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HEINRICH 60HÜT2
sstellung kostbarer
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nütz-Autographe und Musikdrucke
Ir Universitätsbibliothek Kassel
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Impressum
Ausstellung vom
8. Juni bis 14. November 2010
Konzeption: £040 A ^
Hartmut Broszinski
Angelika Horstmann
Konrad Wiedemann
Redaktion:
Angelika Horstmann
Sibylle Rammler
Texte:
Angelika Horstmann
Clytus Gottwald [C.G.]
Fotos:
Dagmar Müller
Layout und Satz:
gestaltvoll.de, Nina Eisenlohr
Titelbild:
Kunstbesitz der Universität Leipzig,
Aufnahme: Marion Wenzel
Herausgeber:
Universitätsbibliothek Kassel
- Landesbibliothek und Murhardsche
Bibliothek der Stadt Kassel
Diagonale 10
34127 Kassel
2 568 179 7
ffoudUcfjLffa-t'
-Landesbibliothek
und Murhardsche Bibliothek J)
der Stadt Kassel
Universitaetsbibliothek
LMB Kassel
HEINRICH
1585-1672
Ausstellung kostbarer
Schütz-Autographe und Musikdrucke
der Universitätsbibliothek Kassel
Zum Geleit
Im Bestand der Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Mur-
hardsche Bibliothek der Stadt Kassel begründen neben den über 10 000
Handschriften insbesondere die Renaissance-Musikalien die herausragen-
de Bedeutung des historischen Erbes der Bibliothek. Besonders reich
ist der Bestand an Noten vom Beginn der Hofkapelle bis in die Mitte des
17. Jahrhunderts.
Von Landgraf Moritz wurde eine umfangreiche, qualitativ herausragende
Musikbibliothek auf der Höhe der damaligen Zeit angelegt. Die Regie-
rungszeit von Moritz, genannt der Gelehrte, der als Komponist und
Musiker besonders begabt war, gehört ohne Zweifel zur Glanzzeit des
Kasseler Musiklebens. Als Förderer der Musik ermöglichte er besonders
begabten Schülern des Collegiums Mauritianums Studienaufenthalte im
damaligen Weltzentrum der Musik, in Venedig.
In dieser Zeit gelangten zahlreiche Notenhandschriften und -drucke von
Venedig nach Kassel und bereicherten den Bestand der landgräflichen
Notenbibliothek. Sie befanden sich im Gepäck der Kasseler Venedig-Stipen-
diaten, allen voran Heinrich Schütz. Das erklärt, warum sich etwa 25 Kom-
positionen seines Lehrers Giovanni Gabrieli im Bestand der Handschriften-
abteilung der Landesbibliothek befinden. Außerdem überließ Heinrich
Schütz dem Kasseler Hof über 60 handschriftliche Eigenkompositionen,
die größtenteils nach seiner Zeit am Kasseler Hof entstanden.
Aus Anlass des 425. Geburtstags von Heinrich Schütz zeigt die Univer-
sitätsbibliothek einen Teil dieses Schatzes. Das Werk von Heinrich Schütz
wird in den musikhistorischen Zusammenhang gestellt. Vorläufer, Lehrer
und Zeitgenossen werden mit ihrem Schaffen im Zusammenhang mit
dem Kasseler Musikleben an einzelnen Kompositionen dargestellt.
Die Ausstellung verweist auch auf das enorme Potential, das die Kasseler
Handschriftenschätze weit über die Region hinaus haben. Täglich kom-
men Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, um
hier zu forschen. Mit der Ausstellung wird die einmalige Gelegenheit
geboten, die Handschriften und Drucke auch einem breiteren Publikum zu
zeigen. Erst nach Fertigstellung des Anbaus an das Gebäude der Murhard-
schen Bibliothek, der 2013 eröffnet werden soll, können auch Einzel-
stücke der Musiksammlung in der Dauerausstellung präsentiert werden.
Dr. Axel Halle, Leitender Bibliotheksdirektor
Vorwort
Unter den Schätzen der Handschriftenabteilung in der hiesigen
Bibliothek beanspruchen die Handschriften mit Werken von Heinrich
Schütz (1585-1672) einen besonderen Rang. Dass einige von ihnen in
diesem Jahr 2010 der Öffentlichkeit präsentiert werden, hat mit dem
425. Geburtstag dieses ersten deutschen Komponisten von Weltrang zu
tun, dem auch die dem Schaffen von Schütz gewidmeten diesjährigen
Kasseler Musiktage Rechnung tragen.
Die künstlerische Entwicklung von Heinrich Schütz zum „Vater der deut-
schen Musik" wäre ohne das Mäzenatentum des Landgrafen Moritz des
Gelehrten von Hessen-Kassel schwerlich möglich gewesen. Denn Moritz
hat den Dreizehnjährigen aus dem Weißenfelser Gasthaus seiner Eltern
an das Kasseler Mauritianum geholt, wo er ihm eine hervorragende
Schulbildung angedeihen ließ und ihn danach mit einem großzügigen
Stipendium nach Venedig zu Giovanni Gabrieli schickte, wo Schütz seine
Ausbildung zum Musiker mit der Veröffentlichung seines Opus 1, der
Italienischen Madrigale von 1611, krönte und Landgraf Moritz widmete.
Schütz war ab 1613 zwar nochmals am Kasseler Hof, doch verlor ihn der
Landgraf an den mächtigeren sächsischen Kurfürsten Johann Georg I:
Ab 1619 war Schütz sächsischer Hofkapellmeister.
Schütz hat jedoch auch danach die Kasseler Hofkapelle mit seinen neues-
ten Kompositionen, zum Teil in eigenhändigen Niederschriften, versorgt,
die heute weltweit die größte Sammlung Schützscher Autographe bilden.
Eine Auswahl daraus ist in der Ausstellung zu sehen. Prachtvoller als die
äußerlich unscheinbaren Autographe präsentieren sich die Druckausga-
ben der Schütz-Zeit, von denen einige Beispiele ausgestellt sind. Die Aus-
stellung will aber auch das Umfeld beleuchten, in dem der junge Hein-
rich Schütz zu Beginn des 17. Jahrhunderts heranwuchs, angefangen mit
einem lateinischen Schulaufsatz von ihm selbst über kompositorische
Zeugnisse seiner Mitschüler und Kasseler Zeitgenossen, darunter Moritz
selbst, bis hin zu deutschen und italienischen Komponisten der Zeit,
weit über den Kasseler Hof hinaus, deren Werke Schütz sich gleichwohl
anverwandelt hat, wodurch er jenen europäischen Rang erlangen
konnte, der ihn auszeichnet.
