Malweise Abweichende hin-
länglich erklären dürfte.
Es ist freilich eine eigenthümliche Zumuthung, ein sol-
ches Werk einem sftbenzehnjährigen jungen Manne zuzuschrei-
ben, und wir selbst haben unS Anfangs gegen diesen Ge-
danken gesträubt. Allein immer und immer wieder kamen wir
zu diesem Schluß, zu dem — wie wir gleich sehen werden
—, auch noch ein äußerer Umstand drängt. Und wer in
aller Welt würde denn die Illustrationen zum Lob der Narr-
heit einem Siebenzehnjährigen beimessen, wenn wir hier das
Datum nicht urkundlich hätten? Dieser die ganze Welt nach
ihrer Lächerlichkeit auffassende Scharfblick, diese Skala vor«
Humor, Ironie, Spott, Hohn, verbunden mit der Gabe der
schärfsten Charakteristik — das sind sonst nicht gerade die
Eigenschaften von Leuten, die selbst mitten in den Flegel-
jahren stehen. Und doch hat Holbein dieses Werk männ-
licher Reife in seinem siebenzehnten Jahre gemacht. Und nach
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
bett bte Vertreter der gemäßigten Richtung noch ein „Glück bei'm
Unglück." So schreibt die „AugSb. Postztg.", nachdem fie ^ von
obigem Erlaß Notiz genommen in ihrer heutigen Tagesübersicht:
„Können wir auch nur unser Bedauern ausdrücken, daß daS Ge-
spenst der StaatSgefShrlichkeit jenes Dogmas noch immer dominirt
und müßen wir auch die Stellung, welche die Staatsregierung ein-
zunehmen erklärt, lebhaft beklagen, so läßt andererseits
der Erlaß noch die Hoffnung zu, daß die offensiven
Pläne, welche die Gegner dem Ministerium zumuthen möchten,
dort keine Aussicht auf Realisirung haben." Selbstver-
ständlich muß auch dieses Blatt die Hoffnung auf den endlichen
Sieg der „guten Sache" zum Ausdruck bringen. Es thut dies in
folgenden Sätzen: „Die katholische Kirche wird diese Krisis
glücklich überstehen, deß sind wir gewiß; ob der Staat da-
durch gewinnt, daß er wenigstens indirekt die Opposition gegen die
katholische Kirche fördert, darf bezweifelt werden. Jedenfalls sind
die „StaatSgefährlichen" anderswo zu suchen als in den Reihen der
ihrer Kirche treu ergebenen Katholiken!"
Oesterreich.
ü Wie«, 30. Aug. Von verschiedenen Seiten kommen
jetzt beachtenSwerthe Aeußerungen und Andeutungen über die
Stellung Rußlands zu den Abmachungen von Gaslein.
Hierüber kann ich nun aus verläßlicher Quelle sagen, daß
die beiden Reichskanzler zwar in der Ansicht sich begegneten,
es sei eine entevts cordiale zu Dreien, d. h. die einfache
Hineinziehung Rußlands in das zu Gastein vereinbarte
Freundschastsbündniß zwischen Oesterreich-Ungarn und
Deutschland zur Zeit noch mit manchen Schwierigkeiten ver-
knüpft, daß aber eine solche directe evtsuts zu Dreien wohl
ersetzt werden könne durch die parallel lausenden Freund-
schastsbeziehungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutsch-
land einerseits, Deutschland und Rußland andererseits und
daß diese indirecte, durch das deutsche Reich vermittelte Be-
ziehung zwischen Ocherreich-Ungarn und Rußland zur Si-
cherstellung des Friedens auch im Orient genüge. In dem
angedeuteten Sinne soll sich denn auch von Gastein aus
Fürst Bismarck mit dem Fürsten Gortschakoff verständigt
haben.
* Wien, 30. August. Der „Presse" meldet man aus Bu-
karest: Nicht nur der Vater des Fürsten Karl, sondern auch
Fürst Bismarck suchte den Fürsten zum Verbleiben zu bewegen.
Deutschland und Oesterreich werden den Fürsten kräftigst unter-
stützen. Die Verschwörung in der Armee ist nicht sehr verzweigt,
daher ohne Bedeutung. Die Bratianisten begannen kleimnüthig
sich zurückzuziehen; der Fürst beabsichtigt, in Jassy einige Monate
zu wohnen.
Schweiz.
* Bern, 29. Aug. Einem Privatlegramm der „N.
Z. Z." zufolge hat die französische Regierung erklärt,
das Auslieserungsbegehren, betreffend Razoua, zurückzu-
ziehen.
* Genf, 27. Aug. Dem „Bund" wird von hier ge-
meldet : Die verhaftete Frau des (wegen Banknotensälschung
inhastirten) polnischen Malers ist als unschuldig befunden,
wieder in Freiheit gesetzt worden, und es haben einige hier
ansässige Polen im Namen ihrer Landsleute gebeten, die
schlechten Handlungen Einzelner nicht die ganze, durchschnitt-
lich sehr ehrenwerthe polnische Emigration entgelten zu lasten,
dagegen die Schuldigen, welche aus Gewinnsucht oder unter
der Maske des Patriotismus Fälscher sind, mit aller Strenge
zu verfolgen und zu bestrafen.
* Den jungen Leuten aus der deutschen
Schweiz, die sich nach F r a n k r e i ch begeben, wird in
Schweizer Blättern der Rath ertheilt, ihre Schriften wo-
möglich in französischer Sprache ausfüllen zu
lasten. Zur Begründung dieses Rathes schreibt ein Basler
aus B o r d e a u x den „Basler Nachr." vom 19. August
Folgendes: „Vorgestern wurden hier drei junge Schweizer
als Preußen insultirt; vor dem Restaurant, wo sie spei-
sten, war ein förmlicher Auflaus. Unsere Landsleute wiesen
ihre Papiere, aber es war unter den Franzosen kein einziger,
der deutsch lesen konnte, und so waren sie genöthigt, um
fectur zu folgen, natürlich unter großem B'ölksauflaüs. "Hl8s
der Präfectur wurden sie allerdings sofort frei gelüsten, der
Polizeivorstand sprach über die ihnen widerfahrenen Unan-
nehmlichkeiten sein lebhaftes Bedauern aus, und der Ser-
gent de ville erhielt einen Rüffel. Der Vorfall zeigt aber
immerhin, daß die Preußen sich in Bordeaux noch keiner
großen Beliebtheit erfreuen und daß, wer sich nicht Ungele-
genheiten aussetzen will, gut thut dafür zu sorgen, daß er
sich sofort und überall als Schweizer legitimiren kann."
Ztalie».
* Rom, 26. Aug. Seitdem der Ministerpräsident und
der Finanzminister hierher zurückgekehrt find, beschäftigt sich
der Ministerrath eifrigst mit der theilweisen Neubesetzung ei-
niger Portefeuilles; von einer Cabinetskrisis im eigentlichen
Sinne des Wortes ist nie die Rede gewesen. (Pester Lloyd.)
Rom, 30. Aug. Der Papst hatte eine lang andauernde
Ohnmacht, von welcher er sich nur langsam erholt; er ist in
äußerste Schwäche verfallen und ist wenig Hoffnung für seine Ge-
nesung vorhanden. (Pr.)
* Neapel, 26. Aug. Aus den nun mit Beschlag beleg-
ten Papieren des neapolitanischen Comitee's der Internatio-
nale geht hervor, daß die Gesellschaft an 10,000 Affiliirte
in Italien zählt; die Mehrzal derselben befindet sich in
Oberitalien und in der Romagna; in Rom hat sich seit dem
20. September ebenfalls eine Section gebildet. Die italie-
nische Regierung ist von der englischen in Kenntniß gesetzt,
daß das Londoner Centralcomitee in letzter Zeit ungemein
rührig war und eine große Anzahl seiner Affiliirten nach
dem Continent mit bestimmten Weisungen entsendet hat.
(Pester Lloyd.)
Spanien.
* Madrid, 29. Aug. Der Herzog von Montpen-
sier hat in der „Politica" einen an den Jnstructionsrichter ge-
richteten Brief veröffentlicht, in welchem er seine Verwunderung da-
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allen Anzeichen um 1517, also nur zwei Jahre später, als
wir den Tisch setzen, hat er das Hirtensteinische Haus in
Luzern von innen und außen bemalt. Und sechs Jahre spä-
ter hat er die Rathhausmalereien, die großartigsten Ge-
schichtsbilder jener — und vielleicht aller — Zeit erdacht.
Mir scheint, der Tisch füllt eine Lücke aus. Denn aus den
bisher frühesten bekannten Porträten, dem Schulmeisterschild
und den älteren Passionsbildern erklärt sich der Histo-
rienmaler nicht. Hier haben wir seine Vorstufe als
Genremaler.
Und beachte man noch Eines: In spätern Jahren findet
sich in Holbein'S Leben weder der äußere noch der innere
Raum für eine Arbeit wie der Tisch. Seine mit höchster
und gleichmäßiger Vollendung durchgeführte Technik, die viele
Monate in Anspruch nahm, wäre später Holbein nicht mehr
möglich gewesen. Auch hätte man ihm kaum mehr solche Auf-
träge geben dürfen. Endlich einmal auf der Wanderschaft,
zwischen Basel, Luzern, Bern u. a. Orten hin- und her-
reisend, hätte er auch kaum zu einem solchen Werke noch die
rechte Lust gesunden, der es doch. wie jede Figur lehrt, ent-
sprungen ist. Als Holbein angefangen, Fanden zu malen,
wird nicht mehr Miniaturmalerei getrieben, und als er im
großen historischen Styl arbeitete, wird er schwerlich noch
Kalenderspässe von fliegenden Blättern mit Holzschnitten
mehr oder minder kopirt haben.
Kaum dürste zum Schluß Jemand das Bedenken erheben,
ein Siebenzehnjähriger führe doch noch nicht einen eigenen
Wappenfiempel. ES ist aber kein Wappen, sondern ein bloßes
Steinmetzzeichen auf demselben; und daß Holbein auf sein
Wappen sich seinen Namen zweimal sollte haben graviren
lasten, voll in der Umschrift und nochmals milden Anfangs-
buchstaben neben dem Schild — das möchte schwerlich Je-
mand im Ernst annehmen. Im Gegentheil, der Stempel ist
dem launigen Künstler der Vorwand, um seinen vollen Na-
men auf dem Bilde anzubringen. Dies aber hat Hol-
bein bekanntlich nur im Anfang seiner
Carriöre gethan, um sich, den noch unbe-
kannten jungen Mann zu empfehlen. Später, als
sein Styl allein den Meister nannte, unterließ er die Na-
mensbezeichnung entweder ganz oder setzte bloß sein Mono-
rüber ausspricht, daß dem Urtheile, wodurch er zur Zeugmßable-
gung in der Primschen Angelegenheit angehalten wird, nichts eine in
seiner Wohnung insinuirte Vorladung vorausgegangen sei. Er
erbietet sich sein Zeugniß vor kompetenten spanischen Beamten (Ge-
sandten oder Consuln?) in Frankreich abzulegen, da er einer Krank-
heit seiner Tochter wegen in diesem Lande zu bleiben gezwungen
sei. Wenn er in Paris angekommen sein wird, wohin er sich von
Eaux bonnes zu begeben gedenke, werde er die spanische Gesandtschaft
davon in Kenntniß setzen.
Belgien.
* Brüssel, 31. Aug. Ein hierhergeflüchtetes Mitglied der
Commune, T r i d o n ist gestorben. Die Beerdigung findet am Sam-
stag durch die Gesellschaft „1,68 solidaires“ statt.
Großbritannien.
* London, 29. Aug. Die politische Erörte-
rung über heimische Angelegenheiten, welche
sich regelmäßig nach der Session entspinnt, hat in der Pro-
vinz begonnen, indessen ist dieselbe vorderhand noch ziemlich
matt und ohne sonderliches Leben. Von Seiten der Libera-
len geschieht das Mögliche, um die Ballotangelegenheit in
weiteren Kreisen zum Gegenstand der Agitation zu machen,
doch ist der Erfolg dieser Bestrebungen nicht sehr bemerkens-
werth, weil aus die Jahre der starken Bewegung im Innern
eine Periode der Erschlaffung gefolgt ist, und geheime Wahl-
abstimmung in der That — man muß das der Opposition
zugestehen — kein Gegenstand ist, für den sich in diesem
Augenblick die Masse des Volkes begeistert. Die Stadt
Manchester, welche seit Jahren in dieser Angelegenheit in
der ersten Reihe der Resormfreunde ihren Platz hatte, ist
auch jetzt mit einem guten Beispiele vorangegangen und hat
die politische Herbstcampagne eröffnet. Statt jedoch eine große
Massenversammlung zu veranstalten, wie in früheren Jahren,
haben die Führer der dortigen Liberalen dieses Mal ohne
Zweifel aus guten Gründen sich zunächst im engeren Kreise zu-
sammengethan und etwas Neues in Scene gesetzt, die libera-
len Vereine und Clubs veranstalteten im Tabley Park ein
Piknik, bei dem verschiedene Resolutionen gefaßt wurden.
Der „Daily Telegraph", das eigentliche Organ des Mini-
steriums, spricht seine große Genugthuung über diese politi-
sche Versammlung nach neuem Muster aus, und empfiehlt
fie zur allgemeinen Nachahmung. „Man hat oft gesagt, be-
merkt er unter anderen, das Geheimniß unserer stetigen Po-
litik liege in dem Umstande, daß wir stets das Mittagessen
in eine gewisse Verbindung mit dem politischen Kriege brin-
gen. Es ist etwas daran. Es ist der hungrige Mann, der
die ächten revolutionären Neigungen hat, der hagere Cass us,
der bei Nacht nicht Ruhe finden kann und bei Tag sich
keine Zeit nimmt sein Mahl zu genießen. Man bringe
aber denselben Cassius auf's Land hinaus, stelle eine
treffliche Bowle ihm an die eine und einen Korb
mit lockenden Eßwaaren an die andere Seite und der Mann
wird ohne Schaden für seine römische Bürgertugend Cäsar
Gerechtigkeit widerfahren lassen und einen unschuldigen Ge-
brauch von seinem Dolche machen, indem er voll Thatkraft
eine Wildpastete durchbohrt." Am Schluß gibt der „Tele-
graph" dem Oberhause den guten Rath, seiner Pflichten ein-
gedenk, sich mehr in Einklang mit dem Unterhause zu brin-
gen. Welchen Werth der Premier auf die Demonstrationen
legt, welche während der letzten Wochen in Leeds und Brad-
ford zu Gunsten der ministeriellen Politik gemacht_ wurden,
ersieht man aus folgendem Schreiben, welches er in Erwi-
derung der Resolutionen des Meetings in Leeds an die An-
stifter dieser Versammlung gerichtet. „Ich brauche Sie kaum
zu versichern — heißt es im Verlause des Briefes — daß
ich in gleichem Maße die Abstimmung wie den Grund für
die Abstimmung der Lords zur Verwerfung der Bill bedaure.
Nicht minder auch bedaure ich die Folgen der Abstimmung,
denn ich bin der großen Dienste eingedenk, welche, wie die
P f j fl*. unserem Vaterlande von seinem Adel er-
hasten Charakters, der thätigen Pflichttreue und des weit
ausgedehnten Einflusses mancher Mitglieder des Ober-
hauses sowohl wie der ernsten Schwierigkeiten, welche ande-
ren Ländern in dem Bestreben sich in den Weg stellten,
Mittel und Wege zur anderweitigen Erfüllung der Functio-
nen ausfindig zu machen, welche die Constitution heute den
Peers zuweist. Das Verfahren der Regierung in dieser An-
gelegenheit, welches die Bewohner von Leeds gebilligt haben,
wurde nach meiner Meinung erheischt durch die einfachsten
Grundsätze der Pflicht, und ich darf Ihnen ruhig die Ver-
sicherung ertheilen, daß das Ministerium nicht leicht von ei-
nem nach reiflicher Erwägung eingeschlagenen Pfade abwei-
chen wird, von einem Pfade, der unter der Billigung des
Unterhauses und des Landes überhaupt beschritten wor-
den ist."
Die bevorstehenden Uebungen in Aldershott
werden in unseren Blättern mit einem solchen Auswande von
Worten erörtert und verursachen soviel Bewegung im Lande,
als ob es sich um eine Armee von 400,000 Mann han-
delte, die außer Landes geschickt werden sollen. Die Miliz-
batgjlloae, welche an den Uebungen Theil nehmen sollen, la-
gern schon seit mehreren Tagen bei Aldershott unter Zelten
und die Commandeure thun das Möglichste, um die Tapferen
zu den bevorstehenden Scheinkämpfen vorzubereiten.
Die Lage der Dinge in Frankreich wird mit
bedeutender Unruhe beobachtet und selbst diejenigen, welche
vor Kurzem prophezeien wollten, daß nun der Gang der Er-
eignisse in Frankreich glatt ablausen müsse, beginnen besorgt
zu werden. Unsere Blätter, wie „Times", „Daily News"
und „Daily Telegraph" machen ihre Leser aus Schlimmes
gefaßt.
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gramm. So weist uns Alles für unser Tisch-
blatt an den Anfang von Holbein'sKun st,
etwa ins Jahr 1516 oder 1515.
Wanderjahrc in Ztalie».
F. L. Wenige mögen Italien so gründlich kennen, wie
Ferdinand Gregorovius, der Sohn des kalten Ostpreußen,
der nun schon an die zwanzig Jahre im Süden weilt, um
die Natur und Geschichte der italienischen Halbinsel in fort-
währendem Studium zu erforschen. Italien ist ihm zur zwei-
ten Heimath geworden , wenn er auch darüber das Land
seiner Wiege, sein deutsches Vaterland, nicht vergessen hat.
Vor Allem handhabt er die deutsche Sprache mit vollendeter
Meisterschaft, Wer Italien gesehen hat, kennt auch die herr-
lichen Schilderungen, die uns Gregorovius in seinen „Wan-
derjahren" gegeben. Besser als jeder rothgebundene Führer,
lehren uns seine „Figuren", seme „lateinischen Sommer"
das Land kennen und lieben. Sie zaubern uns durch die
Fülle der reizenden Bilder, der sarbenglühenden Landschaf,
ten, der Sittenschilderungen und anmuthig heiteren Skizzen
mit einem Schlag in das schöne Land zurück und erheben
uns zugleich durch den gewaltigen geschichtlichen Hintergrund,
den der Wanderer seinen Zeichnungen des heutigen Lebens
zu geben versteht. So einigen sich angenehme Erinnerungen
an das, was wir selbst gesehen und bewundert, mit bedeut-
samen Gedanken über Menschenloos und Völkerschicksal. Kein
Wunder darum, daß drei Bände dieser „Wanderjahre" schon
in zweiter und dritter Auflage vor uns liegen, und jetzt ist
ein vierter Band erschienen, der an Interesse hinter seinen
Vorgängern nicht zurücksieht *).
Wenige Jahre nur trennen uns von dem Herbst, in wel-
chem Garibaldi mit seinen Schaaren auszog, die ewige Stadt
für Italien zu erobern, und General de Failly mit seinen
Chassepots bei Mentana an den schlechtbewaffneten Rothhevl-
den Wunder that. Wenige Jahre nur, — und doch wie
*) Wanderjahre in Italien. Von Ferdinand Gregorovius. IV.
Von Ravenna bis Mentana. Leipzig. Brockhaus 1871.
Die Revolution dam 18. März dar dem
Kriegsgericht in Versailles.
* II * Paris, 29. Aug.
Man bemerkt im Zuhörerraum die Fürstin Metternich mit
Begleitung; der Präsident halte für diese Gäste reservirte Plätze
und Sammisessel Herrichten lassen. (!?) Der Vertheidiger Lullier's,
Advocat March and, macht zu Gunsten seines Klienten nament-
lich die Unterhandlungen geltend, in welche derselbe m t Versailles
getreten war, und zwar nicht aus Habsucht oder sonstigen gemei-
nen Motiven, sondern nur in der Absicht, Paris vor einer Kata-
strophe zu bewahren. Lullier fügt selbst zu seiner Rechtferti-
gung einige Worte in diesem Sinne bei; er erinnert daran, daß
die Agenten ihm und seinem Generalstabe ausdrücklich L-traflosig-
keit zugesichert hätten, und daß es nicht an ihm gelegen habe,
wenn die Regierung im weiteren Verlauf der Ereignisse seiner
Dienste nicht mehr zu benöthigen glaubte. Jncidentiell wird nun
wieder über einen den Angeklagten Urbain betreffenden
Punkt verhandelt. - Präs. hält demselben vor, daß er sich am
22. Mai in den Tuilerien befunden hätte und daß dort unter
seinen Augen vier Opfer fusilirt worden wären; dann sei Urbain
auf dem Balkon erschienen und hätte gerufen: „Es lebe die Com-
mune!" Urbain: Davon höre ich heute zum ersten Mal. Ich
bestreite auf das Entschiedenste, an jenem Tage in den Tuilerien
gewesen zu sein und irgend einer Execution beigewohnt zu haben.
Ich erinnere mich nur, an jenem Tage einem Aufzuge begegnet
zu sein, angeführt von einem 13jährigen Burschen, der eine blu-
tige Axt auf der Schulter trug. Etwa 30 Föderirte verhafteten
einen Nationalgardisten, der angeblich zwei seiner Nuchbarn mit
deGAxt getödtet haben sollte. Präs.: Darum handelt cs sich
nicht. Sie befanden sich mit Bergeret in den Tuilerien. Ur-
bain: Ganz gewiß nicht. Vom Stadthause ging ich über die
Quais und den Pont Royal nach dem Faubourg St. Germain.
und als ich an dem südlichen Flügel des Schlosses vorbeikam, rief
mir noch der Oberst Dardelle vom Balkon aus zu, ich sollte mich
nicht so muthwlllig aussetzen. Ich ging trotzdem über die Brücke
und erreichte die Rue du Bac. Zeuge Henry Slipper, Haus-
beamter der Tuilerien, sah am 22. Mai Abends dort vier Per-
sonen in Civil, angeblich als Gefangene, einbringen; es sollten
Spione der Versailler gewesen sein. Vom dritten Stock des an
die Rue de Rivoli grenzenden Pavillons sah ich Allem zu. Auf
dem Balkon erschienen zwei Individuen, wie man allgemein sagte,
Bergeret und Urbain. Ein Peloton nahm Stellung und schoß
dreimal, ohne die Opfer zu treffen. Erst beim vierten Schuß fiel
das erste Opfer, und dann fielen der Reihe nach auch die drei
anderen. Als Alles vorüber war, klatschten die beiden Individuen
in die Hände und riefen: „Es lebe die Commune!" Ich hörte
bestimmt, wie ein Lieutenant der Frauctireurs, der mit einem
Fernglas zusah, zu seinen Leuten sagte, die beiden Individuen
wären Bergeret und Urbain. Jacques Toloni, ein anderer
Schloßbeamter, er ählt dm Hergang ebenso; ein Mitglied der
Commune hielt eine Rede, die mit den Worten schloß: „So mag
-S allen Spionen und allen Feinden der Commune ergehen!" Die
Sache dauerte mehrere Stunden. Gegen drei Uhr wurden die
Gefangenen in die ehemaligen Gemächer der Kaiserin geführt, wo,
wie es hieß, Bergeret und Urbain das Todesurtheil aussprachen.
Dann brachte man die Gefangenen nach dem Stadthaufe, dann
wieder nach den Tuilerien, wo das Todesurtheil noch einmal wie-
derholt wurde. Unter den Föderirten selbst herrschte Meinungs-
verschiedenheit, und man kam überein, die Execution auf sechs
Uhr Abends anzusetzen, wo fie denn auch erfolgte. Mindestens
fünfzig Personen erkannten in den Führern Bergeret und
Urbain; daß der Erstere am Sonntag mit seinem Ge-
neralstab in dem Schlosse Quartier nahm, kann ich aus
eigener Wissenschaft bestätigen. O z a n n a , ein dritter
schloßbeamter, hat die Gefangenen genauer gesehen: Der eine war
ziemlich gut gekleidet und trug eine Brille, der zweite hatte eben-
falls bürgerliche Kleidung, der dritte und vierte trugen Blousen.
Auch er hörte allgemein sagen, daß das Mitglied der Commune,
welche? der Execution in Civil beiwohnte, Urbain wäre. Dieses
Individuum war klein, hatte dunklen Bart und Haare und trug
auf dunkelbraunem Paletot die rothe Schärpe. Zeuge sucht unter
oen Angeklagten den Mann von welchem er spricht, und weist auf
Trinquet. Da man ihm dann Urbain vorstellt so erkennt er diesen
durchaus nicht wieder. Urbain: Ern einziger brauchte meinen Na-
men zu nennen und alle Welt sprach es nach. Zeuge: Die
A/K.W, «vf .Angeklagten erinnert mich allerdings an die des
Mien niedrigen Hut. Urbain: Und ich im Gegentheil trug immer
rin Käppi und unter dem Ueberzieher die Uniform der National-
garde. Ich habe ein einziges Mal einem Kriegsgerichte beigewohnt,
in dem ein Todesurtheil verhängt wurde, und Zeugen haben hi.r
beglaubigt, mit welchem Eifer ich gegen dieses Urtheil protcstirte.
Mayer Salomon, Handlungkcommis und unter der Com-
mune in der Mair-x t>e§ 11. Arrondissements angestellt, meldet sich
freiwillig, obgleich er sich damit selbst gerichilichen Verfolgungen
und schweren Straf n aussetzt, um zu Gunsten Ferre's zu bekunden,
caß er, der Zeuge, bis zum 25. Mai ununterbrochen in jener Mairie
gewesen sei und während dieser Zeit keinen Schuß und von keiner
Execution etwas gehört habe. Dasselbe besagt der Commis Fran-
cois Coutant, der sich ebenfalls während der ganzen Zeit
ves StraßenkampfeS in jener Mairie befand. Präfid ent ruft
noch einmal den Belastungszeugen L a s n i e r vor, der seine Aus-
sagen ü^er die beiden angeblich von Ferra angeordneten Executio»
nen durchaus aufrecht erhält. Ferra hätte noch zu ihm gesagt
als er vorgeführt wurde: „Nun denn, Bürger Lasnier, Sie wol-
len ohne Zweifel Ihre Verschwörung fortsetzen?" Da ich antwor
iete: „Ja, mein Herr!" rief Ferra zu seiner Umgebung: ,Jhx
seht, er nennt euch Monsieur!" Ferra: Ich bitte zu consta-
tiren, daß der Zeuge diese Einzelheiten zum ersten Male
voi^ringt. Was die angeblichen Executionen betrifft, so berufe ich
mich auf das Zeugniß meiner Mitangeklagten C h a m p Y und
Lerdure. Diese Beiden erklären, daß ihnen niemals etwas von
einer Execut'on zu Ohren gekommen sei, die in der Mairie des
11. Arrondissements stattgefunden hätte. Den Beschluß derSitzung
macht das Plaidoyer des Advocaten Renault für den Doctor
Rastoul. DaS vierte Kriegsgericht verurtheilte gestern den Coiporal
von den Marinefusilieren, Charles Loduc, wegen Desertion und be-
waffneter Theilnahme am Ausstand, und den Maurer Lecourt,
welcher als Lieutenant des '242. Bataillons in La Billette bs
zum letzten Augenblick kämpfte, zur Deportation.
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serne schon! Ereignisse so gewaltiger Art haben seitdem
Europa erschüttert, daß uns die Erzählung von dem Römer-
zug des italienischen Volkshelden wie eine ferne halbver-
klungene Mythe tönt. Oftmals schon war Rom das Ziel
feindlicher Eroberer gewesen, seit den Tagen des Hannibal
und Alarich bis zu dem Connetable von Bourbon herab,
aber der Zug der Garibaldianer war ganz eigner Art.
Es war dies Unternehmen nur ein Glied in der großen
Kette von Ereignissen, welche Italien über kurz oder lang
zur völligen Einheit führen mußten. Daß Rom das Ziel
war, nach welchem alle Italiener strebten, erkannte Jeder,
der Zeuge davon war, in welch' namenloser Aufregung in
den Tagen vor Mentana das ganze Land erbebte, und wie
tief es sich gedemüthigt fühlte, als der Imperator an der
Seine sein stolzes Veto einlegte. Es ist die beste Genug-
thuung, die Garibaldi finden konnte, daß kurze Zeit, nach-
dem er von italienischen Truppen entwaffnet und gefangen
worden war, diese selbst sich genöthigt sahen, die Grenze des
Kirchenstaats als ungebetene Gäste zu überschreiten und Rom
als Hauptstadt des Landes zu besetzen. Eine genaue Dar-
stellung jenes Frcifchaarenzugs aus der Feder eincs so zuver-
lässigen und unparteiischen Beobachters ist deßhalb von be-
sonderem Werth. Freilich ist es ein trauriges Stück Ge-
schichte, das uns Gregorovius erzählt, wenn auch die Folge-
zeit bewiesen hat, daß ein in sich morscher Bau, ein Staals-
wesen ohne innere Kraft und eigenes Leben niemals durch
äußere Stützen auf die Dauer gehalten werden kann.
Die Wahrheit dieser Lehre drängt sich dem Wanderer
nirgends stärker auf, als in Italien, — und wiederum in
Italien nirgends mehr, als in Ravenna — das einst das
Bollwerk und der M ttelpunkt der Halbinsel war. Gregoro-
vius geleitet uns in die heute so stille Stadt in der einför-
migen Ebene. Aber wunderbar belebt sich die ganze Gegend
unter der Macht seines Wortes. Vergangene Zeiten steigen
wieder heraus; man sieht das abendländische Kaiserthum in
seinen letzten krankhaften Zuckungen, man sieht den gewalti-
gen Strom der nordischen Völker über die morsche Cultur
der alten Welt hereinbrechen, und auf den Trümmern des
Römerreiches die Herrschaft des mächtigen Ostgothenlö ngs
Theoderich sich erheben. Ravenna war einst der Hauptschau-
Verha»dl««gt»
des volksmrlhschaMchnl Congrrssrs i« Lübeck.
2. Sitzung am 29. August. 1871.
(Schluß.)
Fortsetzung der Berathung über MUnzreform.
Dr. S o e 1 b e e r will es dem Reichstage überlassen, eine Münz-
eiuheit zu finden. Er habe vier Wünsche bei dieser Frage: Natio-
nale Einheit, die Eintheilung nach dem Dccimalsystem, die reine
Goldwährung und hauptsächlich den Anschluß an die bestehenden
Münzen. Sein Antrag leite ihn zur Empfehlung de8 Zehngulden-
stückeS als Rechnungseinheit; doch sei es ihm gleich, ob der Tha-
ler oder der Gulden adoptirt werde, so lange derselbe in 100
Kreuzer snbdividirt werde, in Anschluß an daS Decimalfystcm.
Dr. Fauch er stimmt dem Wunsche des Vorredners bei, sich
auf den allgemeinen Ausspruch zu beschränken, daß die neue Münze
nach dem Decimalsystem eingetheilt werde, will jedoch hinzufügen,
daß die kleinste Decimalmünze noch in 4 Theile getheilt werde.
Dr. Wolfs (Stettin) erklärt sich für Beibehaltung des Tha-
lerS, ist im übrigen für die Theilung in Hundert, sowie^ ferner
dafür, daß diese kleinste Münze dann noch in 4 Theile zerfalle.
Correferent Dr. Braun wünscht gleichfalls die Beibehaltung
des Thalers. Wenn man durch den Anschluß an das Frankensy-
stem zu einer Weltmünze zu gelangen hoffe, so sei dies doch immer
nur Hypothese; es sei sehr unwahrscheinlich, daß England und
Amerika unserm Beispiele folgen werden. Die Süddeutschen könnten
ihren Gulden doch nicht behalten, also würden sie Lei einer Wahl
zwischen den Frank, dem österreichischen Gulden und dem ihnen
bekannten Thaler jedenfalls dem letzteren den Vorzug geben. (?)
P r i n c e - S m i t h als Referent zum Schlußwort, spricht für
die Rettung der Scheidemünzen, mit denen daS Volk mehr zu rech-
nen gewöhnt fei als mit Thalern.
Schulze (Mainz) erklärt sich dahin, daß Süddeuischland sei-
nen Gulden u. s. w. keine allzubittern Thränen nachweinen werde,
und daß es mit Rettung des Kreuzers und Groschens wenig ge-
winnen würde. Eine Concession würde sein, wenn das Zwanzig
Groschrnstück, der österreichische Gulden als Einheit eingeführt würde.
Dasselbe entspreche dcm Franc, der in der Schweiz, Belgien, Ita-
lien, Frankreich gelte, bei dem Verkehr mit welchem Deutschland
bis jetzt stets im Nachtheil gewesen fei. Auch müsse man den El-
sässern und Lothringern eine gleichwerthige Münze für den Franken
geben, an den sie gewöhnt und den sie lieb gewonnen.
Dr. Böhmert erklärt sich zunächst gegen die von Faucher
beantragte Eintheilung der kleinsten Decimalmünze in 4 Theile.
Die Eintheilung des Groschens in 10 statt 12 Pfennige sei in
Sachsen überall als ein Fortschritt empfunden worden. Redner geht
sodann noch einmal zur Vertheidigung de8 Francssystems über,
dessen Annahme nicht allein im internationalen, sondern in emi-
nentem Sinne gleichzeitig im nationalen Interesse liege.
Der Schluß der Debatte ist hiermit emgetreten. Der Kongreß
nimmt den Antrag des Referenten in nachstehender Form an:
„Der Kongreß ist der Ansicht, daß im geeinigten deutschen
Reiche eine einzige Geldrechnungs-Einheit herrschen müsse;
daß man zur allgemeinen deutschen Geldrechnungs-Einheit
nur eine solche wählen darf, welche in ganz leicht berechen-
barem Verhältniß zur Thalerrechnung stehe. Die definitiv
einzuführenden neuen Münzen find nach dem Decimalsystem
einzutheilen unter Zulassung der Viertheilung der kleinsten
Decimalmünze. Der Feingoldgehalt der hauptsächlichsten
deutschen Goldmünze ist im Rcichsmünzgesetze so zu normi-
ren, daß der Werth ihres Zehntheiles, welcher die Rech-
nungsmünze zu bilden haben würde, genau mit 20 Sgr.
der gegenwärtigen Währung übereinstimmt."
3. Sitzung am 30. August 1871.
Auf der Tagesordnung steht die Bankfrage. Die für die-
selbe ernannten Referenten, Dr. Alexander Meyer und Professor
Wagner, sind nicht auf dem Congreß erschienen. Eine unter
Vorsitz Faucher's zusammengetretene freie Commission konnte
sich über Formulirung eines Antrags nicht einigen. Es wird des-
halb von ihr Absetzung des Gegenstandes von der Tagesordnung
befürwortet, wohingegen auf anderweitig geltend gemachte Gründe
der Congreß beschließt, in die Debatte über die Bankfrage dessen-
ungeachtet einzutreten.
Dieselbe eröffnet Körö si (Pest). Redner will die Bankfreiheit,
als unabweisbares Postulat des Obligationsrechts, nur jenen staat-
lichen Beschränkungen unterworfen wissen, die bezüglich des Obli«
ffittt» Pflicht des Staates
ser es, für die Möglichkeit zu sorgen, daß an Stelle des schwer
transportirbaren M tallgeldes Papiergeld stets und unentgeltlich
zur Verfügung stehe. ES fei dies eine Einrichtung von großer und
allgemeiner Nothwendigkeit und Nützlichkeit und stehe mit der Bank-
freiheit nicht im Widerspruche.
Perrot verlangt, daß der Congreß sich für unbedingte
Lanksrnhüt erkläre. Redner will die Notenemission, welche kein
„Geschäft" sei, von dem Bankgeschäft in Zukunft trennen. Er
schlägt zu diesem Zweck eine Resolution vor, die den Modus der
Einziehung der vorhandenen Privatnoten (incl. die der Preußischen
Bank) und deren Ersetzung durch Staatspopiergeld regelt. Sobald
Re Banken keine Noten mehr haben, fei ihr Betrieb völlig freizu-
geben.
Dr. Wolfs (Stettin) kennt nur eine Banknotenfrage, da
ver Staat der Banknoten freiheit gegenüber eine besondere Stel-
lung einnehme, weil Banknoten Geld und dessen Creirung Staats-
regal sei. Der Staat allein trage die Schuld an etwaigen Pa-
pier-Calamitäten. Die Zwangsanleihen in Gestalt großer Papier-
geld-Emissionen geschehen jetzt unter Umständen, welche dieselbe zu
Iner Beraubung der ärmeren auf Kosten der besitzenden Klassen
mache. DaS Ziel der Bewegung müsse sein, daß keine Staats-
kasse Banknoten annehmen dürfe, außer auf Verantwortung des
Steuerzahlers.
Dr. Böhmert will gleichfalls für das Bankgeschäft volle Frei-
Heck. Er beantragt, das Recht der Ausgabe von Banknoten nur
von der Erfüllung allgemeiner Normaüvbedingungen abhängig zu
machen.
Dr. Eras sieht mit Rücksicht auf die faktischen Verhältnisse
in Deutschland in der Freiheit der Noten-Emission für Privatzet-
telbanken eine Gefahr für das Publikum, namentlich für die klei-
ncn Leute. Wenn man die Privilegien der preußischen Bank er-
neuere und dieselbe zur deutschen Reichsbank erweitere, sei eine er-
sprießliche Thätigkeit der Privatinstitute neben derselben nicht denk-
bar (?). Er beantragt deshalb: 1) das Recht der Notenausgabe
unter Respektirung der bestehenden Privatprivilegien ausschließlich
dem Centralbankinstitut einzuräumen; 2) Vorkehrungen zu treffen,
^ttmittelst^deren es möglich wird, die Privatbanknoten einzuziehen
platz für diese Wandelungen des frühesten Mittelalters, und
die Erinnerungen, die seine Denkmäler wachrufen, sind. meist
ernster Art. Fand doch auch Dante hier seine letzte Ruhe,
nachdem ihn seine Vaterstadt verbannt hatte.
Gerne wendet sich der Blick von den Bildern jener längst
vergangenen Tage ab, in welchen ganze Völker in unfrucht-
barem Kamps dahingeschlachtet wurden. Wir folgen unserem
Führer lieber auf einem Ausflug in die Sabina, jenes wun-
dersame, von dem Strom der Reisenden und der modernen
Civilisation gleich wenig berührte Bergland. Gregorovius
ging als Geschichtsforscher auf die Jagd nach unbenutzten
Dokumenten in vergessenen Archiven, aber sein Auge blieb
frisch und offen genug, um Volk und Land zu beobachten,
und es uns in einer Reihe lebensvoller Schilderungen zu
zeichnen. Mit dem Sturz der päpstlichen Herrschaft vor zehn
Jahren begann freilich auch für dieses Land eine neue
Epoche ; die Herren, die von Piemont her kamen, räumten
gewaltig auf; über Nacht waren in Perugia allein zwei und
zwanzig Klöster geschlossen, ihr Besitz zum größten Theil ein-
gezogen, und so manches beschauliche Stillleben grausam
gestört. Ueberall fand Gregorovius die weiten Klostcrhallen
öde stehen, und das Herz that ihm manchmal weh, wenn er
ganze Haufen mittelalterlicher Dokumente, Rollen und Schrift-
stücke aller Art durcheinander geworfen in den Ecken ver-
kommen sah. Sie zu ordnen, sie nur durchzusehen, fehlte es
ihm an Zeit, und doch hat der ächte Geschichtsforscher die
Leidenschaft eines Schatzgräbers. So mußte er die Schätze
ungehoben lassen, um die sich außer ihm Niemand kümmerte.
Die Geschichte schreitet voran, und fragt nichts nach dem,
was einst war, und sei eS auch noch so stolz und mächtig
gewesen.
Mit den Klöstern war noch manche andere ehrwürdige
Institution bedroht, und ist jetzt wohl schon verschwunden.
So unter Anderem die ehrwürdige Schneiderzunft in dem
romantischen Städtchen Todi. Bis zur italienischen Occupa-
tion wählte sich diese löbliche Innung alljährlich ihren „Con-
sul," denn so verlangte es ihre Constitution, welche aus dem
Jahre 1308 flammte. Es war undankbar von Victor Ema-
nuel, der Schneider nicht zu schonen. Manche von ihnen
hatten für ihn die Waffen ergriffen, und nun wollte man
und an deren Stelle Reichsbankzetiel im gleichen Betrage zinsfrei
den Privatbanken zur Verfügung zu stellen.
Herbertz (Uerdingen) beantragt, der Congreß möge erklären:
die Emission von nicht durch Metall gedeckten Noten ist für die
Zukunft zu untersagen.
Meyersfeld (Braunschweig) warnt den Congreß, sich als
unfehlbar hinzustellen. Die Segnungen der Preußischen Bank für
den Verkehr seien so bedeutend, daß eS wünfchenswerth fei, ihre Seg-
nungen nicht auf die Orte ihrer Agenturen zu beschränken. Diese
Möglichkeit sei gegeben in der Unificirung sämmtlicher Privatban-
ken in der Weise, daß alle, unter bestimmte gesetzliche Normativ-
Bedingungen zu stellende Zettelbanken in ihrer Gesammtheit die
Deutsche Reichsbank bilden, mit einer gemeinsamen Note und
einem gemeinsamen Centralpuukte aber mit selbstständiger Einzel-
verwaltung. Redner empfiehlt einen dahin gerichteten Antrag deS
Bankdirectors Benndorf aus Braunschweig.
Dr. R e n tz s ch (Dresden) sagt, die Benachtheiligung der besitz-
losen Klassen durch die Banknotencirculation sei weniger schlimm,
als Dr. Wolff dargestellt. So lange die Goldwährung noch nicht
festen Boden gefaßt, halte er die jetzigen Zustände für zweckmäßig.
Ohne Beschränkung^ könne freilich die Emission nicht stattfinden
und empfehle er die Bestimmungen im Antrag Böhmert, Lam-
mers und Consorten. Andere Beschränkungen ließen sich leicht
umgehen. Den Antrag Eras verwerfe er, weil derselbe dem
etwaigen Centralstatut ein alle Concurrenz erdrückendes Monopol
geben würde. Redner ist momentan gegen jeden bindenden Ent-
schluß.
Dr. Wolff (Stettin): Bei einer Erweiterung der preußischen
Bank zur Reichsbank müsse jedenfalls Sorge getragen werden, daß
sie ihre Geschäfte nur mit anderen Banken, nicht mit Privaten
mache, sonst ruinire fie die Bankfreiheit.
Dr. Oppenheim erkennt den von Wolff statuirten Unter-
schied zwischen einer Bank und einem Privatmann nicht an. In
den von vielen Seiten empfohlenen Normativbedingungen sieht
Redner kein Heil; entweder seien die dadurch errichteten Beschrän-
kungen so groß, daß die Bankfceiheit überhaupt illusorisch werde,
oder die Schranken könnten, wenn sie niedrig gestellt werden, von
Jedem übersprungen oder umgangen werden.
Dr. Böhmert bittet, lieber von jeder Beschlußfassung abzu-
sehen, als ein neues Centralinstitut zu empfehlen. Den Ausführun-
gen GumbrechtS gegenüber vertheidigt Redner die Banknoten, die
bis jetzt immer noch ein nothwendiges Creditumlaufsmittel feien,
dem man nicht von Seiten des Congresses jeden Credit in der
O-ffentlichkeit entziehen dürfe.
Dannenberg (Hamburg) fragt, wie cs zu entschuldigen
sei, daß Privatleute auf Grund ihres Credits eine Begünstigung
durch selbständige Geldcreirung und die sich daran knüpfenden ren-
tablen Geschäfte genießen sollen und spricht vorläufig dem Staat
allein das Recht zu, Noten auszugeben, obgleich dieser leider nicht
controlirt werden und im Krieg und Frieden mit diesem Privi-
legium Mißbrauch treiben könne.
Hundt v. Haff ten bewnt die Schädigung des Realcredits
durch die unfundirten Banknoten, die den fundirten Creditpapieren,
wie Pfandbriefen u. dgl. den Platz verengen. Er beantragt princi-
paliter von jeder Beschlußfassung abzusehen, event, zu erklären:
1) Die Bankfreiheil, d. h. die Aufhebung des Bankmonopols ist
ein nothwendiges Correlat der Wuchergesetze. 2) Jede unfundirte
Banknote ist eine Schädigung d:s Realcredits. 3) Die Emission
von Banknoten schließt auch für den Staat die Gültigkeit an öf-
fentlichen Cassen nicht ein. 4) So weit Creditpapiere durch Mobi-
lien-, Immobilien-, Grund- oder Geldwerthe gesetzlich fuudirt sind,
können dieselben auch zur gerichtlichen Deposickon zugelassen werden.
Perrot: Die irrigen Anschauungen über die Bankfrage be-
ruhen auf der falschen Ansicht, daß Notenemission ein „Geschäft"
fei. Dem gegenüber möge sich der Congreß auf die Erklärung
beschränken, daß die Note kein Wechsel sei.