Dr. Dietrich Berke
a Wilhelm Dilich
Historische Beschreibung der Fürstlichen Kindtauff
Fräwlein Elisabethen zu Hessen [etc.] Welche im Augusto
deß 1596. Jahrs zu Cassel gehalten [...] Kassel 1598.
Signatur: 2° Hass. Maur. 2
Aufgeschlagen: f. lr Titelblatt [Fotografie); f. 16v-17r Einzug der
Englischen Gesanten; f. 15v-16r Beschreibung des Zuges [Fotografie)
Um die internationale Bedeutung und Bekanntheit des Kasseler Hofes zu
steigern, nahm Landgraf Moritz Familienfeste zum Anlass, aufwendige
mittelalterliche Ritterspiele und Wettkämpfe zu veranstalten. Anlässlich
der Taufe seiner ersten Tochter Elisabeth, deren Patin die englische
Königin war, ließ Moritz Ritterspiele organisieren, die von Wilhelm Dilich
ausführlich beschrieben und reich illustriert wurden. Dieser protokol-
larische Bericht sollte den Ruhm Kassels in die Welt tragen.
burcpßt»§elm2BeP/
Anno x 6 o i
4
2
Ambrosius Lobwasser
Psalter
Signatur: 2° Ms. Mus. 1
Handschrift Kassel 1590-91
Aufgeschlagen: f. lr Titelblatt (Fotografie); f. 26v-27r Discantus,
Bassus Psalmus xxiij Dominus regit me. [Psalm 23: „Mein Hüter und
mein Hirt"] Altus, Tenor.
Diese Handschrift bildete die Vorlage für die von Moritz von Hessen vorge-
nommene Bearbeitung des Lobwasser-Psalters, gedruckt 1612 bei Wilhelm
Wessel in Kassel. Schreiber war der damalige Hofkapellmeister (seit 1588)
und landgräfliche Kompositionslehrer Georg Otto. Moritz hat für seine Fas-
sung einige Melodien und Sätze durch Neukompositionen ersetzt. Original-
wortlaut des Titels dieser Handschrift:
Deutzsch Psalter/D. Ambrosii Lobwassers. /Dem durchleuchtigen Hoch-
ge=/bornen Fürsten undt Hern /Hern Wilhelmen /Landgrauen zu Hessen
/Grauen zu Catzen=/elnpogen/Dietz/Ziegenhain unndt Nidda etc./Auch
S.F.G. sohne/Dem durchleuchtigen Hochge=/bornen Fürsten vndt Hern/
Hern Moritzenn -/Landgrauen zu Hessen etc. seinen gnedigen/Fürsten
unnd Herren/zu besondern eh=/ren Vndt gefallen /auch derselbten lh=/
ren F.G. Cappellen zu besserm/nutz/in gegenwertig Cantional/ingrossirt
vnd Ihren F.G. in un=/terthenigkeit dedicirt/von ich=/ren F.G. Cappelle-
meister. /Georgio Ottone Torge=/si den 4. lanuarij/Anno D[omi]ni./1591.
Ambrosius Lobwasser (*1515 Schneeberg / Sachsen, 1 1585 Königsberg/
Preußen) war ein humanistischer deutscher Schriftsteller und Übersetzer.
Seit 1565 arbeitete er an seiner Übersetzung der Psalmen, die 1573 unter
dem Titel „Der Psalter des Königlichen Propheten David" erschienen. Das
Werk hatte über 100 Auflagen und wurde im deutschen reformierten
Gottesdienst noch bis ins 18. Jahrhundert verwendet.
5
3
Johannes Heugel
Ohne Titel [„Opus musicum"]
Signatur: 4° Ms. Mus. 118
Handschrift Kassel 1534-77
Einband: ALTVS, Pergamentblatt aus einem Brevier, 13. Jahrhundert.
Alle Einbände mit doppelter Stimmenangabe und roter Signatur N.
Aufgeschlagen: Bassus: f. 88v Schluss der Motette Nr. 80 Vide cui
fides, datiert 16. Januar 1563; f. 89r Beginn Nr. 81 CANON. Vivendum
caute, fallax estfrontis, datiert 25. März (1563); Tenor secundus:
f. 50v-51r Jupiter omnipotens [Tenor secundus Sancte Mathie ora
pro nobis. Vagans Die khu schreit Muhu],
Johannes Heugel (um 1500-1585) wurde zwischen 1536 und 1538 „Land-
graf Philipps zu Hessen Gesangsmayster". In einer undatierten Besol-
dungsliste der Hofdiener wird er als „Companist" bezeichnet. 1547 erhielt
Heugel endlich seine Bestallung zum Kapellmeister. In dieser Position
blieb er bis zu seinem Lebensende im Jahr 1585. Johannes Heugel lebte
also ein halbes Jahrhundert am Hof zu Kassel und reiste so gut wie nie.
Ausnahmen bildeten Aufenthalte in Marburg, wo so manche staatliche
Feierlichkeit die Anwesenheit der Hofkapelle notwendig machte. Dem-
entsprechend blieb der Wirkungskreis Heugels recht begrenzt, was die
geringe Verbreitung seiner Werke erklärt.
Die ausgestellte Motetten-Sammlung ist im Sinne eines „Opus musicum"
angelegt, wie dies in der Zeit bei Drucken weit verbreitet war. Einige der
Kompositionen sind Mitgliedern des Hofes gewidmet, wie dem Lehrer sei-
nes Sohnes, Justus Vultejus. Ein Großteil der Einzelwerke ist auf den Tag
genau datiert.
6
Georg Otto
Opus Musicum Novum [...] Liber Primus.
Motetarum Octo vocum. Cassel 1604.
Signatur: 4° Mus. 53a
Einband: ALTVS; weißes Pergament auf Pappe, mit Lederriemchen
gebunden, Blindlinien, Bordürenrolle, Filetenstempel; auf dem
Buchdeckel vorn: Stimmbuchbezeichnung, Einzelstempel und
Jahreszahl 1605. Aufgeschlagen: Octava Vox: f. lr Titelblatt;
Bassus: f. 2r Dedikationsbeginn.
Mit dieser in drei Bänden (89 Nummern) erschienenen Motettensamm-
lung legte Georg Otto (1550 -1618) sein Hauptwerk vor. Es ging auf die
Initiative von Landgraf Moritz zurück, ebenso wie der Zyklus „Novum et
insigne opus" von Valentin Geuck (siehe Nr. 5). Beide Werke sollten dem
Gottesdienst am Kasseler Hof gemeinsam eine neue zeitgemäße Prägung
geben. Die Textvorlagen unterscheiden sich insofern, als Otto die üblichen
Evangelientexte erhielt, während Geuck in Distichen gefasste Texte zu ver-
tonen hatte. Die drei Bände sind - bei Otto wie bei Geuck - den Festtagen
(I), Sonntagen (II) und gewöhnlichen Feiertagen (III) zugeordnet. Auf die
Bedeutung der Sonntage war die Stimmenzahl der Kompositionen abge-
stellt, um ihnen den gewünschten repräsentativen Charakter zu geben: Bd.
I 8-stimmig, Bd. II 6-stimmig, Bd. III 5-stimmig. Kraftvoll in der musikali-
schen Ausdeutung der Texte entsprachen die umfangreichen Kompositio-
nen in ihrer formalen Gliederung ganz den Anforderungen der Gebrauchs-
musik.
7
Valentin Geuck
Novum et insigne opus [...] Liber Primus. Motetarum
Festalium, Octo Vocum. Cassel 1604.
Signatur: 4° Mus. 105
Einband: Tenor-Stimmbuch, Pergament aus einer Handschrift des
14. Jahrhunderts, auf Pappe, auf Riemchen geheftet. Aufgeschlagen:
Discantus: f. lr Titelblatt; Altus: f. llv Secunda pars zu Aenea
serpentis von V. Geuck, f. 12r: Queneranda triasvon M.[oritz] L.[and-
graf] //.[essen] ä 8, Bassus: f. 2r [Fotografie] + f. 3r der Widmung an
Landgraf Ludwig von Marburg.
Valentin Geuck [Kassel 1572-1596] war vermutlich seit 1585 Sängerknabe
der Hofkapelle und damit auch Kompositionsschüler von Hofkapellmeister
Georg Otto. Seit ca. 1593 diente er dem Landgrafen als Kammerdiener und
Tenorist. Ein reger geistiger Austausch fand zwischen Geuck und Moritz
statt. Über die Standesgrenzen hinweg pflegten sie ein eher freundschaftli-
ches Verhältnis. Das „Novum et insigne Opus" Geucks entstand parallel zu
Georg Ottos „Opus musicum novum" (siehe Nr. 4). Als Textgrundlage dien-
ten lateinische Distichen. Sie beinhalten moralisierende Predigten und
belehrende Kommentare. Da Geuck bereits 1596 starb, komplettierte Land-
graf Moritz die Sammlung mit eigenen Kompositionen. In einem Brief an sei-
nen Onkel, Landgraf Ludwig in Marburg, beschreibt er die Entstehungs-
geschichte:
Euer Liebden mögen wir freundlicher wolmeinung nicht verhalten, welcher
gestalt wir von jugend auf eine sondere affection und neigung zu der musica
getragen, dahero wir dann vor etzlichen Jahren die evangelia dominicalia kürtz-
lich carminice reddiret und ein jedes in en tetrastichon gebracht, auch dieselbi-
ge unserm der zeit gewesenen cammerdiener Valentino Geucken seligen mit
acht, sex und fünf stimmen zu componiren ubergeben, welcher dann solch werck
wol angefangen, aber durch seinen tödlichen abgang nicht continuiren können,
und also unvolnzogen ligen plieben. Derowegen wir dann dieselbige widerumb
zur hand genohmen und sie selbst pro recreatione animi und nach gelegenheit
der zeit ausgefertiget. Und nachdem wir unserm izigen capellmeister Georgio
Otthoni vor dieser zeit gnediglich ufgetragen, die textus vulgares evangeliorum
dominicalium auch mit soviel stimmen zu componiren, und er nunmehr damit
fertig geworden, so haben wir solche cantiones und muteten gott dem almech-
tigen zue lob, auch kirchen und schulen zu guter meinung an tag geben lassen.
Weil uns dann bewust, das E.L. auch ein besonder liebhaber der löblichen
musicen sein, so haben wir obgedachten unsern capellemeister befohlen, das
eine opus musicum, so von unserm cammerdiener dediciren und zuzuschrei-
ben, tun E.L. auch bei demselbigen unserm capellemeister von diesem und sei-
nem selbst opere ein exemplar zu schicken und verehren freundlich bittend,
E.L. wollen dieselbige von uns zu freundlichem gefallen annehmen...Datum in
unser stadt und vestung Cassel am ... Octobris 1604. (Staatsarchiv Marburg,
Nachlaß Landau Nr. 742. Mitgeteilt bei E. Gutbier, S.219).
8
6
Georg Otto
Widmungstext der Motette
Domine quid Multiplicati
Signatur: 2° Ms. Mus. 55"
Aufgeschlagen: Bassus: f. lr eigenhändige Widmung, datiert 1610.
Der leidenschaftlichen Begeisterung seines Dienstherrn für die neue
Klangkunst der Italiener konnte sich der alternde Kapellmeister Otto nicht
anschließen. Der Aufforderung des Landgrafen, sich selbst kompositorisch
der neuen Richtung anzuschließen, beugte er sich nur mühsam und pass-
te seine Musik durch mehrchörige Setzweise dem neuen Trend an. In der
hier zu sehenden Widmung beschreibt er sein grundlegendes Problem:
Da nun unsere Musik so alt und abgenutzt ist, erscheint es geradezu als
zwangsläufig, daß ich, zumal diese anfängt, für einige wertlos zu werden,
zu zweifeln beginne, ob in dieser sorgfältig gearbeiteten Weise sich noch
eine Arbeit von Wert machen läßt. Und dennoch, so weiß ich mit Sicherheit,
gilt jene [...] Euer Gnaden nicht weniger (als die neue), und ebenso weiß ich,
daß ich mit meinen Harmonien und Kompositionen Euer Gnaden erfreut
habe. Deshalb will ich die Pßichten, die mir aus meiner Position erwachsen,
nicht aufgeben, noch meine Aufgabe im Stich lassen. Dieser Einsicht folgend,
habe ich gegen Ende des vergangenen Jahres den dritten Psalm Davids, der
hier beigefügt ist, in zehnstimmige Harmonien gesetzt und möchte ihn an
diesem Neujahrstag Euer Gnaden mit pflichtschuldigem Gehorsam darbrin-
gen und widmen, demütig bittend, ihn huldvoll und gnädig anzunehmen und
mir die früher erwiesene Zuneigung in meinem Alter nicht zu entziehen.