Dr. Wolff: Der Congreß würde dadurch zu einem Concil
werden, daS Dogmen definirt.
Körösi meint, die Frage, ob eine Banknote bei Staatskassen
angenomncen werden dürfe oder nicht, fei eine Finanz- und keine
Banksrage. Der Begriff „Geschäft" sei von Böhmert nicht definirt
worden. Normativbedingungen seien nicht durchzuführen.
Dr. Dorn (Pest) bittet den Congreß, das stets befolgte Prin-
cip der wirthschaftlichen Freiheit auch in der vorliegenden Frage
nicht aus den Augen zu lassen und der Bankfceiheit nur diejenigen
Beschränkungen aufzuerlegen, die durch die Rücksicht auf das öffent-
liche Wohl geboten erscheinen. Im Uebrigen werde die Concurrenz
das beste und einzig wirksame Regulativ bilden.
Die Debatte ist hiermit geschlossen. Die Versammlung tritt
dem Principalen Antrage Hundt's v. Hofften bei, von einer Be-
schußfassung über die Bankfrage für jetzt abzusehen und die wie-
derholte Berathung derf.lben auf die Tagesordnung des nächsten
Congresses zu fetzen.
Es folgt hierauf die Berathung über den Antrag O. Hem-
p e l' s betr. die Rechte der Schifffahrt auf Binnengewässern. Der-
selbe lautet:
Durch die Errichtung von Eisenbahnen- und Straßenbrücke!!
über schiffbare Binnengewässer muß dre Schifffahrt unvermeidliche
Hemmungen und Gefahren ertragen im allgemeinen Interesse deß
Verkehrs-;
doch darf hierbei die Schmälerung ihres bestehenden und älterer-
Anrechts auf die Wasserstraßen nicht über das Unv.rmeidliche hin-
ausgehen ;
gerechter Weise müssen die Inhaber solcher Brücken auf ihre Koster,
alle Anstalten treffen, welche das Passiren der Brücken weniger bc»
sch «erlich machen können für die Schiffer.
Völlig ungerechtfertigt ist daher Seitens der Inhaber
neuerbauter Brücken die Erhebung von Brückengeld, Ufn-
geld und, bei fehlendem Auszuge, Krahngeld für L^en und
Stechen der Masten.
Der Antragsteller moiivirt seine Resolution dirch eine Schil-
derung der vielfachen Schwierigkeiten und Hemmnisse, welche durch
die Vernachlässigung der Strom- und Cana'rcgulirung für den
Zweck der Binnenschifffahrt den Schiffern erwüchsen. E.; haben
unter Anderem in Berliu die Schiffer über 15,0 )0 Thlr. an
Brückengeld zu zahlen, und e8 gebe auf der Strecke Havrl und
Finow-Canal nicht weniger als 136 Stromengen, welche zu besei-
tigen sich bei keiner Behörde eine Neigung zeige. Namentlich klag
Redner über die Apathie des preuß. Handelsministeriums für ein
Verkehrsmittel, dessen große Wichtigkeit fürden Transport namentlich
von schweren u nicht sehr werthvollen Materialien er nachweist. Er befür-
wortet ferner, daß die Eisenbahnen in W.chselwirkung mit der Binnen-
schifffahrt treten möchten, da beide Transportwege einander keine Con-
currenz machm, sondern sich gegenseitig ergänzen. Der Amrag
wird mit großer Majorität ohne Discussion angenommen.
Endlich rcfenrt v. Kufserow über seinen Antrag betreffend
die Empfehlung der Errichtung von Schiedsgerichten zur
Verhütung von Arbeitseinstellungen.
ihre Zunft auf gleiche Linie mit dm geistlichen Körperschaften
stellen und ihre geringen Fonds einziehen.
Die Aufregung war nicht gering in Tadi, als sich die
Kunde verbreitete, es sei ein seltsamer Mann im Städtchen
erschienen, der sich um die alten Pergamente bekümmere und
in ihnen nach Gott weiß was für Schätzen grabe. Auf diese
Nachricht hin erschien alsbald der Schneiderconsul bei dem
Gelehrten mit einer Anzahl von Papieren und vergilbten
Schriften, ob sich aus ihnen etwas zu ihren Gunsten heraus-
lesen ließe — leider aber fand Gregorovius nur wenig Tröst-
liches darüber zu sagen.
Nicht weit von Rom, aber hoch im Gebirg des Sabiner-
landes liegt in fast unzugänglicher Bcrgwildniß das Städt-
chen Aspra, und Gregorins versichert, daß er kaum je ein
Panorama von gleicher Hcldenschönheit gesunden habe, als
das war, das sich ihm von hier aus bot. Sein Auge
schweifte von dem plastisch geformten Soracte über das ganze
Liberthal, über d e umdrischen Berge und Ebenen, über La-
tium, die Campagna bis zu den fernen Ap innen, und die
ganze entzückende Landschaft war „in den wandernden und
wallenden Karmin des Augustabends getaucht, in Wahrheit
ein Paradier der Erde."
Her fand sich der Wanderer in wahrhaft antiker Welt.
Ein Wirthshaus gab cs nicht; bei dem Schuhmacher des
Ortcs, der etwas dem Aehnlichcs zu haben behauptete, war
es nicht auszuhalten; aber die Gastfreundschaft half aus,
und Gregorovius sah sich bald in einem massiven, palastähn-
lichen Hause eingeführt, deffcn Herrin ihn freundlichst be-
willkommnete. Der Saal des Hauses war freilich verwüstet,
vor einigen Wochen ha:te der Blitz eingeschlagen, Fenster
und Kamin zertrümmert und die Wand zerrissen, daß der
blaue Himmel durchsah. Doch was thut das? Dachte auch
kein Mensch daran, den Schaden auszubessern, so suhlte sich
der Fremde doch bald heimisch bei den einfachen guten Leu-
ten, die seit lange keinen Gast gesehen hatten und mit Ver-
wunderung ihm zuschauten, wie er im Archiv herumkramte.
Und wenn des Tages Last abgeschüttelt war, so lud man
ihn überallhin einsund der würdige Bürgermeister des Ortes
tauchte selbst in den Keller hinab, um einen kühlen'Trunk
edlen Sabinerwems zu holen. In diesen Bergen war von
Er macht darauf aufmerksam, daß die Arbeitseinstellungen kei-
neswegs immer die Frucht socialdemokratischer Agitation feien,
sondern ebenso häufig einen berechtigten Kern haben. In den
wiederholten Strikes liege ab-r eine Gefahr für die CoalitionS-
freiheit und deshalb erscheine es geboten, von dem in der Gewerbe-
ordnung vorgesehenen Rechte zur Bildung von Schiedsgerichten aus
GewerbSgrnoffen Gebrauch zu machen. Redner empfiehlt das von
Mundella in England inaugurirte System der Schiedsgerichte, so-
wie die Organisation der trade-tunon».
Dr. Oppenh eimer nennt K u f s e r o w's Darstellung zu
apologetisch. Der gemeinsame Antrag stimme mit dem überein,
den jüngst erst die strikenden Maurer in Berlin gestellt. Man
möge sich dadurch nicht abschrecken lassen, deur si äuv facmni; idem,
no;j rst idem. Beide, her eigene und der Berliner Antrag seien
gegen die Zerrüttung stabilen StaaitzlebenS durch internationale
Wucherungen gerichtet. Die Freiheit berge ihr eigenes Correctiv
n sich und kurire ihre Schäden selbst, wenn man ihr
treu bleibt. Redner wendet sich gegen Schulze-Delitzsch,
ier nicht auf gesundem Wege sei, warnt vor dem buhlerischen Socialis-
mus, gegen den es keine Hülfe gebe wie gegen Gewalt oder Adfurdi-
ät. Der Lohn regulire sich selbst (?) und könne so wenig wie die
Goldwährung künstlich festgestellt werden; auch gebe es in Deutsch-
'and keinen Klassenhaß, und derselbe werde gleichfalls nur künstlich
mzeugt durch die wirthschaftlich irrcctionellen StrikeS. Man habe
aurch die vielen Schädigungen des öffentlichen Wohls selbst in
England dahin gewirkt, die Cvalitionsfreiheit zu beschränken, doch
>ürfe man den Arbeitern die Schule für daS Leben nicht verschlie-
fen, könne ihnen auch daS Lehrgeld nicht ersparen, man gebe ihnen
ne Freiheit, und sie werden sie zu nützen lernen.
Frsuksurter Ansselegenhriten.
— Frankfurt, 31. Aug. In der am 12. August abgehal-
enen Sitzung des Physikalischen Vereins gab Dr. Rip-
voldr eine Erklärung der Methoden für Höhenmessungen mittelst
Barometer. Nachdem derselbe zunächst die Principien angeführ-,
hie solchen Bestimv unzen zu Grunde liegen und somit ein Bild
jon unseren atmosphärischen Verhältnissen gegeben, ging er speciell
;ur Beschreibung der Instrumente über, die man zu dem Zweck
anwendet. In früheren Zeiten bediente man sich vornehmlich der
Quecksilber-Varometer und bestimmte die Länge der Queckstlber-
'äulen, die an den beiden Orten, deren Höhendifferenz über dem
Meere gemeffen werden sollte, von dem atmosphärischen Druck ge-
halten wurden. Da die Sredctemperatur des reinen Wassers gleich-
falls von dem auf letzterem ruhenden Luftdruck abhängt,^ so be-
utzte man wohl auch diese Temperatur, um sich eia Urtheil üder
ne Größe des Luftdrucks an den betreffenden Stationen zu ver-
chaffen. In dcr letzten Zeit sind die sogenannten Aneroidbarometer
mehrfach statt jener Apparate angewendet u^-d nur die seitherige
unvollkommene Construction dieser ihrem Principe nach tauglichen
Zarometer verhinderte ihre allgemeine Einführung. Eine luftleere
Kapsel ist mit einem sehr elastischen Dackel verschlossen, der durch
le ne Bewegungen die Schwünkungen des auf ihm lastenden Luft-
»ucks anzeigt. Diese für das unbcwaffnete Auge kaum merklichen
Bewegungen werden durch Hebel vergrößert und schließlich entweder
uittelst einer um die Zeigeraxe geschlungenen Kette oder durch ein
betriebe auf den Zeiger übertragen Solche Uebertragungen sind
mdeß ungenau und dadurch für wissenschaftliche Zwecke unbrauch-
mr, indem die Ucberiragung mittelst Kette inconstant ist und ein
betriebe stets todten Gang enthält. Ein kürzlich vom Verein an-
eschasstes Aneroidbarometer, a s der Werkftätte des Mechaniker
))oldschmid in Zürich hervorgegangen, hat die genannten Uebelstände
richt und eignet sich daher vornehmlich zu barometrischen Höhen-
neffungen. Das Instrument, welche? vom Vortragenden vorge-
>:igt wurde, hat nämlich keinen Zeiger im gewöhnlichen Sinne,
!ondern nur die erwähnte Bewezungsvergrößerung des Deckels der
uftleeren Kapsel durch Hebel. Der durch die Größe des Luit»
-rucks bestimmte jeweilige Stand des vergrößernden Endes des
>.bels wird mittelst einer Mikcomrterschraube ermittelt. Wie bei
räen Aneroidbarometern ist auch bei diesem eine vorhergegangene
Zergleichung der Angaben desselben mit den unter den nämlichen
ihruckverhältnissen stattfindenden eines Quecksilberbarometers noth-
oendig. Das besprochene und vorgezeigte Barometer läßt Druck-
hwankungen, die emem Höhenunterschied von 1',, bis 2 Metern
^sprechen, erkennen und zwar enrspricht einem solchen die Ver-
hiebung der Scala um etwa 2 Millimeter, eine Genauigkeit, die
islang von keinem ähnlichen Instrumente erreicht wurde.
Königsberg, 27. Aug. Professor Dr. Vurow hat sich in
einem längeren, ausführlichen, motivirten Gutachten mit dem An-
trage an die Polizeibehörde gewendet, sie möge bis zum Erlöschen
der Cholera alle Erdarbeiten sistiren. Er führt aus, daß
eine Menge der gefährlichsten Miasmen und Gase gerade dem ge-
öffneten Erdreiche entströmen, und stützt sich dabei sowohl auf
eigene Erfahrung, als auch auf wissenschaftliche Autoritäten, na-
mentlich auf Pettenkofer. Die Polizeibehörde hat den Antrag dem
Ztadt-Physicus Dr. Pincus, unter dessen bisherigen zahlreichen
Präventivanträgen ein ähnlicher sich nicht befunden hatte, unter-
neitet; derselbe ist dem Burow'schen Antrage entschieden beigetre-
ten und hat in Folge dessen die Polizeibehörde dem Magistrat an-
gesagt, daß er sofort alle Erdarbeiten für Wasserleitung und Gas-
anstalt einzustellen habe. (Ostpr. Ztg.)
* Posen, im Allgust. In der „Posener Zeitung" lesen wir
folgende KI o st e r g e s ch i ch t e: Eine hier ansässige evangelische
Frau, deren Gatte schon vor Jahren gestorben war, hatte ihre Toch-
ter gut unterrichten lassen, um auf diese Weise am besten für deren
weiteres Fortkomnien zu sorgen. Im Jahre 1866 war nun das
oamals 17jährige Mädchen plötzlich verschwunden. Die betrübte
Mutter wandte sich an das hiesige Polizeidircctorium, um den Auf-
enthaltsort ihrer Tochter zu ermitteln und es stellte sich nun heraus,
oaß im December 1866 der Districtseonnnisiarius in Kriewen ein
Abzugsattest für sie in Posen beantragt und auch erhalten hatte,
indem die Behörde annahni, es geschehe dies mit Zustimmung der
Mutter. Es ergab sich weiter, daß das Mädchen katholisch gewor-
den und in dem Stifte der barmherzigen Schwestern zu Kosten Auf-
nahme gefunden hatte. Vergeblich sind seitdem alle Schritte der un-
glücklichen Mutter gewesen, ihre Tochter wieder zu erlangen. Durch
Einflüsse und Umstände mancherlei Art bestimmt, war diese zum
katholischen Glauben übergetreten und war auch durch nichts zu be-
stimmen, wieder zur Mutter zurückzukehren. In einem Briefe vom
Juni d. I. schreibt sie: „Ich bin, vielgeliebte Mutter, wie Dir wohl
bekannt ist, aus freier, eigener Ueberzeugilng zur katholischen Mut-
terkirchc, in der ich allein innere Beruhigung finde, zurückgekehrt.
Vor 2 Jahren bin ich mit ausdrücklicher Bewilligung des Kreisge-
richts zu Posen, als meiner obervormundschaftlichcn Behörde, ganz
jeher Kraft und einfache Sitte zu Hause, und schon in den
frühesten Zeiten bildete der fabinische Stamm die Haupt-
stütze dcr aufstrebenden römischen Macht. Daß das italie-
nische Volk noch solche Elemente der Gisundhcit und des
Gedeihens besitzt, gibt sicher s Vertrauen aus seine Entwicke-
lung in der Zukunft.
Kleine Will Heilungen.
(Seelenverwandtschaft zwischen Papa Wran-
gel und der „Germania".) Die „B. B.Z." schreibt: „Der
alte Wrangel sch.int Mitarbeiter der (ultramontanen) „Germania"
geworden zu sein. Dieses Blatt bringt eine Besprechung der Ver-
hältnisse von Luxemburg, in welcher gesagt wird: „Durch und
seit der Neutralität haben Stadt und Land sehr gewonnen, in-
dem sich Alles freier bewegt." Letztere Wendung läßt eher auf Carl-
chen Miesnick als Autor des Vorstehenden rathen.
(Besser ohne B a d h a u s e r.) Die „N. B. Ldsztg." bringt
folgenden, in Anbetracht der mustergiltigen Verwaltung der bayer.
Bahnen äußerst „zeitgemäßen" Scherz: Von einem Fremden wurde
unlängst die Frage aufgeworfen, was wohl die auf den bayer. Ost-
bahnwagen befindliche Marke II 0. 0. zu bedeuten habe. „Besser
ohne Badhauser" war die Antwort eines Beamten der bahr. Ost-
bahn. (Badhauser ist der Name des. Direktors.)
(Aus Versehen gerettet.) Eine eigenthümlich traurige
Geschichte entnehmen wir der Malta „Times". Ein junges Pärchen
machte auf dem griechischen Dampfer „Eunomia" seine Brautreise.
Das Schiff gerieth in Brand; der Bräutigam voller Verzweiflung
stürzte in die Kajüte, packt seine Frau auf, und stürzt sich mit ihr
in's Wasser; nach Ueberstehung der größten Todesangst wird das
Paar in ein Boot gerettet, aber mit Grausen sieht der Bräutigam,
daß er — einer Fremden das Leben gerettet hat. Er war in die
falsche Kajüte gegangen. Sofort kehrt er auf den Dampfer zurück,
aber nur um zu finden, daß seine Frau ein Opfer der Flammen
geworden war. Die aus Versehen Gerettete, war eine junge Dame
aus Athen.
aus freiem Antriebe der Congregation der barmherzigen Schwestern
beigetreten. Du verlangst, ich solle zu Dir zurückkehren! Ich kann
es nicht, da ich fest entschlossen bin, als barmherzige Schwester mein
ganzes Leben dem Heile meiner Seele und der leidenden Menschheit
zu weihen und glaube dabei die Worte des Heilandes zu befolgen,
welcher sagt: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, der
ist miiner nicht werth!"
8 Darm stadt, 31. August. Ein Gewitter, wie es in sol-
cher Heftigkeit wohl noch selten hier aufgetreten, entlud sich heute
Morgen von 6—7 Uhr über unserer Stadt. Bald nach den ersten
heftigen Donnerschlägen ertönte Feuerlärm, der Blitz hatte in den
Schornstein der Gasfabrik eingeschlagen und im Theer- und
Essighaus derselben gezündet. Dichte, schwarze Rauchwolken wälzten
sich über die Stadt und gaben Kunde von dem Brande. Rasch
herbeigeeiltcr umsichtiger Hülfe gelang es, das Feuer auf seinen
Herd zu beschränken und ist außer einer größeren Quantität Theer
und dem Holzwerk des Hauses nichts verbrannt. Die Panik in der
Umgegend der Gassabrik war wieder bedeutend, erreichte jedoch nicht
die Höhe, wie bei dem voriges Jahr ausgebrochenen bedeutenden
Brande. — Auch ein Menschenleben ist zu beklagen. Der Stadtge-
richtsdiener Gauß wurde, während er mit seiner Familie am Kaffee-
tische saß, vom Blitz erschlagen/
* Darm stad t, 30. Aug. Daß man den Teufel nicht unge-
straft an die Wand malt, beweist neuerdings ein Vorkommniß in
hiesiger Stadt. Der £ Offenbach-Correspondent unseres Blattes
berichtete bekanntlich in gestriger Nummer dieser Zeitung über eine
eclatante Zugsverspäiung auf der Lokalbahn Frankfurt-Offenbach
und bezeichnete dieselbe in mehr humoristischem als ernsthaftem
Sinne als erstes Eisenbahnunglück im Großherzogthum Hessen.
Heute haben wir nun wirklich ein solches zu verzeichnen, über wel-
ches die „D. Z." unter obigem Datum wie folgt berichtet: „Ge-
stern Morgen stieß auf der Hessischen Ludwigsbahn der
erste, um halb 6 Uhr abgehende Personenzug innerhalb des
Rayons des hiesigen Bahnhofs auf einen ruhig im Geleise stehen-
den Güterzug. Einige Personen in jenem Zuge erlitten Contusio-
die übrigen Passagiere kamen mit dem, übrigens nicht gerin-
gen, Schrecken davon. Der Zug verspätete sich in Folge dieses
Unfalls um etwa zwei Stunden."
* München, 29. August. Der (streng-katholische) Universi-
tätsprofessor Dr. C a j e t a n 0. K a i s e r ist im 69. Lebensjahre
gestorben. Derselbe war seit vielen Jahren Conservator des techno-
logischen Cabinets und auch Professor dcr angewandten Chemie an
der polytechnischen Schule.
* London, 29. Aug. Sir Roderik Murchison, der frühere
Präsident der geographischen Gesellschaft, veröffentlicht einen Brief
von Dr. Kirk, dcm engl. Konsul in Zanzibar, d. d. 19. Juli, in
welchen: es heißt: „Ich bedaure, Ihnen keine weiteren Nachrichten
über L i v i n g st o n e geben zu können. Was ich zuletzt über seine
Reise nach jenem wenig bekannten Orte westlich von Tanganyika
schrieb, hat sich bestätigt, und die Araber aus jener Gegend schei-
nen ihn vollständig als einen beständigen Ansiedler an jenen Orten
anzusehen. Das bischen Eifersucht, welches die Araber anfänglich
gegen Livingstone zu zeigen schienen, ist geschwunden und vor weni-
gen Tagen habe ich mit der ersten Karawane dieser Saison einen
Brief an ihn nach Ujiji geschickt. Verzweifeln Sie nicht. Der Doc-
tor geht langsam aber sicher vorwärts; er sondirt offenbar seinen
Weg und ist entschlossen, diesmal nur wenige Zweifel hinter sich
zu lassen."
* London, 29. Aug. Im irischen Canal ist der Dampfer
„Aber" von dem Postdampfer „Prussian" in den Grund gebohrt
worden. Es gelang die sämmtlichen Passagiere und Mannschaften
des sinkenden Dampfers zu retten, doch erlitten zwei der ersteren
erhebliche Verletzungen.
(Oesterreichische Rentenverkäufe durch daS
Finanzministerium.) Wie man aus Wien schreibt, hat
her Finanzminister durch die österreichische Creditanstalt Rente für
7 6 M llionen Gulden Nominal von jenen 9,6 Millionen Gulden
Nominal begeben lassen, zu deren Verkauf er durch den Artikel V
-res Finanzgesetzes vom Reichsrathe ermächtigt wurde. Die Staats-
chulden-ControlS-Commission besitzt volle Kenntniß von dieser
Operatio.': ur'd erhebt dagegen umsoweniger Einsprache, als der
verkauf auf Grund deS Finanzgesetzes wie des ConvertirungsgesetzeS
nfolgt und sich auf zwei Millionen Gulden weniger erstreckt, als
ie gesetzliche Ermächtigung lautet.
(Anlehen der Stadt Debreczin.)' Ein Debrecziner
Communal-Anlehen ist im Anzuge. Der Magistrat jener könig-
:chen Freistadt wird der Stadtrepräsentanz den Antrag stellen
städtlschen Zwecken ein Anlchcn von 1,250,000 Gulden aufzu-
nhm-n.
(Die Bank der Vororte in Wien) wird in der näch-
sten Woche ihre Thätijikeit beginnen. Sie bereitet für die Vororte
ine größere Anleihe-Overation vor.
(Schiffsnachrichten.) Das Postdampfschiff „Holsatia",
Capitän Meier, von der Linie der Hamburg-Ainerikanischen Packct-
jahrt-Actien-Gesellschaft ging am 30. August von Hamburg via
Havre nach Newyork ab. Dasselbe hatte außer der Post 191 Pas-
jagiere in dcr Kajüte und 498 Passagiere im Zwischendeck.
Börserlberichtr.
Wien, 30. Aug. Die Gcldverhnltnisie haben an Schwierig-
keit sehr verloren; vom Auslande wurden höhere Course gemeldet;
m Folge dessen verkehrte die heutige Vorbörse in günstiger
Stimmung. Am lebhaftesten waren' Credit, die, mit 291.70 ein-
setzend, auf 292.80 sich erhöhten; Anglo gingen von 258.60 auf
259.50, Union von 268.80 auf 269.75. Franco schwankten zwi-
schen 123.20 und 123.50; Ungarische Bodencredii variirten zwischen
L38.25 und 138.75 ; Wechslerbank behaupteten 146.50, Austw-
Egyptische Bank 136.50. Von Bahnwerthen waren Staatsbnhn-
actien gesucht und bis 384 aus den: Verkehr entnoimnen; Lombar-
den gingen von 180.80 auf 181.10, dagegen konnten Karl-Ludwig-
bahn keine weitere Avance gewinnen, und reagirten dieselben von
256 auf 255.50. Die beiden Rentcngattungen kamen höher in
Nachfrage. Mai-Rente 60, Silber-Rente 70.10. Ungarische Loose
wurden bis 100.50, Tramway bis 212 abgeschlossen. Die Valuta
matter, 20-Frs.°St. 9.62l/e nach 9.640». Zu Beginn der Mittags-
börse herrschte im Allgem. wenig Geschäft; Credit gingen aus 293,20,
Anglo schwankten zwischen 258.90 und 259.30, Union zwischen 269.20
und 269.60, Franco zwischen 123.10 und 123.50, Austro-Egyp-
iische streiften an 137. Bahnwcrthe schwach begehrt. Elisabcthbahn
234, Kaschau-Oderberger Bahn 186.75. Renten höher. Silber-
Rente 70.25, Loose behauptet. 1864er Loose 140.25, ungarische
Prämienloose 100.75, Valuta unverändert.
* Paris, 29. August. Die Börse eröffnete auf den Antrag
des Deputirten Rivet hin in matter Haltung, doch zogen Preise
später an. Der Report erhält sich auf vornwnatlicher Höhe, er be-
trägt ca. 24 Cts. Die Prännensätze sind unverändert, per Sep-
tember 50 Cts. — 1 Fr. 30 Cts. für 5proc. Anleihe und 1 Fr.
für 3 pCt. Rente. Fonds sind still, Italiener fest, 60.60. Oesterr.
Staatsbahn sind 812.
ikitm* Mö ProdMrAMLrkle.
NstVSsds.
Hamburg, 80. Aug. Maizen in loco ruhig; Umsätze wurden nicht
bekannt. Termine fest; per August 150 B.. Uüji ©., August-Scpt. 150 B,
149-6 G.. Sept.-Oct. 150i/2 B.. I49i|2 G-. Oct.-Nvv. u. Nov.-Dcc. 15' B..
151 G. Roggen in loco ruhig; bezahlt 1288' alter Mcctl. 113 M. Beo.;
angcbolen 111,248' Dän., Meckl. und Märk. zu 108—115 M. B o. Terniine
ruhig; -er August 104 B.. 183 G.. Auqust-Sept. 104 B., 103 G-. Sest.-Oct.
IO. 58., 103 G-. Oct.-Nov. u. Nov.-Dec. 105 B.. 1Ü4 G. Gerste in loco
ruhig; angeboten 105/llütf Chevalier Saal 108 120 B.-M. Hafer in loco
stau; Elber, Märk. u. Meckl. zu 100—114 B.-M. am Marti, Alles per
2000 « Netto.
RomairShor», 28. Aug. D e bessere Stimmung im Getreidegcschäft
dauert fort. In der verflossene!, Woche zeigte sich eine Festigkeit, wie schon
lange nicht mehr. Für gute Waizensorten wurden hohe Preise erzielt, wohl
war dagegen der Umiatz kein weseutllcher, da die Müller in die gegenwärti-
gen Preise kein- Vertrauen sehen und daher nur kaufen, was sie nothwendigst
redürsen. Die Haferpreise sind fortwährend im Suikeir begrissen. Der heutige
Markt in hier war mittelmäßig besucht. Umjatz gering der fest bchauotelen
Preisen. Wir noliren: viusstichwaizen per Dopprlcentner Fr. 34»/»—3,,
Prima-Theißwaizen Fr. 33y2— 34, guter Waizen Fr. 31—32%, geringere
Sorten Sorten Fr. 2»- 80 (franco Romuntzhorn verzollt.)
London 30. Aug. Der Getreidemarkt eröffnete für Waizen fest, aber
ruhig. Mehl rublg. Frühjahrsgetreide schleppend. Hafer, Petersburger
17^— 8 sh. Waizen, Saxonska- 47—50 sh. Schluß für alle Artikel in
fester, aber ruhiger H-.ltung.
Petersburg, 29. Aug. Waizen loco 11.50. per August 11Y«. Roggen
loco 6.:-0, per August 6.25. Hafer loco 3,80, per August 8.10.
<ä£>$lVttU£>
Hamburg, 39. Aug. Spiritus ruhig. Kartossel-Roh- ver 80/4 80 o/g
incl. Ciseuband-Sprilstückt per Auu.-Sept. 22 Thlr., Sept.-Oct. 22 Thlr.,
Oct.-iiiov. 22 Thlr.. April-Mai 22 Thlr. L 8 Ml., Alles Bries.
Lnrii«, 30. Aug. Mbv! mail und eine Kleinigkeit niedriger. Rübdl
•jtt 10 äu. iocu 281/6 Thlr, .-er August 281/6. August-Sepr 5.8t«, Sev>.^
Oct. 281,6 Hz.. Oc1.-Nov. 27% dz. Nov.-Dec. 27 Hz. u. B., April-Ntai 27—
26U/12 Hz. Äemdl per KR* kxi. loco Thu. Petroleum loco -8Ve,
3tT August 18 B-, August- Sept. —, Sepr., Oct. 127',—5/» bz. u. G-, Ocl.-
Nov. 13-/« G.. stkov.-Dec. 13«/, Hz.. Dec.-Jau. 11.
80. Aug. Rüdur per rvu Kri. trco "8 B., per August L7»j«,
Hcrbst 27»/, G.
rvreSlau, 30. Aug. Rübvl loco 132/,, m Sept.-Oct. 13%,. April-
Mai 13.
«öln, 30. Aug. Rübvl per 100 W mit Faß effectiv in Partien von 103
Ctr. Thlr. I5i/« B-, per Oct. 15»,,o bz.. Ivs/ro B., 15% G-. per Mai -
Zeitung.)
Abiaufs-
Jnhaber
Aus er-
uy* zu
Hz.. 147/10 B.. 1418/go G. Leinöl per 100 * mit Faß effectiv in Partien von
100 Ctr. 122/10 B. Rübvl und Leinbl unverändert.
Hamburg, 8V. Aug. Repssamen fest; berahlt seiner Eider 254% Mk.
Bco.: angeboten Meckl.. Holst., Märk und Oberlünd. 248—254 Mk. Bco.
Rübsen fest: angeboten Meckl.. Holst und Niederclber 288—244 Mk. Bco. —
Petroleum still; loco 12«/«—?/» Mk., per Sept. 1/% Mk. bz. u. G-, bls B..
Oct.-Dec. 13i/s Mk. bz.. B. u. G. — Rübvl loco 29?/« Mk, per Oct. ruhiger.
297/,-»!« Mk.. Mai 277/, Mk. — Leinöl fest, loco 22% Mk., per Sept.-Dec,
221,« Mk. Gd.
Hamburg, 30. Aua. Butter leblos, Preissordcrungen unverändert, Ver-
käufe unbedeutend. Feine Holstein. Stellen 73—74 Thlr.. feine Mecklenb.
Stellen 69—70 Thlr. Kleine feine Lieferungen bedingen höchstens Thlr. 66
—68 Thlr. Miitelwaare kehr schwer verkäuflich und reichlich angeboten, 54—
60 Thlr. Frische Bauer-Butter etwas begehrter, 56—60 Thlr, ältere Qua-
litäten stau und nominell.
Vutwerve«, 3!). Aug. RaffinirteS amerikanisches Petroleum behauptet ;
effectiv blank fr8, 50>f- 51 h,.. 51-52 B.. ver August 50% bz., 51 B..
per Sept. 50% Hz.. 51 B., 3 letzte Monate 52 bz. u. B.
Petersburg, 29. Aug. Talg loco 58%, per August 58%. Leinsaat (9
Pud) loco 14, per August 13%.
Thrnn nnd Fische.
Rotterdam, 29. Aug. (Originalbericht der FranNurtee Zeitung.)
Sardellcn. Von ^669r wurden neuerdings einige Hundert Auker zu fl. 21
begeben und dürste zu diesem Preise bei wenigstens 50 Ankern weiter anzu-
kommen sein. 1871r bedangen je nach Qualität fl. 21—LH/,, wozu noch zu
kaufen ist.
EsLonislwÄNtke« nnd LÄNdeKpfsVnete»
Hamburg. 30. Bug. Kaffee fest. Verkaust 2950 S. Rio, 3300 S. San-
!os schwimmend und 4000 S. loco.
Rotterdam, 29. Aug. lOrrginalbericht der Frankfurter 5
Kaffee verkehrt fortwährend in einer sehr festen Tendenz. Zu den
preisen letzter Anction hält das Gesuch an, aber ohne Erfolg, da die
unter Avanz nicht loslasien wollen. — Zucker. Roher etwas fester,
ster Hand wurden hier 337 Körbe Samarang, gut jedoch feucht, No.
st. 35 verlaust, und in Amsterdam: '«24 Körbe Japaraa, sehr gut und schw,
aufgelagert. No. 1752 fl, 85i/«. 296 Körbe Probolingo. gut und weich, No.
9% zu fl. 301/«. 273 Körbe do. gut und weich, ausgelagert, No 13i» zu 34%,
2-iO Körbe Samarang, gut einige seucht. aufgelagert. No. 18 zu st. 35. —
Reis fester; von London kommen die Preise von Arracan 6 d. höher ab. und
in Folge dessen sind auch hier die Eigner von Java etwas fester in ihrer
Haltung. — In Kümmel fanden einige Umsätze zu fl. 19i/»—i/« erste Kosten
statt; nun hält man auf fl. 19%, wozu gestern nichts umgesetzt wurde. Die
Anfuhren bleiben klein, woraus man schließt, daß die Ernte dieses Jahr kleiner
als die vorjährige sein muß.
Havre, 28. Aug. Kaffee still, Wynard srS. 146 per 50 Kil. bz. Bahia-
Caca frs. 97%, Guayaquil frs. 100 bz.
London, 30. Aug. Zucker. Eine Ladung Mauritius fand zu 30 sh. und
eine Ladung Havana, theils No. 8%, theils No. 13%, zu 29% Nehmer.
iif#
Wagner'r tel. Correspondmz-Bmernr.)
Darmstadt, 31. Aug. Heute früh entlud sich übkr
Darmstadt ein surchtbares Gewittei, wobei der Blitz in die
Gasfabrik einschlug und mehrere Personen tödtete. Der
Dachstuhl des Gebäudes und das Theerhaus brannten ab.
Das Gewitter währte hier und in der Umgegeild fünf
Stunden.
Gumbinnen. 31. Aug. Jtt dem Dorfe Czimochen
(Kreis Lyck, 479 Einwohner) sind bis jetzt 79 Cholerafälle
vorgekommen, wovon 46 einen tödtlichen Ausgang nahmen.
Die Regierung hat die ausgcdchnlesten Vorsichtsmaßregeln
getroffen.
Pari-, 31. Aug. U-.ber den wahrscheinlich ii Verlauf
der heutigen Sitzung sind die Ansichten sehr ver chi den, doch
sind die Meisten überzeugt, daß der Antrag V:tet mit gro-
ßer Majorität angenommen werden wird, da demselben nur
die äußeiste Linke und die äußerste Rechte entgegen sind.
Von gewisser Seite gibt man sich, jedoch vor ussichtlich er-
folglos, viele Mühe, die Linke zu bewegen, ihr Mandat
niederzulegelr. Briefen aus Versailles zufolge beabsichtigte
die Majorität keineswegs von der ihr zuerkannten constitui-
renden Gewalt Gebrauch zu machen und die Monarchie za
proklamiren oder in anderer Weise das Uebereinkommcn von
Bordeaux zu verletzen.
Tklegraphische Handelsberichtr.
«eelttt, 30. Aug. 31. Aug.
Oberschlefiscke E.-A.
Rheiniiche E.-A. . . .
Bcxbacher E.-A. . . .
Mainz-Ludwtgshafeu
griebr.-Wilb.-Nordb.
est.-ftanz. Staatsb..
s/tahebahn-Actien. . .
Magdcb.-Halb. Pr. .
Lombarden. ......
50/0 Preuß. Anl. . . .
4%°,o dto.
Staats-Schuldscheine
3%<Vo Prärnien-Anl..
Galizier............
Loose von 1854 ....
Credit-Loose........
Loofe von 1860 ....
Loose von 1864 ....
Papierrenie ......
Silberrente ......
5% Russische .....
1882r Amerikaner . .
Russische Banknoten .
Darmstädter B.-A.. .
Disconto-E.-Anth.. .
Meininger B.-A.. . .
Norddeutsche B.-A.. .
Ocst. Credrt-Aciien .
Jtal. Anleihe.......
4‘Vo bayer. Pr.-Anl. .
5o/o sächsische Anleihe
45/0 vadifche Pr.-Anl.
W. a. Wien 2 M.
„ „ Petersb. 3 W.
. . .3 M.
. . London 3 M.
Raab Grozer 82»/»
143% 145-
188»l« 189-
155»,« 156
101— 100»!«
212% 2111,1
88—
99!/, lCOl/8
101»/« 1017,
991/« 991/«
85',. 851/«
1247,» 125 -
106»/« 1061,«
79- 79-
102% 102—
86- 86u,
78- 78%
49% 49i/s
58',« 68%
87% 871/s
96'/« 96%
80 8O1/8
155- 155%
1787/, 174-
143»,« 143 V«
171%
163 102-
59- 59—
112-,« 112%
HO',« HO»,«
817/. 817/,
871!. 871,«
6.191,1
Süddeutsche $
W a. Pari»
... 2 Mi
Ruff. B.-E. 1.......
. 2..........
Ruff. Anl. V. 1870 . .
5°/o Danzign Anl..
Bergisch-Mürkische . .
5o/o Gothaer Ant. ..
Qberfchlefische Pr. . ,
50/0 Badische .....
Meininger Loose . .
Georgia.............
Rocksord ..... . .
Peninsular . . ...
Kansas..............
South Western....
South Missouri . . .
Hamb. Commerzbank
Deutsche Bank.......
Bad. Bankaktien . . .
Rumänier............
Halberstädter.......
Hamb. Siaatsanl. . .
Ungar.-Galiz........
Ruff. Pr.-Anl. v. 64
66
80. Aug. 31. Aug
kur»
90»/«
87-
100-
134%
73««
43%
67—
79-
881/s
73i/8
SS
120-
4U/«
Bundcs-Anleihc . . .
Bayer. Kriegä-Anl. .
Schatzscheine........
Köln-Mindcner Loose
Oberhessische........
Oest. Nordwestbahn .
South Eastern . . .
Neue Berliner Bank.
Berl. Bankverein. . .
Neues ttanz Anlehcu
cbencrebit —. Belgische Wechsel kur;
«V-/1S, WH aiuiuiuqiüagu vu. B. US!/«. Ungarische Loose 66—
Braunschweiger Kreditbank-----. Belg. StaatSaiinuitäten 114»/«, Nordbabn-
Prioniälcn-----. Schluß ruhig m
“—*• - 3, 30. v
130»,z
129»,«
1007,
1007/,
100»<8
95»,.
79'j«
121%
751/«
102»,,
1193,8
787/, s
87-
100%
136—
741,8
44-
67 -
791/8
88»/,
73%
110%
112 —
1197/8
40»«
130»/«
129»,«
1007/,
1007/8
1008/8
961/s
797/8
w
1031/4
119»i«
Äug. 31. Aug.
30. Aug. 31. Aug.
591/s
798-
379—
2%«/o
Oesterr. Creditactien. 214% 246— Silberrente........... Sä~
186-1 Amerikaner . . 92i/e 92i/s Staatsbahn ...... 799—
IStiOt Loose...... 87— 871/« Lombarden.......... 374-
Hamb. St.-Pr -Anl.. 92»/. 82»/« DiSconto.......... 2i/£o/t
4y«v/o Finnl. ..... — —
'LZten, 31. August, IO1/» Uyr. Credit-Aetien 294.50, 1860t
Loose 101.10, I664r Loose 140 30, Lombarden 181.50, Staats-
bahn 38(5.50, Papier-Rente 60.10, Napoleonkd'or 9.63—, all ter
256 30, Franko-Bank-Actim 123.8 ), Anglo-Bank-Actien 260.—.
Lebhaft.
Pleris, 31. Auo. (AnfangSeov-rse.) 3pCt. Rente 86.35—,
Neues AtU. 86X5, Amerikaner 106.50, Italiener 60.65, Türken
47 20, Tiaatsbahn 81 «.25, Lombarden 388.78, Spanier —.
Fest-
ParXL, 3!. August. Producicnmarkt. Rüböl eff. 118.—
per August 1:8—, vier letzte Monate 119.-—. Mehl eff. —
per Ausmst 82 50. ver EcpLrwber 83 —, ver September-
Deceml er 83.50. Spirit«» eff. —. Zucker 64.—.
«msterdam, 30 Aug. 31. Aug. ^ 30. Aug. 31. Aug.
2%°/o Integrale
30/0 Spanier . . . .
1881r Avierikaner .
1882r
1874r
Oesterr. Papierrenie
Mai-Novbr. . . .
Febr.-August
4%o.d Rente.
30/0 do............
1882t Amerikaner .
ttaliener ........
redit Mobilier . .
Credit von Pereire.
Lombarden
48%
486/«
Pari». 30 Aug
58%
267/,
967/.
53»/«
271/«
971,«
81.50
56.17%
106.50
60.55
178.-
388.75
486/8
487/8
31. Aug.
82 50
66 35—
106.62
61.05
178.75
391.25
Ocherr. Silberrente
Jan.-Juli....
April-Oct. . . .
1864r Loose ....
»:1 aus Wien
ussen ....
Türken..........
Spanier von 1869
571,«
567/,
138—
96—
94«/«
447/,
317/,
673/8
57—
138«/«
96-
94%
46-
32—
StaatSbahn.
Nordwestbahn. . . . .
Spanier ........
Franz. Kabeiactien..
Lürten.........
Ladats-Obligaüonen.
Neues Anleben . . . .
30 Aug. 31 Aug
807 50 812.50
82.06 82»/,
47.15 4725
88 50 88.77
Neue Staatsbahn —. Fest.
Lsndorr, 31. Aug. AnfangScourse. 3M. EonsolS 93'/r»,
1882! Amerikaner ! 3'/s, Türken 466 u, Italienische Rente 59 /»,
Lombarden 153/»e Spanier 32'/«, Neue Russen Silber —,
Crie —, Illinois —.
BsrNn, 31. Aug Getreidemarkt. (Schlußbericht.) Ropge»
per August 51—, per Sept.-October 51'/«. RLböl per August
28'/«, per September-Octobrr 28'/« Sp'rituL per August-Sep-
tembec 18 06, per Srptember-October 18-02.
Hamburg, 31. Aug Getreidemarkt. (Schlußbericht.) Walzen
per 2000 Pfp. netto mindestens 127 Pfd. holl., per August-Sept.
14')— Br. 148— G., per Octbr.-Novbr. 150'/, Br. 149‘/e «.
Roggn: per 2000 Pfd. netto mindcstcns 118 Pfd. holl., per Aug.-
Sept. 101— Br 103—G., per Oct-Rovbr. 105— »r. 101— ».
RüÄöl ioco 29'/«. per Oct. 297/s. Spiritus loco 22—, per Scpt.»
Oct. 22—. Kaffee —.
Gff-kt-Ass rietet.
6 31 August 6'.'« Ahr «bends. Credit 2>4
bez., Star-:! ahn 371°»—°/» bez, junge Staatsbahn 358'/»—
60—59'/« bez., Lombarden 176—'/«—6 bez., Elisabeth 228'/,—
9 - 8'/, bez., Nordwestbahn 213"/« G., Silbeirente 58" t» G.,
Oberheffen 79'/i bez., Amerikaner 95 '/;« bez. Sehr fest und
lebhaft.
^ Aüdmisstouen.
Hessische Ludwigsbahn. Hecstellung deß BahnkölperS und der Kunfi-
baulen der beiden Strecken von Monsheim nach der Grenze
gegen Bockknhrim und von Monsheim Uber Wochenheim nach
der Grenze, von Ainy nach der Landesgrenze, veranschlagt auf
zusammen 169,177 fl. Offerten bis 9. September an daS
Sekretariat des Verwaltungtzraths in Mainz.
/
1
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Oesterr. Diskonto - Bank in Liquidation.
Die Oesterreichische Disconto-Bank in Liquidation beehrt sich kundzugeben, daß nunmehr nach
Ablaus des gesetzlichen LtquidationS-Termines und nach erfolgter Prüfung und Genehmigung derBilanz
seitens des Revisions-Ausschusses das Liquidirungs-Resultat vom 2. September 1871 angefangen gegen
Einziehung der Actien-JnterimSscheine (Certificate) der Oesterreichischen Disconto-Bank bei der Li^
quidatnr der Union-Bark zur Vertheilung gelangt.
Es entfallen auf je
zehn Stücke mit 40 pCt., d. i. jl. 80. — ö. W. eingezahlte Aktie« der österreichischen Dis?
ronto-Bank, drei volleingezahlte Aktien der Union-Bank a st. 200. — ö. W. und außerdem
entfällt aus je Eine Aktie der Oesterreichischen Disconto-Bank ein Betrag von
fl. SS. 06 kr. österr. Währ.
Eine Verzinsung der zur Hinauszahlung bereitgehaltenen Baarbeträge nach dem 2. September
d. I. findet nicht statt.
Baarbeträge und Actien, welche bis 31. December 1871 nicht behoben sein sollten, werden
bei dem k. k. Handelsgerichte in Wien deponirt werden.
Wien, 26. August 1871.
Oesterreichische Disconto-Bank in Liquidation.
12224 Union-Bank.
K. K. privil. Ssterr.
Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe.
Die zufolge des § 51 der Statuten per 30. Juni 1871 aufgestellte vorläufige Uebersicht des Standes der Ge-
sellschaft weist - im Gewinn- und Verlust-Conto folgende Posten nach:
Gewinn:
Provisionen fl. 739,278.50
Zinsen „ 1,909,636.55
Devisen „ 130,420.23
Gewinn an Effecten „ 1,829,245.08
Verschiedenes __„ 292,690,29 fl. 4,901,270.65
Lasten und Verluste:
Gehalte fl. 275,742.10
Spesen „ 130,711.52
Steuern „ 503,219.09
Abschreibungen „ 4,708.67
Verschiedenes „ 12,524,41 „ 926,905.79
Reingewinn für den l. Semester 1871: fl. 3,974,364.86
Die Gewinne aus den Consortialgeschästen sind nur insoweit in dieser Ausstellung einbezogen, als dieselben am
30. Juni 1871 abgerechnet waren.
*Unser Gewinnantheil,- an dem gemeinsamen Bank- und Waarengeschäste der ungarischen allgemeinen Creditbank
ist in der Rubrik „Verschiedenes" mitbegriffen.
Wien, 29. August 1871. 12223
Bl« Diredton
dcr k. k. priv. öftrer.
Credit-Anstalt für Hnndel «nd Gewerbe.
Gesellschaft
znm Betriebe der Cur-Etabliffements in den
Badeorten Wleshadea und JEms.
Die zweite diesjährige ordentliche Generalversammlung der vor-
genannten Gesellschaft wird
Dormerpag de» 12. Oktober e, BsrmlttagS 11 Uhr,
in dem hiesigen Curhause abgehalten.
Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen in den 88 24 bis 30 der
Statuten werden die stimmberechtigten Herren Actionäre zu derselben hierdurch
eingeladen.
Tagesordnung:
1) Bericht der Revisoren über die Rechnungsprüfung;
2) Bericht und Rechnungsablage der Administration;
3) Beschlußfassung über die zu vertheilende Dividende;
4) Wahl zwe er Revisoren;
5) Beschlußfassung über etwaige Anträge. 12221—22
Wiesbaden, 28. August 1871.
Die Administration,
Taunus - Eisenbahn.
In Folge der Einführung des Transport-Reglements für den Norddeutschen
Bund sind für den Nordwestdeutschen Verband neue zusätzliche Bestimmungen zu
demselben erschienen, über welche, sowie über ein revidirtes Waaren-Verzeichniß,
das Nöthige bei unseren Güter-Expeditionen eingesehen werden kann.
Frankfurt a. M.. 30. August 1871.
I. A. d. Verwaltungsraths die Direction der Taunus-Eisenbahn:
12209—10 Wernlier,,
Mit dem 1. October l. I. soll die neu errichtete Gewerbschule in Kissingen
in ihren beiden ersten Coursen eröffnet werden.
An dieser Unterrichtsanstalt ist die Stelle eines Realienlehrers noch zu be-
setzen. Mit dieser Lehrstelle ist ein jährlicher Anfangsgehalt von 700 fl. verbun-
den, deffen Erhöhung bei vorzüglicher Befähigung und Berufsersüllung des Lehrers
in Sexennialzulagen von je 125 fl. bis auf 1200 fl. in Aussicht gestellt ist.
Außerdem erhält derselbe bei gleicher Voraussetzung schon während des 1. Dienstes-
sexenniums eine besondere Theuerungs - Zulage von 200 fl., die in den späteren
Dienstjahren der normalmäßigen weiteren Feststellung unterliegt.
Bewerber um diese Lehrstelle haben ihre mit den vorgeschriebenen Belegen
versehenen Gesuche, welche über ihre persönlichen Verhältniffe, insbesondere Alter,
Heimath, Konfession, Familienstand, Art der Vorbildung, bisherige Verwendung,
allenfallsige literarische Leistungen und tadelloses Verhalten in sittlicher und staats-
bürgerlicher Hinsicht genaue Angaben enthalten sollen, bis spätestens zum
18. September l. I. bei dem Stadtmagistrate Kissingen einzusenden.
Dabei wird noch insbesondere bemerkt, daß denjenigen Bewerbern, welche
schon als wirkliche Lehrer V-rwendung gesunden hatten, ihre bisherigen Dienst-
jahre angerechnet werden, und daß auf diejenigen, welche zugleich auch befähigt
und bereit sind, bis zur Errichtung eines dritten Courses an der genannten Lehr-
anstalt den Unterricht in der französischen Sprache in provisorischer Weise zu
übernehmen, bei Besetzung jener Lehrstelle entsprechende Rücksicht genommen wer-
Len wird. 12158
Dächer aus Steinpappe
nun seit 30 Jahren eingeführt und von allen Regierungen den Ziegeldächern
gleichgeachtet sind, wenn von gutem Material solid hergestellt, die billigsten leich-
testen Bedachungen, die große Dauerhaftigkeit mit staunenwerther Feuersicherheit
verbinden.
Unterfertigte Fabrik liefert tadellose Dachpappe zu 2— 212 kr. per Oua-
dratfuß franco und übernimmt komplette Eindeckungen in Accord zu 4—4!/s kr.
per Quadratfuß franco. 6523—29
Fabrik feuersicherer Stein-Dachpappen von
Peter Seck in Nürnberg u. München.
Thätige Agenten werden noch gesucht. 6523°9
I
i
Für Haarleidende. ■
u.:. ec.— XJi
Wie wir hören, wird HerrCon-
servateur Bühligen aus Leip-
zig nächsten Donnerstag den 7.
und Freitag den 8. September
auf der Durchreise in unserer Stadt
im „Hotel Drexel" verweilen.
Der bedeutende Ruf, welcher den
Euren des Herrn Bühligen durch
ganz Europa vorangeht, veranlaßt
uns, alle derartig Leidende darauf
aufmerksam zu machen.
12225 Die Red.
Offene Reise-Stelle.
Für ein Tuchgeschäft en gros wird
zum baldigen Eintritt ein tüchtiger gewandter
Mann, welcher diese Branche genau kennt
und nicht unter 24 Jahre alt ist, gesucht.
Demjenigen, welcher Württemberg,
Bayern und Baden schon bereist hat,
auch von einem empfehlenden Aeußeren be-
gabt ist, würde der Vorzug gegeben werden
Franco-Offerten unter Chiffre.!', K. 69 beför-
dert die Annoncen-Expedition von Haasen-
stein & Vogler in Stuttgart. 1218,'
Eisenbahnbllu - Requifi-
teu-Bcrkaus.
Der Unterzeichnete hat 6 Stück gute Roll-
wagen, 2,5' Spurweite je circa 66 Kubikfuß
haltend; 1 Stück Rollwagen zum Stein-
Transport mit Pritsche, 2,5' Spurweite; ca.
12 Centner gut erhaltene H-beisen, je 20 bis
100 Pfund schwer; circa 12 Centner Schlag-
und Stoßbohr.r von 7"' bis 12"' Durchmes-
ser, 6 bis 8' lang, mehrere Bohrschlegel rc.
billig zu verkaufen. Kauflustige wollen sich
gefälligst wenden an
Carl Eiberle,
12163 ' Ulm, Sit. B. 76.
Ein taubstummes Kind,
welches eine in sehr schöner und gesunder Ge-
gend gelegene Taubstummen-Anstalt besuchen
soll, kann von einem Lehrer dieser Anstalt
in Pension genommen werden. Briefliche
Anfragen unter Nr. 12168 besorgt die Ext
pedition d. Bl. 12168
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mit Jemand associren, welcher das Geschäft
gründlich kennt, seine Qualifikation durch
Zeugnisie nachweisen, und wo möglich, wenn
nicht das gleiche, doch etwas Kapital zulegen
kann. Offerte unter Nr. 12159 besorgt die
Expedition dieses Blattes. 12159—60
Reisender-Gesuch.
Ein Reisender (Jsraelite), der Württem-
berg und Baden in der Manufulturwaaren-
Branche schon bereist hat und ausgezeichnete
Zeugnisse besitzt, wird zum möglichst baldigen
Eintritt gesucht. Franco - Offerten unter
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fenster» s» Voller in Stuttgart,
Königsstr. 54. 12184—86
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GrimSby und Havre anlaufend,
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(Aspinwall) mit Anschluß via Panama
nach allen Häfen des stillen Oceans und via San Francisco nach Japan und China
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Dampfschiff Bavaria, Capt. Stahl, am 23. Oct.
. Dampfschiff Boruffia, Capt. Kvhlrwein, 23. Nov.
zwischen Hamburg-Havanna und New-Orleaus,
auf der Hin - und Rückreise Havre und Santander anlaufend,
von Hamburg: von Havre: von Santander: von New-OrleanS:
Germania, 23. September.
Saxonia, 21. October.
Vandalia, 18. November.
Germania, 16. December.
26. September.
24. October.
21. November.
19. December.
30. September.
28. October.
25. November.
23. December.
1. November.
29. November.
27. December.
24. Januar.
und ferner alle vier Wochen Sonnabends.
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r“‘ J Burgunder, Giory 8 S/6 „ 4. 24 H ! Sb S-'’ s
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So ’ I 1869er Moscatrl de Xercs 12 n „ 6. 26 i « 'S' üü.
1868er Moscatel Monte serate „ 5a;» 3. 22/a n 1 3 3 3
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Feinster Bordeaux-Essig pr. Flasche H „ 87/io „ ' » 3 S- 2
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fördert die Exped d. Bl. 11318—30
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lji tt. 8!ä Stück 1867er,
6ii u. 8!s „ 1868er,
5ji u. S'2 „ 1869er,
3ji «. 5|« ., 1870er,
selbstgeMkne Weine,
im Saale des „Hotel Barth"
in Castrl bei Mainz,
des Vormittags 112 Uhr,
zur Versteigerung geben.
Die Proben werden am
S.. 8., ck. und S. Sep-
tember d. I. von 9 bis 4
Uhr in Hochheim an den
Fässer» verabreicht.
Wiiätelm Eber,
U588—590 Wcinprodnient,
in Hochheim am Main.
/Line größere Berliner Wäsche-
Fabrik wünscht unter vor-
theilhasten Bedingungen einen tüchtigen
Reisenden,
der Süddeutschland und den Rhein
schon bere st hat, zu engagiren.
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Mosse in Berlin. 12088 8
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in allen Welttheilen bekannt und berühmt
gewordene echte Dr. White's Augen-
wasser von Traugott Ehrhardt in Groß-
breitenbach in Thüringen (worauf beim An-
kauf ganz besonders zu achten ist) sind
schon viele Tausende von den verschie-
densten Augenkrankheiten geheilt,
gestärkt uud sicher vor Erblinden
geschützt worden, und erfreut sich deß-
halb eines allgemeinen Weltruhmeö,
welches auch die täglich einlaufenden Lob-
erhebungen und Atteste beweisen. DaS-
selbe ist concessionirt, von hohen Medicinal-
stellen geprüft und begutachtet, als bestes
Augen-, Heil- und Stärkungsmit-
tel empfohlen und ä Flacon 10 Sgr. zu
beziehen durch Traugoit Ehrhardt in
Großdreitcnbach in Thüringen. 7081-6
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Die weltberühmten Weinberge Lugins-
land (Alleiniges Besitzthum) und Lieb-
fraumilch (beste Lage), deren Besitz einen
bedeutenden Absatz in feinen Flaschenweinen
garantiren kann, sind u verkaufen.
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der während 3 Jahren für eine bedeutende
Dentelle-Fabrik in Paris, Frankreich bereist
hat und auch der englischen und italienischen
Sprache hinlänglich mächtig ist, sucht in ei-
nem achtbaren Hause eine passende Reisestelle.
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die Expedition d. Bl. 12017—19
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3jährigen Lehrzeit und ein Jahr Com-
mis in einem Strumpf- und Kurzwaaren-
Geschäft thätig war, wünscht unter bescheide-
nen Ansprüchen sich anderweitig zu placiren
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££üne institutrice »lleimnde munie d’un
diplöme de capacitej desirc se placer dans
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12131 ä l’expeditior. 12131
fCin hier ansässiger erfahrener junger Kauf-
^ mann, der französischen Sprache voll-
kommen mächtig, sucht eine Reisestelle gegen
Provision oder festen Gehalt. Derselbe ist
bei der süddeutschen und rheinischen Kund-
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N. No. 7 poste restante Frankfurt erbeten.
12146-48
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Frankfurt a. M. wird ein tüchtiger
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Bankgeschäft gearbeitet haben muß, und gut
empfohlen wird.
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pedition d. Bl. 12150—51
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eine Stelle in einem hiesigen Geschäfte
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besorgt die Expedition. 12152—4
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gere Zeit in der Manufacturwaaren-
Vranche gearbeitet hat und gute Zeugnisse
ausweisen knnn, sucht unter bescheidenen An-
sprüchen eine Stelle.
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telbach a. M. 12195—7
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gere Zeit in einem Geschäfte thätig war,
einem solchen nöthigenfalls selbständig vor-
stehen kann, sucht passendes Unterkommen.
Näheres bei HH. Gebr. Deutsch in
Mainz. ________ 12171—3
In der besten Lage der Schnurgasse
ist ein geräumiges helles GrschäftSloral
im ersten Stock zu vermiethen.
Frauro-Osferten unter Ro. 12165 be-
sorgt die Expedition d. Bl. 12165—7
0?w junger Mann, welcher mit dem Pro-
^ ducten-Geschäfte vertraut ist, Kenntnisse
der franz. und engl. Sprache besitzt u. Buch-
haltung versteht, sucht sofort eine Comptoir-
stelle, gleichviel in welcher Branche. Gef.
Franco-Offerten unter 0. R. 44 besorgt die
Annoncen-Expedition von Haasenstctn &
Bögler in Frankfurt a. M. 12175—7
/Lin junger tüchtiger Kaufmann (Jsraelite),
^ welcher bereits über e-n Jahr auf hie-
sigem Platze ein A g e n t u r g e s ch ä f t mit
größeren Reisen verbunden, mit bestem Er-
folge betreibt, sucht noch einige größere Fa-
briken, welche nicht viele Muster nöchig ha-
ben, zu
vertretcu.
Bezüglich Solidi'ät rc. stehen ihm die besten
Referenzen zur Seite und kann auch nöthigen-
sallS jede Garantie geleistet werden. Franco-
Offerten unter B. M. 2882 beliebe man an das
Annoncen-Bureau von Rudolf Mosse
in Nürnberg zu richten. 12078—79
Commis-Gtsuch.
Ein im Cassa - Geschäft bewanderter, gut
empfohlener, angehender CommiS wird per
1. October in ein christliches Münchener
Bankhaus gesucht. Gute Rechner mit einigen
Sprachkenntnissen erhalten den Vorzug. Of-
ferte ent» W. 4- 4945 an die Annoncen-Expe-
dition von Rudoll Mosae in Mün-
ch en. 12076
In einem westphälischen Kupfer-Hammer-
Werke findet ein tüchtiger, solider
Hammerschmied
dauernde und lohnende Stelle. Selbstge-
schriebene Offerten wolle man unter Beifü-
gung der Zeugnisse sad Chiffre 6. 2959
an die Annoncen-Expedition von B&dolf
Äosse in Frankfurt a. M richten. 12156*7
Ein Reisender,
gesetzten Alrers, genau bekannt
mit dem Droguenfache, wird
unter guten Bedingungen von
einem größeren Drognen-Ge-
schäfte per 1. Januar 1872
oder früher zu engagiren ge-
sucht.
Jene, die Bayern schon be-
reisten, erhalten den Vorzug.
Offerten sub K, B. 2860
an das Arinoneen-Bureau von
Itudolt Jfosse in Nürn-
berg. 11953—56
Commis-Gesuch.
Ein militärfreier, solider, junger Mann,
welcher schon in dcr Tuch - Branche servirt
und in der kaufmännischen Correspondenz
coulante Fertigkeit besitzt, findet zum Eintritt
Anfangs November gutes Engagement in
einem württembergischen Tuchzes -äft en gros.
Franco-Offerten unter Chiffre F. L. 70 be-
fördern tte Herren Haasenstein St Bög-
ler in Stuttgart, Königsstr. 54. 12181
Stelle-Gesuch.
Ein sehr gebildeter junger Mann von
schönem Aeußeren und angesehener Familie,
der den Feldzug mitgemacht und decorirt
wurde, sucht eine Stelle als Secretär, Ver-
walter oder Rersebegleiter in einer vornehmen
Familie. Gest. Offerten unter Chiffre E. N.
50 befördern die Herren Haasenstein &
Vogler in Stuttgart, Königs-
straße 54. 11921-22
Putzmacherin,
eine geschickte, wird bei freier Station zur
bevorstehenden Saison in ein feines hiesiges
Putzgeschäft zu engagiren gesucht. Schrift-
liche Offerten unter No. 11291 besorgt die
Expedition d. Bl. 11291—3
Gesucht
eine gewandte junge Dame, welche länge>e
Jahre in einem Tapisserie-Geschäft
thätig war und besonders gut schattiren kann.
Carl Buchhetster.
12144—45 Hannover.
Reisender-Gesuch.
Ein bedeutendes Hopfengeschäft im Elsaß
sucht unter sehr günstigen Bedingungen einen
Reisenden, welcher der französischen Sprache
mächtig ist, um Belgien zu bereisen. Reflek-
tanten, welche die Kundschaft in diesem Lande
kennen, erhalten den Vorzug. Franco-Offerten
unter D. L. 979 besorgt die Annoncen-Ex-
pedition von i aaseustein & Yogi er in
Fraukl'nrt s. M. 11642-^-49
Druck und Verlag der Frankfmter Societäts-Druckerei (Eigenthümer Leopold Sonnemann).
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Zweites Blatt
m
NbonnernentSpreis
LaS Vierteljahr: in Frankfurt fl. 3. LS; in Preußen
fl. L. L oder Thlr. 2.1 ©; in Bayern, Baden, Würt-
temberg, Hessen, Oesterreich, Luxemburg, sowie im nord-
deutsch euBund excl.Preußen fl. 3.20—Thlr. L. 2 7 V*-
Herausgegeben «nd rsdiM
von
«<t*I BoLShÄNserr»
Dienstag, 5. September.
Mnzeigeu?
Die sechsspaltiqe Petitzeile oder deren Raum wird mit
x kr. — 2 Sgr. berechnet: im Text die vierfpalttge
Petitzeile mit SL kr. " K Sgr. Anzeigen-AnnahM
bei der Expedition und den bekannten AgenmrrL
Bureaux:
Große Efchercheunergasse »L.
Post-Ausgabe.
. Deutsches Reich.
o Köln, 3. Sept. Von dem .Sozial-demokratischen
Arbeiterverein" war auf heute Morgen eine allgemeine
Volksversammlung ausgeschrieben, in der u. A. auch
Hr. Bebel und Hr. W. Hasenclever aus Berlin spre-
chen sollten. Kurz nach dem Bekanntwerden der Anzeige
von dieser Versammlung durchlief das Gerücht die Stadt,
die Hauptparteiführer jenes Vereins, sollten bei dieser Gele-
genheit verhaftet werden. Damit aber nicht Einzelne ge-
packt werden könnten, hieß ei, fei die Anzeige von der Ver-
sammlung an die Polizei von allen Komitee-Mitgliedern
unterzeichnet worden. Ein großes Lokal konnte sich der Verein
trotz aller Mühe nicht verschaffen, überall gab es abschlägige
Antworten. Die Versammlung sollte daher im Lokale des
Vereins abgehalten werden. Nun faßt aber dieser Saal
kaum 100 Personen, während sich neben ihm eine Art Gar-
ten befindet, in welchem sich vielleicht 600—800 Mann aus-
halten können. Beide Räume, Saal und Garten, waren vor
der bestimmten Zeit längst überfüllt. Ein Polizei-Inspektor,
ein Polizei-Commiffär sowie reichlich Gendarmen und Schutz-
leute waren anwesend, die benachbarten Straßen mit Polizei
besetzt. Vor Eröffnung der Versammlung theilte nun ein
Mitglied des Komitee's, Hr, Berg, mit, daß ihm von der
Polizei soeben bemerkt worden, wenn die Versammlung statt-
finden solle, müffe der Garten von den dort Anwesenden ge-
räumt werden, weil daS Zusammenstehen dort eine Versamm-
lung unter freiem Himmel involvire. Die Aufregung, die
dieser Mittheilung folgte, legte sich jedoch bald wieder und
ermahnte nun Herr Berg die Anwesenden, für den Fall die
Polizei bei ihrer Meinung verharre, das Lokal ruhig zu ver-
lasien. Er eröffnete hieraus die Versammlung, woraus dann
sofort der anwesende Polizei-Inspektor das Publikum im
Garten aufforderte, letztern zu verlassen. Man leistete die-
ser Aaffordernng ruhig Folge, beschloß aber zugleich, die ganze
Versammlung zu vertagen und demnächst für Beschaffung
eines größern Lokales Sorge zutragen. Unter den Anwesen-
den befanden sich viele Weber und Landarbeiter aus Mühl-
heim a. Rh., die dort vor einigen Tagen die Arbeit einge-
stellt haben.
* Darmstadt, 2. Sept. Bekanntlich schwebt zwischen Re-
gierung und Ständen ein Streit darüber, ob der gegenwärtige
Landtag, der bereits zwei Budgets votirt, dessen Mandat aber
erst im Jahre 1872 erlischt, noch berufen fei, ein weiteres Budget
für die Finanzperiode 1872 — 74 zu vereinbaren. Die
überwiegende Mehrheit der zweiten Kammer verneint dies und
zwar der Ansicht der „Hess. Vbl." nach, der auch wir uns an-
schließen, mit Recht, obwohl sich nicht verkennen läßt, daß die Ver-
fassung in dieser Beziehung sich nicht ganz klar ausfpricht, mit an-
deren Worten, eine „Lücke" vorhanden ist. Rach dem genannten
Blatt gewordenen Mittheilungen dürfte sich indeß die Sache dahin
erledigen, daß die Kammer unter Wahrung der von ihr vertretenen
Anschauung sich bereit erklärt, auf die Berathung eines einjäh-
rigen Budgets (1872) einzugehen, falls die Regierung, wie ja
wiederholt zugesagt, ein neues Wahlgesetz vorlegt. Kommt eine
Vereinbarung auf dieser Basis nicht zu Stande, dann dürfte, eine
Auflösung der Kammer unvermeidlich sein.
* Stuttgart, 3. Sept. Der „Beobachter" bestätigt, indem
er unsere □ Korrespondenz abdruckt, nach eigener Erhebung, daß
es mit der Beschlagnahme des „Pfaff enfpie gelS"
feine Richtigkeit hat, fügt jedoch folgendes hinzu: „Dagegen waltet
hinsichtlich des SinnS, welchen wir dem staatsanwaltlichen De-
mentt unterlegen, bei dem Verfasser der Corresponden, ein Miß-
Verständniß ob: nicht eine fremde d. h. auswärtige Hand, die in
die Sphäre unserer Behörden herübergegriffen hab-, hatten wir im
Auge. obwohl wir getrost glauben, daß noch ganz andere Eingriffe
in die Thätigkeit württembergischer Behörden von Seiten einer
Mächtigen Staates gemacht worden find und gemacht werdcn, denen
zu widerstehen man mehr guten Willen und mehr Muth brauchen würde,
als wir den leitenden Staatsmännern unseres Landes zutrauen.
Wen wir im Verdacht hatten und, wie der Erfolg bewies, ganz
mit Recht, ist nur eine andere Behörde unseres Lande», nem-
lich die P o l i z e i, deren Scharfblick und Gewandtheit vielleicht
Mancher auS der Reutlinger'schen Affaire noch in bewundernder
Erinnerung hat; fie hat denn auch wirklich die Beschlagnahme vor-
genommen, welche übrigens der richterlichen Bestätigung noch harrt.
DaS ist die Sachlage und wir können jetzt mit Beruhigung die
Gelegenheit benützen, um einer kgl. Staatsanwaltschaft und ihrem
Vertreter, Herrn Lenz, unsern gerührtesten Dank über die deut-
liche und klare Form seiner Berichtigung auSzusprechen, die so über-
aus geeignet war, die Zweifel und ' Sorgen der Staatsbürger zu
zerstreuen und zu beschwichtigen. Solch ein geschickter Staatsan-
walt und Abgeordneter kann noch etwas werden! Der hohen Poli-
zei möchten wir in Dehmuth und Ehrfurcht einige Vorsicht anra-
then, damit fie es nicht erleben muß, daß der spitzigen Feder deS
Verfassers „des PfaffknspiegelS" entflossen in irgend einer hiesigen
Druckerei ein Büchlein erscheint, das unter dem Titel „schwäbischer
Polizeispiegel" eine pikante Zusammenstellung polizeilicher Schwa-
benstreiche oder richtiger schwäbischer Polizeistreiche enthält. DaS
wäre ein Genuß für die bösen Mäuler im Lande.
□ Aus Bayern, 3. Sep. Die bayerische Re-
gierung hat, das unterliegt kaum einem Zweifel mehr,
mit ihrem Erlaß betreffs deS Dogmenstreites es Nie-
mandem recht gemacht. Sind die „Liberalen" — wenigstens
vorläufig noch — mit dem Entscheid wegen seiner Halbheit
unzufrieden, so sind es die Ultramontaen nicht weniger
und zwar — „und das ist der Humor davon" — aus dem-
selben Grunde. Denn weder sehen sie sich durch den Erlaß
in ihren Zielen gefördert, noch dürfen sie es wagen, aus
Grund deffelben mit der Regierung gänzlich zu brechen.
Um einen solchen Bruch ängstlich zu vermeiden, den der
Clerus an und für sich alle Ursache hat, angezeigt erscheinen zu
lassen, müßte die Regierung entschiedener feindliche Stellung
der Kirche gegenüber genommen haben, als dies mit oben
erwähntem Bescheid geschieht. „Zum Leben zu wenig, zum
Sterben zu viel" — damit ist die Situation der Ultramon-
tanen bei uns so ziemlich gekennzeichnet. Die Empfindung
der Unhaltbarkeit ihrer Lage treibt die Clericalen denn auch
zu heftigen Ausbrüchen. Man fängt an, der Regierung
durch die Blätter dieser Partei Trotz bieten zu lassen; offen-
bar soll dieselbe, von dieser unverhofften Widersetzlichkeit
ihrer getreuen schwarzen Schildknappen eingeschüchtert, ganz
ergebenst znrückhufen. So nur lassen sich meiner Ansicht
nach die neuesten Aeußerungen der clericalen Blätter erklä-
ren, unter denen z. B. das „Vaterland" die Regierung auf-
fordert, es nicht bei den Worten bewenden zu lassen, son-
dern zu handeln, conftquent, entschieden, rücksichtslos zu
handeln; das Recht sei ja für Alle gleich, also solle sie nicht
nur Redacteure oder Kapläne einsperren lassen, sondern
gleich auch einen Bischof vorS Schwurgericht stellen. „Aus
dem Kerker wird ein gemaßregelter Bischof der katholischen
Kirche die Freiheit bringen," — während die in ruhigerem
Tone gehaltene „Augtzb. Postztg." nur der Vermuthung
Ausdruck gibt, die Regierung werde den in dem jüngsten
Erlaß de8 Cultusministers eingenommenen Standpunkt nicht
lange festhalten können, „da einige der Erwägungen, aus
welche sie sich stützt, sie consequent weiter treiben müssen, als
zu dem rein negativen Verhalten, welches sie sich zur Richt-
schnur genommen hat."
* München, 2. Sept. Die Nachricht von der Versetzung des
Herrn v. Lux bürg von feinem Posten a!S Regierungspräsident
von Unterfranken nach Speyer ist, der Versicherung eines
Nürnberger Blattes zufolge, lediglich auf den Amtstausch zwischen
ven Herrenv. Pfeufer und v. Brau nzurückzuführen. (Braun
wird Regierungspräsident in Speyer und sein Vorgänger Pfeufer
ist an Braun'S Stelle Ober-Censor der bayerischen Presse ge-
worden.
Oesterreich.
y Wien, 2. Sept. Die „Wiener Abendpost" stellt in
Abrede, daß das Ministerium des Innern die Statt-
halter und LandeSpräsidenten durch ein Rundschreiben ange-
wiesen habe, bei der Agitation der katholisch-politi-
schen Vereine gegen die Verfassung ein Auge zuzudrücken.
Es ist jedoch Thatsache, daß die k. k. Behörden sich jenen
Vereinen, sowie der verfaffungssemdlichen Presse gegenüber
äußerst nachsichtig verhalten. Die bezügliche Weisung braucht
ja gerade nicht durch ein Rundschreiben ertheilt worden zu
sein. Der Ministerpräsident Graf Hohenwart hat sich
gestern zur Erholung aufs Land begeben. In den letzten
Tagen confenrte er nochmals mit Dr. Rieger und Dr. Pra-
zak, den Führern der tschechischen Drclaranten in Böhmen
und Mähren. Die Ausgleichselaborate sollen nun vollstän-
dig abgeschlossen sein. Ein officiöses Organ sagt, Graf
Hohenwart habe sich so „überarbeitet", daß er einer Auf-
frischung seiner Kräfte dringend bedürfe. Auch der Handels-
mmister Schüffle will sich durch einen Ausflug von den
Sjrapozm des Ausgleichs erholen. Während der Abwesenheit
des Grafen Hohenwart versieht der Finanzminister Baron
Holzgethan die Functionen des Ministerpräsidenten. In
tK-ärnten wurden gestern in den Landbezirken die Land-
tagswablen vorgenommen. Die Ausgleichspartei brachte nur
einen Slovenen und zwei Klerikale durch. Die Landgemein-
den von Salzburg, Nieder- und Oberösterreich wählen heute.
In Niederösterreich sind die Aussichten für die Verfassungs-
Partei gut, nicht aber in Oberösterreich und Salzburg. Die
Entscheidung liegt übrigens in Mähren und zwar im Groß-
grundbesitze dieses Landes. Die tschechischen Declaranten sen-
den Bauerndeputationen zu den bisher verfassungstreuen
Großgrundbesitzern, um dieselben zum Anschlüsse an die
Ausgleichs-Partei oder wenigstens zur Enthaltung zu
bewegen. Ein Theil soll dieser Pression nachgegeben haben.
Das Comitö der deutschböhmischen Abgeordneten
hat an die Wahlbezirke, welche Ergänzungswahlen zum Land-
tage vorzunehmen haben, einen Aufruf gerichtet, welcher die
deutschen Wähler zu einmüthiger Action auffordert, da es
sich um die nationale Existenz, um Fortschritt und Freiheit
handle. Die Organe der deutsch-böhmischen Verfassungs-
partei weisen auf die Vorfälle in Königsfrld und Pilsen hin,
um die Werthlosißkeit des „weißen BlatteS", welches Rieger
den Deutschen in Böhmen und Mähren geboten, darzuthrm.
Die tschechischen Bauern des erstgenannten mährischen Dorfes
machten einen heimtückischen Uebersall auf durchpassirende
deutsche Sänger, und in der böhmischen Stadt Pilsen atta-
kirte der tschechische Pöbel die deutsche Feuerwehr, welche den
Brand in dem Hause eines deutschen Fabrikanten löschen
wollte. Im vorigen Jahre wollte die tschechische Majorität
des^Gememderaths von Pilsen die deutsche Volksschule unter-
drücken, und eS bedurfte der Intervention der Regierung,
um dieses Project zu vereiteln. Aus solchen Vorgängen läßt
sich schließen, wie die Tschechen, wenn sie durch den Hohen-
wart-Rieger'schen Ausgleich zur vollen Macht gelangten, gegen
die Deutschen verfahren würden. “h Der ungarische
Reichstag wird am 14. d. wieder eröffnet. Die Oppo-
sition hofft in den 29 Abgeordneten, welche der croa-
tische Landtag in das gemeinsame Parlament zu entsenden
hat, eine Verstärkung zu erhalten. Die Organe der Linken
erklären, daß dieselbe bereit ist, für eine Revision des unga-
risch-croatischen Ausgleichsvertrags von 1668 zu stimmen,
während die Osficiösen deS Ministeriums Andrassy bis jetzt
diesen Vertrag als unantastbar bezeichnen. Die kroatische
Opposition, welche durch die Neuwahlen zum Landtage die
Majorität erlangt hat, ist neuerdings durch die Abgeord-
neten, welche die jüngst dem Königreich Croatien einverleib-
ten Bezirke der Militärgrenze gewählt haben, verstärkt
worden.
Italic».
* Florenz, 2. Sept. Die „Ovinione" versichert, Devin-
cenzio sei zum Minister der öffentlichen Arbeiten, R ib otto zum
Marine Minister und G a d d a zum Präfekten von Rom und zum
Commissär für die Verlegung der Hauptstadt ernannt.
*\\* Partö, 2. Sept. Ueber den Verlauf der Dinge
in Algier wird aus Batna vom 25. August telegraphisch
gemeldet, daß MigauS dicht eingeschlossen wäre und Si-
Mohamed-Bey sich anschicke, zu den Ulrd-Sellem zu entflie-
hen. In dem Kreise Biskra herrscht noch immer die größte
Zuchtlosigkeit. Der General Bonnet zog am 23. in daS
enge Thal von Borj-el-Kdir hinab, um daselbst die Dörfer
der Ayad niederzubrennen. Er bestand Kämpfe mit den
Uled-Kelluf, den Uled-Madid, den Agad und den Riga, wel-
chen er ohne Zweifel empfindliche Verluste beibrachte. Die
Dörfer wurden in Brand gesteckt. Bu-Mezrag und die
Ulcd-Mokran erboten sich zur Untergiebigkeit; der General
antwortete, daß er nur eine bedingungslose Ergebung an-
nehme. Die Kolonne Lacroix befindet sich in dem Annex
El-Miliah, wo alle Stämme bereits unterworfen sind. Der
Befehlshaber der Unterdivision von Bone gestattete den der
französischen Regierung treu gebliebenen Eingeborenen einen
Handstreich gegen Khelif-Ben-Ali, der am 26. August in der
Gegend erschienen sein sollte, zu versuchen. Man weiß »och
nicht, ob dieses Unternehmen geglückt ist. Der Generalgou-
verneur von Algerien hat folgende Kundmachung erlassen:
„Algier, 27. August 1871. Obgleich die Vertheilung der
KriegScontribution von 10 Millionen Francs, welche den
empörten Stämmen der Unterdivision Dellys und des
Annexes von Algier auferlegt wurde, von der Oberbehörde
noch nicht genehmigt ist und daher noch modificirt werden
kann, so will der Generalgouverneur doch aus die Stämme,
welche dem Gebot der Kolonnenführer bereitwillig Folge
leisteten, Rücksicht nehmen und die nachfolgenden Stämme
und Dörfer, welche das von ihnen Verlangte vollständig ge-
zahlt haben, von jeder weiteren Forderung entbinden; ihre
Geißeln sollen in Freiheit gesetzt, die rrquirirten Maulesel
sollen zurückgeschickt und Passirscheine an diejenigen, welche
ihre Handelsbeziehungen wieder aufnehmen wollen, ausge-
liefert werden. Nur die Frage des Sequesters soll noch vor-
behalten bleiben. (Folgt eine Liste der Stämme mit den
Summen, welche dieselben gezahlt haben.) Was etwa noch
zu den 10 Millionen fehlen sollte, soll aus die Stämme ver-
theilt werden , die noch nicht vollständig ihren Betrag ge-
zahlt haben, und besonders sollen dabei diejenigen Stämme
bedacht werden, die sich noch unentschlossen zeigen, zur Ord-
nung zurückzukehren und sich unseren rechtmäßigen Forderun-
gen zu unterwerfen.
Der „Siöcle" theilt aus den Tuilerienpapieren
folgendes noch ungedruckte Schriftstück mit, welches bei den
gegenwärtigen Vorgängen in Algerien ein gewisses actuellcs
Interesse bietet: „Kriegsministerium. Paris, 3. November
1865. Werther Herr! Ich habe aus Ihrem Cabinet den
Brief des Kaisers über Algerien empfangen und studire den-
selben noch einmal. Sr. Majestät trifft, sowohl in Bezug
aus das Uebel als auf das Heilmittel, vollkommen die Wahr-
heit. Der Kaiser betont insbesondere, daß der Oberbefehl
der Provinzen und Unter-Dioisionen sowie die arabi-
schen Bureau's geschickten und unbestechlichen Of-
fizieren anvertraut werden müssen. Geschickt sind sie
wohl umstentheils, unbestechlich aber leider nicht alle und
selbst sehr hochgestellte... Der Kaiser hat Recht, wenn er sagt,
daß das Verfahren der Domänenvrrwaltung und die wucherischen
Requisionen die Araber zu Grunde richten und in Wuth
bringen. Dazu sollte aber noch hinzugefügt werden, dass in
den letzten Jahren 1859 bis 1864, wo mauerst gute Maß-
regeln nahm, dann aber das Obercommando einschlummerte
und nichts und Niemand mehr bewachte, große Vermögen
von untergeordneten Offizieren durch geheimes Einvernehmen
mit den eingeborenen Führern dem arabischen Lande abge-
preßt wurden, wobei die Friedenspolitik selber oft in Gefahr
kam. In der Provinz Constantine z. B. ist der gegenwär-
tige Divisionsgeneral ein rechtschaffener Mann, aber durch-
aus ungenügend für eine um so schwierigere und verwickeltere
Aufgabe als auch dort frühere grobe Erpressungen abgestellt
werden müssen, die man im Verein mit arabischen
Häuptlingen ausgeführt hatte, welche zwar längst
unterworfen sind, aber doch, wie es heißt, nrt Si-Lolla oder
den Marabuts des Westens im geheimen Einvernehmen stehen.
In dieser schweren algerischen Frage kommt es noch mehr
als anderwärts darauf an, in die Coulissen einzudringen,
um die Ereignisse mit sicherer Kenntniß der Hauptacteurs
beurtheilen zu können. Es herrschen dort bek.'agenswerthe
Ueberlieferungen, die man vor der Welt natürlich verschwei-
gen, ja sogar laut ableugnen, von denen man sich aber
Rechenschaft geben muß, wenn man die Sache bessern will.
Bei unserer nächsten Begegnung will ich Ihnen gewisse De-
tails mittheilen, die Sie, wenn es Ihnen angemessen scheint,
dem Kaiser unterbreiten können. Ganz der Ihrige General
de la Rue."
* London, 1. Sept. Unter den scharfen Aussprüchen
des Tadels, welche im Laufe der letzten Session gegen die
Regierung geschleudert wurden, war auch das seitdem oft
wiederholte Wort: „England habe eine Flotte, die nicht
schwimmen und ein Heer, welches nicht marschiren könne."
So übertrieben dieser Ausspruch lautet, so haben sich doch
in den letzten Monaten die großen und kleinen unangeneh-
men Unfälle aus dem Gebiete des Heer- und Flottenwesens
in einer Weise gehäuft, daß die Armee und Flotte fast zum
Spott werden und der Berichterstatter eine ständige Rubrik
für erheiternde Land- und See-Anekdoten eröffnen könnte.
Nachdem wir uns noch kaum van unserem Erstaunen darüber
erholt haben, daß ein Kriegsschiff am hellen lichten Tage
am Eingänge deS Hafens von. Cheerneß von fernen Osfi-
zieren auf eine Sandbank gesteuert wurde, wo es bei Nacht
und Nebel oder schlechtem Wetter unfehlbar zu Grunde ge-
gangen wäre, wird heute aus Aldershott eine Geschichte ge-
meldet, die ein würdiges Gegenstück zu diesem Vorfall bildet:
Es war am 29. als das erste Leibgarde- (Kürassier) Regi-
ment in einer Stärke von 300 Pferden von Windsor im
Lager eintraf und außerhalb desselben unter Zelten ein-
quartirt wurde. Die Pferde wurden nach der neuen Me-
thode, dem preußischen System außerhalb der Zeltlager an-
gekoppelt und die Mannschaften gingen an ihre gewöhnlichen
Beschäftigungen. Gegen 8 Uhr Abends geriethen zwei Hunde,
die sich in der Nähe des Regimentes herumtrieben, einander in die
Haare, und der kleinere, der ziemlich übel Mitgespielt wurde,
rannte mit einem gräulichen Jammergehest! auf die Pferde
zu. Aus dieses Geschrei scheuten zuerst zwei Osfizierspserde
und rissen sich los, wobei sich sechs Schwadronspferde als-
bald anfchlosien. Der Tumult, welchen diese Thiere hervor-
riefen, verursachte eine Panik, die sich der sämmtlichen übrigen
Pferde bemächtigte, und schnaubend und wiehernd rissen sich
unter einem unsäglichen Getümmel die 306 Thiere alle
loS und gingen in jähem Schrecken und tollstem Jagen
nach allen Richtungen durch, wobei manche noch Stangen,
Pflöcke und Leinen nachschleppten. Alle trugen ihre Sattel-
Ei» wiederailsgefundenes Meisterwerk
4, W .vS" H"lbei»'s.
IV.
Zur Geschichte des Bildes.
In der Mitte der Tafel sind in einem goldenen Kreise
aus rothem Grunde zwei gegen einander gelehnte Wappen,
die nach aller Analogie nur den Besitzer des Tisches und
seine Frau bezeichnen können. Das rechtsseitige (dem Be-
schauer links) einen aufsteigenden schwarzen Bären in goldnem
Felde, aus dem Helm über einem schwarzgoldenen Wulst den
halben Bären, die Helmdccke innen gold, außen schwarz —
erkannte ich bald als da? Wappen der Familie Bär
von Basel. DaS linksseitige Wappen dagegen gelang
mir in keinem unserer Wappenbücher aufzufinden. Es war
ebenfallr rin goldener Schild, durchzogen von zwei vertikalen
und zwei horizontalen schwarzen Balken, die wie einen schwar-
zen Rost übejc dem goldnen Grund bilden. Aas dem Helme
ein schwarzer halber Windhund über goldner Krone und mit
goldnem Halsband. Die Helmdecke gleichfalls innen gold,
außen schwarz. Ich wandte mich an Hrn. HiS-HeuSler
und bald ward mir durch feine gefällige Bemühung der
Aufschluß zu Theil, Herr Meyer-Kraus in Basel
habe in Conrad SchmittS Wappenbuch von 1530 das Wap-
pen alS dasjenige der Familie Brunner von Basel
erkannt, sonderbarer Weise finde sich in diesem Wappenbuch
das Bärische gerade daneben. Also ein Ehepaar
Bär-Brunner von Basel.
Herr His hatte nun aber die weitere Gefälligkeit, mir
dieses Ehepaar als ein zu Holbeins Zeiten wirklich existiren-
des nachzuweisen und ich kann nichts Besseres thun, alS die
Genealogie der Familie, wie er mir sie mitgetheilt, folgen zu
lassen, so weit fie zur Sache gehört.
HavS Bär der ältere f vor 1511.
Anna Srünenzweigin.
1. 2. ' 3. 4. 5.
Franz. Magdalena Ludwig Ambrosius HauS f 1515.
f 1511, Domherr, f 1542. VarbaraBrunneri»
Jarob Meyer 1° 1530 oder 31,
zum Häfen.
Kleophea,
Junker Chri-
sioffel von
Offeuburg.
Valeria, Ursula,
Junker JunkerGlady
Jacob Meyg (Mai)
Hittprant. von Bern.
Es wird den Vater angehen, wenn Leu (Helvetisches
Lexikon II. 41) berichtet, Hans Bär sei Anno 1491 des
kleinen Raths alS Meister worden.
Dagegen vom Sohne berichtet Leu, ebendort, er sei
1513 beim Feldzuge der Eidgenossen zur Beschützung des
Herzogthums Moyland Furier gewesen, und habe die Schlacht
von Novarra mitgemacht. Bei dem Zuge von 1515 war
er Fähndnch oder Pannerherr des Basler Auszuges und
machte sich als solcher durch den Heldenmuth berühmt, mit
dem er in der Schlacht von Märignano das Stadtpanner
.beschützte. Nach JoviuS Hist I. 314 soll er, da er sich von
den Franzosen umringt sah, und bereits aus vielen Wunden
blutete, seine Fahne zerrissen und bis in den Tod tapfer ge-
kämpft haben. Nach dem Bericht der Basler (Würstchen
Chrom p. 521, 522) verlor er durch eine Stückkugel beide
Schenkel, worauf er das Panner doch noch einem seiner
Landsleute übergab und dann verblutete.