Otto litt unter den Veränderungen der Zeit und zog sich, zusätzlich
von Krankheiten bedrängt, mehr und mehr zurück. Offenbar gab er das
Komponieren resigniert auf, denn keine seiner Kompositionen ist nach
1610 datiert. [C. G.]
9
Handschrift Kassel um 1600
Aufgeschlagen: f. 164r Oratiuncula de S. Mauritio [Kleine Rede
über S. Mauritius] (Fotografie); f. 166v-167r... DIXI. Henric9 [us]
Schütz. Ausdruck: Übersetzung (H. J. Moser, Heinrich Schütz.
Sein Leben und Werk, Kassel 19361, S. 35-37).
Heinrich Schütz schrieb diesen siebenseitigen lateinischen Schulaufsatz
zum Namenstag des Landgrafen Moritz (22. September). Das Thema ist
die Legende vom hl. Mauritius, dem Befehlshaber der Thebäischen Legion.
Diese vorwiegend aus Christen bestehende römische Legion soll um das
Jahr 300 in der Schweiz gemeutert haben, weil sie nicht bei einer Chris-
tenverfolgung mitwirken wollte. Auf Befehl des römischen Kaisers Maxi-
milian erlitt sie letztendlich geschlossen den Märtyrertod. Die „Kleine
Rede über S. Mauritius" beginnt mit den Worten:
Obwohl es viele und verschiedene Mittel gibt, deren sich Kaiser zu bedienen
pflegen, die die Gipfel des Ruhms erstreben, so meine ich doch, keines sei vor
Gott willkommener und vor der Christenheit löblicher als jenes, das der tap-
ferste Kaiser Mauritius einstmals gebrauchte, der nicht nur für den wahren
Glauben tapfer stritt, sondern für ihn auch bis zur letzten Todesstunde stand-
haftsein Blut vergossen hat. (Übersetzung aus: H. J. Moser, Heinrich Schütz,
Kassel 19361, S. 35).
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8
Stundenplan der Hofschule
Collegium Mauritianum
Signatur: 2° Ms. Hass. 57[1
Handschrift Kassel um 1595
Aufgeschlagen: f. 27v Originalstundenplan; deutsche Übersetzung
(Fotografie. Transkription: Prof. Dr. Hartmut Broszinski).
Moritz von Hessen gründete am 1. Oktober 1595 eine Kasseler Hofschule,
das „Collegium Mauritianum". Sie war für die Bildung und Erziehung der
hessischen Prinzen, der gräflichen Jugend und anderer Adeliche und
Furnehme Standts Persohnen [Landes-Ordnungen Teil 1 (1618) S. 60lff],
für die Kinder der Hofbeamten und für die Kapellknaben gedacht.
Nachdem Moritz 1598 Heinrich Schütz „entdeckt" hatte, wurde dieser ein
Jahr später Kapellknabe in der Hofkapelle und gehörte damit zu dem klei-
nen Kreis derjenigen, die das Collegium Mauritianum besuchen durften.
Die hier erhaltene Schulbildung ermöglichte ihm den Besuch der Mar-
burger Universität, an der er 1608 gemeinsam mit den Kasseler Schul-
kameraden Georg Schimmelpfennig und den Brüdern Christoph und
Friedrich Kegel Jura zu studieren begann. Im darauf folgenden Jahr trat
Schütz sein Musikstipendium bei Giovanni Gabrieli in Venedig an.
11
9
Heinrich Schütz
II primo libro de madrigali. Venedig 1611. SWV?
Signatur: 4° Mus. 20d
Aufgeschlagen: Alto: f. 37r Titelblatt; Canto: f. 37v Widmung
(Fotografie); f. 49v-50r Coro Primo A 8. CANTO und Coro Primo. A 8.
TENORE der Motette Vasto mar
Dieses Madrigalbuch ist ein erstes Zeugnis für die fruchtbare Zeit, die
Schütz als Schüler von Giovanni Gabrieli in Venedig verbrachte. Die
Sammlung enthält 18 fünfstimmige Madrigale sowie das doppelchörige,
achtstimmige Vasto mar. Mit dieser Komposition huldigte Schütz gleich
zwei Männern: seinem Lehrer G. Gabrieli durch die Wahl der Doppel-
chörigkeit („chori spezzati“), mit dem Text des ersten Madrigalabschnitts
seinem Gönner und Landesfürsten Moritz von Hessen, dem die Sammlung
auch gewidmet ist. Sprachmelodie und Affektgehalt der inhaltlich eher
schwachen Texte haben Schütz offensichtlich begeistert. Sie boten ihm in
Form kontrastierender Paarbildungen (Leben/Tod, Krieg/Frieden) und
vehementer Gefühlsausbrüche (Ausrufe, Schreie) jene typischen Madriga-
lismen, die dem zu Beginn des 17. Jahrhunderts veränderten Wort-Ton-Ver-
ständnis entsprachen: „Affekte der Seele" („affetioni del animo") musika-
lisch darzustellen. Bewundernswert ist, wie feinsinnig Schütz die Nuancen
der ihm fremden Sprache erspürte und sie in wahrhaft italienischer Manier
musikalisch bearbeitete. Nahezu perfekt wird die Klangwirkung durch die
Abstimmung des Sprachaffektes auf die Wahl der Tonart.
12
10
Johann Grabbe
II primo libro de madrigali. A cinque voci.
Venedig 1609.
Signatur: 4° Mus. 20e [Unikum]
Aufgeschlagen: Tenore: f. 51r Titelblatt; Quinto: f. 51v-52r Wid-
mung an Graf Simon VI. zu Lippe-Detmold, Motette Felici amanti.
Johann Grabbe (1585-1655) trat 1596 als 11-jähriger Kapellknabe in den
Dienst des Grafen Simon VI. zu Lippe-Detmold. Seinen ersten Unterricht
erteilte ihm Hoforganist Cornelius Conradi, dessen Nachfolger Grabbe
bereits 1603 wurde. 1607 schickte ihn Graf Simon zu einem Studien-
aufenthalt nach Venedig, wo er Heinrich Schütz begegnete, als dieser 1609
sein Stipendium bei G. Gabrieli begann.
Das Madrigalbuch „II primo libro de madrigali" war Grabbes erste Ver-
öffentlichung und steht in einer Reihe mit den Erstlingswerken der Gabrieli-
Schüler Hans Nielsen (1605), Mogens Pedersön (1608) und Heinrich Schütz
(1611). Das Madrigal war das formale Studienobjekt, das Gabrieli zur Grund-
lage der musikalischen Übungen gemacht hatte. Als Ergebnis ihrer Studien
ließen sie alle Madrigalbücher bei Angelo Gardano in Venedig drucken und
brachten mit diesen Neuerscheinungen das moderne Italien in den Norden.
Zentrales Thema des Madrigals ist die Klage des nicht erhörten Lieb-
habers. Das letzte Stück der Sammlung bietet hierzu eine amüsante
Pointe: Grabbe kombinierte Texte der rivalisierenden Dichter Guarini
(Nr. 19a) und Tasso (Nr. 19b) miteinander. Während Guarini - ganz im
Sinne der Madrigalisten - die Qual des liebenden Verehrers schildert,
deklamiert Tasso die barsche Antwort einer abweisenden Angebeteten.
13
11
Claudio Monteverdi
11 quinto libro de Madrigali. Venedig 1605.
Signatur: 4° Mus. 70c
Aufgeschlagen: Canto: f. 29r Titelblatt; Alto: f. 13v Widmung;
Basso: f. 42v Studiosi lettori; Quinto: f. 36r Che dar piü vi poss'io,
Z.7+8 Rasuren und handschriftliche Korrekturen in den Noten.
Wir kennen Monteverdi (1567-1643) als letzten Renaissancemadrigalisten,
als ersten Opernkomponisten des Frühbarocks und als Kirchenmusiker, der
dem „Stile antico" Palestrinas und dem „Stile nuovo" G. Gabrielis gleicher-
maßen verpflichtet war. Seine progressive Kompositionsweise brachte ihm
in mehreren Schriften öffentliche Kritik ein. Die Entwicklung des Madriga-
listen Monteverdi beschränkte sich auf die Frühzeit in Cremona (bis 1590)
und auf die Mantuaner Dienstjahre (1590 / 91). Mit seinem fünften Madri-
galbuch erfüllte er das in seiner Zeit entstehende Streben nach expressiver
Einheit von Text und Musik formvollendet. Vieles in diesen Werken deutet
auf die Oper hin: die zunehmende Vorliebe für erotische Szenen und der
dissonanzenreiche Ausdrucksstil. Auch die unterschwelligen harmonischen
Spannungen des Basso continuo-Stils wurden vorweggenommen.
Christoph Cornet
Venite exultemus.
Signatur: 2° Ms. mus. 56a
Handschrift Kassel 1606-07
Aufgeschlagen: f. 7r 1. Choro ä 12 (dynamische Einträge
piano und forte)-, f. 2r Basso Continuo-Stimme
Zu den ersten Italien-Stipendiaten des Kasseler Landgrafen Moritz gehör-
te Christoph Cornet (1580-1635). Sein 12-stimmiges „Venite exultemus",
möglicherweise schon in Venedig begonnen, präsentierte Cornet (1606)
seinem Dienstherrn Moritz nach der Rückkehr aus Venedig als Frucht der
Studien bei Gabrieli. Um das Stück hören zu können, ordnete der Landgraf
eine Aufführung an. Wie die Papiermarke belegt, erfolgte die Herstellung
des Aufführungsmaterials 1607. Darüber hinaus zeigt die Papieranalyse,
dass diesem Material noch ein zweites, in den Jahren 1625-27 herge-
stelltes Stimmenmaterial hinzugefügt ist. Cornet - nun Kapellmeister -
brachte das Werk in dieser Zeit nochmals und zwar mit verstärkter
Besetzung zur Aufführung. Allerdings war die Geschichte dieser Kom-
position mit den neuerlichen Aufführungen des Werkes nach 1625 noch
nicht abgeschlossen. Die Basso Continuo-Stimme (f. 2) ist ein Nachtrag,
der erst 1649 dem Aufführungsmaterial beigelegt wurde. Auch diese
Erkenntnis ergibt sich aus der Prüfung des Wasserzeichens. [C. G.]
14
13
Heinrich Schütz
Canticum Simeonis:
Herr nun lessestu deinen diener <SWV352a>
Signatur: 2° Ms. Mus. 50e
Handschrift Dresden um 1635
Aufgeschlagen: f. 4r Bassus ä 3. Di Hen.[rici] Sag.[gitarii];
f. 5r Organum. A 3. Basso e due Violini. di Hen. Sag.; f. 6V Titelblatt
Diese Handschrift beinhaltet eine Frühfassung der unter den „Symphoniae
Sacrae“ 1647 zu findenden gleichnamigen Motette. Schütz hat sie seinem
Kasseler Freund Christoph Cornet gewidmet, der sich - älter als Schütz -
bereits 1605 zum Studium bei Gabrieli in Venedig aufhielt. Nach seiner
Rückkehr war Cornet zunächst als Hofschuloeconomus und Ober-Kam-
merdiener des Landgrafen tätig. 1619 wurde er schließlich zum Nach-
folger Georg Ottos im Amt des Hofkapellmeisters ernannt, nachdem es
Moritz nicht gelungen war. Schütz vom Dresdener Hof nach Kassel zurück
zu holen. Titel und Widmung der Handschrift lauten:
Canticum Simeonis: / Herr nun lessestu Deinen Diener in friede fahren, / In
honore del M[aes]t[r]o Mag[mii]co S/gn[ore] il S/gn[or] Christoforo /
Cornetto Servitore digniss[im]o et benmerito Maestro / di Capella del
Seren[issim]o Sig[no]re ilSig[no]r Landgrauio d’Hassia etc. / posto in Musica
I da I Henrico Sagittario, suo sempre affettio- / «at/ss[im]o. per seruirla.
Die Motette ist für eine Singstimme (Bass), 2 Instrumentalstimmen
(Violinen) und Basso Continuo geschrieben.
<S\f 'Sfffolcbcm Beging £>immcte Caal/
(fuhren Die lieben 'Sitter all/
©urd> ©lauben fte ©Ott («bauen an/
Ber (elig ftirbt/geS}t gleiche ©ahn.