Seine Gattin , Barbara Brunner ist jene
den Holbeinsreunden schon aus einer frühern Mittheilung des
Hrn. His bekannte Frau Brunner, deren Vogtstelle Bürger-
meister Jakob Meyer zum Hasen — also wie wir hier sehen
ihr Schwager erhielt. Zum Dank für seine Bemühungum sie und
ihre Kinder ließ sich Meyrr von seiner Schwägerin eine
Matte „als Ergötzlichkeit" verschreiben, worüber es aber 1532,
nach Becher Tode zu einem Prozesse kam, der Jahre lang
durch die Gerichte geschleppt, schließlich aber zu Ungunsten
der Meyer'schen Ansprüche entschieden wurde. (His: Die
BaSler Archive über Hans Holbein den Jüngern, in den
Jahrbüchern für Kunstwissenschaft von Dr. A. von Zahn.
III. p. 158.)
Von Interesse sind die vornehmen Heirathen, welche alle
drei Töchter des verstorbenen Hans Bär machten. In welche
verwandtschaftlichen Verhältnisse die Aelteste durch ihren Mann
mit der als Lais Corinthiaca berühmt gewordenen Doro-
thea Ossenburgerin kam, ist uns nicht bekannt. Ein
„HanS Bär, der Jung", der noch 1533 als minderjährig
erscheint, gehört wohl einem andern Sohne des alten
Hans Bär an, jedenfalls nicht dem Besitzer unsers Tisch-
blattes.
Von Magdalena Bar erfahren wir aus den ange-
führten Mittheilungen des Hrn. His in Zahns Zeitschrift (p.
152), daß sie erst mit einem Manne Namens Murerverher-
rathet war, yon dem sic zwei Kinder, Heinrich und Katha-
rina, hatte. In zweiter Ehe war sie, und zwar schon 1504,
vermählt mit I a ko b Meyer zum Hasen, demnach-
maligen Bürgermeister, H o l b e i n 8 großem
Gönner. Sie starb schon 1511. JhrBild-
niß aber ist uns in der berühmten Hol-
beinischen Madonna in der hintern der
beiden knieenden Frauengestalten aufbe-
h alten.
Von den Übrigen Söhnen ist Ambrosius, 1542
gestorben, un8 nicht weiter bekannt. Franz dagegen er-
scheint laut Leu bereits 1516 als Meister und 1522 als
Rathsherr zu Basel. 1529 war er unter den als altgläubig
entsetzten Rathsherrn und siedelte in Folge dessen mit seinem
Bruder Ludwig pnd so vieftn andern Baslern nach Frei-
burg im Breisgau über. Mittheilung (von Hrn. His).
Endlich Ludw ig, der sich BeruS oder Ursus nannte,
studirte zu Paris, wo er Doctor der Theologie wurde. Nach
seiner Rückkehr inS Vaterland ward er 1513 Professor und
1514 Rector der Universität Basel, deren Vicekanzellerat
der Bischof ihm auch übergab. Er qalt als einer der ge-
lehrtesten scholastischen Theologen. Erasmus soll ihn jabso-
lutissimum theologam genannt und ihm seine Schrift äs
Iftisrs arbitrio, ehe er sie herausgab, zur Durchsicht und Cor-
rectur gegeben haben. Er wurde bald eine Hauptstütze der
altgläubigen Partei in der Eidgenossenschaft, und war als
solche einer der 4 Präsidenten aus der Disputation zu Baden,
und zwar derjenige, der wenigstens den äußeren Anstand in
den Verhandlungen zu wahren sich bemühte, trotzdem er
Dr. Eck's Meinungen unterschrieb. Als aber die Reform
auch in Basel durchbrach, verließ er, einer der ersten unter
den Baslcrischen Gelehrten, im Januar 1528 die Stadt und
zog nach Freiburg im Breisgau, wo er mit offenen Armen
empfangen, und unter die Domherren des nach Freiburg
übergesiedelten Domstiftes Basel ausgenommen wurde. Ihm
folgten bald Erasmus und Glaceanus. Der erstere schenkte
ihm seine Freundschaft bis an seinen Tod, und bedachte ihn,
als ersten seiner Erben, mit seiner goldenen Uhr als dem
vornehmsten Stücke seines Hausrathes. Bär starb zu Frei-
burg in großem Ansehen 1554. (Hattinger, Fortsetzung Jo-
hann von Müller VII—Leu.)
Die Universität hätte ihn gerne gewonnen, Bär schlug
es aber aus. „Er möchte es weder seinem Namen noch der
Universität Paris zu leid thun, daß er um 100 Gulden oder
auch 200 Kronen läse." Mirati sunt Domini Kajus Theo-
logi immode&tiam et singulärem superbiam. In seinem
Testamente aber bedachte Bär die Universität mit einem
Stipendium für Theologie-Studirende und mit hundert Bü-
chern aus seiner Bibliothek. (Schreiber, Geschichte der Uni-
versität Freiburg II. 155, 156.)
Das also war die Familie, für die Holbein das Tisch-
blatt malte. Und da der MayländischeFeldzug,
in welchem Hans Bär seinen Tod fand, im
Juli 1515 eröffnet wurde, so muß die Be-
stellung nothwendigerweise vorher, also
in der ersten Hälfte dieses Jahres, erfolgt
sein. Zu dieser Zeit also mußHolbein schon
in Basel gewesen sein. Die Bäc'sche Familie aber
war, so weit wir jetzt sehen können, die dem jungen Manne
ihre Aufträge schenkte, und es drängt sich die Frage auf,
ob Holbein nicht durch sie einerseits mit Bürgermeister Meyer,
d-ssen Familien-Porträte von 1516 datiren, anderseits viel-
leicht gar mit Erasmus, dessen Exemplar des Lobes der
Narrheit Holbein im December 1515 illustrirte, bekannt ge-
worden sei.
Der Beweis, daß Holbein schon in der ersten Hälfte 1515
in Basel war, ist also mathematisch erbracht. Nur in
dem Einen Falle ließe sich daran zweifeln,
als Jemand darthäte, die Familienwappen
seien dem Tischblatt erst später ausgemalt
worden: und insofern er dann den Nachweis
beibrächte, d aß auch später noch ein Ehc-
paarBär-Brunner gelebt, dessen neuenBe-
sitz dann die Wappen eben documentiren soll-
ten. So lange dies nicht geschehen, ist obiges Resultat
als nothwendige Consequenz unserer Tafel festzuhalten.
Was wurde nun also aus dem Tischblatt
nach HansBür's Tode? Kam es au einen der
Brüder und in dessen Besitz nach Freiburq? Ließ es sich
Schwager Meyer vielleicht auch von der Wittwe als „Er-
götziichkeit" abtreten? Kam cs durch eine der Töchter in
eine andere Familie? Wir wissen es nicht. Einen Fami-
lien-Zusammcnhang zwischen den Bär'schen und dem nächst-
folgenden bekannten Besitzer aufzufinden, ist uns nicht ge-
lungen.
Im Jahre 1631 bezog die neugeflistete Bürgerb bliothek
zu Zürich die Wasserkirche und neben der Kirchmsammlung
bildete sich bald auch eine sogenannte Kunstkammer, wo Ra-
ritäten aus allen Naturreichen und Kunstwerke aller Art
Ausnahme fanden. Im Donatorenbuch der Biblioihek nun
findet sich (l 45) auch unser Tisch erwähnt. „Herr Jacob
Düntz, Buruer zu Bern und Brugg Im Aergöer V.rehrt
Anno 1633: Ein von mancherley suchen Zierlich übermahltes
Tischblalt von der hannd Hanns Holbeinen des verrüwbteu
Malers." Dieser Jakob Düntz war, wie es scheint, der
Vater des Malers Johannes Düntz. Ueber die Beweggründe
dieser großmüthigen Schenkung wissen wir Nichts. Auch
finde ich nicht, daß Düntz nachher mit Zürich in Verbin-
dung blieb.
16 3 5 muß Sandrart auf der Rückreise von Rom Zürich
besucht haben. Ausdrücklich redet er als Augenzeuge von den
Züricherischen Sammlungen, und bemerkt c8, wo er, wie von
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
4
aus : ?
1871, Okt. 5
Priese aus der Heimath.
von Fanny Lkwald.
Ih Friedrichsrode, 29. September.
Die Holbein'schen Madonnen.
Bei der Theilnahme, ja, bei der gerechten Aufregung, welche die
feierliche Achterklärung hervorgerufen hat, die von eurer Genossenschaft
von Kunstkritikern gegen die in der dresdener Galerie befindliche Holbein'sche
Madonna ausgesprochen worden ist, glaube ich Ihnen und der großen
Menge derjenigen Kunstfreunde, denen die dresdener Madonna als ein
Gegenstand liebevoller Verehrung in das Herz gewachsen ist, einen
outen Dienst zu erweise», wenn ich ihnen neben oder nach der Erklä-
rung, welche jene schöne Himmelskönigin entthronen will, das Urtheil
eines deutschen, anerkannten imb gewiegten Malers, das Urtheil Rudolf
Lehinann's, in diesen Blättern mittheile, zu dessen Veröffentlichung ich
Mch ihn selbst, und zwar aus folgende Weise ermächtigt worden bin.
, Wir hakien im Sommer, als wir nach Böhmen gingen, in Dresden,
wie bei jedem dortigen Aufenthalte, die Galerie besucht, lange und
erfreut auch vor der Holbein'schen Madonna verweilt, und uns vor-
gesetzt, die Holbcin-Ausstellung in» September nicht zu versäumen.
Umstände maricher Art hinderten uns an der Ausführung dieses Vor-
habens. Wir konnten uns bei der Rückkehr in Dresden nicht aus-
halten, mußten rasch vorwärts gehen, trafen aber bei der Abreise von
Dresden unerwartet mit unserem römischen Freunde Rudolf Lehmann
zusammen, der, seit Jahren in London ansässig und viel beschäftigt,
um der Holbein-Ausstellnng »villen nach Dresden gekoinlnen »var und,
»vie er selber sagte, ans der Betrachtung derselben ein Studium gemacht
hatte. Natürlich »vareu »vir begierig, seine Meinung über den Bilder-
streit zu vernehmen, da in dieser Frage das Urtheil eines so durchge-
bildeten, die Kunst selber mit Meisterschaft übenden Künstlers von
großer Bedeutung sein mußte; und »veil des Künstlers Ansicht in diese»»»
Falle dein Verdammungsspruche dcsKnnstkritiker-Consortiums, das die
dresdener Madonna nicht als einen.Holbein anerkennen »vollte, mit
Gründen widersprach, die sammt und sonders ans der Kenntniß
der künstlerischen Technik und aus der eigenen Erfahrung unseres
Freundes hergenommen waren, ersuchte ich ihn, dasjerüge, »vas er uns
mündlich erklarcr»d mitgetheilt, auch niederzuschreiben, und fragte z»»gleich
au, ob er gegen die Veröffentlichung dieser feiner Meinung etwas ein-
zuwenden habe. — Er erklärte sich zu dem Ersteren bereit, rvünschte
sogar die letztere, i»nd ich erbot mich, dieselbe d»»rch Ihre Zeitung zu
vermitteln. Hier also sein Brief:
«London, 26. Septeirrber.
Es mag von einem Laien (der Feder) verrnesse»» erscheinen, nach
den Männern, die ihr Urtheil gegen die dresdener Madonna ausge-
sprochen haben, noch eine 'Meinung abzugeben, besonders »venn sie von
der ihrigen abweicht. Ich gebe Ihnen die »»»einige in Folgende»»» auch
nur für das, was sie ist: die individuelle Ansicht eines Künstlers, der
sich zwar seit dreißig Jahren mit Rialen beschäftigt, aber der in keiner
Weise eine Kennerschaft bea»»sprncht.
Nach »»»einer Ueberzeugung sind beide Bilder von Hai»s Holbein des
Jüngeren Haird.
Wer das^Glück gehabt hat, alte Meisterwerke zu copiren, oder die
Ehre, von Schülern copirt z»» »verden, der »veiß, was unfehlbar die
Folgen des Copirprocesscs sind. Tie Schönheiten verlieren, »verden
stumpfer in den» Maße, roie die Fehler vergrößert »verden, u»»d zwar
tritt das am empfindlichsten hervor in den Haupttheileu eines Bildes,
»veil sie die schwierigsten sind. Betrachten »vir nun vergleichend das
eine Bild nach dem anderen, so muß ich gleich voranschicken, daß das
dresdener Bild gcreiriigt, das heißt: jenes »vohlthuenden »varuren Fir-
nisses beraubt ist, den die Zeit alten guten Gemälden verleiht, den
aber manche alte Meister ihren Bildern gleich von vorn herein durch
gelblich oder röthlich gefärbten Firniß zu verleihen für gut befunden
haben. Das darrnstüdter Exemplar, noch in» Besitz seines ursprüng-
lichen Firniß, ist dad»»rch, »vas den allgemeinen Aspect anlangt, in
entschiedenen» Vortheil. Es ist ohne Zweifel das zuerst gemalte.
In allen Details, die geduldigsten Fleiß erfordern, in der Krone
der Madonna und in der Steinmuschel, von der ihr Kopf sich abhebt,
in dein Perlenkopspntze der rechts vom Beschauer knieeuden jüngeren Tochter,
in den feinen schwarzen Ornamenten aus ihrem weißen Kleide, »vie in
manchen anderen Accessorien sieht mm» deutlich eine größere Präcision
»ind Schärfe als in den entsprechenden Theilen des dresdener Bildes.
Ferner haben die Geivänder sowohl der Madonna als des Bürger-
meisters, so wie die Tasche des vorn, links vom Beschauer knieenden
Jünglings, mehr Licht und Farbe.
In den» dresdener Bilde hingegen ist die räumliche Massenverthei-
lung, das Verhältniß der Figuren zur Archite'tnr nub zu einander
schöner, reifer, edler.. Dasselbe gilt von den» Kopfe der Madonna,
ja, von dein des Ehristllsklndes, trotz seines fast Iheilnahmlosen Eriistes,
»Nid ganz besonders von dein Kopfe des Bürgermeisters Meyer, der
geradezu ein anderer, älterer, schönerer ist, und schließlich ist die Per-
»pective berichtigt, indem die Füße, der den Kopsen nach vor der Ma-
donna zu ihrer Rechten fnieeiibeii Gruppe des Jünglings mit den»
reizenden nackten Knaben, bedeutend weiter heruntergezogen, so daß
sie um ein Geringes tiefer sind, als das Geivand der Madonna, was
auch für die Grundlinie der Komposition sehr wohlthuend wirkt. Was
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
2_
Das darmstädter Bild ist mit mehr Fleiß in den Nebensachen
gemalt, das dresdener ist schöner in den Hauptsachen, und besser
componirt. Sogenannte „Verbesserungen" lassen sich in be.den Bil-
dern nachweisen. Da liegt nun der Gedanke sehr nahe, daß der
Meister, entweder durch einen zweiten Auftrag veranlaßt, oder weil bei
späterem Wiedersehen des Bildes sich ihm die Fehler als unerträglich
aufgedrungen haben, beschlossen hat, sie in einer zweiten Auflage zu
verbessern; daß er dabei einige der Kopse, wo ihm die Modelle zu
Gebote standen, nach dem Leben noch einmal gemalt hat — alles
Fleisch jedenfalls mit derselben Liebe und deinselben Verständniß wie
das erste Mal —, während er bei den Nebensachen die Hülse erprobter
Schüler in Anspruch genommen. Daß solche Wiederholungen bei den
alten Meistern, auch bei den besten, nichts Ungewöhnliches waren,
wissen wir aus ihren Briefen, sehen wir an manchen doppelt und drei-
fach vorkommenden ihrer Bilder. Auf der anderen Seite weiß die
Kunstgeschichte wohl von Copieen von Meistern nach Meistern, aber
da ist jedesmal so viel von der Eigenthümlichkeit des copircndenMeisters
in die Copie hineingekommen, daß sie fast wieder zu einem anderen
Originale geworden ist und von einer Verwechslung der beiden Bilder •
gar nicht die Rede sein kann. Das dresdener Bild kann aber nur ein
Meister gemalt haben, und da wir den Namen eines solchen Meisters
unfehlbar wüßten, wenn er nicht Holbein hieß, so kann nur dieser die
Wiederholung und intelligente Veränderung, die eine Verbesserung ist,
selber gemalt haben.
Haben Sie je eine Copie gesehen, die, auf Hunderle von Meilen
von dem Originale getrennt, nur einen Augenblick Zweifel an ihrer
Unechtheit hätte aufkommen lasten? — Und hier hangen die beiden
I Bilder neben einander, das Auge schweift prüfend, vergleichend hin-
über, herüber, und selbst das erprobteste wird wohl Verschiedenheiten,
aber keinen Unterschied in der Meisterschaft entdecken; und so wird hoffent-
lich der Welt die Freude unverkümmert bleiben, die ihr das dresdener
Exemplar der Holbein'schen Madonna nun schon Jahrhunderte gewährt
hat." *)
*) Das Urtheil der in Dresden versammelten Kunstkenner lautet, wie
folgt: „Tie Unterzeichneten sind übereingelounnen, als ihre Ueberzeugung
auszusprechen: 1) Das darmstädter Exemplar der Holbein'schen Madonna
ist das unzweifelhaft echte Originalbild von Hans Holbein des Jüngerui
Hand. 2) Im Kopf der Madonna, des Kindes und des Bürgermeisters
Meyer auf diesem Bilde sind nicht unerhebliche, spatere Relonchen wahr-
zunehmen, durch welche der ursprüngliche Zustand in den genannten Theilen
getrabt ist. 3) Dagegen ist das dresdener Exemplar der Holbein'schen Ma-
donna eine freie Copie des darafftädter Bildes, welche nirgends die
Hand Hans Holbein's des Jüngeren erkennen läßt. Dresden, den 5. Sep-
te:nber 1871." (Unterz.) A. Wottmann. M. Thausing. C. v. Lützow.
Adolph Bayersdorfer. g.Lippmann. W. Lübke. Bruno Meyer. S.Vö-
gelin. Jlr. Th. Gaedertz. D. W. Hemsen. Julius Meyer. K. Woer
mann. G. Malß. W. Bode.
Wir können uns auf die mit solcher Heftigkeit allgemein verhandelte Frage
hier nicht weier einlassen. Es wäre uns sehr t«V, wenn das Urtheil der
Kunstgelehrten uns und Andern die Freuds Eben sollte, die Jedermann
vor dem schönen Bilde empfinden niM welches seit so langer Zeit als
zweite Perle der unschätzbaren dreMner Galerie gegolten hat und dessen
Werth nicht verringert wird, föin selbst das darmstädter Exemplar die
unzweifelhafte Prior.tüt LB^Ursprnngs hatte. Die Red.
Zur Holbeill-Filige.
Die-BMrzeichneten haben sich zu folgender Erklärung vereinigt: „Wir
ej&imeu in dein dresdner Exemplar der Maria mit der Familie Meyer
von Hans Holbein d. I., tro,z einer geringeren Vollendung in den Neben-
sachen, eine Wiederholung von der Hand des Meisters. Denn nur dieser
war im Staude, so freie Veränderungen, und zwar jo große Verbesserungen
in den Hauptsachen zu geben, wie namentlich in der ganzen Nauineinthei-
lang des Bildes uuo insbesondere der Proportion aller Figuren. Vor
Allem aber konnte mir der Meister eine solche Erhöhung der Idealität in
Gestalt und Geberde der Figur, in Schönheit und Ausdruck des Kopses
der Maria erreichen, welche weit über das im darmstädter Exemplar Ge-
gebene hinausgeht und das dresdner Bild in der That zu einem Gipfel-
punct deutscher Kunst erhebt, wofür es mit Recht von je her gegolten hat.
Das darmstädter Exemplar befindet sich leider in einem Zustande allge-
meiner Verdunkelung des Firnißuberzuges und theilweijer Uebermalung,
vor dessen Beseitigung eine gründliche Beurtheilung, wie weit dasselbe noch
Original sei, unmöglich ist.
Dresden, im September 1871."
A. W. Ambros. H. Bürkner. Lorenz Clasen. L. T. Choulant.
Ed. Däge. A. Diethe. A. Ehrhardt. L. Grüner. H. Grüder. A. Hops-
garten. Julius Hübner. Rudolf Lehmann. Gust. Lüderitz. Eduard
Viagnus. Th. v. Oer. C. Peschei. C. G- Psannjchmidt. Friedrich
treuer sen. Ludwig Richter. Julius Schnorr von Carolsfeld. " Julius
choltz. Julius Schräder. W. Schurig. D. Simonsohn. F. THessel
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Mittwoch, 25. October.
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Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann.
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Daube & Co.
Herausgeber:
Königl. Expedition des Dresdner Journals,
Dresden, Margarethengasse No. 1.
Amtlicher Theil.
Dresden, 23. October. Seine Hoheit der Herzog
von Braun schweig ist heute Abend 6 Uhr von Si-
byllenort hier eingetroffen und im „Hotel de Saxe" ab-
getreten.
Nichtamtlicher Theil.
Telegraphische NachrickLerr.
Berlin, Dienstag, §4.October, Nachmittags.
(W. T. B.) In der heutigen Sitzung LeS Reichs'
tags erfolgte zunächst die Beantwortung der In-
terpellation deS Abg. Richter, betreffend die Zu-
rückhaltung der Reservisten.
Der Kriegsminister v. Noon erwidert, die meisten
der vom Interpellanten hervorgehobenen Mißstände seien
bereits erledigt. Von den 31,000 noch unter der Fahne
zurückgehaltenen Reservisten würden 8130 mit der Rück-
kehr der 11. nnd der 24. Division entlassen. Durch die
Reduction der in Frankreich zurückbleibenden Bataillone
kamen 4824 zur Entlassung. Nach Ablauf der Uebnngs-
zeit in Elsaß-Lothringen kämen 2700, durch Recrutennach-
schub5506, mithin im Ganzen zwei Drittheile der obigen
Summe inWegfall. Bezüglich der Eavalerie sei aus techni-
schen Gründen allerdings nöthig, sogenannteNcmontereiter
einznbehalten, wovon Einzelne bis Milte nächsten Som-
mers bei den Regimentern bleiben müssen. Den ein-
jährig Freiwilligen ist durch kaiserliche Entschließung
jede mögliche Erleichterung gewährt worden.
Hierauf wird die Wahl des Freiherrn v. Lo«
(Düsseldorf) für ungiltig erklärt. Dagegen erklärt
das HauS das Rcichötagsmandat deS Abg. Dr.
Biedermann (Sachsen) als nicht erloschen. DaS
Post- und Posttaxgefetz werden in erster und zwei-
ter Lesung genehmigt. Das Gesetz, betreffend die
Zurückzahlung der 5% Anleihe des vormaligen
Norddeutschen Bundes vom 21. Juli 1870 (vgl.
den gestrigen Sitzungsbericht in der Beilage), wird
in zweiter Berathung angenommen. Nächste Sitz-
ung morgen.
Hamburg, Montag, 23. October, Abends.
(W. T. B.) Bei den heutigen BürgerschastSwahlm
wurden in 7 von 0 Bezirken die Candioaten der
Freihandelspartei mit großer Majorität gewählt.
Das Resultat von 2 Wahlbezirken ist noch nicht
bekannt.
Wien, Dienstag, 24. October. (W. D. B.)
Graf Elam-Martinih und Dr. Ricger sind heute
hier -nngetroffen, un» mit dem Ministerpräsidenten
Grafen Hohenwart über das kaiserliche Antwort-
rescript aus die Adresse deS böhmischen Landtags
zu unterhandeln.
Paris, Montag, 23. October. (W.T.B.) Die
Bank giebt die früher verpönten päpstlichen Silber-
münzen aus. (Vgl. unter „Tagesgeschichte".)
Versailles, Montag, 23. October. (W.T.B.)
Der Ministerrath beschloß, der Nationalversamm-
lung daö Verbannungidecret der ganzen Familie
Napoleon zu unterbreiten.
Brüssel, Montag, 23. October, Abends. (W.
T. B.) Die „Jndöpendance belge" meldet auSVer-
sailles, cs seien Unterhandlungen im Gange wegen
gänzlicher Räumung Frankreichs seiten der deut-
fchen Truppen.
Bern, Montag, 23. October, Abends. (W.T.
B.) Die ständige Commission für den Gotthard-
bahnbau hat heute den Vertrag, betreffend die Geld-
beschaffung, sowie die Statuttn einstimmig ratifi-
cirt. Letzter« zufolge ist die Stelle eines Direktors
der Gotlhardbahn unvereinbar mit der Führung
eines andern Directoriums. Zum Sitze der Ver-
waltung wurde Luzern mit 1401 von 1945 Stirn-
men gewählt.
Rom, Montag, 23. October. (W. T. B.) Die
„Opinione" meldet, daß durch königliches Decret
die gegenwärtige Session der Kammern geschloffen
und die neue Session am 27. November eröffnet
werden soll.
London, Montag, 23. October, Morgens.
(W. T. B.) Die „Times" veröffentlicht Mitthei-
lungen über die Unterredung eines ihrer Mitar-
beiter mit dem Kaiser Napoleon, denen zufolge der
Kaiser erklärt habe, er glaube nicht an eine Bo-
napartistische Verschwörung, weil Frankreich sich
von seinem Unglück ruhig erholen müsse und das
gegenwärtige Provisorium keine Negierungsform
ausschließe; auch könne kein Kammerbeschluß, son-
dern nur ein regelrechtes Plebiscit ihm das von
der Nation übertragene Mandat nehmen. Den
Offizieren, welche sich, als durch ihr Wort gebun-
den, an ihn gewandt hätten, habe er das Verbleiben
im Dienste ihres Landes gestattet.
Die „Timeö" widerspricht der von dem „Reu-
ter'schen Bureau" gebrachten Nachricht, daß die
Landung deS Prinzen Napoleon ohne Störung ab-
gelaufen fei; vielmehr seien zwischen den hinge-
schickten Chaffeurofsizieren und den Verabschiedeten
Zwistigkeiten vorgefallen, welche die Behörden zu
strengem Einschreiten veranlaßten.
Dresden, 24. October.
Die officiöse „Wiener Ab end post" polemisirt
gegen einen Artikel der „N. fr. Pr.", in welchem diese
den Widerstand oberösterreichischer Gemein-
den gegen den als illegal betrachteten Landesausschuß
als einen „gesetzlichen" bezeichnet hatte, in folgender
Weise: „Die „Neue freie Presse" bespricht heute in
einem „Der gesetzliche Widerstand" überschriebenen Ar-
tikel die gegen die oberöstcrreichischen Gemeindevertre-
tungen, welche es unternommen haben die Legalität des
neugewählten Landesausschnsscs in Frage zu ziehen, ge-
richtete Auflösungsordre der Regierung und und eröff-
net eine Perspective über die Dimensionen, welche der
„gesetzliche Widerstand" annehmen werde, nnd über den
aufreibenden Kampf, welcher der Regierung gegen den-
selben bevorstehe. Die Annahme, daß es sich in dem
speciell besprochenen sowie in den in Aussicht genom-
menen Fällen um einen „gesetzlichen" Widerstand
handle, ist grundfalsch. Die Gemeindevertretung, welche
die Legalität des Landesausschusses in Frage zieht, be-
findet sich nicht mehr auf gesetzlichem Boden, sie über-
schreitet den durch Art. V des Gesetzes vom 5. März
1862 ihr gesteckten Wirkungskreis und bietet eben da-
durch der Regierung die int Art. XVI des genannten
Gesetzes gegebene Handhabe, die Auflösung der Gemeinde-
vertretung zu verfügen. Und eben so ungesetzlich wird
jeder Vorgang seilt, wo sich außerhalb des Reichstes
stehende Körperschaften ein Urtheil über die Legalität
Denn nach den bestehenden Ge-
Ministerimn Hohenwart unbequem sein, das glauben
wir; aber ungesetzlich haben sie nicht gehandelt. Uns
fällt nicht ein, die Auflösungsordre eine ungesetzliche
zu nennen, denn die Staatsverwaltung ist souverän in
ihrem Auflösungsrechte, und wir sehen diesen Maß-
regelungen mit allem Bewußtsein der Unverwüstbarkeit
unseres guten Rechtes entgegen; aber daß es „„der
gesetzliche' Widerstand"" sei, den die Verfassungspartei
übt, das zu bestreiten wird Keinem gelingen."
Tagrsgrschichte.
B. Berlin, 23. October. Die erste Lesung des
Entwurfs, betreffend die Bildung eines Reichskricgs-
schatzes, gab heute zu lebhaften Erörterungen im Reichs-
tage Anlaß, ließ aber erkennen, daß derselbe, trotz sei-
ner Verweisung an die Budgetcommission, mit großer
Mehrheit angenommen werden wird. Sodann wurde
die erste Lesung des Entwurfs, Kündigung der Kriegs-
anleihen betreffend, vorgenommen und die zweite Le-
sung auf die Tagesordnung von morgen gesetzt. Hier-
bei gab der Reichskanzleramtspräsident eine Uebersicht
der bisherigen Verwendungen aus der französischen
Kriegskostenentschädigung. Bei der, den Schluß der
Sitzung bildenden, zweiten Lesung des Entwurfs, be-
treffend die Controle des Reichsetats für 1871, griff
der Abg. Richter das Verfahren der preußischen Ober-
rechnungskammer in einer Weise wiederholt an, die zu
lebhaften Protesten des preußischen Finanzministers
führte. In der Sache selbst wurde ein Antrag der
Fortschrittspartei,', gewisse Normative für den deutschen
Rechnungshof schon jetzt aufzustellen, abgelehnt und
nur eine v. Benda'sche vermittelnde Resolution ange-
nommen. (Vgl. den Sitzungsbericht in der Beilage.)
* Berlin, 23. October. Die vereinigten Ausschüsse
des Bundesrathes für Zoll- nnd Steuerwesen und
für auswärtige Angelegenheiten traten gestern zu einer
Sitzung zusammen. Der Vuudcsrath und der Aus-
schuß desselben für Rechnungswesen hielten heute Sitzun-
gen ab. — Gestern früh starb, nach kurzem Unwohlsein,
am Schlagflusse der Unterstaatssecretär im Ministerium
der geistlichen re. Angelegenheiten, Lehnert, im 64.
Lebensjahre. Derselbe gehörte seit Ende 1848 dem
Cultusministerium an. — Der „D. R.-A." enthält
eine Bekanntmachung des Krtegsministeriums vom 16. d.,
wonach die Bestimmung im Artikel 3 der zwischen dem
Norddeutschen Bunde und dem Königreiche Württemberg
unter dem 21.—25. November 1870 abgeschlossenen
Militärconvention, welcher zufolge die königlich würt-
iembergi scheu Truppen das XIV. deutsche Bun-
desarmeeeorps zu bilden haben, im Einverständniß beider
.contrahirenden Theile dahin abgeändert worden ist,
i
desselben anmaßen.
setzen ist eben nur der Landtag beziehungsweise der daß das königlich Württembergische Ärmeecorps als XIII
$Y}<d1^2v,-,+ü WnfiM, sic ßüiriVsuMhiniA iiiw sh* ünTnfimm Bundesarmeecvrps dem deutschen Reichsheere eingereiht
VwtvS CT'iov flOiMti* - CTVmrAViit11
Reichsrath berufen, die Entscheidung über die Zulassung
der Gewählten zu treffen. Diese Körperschaften con-
stituiren sich selbst, insoweit nicht die Krone die Ernen-
nung der Functionäre vorbehalten. Die Nichtachtung die-
ser gesetzlichen Bestimmungen kann man als Widerstand,
gewiß aber nicht als „gesetzlichen" Widerstand bezeichnen.
Am richtigsten wird für solches Vorgehen die Bezeichnung
„Auflehnung" sein nnd zwar nicht nur Auflehnung
gegen das bestehende Gesetz, sondern auch gegen das
Grundprincip des Constitntionalismns, welches Achtung
der Majoritätsbeschlüsse fordert. Eben auf dem streng
gesetzlichen Standpunkte, ans welchem sich die Regie-
rung solchen Vorgängen gegenüber befindet, wird sie
nnd jede Regierung die unversiegbare Kraft finden,
denselben Widerstand zu leisten, nnd in den Gesetzen
findet sie auch reichlich die Mittel, um die Herrschaft
des Gesetzes zu sichern." — Die „Neue freie Presse"
ihrerseits beharrt dabei, daß die Gemeindevertretungen
von Oberösterreich vollkommen gesetzlich gehandelt hätten,
nnd meint, das halbamtliche Blatt sollte sich hüten,
von „Auflehnung" gegen das Gesetz zu sprechen, denn
so lange nicht tschechische Geschworne die Justiz in ganz
Oesterreich üben, werde das genannte Negierungsorgan
wohl lange warten, bis cs einen Richter finden wird,
der diese Auffassung theile. Zum Schluß sagt sie: „Die
Gemeindevertretungen von Steyr nnd Wels mögen dem
wird. — Der „Neue Social-Demokrat" veröffentlicht
den Statutenentwurf, welchen der von den Dele-
girten der Arbeitervereinigungen Berlins ge-
wählte, aus dreißig Mitgliedern aller Gcwerbszweige
bestehende, provisorische Ausschuß einem Congresse der
Arbeiterbcvölkerung Berlins vorzulegen gedenkt. Der
Bund der Berliner Arbeiter hat den Zweck, „durch ge-
nieinsames Handeln der Berliner Arbeiter die Lage der-
selben zu verbessern, und zwar durch allmähliche Ver-
kürzung der Arbeitszeit bis auf 9 Stunden täglich,
Abschaffung der Nacht- und Sonntagsarbeit, Erhöhung
der Löhne und Wahrung der persönlichen Ehre und
Freiheit der Arbeiter". Die Erreichung dieses Zieles
erstrebt der Bund „durch planmäßiges Vorgehen der
Arbeitercorporationen bei Stellung ihrer berechtigten
Forderungen, und falls die letzteren nicht auf gütlichem
Wege durchgesetzt werden, durch organisirte Strikes".
Zur Erreichung seiner Zwecke gründet der Bund eine
Bundesstrikekasse für Berlin. Strikes müssen 14 Tage
vor ihrem Ausbruch dem Bundesausschnsfe angezeigt
werden; geschieht dies nicht, so geht das Recht ans
Unterstützung verloren. Der Bundcsausschuß befindet
binnen 48 Stunden darüber, „ ob Strikes gerechtfertigt
und zeitgemäß sind nnd demnächst unterstützt werden
können". — Die Tischlergesellen hielten gestern im
Saale des Handwerkervereins eine Generalversammlung
ab, die von etwa 250 Personen besucht war. Der
Vorsitzende der Strikecommission, Schmitz, bedauerte,
daß nur eine sehr geringe Zahl von Gesellen anwesend
sei, es sei dies ein Zeichen, daß wieder Lauheit ein-
reiße. Eine Frage, warum man den Strike erst jetzt
für beendet erkläre, während man am 11. d. M. be-
reits keine Unterstützung gezahlt hätte, beantwortet der
Vorsitzende Schmitz dahin, daß die Cvmmissson so ent-
schieden habe, und da habe der Einzelne nicht das Recht,
es zu bemängeln. — Die günstigen Erfolge, welche in
dem zunächst Magdeburg gelegenen Theil der Elbe mit
der Kettendampf schiff fahrt erzielt worden sind,
bilden den Anlaß, daß nunmehr auf der ganzen schiff-
baren Elbe, so wie auf dem Rhein nnd der Oder mit
solchen Einrichtungen zur Fortbewegung von Fahr-
zeugen vorgegangen werden soll. Zur Beschaffung der
nöthigen Capitalien sind bereits Actiengesellschaften zu-
sammengetreten.
Schwerin, 20. October. Die „R.-Z." bringt heute
einen ausführlichen Bericht über die gestrigen Verhand-
lungen des landschaftlichen Convents in Rostock. Alle
drei Kreise, d. h. die Bürgermeister der beiden Meck-
lenburg, waren versammelt, um über einen Antrag des
Magistrats zu Schwaan, betreffend die Reform der
Landesverfassung, zu berathen. Nachdem das jüngste
Nescript des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin
auf die Petition von 16 Magistraten zunächst verlesen
war, wurde eine motivirte Tagesordnung mit Bezug auf
dieses Nescript vorgeschlagen, dagegen von anderer Seite
aber geltend gemacht, daß dem Großherzoge von Meck-
lcnbnrg-StreUtz von landschaftlicher Seite'überall noch
keine Wünsche wegen Verfassungsreformcn ausgespro-
chen seien, daß derselbe sich also auch noch nicht habe
äußern können, mithin die motivirte Tagesordnung für
Strelitz nicht zutreffend sei, und ferner, daß das Re-
script, welches 16 Magistraten zugegangen, die gesammte
Landschaft nicht verhindern könne, Stellung zu der Frage
zu nehmen. Eine dritte Meinung wollte Uebergang
zur Tagesordnung^ Endlich wurde die Landschaft sich
mit 25 gegen 12 Stimmen schlüssig, durch die Vorder-
städte folgenden Antrag an die beiden Landesherren ge-
langen zu lassen:
„Allerdurchlauchtigster Großherzog, attergnädigster Groß-
hcrzog und Herr! E. k. H. sind wir, die aUeruiiterlhänigst un-
terzeichneten Magistrate der Borderstädte beauftragt, namens
der Landschaft aller dreier Kreise, deren Uebelzeugnug zur huld-
vollsten Kcnntnißnahme und Erwägung ausznspreche'n. daß eine
Reform der bestehenden Landesverfassung als dringend noth-
wendig anzuerkennen sei. Ew. königlichen Hoheit getreue Land-
schaft glaubt, eine Mißdeutung nicht besorgen zu dürfen, lvenn
sie unter den gegenwärtigen Berhältnissen von näherer Begrün-
dung dieser ihrer Ueberzeugung absteht, und zugleich die Hoff-
nung ausdrückt, daß E. k. H. baldmöglichst die erforderlichen
Verhandlungen in dieser Angelegenheit einzuleiten Sich be-
wogen finden möchten. In größter Ehrfurcht verharren wir
E. k. H. allerunterthänigste B. und R. der Vorderstädte."
Die für den diesjährigen, zum 22. November ein-
berufenen Landtag publicirten Capita propenda Icui=
ten wörtlich: 1) Die ordentliche Contribntion. 2) Be-
willigung der außerordentlichen Eontribution zur Deckung
der Bedürfnisse der allgemeinen Landesreccpturkasse.
3) Verordnung, betreffend Entschädigung für die vom
1. Januar 1873 ab durch § 7 der deutschen Gewerbe-
ordnung aufgehobenen Berechtigungen und Ablösung
der nach 8 8 der Gewerbeordnung von demselben Zeit-
punkteab für unlösbar erklärten Rechte.
München, 22. October. Wie der „N. C." erfährt,
hätten die Ministerien des Aeußern und Innern eine
Vereinbarung dahin getroffen, daß die Regierung S-
presse wieder von dem Ministerium des Innern über-
nommen werde, und das letztere habe den Aufwand
hierfür mit 20,000 Fl. in das Bitdget der nächsten
Finanzperiode eingestellt. — Das Ministerium des
Aeußern hat, derselben Quelle zufolge, das frühere
Postulat von 294,000 Fl. für Gesandtschaften auf
264,000 Fl. reducirt. — Aus ©intbad) schreibt man
der „Allg. Ztg.": Die heutige AltkatholikettVer-
sammlung Hierselbst war aus Bayern und Oesterreich
sehr zahlreiä) besucht. Prof. Huber sprack) über die
Feuilleton.
(Nedigirt von Htto Wanck.)
Concert des Neustädter Chorgesangvereitts
am 23. October zum Besten der Abgebrannten in Chicago.
Der Verein gab damit einen Beweis der eifrigen rüsti-
gen Thätigkeit, der er sick) neu hingegeben, und der
musikalisd) tüchtigen und belebenden Leitung seines Di-
rigenten Herrn Friedrich Reick)el. Die beiden vorge-
führten Werke „Kalanus" von Niels W. Gade und
„Die Flucht der heiligen Familie" von M. Bruch waren
vortrefflich einstudirt und erwiesen frische, jugendliche
Stimmkräfte des Vereins, namentlich auch im Tenor
nnd Baß, wo sie durch die Anziehungskraft der Männer-
gesangschöre jetzt gewöhnlich fehlen. Der Verein wird,
wenn er in seinem Streben wacker ausharrt und das
Bentühen seines Dirigenten mit gleichmäßiger Theil-
nahme aller seiner Mitglieder unterstützt, ein wesent-
licher Factor für hiesige größere Musikausfüh'. ungen
werden.
Das schon in diesem Frühjahre am Clavier produ-
cirtc dramatische Gedicht „Kalanus" wurde diesmal mit
Orchester ausgeführt; die Soli hatten die Herren
Degele, Jäger nnd Fräulein Lehn mit künstlerisch
theilnchmender und sehr anerkennnngswerther Bereit-
willigkeit übernommen. Die Orchesterpartie des Werks
ist schwer, denn im farbenreichen Jnstrumentalcolorit
besteht bekanntlich eine Hauptstärke Gade's. Eine ge-
nügend klare und richtig wirkende Ausführung derselben
ist mit wettigen Proben nicht befriedigend zu erreichen,
nnd es erscheint daher auch diesmal ein sicher motivir-
tes Urtheil über die Composition nicht wohl möglich.
Jedenfalls aber wiederholte sich dabei wieder die
Wahrnehmung, daß ein Vermeiden geschlossener Formen,
ein unablässiges polyphones Verbinden und Aneinander-
reihen in „unendlicher Melodie" oder vielmehr „in nu-
endlicher musikalischer Phrase" ganz vorwaltend zur
Farbe drängt, und nicht zur Zeichnung, zum bestimm-
ten Gedanken und seiner organischen und charakteristi-
schen Entwickelung. Es gelingt aber nicht Jedem, durch
das Colvrit die Verschwommenheit oder den Mangel
der Linien und des eigentlichen gedanklichen Gehalts zu
verdecken oder gar mit poetischer Totalwirkung zu er-
setzett. Und ferner, daß solche Richtung weit bedenk-
licher für den Concertsaal als für die Oper durchzu-
führen ist. Denn in letzterer markirt der Wechsel der
Scene und der Handlung wettigstens fürs Auge und
die allgemeine Wahrnehmung immer gewisse Abschnitte
der Musik, während im Concertsaal für oratorische nnd
dramatisirte Werke auch diese äußere Formhilfe fehlt,
die ein Stück Musik für unsre Attffassung nnd Phan-
tasie wie mit einem Rahmen umgrenzt.
Den Text von Karl Andersen betreffend, so ist uns
der indische Gymnosophist Kalanus an sich natürlich
unsäglich gleichgiltig und interesselos. Der Stoff aber
in seiner Grundidee hätte uns allgemein menschlich
durch die Art der poetischen Gestaltung allerdings näher-
gebracht werden können, was dem Dichter indeß gar
nicht gelungen ist.
Das Chor von M. Bruch „Die Flucht der heiligen
Familie" ist als Musikstück von reizender Wirkung
durch Wohlklang, melodische Erfindung, einheitliche
Stimmung. Faßt man aber das erzählende Gedicht
von Eichendorff ins Auge, welches au sich gar wenig
für die Composition geeignet ist, so erscheint der Chor-
satz für die musikalische Wiedergabe der Idee zu dick
und schwülstig, zu verschwommen und monoton ohne
formelle Klarheit, ohne Einfachheit und naiven Aus-
druck für diese idyllisch religiöse Schilderung.
Dem Neustädter Chorgesangverein sei das Studmnt^^x,
von Chören a enpolla empfohlen, oder doch von Chören,
deren sehr unwesentliche Instrumentalbegleitung durch
das Clavier leicht ersetzt wird. Denn am schnellstett
fördert es die gesangliche Fortbildung und bett Sinn
für die Details derselben, wenn der Chor sich selber
-xenau hören kann, wenn er sich ganz allein auf seine
eigene Tonwirkung gestellt sieht, ohne Stütze, ohtte er-
gänzende, verdeckende und auch die Schwächen zudeckende
Klanghilfe des Orchesters. E. Banck.
Ein letztes Wort'") zur Holbeinfrage.
Von Julius Hübner.
In den Nr. 235 bis 237 dieses Blattes findet sich
eine Abhandlung über den bekannten Madonnenstreit
von Dr. A. v. Zahn, welche sich durch eine ruhige und
gewissenhafte Behandlung dieses vielbesprochenen Thenn
vor vielen andern vortheilhaft auszeichnet. Ich azasive
samt volle und aufrichtige Werthschätzung deLMrfas-
sers sowohl, wie der in Rede stehenden Abhandlung
nicht besser beweisen zu können, als indem-M) derselben
eine ebenso ruhige und gewissenhafte,-Prüfung widnte.
Ich bemerke dabei, daß schwerlich Mt Aeußerung von
anderer Seite im Stande gewesenMtn würde, mich noch
jetzt zum 9teden zu veranlaMt, nachdem bereits im
Laufe der Discussion die allerentgegengesetztesten Mei-
nungen in einer Weise zu Tage getreten sind, welche
die ganze Angelegenheit zu verwirren drohen.
*) Wir wissen nicht, ob dieser Aufsatz wirklich ein letztes
Wort ist, da dem Herrn Verfasser unsers ersten Holbeinanikels
selbstverständlich eine Erwiderung vergönnt sein muß. Jeden-
falls mögen sich aber die verschiedenen Parteien dieser Streit-
frage nicht der Täuschung hingeben, als sei durch die Ausnahme
der obigen Betrachtung eine Arena für eine weitere Polemik
eröffnet, ein Wunsch, den unsre Tendenz und der knapp ge-
ffene Raum unsers Blattes verbietet.
Die Redaction.
r
Ich gehe bei dieser Gelegenheit durchaus nicht etwa
daraus aus, die Meinung des geehrten Herrn Verfassers,
welche mir überdies schon bekannt war, irgendwie ztt
bekämpfen oder zu bestreiten, da ich dieselbe, wie jede
andere, meinen eigenen Ueberzeugungen noch so entgegen^
gesetzte, gerade ebenso respectire, wie ich die meiutge
respectirt' wissen will. Für mich handelt cs sich tttehr
um eine Prüfung der Gvtmdsätze und der Art der Be-
weisführung, welche dötrV'erfasser seinen eigenen Ueber-
zeugungen zum Gründe legt. Eine Prüfung, zu welcher
überdies ant ^Schlüsse seiner Abhandlung von ihm selber
aufgefordert tvird.
LiMn er zttcrst die Befürchfttng aussprtcht, das
grMre Publicum der Kunstfreunde werde durch den
Miderstreit der Ansichten über die beiden Madonnen-
bilder nur in betn oft ausgesprochenen Vorurtheile bc^,
stärkt worden, „es lasse sich in Derartigen Fragen Wßr^
Haupt keilte wissenschaftlich begründete Entscheidttng
treffen, und das Urtheil über ftnnstwerke sei nichts als
der Ausdruck subjectiver Meinungen", so tnnß ich dieser
Befürchtung nicht fnttr zustimmen, sondern Meile auch
insbesondere, wan den speciell vorliegenden Streit be-
trifft, ganz entschieden die Meinung 'des größern Pn-
blicutns, aus Gründen, die sich im Verlaufe meiner Be-
trachtungett ergeben werden. Der Herr Vers, kommt
nun auf die Fnndamentalsätze seiner Anschauungen,
indent er für die Erforschung der Urheberschaft eines
bestimmten Gemäldes zweierlei Wege angiebt. Zu-
erst den historischen (durch die geschichtlichen Zeug-
nisse re.), sodann den Weg der Vergleichung mit
unzweifelhaft beglaubigten Werken desselben Meisters.
Dieser Behaupttutg aber ist nur in so weit betzustim-
men, als man dabei entschieden festhält, daß nur ans
dem ersten, dem historischen Wege ein wirklicher Be-
weis geliefert werden kann, während der zweite nur
A
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
aas und geißelte das Ver-
. Pros. Friedrich begrün-
mgreß angenommene Pro-
Flurl verlas sodann das
Localvereine und knüpfte
s Verhältniß znm Landes-
ie Versammlung zum Ein-
und schloß mit einem Hoch
Der „N. C." meldet Fol-
einstage der Vereine
r: Die heutige erste Ver-
e aus allen Gauen Deutsch-
izahl Damett, eingetroffen
ix Staatsregierung durch
~......lfranken, Dr. v. Fe-
ste unter Andern: der
;:e Hilfsvercitte durch
e der Humanität er-
Z^ß, wenn auch Deutsch-
"arn lebet: wolle, den-
nnftige Eventualitäten
vuue Anerkennung verdiene. Der erste Bürgermeister
v. Stromer begrüßte sodann die Anwesenden im Na-
men der Stadt mit einigen herzlichen Worten, woraus
Geh. Rath v. Sydow, der Vorstand des Centralcomites
in Berlin, für die Bewillkommnung durch die beiden
Vorredner dankte. Durch Acclantation wurde zum ersten
Vorsitzenden Geh. Rath v. Sydow vott Berlin, zum
ersten Vicepräsidenten Graf v. Castell, der Vorstand
des bayersche:: Landeshilfsvereins zu München, zum
zweiten Vicepräsidentett Pfarrer Dr. v. Hahn von Stutt-
gart gewählt. Zit Schriftführern wurdet: ernannt Re-
gierungsrath v. Criegern aus Dresdet: und Archivrath
Dr. v. Weech aus Karlsruhe, zu stellvertretenden Schrift-
führern Hofmarschall v. Cramm aus Gera und Bezirks-
gerichtsarzt Di-, Reuter aus Nürnberg.
G Wien, 22. October. Obgleich fünf Tage seit
meinem letzten Briefe verstrichen sind, so habe ich dem-
selben doch wenig Neues über die Situation hinzu-
zufügen. Der große Ministerrath, an welchem die Neichs-
minister und die Vertreter der beiderseitigen Ministe-
rien theilttahmen und in welchen: die Lage nach allen
Richtunget: erörtert und beleuchtet worden, hat feine
Ausgabe gelöst und seine Berathunget: mit einer fünf-
stündigen Sitzung, die unter dem Vorsitze des Kaisers
stattfand, beendet. Sämmtliche Räthe der Krone hat-
ten Gelegenheit gehabt, dem Monarchen gegenüber ihre
Ansichten über die Situativ:: darzulegen und ihre Stand-
punkte zu präcisiren. Der Kaiser hat sich hierauf seine
Entschließung vorbehalten. Solange diese nicht erfolgt
ist — man erwartet sie im Laufe der nächsten Tage —
sind alle Nachrichten über die Entscheidung müßige
Neuigkeitskrämerei, und meint die Combinationen opti-
mistisch gefärbt sind, so hat dies zunächst in der auch
von uns getheilten Erwartung seinen Grund, daß die
Entscheidung im Sinne der Verfassung ausfallet: werde.
Wien, 23. October. (Tel.) Das „Telegraphencorre-
spondenzbüreau" meldet, daß die Mittheilungen des „Pesti
Naplo" über die Wiener Ministerco nferenzen der
Sachlage nicht entsprechend seien; alle Theile hätten ihre
Ansichten klar atlseinandergesetzt, eine Entscheidung sei
noch nicht erfolgt.
Graz, 22. October. (N. FM.) Am heutigen zahl-
reich besuchten deutschen Parteitage wurden zwei
Resolutionen angenommen. Die erste ist ein Protest
gegen die Lockerung und Zerreißung nationaler Zu-
sammengehörigkeit. In der zweiten erklärt der Partei-
tag, illegalen Negierungsacten gegenüber passiven Wi-
derstand in Anwettdung zu bringet: und anerkennt die
sympathischen Kundgebungen Deutschlands.
Paris, 21. October. Ueber den Austausch der
Ratificationen des zwischen Preußen und Frankreich
abgeschlossenen finanziellen Vertrages, welcher
gestern Nachmittag im Hotel des Ministers der aus-
wärtigen Angelegenheiten stattgefunden hat, schreibt
n:an der „N.-Z.": Graf Harry v. Arnim war erst
gestern gegen Mittag hier eingetroffen, hatte aber schon
vorher dem Grafen Remusat mittheilen lassen, daß er
noch an demselben Tage den Schlußact der langen Ver-
handlungen vornehmen wolle. Das Obercommando
der Occupationsarmee ist sofort benachrichtigt worden,
und da seit einigen Tagen alle Vorbereitungen getroffen
waren, hat schon heute auf der ganzen Linie die
Räumung der betreffenden Departements begönne::.
Die 11. (schlesische) Division, welche bis zur Räumung
der Pariser Forts die Besetzung vot: St. Denis und
Umgegend bildete, hatte seitdem in den Departements
Haute-Marne, Marne und Vogesen provisorische Can-
tonnements bezogen, da sie vor den letzten Verhand-
lungen dazu bestimmt war, die 4. (pommersche) Division
in der Cote-d'Or, Jura u. s. w. abzulösen. Die 11. Divi-
fiott wird nun sofort ihren Marsch in die Heimath
antreten, während die 4. Division, die Departements
Cöte-d'Or, Jura, Haute-Saone und Doubs verlassend,
sie in den Departements Haute-Marne und Vogesen
ersetzen wird. Außer der 11. Division verläßt noch
die sächsische 2. Infanteriedivision Nr. 24, welche das
Departement der Ardennen und den nördlichen Theil
des Maasdepartements besetzt hält, Frankreich; sie wird
abgelöst durch die 2. bayersche Infanteriedivision, welche
die Departements Oise und Aisne definitiv räumt.
Nachdem diese Dislocirung stattgefunden haben wird,
behaltet: wir also noch die 4., 6. und 19. preußische
und die 2. bayersche Division in Frankreich, im Ganzen
etwa 50,000 Mattn. (Wie die ,, N. Pr. Z." erfährt,
ist zur Verhütung einer Ueberschreitung der conventions-
mäßigen Stärke der künftigen Occupationsarme an-
geordnet worden, die Bataillone der in Frankreich zurück-
bleibenden Divisionen durch Rücksendung der ältesten
Mannschaften auf die etatsmäßige Friedensstärke der
Bataillone der alten Gardeinfanterieregimenter zu
reduciren.)
— Die bereits telegraphisch gemeldete Ernennung
des Finanzministers Pouyer-Quertier zum Groß-
offizier der Ehrenlegiot: erfolgte, wie aus dem Wort-
laute des Decrets des Präsidenten der Republik hervor-
geht, „in Attbctracht des außerordentlichen Dienstes,
welchen derselbe soeben dem Staate geleistet, indem er
mit Erfolg in Berlin die wichtige finanzielle Unterhand-
lung zu Ende führte, welche uns die vorzeitige Befrei-
ung eines Theils unsers Gebiets verschafft hat."
— (K. Z.) In den Kellern der Bank lagern seit
einigen Jahren mehrere Millionen päpstlicher 2-, 1-
und %-Francstücke, welche Pius IX. in Frank-
reich hatte prägen lassen, als er es für angemessen ge-
funden, ohne dem französisch-schweizerisch-belgisch-ita-
lienischen Münzvertrage ausdrücklich beizutreten, den-
noch seine Münzet: auf dem geschaffenen Fuße herzu-
stellen, wie die später Rumänien und Griechenland'in
ähnlicher Weise gethan. Nun beschränkt aber jener
Münzvertrag das Recht der Ausprägung von Silber-
scheidemünze in den betreffenden Staaten nach dem Ver-
hältniß der Kopfzahl. Cardinal Antonelli hatte sich
darat: nicht gekehrt, sondern Scheidemünze prägen lassen,
die weit über die zukömmliche Zahl hinausging. Da-
utals wttrde eine Zeit lang die Emulation jener päpst-
lichen Francstücke aus diesem Grunde inhibirt, und
der Kirchenstaat ließ in der Folge eine ziemliche An-
zahl dieser Münzen in den Kellern der Bank vot: Frank-
reich liegen, um sie nur nach und nach erst in Verkehr
zu bringen. Jetzt aber, wo die Kleingeldnoth in Paris
so hoch gestiegen, schlägt man vor, diese Münze zu be-
tuchen und sie sofort in Umlauf zu setzen. Es heißt,
daß man in Brüssel, Bern und bei der italienischen
Regierung anfraget: läßt, ob man ausnahmsweise die
Uebertretung der bezüglichen Convention gestattet: wolle.
— Vor der 10. Kammer des Zuchtpolizeigerichts kam
vorgestern der gegen den Exgeneralconsul von Frank-
reich in New-Hork, Herrn Place, gerichtete Unter-
schleifsproceß zur Entscheidung. Man erin-
nert sich, daß infolge eines Berichts der Untersuchn:: gs-
commission der Nationalversammlung über die Wafs'en-
kättfe, welche Herr Place im Aufträge der Regierung
während des Kriegs vermittelt, dieser Letztere- seines
Postens entsetzt und unter der Anklage, ihm anver-
traute Staatsgelder veruntreut und sich auf Kosten des
Staates widerrechtlich bereichert zu haben, vor das Zucht-
polizeigericht gestellt wurde. Daß Gelder unterschlagen
worden, wurde festgestellt, doch blieb unerwiesei:, daß Place
dieselben mit seinen Agenten getheilt habe. Remington,
mit dem diese Geschäfte gemacht wurden, behauptete' dies
Und auch Lecesne, ehemaliger Deputirter vot: Havre,
der alle Kaufordres im Namen der Nüstungscommission
zu erlassen hatte, suchte es zu bekräftigen. Indessen las
der Vertheidiger des Herrn Place einet: Brief des jetzigen
französischen Generalconsuls inNew-Aork an den Minister
des Aeußern vor, worin behauptet w:rd, daß Remington
beim Ausbruche des Krieges sich in einer schlechten Lage
befundet: habe und durch seine Waffenlieferungen an
Frankreich sich wieder habe herausreißen wollen, des-
halb Alle, die mit ihm zu thun gehabt, des Unterschleiss
angeklagt habe, um sich selbst rein zu waschen, und daß
einer semer Commis eidlich versichert habe, daß er (Re-
mittgton) in der letzten Zeit seine Bücher drei Mal
habe copiren lassen, nm sie zu modisiciren. Der Ver-
theidiger des Angeklagten brachte auch t:och eit: anderes
Document vor, worin vielmehr Herr Lecesne, der Prä-
sident der Rüstungscommission, angeklagt tvird, der
Associe Remington's geweset: zu sein, also von den
skandalösen Verträgen, die er mit dem amerikanischen
Waffenfabrikanten abgeschlossen, Nutzen gezogen habe.
Herr Place wurde daraus in allen Punkten freige-
sprochen.
—• Das Ereigniß des Tages, schreibt man der
„N. Pr. Z.", ist ein Manifest, welches Gambetta
in der Form eines Briefes an ein Departementalblatt
vom Stapel gelassen hat. Er findet, daß das Re.ultat
der Wahlen zu den Generalräthen eine Niederlage nicht
blos für die Monarchisten, sondern auch für die forma-
listischen Republikaner und für die „impertinente"
Theorie gewesen sei, der gemäß eine Republik ohne
Republikaner hergestellt werden solle. Der Assemblöe
giebt er den Laufpaß, die Wahlen hätten sie vor die
Wahl einer Usurpation oder der Auflösung gestellt.
Paris, 22. October. (Tel.) Das „Journal officiel"
publicirt einen in scharfem Tone gehaltenen General-
befehl des Kriegsministers, welcher den Offizie-
ren in Erinnerung bringt, daß es ihnen untersagt ist,
Broschüren erscheinen zu lassen oder für Journale zu
schreiben. Um solchen disciplinarwidrigen Acten zu
steuern, wird jeder Militär, welcher derartige pubici-
stische Arbeiten unternimmt, das erste Mal mit Arrest
und im Wiederholungsfälle mit Dienstesentlassung be-
straft werden.
Paris, 23. October. (Tel.) Das „Journal officiel"
veröffentlicht eine Note, in welcher die Behauptungen
der Bonapartistischen Journale, daß Thiers sich seinen
Gehalt in Gold ausbezahlen lasse, um von dem Gold-
agio zu profitiren, entschieden für unwahr und als
Vcrleuuldungen bezeichnet werden.
Brüssel, 22. October. Von den wegen Theilnahme
an dem Aufstande der Communisten in Paris ver-
hafteten Belgiern sind, wie der „Moniteur" mit-
Otheilt. 133 in Freiheit gesetzt worden. 183 befinden sich
noch in Hast.
Genf, 23.October. (Tel.) Gestern fand in Caroug e
ein Meeting von Mitgliedern der Internationalen
statt, welches nur sehr schwach besucht war.
Lissabon. Der Aufstand in Goa ist vorüber;
der Gouverneur meldet, daß die meuterischen Bataillone
zum Gehorsam zurückgekehrt seien. Die Expedition
ist aber nicht zurückgerufen worden; auch werden Ver-
stärkungen nachgesendet. Man scheint also dem Frieden
doch nicht recht zu trauen.
London, 23. October. (Tel.) Wie verlautet, soll
die Königin die Begnadigung der verhafteten Fenier
verweigert haben, da dieselben der Armee angehören.
Koustantinopel, 22. October. Man telegraphirt
der „Pr.": Der Sultan bewilligte anfänglich eine
Verringerung der Civilliste um 30, dann um
40 Millionen Piaster; vot: tütn ab wird die Zahl der
Muschirs (Generalfeldmarschälle) auf 3 reducirt. — Die
Bewegung in Persien nimmt große Dimensionen
an, Hadrubischan ist ganz revolutionirt. Das Feld-
geschrei lautet: „Nieder mit dem Schah und seiner
Regierung, die das Land zt: Grunde richten."
• Kragujevacz, 22. October. (Tel.) Gegenüber dem
in der Skuptschina gestellten Antrag, daß von den
Fremden eine Octroisteuer erhoben werden sollte, er-
klärte der Ministerpräsident, die Regierung werde sich
bemühen, die gesammte Frage der Capitulationen zu
lösen. Sie könne aber nicht einzelne Punkte derselben
herausgreifen, da dies die Sachlage eher verwirren
als vereinfachen könnte.
New-Fjork, 20. October. (Kabeltelegramm.) In
, Winnepeg herrscht große Aufreguttg, da nahe betn:
J See Shebandowau ein Gold lag er etttdeckt sein soll.
! Große Menschenmassen setzen sich dahin in Bewegung. —
| Gouverneur Hvfsmaun ermächtigte den Staatsanwalt
1 un>, Charles OfConnor, eine Klage gegen die Be-
Namten der Stadt New-Jork anzustrengen.
— Aus Chicago melden die letzten Kabeltele-
i. gramme, daß die Kaufleute Chicagos meist ihre Ge-
schäfte wieder aufgenommen haben, und daß bereits
3000 provisorische Wohnstätten errichtet worden sind.
Dresdner Nachrichten
vom 24. October.
— Der 37. Geschäftsbericht der hiesigen
Kinderheilanstalt meldet die Verwirklichung eines
sehnsüchtig gehegten Wunsches: die am 29. September
v. I. erfolgte Uebersiedelung der Anstalt nach ihretn
neuen, nunmehr eigenen Grundstücke, Poliergaffe Nr. 6.
-Eine daselbst in der Hausflur angebrachte Tafel wird
das Andenken des verstorbene:: Wohlthäters, des Kauf-
tnanns Herrn Hermann Ferdinand Kegler, in fort-
währender Erinnerung halten. Ueber Personalver-
änderungen ist in dem Berichte Folgendes bemerkt:
An Stelle des durch den Tod ausgeschiedenen Gcneral-
utajors Freiherrn v. Reitzenstcin ist Advocat Max Eckardt
in ben Ausschuß eingetreten. Die Zahl der Vor-
steherinnen für die wirthschaftlichen Angelegenheiten
wurde durch Eintritt von Frau Präsident Halle und
Frau Professor Rietschel vermehrt, während Fräulein
Fanny Küttner ausschied. Frau Dr. Gräffe, seit
mehreren Jahren schon thätig, wirkt in gleicher Stel-
lung fort. Aus der Zahl der Assistenzärzte schied am
1. Januar d. I. Dr. Männel und Dr. Eales trat
an seine Stelle, währettd von früher her in gleicher
hinreicht, eine subjective Ueberzeugung zu begründen,
dagegen einen zwingenden und unwiderleglichen Beweis
zu führen, nicht im Geringsten ausreicht.
Ü3 Es kann diese Thatsache nicht oft genug betont wer-
den und man muß sie den streitenden Parteien auf bei-
de:: Seiten immer wieder ins Gedächtniß rufen. Ein
wohlerhaltenes, unzweifelhaftes Monogramm, ein ar-
chivalisches Document, ein unzweifelhaftes Zeugniß eines
Gleichzeitigen u. s. w., das allein sind utuvioerlegliche
Beweise, welche auch den hartnäckigsten Gegner zwingen,
an einer solcherweise festgestellten Autorschaft zu glau-
ben. Aber die Vergleichung mit andern Bildert: desselben
Autors, deren Resultate der Herr Verf., wie es scheint,
ebenso als Beweis gelten lassen will, kann, wie schon
gesagt, immer nur von einem subjectiven Standpttnkte
ausgehen, der allenfalls für die von Haus aus Gleich-
gesinnten, niemals aber für die Gegner überzeugend
sein wird.
kg Freilich kann denn auch auf die weitere Frage des
Herrn Verf.: „War Holbein's Weise von einer un-
verkennbaren Eigenthümlichkeit? Und dies zuge-
standen, stimmt unser Bild (das Dresdner) mit dieser
Eigenthümlichkeit überein?" die Antwort nur lauten:
Es giebt keine unverkennbare Eigenthümlichkeit der
Malweise Holbein's so charakteristisch immerhin die
Aehnlichkeiten der Behandlung in den verschiedenen und
beglaubigtet: Bildert: Holbein's hervortreten.
Die bekannte Thatsache, daß das weltberühmte Mor-
rettbildniß Holbein's in unsrer Galerie noch bis vor
zwanzig Jahren, wie der Herr Verfasser selber anführt,
als ein Werk Lionardo da Vinci's galt, ist wahrlich
ein sehr erheblicher Grund, an dieser unverkenn-
baren Eigenthümlichkeit von Holbein's Kunstweise zu
zweifeln. Es bedurfte auch hierbei, trotz der lange vor-
h ^gegangenen, richtigen Erkenntniß des Autors, welche
Rumohr schon ausgesprochen hatte, noch immer des
vollen historischen Beweises, wie er durch den Kupfer-
stich Hollar's und später noch durch die beglaubigte
Originalzeichnung Holbein's geliefert worden ist, ehe
jeder Zweifel unmöglich gemacht wurde. Wäre dieser
Beweis ausgeblieben, so erdreiste ich mich allerdings zu*-
behaupten, daß noch heute die Autorschaft Holbein's
von jedem beliebigen Kunstkenner angezweifelt werden
dürfte, ohne daß man ihm etwas Anderes, als die
subjective Ueberzeugung entgegenstellen könnte.
Wenn nun aber, wie der Herr Verfasser selbst zu-
giebt, in dem Madonnenstreite auf historischem Wege
ein Beweis bis jetzt unmöglich, ein solcher daher auch
von keiner Seite vollständig und überzeugend gebracht
worden ist; dagegen auf dem Wege der Vergleichung
mit Bildern Holbein's ein zwingender Beweis gar nicht
gegeben werden kann, so folgt daraus mit Evideilz,
daß der streitige Fall nach wie vor unentschie-^ '
ben geblieben ist, ja daß er sogar unentscheid-
bar bleibt, bis neue und zwar historische Bcweis-
uüttel gefunden worden sind.
Nur mit diesem geraden unb offenen Geftändniß
tvird der Wahrheit gedient, mit dieser unbefangenen
Feststellung des wirklichen Resultates all' der so
entgegengesetzten Meinungsäußerungen wird der ehr-
lichen Forschung der Weg für alle Zukunft freigehalten,
freilich aber auch jedem voreiligen Triumphgeschrei ebenso
gründlich Einhalt gethan.
Hiermit wäre der eigentliche Kernpunkt meiner Be-
trachtungen erreicht, und es bleibt nur ::och übrig, dem
Herrn Verfasser in das Detail seiner Untersuchung zu
folgen, um auch hier wieder im Eittzelnen zu erleben,
daß man eine subjective Meinung durchaus respectiren
kann, ohne sie zu theilen, und daß Gründe, welche voll^
kommet: ausreichen mögen, die Ueberzeugung eine^M^Z
zelnen zu befestigen, für der: Andersdenkenden kein,
oder doch ein viel geringeres Gewicht haben.
Zuvörderst ist wohl hervorzuheben, daß eine Prü-
fung der eigenthümlichen Malweise Holbein's nach nur
„vierzehn" Bildern, welche der Herr Verfasser für
die einzig echt beglaubigten von den „sechsund vierzig"
ausgestellten Gemälden Holbein's*) erklärt, doch wohl
ein etwas zu geringes Material für eine einigermaßen
umfassende Betrachtung des Meisters bildet. Welcher
Philologe würde sich erlauben, die eigenthümliche Schreib-
weise eines Schriststellers für gründlich erkannt zu hal-
ten, wenn er nicht mindestens alle Schriften desselben
zum Vergleich heranziehen könnte? Unb doch hören wir
gerade die wissenschaftliche Weise der Prüfung von
den neuesten und jüngsten Kunstkennern so sehr betont!
Um so mehr bletbt es entschieden zu bedauern, daß
man nicht wenigstens noch die Baseler Bilder zur Aus-
stellung erlanget: konnte, an denen gerade die Weise
Holbein's vor seiner englische:: Reise zu Tage getreten
sein würde. Hierzu kommt noch, daß außerdem alle
diese vierzehn Vergleichsbilder nur Bildnisse, daß
aber die Behandlung idealer Gegenstände, wie die Ma-
donnen, auch wesentlich andere Eigenschaften des Mei-
sters zur Geltung bringt. Die beiden einzigen Tafeln
dieser Art auf der Ausstellung, St. Georg und St. Ur-
sula (Nr. 190 und 191 des Katalogs), werden mit der
Bemerkung beseitigt, daß sie Jugendarbeiten seien, weil
eine höchst zweifelhafte Bezeichnung sie in das Jahr
1522 versetzt. Aber auch an ihnen, obgleich sie als
Kunstwerke unbedeutend, ist eine ganz andere Behand-
lung als an den Bildnissen wahrzunehmen.
*) Auch dieser Umstand spricht doch wohl in sehr beredter
Weise nicht für die „unverkennbaren" Zeichen der Holbein'--
fchen Malweise. Der Verfasser.
(Schluß folgt.)
Eigenschaft die DDr. Beschorner, Küttner jun. und
Berthold thätig sind. Anfang April wurde in Fräulein
Mörlin aus Altenburg eine gewissenhafe Jnspectorin
für die Anstalt gewonnen. Der Geschäftskreis der
dirigirenden Aerzte erlitt insofern eine Aenderung, als
seit dem 1. Mai d. I. nicht mehr wie früher abwech-
selnd die DDr. Gräffe, Pusinelli und Förster die Poli-
klinik leiten, während Dr. Förster seine Thätigkeit auf
das immer mehr Zeit in Anspruch nehmende Hospital
beschränkt. — In der poliklinischen Abtheilung der
Anstalt wurden im 37. Jahrgange 1191 Kinder auf-
genommen; aus dem Vorjahre waren 140 übertragen
worden, die Gesammtzahl beträgt mithin 1331. In
der Hospitalabtheilung ist die Zahl der behandelnden
Kinder auf 127 (gegen 92 im Vorjahre) gestiegen.
Auch die Verpflegungsdauer konnte gegen früher, wo
der Platzmangel oft störend wirkte, vergrößert werden;
sie betrug reichlich 30 Tage (im Vorjahre 25% Tag).
Das Vermögen der Anstalt stieg auf 28,150 Thlr.
Aus dem Rechnungsbericht seien noch die Stiftung
eines (dritten) Freibettes mit 1000 Thlr. durch einen
Ungenannten und ein Legat von Herrn Joh. Dan.
Souchay mit ebenfalls 1000 Thlr. hervorgehoben.
* Gestern Nachmittag ist aus der Wohnung eines
Dieners an der Wienerstraße der vollständige Anzug
desselben mittelst Einsteigen durch das Fenster unb Ein-
drücken einer Tafel des letzten: entwendet worden.
* In verwichener Nacht ist in einem Fleischverkaufs-
gcwölbe auf der Pragerstraße die unter einer marmor-
nen Ladentafel befindliche K a s s e e r b r 0 ch e tt und daraus
die Baarschaft an ca. 85 Thlr. entwendet worden. Der
Dieb ist durch eine Fensteröffnung oberhalb des ver-
schlossenen Ladens in das Gewölbe' von der Straße at:s
eingestiegen.
Provinzialnachrichten.
Leipzig, 24. October. Das heutige „L. Tgbl."
bringt eine Bekanntmachung des Ausschusses des Raths
und der Stadtverordneten für den Truppeneinzug
am 2. November. Laut dem in Uebereinstinimung mit
betn königl. Garnisoncommando festgestellten Pro-
gramme wird der Einzug durch die Dresdner Straße,
den Grimma'schet: Steinweg über der: Atlgttstnsplatz,
durch die Grimma'sche Straße nach dem Markte statt-
finden. Der Attfang des Einztlgswegs wird am Aus-
gange des Grimma'schet: Stcinwegs nach dem Augustus-
platze zu durch eine Ehrenpforte bezeichnet und von da
ab mit Fahnenmasten bis an die Grimma'sche Straße
eingefaßt; an letzterer empfängt die Einziehettden ein
Triumphbogen; der Markt ist mit Flaggenmasten, welche
unter sich, sowie mit dem auf der Mitte aufgestellten
hohen Flaggenmaste durch Guirlanden verbunden sind,
eingerahmt.' Nachdem die Aufstellung der Einzugs-
truppen erfolgt ist, beginnt die Empfangsfeier mit dein
Gesänge eines patriotischen Liedes, während dessen Rath
und Stadtverordnete im Zuge vom Rathhause aus sich
zum Divisionsstabe begeben und hier die wieder heim-
kehrenden Truppen begrüßen. Den Schluß bildet der
Gesang des Chorals: „Nun danket Alle Gott"; beim
Einmarsch der Truppen auf den Markt bis zum Ab-
rücken von bemfetben: Glockengeläute. Vom Markt
a::s rücken die Truppen durch die Petersstraße nach
dem Königsplatze und dem Obstmarkte und tretet: dort
ab; den Ausgang der Petersstraße schließt eine Ehren-
pforte. Die Ausschmückung der Grimma'schen und der
Petersstraße haben die Bewohner derselben zur eigetten
Ausführung nach einem einheitlichen Plane übernom-
men. Den einziehenden Truppen werden Bürger der
Stadt vorausreiten und die Bahn freimachen; die hie-
sigen Innungen, sowie die Militär- und Turnvereine
sind erjucht worden, vom Augustusplatze ab in den
Straßen, durch welche der Einzug erfolgt, Spalier zu
bilden und für Aufrechthaltung der Ordnung zu sorgen.
Abends werden das Rathhaus und die städtischen Ge-
bäude des Augustusplatzes auf öffentliche Kosten illu-
minirt werden.
Leipzig, 23. October. (L. Tgbl.) Gestern beging
eines der bedeutendsten und angesehensten gewerblichen
Etablissements unsrer Stadt, die Röder'sche Officin,
das Jubelfest seines 25jährigen Bestehens. Im Laufe
des Vormittags brachten Deputationen des Geschästs-
und Arbeiterpersonals, sowie mehrer hiesigen buchhänd-
lerischen Firmen dem Chef des Hauses, Hrn. E. G.
Röder, die herzlichsten Glückwünsche dar. Rachnuttags
4 Uhr versammelten sich die Festtheilnehmer, worunter
die sämmtlichen Arbeiter der Jubelfirma, im Parterre-
saale des Schützenhauses und begaben sich sodann in
geschickt arrangirtem Festzuge nach dem großen Saale.
Hier wurde zunächst ein Festspiel veranstaltet, dem ein
Festmahl folgte. Die Röder'sche Notendruckofficin ent-
stand am 24. October 1846 unter sehr bescheidenen
Verhältnissen. Dem Gründer stand damals nur ein
Lehrling zur Seite, der jetzt noch in der Officin als
Notenstecher thätige Hr. Rietschel, welcher selbstver-
ständlich für sein treues Wirken am Jubeltage in der
ehrenvollsten Weise ausgezeichnet wurde. Im Laufe der
Jahre ist die Anstalt zur gegenwärtig bedeutendsten
angewachsen unter den Anstalten, die' nur zur Her-
stellung von Mustkalien dienen. Röder's Hauptver-
bienft ist die Anwendung des «Lchnellpressendrucks für
Mustkalien; die Anstalt wird gegenwärtig noch von
ihm selbst unter Assistenz seiner' Schwiegersöhne, der
Herren Wolff und Rentzsch, geleitet. Sie umfaßt ein
Geschäfts- und Arbeitspersonal von circa 250 Köpfen;
es sind in Thätigkeit 20 Handpressen, 15 Schnell-
pressen und 14 Steindruckpressen. Hr. Röder benutzte
das Jubelfest zu einem neuen Beweis seiner humanen
Fürsorge, indem er erklärte, eine Unterftützungslasse
für die in seinem Geschäft invalid werdenden Arbeiter
gründen unb in dieselbe als ersten Fond die Summe
von 500 Thlr. einleget: zu wollen. Für diese Unter-
stützungskasse wurden im Laufe der Festtafel von den
mitanwcsenden Vertretern der dem Röder'schen Hause
geschäftsverwandten Firmen noch über 400 Thlr als
Geschenk gezeichnet. — Als gestern Abend gegen halb
10 Uhr der Döbelner Personenzug von Station Groß-
steinberg, abgefahren war, wurde, kurz darauf der den
Zug beg:. itenbe Schaffner Hermann Beck vermißt. Der
Zug hielt an, da die Befürchtung laut wurde, daß
Beck verunglückt sei. Bei näherer Nachforschung
sollte sich dies in schrecklichster Weise bewahrheiten,
denn man fand den vermißten Schaffner hinter dem
Zuge auf dem Bahngleise liegen todt und bis zur Un-
kenntlichkeit verstümmelt. Der Bahnzug nahm den
Leichnam auf und brachte ihn mit Hierher. Der Ver-
unglückte war 38 Jahre alt, wohnhaft in Neuschüne-
felo, verhei rathet und Vater von 6 Kindern. Wahr-
scheinlich tvar er beim Hingehen auf dem Trittbrett
ausgerutscht und unter die Wagen gestürzt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
Der Präsident des Reichskanzleramts, Staatsmini-
ster Delbrück erinnert daran, daß die Fürsorge für
die Reservisten und die Landwehr Sache der einzelnen
Bundesregierungen sei. Da jedoch das Bedürfniß ein
dringendes war, wurden die bewilligten 4 Millionen
vorschußweise unter die Bundesregierungen vertheilt.
Das Weitere müsse den einzelnen Negierungen überlassen
bleiben. Der Reichsregierung stände kein Recht zu,
über das Verfahren der einzelnen Negierungen nach-
zufragen. In Preußen wurden zwei Drittheile von
beit ihm zufallenden 2,495,000 Thalern nach Ver-
hältniß der Neservistenzahl unter die einzelnen Pro-
vinzen vertheilt; das letzte Drittheil wurde für be-
sondere Bedürfnisse rcservirt. Sollte ein weiteres
Bedürfniß, .welches bei einzelnen Bundesstaaten immer-
hin wahrscheinlich ist, eintreten, so wird die Befriedigung
desselben Sache dieser Regierungen sein.
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Nach.
mittags V.>6 Uhr. (W. T. B.) Im Hoftheater ist
Feuer ausgebrochen. Das ganze Gebäude steht
bei starkem Oftwinde in Flammen.
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Abends
6 Uhr. (W. T. B.) Das Feuer macht große Fort-
schritte. DaS Theater ist verloren, ein Funken«
regen ergießt sich westwärts über die Stadt. Das
Zeughaus schwebt in Gefahr, von den Flammen
ergriffen zu werden.
Darmstadt, Dienstag, 24. Oktober, Abends
A7 Uhr. (W. T. B.) Die Garnison hat daS Zeug.
Dresden, 25. October.
Die neuesten Vorgänge auf socialem Gebiete
haben der „Reuen Preußischen Zeitung" Anlaß
gegeben zu einem Artikel, in welchem sie in ihrer Weise
scharf gegen den Liberalismus zu Felde zieht. Bei der
unverkennbaren Wichtigkeit des Gegenstandes lassen
wir diesen^ Artikel hier vollständig folgen. Derselbe
lautet: „Sw kann und darf es nicht fortgehen, wenn
nicht in kurzer Zeit Alles auf den Kopf gestellt wer-
den und ein Krieg Aller gegen Alle entbrennen soll.
Mit diesem Mahn- und Warnungsruse sind wir unab-
lässig, leider freilich zum großen Theil vergeblich, der
liberalen Theorie und Praxis von oben und unten, auf
socialem, staatlicheiu und kirchlichem Gebiete entgegen-
getreten. So lange cs dabei blieb, daß der Liberalis-
mus durch schöne Reden in Kammern und Volksver-
sannnlungen, bei Zweckessen und sonst wo und sonst wie
sich erlustigte, und der liberale Philister, im Hinblick
auf seine gewählten und auserwählten Helden, sich die
Hände rieb, wenn gegen Staat und Kirche mit Allem,
was darin und daran war, tüchtig losgedonncrt wurde,
— da konnte er noch ziemlich ungefährlich ersche neu.
Es gab auch conservative oder conservativ sein wollende
Leute genug, die dies vermeinten, weil die guten Ord-
nungen auf allen Gebieten, wie sie uns aus dem ab-
soluten Regimente überkommen waren, vor dem Wort-
schwall allerdings nicht zusammenbrachen; aber sie ver-
gaßen eben, daß es nach natürlichein Verlaufe und ge-
schichtlichem Vorgänge dabei nicht bleiben konnte. Die
wwn u)itcir uiru)UTa,m7i'vrr[CTi7
heißen sind und werden, — der Ruf laut wird,' daß es
so nicht fortgehen könne und dürfe, wenn nicht Alles
auf den Kopf gestellt werden und ein Krieg Aller ge-
gen Alle entbrennen soll."
Den Dementis hervorragender Führer der Tory-
partei, welche entschieden läugnen, je an ein Bünd-
niß mit den Radicalen gedacht zu haben, hat neuer-
dings ein gewisser Barry, „Schatzmeister des General-
raths" der'englischen Arbeiter, eine nicht minder kate-
gorische Bestätigung stattgehabter Verhandlungen mit
der Versicherung entgegengesetzt, daß die Unterschriften
conservativer Pairs sich in den Händen Scott Russel's
befinden, sowie daß die Verhandlungen noch nicht ab-
gebrochen seien. Darf man auch solchen Behauptungen,
gegenüber den förmlichen Erklärungen der toryistis'chen
Führer, keinen vollen Glauben schenken, so scheint doch
daraus hervorzugehen, daß ernstlichere Verhandlungen
stattgefunden haben, als die Organe der Tories zuge-
stehen mögen. So betrachten auch whiggistische Blätter
die Sache, indem sie sich des willkommenen Stoffes be-
mächtigen, ihren politischen Gegnern etwas am Zeuge
zu flicken. „Daily News" hält der verunglückten
Politik, durch welche Disraeli sich wieder auf die Höhe
der Zeit habe stellen wollen, folgende ironische Leichen-
rede: „Wir unsrerseits bedauern aufrichtig, daß die
Verhandlungen zu keinem günstigen Ergebnisse geführt
haben. Dergleichen Versuche haben, wenn sie nicht von
Erfolg gekrönt sind, meistens die Wirkung, daß sie das
Mißverständniß schwieriger machen und die Discussion
vre «uu uu» üCirq|nTU TTTV
rückzahlung der Bundeskriegsanleihen in 2. Lesung und
ohne Debatte angenommen. (Vgl. den Sitzungsbericht
in der Beilage.) Die Abgg. D,-. Völk und Wiggers
haben eine, auch von den sächs. Abgg. Ackermann, Dr.
Böhme, Eysoldt, Günther, Hirschberg und Ludwig un-
terzeichnete Interpellation eingereicht, dahin gehend:
„Was ist in Bezug auf den Gesetzentwurf, betreffend die
Cautwnspflichtigkeit periodischer Druckschriften und die Ent-
Ziehung der Befugniß zum Betriebe eines Preßgewerbes,
welcher in der Sitzung des Reichstags vom 15. Mai 1871
dessen Zustimmung erhalten hat. geschehen? Wird dem ge-
genwärtigen Reichstage der Entwurf eines Reichspretz-
gesetzes vorgelegt werden?"
Eine andere Interpellation der Abgg. Schulze, Mi-
guel und Hölder, unterstützt auch von den sächsischen
Mitgliedern der Fortschrittspartei, geht dahin:
1) Welche Resultate sind durch Berthcitung der den Bundes-
regierungen durch das Reichsgesetz vom 22. Juni 1871
zur Verfügung gestellten vier Millionen Thäter an die
durch die Entziehung zur Fahne besonders schwer geschä-
digten Offiziere, Aerzte uni Mannschaften der Reserve
und Landwehr in den Einzelstaaten erreicht worden?
2) Ist bei der Vertheilung der Beihilfen von den einzelnen
Regierungen nach gleichmäßigen Grundsätzen verfahren?
3) Hat sich nach den gemachten Erfahrungen ein Bedürfniß
Unterstützungen herausgestellt s
tigt die Reichsregicrung, wenn dies der Fall sein
fernerer
4) Beabsichtigt ............................ .....
sollte, eine weitere Bewilligung aus Reichsmitteln zu den
vorgedachten Zwecken zu beantragen?
Der Reichskauzler hat die zusätzliche Uebereinkuuft
zu dem Friedensvertrage mit Frankreich dem Rcichs-
tage zur verfassungsmäßigen Berathung vorgelegt. Die-
selbe stimmt mit den Angaben des „D. Reichs-Anz."
Feuilleton.
(Redigirt von Htto Wancli.)
Ein letztes Wort zur Holbeinfrage.
Von Julius Hübner.
(Schluß aus Nr. 247.)
Ueberhaupt, wenn der Herr Verfasser aus den vier-
zehn Bildern gerade eine übereinstimmende Malart
beweisen möchte, so muß ich vielmehr bekennen, daß
mir umgekehrt nicht nur diese vierzehn Bilder, sondern
alle jetzt und früher gesehenen Originalbilder Holbein's
vielmehr den Eindruck einer großen und genialen Der-
ficht edenartigkeit gemacht haben und noch machen.
Man betrachte doch einmal das bewunderteMorrettbildniß
unserer Galerie, um sich zu überzeugen, daß bei aller
Holbein'schen Glätte in der Behandlung der Neben-
sachen, gerade hier in Kopf und Hand eine Art pastoser
Pinselführung erscheint, welche aufs Unvergleichlichste
die runzliche Haut des Alten andeutet, eine Art der
Behandlung, welche auf keinem einzigen Bilde Hol-
bein's, so weit sie mir bekannt, wieder so vorkommt.
Diese Verschicdenartigkeit aber ist nicht etwa blos eine
Auffassung meiner individuellen Anschauung, sie wird
vielmehr von einer großen Mehrzahl anderer Künstler
ebenso entschieden empfunden. Danach erscheint mir
gerade die Annahme einer so durchaus typischen, eng-
beschränkten Weise des großen Meisters unwürdig und
unstatthaft, wenn ich auch zugebe, daß es sich dabei
eben immer wieder um ein größeres oder geringeres
Betonen des Gleichartigen oder des Verschiedenartigen
handelt, was Jeder immer nur nach seinen: individuellen
Standpunkt zu Beglaubigung seiner subjectiven Ansicht
brauchen wird.
Wenn nun aber weiter sogar von der Beschaffen-
heit des Holbein'schen Farbenmaterials, von dem
Bindemittel, welches „ein wahrscheinlich harziges"
genannt wird, Beweise hergeleitet werden sollen, so
müßte man vor allen Dingen vom unbefangenen
Standpunkte aus zuerst bekennen, daß uns alle diese
Dinge wesentlich unbekannt und eben nur Hypothe-
sen sind, welche allerdings Jedem, aber nur^MFÄch^'
freistehen. Was weiter das Email der Holbein'schen
Farbe und insbesondere die reliefartige Dicke des ver-
schiedenen Farbenauftrages betrifft, so muß darauf er-
widert werden, daß auch unser Madonnenbild diese Eigen-
thümlichkeit zeigt und insbesondere das Grün des Ma-
donnenkleides von sehr erheblicher Dicke des Auftrags
ist, auch das Weiß stärker, als das Schwarz und andere
Farben impastirt erscheint. Wenn der Herr Verfasser
aber so weit geht, zu behaupten, „es würden die echten
Bilder Holbein's in einem galvanoplastischen Nwder-
schlag der Oberfläche die Umrißzeichnung deutlich er-
kennen lassen", und diese Behauptung wesentlich auf
das Darmstädter Bild bezieht, so läßt sich dieser Um-
stand, so weit er vorhanden, ganz einfach dadurch er-
klären, daß sowohl das scheinbar stärkere Email, wie
die Erhöhung der Farbenränder, gerade in diesem Bilde,
eben nur eine wesentliche Folge des leider absichtlich so
dick aufgetragenen Firnißüberzuges ist. Dieser Ueber-
zug hat die ursprünglich mäßigen Erhöhungen mit je-
dem wiederholten Auftrage, der nicht etwa nur ein-
maligen, sondern oft wiederholten Firnißlage, ganz
natürlich zu einer solchen Dicke erhoben, wie auf kei-
nem andern Bilde Holbein's.