(Sefcrucff t>nt> wrletf STltirmfarg/
burcf) Plbrnbam Bagentnanu.
UDC A.VIII.
15
Heinrich Schütz
Christ ist erstanden <SWV 470>
Signatur: 2° Ms. Mus. 52b
Handschrift Kassel 1614-15
Aufgeschlagen: f. lv und f. 19r Basso per l’organo. Christ ist erstan-
den. ä ii. 2. Capell: H.[enricus ] S.[agittarius] (Schütz-Autograph?);
f. llr Voce Cunt9[us] (Schreiber?); f. 12T Altüs (Schreiber?)
Das Werk dürfte nach der Rückkehr aus Venedig entstanden sein, mögli-
cherweise zum Osterfest 1615. Der Hauptschreiber war Georg Schimmel-
pfennig, drei Blätter sind von Heinrich Schütz beschrieben, der dritte
Schreiber ist bisher nicht identifiziert. Einige Blätter stammen möglicher-
weise aus Dresden.
„Christ ist erstanden" (SWV 470) ist ein Konzert für 3 Solostimmen,
2 vierstimmige Instrumentalchöre und 2 vierstimmig gemischte Capell-
chöre. In dieser Motette zeigt bereits der junge Schütz seine immense
Begabung im Umgang mit Texten. Der Chorsatz beginnt nach 64 instru-
mentalen Einleitungstakten. Gleich zu Beginn führt der Sopran an der
Textstelle „Christ ist erstanden ..." alle Singstimmen in wenigen Takten in
eine hohe Lage, die wirkungsvoll zu den beiden tief gesetzten Instrumen-
talchören kontrastiert.
Heinrich Schütz
Entsetzet euch nicht <SWV 50 Anm. 2>
Signatur: 2° Ms. Mus. 49v
Handschrift Kassel um 1627
Aufgeschlagen: f. 4r-4v Basso Continuo mit Bezifferungen und
Hinweisen auf die Einsätze der Vokalstimmen (Schütz-Autographe)
Diese Handschrift enthält den zweiten Teil der „Auferstehungshistorie"
ohne Evangelistenpartie (SWV 50 Anm. 2). Sie entstand während einer
produktiven Hochphase. Die Zeit der 1620er Jahre war für Heinrich Schütz
geprägt von einem ungeheuren Schöpfungsdrang. Einerseits bestand die
existenzielle Notwendigkeit, zu komponieren, andererseits hatte Schütz
das Bedürfnis, viel zu schreiben.
Die „Auferstehungshistorie" ist sein erstes oratorisches Werk. Es hat
drei Großchöre: zwei sechsstimmige jeweils am Anfang und in der Mitte,
sowie einen doppelchörigen mit separater neunter Stimme des Evange-
listen. Dazwischen beherrschen die rezitativischen Teile das Stück, beglei-
tet von Orgel oder Gambe. Die Kasseler Handschrift umfasst bis zu fünf
Vokalstimmen und den Basso Continuo.
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Heinrich Schütz
Vier Hirtinnen gleich jung gleich schön <SWV Anh. 1>
Signatur: 2° Ms. Mus. 58f
Handschrift Dresden 17. Jahrhundert
Aufgeschlagen: f. 61r Canto 1; f. 63r Canto dto [dito];
f. 65r (Altstimme 1).
„[...] eine sonderbare Inclination zur edlen Profession der Music" (Martin
Geier 1672 in seinem Nachruf auf H. Schütz) zeichnete Heinrich Schütz
nach Meinung der Zeitgenossen aus. Diese Profession wird unmittelbar
fühlbar in einem seiner beachtetsten weltlichen Werke, dem Madrigal Vier
Hirtinnen gleich jung gleich schön. Schütz ordnet der jeweils darzustel-
lenden Gestalt eine Stimmgattung zu und stellt die Figuren nacheinander
vor. Planvoll werden die Stimmen zusammengefasst, sobald von allen vier
Frauen die Rede ist. Die solistische Gliederung dient der Einzelbeschrei-
bung und zur jeweils führenden Stimme treten unterstützend andere
Stimmen hinzu, wenn es um die figurative Ausgestaltung des Textes geht.
Schütz hat hiermit ein Werk geschaffen, das die hohen Ansprüche der
Madrigalisten an die Gestaltung der Beziehung von Text und Musik in
wunderbarer Weise erfüllt.
Heinrich Schütz
Herr, unser Herrscher <SWV 449>
Signatur: 2° Ms. Mus. 50d
Handschrift Dresden vor 1638
Aufgeschlagen: f. V Psalmus 8 / Herr Unser Herrscher etc. / ä
Quinq3 vel all aut 16 vocibus si placet / Henrici Sagittarii (Schütz-
Autograph); f. 21r Organum mit aufführungspraktischen Hinweisen
(Schreiber?).
Die erste Seite dieser Handschrift ist autograph und entstand in Dresden.
Instruktiv sind die Hinweise auf f. 21r:
1. Die fünff Concertat Stimmen werden alleine gesungen. 2. Chorus instru-
mentalis mus mit Instrumenten bestellet werden oder kann außbleiben.
3. Voces duplicatae werden an Stadt einer Capella nach beliebung Undtgele-
genheit bestimmet. 4. In anstellung des Chori Instrumentalis werden die
zwey Violini oder Cornetti mit beßern effect clerogestalt separiret, das sie
die fünff Voces Concertates in die mitten faßen undt auffeiner Seiten die
Violini, auf der andern aber die Tromboni gestellet werden.
Die Notwendigkeit einer Stimmenreduktion ergab sich daraus, dass in
Kassel kurz vor der Auflösung der Hofkapelle nicht mehr genügend Sänger
zur Verfügung standen. Die beiden Favoritchöre des Werkes wurden zu
einem Chor zusammengefügt.
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Heinrich Schütz
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes <SWV 455>
Signatur: 2° Ms. Mus. 50f
Handschrift Dresden vor 1638
Aufgeschlagen: f. lr Psalmus 19.1 Die himmel erzelen die Ehre Gottes
I ä 6vel ä 12. Hen. Sag. (Schütz-Autograph); f. 2r Sex Vocum. Cum
choro duplicato pro Capella ä 10., mit Bezifferung und Einsätzen der
Solisten (so//) und Chöre (omnes) (Schreiber?)