Unser Madonnenbild stimmt in dieser Beziehung
ganz vollkommen mit dem Morrettbildniß übereiü, wo
selbst das Grün und das Weiß sich kaum über die zarte
Fläche aller andern Farben erhebt.
In dem wunderbar schönen Kopfe (Nr. 26 3 des
Ausstellungskatalogs), welcher dem Mler Milff ns in
London gehört, ebenso wie in unsern unübertroffenen
Godsalvebildnissen (Nr. 1813 des Galeriekatalogs) ist
kaun: irgend eine Spur von Erhöhung zu sehen.
Was weiter des Herrn Verfassers Beobachtungen
über die Verschiedenheit des Goldauftragcs rc. anlangt,
so kann auch diesen immerhin nur eine theilweise Wahr-
heit, nur eine relative Beweiskraft zugestanden werden.
Jedenfalls treffen sie, wie er selbst zugesteht, „nicht den
Kern, der in Worten unbeschreiblichen künstlerischen
Ausführung", über welchen nach wie vor immer wie-
der nur das mehr oder minder geübte Auge sich die
eigene Entscheidung vorbehalten wird.
Der Herr Vefasser findet schließlich, „in Ueberein-
stimmung mit zahlreichen Kunstforschern und Künstlern",
die von ihm vorausgesetzten Eigenthümlichkeiten Hol-
bein'scher Malweise, welche er „auf dem Wege der ob-
jectiven (ich würde sagen subjectiven) Vergleichung
unsers Bildes mit den beglaubigt echten Werken" ge-
funden zu haben meint, nicht in unserm Bilde. Da-
gegen ist nichts einzuwenden. Wenn er aber fortfährt,
„vor dem Bilde selbst müssen wir erkennen, daß diese
im Ganzen, wie im Einzelnen durch und durch Hol-
bein'sche Composition von einer andern Hand ausge-
führt ist, als die beglaubigten Bilder", so muß ich
allerdings um Erlaubniß bitten, anderer Meinung sein
zu dürfen.
Diese meine Meinung hat für mich noch den Vor-
zug, eine seit etwa 30Jahren im Wesentlichen unver-
änderte zusein, und sie wird es, denkeich, auch blei-
ben, so wie sie in der bekannten öffentlichen Erklärung
ihren Ausdruck gefunden hat, bis der unwiderlegliche
historische Beweis mich eines Andern belehrt.
Auch das vom Verfasser und von allen Gegnern
des Dresdner Exemplares so allgemein gestellte Ver-
gangen, bei der Frage nach dem Autor desselben, von
1
den ästhetischen Gründen und dem künstlerischen Werthe
des Bildes gänzlich abzusehen, erscheint mir durchaus
unbegründet. Desto mehr halte ich umgekehrt die Ver-
theidiger desselben Bildes für vollständig berechtigt, von
ihren Gegnern, welche Holbein als Autor nicht aner-
kennen, die Nennung eines andern und geeignetern
Künstlers an seiner Stelle zu beanspruchen.
Vieles ließe sich noch sagen, auf die Gefahr hin,
nicht etwa das überreiche Thema, wohl aber um so ge-
wisser die Geduld der Leser zu erschöpfen. Ist dies
vielleicht, wie ich fast fürchte, schon jetzt der Fall, so
bleibt mir immer nur dieselbe Entschuldigung: das In-
teresse an der Sache und der Werth, welchen ich auf
die Aeußerungen des Hrn. Verfassers lege, wie ich dies
Bekenntniß schon als Motiv an die Spitze meiner Be-
trachtungen stellte.
Uebrigens können, dünkt mich, die Verehrer beider
Bilder eine gemeinsame Beruhigung in der Gewißheit
finden, daß beide kostbare Streitobjecte, auch aus dem
Feuer dieses hitzigen Meinungsstreites, wohlbehalten
und unversehrt, wie im bisherigen Zustande, hervorge-
gangen sind. Und zwar, wie ich nteine, nicht ohne eine
gewisse Läuterung, welche beiden Theilen zu Gute kommt.
Das Darmstädter Exemplar hat eine immer allgemei-
nere Anerkennung der Originalität und Priorität ge-
funden, wenn schon dem bedenklichen Zustande desselben
noch eine weitere Ausdehnung zuerkannt wurde, als
bisher. Das Dresdner Exemplar hingegen hat für seine
idealern Qualitäten ein immer offeneres Zugestehen,
auch bei unbefangenen Gegnern, wie unser Hr. Ver-
fasser, gefunden, gleichviel, ob man nun Holbein als
den Autor anerkennt oder nicht.
Schließlich bleibt überdies ja noch immer die Mög-
lichkeit, daß es der jetzt so rührigen, geschichtlichen
Forschung gelingt, neue Documente zu ermitteln, welche
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
i,
^utDetTsSnnadJlt dte^oNagen^oeluMn^t^ufatzliche
Uebereinkunft mit Frankreich, den Hauptetat pro 1872
und den Auslieferungsvertrag mit Italien, überall
nach den Anträgen der Ausschüsse erledigt. — Bayern
und Württemberg haben dem Bundesrathe einen Gesetz-
entwurf vorgelegt, betreffend die Einführung des Nord-
deutjchen Bundesgesetzes über die Maßregeln gegen die
Rinderpest in Bayern und Württemberg vom
1. Januar 1872 ab. — Stach einer Bekanntmachung
des kaiserl. Generalpostamts wird vom 1. November ab
ein besonderer Dienst zur Beförderung von Privat-
päckereien von der deutschen Oceupationsarmee in
Frankreich in der Richtung nach der Heimath einge-
richtet. Bon gedachtem Tage an werden auch Feld-
po stprivatpäck er eien, für welche gegenwärtig die
Gewichtsbeschränkung von 5 Pfund besteht, versuchs-
weise bis zum Gewichte von 15 Pfund zur Postbesörde-
rung zugelassen. Die Annahme erstreckt sich auf Sen-
dungen an die zur 4., 6. und 19. Infanteriedivision,
sowie die zum XV. Armeecorps gehörigen Militärs
und Militärbeamten, ingleichen auch auf Päckereien
an deutsche Civilbeamte, die aus dienstlicher Veran-
lassung innerhalb des occupirten französischen Gebiets
sich aufhalten. Das Porto beträgt für Pakete im Ge-
wicht bis 5 Pfund einschließlich 5 Sgr., über 5 bis
10 Pfund 10 Sgr., über 10 bis 15 Pfund 15 Sgr. —
Se. Majestät der K.aiser haben dem Schriftführer
des Comitö's zur Empfangnahme von Beiträgen zur
Uitterstützung derChicago - Abgebrannten 1000Thlr.
überreichen lassen. — Der „N. Pr. Z." wird mitge-
theilt, daß ein Unterrichtsgesetz zwar im Cultus-
ministerium von Neuem bearbeitet, die Vorlegung
für das Verhältniß beider Bilder einen mehr gesicherten
Standpunkt finden lassen, als den jetzigen.
Rundschau über Theater und Musik.
*f Im k. Schauspielhause zu Berlin wurde am
23. d. (Montag) das fünfactige Trauerspiel „König
Erich XIV." von Karl Koberstein zur erstmaligen
Aufführung gebracht. Dieselbe war allseitig sorgsam
vorbereitet und brachte, wie die „N. Pr. Z." schreibt,
die theatralischen Effecte des Stückes zur lebhaften
Wirkung. Der „Nat.-Ztg." zufolge bewies sich das
Publicum der Dichtung gegenüber entgegenkommend und
freundlich.— Der Berliner Bühne steht ein großer Ver-
lust bevor. Frau Johanna I achmann- W ag ner hat
sich an Se. Majestät den Kaiser mit der Bitte gewendet,
sie zunt 1. Januar künftigen Jahres aus dem Bühnen-
verbande zu entlassen. Die „Sp. Z." bemerkt dazu:
„Mehr als 20Jahre hindurch war ihr Name mit Allem
verflochten, was die Oper, dann das Schauspiel uns
Großes gebracht, noch unerreicht stehen ihre classischen
und heroischen Gestalten vor uns, ein edles Vorbild
den jüngern Kräften, und ihr wird das seltene Glück
zu Theil, im Vollgenuß ihres Ruhmes vom Schauplatze
ihres Wirkens zu scheiden." — In Breslau hat am
23. d. Herr B. Illlman seinen Künstlerfeldzug durch
die deutschen Gauen eröffnet. „Der reiche Wechsel des
Programms", lesen wir in der „Br. Z.", „hielt das
Publicum durch drei Stunden in gespannter Aufmerk-
samkeit, und die Vorzüglichkeit der Ausführung sämmt-
licher Nummern riß die zahlreiche Versammlung zu den
stürmischsten Beifallsbezeuguugen hin. Die entzückende
Lieblichkeit m den Gesangsvorträgen der Mme. Moru
dieselbe von dem Vorsitzenden des deutschen Central-
comites, wirklichen Geh. Rath v. Sydow, eröffnet,
worauf Regierungspräsident Dr. v. Feder die Versamm-
lung namens der königl. bayerschen Regierung begrüßte,
und der erste Bürgermeister der Stadt Nürnberg, v.
Stromer dieselbe namens der Stadt willkommen hieß.
Bei der Constituirung der Versammlung wurden erwählt:
1) zum Präsidenten: wirkt. Geh. Rath v. Sydow; zum 1.
Vicepräsidenten: der Vorstand des bayerschen Landeshilfs-
vereins Graf zu Castell, Obersthofmeister Sr. Majestätdes
Königs von Bayern aus München; zum 2. Vicepräsi-
denten: Pfarrer Dr. Hahn, Vorstand des würtiember-
ger Sanitätsvereins; zum 1. Schriftführer: Regiernngs-
rath v. Criegern aus Dresden; zum 2. Schriftführer Ar-
chivrath Dr. v. Wecch aus Karlsruhe; zu stellvertreten-
den Schriftführern Hofmarschall Freiherr v. Cramm
aus Gera und Bezirksgerichtsarzt Dr. Reuter aus
Nürnberg. — Vor Uebergang zur Tagesordnung las
der Präsident ein Schreiben Ihrer Majestät der Kaiserin-
Königin vor, welche der Versammlung ihre lebhaftesten
Sympathien kund gab (s. oben). Die Versammlung sprach
ihren Dank telegraphisch durch das Präsidium aus, und
beauftragte dasselbe noch außerdem, ein ausführliches
Dankschreiben abzufassen. — Hierauf ergriff der königl.
bayersche Hofrath und ordentliche Professor der Siechte
Dr. v. Held ans Würzburg das Wort als Referent
über den 1. Gegenstand der Tagesordnung: Austausch
der Erfahrungen über die Leistungen der deutschen Ver-
eine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter
Krieger während des letzten Krieges auf dem Kriegs-
schauplätze und im Jnlande. Derselbe behandelte in
ausführlichem, gründlichem und geistvollem Vortrage:
belli und des Herrn Nicotini, der correcte und edle
Gesang des Frl. Zimmermann und des Herrn Hill, die
fabelhafte Virtuosität des Geigers Herrn Srvori,
classische Cellospiel des Meisters Grützmacher, die Groß
artigkeit im Spiele der Pianistin Frl. Mehlig, die hin-
reißende Declamation des Frl. Pauline Ulrich, und zu
Alledem das unvergleichliche Florentiner Quartett, dieses
Ensemble bot eine Fülle von Genüssen, wie dies wohl
noch niemals an einem Concertabend der Fall tbar
In einem Referate der „Schles. Z." heißt es: „Ein Je-
der der Mitwirkenden war ein ganzer Künstler, und
was er gab, war ein Edelstein. Die Königin des Abends
wurde Frau Marie Monbelli sowohl durch den Liebreiz
der äußern Erscheinung, als durch ihre sympathisch be-
rührende schöne und weiche, zwei Octaven bis zum drei-
gestrichenen 0 untfassende Sopranstimme und eine
fein gebildete Gesangskunst." — Die „Südd. Pr." in
München erklärt die Nachricht, daß sich der König
von Bayern nach Bologna begeben werde, um einer
Vorstellung des Wagnerischen „Lohengrin" beizuwohnen,
für falsch; Se. Majestät habe wohl eine derartige Ein-
ladung erhalten, dieselbe jedoch sofort abgelehnt. —
Am k. Hoftheater zu München kommen in der näch-
sten Zeit verschiedene Novitäten zur Aufführung, so die
Oper „Der Haideschacht" von Franz v. Holstein, dann
das Trauerspiel „Firdusi" von Ferdinand Kürnberger,
in welchem die letzte Lebenszeit dieses persischen Dichters
und sein Verhältniß zu dem Schah geschildert wird,
endlich das Trauerspiel „Gracchus" von Wilbrandt.
An Beethoven's Geburtstag (17. December) soll dessen
Ballet „Die Geschöpfe des Prometheus" zur erstmaligen
Aufführung gelangen. Bei dieser Gelegenheit wr'll die
keitcn kam es glücklicher Weise nicht. — Von den jüngst
verhafteten Arbeitern, welche bei den Arbeiterunruhen
bctheiligt waren, sind, wie der „M. Ujsag" erfährt,
15 gestern aus der Haft entlassen worden.
Agram, 21. October. (Agr. Z.) Das General-
commando hat auf Einbringung des steckbrieflich ver-
folgten Jnsurgenteuführers Rade Cnic eine Taglia
von lc0o Fl. ausgesetzt. — Am heutigen Tage ist das
Bataillon von Kusevic-Jnfanterie, welches anläßlich
der Rakovicer Unruhen nach Karlstadt abmarschirt war,
wieder nach Agram zurückgekehrt.
Daris, 22. October. (K.Ztg.) In der letzten Zeit
sind in den größern Städten zahlreiche Revuen ab-
gehalten und Belohnungen vertheilt worden. General
de Cisscy hat zu Tours eine Revue abgehalten, mib
die Truppen der Division, welche sich im Lager von
Saint-Germain befindet, haben gleichfalls Revue pas-
sirt, und zwar vor Herrn Thiers, dem die Generäle
Lacrctelle, Noöl, de Gramont, Charlemagne und Grelet
zur Seite standen. Damit soll der Armee bewiesen wer-
den, daß man sich mit ihr beschäftigt. Es ist die Armee
und die Landbevölkerung, welche sich die Bonapartisti-
schen Agenten hauptsächlich zum Object ihrer Wühlereien
ausersehen haben, da sie wissen, daß die Bevölkerung
der großen Städte von socialistischen und revolutionären
Doctriuen ergriffen ist.
— Wie man der „K. Zig." schreibt, werden nach
einem Abkommen zwischeit den deutschen und französischen
Militärbehörden die 5t>,< 0,) Mann deutscher Trup-
pen, welche nach der Ausführung der in Berlin ab-
geschlossenen Convention in Frankreich bleiben, folgender-
maßen vertheilt werden: Ardennes 9875 Mann, 2031
Intendanz, laut dem „N. C.", den Versuch machen,
dem Ballet eine neue Aufgabe zuzuweisen und die von
^thm-bisher gepflegte Geschmacklosigkeit energisch zu be-
kämpfen: es soll hier nämlich der Schwerpunkt der
Aufführung in den graziösen Gruppirungen und in
der mimischen Darstellung versucht werden, während
bis jetzt sinnloses Hüpfen und gliedcrverrenkende At-
titüden den Hauptinhalt des Ballets bildeten. — Die
Verhandlitngen, welche über Reformen im Theater-
wesen seit Mitte Juli d. I. zu Leipzig mit Abgeord-
neten des Schauspielstandes ihren Anfang gertommen
haben, sollen, wie man der „A. A. Z." aus München
schreibt, Ende November zum Abschluß gebracht werden.
— Im Burgtheater zu Wien ging dieser Tage das
fünfactige Trauerspiel „Maria Stuart in Schottland"
von Wilhelm v. Wartenegg, welches unsers Wissens
bisher nur in Stuttgart zur Aufführung gelangt war,
zum ersten Male in Scene. Die „W. Abdp." sagt,
um all' die grellen Verstöße gegen die politische und
die gemeine Wahrheit aufzuzählen, bedürfte sie eines
großen Raumes. Dazu bewege die Sprache sich mit
einigen seltenen Ausnahmen in den ausgetretensten
Pfaden poetischer Prosa. Wenn der Maßstab, unter
welchem diese Neuigkeit zulässig befunden worden, Gil-
tigkeit behalten sollte, so würde das Burgtheater aller-
dings nie mehr um Neuigkeiten verlegen werden, aber
desto eher um Zuschauer. — In das Repertoire des
Carltheaters zu Wien wurde neuerdings ein Pariser
(Genrebild von Thiboust „Ein Ehepaar aus dem Volke"
Aufgenommen, welches tu scharfen Zügen das Leben
einer Pariser Arbeiterfamilie schildert und namentlich
irm der Charakteristik der Figuren vortrefflich sein soll.
Majorität fehlt. Der zweitbegünstigte Caudidat ist
der General Porfirio Diaz und erst in dritter Reihe
steht Lerdo de Tejada. Wenn nun auch der Congreß,
dem Wahlgesetze gemäß, die engere Wahl zwischen
Juarez und Porfirio Diaz vorzunehmen hat, so wird
sich dieser Act doch nur auf eine reine Formalität be-
schränken. Denn der bisherige Verlauf der sogenann-
ten „vorbereitenden" Congreßsitzungen (Junta» pre-
paratorias) hat es thatsächlich festgestellt, duß die
„Juaristas" im neuen Congresse über eine imposante
Majorität gebieten. — Am 16. d., dem Jahrestage
der mexicanischen Unabhängigkeitserklärnug, hat bie
feierliche Eröffnungssitzung des Congresses
stattgefunden, spät Abends, unter dem üblichen Kanonen-
donner und Glockengeläute. Die Begrüßungsreden
zwischen dem Präsidenten Juarez und deut Vorsitzenden
der Landesvertretung, Don Gabriel Maucera, zeichnen
sich diesmal durch einen etwas frischeren Ton als ge-
wöhnlich aus. Was darin über die auswärtigen Be-
ziehungen Mexicos gesagt worden ist, dürfte für aus-
wärtige Leser das meiste Interesse haben.
Don Benito Juarez erklärt kurz zusammen tefaßt: Un-
sere auswärtigen Beziehungen fangen an, sich günstiger zu ge-
stalten. Zu den Vereinigten Staaten tragen sie de.. Stempel
der Harmonie und des besten Einverständnisses, ohne daß eine
Störung der letzteren zu befürchten wäre. Nach Guaiemata
und Paraguay, wo sich liberale Regierungen gebildet haben,
müffen wir Gesandtschaften schicken. Mit Deutschland und
Italien stehen wir auf dem alten, freundschaftlichen Fuße. Den
now nicht genehmigten Tractat mit der letzteren Macht empfehle
ich Ihrer Beschtußnahme. Mit den anderen europäischen Mäch-
ten dauert der Abbruch, unserer diplomatischen Beziehungen
fort, fett sie uns mit Krug »verzogen oder die Neutralität ge-
gen uns verletzt haben. Wie das Gouvernement wiederholt
erklärt hat, ist es bereit, auch diese Relationen wieder aufzu-
An der glänzenden Aufnahme participirten in hervor-
ragender Weise die Darsteller. „Herrn Jauner's
Packträger", berichtet das „N. Frdbl.", „war von sel-
tener Vollendung, entschieden in Ton und Haltung,
scharf poimirt in leichter, freier Behandlung, gleich
natürlich und treffend in den Momenten ernster Stim-
mung wie feinkomischer Wirkung. Trefflich sccundirte
ihn Fräul. Gallmeyer als Gemüsehändlerin, die sich
zum ersten Male in einer ernsten Rolle präsentirte^
Fehlte ihr auch hin und wieder die tragische Kraft, so
verrieth sie doch durchgehends, daß sie eine geniale
Schauspielerin sei und auch ihrem gewöhnlichen Rollen-
kreise ferner liegende Aufgaben zu lösen verstehe."
w X Bildende Kunst. Eine Kolossalstatur Michael
Ängelos, sein „David" steht bekanntlich in Florenz
an dem Aufgange zum Palazzo-Vecchio. Da dieses
Jugendwerk stets schutzlos dem Einflüsse des Wetters
ausgesetzt war, so haben sich bereits Senkungen wahr-
nehmen lassen, die wahrscheinlich mit Sprüngen in
Verbindung stehen und das Ganze einem allmählichen
Atmn entgegenführen. Peruzzi, der Syndikus von
Florenz, hat das Verdienst, diese drohende Gefahr ins
rechte Licht gestellt zu haben, und so wird denn eine
gesicherte neue Aufstellung der Statue nicht lange auf
sich warten lassen.
f Nach einem Telegramm aus London vom 23.
d. M. ist^daselbst Noderic Mu r ch i s o n gestorben. Er
war ein Schotte, 1805 geboren, und seine ausgebreitete
Position in der Naturkunde ist bekannt.
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
r\
£>6« Abonnement beträgt
1 nf 60 X für V* 3°hr.
3 M 48 „ „ V* *
7 „ 24 „ „ 1 „
Alle Postämter des In- und Auslande«
nehmen Bestellunb auf dieses Blatt an.
Die Zeitung erscheint täglich zweimal, mit
Ausnahme von Sonntag und Montag, an
welchen Tagen dieselbe nur einmal aus-
gegeben wird.
Snsertions-tKedatzvr
dm Raum einer Petitzeile: 4 Grob^
AuswitrtS nehmen Inserate an: Haasea^
stein & Vogler in Hamburg-Altona und
Frankfurt a. M.; L. Benäer iu London,
8 Little Newport, St. Leioester Sqa&re;
Havas, Laffüte, Bullier&Cie. in Paris,
8 Place delaBourse; E. Steiger inNew-
york, 17 n. 19 Nortli William Street.
ERoegeEusgabe.
M 888S.
55lernen, Freitzg, 27, Detobev
D e u t s^h e S Reich.
Berlin, 25. Oct. Da Graf Arnim für die nächste Zeit noch
als außerordentlicher deutscher Gesandter in Paris bleibt, so wird sich
die französische Regierung mit der Ausführung des Planes, sich in
Berlin wieder durch einen Botschafter vertreten zu lassen, Zeit nehmen
müssen. Die Bestätigung vor Nachricht der „Ag. Havas", Fürst Orloff
sei zum russischen Botschafter in Paris ernannt, läßt auch ungebührlich
lange auf sich warten. — Der heutige Artikel der „Prov.-Corr." über
Metz wird in Paris der angenehmen Illusion ein Ende machen, als
könnte Deutschland in einen Tausch der Festung Metz gegen die fran-
zösischen Besitzungen in Indien einwilligen.
Wie wenig genau Benedetti es mit der Wahrheit nimmt, wenn er
sich bemüht, die Dienste,' die er in Berlin Frankreich geleistet habe, in
das beste Licht zu setzen, ergiebt sich aus folgenden Thatsachen. Bene-
detti erzählt, wie er am 15. Juli 1866 in Wien eingetroffen, wie die
Bevollmächtigten der kriegführenden Mächte, die durch seine Bemühungen
in Verbindung gesetzt worden (mis en presence par mes soins), am
20. unter den Mauern dieser Hauptstadt die Friedespräliminarien, die
Oesterreichs territoriale Integrität garantirten, unterzeichnet hätten. Es
ist bekannt, daß Benedetti, wie seine eigenen im französischen Gelbbuch
Nikolsburg zum Abschluß gelangten. Wollte man nun auch
in denk falschen Datum Benedetti's einen Schreib- oder Druck-
fehler sehen, so steht doch wiederum die Insinuation des Botschafters
S:n seiner entscheidenden Thätigkeit bei den Verhandlungen im vollsten
ersprnch mit einer im französischen Gelbbuch veröffentlichten Devesche
Benedetti's aus Nikolsburg vom 23. Juli. Er berichtet daselbst/ daß
Graf Bismarck „mit seiner praktischen Auffassung der Dinge und seiner
gewohnten Entschlösse!'............. in der ersten Unterredung mit den
österreichischen Unterhändlern dieselben bestimmt habe, statt über den
von Frankreich vorgeschlagenen Waffenstillstand sogleich über die Frie-
densbedingungen, über die Kriegskosten und über die Gebietserwei-
terungen für Preußen zu verhandeln. (Vgl. Hahn, zwei Jahre
preußisch-deutscher Politik, Pag. 181) Der Antheil des französischen
Botschafters an dem Resultat dieser Verhandlungen beschränkt sich dem-
nach auf die gewöhnlichsten diplomatischen Handlangerdienste. Sfc*«.
Benedetti aufgezählten faixi erunc, v—- -- vPlt^7.Q1]0
Angen anzuknüpfen gehabt habe, 1860 in Turm, 1866 m Nrkols-
bura und 1870 in Ems, beschränken sich demnach auf zwei. Zudem ver-
dankte er seinen diplomatischen Erfolg in Turin (Abtretung der Graf-
schaft Nizza an Frankreich) einem Drohbriefe deS Kaisers Napoleon:
und was seine Erfolge in EmS im Juli vorigen Jahres betrifft, so sind
sie ia weltbekannt. Und seine in der Liste nicht aufgeführten Erfolge bei
den Compensationsverhandlungen in Berlin sind bekanntlich der Art,
daß er eS Hrn. v. Bismarck erlaubte, mittelst der sog. dilatorischen
Verhandlungen Frankreich Jahre lang hinzuhalten, bis die Schutz- Mid
Trutzb llndniffe Preußens mit den süddeutschen Staaten ihre Früchte
getragen^ aMn. eit ^ Wortbrüchigkeit der französischen Officiere
wird von der „Correspondance de Berlin" unermüdlich verfolgt. In
ihrer letzten Nummer veröffentlicht sie folgenden Artikel : Die Alten
saaten' Etiam hosti fides servanda. Das war damals em moralisches
Axiom; heute ist dieses Axiom bei den Franzosen wenigstens , ein streitiger
Punkt geworden. In der Pariser Presse erheben sich Stimmen, nicht
nur um diese Wortbrüchigkeit französischer Officiere zu entschuldigen,
sondern sogar um sie wegen dieser Wortbrüchlgkeit zu verherrlichen.
Das sind allerdings bonapartistische Journalstimmen, und man weiß,
daß di-se Partei seit dem 2. December 1852 ihre besonderen Grunde
bat um nicht gar zu streng über das „geschworene Wort" zu richten.
JL* L J 9si#iii(Tn+ in hent . ifmberä" betn ..braven" General
Hülfe; die persönliMasuistik dieses Militärs hat es augen-
scheinlich nothwendig, wenn mmaienigstens nach seinem letzten Briefe
urtheilen soll, sich durch die Lectü einiger guter Autoren, wie Escobar,
Sancher und die ratio studiorurfrer Väter Jesu zu stärken. Andere
französische Blätter greisen die <°che anders an; sie umgehen dieselbe,
machen dabei aber drollige Ouerrünge. So giebt der „Courrier diplo-
matique" zu, daß ein Officier wi Unrecht thut, wenn er sein Wort
bricht, daß es aber, wenn man d Anschuldigung des Hrn. v. Bismarck
wörtlich nähme, vergessen heiße, !e jeder preußische Angriff auf diplo-
matlschem wie auf militärischem ebiet sehr häufig das Ziel verfolgt,
die Aufmerksamkeit von anderen, mz anders wichtigen Thatsachen ab-
zulenken. (Also wichtiger, als dc was die Ehre der französischen
Armee angeht!) Der „Salut pulc", ein Lyoner Blatt, plaidirt mil-
dernde Umstande und meint, dre ille seien minder zahlreich, als man
anglebt. Zunächst thut die Za! nichts zur Sache; sodann haben
me Deutschen nur eine Liste in 142 genau constatirten Wort-
brüchen und Fluchten aufgefrrt. Diese Liste könnte länger
werden; man brauchte nur e Officiere anzuführen, welche
langt l "
L 8 71
erstens ihre Freiheit unter der Dingung wieder erlangt hatten, in
o^sem Krleatz mcht mehr gegen Dtschland dienen zu wollen, und dann
doch Barrals Beispiel befolgten, ie denn auch in der Schlacht bei
Orleans mehrere Officiere dieser itegorie zum zweiten Male gefangen
genommen worden sind; zw.itens l Belgien, nach dem Tag von Sedan
mtermrt, ihr Wort brachen und rihr Vaterland zurückkehrten. Dort
wurden die Fluchten und die Flmversuche so zahlreich, daß die bel-
gi,che Regierung sich genöthigt salin dieser Angelegenheit eine Note im
„Momteur zu veröffentlichen. Bce Blätter stimmen darin überein, daß
man jedenfalls den strafbaren Hatlungm keine zu große Oeffentlichkeit
geben dürfe. — Das Lyoner Bla! geht selbst so weit, zu fordern, daß
die Verhandlungen bei verschlossem Thüren geführt werden müßten,
als wenn es sich um ein Attentatruf die Sittlichkeit handelte. — Wie
weit sind wir doch von dem grwn Schwurgerichte entfernt, welches
?er ®enera* Leflo ilAussicht gestellt hat! Uebrigens ist
das Alles nichts weniger als ein gerichtliche Procedur. Wie Frank-
reich seine Ehre gesund erhält, istzanz gleichgültig. Wenn man sich
aber m Versailles darauf beschrän, solche Verbrechen nur mit Abmin-
derung des Grades und damit zchestrafen, daß die wortbrüchigen
Officiere in die Reserve versetzt toten, so giebt mgn der öffentlichen
BriMKgelkKals'ttNe mindere Dumm von Ehre erheischt, als
eines Divisionsgenerals, und ob v )en Reservecadres das Worthalten
minder nothwendig ist, als in dem des activen Dienstes?
Crefeld, 25. Oktober. Bei k Einführung gemischter, d. h. theil-
aus Seide, theils aus Baumwol! bestehender Seiden- und Sammet-
waaren in Frankreich wird ein erschiedener Zollsatz angewendet, je
nachdem in dem Gewebe Seide der Baumwolle dem Gewichte nach
vorherrscht, soie dominante oberoton dominant. Für jene wird ein
nicht geringer, aber doch erträicher Gewichtszoll von 3 Frcs. pro
Kilo, für diese 15 Procent des Trthes an Zoll erhoben. Sehr häufig
erklären die französischen Zollbenten für eoton dominant, was die
Fabrikbesitzer wahrheitsgemäß alsoie dominante beclarirt haben. Es
erfolgten Beschlagnahmen ganzer endungen und dagegen Beschwerden.
Durch die Vermittelung des Bohafters des norddeutschen Bundes
wurde allerdings die Freigebung r zurückbehaltenen Sendungen, aber
einzig gegen Erlegung sehr beträclicher Caution erlangt. Dann suchte
die Zollbehörde ihre Behauptung daß Defraudation vorliege, zu be-
weisen. Zu diesem Zwecke wnrdeme fraglichen Stoffe einer chemischen
Analyse unterworfen. Das Ergenß derselben war wenig zufrieden-
stellend, indem die Erklärungen d Chemiker sich widersprachen. Das
Verfahren scheint aber überhaupt icht zweckmäßig, indem es immer nur
aus sehr geringe Theile eines stregen Stoffes Anwendung finden kann.
Wie sorgfältig aber auch ein Stü angefertigt sein mag, so ist doch eine
unbedingte Gleichmäßigkeit aller )eile desselben niemals zu erreichen;
eine nur um ein Geringes vermehrte oder verminderte Dichtigkeit des
Gewebes vermehrt oder vermindert an der einen Stelle die Zahl und damit
das Gewicht der durchlaufenden Baumwollenfäden. So ist es ganz wohl
möglich, daß der Chemiker für den ihm vorgelegten kleinen Theil eines
Stückes das Urtheil eoton dominant abgiebt, während der Fabrikbesitzer
nach Ausweis seines Fabrikbuches für das ganze Stück mehr Seide
als Baumwolle verwendet und so im guten Glauben die Angabe soie
dominante gemacht hat. Wo es sich um größere Menge gleichfarbiger
Stücke handelt, die ja natürlich von verschiedenen Webern in nicht
vollständig übereinstimmender Dichtigkeit angefertigt sind, ist selbstver-
ständlich der Unterschied zwischen einzelnen Theilen noch größer. —
Die Handelskammer von Crefeld wandte sich über die unerträglichen
Belästigungen, denen die fraglichen Bestimmungen des Handelsvertrages
die Sendungen nach Frankreich aussetzten, klagend am 15. März 1870
an das Bundeskanzleramt, um dessen Vermittlung dahin zu erlangen,
daß die Besteuerung nach dem Werthe für die gemischten Stoffe über-
haupt aufgegeben, der Unterschied zwischen soie dominante und eoton
dominant nicht ferner berücksichtigt und ein einheitlicher nur hinsichtlich
der Stück- und der Bandwaaren verschiedener Gewichtszoll festgesetzt
werde — sollte die Höhe desselben auch die Abgabe, welche bisher für
die als eoie dominante bezeichneten Waaren bestimmt war, um etwas
übersteigen müssen.
Z] Karlsruhe, 25. October. Gestern fand hier die Wahl der drei
Abgeordneten in die zweite Kammer statt. Gewählt wurden die Vor-
geschlagenen: Ministerialrath Nicolai, schon bisher Abgeordneter, und
die Gemeinderäthe Kaufmann Lang und Anwalt Gutmann (Israelit),
erstere fast einstimmig; letzterem fehlten von 160 Wahlberechtigten
18 Stimmen. — Die badische Bank wird nach Beschluß des Verwal-
tungsraths ihr Actiencapital verdoppeln, d. h. die zweite Hälfte ihrer
Actien im Betrage von 3 Millionen Thalern hinausgeben. Je eine alte
Actie soll eine neue Actie zum Course von ca. 108 pCt. unter Ver-
gütung der laufenden Zinsen erhalten und an der Dividende pro
1871 (ca. 6—8 pCt. taxirt) Participiren, so daß sich zu Gunsten der
neuen Actien eine Dividenden-Differenz von 21/2 pCt. ergeben und sich
so das Agio der neuen Actien auf etwa 1051/2 pCt. reduciren würde.—
Der Winterfahrplan auf den bayerischen und badischen Bahnen be-
last, haben ihrem Ärbeitspersonal und zwar aus freien Stücken, ohne
besonoere Aufforderung von Seiten desselben, eine Lohnerhöhung nach
den jeweiligen Leistungen des Einzelnen bewilligt. Die Maschinen-
äabnk in Eßlingen (Würtemberg) hat die Arbeitszeit auf 11 Stunden
jerabgesetzt. Wir dürften, namentlich durch derartige Maßnahmen,
>ier im Süden von den Strikes wesentlich befreit bleiben. — Am 23. d.
sollte in Duisburg die Rheinschifffahrts-Centralcommission unter dem
Vorsitz des preußischen Commissars. Strombaudirector Nobeling von
Coblenz (wahrscheinlich wegen zeitweiliger Verhinderung des ständigen
Vorsitzenden, Geh. Referendar Muth vom badischen Handelsministerium)
zusammentreten, um sich über die neue Eisenbahnbrücke zur Verbindung
der rheinischen Bahn, von welcher auch Vertreter zugegen sein werden,
auf der Strecke von Essen nach Osterode bei Rheinhausen auszu-
sprechen. Es wird dies die achte feste Brücke über den Rhein werden,
der vor Jahren eine einzige feste Brücke bei Kehl hatte.
Großbritannien.
* London, 24. Oct. Die Londoner Patriotische Gesellschaft, einer
von jenen Demokratenvereinen, welche hie und da in einer unsauoern
Winkelkneipe auftauchen, und bei welchem Odger nebst Genossen bestän-
de Wort für ‘ “
oge
big das große Wort führt, hat eine Anzahl von Arbeitervertretern
einberufen, um die neue politische und sociale Allianz zum Gegenstände
der Berathung zu machen. Einstimmig wurde das Project der Ver-
Zum Streit der Königinnen zu Dresden.
I.
W L. Auch die Madonnen entgehen in unserem Zeitalter nicht
dem gemeinen Loose, depossedirt zu werden. Ein Emporkömmling, erst
vor wenigen Jahrzehnten ans Licht getreten und wenige Jahre erst
allgemeiner bekannt, ist im Begriff siegreich die Stelle einzunehmen,
welche bis dahin ein als Perle deutscher Kunst verehrtes Bild behauptete,
und weder die Fürsprache von Fanny>Lewald, noch die Anstrengungen
der Dresdener Künstlerschaft, welche sich in einmüthlgem Eifer um die
Angestammte schaart, scheinen im Stande, das schmerzliche Loos von ihr
abzuwenden. Wer vor den beiden Holbeinbildern im Dresdener Zwinger
betrachtend verweilte, dem schien es, als ziehe sich, um das Antlitz der
Darmstädter Madonna ein stilles und doch be cheidenes Triumphgefuhl,
dem dann der muntere Jesusknabe an ihrer Brust mit lebhafter Ge-
berde secundirte. Aber das Haupt der Dresdener Maria umzog elegische
Trauer, mit Resignation schien sie sich ins Unvermeidliche zu.ergeben,
indeß der kleine Jesus mürrisch darein sah und seine Verdrießlichkeit
^K|, daß das Jesuskind des Dresdener Bildes in der That
einen so unköniglichen krankhaften Ausdruck zeigt, daß man früher viel-
sack zweifelte ob es wirklich den Erlöser der Menschheit darstellest solle.
Fiw die Kritiker war dies ein Anlaß zu den seltsamsten Deutungsver-
suchen, und manche dachten in vollem Ernst — es war dies nicht blos
ein Witz des Kladderadatsch —: .
Du bist ja gar mcht der Jesus Christ,
Du bist ja der steine Meyer.
Sie kamen nämlich auf den Gedanken, das Kind auf dem Arme
der Maria sei das kranke jüngste Kind der Familie Meyer, das der
Madonna zur Heilung an's Herz gelegt sei und das dann rm Vorder-
gründe des Bildes als der nackte Knabe abermals vorgeführt werde,
bei dem seltsamen Gesichtsausdruck des Dresdner Jesuskindes erklärlich
war, aber heute zum Glück gegenstandslos geworden ist. Denn lener
kränkliche Knabe gehört einzig dem unbekannten Urheber der Nachbil-
dung an. Das echte Holbeinbild zeigt einen Jesus, der leidlich frisch
und munter in die Welt blickt uno vor der Uebermalung, deren Spuren
es allerdings trägt, vielleicht noch ansehnlicher den Welterlöser
repräsentirte.
Frei von jedem Hauch des Argtbns, steht sie in ihrer gedrückten
Nische,.»dagegen waren, sobald ises Bild aus seiner Verborgenheit
ception vor ihm voraus hatte, ine Auseinandersetzung mit diesem
Rivalen, eine peinliche Visitatio war der Dresdener Madonna auf
keinen Fall zu ersparen. Es tute sich von Anfang nicht: welches
von beiden Bildern trägt mit Rck den Namen Holbein's, vielmehr: ist
neben dem einen unzweifelhaft echt Bilde der Holbein'sche Ursprung auch
des anderen Bildes aufrecht zu hak? Und wenn man von Frauen sagt,
daß schon der bloße Verdacht ihr Ehre tödtlich sei, so kann man auch
von oen Gebilden der Kunst sack, daß schon der Verdacht der Unächt-
heit ihrem Ruf eine bedenkliche^unde schlägt. Ein Proceß ist immer
unangenehm, auch wenn man i gewinnt.
Allein, was noch ein bloß' Berdacht war, als zu München im
Jahre 1869 zuerst das Darmstter Bild öffentlich sich zeigte, ist An-
gesichts der zusammengestellteGilder zur Gewißheit geworden. In
ganz überraschender Weise ist ie gründliche Verschiedenheit beider an
den Tag gekommen, und die Btreter der Wissenschaft haben in über-
wiegender Zahl dahin entsäden. daß der Holbeinursprung des
Dresdner Bildes nicht länger tzuyalten sei. Nun werden zwar Viele
sich nie und nimmermehr zu der Gewißheit bekennen, in Unzähliger
Herzen hat sich das Dresdener rtdonnenbild unverwischbar eingegraben,
und sie werden es fest im Herr bewahren und in holder Zdeenver-
wirrung eben deswegen den Evürfen der Kritik zum Trotz an dem
Namen festhalten, den die Trction geheiligt hat. Aber darüber wird
sich Niemand verwundern, den der Geschichte der menschlichen Mei-
nungen bewandert ist. Wannat jemals die Kritik eine altgewurzelte
Meinung erschüttert, die nicht eunde gefunden hätte, welche sich ihrer
mit desto vermehrtem Eifer annnen? Freunde, welche mit bekümmerter
Miene über die Härte der Winschaft klagten, die pietätlos über die
Ansprüche des Herzen» und ir die ehrwürdigsten Traditionen hin-
'Mhren abermals umstoßen öder mindestens refornnren? Wie kann
das Publikum einer sogenannten Kunstwissenschaft vertrauen, die heute
für schwarz erklärt, was sie gestern.weiß nannte? Besteht eine
solche Wissenschaft aus mehr als subjectiven und willkürlichen, über-
eilten und paradoxen Einfällen? Der Leipziger Professor Fechner hat
im Interesse des Dresdener Bildes sich die Mühe gegeben, die wider-
sprechenden Ansichten der Kunsthistoriker gegen einander und einzelner
gegen sich selbst wohlgeordnet zusammenzustellen, um damit, wo nicht
diese Wissenschaft überhaupt ad absurdum zu führen, doch mindestens
Mißtrauen gegen ihre neuesten Aussprüche zu erregen. Dieses grau-
same Vergnügen kann dem Leipziger Kunstfreunde Niemand verwehren,
auch ist, feine Zusammenstellung ganz nützlich und heiter zu lesen, und
es mag sein, daß der eine oder andere Kritiker, der die Partei auf-
c^w___< esst f'-JWtvtöi-t
Es ist den Dresdenern hoch anzurechnen, daß sie zu
n Conftontation der beiden Streitobjecte die Hand botei
der persön-
lichen Conftontation der Verven Sirerroorecre ore yano boten. Unstreitig
waren sie vom Anfang an im Nachtheil. Denn an dem Holbein'schen
Ursprung der Darmpädter Madonna hatte nre eme Seele gezweifelt.
wegschreite? Das hat man zulen Zeiten erlebt, und zu allen Zerten
ist dann der thatsächlich vorhtene Streit der Meinungen als ein
evidenter Beweis angeführt w>en, daß die Wissenschaft, wenn sie sich
von der Tradition entferne, ühaupt keine Sätze aufstellen könne, die
nicht von andern Vertretern Wissenschaft wieder bestritten würden.
In Laienkreisen hat dennuch der Einwurf viel Glück gemacht:
dieselben Kunstkritiker, die jetztzs Dresdener Bild als eine Copie, und
zwar als eine „unverstandenTopie heruntersetzen, haben es noch vor
wenigen Jahren als Holbein's'eisterwerr, als einen Höhepunkt deutscher
Kunst gepriesen. War nun fs erste Urtheil nach ihrem eigenen Ge-
ständnisse ein falsches, wer )t denn dafür, daß nicht ihr neuestes
Urtheil gleichfalls ein übereil ist, daß sie es vielleicht nach ein paar
ein Irrthum, zu meinen, die wahre Wissenschaft mache Anspn:ch darauf,
absolute Wahrheiten vorzuschreiben. Es sind die Religionen mit ihren
Dogmen, welche in ihrer Bescheidenheit diesen Anspruch erheben. Die
Wissenschaft weiß, daß ihr Proceß ein ewiges Werden ist. Sie lernt
beständig, und bei jedem Resultat macht sie sich selbst den Vorbehalt,
daß wettere Forschung das Ergebniß berichtigen, ergänzen, umstoßen
könne,-das ist so selbstverständlich, daß man gar nicht nöthig findet, es
ausdrücklich auszusprechen. Der Weise fällt kein Urtheil, ohne still-
schweigend
für das
daran, c.„, ............. ...........................,
schen Unfehlbarkeit gründlich abzugewöhnen. Allem es rechtfertigt noch
lange nicht, an der Wissenschaft überhaupt zu verzweifeln, weil sie es
ja nicht zu unumstößlichen Resultaten bringen könne. Denn nur der
oberflächliche Blick erschrickt über das Chaos der widerstreitenden Mei-
nungen. Sobald man nur von irgend einem Punkte aus nach rück-
wärts blickt, so verwandelt sich die Scene, das Chaos zertheilt sich;
was der Gegenwart Willkür und Zufall geschienen, ordnet sich in mm
vernünftigen Zusammenhang, es ist ein beständiger und fast stetiger
Fortschritt zu erkennen. Und ihren wahren Stolz setzt die Wissenschaft
eben darin, daß sie fortschreitend der Wahrheit immer näher kommt.
Die Geschichte der Wissenschaft ist eben die Geschichte der Wahrheit.
Wie alle Geschichte, bewegt sie sich nicht in einer fortlaufenden geraden
Linie, sondern sie geht im Zickzack, sie geht durch beständigen Irrthum,
und lede neue Stufe der Erkenntniß wird dadurch bezeichnet, daß wieder
ein Irrthum abgelegt wird. Darum braucht man sich nicht zu schämen,
einen Irrthum einzuaestehen; denn indem wir es thun, fördern wir
die Erkenntniß des Wahren.
Und Ein Geständniß läßt sich freilich nicht zurückhalten: die kri-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
brüderung mit der cvnservativen Partei verworfen, und Mr. Gal-
braith, welcher den Vorsitz führte, sprach den in die Unterhandlungen
verwickelten Arbeitern das Recht ab, eigenmächtig als Vertreter der
ganzen Classe aufzutreten. Es sei durchaus ein falscher Schritt seitens
der betheiligten Arbeiter gewesen,^den toryistischen Peers im Dunklen
ent
der . , . , . .
eine Falle gegangen und müsse jedenfalls sem Betragen klar und ausführ-
lich erklären, ehe man ihnen die Leiterschaft der Arbeiterclassen anvertrauen
könnte. In ähnlichem Sinne drückte auch Odger sich aus, welcher das
ganze Project ins Lächerliche zu ziehen suchte und nicht daran zu glau-
ben vorgab. Was diese Allianz anbetreffe, so sei sie dummes Zeug
und werde nie zu etwas kommen. Möglich, daß die einzelnen Punkte
des Programmes eingehende Erwägung verdienten, aber wenn die Ar-
beiter ihre sociale oder politische Lage zu verbessern wünschten, dann
müßten sie sich auf sich selbst verlassen und nicht mit der Aristokratie,
seien es Whigs oder Tories, kokettiren. Die sieben Paragraphen seien
sehr unbestimmt und könnten ebenso gut nichts bedeuten, wie etwas.
Das einzig Greifbare sei nur die 8stündige Arbeitszeit, und diese könne
auch ohne eine geheime Allianz mit toryistischen Lords erzielt werden.
Er wolle aber keinen Antrag zur Abstimmung bringen, weil man im
Laufe dieser Woche eine Erklärung von Seiten Mr. Scott Russell s
erwarte.
Ein anderer Verein, die „Allgemeine republikanische Ligue", be-
schäftigte sich mit dem nämlichen Thema und der folgende Antrag ge-
langte zur Annahme: „Diese Versammlung ist der Ansicht, daß die
neue social-politische Allianz eine Verschwörung ist, welche im Auge
hat, den Fortschritt dadurch zu unterbrechen, daß sie nöthige Reform-
maßregeln verzögert, um die Arbeiterclassen von der edlen Sache des
Republikanismus wegzulocken, welcher jetzt so gewaltigen Fortschritt
macht, das unterdrückte Volk von Degradation zu erheben und Freiheit,
Gleichheit und Gerechtigkeit sicher zu stellen." m
Aus Dublin meldet der Telegraph von einem schrecklichen Ver-
brechen agrarischer Natur, welches in der Nähe von Moynalty, Graf-
schaft Meath, verübt worden ist. Es wurde ein dort ansässiger Acker-
wirth, welcher 23 Morgen Land käuflich in seinen Besitz gebracht hatte und
seinen Neffen,der einen kleinen Theil innehatte, auszusetzendrohte ermordet.
Der Neffe bat um Aufschub, Bryan aber — so hieß der Ermordete —
schlug die Forderung ab. Gegen 7 Uhr des Abends saß er dann beim
Küchenfeuer, als Jemand sich leise hinzuschlich und ihn durch ein Feiffter
erschoß. Sechs große Kugeln durchbohrten seinen Hals und der Tod
erfolgte, so plötzlich, daß er aufrecht auf seinem Stuhl sitzen blieb. Die
Polizeibehörden wurden sofort von dem Vorfalle tn Kenntniß gesetzt
und eine Stunde nach Ausübung der That befand der Neffe sich
bereits in Haft. „
Die Generalcommissäre für die internationalen Ausstellungen, die
Herren Orenne und Du Sommerard, haben von hier aus unterm 25.
v. M. an den französischen Ackerbau- und Handelsminister über die
internationale Ausstellung von 1871 einen Bericht eingesandt, welchen
das „Journal officiel" jetzt veröffentlicht. Nachdem diese Herren in dem
Schriftstück den „kaum erhofften, doch unbestreitbaren" Erfolg der fran-
®en Abtheilung der Ausstellung constatirt, berichten sie, daß sie in
,en ein specielles Bureau etablirten, um den Besuchern alle Mitthei-
lungenüberden Werth der ausgestellten Kunstgegenstände und industriellen
Producte zu liefern. Dieses Bureau, welches natürlich unentgeltlich func-
tionirte, hat den Verkam einer großen Anzahl von Kunstwerken bewerkstelligt;
wogegen die directen Verkäufe französischer Aussteller an das Publikum
durch die Werthangaben der Ausaangspassirscheine controlirt zu werden
vermochten. Dank dieser Organisation konnte man die folgenden Resul
täte feststellen: Die Verkäufe von Erzeugnissen der Kunstgewerbe über
stiegen die Summe von 20,000 £, während der Werth der Bestellungen
welche erst nach Schluß der Exposition zu liefern sind, sich nach der
Angaben der Aussteller auf 40,000 £ belief. Die Mehrzahl der fran
zösifchen Aussteller hat übrigens den Entschluß gefaßt, in den günstigster
Stadttheilen Londons Filialen ihrer Häuser zu gründen und die beim
Schluß der Ausstellung noch nicht verkauften Artikel darin feil zu halten
^‘«»«alrr war das oben genannte Bureau im
Grande, ven ausstellenden Künsir.— .. - •a na-
tionalen Ausstellung soll in ifrrRsöft am’l. Mar '1872 eröffnet werden.
Instrumente und der akustischen Apparate. Außerdem sollen in dieser
zweiten Serie Special-Ausstellungen für Gartenbau, Obstzucht und
seltene Pflanzen Platz finden.
* Paris, 24. Oct.
eine Stätte in der „Ti
Bewegung in eine neue Phase
Frankreich.
24. Oct. Seitdem Napoleon für seine Offenbarungen
der „Times" gefunden hat, scheint die bonapartistische
Bewegung in eine neue Phase getreten zu sein; die Blätter der Parte
führen eine noch dreistere Sprache als vorher. Gleichzeitig wird in
der anti-bonapartistischen Presse die affectirte oder wirklich gehegte Angst
vor einem kaiserlichen Militärcoup stärker betont und in den Regierungs-
sphären scheinen die Stimmen derer lauter zu werden, denen Thiers'
bisheriges Gewährenlassen bedenklich ist. Manche möchten es nicht
ungern sehen, wenn der Präsident der Republik gegen freche Ausfälle,
wieder gestrige des „Avenir liberal", mit Ausnahmegesetzen vorginge,
und jedenfalls verlangen sie, daß der betreffende Artikel den Gerichten
überantwortet wird. Inzwischen sind bekntlich aus der Brutstätte des
Bonapartismus, Corsica, im Ganzen soefriedigende Nachrichten ein-
gegangen, daß Thiers sich darauf hin wl ermuthigt fühlen kann, fürs
erste den Teufel noch nicht allzugrell ane Wand zu malen. Möglich
reilich, daß Prinz Plonplon, der auf d Insel an und für sich wenig
beliebt, auf den Wink des Kaisers wie! heimgegangen ist, um Nicht
muthwillig extreme Maßregeln gegen diSonapartisten innerhalb Frank-
reichs zu veranlassen; Thatsache ist tdeß, daß, wie die letzten
Generalrathswahlen bewiesen, der Bonapartecultus auf der
Insel eine bedeutende Zahl Antzr eingebüßt hat. Man
hält es sogar für nicht unmöglich daß Rouher bei der De-
putirtenwahl daselbst im nächsten Denber gegen einen nicht bona-
' artistisch gefärbten Candidaten, etwa «enPozzo di Borgo, unterliegt.
Die Idee, der Nationalversammlung i ihrem Wiederzusammentrltt
An die ganze Familie Bonaparte vom inzösischen Gebiet ausschließen-
des Gesetz vorzulegen soll, wenn Thiersberhaupt je sie adoptirt hatte,
wieder aufgegeben sein. Dagegen schit man gegen bonapartistische
Handstreiche noch immer aus der Hut sein. Wie es heißt, kreuzen
fortwährend im Canal einige kleineiegierungsschiffe, um etwaigen
Landungsprojecten vorzubeugen. Rich scheint auch, daß der Kriegs-
minister zu ähnlichen Zwecken militäche Vorsichtsmaßregeln verfugt
hat. So schreibt der „Jndöpendant dPas de Calais": Man raunt
sich zu, daß aus dem Kriegsministern strenge Befehle eingetroffen
sind; es sei den Corpschefs untersagt ihren Officieren irgend welchen
Urlaub zu ertheilen, und das Verbotstgt man hinzu, sei absolut; m
mehreren benachbarten Städten seien t Truppen cousignirt, wenn auch
nicht bei Tage, so doch in früher Abostunde.
Anfang des nächsten Monats st Thiers nach Rouen gehen, um
im Departement Seine inferieure ir verschiedene neue Militär-
etablissements, die in Folge des Verlts von Elsaß-Lothringen anders
wohin verlegt werden müssen, den Andstein zu legen.
Die Abberufung des Präfecten )es Ariegedepartements soll auf
die Vorstellung eines der demokratism Deputirten des Departements
erfolgt sein. Wie erwähnt, hatte dePräfect bei den neulichen Wahlen
allzu merklich seine orleanistischen A'pathien gegen die republikanischen
Candidaten zur Schau getragen. & Maßregel ist um so bemerkens-
werther, als dieser Prüftet zu Thi6 Privatfreunden gehört. Natür-
lich wird er anderswo placirt werd«,
Die Bonapartisten haben nochnicht Journale genug. Nächstens
soll auch das „Peuple fran<;ais", id zwar unter der Direction des
Exdeputlrten Calley St. Paul, wiererscheinen. Seitens der Regie-
rung wird man dem neu erstekrden Blatte keine Schwierigkeiten
machen; unwillkommener dürfte esedenfalls dem „Ordre" des Herrn
Duvernois sein, der darin einen Ccurrenten wittern kann.
Wie das „Journal de Paris" wissen will, hätte sich auch Herr
Drouyn de Lhuys endlich entschloss, Hrn. Benedetti eine kleine diplo-
matische Lection zu ertheilen, undl. a. ein Paar Depeschen des ehe-
maligen Botschafters zu publiciren, aus welchen hervorgehen würde,
daß, wenn die französische Regieru; im Juli 1866 von Preußen Ge-
bietsabtretungen forderte, dies auvie pressanten Vorstellungen Bene-
detti's selbst geschehen sei.
Einem Gerücht, wonach Roß und Ferre noch in dieser Woche
füfilirt werden würden, wird von m „Journal de Paris" dementirt.
Die Gnadencommission hat sich injrer letzten Sitzung mit der Ange-
legenheit der beiden Verurteilten och gar nicht beschäftigt.
Der „Radical" beginnt in seim Feuilleton die Publication eines
alten Romans Eugen Sue's, „D Geheimnisse des Volkes" betitelt.
Derselbe scheint indeß solcher Arzu sein, daß der Polizeipräfect die
Vertheilung von Circularen, welch oen. Roman ankündigen, untersagen
zu müffen geglaubt hat.
Der „Constitutionnel" melde! die erfolgte Räumung von Guift,
Chäteau-Thierry und Laon. — M Nancy lassen hiesige Blätter sich
folgenden Vorgang melden: Letzt: Donnerstag wurde das Haus des
Maires von Nancy, Hrn. Ch. Wele, auf Befehl der deutschen Behörden
militärisch besetzt. DerPlatzcommarant, Generalmajor von Wedel, hatte
sich darüber beklagt, daß die deichen Truppen in mangelhafter Weise
einquartiert würden, und außerdfi Reclamationcn erhoben in Betreff
amuse uiUIWuw, «2ei'.'* i J*ßtlr ty»,t,Dxx
der französischen und deutschen tzgierung abgeschlossenen Uebereinkunft
es die erstere sei, welche die Eimartierung der deutschen Truppen in
den besetzten Landestheilen übermimen habe. Er fügte hinzu, daß die
Reclamationcn daher an den Jnndanten, Hrn. Chassignet, zu richten
seien, der die nöthigen Vollmacht! besitze, um den berechtigten Forde-
rungen der deutschen Behörden u genügen. Der Commandant von
Wedel erwiederte, daß er keine ndere französische Autorität als die
Mairie, in allenFragen, welche d Garnison beträfen, anerkenne und
daß er Gewaltmaßregeln anwendi werde, bis man seinen Forderunacn
Genüge leiste. Gleichzeitig wurdHr. Welche benachrichtigt, daß über
sein Haus eine Strasemquartierig von zehn Mann verfügt sei. Schon
um halb ein Uhr Mittags trateizehn Mann, geführt von einem jungen
Offtcier beim Hrn. Maire ein, dein diesem Augenblick eben den Besuch
des Präfecten und seiner Gemahl empfing. Sie schoben diese Dame bei
Seite, um m das Haus einzudrgen, und erklärten Hrn. Welche auf
seine Frage nach ihren Quartierllets, daß sie Weisung hätten das
Haus gewaltsam zu besetzen. Schdem er dagegen protestirt, überließ
ihnen Hr. Welche das Haus un'begab sich mit dem Präfecten zu dem
General von Stosch, um ihn vo diesem seltsamen Verfahren in Kennt-
Folge dieses esuchs und der Weisung des Generals
von Stoscb wurde das Haus der Maires, nach einer Occupation von
vier Stunden, wieder geräumt. .
Seit einiger Zeit war von cvnservativen Blattern die Frage aus-
geworfen worden, was wohl aus den Fonds der Subscription gewor-
den sei, welche im Herbst 1868 für ein Denkmal zu Ehren des ,m
Kampfe gegen den Staatsstreich gefallenen Volksvertreters Baudm er-
öffnet worden war. Diese Gelder hatte man damals einem republika-
nischen Bankier, Hrn. Jules Mottu, anvertraut, der jetzt radikales
Mitglied des Pariser Stadtraths und Herausgeber des revolutionären
Blattes „Le Radical", geworden ist. Da das Baudin-Denkmal noch
immer auf sich warten läßt, so hatte namentlich der „Figaro" an
Hrn. Mottu eine Reihe indirecter Fragen gerichtet, die dieser icdoch
unbeantwortet ließ. Der „Figaro" beruhigte sich ledoch dabei nicht
und adressirte nun seine Fragen an die Redactionen derjenigen Blätter,
welche seiner Zeit jene Subscription betrieben hatten. Er wandte sich
insbesondere an den „Temps." Der Herausgeber des „Temps" erklärt
nun im heutigen „Figaro", daß er selbst über die Verwendung der ge-
ammelten Fonds nichts weiß, daß er aber zu untersuchen gedenkt, was
die mit der Verwaltung der Fonds betraute Comniission, der er selbst
)ie jetzige Wissenschaft ihre Resultate verdankt, ersten Ringes, als ein Jnbegrifvon Anmuth hlnd^HRdselMit^ae-
. Wer m der,Kunstgeschichte wenig zu Hau;e gölten hat, nunmehr zum Rang ner Copie, die selbstverständlich keine
i anderen Zweigen der Wissenschaft, wie jung Stelle mehr in der Kunstgeschich zu beanspruchen hat. herabaewürdiat
ische Methode, welcher die jetzige Wissenschaft ihre Resultate verdankt,
ist gar neuen Ursprungs. Wer in der Kunstgeschichte wenig zu Hause
ist, der weiß es dock von anderen Zweigen der Wissenschaft, wie jung
diese Methode ist, die erst in den Zeiten unserer Väter anfing, ihr
Recht zu verlangen, und die einst nicht minder zu den Ruhmestiteln
unseres Zeitalters Wählen wird, als die Erfindung der Locomotive und
des Telegraphen. Oder wie lange ist es her, daß man an die geschicht-
liche Forschung die strengen Anforderungen macht, die heute schon als
selbstverständlich gelten? Ist es wirklich so beschämend, wenn erst jetzt
ein Irrthum entdeckt wird, der hundert Jahre lang unangefochten blieb?
Ach, wenn die Irrthümer nicht länger in der Menschheit haftenblieben!
Noch immer kommt es vor, daß auf geschichtliche Erscheinungen, über
die man längst im Reinen zu sein glaubt, plötzlich ein neues Licht fällt.
Dort wird eine bisher unbekannte Quelle entdeckt, welche das über-
lieferte Urtheil über einen geschichtlichen Charakter modificirt. Oder man
forscht dem Ursprung einer geschichtlichen Anecdote nach und man findet,
daß sie^ins Gebiet der Sage gehört; man sucht weiter und entdeckt genau
die Zeit und die Umstände, in welchen sie entstand, und die geschicht-
lichen Momente, aus welchen die Phantasie ausschmückend ihr Ge-
webe wob. Oder: seit Alters trägt eine Schr.ft den Namen eines
bestimmten Autors, von Jahrhundert zu Jahrhundert pflanzt sich die
Ueberlieferung fort, ohne daß es Jemandem einfällt, sie zu prüfen.
Eines Tages geräth die Forschung auf Daten über den Autor, mit
welchen jene angebliche Autorschaft schwer vereinbar ist. Man sucht
erst den Widerspruch auszugleichen, aber im Suchen stößb man auf
neue Daten, welche den Widerspruch verschärfen, und zuletzt bleibt kein
Zweifel übrig, daß man dem vermeintlichen Autor die Schrift ab-
sprechen muß. Dieser Fall ist der Holbeinfehde am verwandtesten, und
ist er in unserer Zeit nicht häufig genug vorgekommen? Um nur Ein
Beispiel zu nennen: seit achtzehnhundert Jahren haben sich unzählige
gelehrte und geistvolle Männer mit dem Evangelium des Johannes
beschäftigt, es ist ihnen nicht eingefallen, an der Autorschaft des Lieb-
lingsjüngers Jesu zu zweifeln. Und doch sieht sich die neuere Wissen-
schaft aus einer Reihe von zusammenstimmenden Gründen genöthigt,
diesen Ursprung des Evangeliums auf das Bestimmteste in Abrede zu
stellen. Will man sie nun darum einer unbefugten Anmaßung zeihen,
weil sie der ehrwürdigen Tradition von Jahrhunderten schnurstracks
in's Gesicht schlägt? Oder soll man nicht vielmehr eine andere Moral
daraus ziehen? Der besonnene Mann wird in der That weder über
die frivole Neuerungslust der modernen Wissenschaft schelten, noch auf
die Finsterniß vergangener Jahrhunderte hochmüthig herabblicken, aber
er wird sich staunend besinnen, welche Umwälzungen die Entdeckung der
kritischen Methode im raschen Lauf eines Jahrhunderts hervorge-
bracht hat.
„Das Alles soll zugegeben sein, wir streiten nicht darüber, aber
wie wollt ihr es rechtfertigen, daß ein Bild, das bisher als ein Werk
Stelle mehr m der Kunstge chich zu beanspruchen hat, herabgewürdigt
wird? Und wie wollt ihr selbsten Wechsel eures Urtheils begründen,
die ihr berühmte Kunstforscher s», die ihr noch vor kurzer Zeit das
Dresdener Bild in den Himmel choben habt, um es heute beinahe in
allen Theilen als schwach, unterordnet, unbedeutend zu flnden?" Das
war zuletzt eme Apostrophe, die:n Partisanen des Darmstädter Bildes
nicht erspart wurde. Insofern diesie nun an einzelne Kunstforscher persön-
lich sich richtet, mögen diese selbst s verantworten, und meistentheils haben
^ es bereits gethall. Daß jedockberhaupt angesichts der confrontirten
Bjlder nicht bloß über die Autorfift entschieden wurde, sondern auch das
ästhetische Urtheil sich modificirte,! wiederum eine Erscheinung, die nichts
verwunderliches hat für den, derinige Kenntnisse in der Geschichte der
Kunst besitzt. Es wiederholte sichier nur im Kleinen, was mehrmals
im Großen sich zugetragen hat. uch das ästhetische Urtheil ist nichts
der Menschheit angeborenes und rum absolutes undunveränderliches
es ist vielmehr anerzogen, ein Ebent der allgemeinen Cultur, es ist
durch Wissen und Schauen gebildmnd es schärft sich unablässiq durch
den Vergleich. Was heute für sch M, galt nicht zu allen Zeiten für
schon. Unsere deutschen Maler delL-Jahrhunderts malten nicht blos
anders als wir heute malen, sondi sie sahen auch anders Es be-
durfte der wiedererwachten Antik und der Anschauung italienischer
und niederländischer Kunst, um dabisherige Schönheitsaefühl auf eine
wiedererstandenen Reste des Wertes, sie waren nicht kritisch gestimmt
naiv nahmen sie die ganze Hohech sich auf, die ihnen aus dem aus-
gegrabenen Marmor entgegenstrah. Es bedurfte langer Zeit und
der immer größeren Anhäufung !l antiken Schätzen, bis sich die
Kritik an dieselben wagte, und rch genaueren Vergleich auf die
Unterscheidung von Perioden der lten Kunst, auf die Unterscheidung
des Classischen innerhalb des Clächen geführt wurde. Vor hundert
Jahren galten unsern ersten Kenm, die in der kunsthistorischen Kritik
bahnbrechend waren, die Gruppe^ Laokoon und der vatikanische
Apoll als die vollendeten, unerreiaren Muster der griechischen Kunst
Heute wissen wir, daß es die Zeugnisse eines späteren Geschmacks
find, welcher der einfach ruhigen jön^eit das Effectvolle und das
Elegante vorzog. Denen, welche Reste des Parthenons sahen, stieg
»uerst die Ahnung der wahren nchen Kunst auf, seitdem hat der
wlssenschaftliche Vergleich die Entwlungsstufen der classischen Sculptur
festgestellt, und heute besitzt em Prlner, der in Kunstgeschichte dilettirt,
unzweifelhaft eine richtigere Kennh von den Perioden der griechischen
Kunst und ihren unterscheidendenierkmalen, als Winkelmann besaß
lg, „ ...
nicht angehörte, mit diesen Geldern angefangen habe. Er hat zu diesem
Zwecke die Directoren des „Avenir national", des „Siecle", des „Jour-
nal de Paris" und der damals erscheinenden „Tribune" zusammenbe-
rufen, so da'; Zeichner und Publikum alsbald vollständig aufgeklärt sein
dürft^r c^Emps" veröffentlicht folgende öfficiöse Note: Es ist nicht
richtig, daß die Bank von Frankreich sich anschickt, Billets von 10 Frcs.
oder andere Abschnitte unter 20 Frcs. auszugeben. Eine derartige Aus-
gabe würde eine Arbeit von zwei oder drei Monaten nöthig machen
und vermöchte daher in keiner Weise den Erfordernissen der gegenwär-
tigen Lage zu entsprechen.
Eine Note des „Journal officiel" führt den Buchdruckereibesitzern
die Bestimmung des Gesetzes wieder zu Gemüthe, die ihnen die Hinter-
legung von Pflichtexemplaren und die Abgabe der Erklärung auferlegt,
in welcher Auflage sie ihre erscheinenden periodischen Schriften abziehen
lassen. '
Die diesjährige Jahressitzung der fünf Academien des Instituts
von Frankreich wird mit besonderer Feierlichkeit im Jndustriepalaste
der elysöischen Felder stattfinden. Thiers und Rsmusat gedenken dersel-
ben beizuwohnen und Jules Simon wird präsidiren.
Italien.
* Rom, 22. October. Im Vatican scheint man sich wirklich ein
taar Monate mit dem Gedanken getragen zu haben, den Pfiffigen
taatssecretär Antonelli eine Rundreise bei den europäischen Höfen
machen und um werkthätige Hülfe für das weltliche Papstthum bitten
zu lassen. Es scheint indeß, daß Antonelli selbst sich durchaus keinen
Erfolg von diesem Bittgang versprochen hat. Um der Sache enthoben
zu sein, soll er sich kränklicher gemacht haben, als er in Wirklichkeit ist.
und jetzt ist das Project definitiv aufgegeben. Haupturheber desselben
waren Beichtväter kaiserlicher und königlicher Prinzessinnen, die be-
kanntlich meist der Gesellschaft Jesu angehören.
Nicht weniger als 17 italienische Priester haben die Berufung zu
bischöflichen Stühlen abgelehnt, darunter die Canonici von St. Peter
Tavoni und Montani. Auch Pater Cerino, General der Teatiner, hat
von Neapel geschrieben, daß er aus Gesundheitsrücksichten den ange-
botenen Stuhl nicht annehmen köllne.
Der „A. Z." schreibt man von hier: Wie fremdenleer unsere Stadt
im letzten Winter, wie vereinsamt und zuletzt öde die Gesellschaft war,
so voll und glänzend verspricht der diesjährige zu werden.- Der Krieg
und die frischen Erinnerungen an seine Opfer mußten Tausende von
der gewohnten Romfahrt zurückhalten, niemand war in der rechten
Stimmung des Reisegenusses. Das Weh ist auch jetzt noch nicht
verwunden, aber Amerikanern, Engländern, Russen geht es nicht
zu Herzen; von ihnen begegnet man bereits gar vielen in den Straßen,
obgleich wir erst an der Schwelle der Saison stehen, auch an deutschen
Familien fehlt es nicht. Wer nicht zum erstenmal hier ist, kann
sich nicht genug wurdern, wie eine solche allgemeine Veränderung in
dem äußeren und inneren Comfort der ernstenStadt in so kurzer Frist
hat durchgeführt werden können. Der Corso ist nicht mehr zu erkennen,
moderne Eleganz und Luxus sind da in jedes Portone eingezogen. Die
Klöster aber ragen noch alle ,pch und keck oder massig und vierschrötig
mit aller Ursprünglichkeit rund umher in die Lüfte, auf die herausge-
putzten Hauser da unten unmuthig und düster niederblickend, als wollten
sie ihnen die Freude an dem neuen Leben verderben. Es war eh e
allgemeine Restauration, welche die Stadt durchmachte, doch nicht frei*
wrllia, denn der Sindaco Fürst Pallavicini hat es so gewollt Cr bat
viel Verdruß davon gehabt, denn nicht jeder Hauseigenthümer war in
der Lage, m dieser Zeit der Bauunternehmungen Werkleute ru dinaen
um für den höchsten Arbeitslohn die Dächer umlegen, die Facade
bemalen neue Fenster Perfianen und Hausthüren machen zu lassen,
schließlich zum Schrecken der Miether, deren Zins auf einen so durch-
aus soliden Beweggrund hin sofort um die Hälfte des frühern Satzes
hinaufgeschraubt wurde. Pallavicini will sich zurückziehen, um von den
administrativen Strapazen auszuruhen, Fürst Doria wird zum künftigen
Bürgermeister gewünscht. ' a
Pallavicim's Entlassungsgesuch soll bereits angenommen sein.
Die neue Hauptstadt hat somit in einem Jahre nicht weniger denn
drei Bürgermeister verbraucht. ^
, Die Draubenernte ist überall so reichlich ausgefallen, dast die
Weinbauer bereits über die mdrigen Preise klagen ^
. .. Di- „Stalia militare- bringt mehrere Ertaste/ aus die Reorgani-
satwn der ArNllerie bezüglich. M Compagnien sind aus 40 herunter-
. J, die Feldbatterien dagegen von 80 ans 90 erbSbt. -in d-mlelben
ilalte veröffentlicht der Kriegsminister auch eine Erklärung über den
s^L1in'ÄnSS°att°t'''Lr^ »nt» »°V» dem-
Wagner's Lohengrin wird am 1. November sein Glück vor dem
Bologna^^ ^"blikum versuchen, und zwar in dem Stadttheater von
^t. Bühne und Zuschauerraum in unserem
Utheater sind vollständig ausgebrannt und bieten mit ihren zerbröckelten
dem zahlreich durchglühten Eisenwerk, unter welchem
insbesondere der bald nach Ausbruch des Brandes herabgestürzte
Ä^Aige Kronleuchter m fernen Trümmern einen ungemein traurigen
Anblick gewahrt, ein grauenvolles Bild der Verwüstung. Von dcr
Garderobe ist was man gestern Abend stark bezweifelte, dennoch ein
nicht unbedeutender Theil gerettet worden; allein der Gesammtsckadcn
ist jedenfalls ern sehr beträchtlicher, weit über 500,000 fl., obwohl die
Umfassungsmauern bei dem Neubau zu verwenden sein werden. Das
Feuer lodert zur Stunde manchmal noch hoch auf, so daß immer nock
mehrere Spritzen m Thätigkeit sind. Mit der Aufräumung
des Schuttes wird man erst in einigen Tagen beginnen können
Ueber die Ursache der Entstehung des Feuers wird folgendes mitgetheilt -
"Dem bestehenden Relement zufolge soll die Beleuchtung der So fitten
zu etzt angezündet werden, um bei dem nach 5 Uhr eintretenden äu-
Zjnen dds Gasdrucks eme Feuersgefahr zu verhüten. Diese Vorschrift
scheint nicht beachtet worden zu sem, denn eine in der Nähe des Vvr-
hanges befindliche Soffitte sing zuerst Feuer. Der Beleuchter Mütz schien
L-S/ndung der Soffitten zuerst bemerkt zu haben. Angehörige des
Theaters, welche, als man die ersten Spuren des Brandes wahrnahm
dem Hause flohen, sahen ihn, wie er sich an einer Flugmaschine in
die Hohe ließ, vermuthlich m der Absicht, die brennende Soffitte oben
auf dem Speicher, an den Punkteii, wo sie befestigt war, abzuschneiden
und weiteres Unglück zu verhüten. Es gelang nicht, der grosse Vor-
6euer, und Mütz selbst scheint umgekommen zu sein, denn
Irl L 9fettn9C^Xnb mrrd er vermißt. Man vermuthet daß ihn,
als er auf dem Speicher angekommen, die Kräfte verließen und er in
^ Tief stürzte. Das Hoftheater wurde am 3. November 1821 mit
Spontml's „Cortez" eröffnet. (Fr. I.) 1
^ -^—^blssrad, 16. Oct. Es war stets eine Lieblingsidee Beters
des Großen, emeVerblndung desSchwarzen und des Kaspischen DU'eres
dieser zwei für Rußlands Herrschaft im Südosten so wichtigen Wasser-
becken, herzustellen Nach seinem Todte ruhten !n den Archiven qar
Z^nche nützliche Plane, unter ihnen auch der einer Verbindung dieser
zwei Seen, von denen es nicht unwahrscheinlich ist, daß sie früher ein
Ganzes gebildet haben. Erst im Jahr 1858 unternahm ein Hr. Berg-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Dal
1 60
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A6e Postämter dZ
nehmen Bestelln:
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zweimal, mit
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den Raum einer Petitzeile: 4 Orot».
Auswärts Nehmen Inserate an: Lsas«»
stein & Vogler in Hamburg-Altona und
Frankfurt a. M.; L. Lenäsr in London,
8 ILiittle Newport, St. Leicester Square;
Havas, Lafffite, Bullier&Cie. in Paris,
SPlaoe delaBourse; E. Steiger iaNew-
york, 17 u. 19 North William Street.
Deutsches Reich.
* Berlin, 26. Oct. Der russische Reichskanzler Fürst Gvrtschakoff,
welcher seit Ansang des Sommers in süddeutschen Bädern und in der
Schweiz zugebracht hat, wird nächstens auf der Rückkehr nach Peters-
burg hier ankommen und einige Tage hier verweilen.
Die Nachrichten aus Wien lassen offenbar erkennen, daß die Krisis
sich nicht mehr hinausschieben laßt. Die Verfassungstreuen jubeln
bereits. So schreibt die „Presse": „Alt-Oesterreich siegt! Die ver-
einigten Staaten von Neu-Oesterreich, welche die Föderalisten an
Stelle der einheitlich organisirten Monarchie errichten wollten,
werden mit den czechischen Fundamentalartikeln eingesargt und begraben
werden , in dem böhmischen Landesarchive. Das ' ist die 'große
Neuigkeit des Tages. Die sehnlichst erwartete Wendung in unserer inne-
ren Politik ist also endlich eingetreten. Die Vorstellungen, welche die
gemeinsamen Reichsminister und der ungarische Ministerpräsident wider
die czechischen Vorschläge zu einer Neugestaltung der Verfassung er-
hoben haben, haben die Ausgleichsverhandlungen ins Stocken
und schließlich, wenn auch noch mcht zu einem vollständigen Abbruche,
doch in ein Geleise gebracht, das einen glücklichen Ausgang mit Zuver-
sicht erwarten läßt, mag dieser nun bereits in den nächsten Tagen oder
erst nach einem letzten verunglückten Versuche eines neuett Compromisses
eintreten. .
— Die Berlin-Stendal-Lehrter Bahn wird nach amtlicher Bekannt-
machung am 1. November zunächst für den Gütertransport eröffnet.
Ein direcler Güterverkehr wird mit den hannoverschen, oldenbnraischen,
westphälischen re. Bahnen hergestellt.
— Mehrere Berliner Blätter, u. A. „Nat.-Ztg." und „Voss. Ztg."
zeigen an, daß, weil die, Herstellungskosten der Zeitungen ungewöhnlich
und plötzlich gestiegen sind, sie die Jnsertionsgebühren von 2ys ans
L'rhöhen.
Siraßburg, 21. Octbr. Die definitive Ernennung des Hru. Ernst
Lauth zum fünfjährigen Maire von Straßburg und 'seine Einführung
in den'Municipalrath ist vor einigen Tagen erfolgt. So viel uns be-
kannt:: hat der neu eingetretene Maire bereits oer oberen Behörde die
vier Adjuncten vorgeschlagen, die er mit seiner Verwaltung zu ver-
binden wünscht; unter denselben nimmt Jmlin, der schon seit vielen
Jahren im Municipalrath Sitz und Stimme hat, die erste Stelle ein.
Er kennt'die Stadt und ihre Bedürfnisse; als thätiges Mitglied der
Agriculturgesellschast hat er sich in jenem Vereine seit Jahrzehnten
üusgezeichnet. Er steht als ausgezeichneter' Veterinärsirzt mit mehreren
Schichten der Bevölkerung tu Berührung. — Der ausgeschiedene,
anspruchslose provisorische Maire, Klein, hat sich während
seiner achtmonatlichen Verwaltung unter schwierigen Umständen
um die deutsche Regierung und um seine Mitbürger verdient ge-
macht. — Das protestantische Generalconsistorium war aus den 19.
laufenden Monats einberufen. Der interessanten Sitzung wohnte der
neue Präfect des Niederrheins, v. Ernsthausen, bei. Hauptzweck der
Zusammenberufung war die Wahl eines Präsidenten und die Bezeich-
nung eines Regierungscommissars. Die anwesenden Mitglieder, 15 an
der Zahl, schwankten in der Präsidentschaft zwischen Kratz, bisherigem
Mitglied des Direktoriums, und Traut, Vicepräsidenten des hiesigen
Landgerichts. Erst nach dreimaliger Balottage erhielt ersterer die er-
forderliche Stimmenmehrheit. Zu erinnern wäre, daß Kratz vom Monat
Mai 1848 bis im Frühjahr 1851 als republikanischer Maire
von Straßburg functionirte. Wir gestehen, nicht recht zu be-
areifen, wie und warum in der elften Stunde die Gegencandidatur
Traut's auftauchte; jedenfalls hätte Letzterer, wäre ihm die Würde im
Dircctorium zugefallen, seinen kaum angetretenen richterlichen Functio-
nen entsagen müssen. Zum Commissär der Regierung wurde Schiellein,
ehemaliger Notar in Buchsweiler, vorgeschlagen. Es ist derselbe schon
seit langen Jahren Mitglied des localen Consistoriums jener kleinen
ehemaligen Hanau-Lichtenbergischen Zffidenz, also mit stien kirchlichen,
protestantischen Interessen wohl betaut. Als erklärter Gegner des
verstorbenen Schottenmann. welcher di. dortigen kirchlichen Dotationen
ausschließlich für das Hospiz beansprchte und im Schooße des elsässi-
schen Protestantismus einen 30jährven Streit hervorrief, hat sich
Schielleiu als Vertheidiger der Pfarreen ein unbestrittenes Verdienst
bei dem Dircctorium erworben und eiltet somit am Ende seiner Lauf-
bahn eine ehrenvolle Anerkennung. Dr Wahl fiel auf den rechten Mann.
Goguel wurde im Laufe derselben Sitzutg als Mitglied des Directoriums
bestätigt. Nun bliebe, so viel uns bednut, noch eine Ersatzwahl an
der Stelle des Hrn. Kratz zu vollziehen Durch diese neue Coustituirung
der Protest. Behörde wird die liberalePartei Herrin im Lager. Der
--- v r - -■■■'n..........gen
»er
wleranz
geziemt absonderlich denen, welche "sein „Fortschritt" huldigen und
hoffentlich aus der Sittenlehre des Emugeliums Milde gegen Anders-
denkende in ihr praktisches Glaubejsbekenntniß mit hinübernehmen.
Die Regierung zeichnet den Weg vor, indem sie mit nicht genug zu
preisender Liberalität der- aufgeregte: protestantischen Gemeinde die
freie Willensäußerung zugestand. Sh war befugt, mit einem Macht-
wort den inneren Zwistigkeiten und Spaltungen ein Ende zu machen
und die Reorganisation der Protestant scheu Kirche in ihre eigene Hand
zu nehmen. Sie zog es vor, den schon eit 70 Jahren bestehenden Rahmen
ausrecht zu halten und den künftighin anszusprechenden Wünschen freien
Lauf zu lassen; aber die Unterdrückung einer Minderheit kann ihr auch
von vorn herein nicht im Sinne liegen. (Schw. M.)
Großbritannien.
* London, 25. Oct. Einer Zuschrift von „Daily News" zufolge
in den bestehenden Einfuhrzöllen um 10 bis 13 pCt.; Wollenwaaren
mit Baumwolle oder Seide gemischt eine Erhöhung von 5 bis 8 pCt.;
Garne 20 pCt. und Rohbaumwolle ebenfalls 20 pCt.
Wie sehr die angebliche Verbindung zwischen der conservativen
Aristokratie und den Arbeiterclaffcn im gegenwärtigen Augenblicke die
öffentliche Aufmerksamkeit fesselt, geht schon daraus zur Genüge hervor,
daß unsere drei ersten Witzblätter derselben ihr Hauptbild widmen;
jedes rmf fPjnp eialtP Wois^_,..Niinck" denkt kick die ..sociale
Bewegung" als eme Katze, die den WiffervaMen Peers aus dem Sack
gesprungen ist, und Disraeli, welcher nebenan steht, hält das Mißlingen
des Planes für ganz natürlich, weil die Peers ihn, den Führer der
Partei, nicht zu Rathe gezogen hatten. „Fun" stellt die stereotype
Arbeiterfigur dar, wie sie einen recht hochnäsigen Peer voller Wärme
umarmt, während der letztere in affcctirtem Tone bemerkt, daß die
Freundschaft doch nicht ganz so intim gemeint gewesen. Auch das
torystische Witzblatt „Judy" bringt ein artiges Bild über denselben
Gegenstand : Ein Dienstmädchen wischt sich die Augen mit der Schürze,
da sie ihren Liebhaber, einen biedern Handwerker, mit einer vornehmen
Dame, welche durch die Krönlein im Haarschmuck und auf dem Kleide
als Personisication der Peers zu erkennen ist, zärtlich sehen thut. Die ver-
lassene Mago zeigt bei näherem Zuschauen die Züge Gladstone's, wäh-
rend Disraeli, in Gestalt eines Tnrteltäubchens von einem Baum
herab die Scene übersieht und sich des neugeschloffencn Liebesbünd-
nisses freut.
Die „Times" ist der Ansicht, daß man die ganze Geschichte der
übereilten Dienstwilligkcit eines oder mehrerer sogenannten Arbeiter-
vertreter verdanke. Es sei geradezu abgeschmackt, von einer politischen
Allianz, von einer Verschwörung der Conservativen zum Sturze der
Regierung zu sprechen. Eins sollte der Politiker aus dieser „neuen
socialen Bewegung" lernen, daß nämlich beim Kokettiren mit Leuten,
wie diese sogenannten Arbeitervertreter, die größte Vorsicht vonnöthen
sei. Die Beziehungen zwischen hervorragenden Parlamentsmitaliedern
einerseits und den verschiedenen Vereinen, Liguas und Brüderschaften,
von denen das Land augenblicklich überlaufen ist, anderseits, könnten
nicht zu offen gehalten werden. Es sei nicht in der Ordnung, die
Interessen einer Classe in geheimem Concläve und durch confidentielle
Unterhandlungen zu berathen, sondern die beiden Parlamentshäus-r,
die Plattform der öffentlichen Meetings, oder die Spalten der Presse
seien das einzig passende Feld, auf welchem beide Parteien ihre
Meinungen veröffentlichen und die Ansichtm anderer Classen kennen
lernen sollten.
Vor einem der hauptstädtischen Polizeigerichte ist ein Schwindel
aufgedeckt worden, welcher sich des Namens der Kaiserin Eugenie
bediente, um mildthätigen Personen Geld aus der Tasche zu locken.
Ein 16jähriger Bursche hatte etwa 40 Bettelbriefe an Persönlichkeiten
geschickt, deren Mildthätigkeit bekannt ist. Angeblich kamen diese Briese
von einer Dame im Gefolge der Kaiserin, welche letztere in großer
Noth sei, bis erwartete Geldsendungen aus Frankreich einträfen. Die
Briese sind sehr geschickt gemacht und enthalten hie und da eine
unenglische Wendung, welche auf eine französische Briefstellerin schließen
ließen. Folgende Stelle ans denselben ist charakteristisch: „Entschuldigen
Sie mich, Madame, daß ich unter einem falschen Namen schreibe, aber
mein eigener muß geheim gehalten werden, und ich ersuche Sie im
Namen 'der heiligen Jungfrau, als das tiefste Geheinmiß zu bewahren,
denn meine hohe Gebieterin hütet ihren Kummet eifersüchtig
vor den Augen der Welt, und würde mir nimmer vergeben,
wenn sie wüßte, was ich zu schreiben wage. Alles soll richtig wieder-
gezahlt werden, sobald die Sendungen aus Frankreich eintreffen." Graf
Davailler, Adjutant des Kaisers, sagte, weder die kaiserliche Familie
noch irgend lemcmd aus dem Gefolge misse etwas von jenen Bettel-
briefen. ' Der Angeklagte gab vor, von einer unbekannten Dame zum
Copiren von 40 dieser Briefe engagirt worden zu sein und mit dem
Schwindelversuch nichts zu thun zu haben: da er aber abgefaßt wurde,
als er gerade einen Brief, welcher 10 Schilling „zur Unterstützung für
die Kaiserin" enthielt, beim Schein einer Straßenlaterne aufbrach und
da kein Beweis vorlag, daß er Mitschuldige habe, wurde er zu 3 Mo-
naten Zuchthaus verurtheilt.
Im Manrion-Honse findet heute unter dem Borsitz des Lord
Mayors eine Versammlung statt, um sofortige Maßregeln zur Milde-
rung der Hungersnoth in Persien in Angriff zu nehmen.
F r a u f t t i ch.
* Paris, 25. Oct. Die Versailler Nachrichten über den Ausfall
der Präsidentenwahlen in den Generalräthen sind noch recht dürftig.
Man erfährt nur, daß die Mehrzahl der Gewählten der Regierung
mehr oder weniger freundlich gesinnt ist; doch scheinen die Bonapar-
tisten und die Radicalcn auch nicht schwach vertreten zu sein; die
letzteren sollen in 15 von 87 Departements Männer ihrer Farbe
durchgesetzt haben.
Bedenkliche Straßendemonstrativnen scheint Prinz Plonplon in
Ajaccio nicht veranlaßt zu haben; im Schooße des corsischen General-
raths ging es indeß gar lebhaft zu. Die Bonapartisten, die mit den Wahl-
resultaten in Corsica keine Ursache hatten, besonders zufrieden zu sein,
erklärten dies damit, daß die Anwesenheit der Flotte und die Ver-
stärkung der Truppen die Wähler in der freien Ausübung ihres Rechts
behindert hätten. Ein in dieser Beziehung von ihnen formulirter Pro-
test erhielt ledoch nicht die Stimmenmehrheit. Nachdem ihnen das mißglückt,
scheinen einige Mitglieder der Partei nicht übel Luft gehabt zu haben,
Volksdemonstrationen zu provociren, was ihnen indeß auch nicht gelun-
gen sein soll. Möglich freilich, daß die RsgierungstelegraNime nicht
die ganze Wahrheit sagen. Prinz Napoleon war in der Sitzung nicht
anwesend. Die Nachricht, daß er die Insel bereits verlassen und sich
nach einem italienischen Hasen eingeschifft, hat bis jetzt keine Bestäti-
Zum Streit der Königinnen zu Dresden.
ii.