Die Vertonung des 19. Psalms „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes"
(SWV 455) ist für eine Besetzung von bis zu sechs solistischen und chori-
schen Stimmen mit Basso Continuo-Begleitung geschrieben. Aber auch
hier, wie im Fall der Motette „Herr, unser Herrscher" (siehe Nr. 17) galt es,
mit dem Aufführungsapparat auszukommen, der zur Verfügung stand. Auf
f. 2r ist vermerkt:
1. Dieses Stück werde nach beliebung bestimmt. 2. Meiner/meinung nach
könte zu ieder Concertat stimme ein/Lieblich Instrument, als Violen,
geordtnet, der Chorus/ duplicatus aber beydes Vocaliter undt Instrumen-
taliter mit blasenden Instrumenten, starck bestellet werden.
Heinrich Schütz
Liebster sagt in süßen Schmerzen <SWV 441>
Signatur: 2° Ms. Mus. 49h
Handschrift Dresden 1627-32 (?)
Aufgeschlagen: f. 5r Violin 3. ä duoi Soprani et 2 Violini. H. [enricus]
Sag. [itarius]; f. 6r Violin secondo. ä 2 Soprani et duoi Violini. H. Sag.;
f. 7r Basso Continouo ä 2 Soprani e duoi Violini. H. Sag. (Schütz-Auto-
graphe)
Der Text dieses Madrigals stammt von Martin Opitz (1597-1639) und ist
eine Umdichtung des „Hohen Liedes Salomonis". Der strophische Text ist
kombiniert mit einer groß angelegten Rondo-Reihung. Schütz hat weitere
Texte von Opitz vertont, so auch dessen Text zur ersten deutschen Oper
„Dafne".
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Heinrich Schütz
Surrexit pastor bonus <SWV 469>
Signatur: 2° Ms. Mus. 49a
Handschrift Kassel um 1650
Aufgeschlagen: f. lr Surrexit Pastor bonus ä /'/'. Vel si placet ä 19.
Henrico Sagittario; f. 2ar Bassstimme sinfonia
„Surrexit pastor bonus" ist ein geistliches Konzert für zwei Chöre, sechs
Singstimmen und 5 Instrumentalstimmen, wahlweise für zwei Capell-
chöre (große Chöre) und Basso continuo. Die lebendige Wirkung der
Komposition entsteht durch die feinsinnige Textbehandlung des Emmaus-
Responsoriums. Mit musikalischen Mitteln illustriert Schütz den Text. So
beschreibt er die zerstreute Herde mittels weit auseinander gezogener
musikalischer Passagen und beschreibt mit engmaschigen melodisch auf-
steigenden Partien „surrexit pastor bonus" - „auferstanden ist der gute
Hirte". Zur Nachbildung der Sprachakzente des Textes verwendet Schütz
deklamatorische Rhythmik und Melodik.
Die spiegelbildlich angeordneten Tintenspuren entstanden durch Fal-
tung und Kontakt der aufeinander liegenden Papierseiten.
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19
Giovanni Gabrieli
Udite, chiari e generosi figli
Signatur: 2° Ms. Mus. 57h
Handschrift [Ort ?] um 1610
Aufgeschlagen: f. lr Voce [C II] Choro 1. Tritoni. H. ä. 16.;
f. 8r Voce [B] Choro 1. Tritoni. h. ä. 16.; f. 15r Cornetto muto Choro 1.
Tritoni. h. a. 16.; f. 17r Bassog[ene]rale. Ä 16. G.[iovanni] G.jabrieli]
In der von Moritz von Hessen bewunderten Musik Giovanni Gabrielis
durchdringen sich Fortschritt und Bewahrung auf eine spezifische Weise.
Gabrieli hat das schon von seinem Vorläufer Adrian Willaert herrührende
Prinzip der cori spezzati, der Mehrchörigkeit, weiterentwickelt. Dabei ach-
tete er darauf, dass jeder Chor einen in sich stimmigen Satz bilden muss-
te. Bei der Auseinandersetzung mit der neuen Kompositionsform gelang-
te Gabrieli zu der Erkenntnis, dass Musik nicht nur durch den Kontra-
punkt, sondern auch durch die Disposition des Klanges zu realisieren ist.
Allerdings dachte Gabrieli Klang noch nicht als Gegenstand von Kom-
position, sondern die Erfahrung des Klanges wurde ihm vermittelt durch
die Erfahrung des Raumes. Im Raum nämlich erlebte der Klang, wenn er
von ferner Empore herübertönte, eine Veränderung: dasselbe klang in der
Nähe anders als in der Ferne.
Die Motette „Udite chiari" ist ein Dialog zwischen Tritonen und Sirenen,
zwischen Meergöttern und jenen betörend singenden Wesen, die schon
Odysseus zu schaffen machten. Die Forscher vermuten, dass das Werk im
Rahmen einer favola marittima am Neujahrstag 1600 zur Aufführung
gelangte. Dass es nur in der Kasseler Quelle überliefert ist kann mögli-
cherweise damit erklärt werden, dass Heinrich Schütz in dem Werk keine
zu vernachlässigende Gelegenheitskomposition sah. [C. G.]
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Giovanni Gabrieli
Symphoniae Sacrae [...] Liber secundus. Venedig 1615
Signatur: 4° Mus. 77a
Aufgeschlagen: Cantus: f. lr Titelblatt; Altus: f. lv-2r bischöfliches
Signum und Widmung an Bischof Johannes von Aloysius de Granis
(Aloisio Grani, Musiker in Venedig); Tenor: f. 21v-22r 0 quam
gloriosa mit handschriftlichen Textkorrekturen.
Giovanni Gabrieli (1557-1612 in Venedig)
studierte bei seinem Onkel, dem Komponis-
ten und Organisten an San Marco in Venedig
Andrea Gabrieli, und in München bei Orlando
di Lasso. 1584 / 1585 wurde er 2. Organist an
San Marco bevor er 1586 nach dem Tod sei-
nes Onkels dessen Position als Komponist
und Hauptorganist übernahm.
Die Tradition der Venezianischen Mehr-
chörigkeit, entwickelt aufgrund der architek-
tonischen Anlage der Markuskirche in Vene-
dig mit zwei einander gegenüber liegenden
Emporen, entwickelte G. Gabrieli weiter. Dabei kamen zwei bis acht im
Raum verteilte Chöre zum Einsatz.