W. L. Wie kommt es, daß der Dresdener Streit ein Interesse
gefunden hat, das weit über die eigentlich kunstverständigen Kreise
hinausreichte'? Man mag von den leidenschaftlichen Discumonen, die
täglich vor den beiden Bildern stattfanden und Jeden, der damals in
Elb-Athen verweilte, bis auf die Straße und ins Hotel verfolgten, ab-
ziehen, was der Mode, der bloßen Neugier und dem Bedürfniß des
Autoritätsglaubens angehört, so bleibt immer noch so viel zurück, daß
man die Streitfrage eine eigentlich populäre nennen darf. Ganz be-
greiflich. Nicht bloß galt es ein Bild, das von hervorragendem Ruf,
das allgekannt und verehrt und allen Beschauern unvergeßlich war.
Sondern der Streit eröffnete auch den weitesten Kreisen eine Einsicht
in die Methode der wissenschaftlichen Kritik. Das Element der Kritik
ist der Vergleich, und nun ermöglichte die Zusammenstellung der beiden
Streitbilder in Verbindung mit der allgemeinen Holbeinausstellung auch dem
gebildeten Laien, den Urtheilen der Kunstverständigen in ihren Raisonne-
ments zu folgen, ja selbständig an denselben theilzunehmen, mindestens die
hin und wieder ins Feld geführten Gründe durchzudenken. Es war ein
öffentlicher Gerichtshof etäblirt. Das moderne Princip der Oeffentlich-
keit, dem mehr als eine Zunftweisheit sich hat bequemen müssen, sah
sich plötzlich ein neues Feld geöffnet. Für Manche war die Methode
des wissenschaftlichen Streits etwas Neues, und Manchen mag sie um
ihrer selbst willen das Interessanteste gewesen sein. Die chelehrteu
selbst konnten sich nicht genug beeilen, an die Oeffentlichkeit sich zu
wenden und fast in tnmultuarischer Weise nahmen sie die Tagespresse in
Beschlag. Ja, durch den Anschlag des Professor Fechner und das aufgelegte
Einschreibebuch sah sich in Dresden auch der Laie geradezu aufgefor-
dert, nach bestem Gewissen seinen Wahrspruch abzugeben. Dieses Ein-
schreibebuch, das sich mit poetischen und prosaischen Urtheilen füllte
und das nach der Intention seines Urhebers dem Pensionsfräulein
" t m dieselbe Stimme zutheilte, wie dem berühmtesten Akademiemitglied —
•1 man sieht, wie vorherrschend die Idee des allgemeinen Stimmrechts
^ um sich greift! — hat unzweifelhaft seine heitere Seite gehabt; doch
völlig unberechtigt war der Gedanke nicht zu nennen. So wenig auf
diesem Weg für das wissenschaftliche Urtheil etwas Brauchbares
gewonnen werden konnte, so bestand doch das Eigenthümliche der
Streitfrage darin, daß, wie bald zu sehen war, diejenigen Instanzen,
welche vorzugsweise die Domäne der Gelehrten und im engeren
Sinne Sachverständigen sind, zur Entscheidung schlechterdings nicht
ausreichten. So sind zunächst die äußeren Zeugnisse, welche bis jetzt
beigebracht werden konnten, nach beiden Seiten lückenhaft und jeden-
falls nach keiner Seite beweisend. Wenn man dann die Originalskizzen,
welche von Holbein's Hand zu den Köpfen der Familie Meyer noch
vorhanden sind, zum Vergleich herbeizog, so ließen sich auch darauf
keine durchschlagenden Resultate gründen; wenigstens sind sie von den
entgegengesetzten Meinungen für sich verwerthet worden. Und wenn
man ferner die Technik der beiden Bilder, Pinselführung und Farben-
auftrag, die Wahl der Farben, die nachträglich vorgenommenen Cor-
recturen in Vergleich gesetzt hat, so kam man auch damit nicht ins
Reine, wenigstens nicht zur Uebereinstimmung. Denn gerade aus diesen
Elementen holten sich die Sachverständigen der einen wie der anderen
Seite die Mittel der Beweisführung. Gerade aus der Technik des
Dresdener Bildes bewiesen die Einen seine Echtheit, die andere seine
Unechtheit. So lag denn das, was auf beiden Seiten das Urtheil be-
stimmte, auf einem anderen und allgemeineren Gebiet.
Jedem Beschauer fiel sofort ein durchgreifender Unterschied beider
Bilder in ihrer Gesammthaltung in die Augen. Versuchte er sich von
diesem allgemeinen Eindruck genauere Rechenschaft zu geben, so stieß er
auf erhebliche Abweichungen der Composition, bei welchen zunächst bald
das eine Bild, bald das andere gegen seine Rivalen in Vortheil zu
kommen schien. Je genauer indeß "die einzelnen Abweichungen verfolgt
wurden, um so durchgreifender erschienen die Veränderungen, welche
bei der Wiederholung des Werkes vorgenommen worden waren. Wie
das ältere Bild in sich eine geschlossene Einheit darstellte, so auch das
andere, es waren gleichsam zwei Individualitäten. Und die Aufgabe
war eS nun, in die Motive jener Veränderungen einzudringen, welche
der Urheber des zweiten Bildes — war es nun Holbein selbst oder ein
anderer — ans demselben anbrachte. Gelang es, sich über diese Motive
!u verständigen, so mußte auch eine Verständigung über die Urheber-
chaft sich erzielen lassen. Unstreitig lag hier zuletzt für alle Beurtheilet'
>as eigentlich Bestimmende, nnd von hier aus suchten fie/fotrfff die
übrigen Momente der Kritik in den Dienst ihrer Ansicht zu ziehen^ Und
bei diesem Stand der Dinge schien in der That der eigentlich „Sachver-
ständige", zumal der ausübende Künstler, wenig vor einem ästhetisch gebil-
deten, durch die Anschauung von Kunstwerken geübten Auge voraus
zu haben. Wirklich hat es — beiläufig bemerkt — nicht viel auf sich,
wenn die Dresdener sich darauf HHrfen, daß vorzugsweise die Künstler
— die noch dazu meist der interessicten Stadt selbst angehören — sich
der Authenticität des Dresdener Bildes annehmen. Die Kritik wird
doch nicht mit dem Pinsel erlMt. Es kann Einer ein vorzüglicher
Prediger sein und doch geringen Beruf dazu haben, über die Echtheit
einer neutestamentlichen Schrift ein Urtheil zu fällen.
Man wird nun den seltsamen Umstand begreifen, daß mit der
Echtheitsfrage stets die Schönheitsfrage zugleich ins Spiel kam. An
sich war dies natürlich ein Unfug, ein unberechtigter Excurs, der nichts
zur Entscheidung des eigentlichen Streites beitrug. Denn die Frage
war nicht: welches ist das schönere Bild, sondern wie steht es mit der
Echtheit? Gesetzt, das eine Bild ist das schönere, so folgt daraus
unmittelbar noch nichts für seinen Ursprung vonHolbein's Hand. Und
Professor Fechner dehnte seinen Appell an das snffrage universsl offenbar
gar zu weit aus, wenn er dem beschauenden Dilettanten nicht blos die Frage
vorlegte, wie sie über die Aechtheit der Bilder denken, sondern welches ihnen
am besten gefalle und welches sie amlicbsten mihrerStnbe hängen sähen. Allein
der Einfall des Leipziger Professors, der bekanntlich damit beschäftigt ist,
mit vielem Fleiße eine neue allgemeine Schönheitstheorie aus dem
suffrage imiversel der Menschheit aufzubauen, ist wenigstens begreiflich.
Denn da die Frage zuletzt in dem Urtheil über die Veränderungen der
Composition gipfelt, drängt sich ganz unvermeidlich das Urtheil über
den Schönheitsgehalt beider Bilder dazwischen, man saun daher dieserQuer-
frage gar nicht ausweichen. Ans diesem Moment schöpften mit Vor-
liebe die Dresdener ihre Gründe, oder besser, der Streit nahm von
Anfang an die Wendung, daß die Dresdener blos noch ans die Posi-
tion sich zurückziehen konnten: die Dresdenerin ist ungleich schöner, folg-
lich ist sie gleichfalls von Holbein.
Uno die Analyse dieses Urtheils der Dresdener ist das eigentlich
Entscheidende.
Sehen wir zu, wie sie es begründen. Daß die Dresdener Madonna
das secundäre Werk ist, lehrt unwidersprochen der erste Augenschein.
Niemand zieht in Abrede, daß sie das jüngere Bild ist, nach und aus
dem anderen entstanden. Auch wenn man in Abzug bringt, daß das
Darmstädter Bild von eineni schweren Firniß bedeckt ist, der ihm ein
alterthümliches Gepräge giebt, während das andere mit seinen
frischen röthlichen Tönen vor kurzem erst aus dem Atelier gekommen
zu sein scheint, kann immerhin kein Zweifel an der Originalität un
Priorität des ersteren aufkommen. Man wird am lebhaftesten von
diesem Eindruck erfüllt, wenn man die Köpfe der Familie Meyer ver-
gleicht, die ans dem Darmstädter Bild voll energischer Leben:Wahrheit
sind, die liebevollste Ausführung zeigen und von einem unendlich
geistigeren Ausdrtlck beseelt sind als auf dem Schwesterbild. Dort
zeigen sich unverkennbar alle Vorzüge der Holbein'schen Porträtmalern.
Franz Kugler sagte in seiner Kunstgeschichte von dem Dresdner Bild,
es sei „zunächst nur auf die Bildnisse berechnet". Heute würde das
Urtheil gerade umgekehrt lauten. Von dem Darmstädter Exemplar
kann man sagen, es sei „zunächst nur auf die Bildnisse berechnet".
Aber eben die Consrontation mit diesem zeigt, daß die Gesichter des
Dresdener Bildes matte, unselbständige Copieu sind, wie sie ein nachbil-
dender Künstler hinschreibt, der die Originale nicht kennt und kein Interesse
mehr für sie besitzt. Auch die Anwälte der Dresdnerin ziehen dies nicht m
Abrede und geben zu, daß vielleicht Schüler bei diesen Theilen beschäftigt ge-
wesen seien. Sodann zeigt sich in der Ausführung des Beiwerks,). B. an den
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
gutta erhalten (nach
wirklich abgereist.
einem Versailler Telegramm born 26. wäre er nun
Die Räumung der 6 Departements wird wahrscheinlich mit Ablauf
dieses Monats beendet sein.
Sehr ungehalten ist man über eine Notiz des Londoner „Globe"'
wonach verschiedene französische Generale bei verschiedenen Regiments-
commandeuren sich über die Stimmung der Soldaten resp. für Napo-
leon, Chambord und den Herzog v. Aumale erkundigt und zur Antwort
erhalten hätten, Napoleon habe noch immer die meisten Sympathien.
Die Regierungsblätter beeilen sich, die Geschichte für eine reine Erftn-
dung zu erklären, was sie auch wohl ist.
Eine Enthüllung älterer Art, die sich nicht auf den deutsch-fran-
zösischen Krieg bezieht, offerirt heute der „Courrier diplomatique". Auf
d e Autorität eines alten Diplomaten erzählt das Blatt, Lord Russell
habe 1864 dem Kaiser Napoleon förmlich eine Defensiv- und Offensiv-
allian zzum Schutz Dänemarks hin gegen die deutschen Mächte vorgeschagen;
Napoleon habe dieselbe nach dreitägigem Bedenken angenommen, Lord
Russell indeß mit der Erklärung, daß es nun zu spät sei, seinen Vor-
schlag zurückgezogen, da das Ministerconseil nichts mehr davon wissen
wolle.
Thiers wohnte heute in seiner Eigenschaft als Mitglied der Aca-
demie fran^aise der Sitzung der vereinten fünf Academien des In-
stituts bei. Als er zu Fuß wieder fortging, soll er vom Pariser Publikum
sehr lebhaft acclamirt worden sein, was schon deshalb nicht zu ver-
wundern ist, als er ein entschiedener Gegner derjenigen Mitglieder der
Nationalversammlung ist, welche durch Fernhalten der Executive und
Legislative Paris durchaus des hauptstädtischen Charakters entkleidet
wissen möchten.
Die Empfehlung Gambetta's, man möge sich in den Generalräthen
streng innerhalb der Schranken der Gesetzlichkeit halten, scheint wenig
gefruchtet zu haben; die Radicalsten der Nadicalcn lieben es nicht,
wenn eine hervorragende Persönlichkeit aus den Reihen der Partei
hervortritt, um auf eigene Faust demokratische Politik zu treiben, und
in den Berathungen und Gesprächen der Vorgeschrittenen kann man
bereits Gambetta, den Dictator von Tours und Bordeaux, sehr un-
gescheut als einen überwundenen Standpunkt und einen Mann kenn-
zeichnen hören, dem es an der nöthigen Entschiedenheit mangele und
von dem sich die Partei unmöglich dürfe ins Schlepptau nehmen lassen.
Gelegentlich des Abzuges der deutschen Truppen bemerkt der Cor-
respondent der „Morning Post": So weit ich in Erfahrung bringen
kann, und soweit meine persönliche Beobachtung reicht, haben die
deutschen Truppen sich durchaus lobenswert!) verhalten. Stille, nicht
aufdringlich, nüchtern, ja selbst traurig aussehend, saßen sie beisammen,
wenn sie keinen Dienst hatten, rauchten ihre Pfeife und tauschten meist
ihre Gedanken über die Heimath aus. Sie hatten Ordre, möglichst
wenig zu den Franzosen zu sprechen und sich an giftige Blicke und be-
leidigende Aeußerungen nicht zu kehren. Die Occupation führte zu
weniger Zusammenstößen als man hätte erwarten sollen, und ganz
sicher zu weniger als zu der Zeit, wo die Alliirten Frankreich in den
Tagen Napoleon I. besetzt hielten.
Bei dem Einzug der französischen Truppen in das von den Deut-
schen geräumte St. Quentin jammerte der Maire in einer Ansprache
dem Bataillonschef vor, daß noch sechs Departements von dem Feinde
occupirt seien, und der Angeredete tröstete den schluchzenden Chauvin
damit, daß mit der nöthigen Geduld und Eintracht zwischen Armee und
Volk eine glänzende Revanche ganz sicher nicht ausbleiben könne. Immer
die alten Albernheiten.
Ob Hr. Drouyn de Lhuys wirklich einen kleinen diplomatischen
Feldzug gegen den armen Benedetti eröffnen wird, steht doch noch dahin.
Bei seiner notorischen Antipathie gegen Preußen resp. Deutschland
würde er an Benedetti's Stelle dem Kaiser vermuthlich noch schlimmere
Rathschläge gegeben haben. Thatsache ist, daß er unmittelbar nach
Sadowa ein Observationscorps an den Rhein gesendet wissen wollte,
obgleich man damals in Folge des mexikanischen Krieges nur über
125,000 Mann Soldaten verfügen konnte. Im Ministerrath, der die-
serhalb stattfand, wäre er damit auch durchgebrvngen, aber Rouher, der
nach demselben eine längere Unterredung mit dem Kaiser hatte, brachte
diesen von dem Entschluß ab. Von allen Leuten, die den Kaiser um-
gaben, war Rouher derjenige, der bis zuletzt von einem Kriege gegen
Deutschland abrieth.
Im Hafen von Ajaccio liegen dermalen die Panzerschiff«- „cw«,,«,
„Armide" und „Jeanne d'Arc" nebst einem Avisodampfer. Nöthigcn-
falls können rasch noch weitere Schiffe zur Hand sein.
Nächstens muß nun Thiers die große Ceremonie der Bekleidung
mit dem Orden des goldenen Vließes an sich ausüben lassen. Der
Herzog von Ossuna und der Fürst von Ligne, ältere Ritter, sind bereits
unterwegs, um den neuesten Jason in ihre Mitte aufzunehmen.
Polizeipräfect Valentin, der von den Rückerinnerungen der bona-
partistischen Blätter an seine frühere edle Liebedienerei gegen den
Kaiser sehr unangenehm berührt worden ist, sucht diese lästigen Gesellen
Stickereien Im Anzug des knienden Mädchens zwar eine peinliche Sorgfalt
und Genauigkeit des Copisten, aber es ist die Sorgfalt der nachfahrenden
Schülerhand, diese Dinge sind dem Gemälde, nicht der Natur nach-
gebildet und bei aller Gewissenhaftigkeit erscheinen sie doch flüchtig und
zrob. Je mehr man diese Details vergleicht, um so mehr bestätigt
nch der erste Eindruck, daß hier das frische, selbständige, auf Natur-
'tudium beruhende Kunstwerk, dort die unselbständige Wiederholung vor
unserem Auge steht.
Aber nun trennen sich die Wege. Bis dahin gingen zum Theil
auch die Vertheidiger der Dresdenerin mit. Nun erst, nach Aufgabe
der unhaltbaren Außenpositionen, pflanzen sie ihr schweres Vertheidi-
gungsgeschütz auf. Gerade diese flüchtigere Behandlung der Familienköpse
wie alles Detailwerks, so sagen sie, beweist, daß es Holdem bei der
Wiederholung des Bildes um etwas ganz anderes zu thun war. Hatte
er im Auftrag des ihm befreundeten Bürgermeisters von Basel ein
Votivbild gemalt, das zugleich wesentlich Familienbild sein sollte, so
stellte sich nun in der Wiederholung dem Künstler eine ganz neue Auf-
gabe. Das ältere Bild wurde ihm zur bloßen Vorstudie, die er jetzt
m wesentlichen Stücken verbesserte, ja umschuf. Vor Allem änderte er
die gedrücktenVerhältniffe der ganzen Composition, er machte die Archi-
tektur, welche der Gruppe zum Hintergründe dient, schlanker und höher
und ließ sie weiter zurücktreten, so daß die Figuren ftnwr, wie von
einem Banne gelöst, sich herausstellen. Es ist als ob die einzelnen
Personen ordentlich aufathmeten, so zumal der Bürgermeister selbst,
der auf dem älteren Bilde kaum Platz zum Niederknien findet und
wenn er sich erhöbe, unbarmherzig den Kopf an den vortretenden Kl!auf
der Nische stoße. Ein leichterer Rhytmus belebt die ganze Gruppirung,
und endlich zeigt sich der vollendete Künstler in dem Kopf der Maria,
den er etwas kleiner genommen, sanfter geneigt, feiner geschnitten und
mit demReiz holdseligster Anmuth ausgestattet hat. So hat er sein eige-
nes Bild überall ins Ideale gearbeitet, aus dem Irdischen erhob er es
ins Ueberirdische. MitVerzicht auf die Naturwahrheit des älteren Bildes
schuf er es in ein Werk um, das in den Verhältnissen, in dem harmoni-
schen Aufbau der Gestalten und in dem Ausdruck der Hauptfigur
weit überlegen ist. Nicht mehr die Familie Meyer ist die Hauptsache,
sondern die Erscheinung der Himmelskönigin. Kurz, das zweite Bild
ist wesentlich eine Verbesserung, genauer Jdealisirung des ersten, und
— nur Holbein selbst hat diese Veränderungen vornehmen können.
Oder, so wird zuletzt triumphirend den Zweiflern zugerufen, so nennt
doch den Copisten, der sein Vorbild in allen Theilen verbesserte, nennt
den Unbekannten, der größer war, als Hans Holbein selbst.
Diese Argumentation klingt zuversichtlich genug. Doch bei näherer
Prüfung sind ihre Blößen augenscheinlich. Davon nicht zu reden, daß
es die Hauptfrage doch umgehen heißt, wenn man den Streit auf ein
fremdes Gebiet zieht und an die Stelle der Echtheitsfrage die Schöu-
heitsfrage schiebt oder wenigstens jene einseitig durch diese entscheiden
will. Aber wie, wenn nun das einzige Refugium der Dresdener, die
Behauptung, daß ihre Madonna die schönere sei, selbst wieder bestritten
wird?
Und so ist es in der That. Wenigstens erleidet das Mehr von
Schönheit, welches die Dresdener Madonna voraus hat, noch eine erheb-
liche Einschränkung. Unstreitig hat ihr Kopf einen feineren, lieblicheren
Ausdruck, als ihre Darmstädter Schwester. Aber nun ist entdeckt und
von allen Seiten zugestanden worden, daß der Kopf der Darmstädter
Madonna Spuren starker Uebermalung zeige, daß somit deren Gesichts-
jetzi dadurch zu versöhnen, daß er eiscigst auf alle Carrieaturen der
Familie Bonaparte fahnde ° läßt.
Da, wie bekannt, innere der für die kaiserliche Politik compro-
mittirenden Papiere auf di Villa des Hrn. Rouher in Cer;ay gesun-
den worden sind, so wolle ihn einige besonders enragirte Antibona-
partisten dafür zur Verantortung gezogen wissen; er hätte sie in den
Tuilerien lassen sollen.
Graf Arnim dinirte eser Tage beim Präsidenten der Republik
und wird überhaupt, wie mt der „K. Z." schreibt, mit vieler Aufmerk-
samkeit behandelt. Darausaber den Schluß ziehen, wie dies hiesige
Blätter gethan haben, daß r bereits mit dem Finanzminister in Unter-
handlungen bezüglich der Zhlung der fünften Halbnulliarde eingetreten
sei, die Pouyer-Quertier iidpCt. Renten auf den Staat zum Course
von 95 angeboten habe, hßt schlechterdings etwas voreilig zu Werke
gehen. Für den Augenblic hat der französische Finanzminister noch
kein Interesse auf Operation zu sinnen, welche über den 1. Mai 1872
hinausgehen, da die bis zu esem Datum übernommenen Vervflichtungen
seine Aufmerksamkeit vollas in Anspruch zu nehmen _ geeignet sind.
Was gar den angegebenen Zahlungsmodus anbetrifft, so ist selbstver-
ständlich, daß unter erlistn Leuten davon keinen Moment die Rede
sein konnte.
Als Probe französische Statistik diene, daß Neu-Breisach, aus
welcher Stadt laut dem „irogres de Lyon" mehr denn 14,000 Ein-
wohner eine Adresse an Ttxrs wegen Versetzung des Obersten Rohan
in Anklagestand gerichtet hbett sollen, nach der Zählung von Ende
1861 nur 3456 Einwohner >atte.
Aus der Broschüre desGeneral Palikao sei noch das nachstehende
Fragment wiedergegeben, * L
Vo-marsch gegen Norden
Metz, schreibt der General den einige ....
kühn zu tadeln versucht hakn, war es weit weniger, als das Unter-
nehmen der 2. preußischen lrmee (Prinz Friedrich Karl und General
Steinmetz) vor Sadowa du 26. Juni 1866, als sie gegenüber der
österreichischen Armee, die in Besitz der Festungen Königsgrätz und
Josephstadt und an die Elb gelehnt war, durch die schlesischen Defileen
debouchirten. Dort war alls den Preußen entgegen, hier uns alles
günstig, da die Passagen de Maas bei Verdun und Charny uns ge-
hörten. Dieselben Schriftstller haben auch den Flankenmarsch der
Armee von Chalons als Agesichts des Feindes gefährlich getadelt.
Aber häufig sind solche Masche ganz correct, vorausgesetzt nur, daß
sie mit der nöthigen Schneligkeit und Vorsicht ausgeführt werden.
Um nicht zu weit in der G schichte zurückzugehen, erinnere ich daran,
daß Friedrich, dieser groß Feldherr, 1760 von seinem Lager bei
Reichenbach aufbrechend, de preußische Armee durch einen raschen
Flankenmarsch vorgehen ließ um den Oesterreichern eine Schlacht zu
liefern und sich Torgaus zl bemächtigen. Gleichfalls durch einen
Flankenmarsch vor der russichen Armee führte Friedrich's berühmtester
General Seidlitz seine Trupien in die rechte Flanke der Russen bei
Zorndorf und warf sie mit finer Cavallerie nieder. Von den Flanken-
märschen Napoleon's I. im Feldzug von 1814 gar nicht zu reden,
citire ich nur noch ein Beispiel, das mit dem 1870 Geschehenen eine
gewisse Analogie hat. In Jahre 1712 sah Frankreich, von den
Siegen des Prinzen Eugen und der Coalition gedrückt, dem Feinde
den Weg in seine Hauptstad: geöffnet. Seine letzte Armee, die des
Marschalls Villars, war cntmuthigt; um das Königreich zu retten,
mußte ein großer Schlag aechan werden. Das Genie dieses großen
Feldherrn combinirte den kühnsten und zugleich kräftigsten Schlag, der
überhaupt versucht werden konnte. Er nahm Denain und die Linien
von Marchiennes durch einen nächtlichen Flankenmarsch in geringer
Entfernung von der Armee des Prinzen Eugen, ja fast unt r seinen
Augen. Ueber diese Operation äußerte der Marschall von Sachsen,
der damals noch sehr jung als Adjutant des Prinzen Eugen zugegen
war: In der Affaire von Denain wäre Marschall Villars verloren
geivesen, wenn der Prinz Eugen gegen ihn vorgegangen wäre, als
er die Schelde durch einen Flankenmarsch passirte. Aber dieser
Flankenmarsch, der so gewagt schien, rettete Frankreich und
die Monarchie Ludwig's XIV. Mit Donain verloren die Alliirten
alle ihre Magazine, sie mußten die Belagerung der benachbarten
Städte ausgeben und aus den Besatzungen derselben vervollständigte
Villars sein Heer. Jedermann weiß, daß der , arößte Fehler-
o« w.,f-..0 v.ä O-tto-r,» Q»' iuiu ui ver zu großen Zerstreuung
der französischen Streitkräfte ftegcn die deutschen bestand. Man musste
also das entgegengesetzte System adoptireu, und da wir einen drei Mal
so starken Feind uns gegenüber hatten, so mußten wir auf einem ein-
zigen Punkt eine compacte Masse zusammen bringen, die isolirt und
ohne Nachtheil der Zahl gegen jede feindliche Armee kämpfen
konnte. Dazu gab es nur ein Mittel, die Verein-gung der
Armeen von Chalons und Metz, und um diese zu bewirken,
mußte der Feind durch rasche Märsche getäuscht werden. Das
hatte denn auch in diesem Fall stattgefunden. Durch eine mit
ausdruck nicht der ursprüngliche, von Holbein's Hand herrührende 'sei.
Darauf wird dann die unverwerfliche Vermuthung gegründet, der
Meister des Dresdener Bildes habe noch das unverfälschte Original
vor sich gehabt, die noch nicht übermalte Madonna copirt und gebe
somit eine richtigere Anschauung des ursprünglichen Kopfes aus der
Hand Holbein's als das jetzt übermalte Original. Dabei kann aber
ferner nicht verschwiegen werden, daß man gerade in der Anmuth der
Dresdener Madonna einen bedenklich modernen Zug finden will, der
bereits auf andere Kunsteinflüsfe deute, und vor allem bleibt die Frage
unbeantwortet: wie konnte Holbein selbst, wenn er sein erstes Bild
verbessern und idealisiren wollte, im Kopf des Jesuskindes, der doch
unstreitig verunglückt ist, so weit unter seiner Aufgabe bleiben?
So schränkt sich denn der Vorzug des Dresdener Bildes in Wirk
lichkeit auf die schlankere Architectur und auf die besseren Verhält-
nisse ein. Wir legen kein Gewicht darauf, daß Uebereifrige auch diese
Verbesserungen für sehr zweifelhaft halten wollen; jeder Unbefangene
wird in ihnen wirkliche Verbesserungen der Composition erkennen. Aber
man sieht, auf welche schmale Linie zuletzt die ganze Streitfrage zurück
gedrängt ist. Es handelt sich zuletzt darum, ob nicht diese Verbesserun
gen, welche übrig bleiben, auch ein begabter Copist ersinnen konnte, der
für Raumverhältnisse besonders empfindlich war, mit Vorliebe dem
Eleganten zustrebte und vielleicht an italienischen Vorbildern seinen
Geschmack gebildet hatte. Und wie will man im Ernst diese Möglichkeit
bestreiten? Wenigstens wird man niemals beweisen können, daß zu
diesen Verbesserungen die Hand Holbein's selbst nothwendig gewesen
sei, wenn doch in allem Uebrigen die beiden Bilder zugestandenermaßen
durchgreifende Verschiedenheiten zeigen, welche entschieden das eine Bild
zum Original, das andere zur ^opie machen.
In diesem Stadium befindet sich der Streit. Möglich, daß im
Laufe der Zeit noch weitere positive Momente aufgefunden werden,
welche ihm ein- für allemal ein Ende machen. Bis dahin wird eine
umsichtige Kritik das Urtheil fällen, daß die Aechtheit der Dresdener
Madonna zwar nicht schlechterdings in Abrede gestellt werden kann,
aber überaus unwahrscheinlich ist. Es gereicht der Wissenschaft nicht
zur Unehre, wenn sie in einem bestimmten Stadium irgend einer Streit-
frage sich mit einem solchen Spruche begnügt und damit zu weiterer
Forschung verstärkten Anreiz giebt. Aber die Sache steht allerdings so,
daß die Vertheidiger der Aechtheit die Beweise für ihre Ansicht beizu-
bringen haben, um die gewichtigen Gründe zu entkräften, welche gegen
die Identität der Autorschaft beider Bilder sprechen. Sind diese Gründe
nicht beizubringen, und tritt, was bisher als Hans Holbein's Hauptwerk
gefeiert ward, wirklich in den bescheidenen Rang einer „freien Copie"
zurück, so kann doch zum Glück Holbein's Name diesen Verlust ver-
schmerzen. Die nun geschlossene Ausstellung seiner Werke, zu welcher
neben anderen Besitzern insbesondere die britische Königin die werth-
vollsten Beiträge eingesandt hatte, gab zwar kein lückenloses Bild von
der Thätigkeit des schwäbischen Meisters, dessen bedeutendste Schöpfungen
ohnedies verloren sind, aber sic wies doch zumal einen Reichthum von
Portraits auf, die Holbein zu einem Meister ersten Ranges machen,
ebenbürtig jedem Niederländer odU Venetianer. Und auch die Dresdener
mögen sich in ihrem Schmerze Men. Bleibt doch ihr Museum das
reichste in Deutschland, und bleibt ihnen die unvergleichliche Perle dieser
Gallerte, Rafaels sixtinische MadpKNa — und sie können beruhigt sein,
daß kein vorberechtigtes Original irgendwo auferstehen wird, um diese
Gewaltige von ihrem Throne zu stoßen.
WUüsf,
k
4t. V. i
feem Marschall Mac Mahon verabredete Depesche irre geführt, hatte
der Kronprinz von Preußen seinen Marsch bis Vitry le Framcns
fortgesetzt. Dort, also 25 Lieues von Verdun, befand er sich noch am
26. Morgens. Wie sehr er sich auch beeilen mochte, unmöglich konnte
er am 27. oder auch nur am 28. jenseits der Maas auf der Höhe von
Verdun sein. Cs bedurfte dreier starken Tagemärsche, wenn man den
96 Kilometern directer Distanz zwischen beiden Städten noch d:e
Terrainschwierigkeiten hinzufügt. Die Schlacht, die spätestens am 26.
unvermeidlich war, konnte also nur zwischen den 135,000 oder wer n
man einen Verlust von 15,000 Mann unterwegs annimmt, 120,000
Mann des Marschall Mac Mahon und der Armee des Prinzen von
Sachsen, die höchstens 70,000 Mann zählte, stattfinden; sie mußte
zwischen Verdun und Etain in der Richtung von Brich vor sich gehen.
Hier bieten sich zwei Hypothesen. Entweder versuchte die preußische
Armee vor Metz die des Prinzen von Sachsen zu unterstützen. Dann
hatte sie die Armee Bazaines an ihren Fersen, die in den Kämpft n
am 14., 16. und 18. August sich allein gegen die vereinigten Armeen
der Preußen und Sachsen gehalten hatte. Die Position dieser beiden
deutschen Armeen zwischen den zwei französischen wurde dann sehr
kritisch und eine von den ersteren verlorene Schlacht ohne gesicherte
Rückzugslinie hätte den Stand der Dinge total geändert. Oder aber,
die Armee des Prinzen Friedrich Karl fuhr fort, lediglich die Armee
von Metz zu beobachten, dann hätte die sächsische Armee sehr wahr-
'cheinlich eine Niederlage erlitten, die sie auf die von Metz zurückwarf
und diese hätten sich zurückziehen müssen. Die Verbindung unserer
Armeen war damit erfolgt. Indem ich die Details des Marsches auf
Metz darlege, wie ich sie dem Ministerrath unterbreitete, bin ich fern
davon, die von dem Marschall Mae Mahon in anderer Weise versuchte
Operation eoutroliren zu ivollen. Im Gegentheil glaube ich, daß sie
durch die Defileen im Norden vollständig gelingen konnte und ich werde
durch die Aeußerung eines sächsischen Obersten bestärkt, der am 6.
September in Sedan selbst einem meiner Freunde gestanden, die
sächsische Armee habe sich einen Augenblick umgangen geglaubt.
Noch inehr tverden die Kritiker sich wundern, wenn ich ihnen
sage, daß der ^sächsische Prinz sich in demselben Sinne gegen
einen der ehrenwerthesten Generale ausgelassen hat, von denen
ich direct diese Thatsachen erfahren. Die Ursachen zu untersuchen,
welche dazu beigetragen haben, den von dem hochverehrten Marschall
conciptrten und ins Werk gesetzten Plan zum Scheitern zu bringen,
kommt mir nicht zu."
A m c r i k a.
* Newyork, 24. Oct. Die Bundesgesetze gegen die Polygamie
werden in Utah auf das Strengste gehandhabt und mehrere weitere
Verhaftungen haben stattgefunden. — Der Finanzminister Boutwell
hat die Ausgabe neuer Registrationspapiere für den Schuner „Horton",
an Stelle derer, die von den canadischen Behörden confiscirt worden
sind, verweigert, und ferner seine Entscheidung dahin abgegeben, daß
das Fahrzeug in Gloucester bleiben muß, bis die canadischen Behörden
irgend welche Schritte in der Angelegenheit gethan haben.
* Washington, 24. Oct. Auf einem heute stattgehabten Cabinets-
rath kam die Angelegenheit des Schuners „Horton" nicht zur Sprache.
Die Beschwerde, welche der amerikanische Gesandte in Hayti wegen
Neutralitätsbruchs in Sachen des Dampfers „Hörnet" erhoben hatte,
wurde gutgeheißen, doch wurde die Angelegenheit im friedlichen Sinne
beglichen.
Afrika.
* Der letzten südafrikanischen Post mit Daten aus Capstadt vom
20. September entnehmen ivir folgende Notizen: Lord Kimberley, der
englische Minister für die Colonie,' hat die Beamten der südafrikanischen
Colonialregierung wegen ihrer Opposition gegen die Politik der
britischen Reichsregierung entschieden getadelt. Der Gouverneur hat
dem Präsidenten des freien Staates mitgetheilt, da er nicht
geneigt scheine, die streitigen Grenzgebiete einer schiedsrichterlichen
Entscheidung zu unterbreiten, werde er, der Gouverneur, mit Bezug
auf dieses Gebiet sofortige Schritte thun, ohne auf die Regierung des
freien Staates weiter Rücksicht zu nehmen. In Victoriawest waren wie-
derum bedeutende Diamantenentdeckungen gemacht worden.
— Frankfurt, 26. October. Hermann Böget, Redacteur der
„Frankfurter Zeitung", ist der Majestätsbcleidigung angeklagt. In
Nr. 201 des genannten Blattes befand sich ein Artikel „Zur Dotation",
in welchem, ivie die Anklage behauptet, eine Reihe beleidigender und
verläumderischer Angriffe gegen den General v. Mantcuffct enthalten
sind. Den dem Artikel beigedruckten Brief will die Zeitung von einem
höheren preußischen Officier, dessen Namen zu nennen Herr Böget sich
weigert, erhalten haben. Der angebliche Brief, führte die Oberstaatsanwalt-
schaft aus, beschränke sich indeß nicht bloß auf eine Kritik des genann-
ten Generals, sondern ziehe auch die allerhöchste Person Sr. Maj. des
Kaisers und Königs in einer für denselben beleidigenden Weise in den
Kreis der Besprechung und Beurtheilung. Es lverde namentlich bchaupet,
daß der General v.Manteuffel die besondereLiebe des Monarchen nicht etwa
durch seine Fähigkeiten und Verdienste als Feldherr vder als Staatsmann,
sondern durch feine Eigenschaften alsHvsmann, durch Mitwissenschaft dcli-
caterHofgcheimiusfe, durch Liebenswürdigkeit und Berufen auf seine Fröm-
migkeit und gute Gesinnung und sein Verdienst um die Hohenzvllcr'sche
Dynastie erworben und ungeachtet des Widerspruchs der hervorragend-
sten Staatsmänner sich erhalten habe. Hernach werde unterstellt, daß
der König, welcher im Jahre 1866 den General Vogel v. Falckenstein
uud im Jahre 1870 den General v. Steinmetz nur deshalb entfernt
habe, um die Commandostelle seinem Günstling, dem General v. Man-
teuffel, zu übertragen, denselben nicht zufolge seiner Verdienste und
Fähigkeiten, sondern aus reiner Persönlicher Vorliebe, mithin Pflicht-
widrig, an die Spitze von Armeeabtheilungen gestellt habe rc.
Ferner, besagt die Anklage, wird in dem fraglichen Briefe behauptet,
Se. Maj. habe sich durch den Fürsten Bismarck und General v. Moltke
gewissermaßen dupiren lassen, als cr dem General v. Mantcuffel im
letzten Kriege eine Stelle als Oberbefehlshaber der Nordarmee und
dann der südlichen Armee verliehen habe. Nachdem General v. Man-
teuffel, wie auch die vorgesetzte Dienstbehörde, die Stellung eines Straf-
antrages gegen den Redacteur der „Frankfurter Zeitung" abgelehnt haben,
konnte sich die Anklage nur auf die Verfolgung der von ihr behaupteten
Majestätsbeleidigung beschränken. Herr Oberstaatsanwalt «schmieden be-
merkt in seiner Klagebegründung, der fragliche Artikel habe seiner Zeit
ern großes Aufsehen erregt, das durch die „Frankfurter Zeitung" selbst
veranlaßt und durch eine Reihe folgender Artikel geschürt worden sei,
einzig und allein in der Absicht, eine Manteuffelaffaire zu machen,
während doch der Artikel weiter nichts enthalte, als eine anonyme und
unwahre, sowie beleidigende Denunciation gegen einen hochgestellten und
verdienten General. Es sei einer derjenigen Fälle, wie sie in dieser
Zeitung mindestens in jeder Woche und in jedem Blatte gegen hochge-
stellte Männer zu finden seien. Es sei zu bedauern, daß Gen. v. Man-
teuffel keinen Strafantrag gestellt habe, weil dadurch die Möglichkeit
entzogen worden sei, bestimmt und klar die Unwahrheit der einzelnen
Behauptungen darzuthun. Dieses Bedauern werde vielleicht von der
„Frankfurter Zeitung" in noch höherem Maße getheilt, indem ihr da-
durch die Gelegenheit entzogen worden sei, diesen Anlaß zum Gegen-
stand eines öffentlichen Scandals zu machen. Was nt dem be-
treffenden Artikel gesagt sei, wäre Alles Zeitungsfabrikat, um für
sich Reclame zu machen. Die Geldstrafe, welche den Verfasser des
Artikels getroffen hätte, würde reichlich durch die Reclame für die
Zeitung ersetzt worden sein. Es scheine ihr, der Staatsanwaltschaft,
deßhalb ganz gerechtfertigt, daß General v. Mantcuffel den Straf-
antrag gegen den anonymen Denuncianten abgelehnt habe; er stehe in
^sr That zu hoch, um sich durch die gethanen Aeußerungen verletzt zu
fühlen. Hinsichtlich der Behauptung jedoch, daß dieser Artikel von
einem hochgestellten preußischen Officier herrühre, müsse er bemerken,
daß, wer einigermaßen die Verhältnisse zu beurtheilen verstände, nie-
mals glauben könne, daß dieser Schandbrief der „Franks. Zta." zur
Veröffentlichung zugeschickt worden sei; die ganze Form, in welcher der
Brief geschrieben, enthalte eine Beleidigung des gestimmten preußi-
schen Officiercorps, namentlich aber die Behauptung, Schmähungen,
wie die lucrimirten, seien der Zeitung von einem Officier, defsen
Tüchtigkeit im Kriege vielfach Anerkennnng gefunden, zugeschickt wor-
den. Er möchte wirklich das ganze Officiercorps mit aller Entschieden-
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
aus : Beilage zur Allgemeinen Leitung, Nr. 26
1873, Jan. 26, 2.396
f HanS Holbein I. ein geborner Augsburger.
* Die Frage, ob Hans Holbein d. I. wirklich in Augsburg geboren worden
sei, konnte bisher nicht mit vollkommener Bestimmtheit beantwortet werden. In
neuerer Zeit hat man diese Thatsache zu läugnen gesucht, indem man sich auf die !
SupMdes kaiserlichen Hofjuweliers Philipp Holbein berief, der zum Zweck der
Bestätigung und Aufbesserung des angeblichen Adels seiner Familie bei dem Kai-
ser Matthias eingekommen war. Er verschweigt darin gänzlich die Augsburgische
Abkunft der Holbein, und gibt seinem Großvater, eben unserm berühmten Maler,
einen Ambrosi zum Vater, der zu Basel in vornehmen Diensten und Aemtern ge-
standen habe. So offenbar auch die absichtliche Täuschung in der Bittschrift ist, |
so ist doch zugleich anzuerkennen daß die Augsburger Abkunft eben auch nicht strick (
zu erweisen war. Hans Holbein wird allerdings bei seiner Aufnahme in Basel \
Augustanus genannt, doch liegt hierin noch nicht ein zwingender Grund ihn zu
Augsburg das Licht der Welt erblicken zu lassen, da er ja später auch Basiliensis
genannt wird. Freilich überwogen die Gründe für die Reichsstadt am Lech in der
unverkennbarsten Weise. Das Verdienst die Sache nun völlig zu Gunsten Augsburgs
entschieden zu haben, gebührt Hrn. A. Horawitz, der aus einem Werke des Beatus
Mhenanus im letzten (4.) Heft des Jahrg. 1873 der Zeitschrift für bildende Kunst
S. 128 folgende Stelle mittheilte: „Unter die berühmtesten Maler Deutschlands
gehören Albrecht Dürer in Nürnberg, Johannes Baldung in Straßburg, Lucas
Cranach in Sachsen, Johannes Holbein — in Augsburg geboren, aber schon lange
Bürger in Basel — der unsern Erasmus im vergangenen Jahr zweimal aufs tref-
fendste malte, Bilder die später nach England geschickt wurden." Da mir nicht
vollständig deutlich war ob die zwischen die zwei Striche gesetzte Stelle wirklich im
Rhenanus vorkomme, oder ob sie bloß Zusatz des Hrn. Horawitz sei, so habe ich die '
Stelle im Originaltext selbst nachgesehen. Ich halte es nun für paffend dieselbe !
Hier mitzutheilen, einmal um jedem doch möglichen Zweifel zu begegnen, sodann !
um die Nachricht überhaupt zur Kenntniß eines größern Publicums zu bringen.
Apud Grermanos hodie sunt inter primos clari, Albertas Dureriu» apud No
timbergam, Argentorati Joannes Baldugnus, In Saxonibus Lueas Cronachius,
Apud Rauricos Joannes Holbeinus Augustae Vindelieorum quidem natue,
verum jamdiu Basiliensis civis, qui Erasmum nostrum Roterodamum anno
superiori in duabus tabulia bis pinxit felicissime, et cum muita gratia, quae
postea sunt in Brilanniam transmisaae. (Beatus Rhenanus Selezestadiensis, in
C. Plinium. Basileae apud Joannem Frobenium Mense Martio, Anno 1526.
pag. 29). Der Verfasser hat diese Worte wohl im Jahr 1525 geschrieben, indem
'vom vergangenen Jahr (annua superior) die Rede ist. Nun hatte aber Erasmus,
tvie man aus zwei Briefen (der eine vom 3 Juni, der andere vom 4 Sept. 1524)
ersieht, neulich (nuper) zwei seiner von einem „artiiiee satis elegaatiu gemalten
Bildnisse nach England geschickt. Daß Holbein dieser sehr geschmackvolle Künstler
Ivar, was übrigens auch ohnehin niemand bezweifelt harte, ist nun vollends erwie-
sen. Besonders ist aber auch die angefochtene Vaterschaft des Augsburger Malers
Hans Holbeins des Aeltern zu dem Jüngern, die schon aus andern Gründen
fast unzweifelhaft war, zur Getyißeit erhoben worden.' -Die Augsburger der
können jetzt, ganz ohne GewiWWsse den berühmten Male/ als ihr Stadtkind
ausgeben und ihm ein Denkmal errichten, wie es ja einmal früher in diesen Blät-
tern vorgeschlagen worden war.
München, 20Jan. WilhelmSchmidt. I