Sein Hauptwerk sind die „Symphoniae sacrae" (erschienen in zwei
Teilen 1597 und 1615). Das hier ausgestellte zweite Buch für 6 bis 19
Stimmen erschien posthum. Die große Bedeutung der Sammlung liegt
darin, dass sie neben zahlreichen Gesängen auch einige Instrumentalsätze
enthält; vielleicht die älteste Orchestermusik.
Abbildung:
Johann Hermann Schein,
Fontana d’Israel, Israels
Brünlein, Leipzig 1623,
Signatur: 4° Mus. 277,
unteres Drittel des
Titelblattes
21
Giovanni Gabrieli
Canzona 12. Toni.
Signatur: 2° Ms. mus. 59f
Handschrift Kassel (?) um 1613
Aufgeschlagen: f. 32r 1 Choro ä 8. Canzon. 9 Toni. G.fiovanni]
G.[abrieli]; f. 39v Canzon. ä 8. G.[iovanni] G.[abrieli] sowie
Notensystem mit dem Canzone-Thema
Die Durchsicht der Notenbestände der Kasseler Hofkapelle zeigt, dass viele
Handschriften und Drucke von den Gabrieli-Schülern, vornehmlich Heinrich
Schütz, nach Kassel mitgebracht worden sein dürften. Auch die „Canzona
12. Toni" von Giovanni Gabrieli gehört zu jenen Werken, die Schütz im
Gepäck gehabt haben mag, als er nach Gabrielis Tod nach Kassel zurück-
kehrte (1613). Manche Forscher glauben sogar, dass es Schütz selbst gewe-
sen ist, der das Stück in Kassel kopierte. Wie die Wasserzeichenunter-
suchung ergab, wurde die Kopie in der Tat 1613 erstellt. Gabrieli hatte das
Instrumentalstück 1597 in Venedig erscheinen lassen, ausgerechnet als
Anhang zu seinen „Symphoniae sacrae". War doch die, wenn man so will,
Botschaft des Stückes eine durchaus antisakrale. Sie besagte nichts weni-
ger, als dass in Zukunft Musik nicht mehr des Textes und schon gar nicht
des sakralen Textes bedurfte, um sich artikulieren zu können. [C. G.]
22
Orlando di Lasso
Neue teutsche Lieder. München 1583.
Signatur: 4° Mus. 103
Aufgeschlagen: Cantus: f. 76v-77r Nach dem Fruemal//Umb fünffe
hin, so kratze jn die hüner im magern, Altus: f. 61r Titelblatt; Quintus:
Im Innenspiegel finden sich Einträge von zwei Schreibern, These
bookes be myne/which I had of[ 1. Hand] Henrie Russell [2. Hand] von
TC oder CT.
Orlando di Lasso (1532-1594], war einer der bedeutendsten Komponisten
der Hochrenaissance. Nach langen Aufenthalten in Italien kam er 1556 nach
München, war dort zunächst Mitglied der herzoglichen Hofkapelle und über-
nahm 1562 das Amt des Kapellmeisters, das er bis zu seinem Tod bekleide-
te. 1570 von Kaiser Maximilian II. geadelt, starb er 1594 in München.
Orlando di Lasso vereint höchste kompositorische Meisterschaft mit
enormer Schaffenskraft. Durch ihn und Palestrina kommt es zum letzten
Höhepunkt der Musik des 15. und 16. Jahrhunderts. Er zeigt eine Uni-
versalität im Werk wie kein anderer und komponiert sowohl volkstümli-
che deutsche Lieder als auch Musik für die Liturgie und für weltliche
Repräsentationszwecke.
Im Spiegel der Kasseler Notenausgabe findet sich ein wichtiger Besitz-
vermerk: These bookes be myne, which I had of Henrie Russell, notiert von
TC oder CT. Sprache und Name weisen auf Engländer hin, die auf Ein-
ladung des Landgrafen oder als fahrende Musiker auf der Durchreise in
unterschiedlicher Funktion am Kasseler Hof künstlerisch tätig waren.
Handschrift ohne Titel
Signatur: 4° Mus. 103aa
Handschrift Kassel 1585-1590
Einband: weißes Pergament, mit Lederriemchen gebunden, Hand-
schrift Brevier, ca. 1400. Aufgeschlagen: Tenor: f. 23v-24r Nr. 8
Frölich undtfrei nit frech dabei von Orland9 [us] di Lasso, Nr. 9
Mancher fragt mich wer ich sei von Orland9[ us] di Lass:, Nr. 10
Antoni9[us] Scandell9[us] Mancher der spricht im somer.
Die Sammlung mit 13 Motetten besteht aus Abschriften weltlicher und
geistlicher Chorsätze. Der Schreiber ist unbekannt. Das Anhängen der
Handschrift an die Lasso-Lieder spricht für ein intensives Studium zeit-
genössischer Musik durch den Besitzer oder Schreiber der Bände, der ein
Mitglied der Hofkapelle gewesen sein dürfte.
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Carlo Farina
Libro delle pavane, gagliarde,
brand: mascherata .. a 2.3.4. Voce, con il Basso per
sonare. [Buch 1 bis 4] Dresden 1628
Signatur: 2° Mus. 25
Aufgeschlagen: Cantus: f. 66r Titelblatt... Quarto libro ... ; Altus:
f. 16r Titelblatt... Ander Theil... [2. Buch]; Bassus: f. 21v-23r
Capriccio Strauagante. A 4. Kurtzweilig Quodlibet, Tenor: f. 19v
Aufführungshinweise für das Quodlibet [Fotografie]
Der Komponist, Violinist und Kapellmeister Carlo Farina (um 1600-1639)
war zwischen 1625 und 1628 Konzertmeister unter Heinrich Schütz am
sächsischen Hof in Dresden. Noch in Dresden ließ er seine fünf Samm-
lungen mit Violinmusik, „Libro delle pavane", drucken. Unter anderem
zeichnen sie sich durch das hohe Niveau der Violintechnik und den
Einsatz ungewöhnlicher Spieltechniken, wie im „Capriccio stravagante",
aus. Farina war ein hervorragender Violinvirtuose. In sein „Capriccio
Stravagante" baute er Klangbilder wie Katzengejaule, Hundegebell,
Hahnenschrei, Hühnergackern, Soldatentrommel und Landsknechtflöte
sowie die spanische Gitarre ein. Farina gab genaue Anweisungen zur
Ausführung, z. B.:
Was das Katzengeschrey anlanget wird folgender gestalt gemacht, daß man
mit einem Finger manchen Ton, da die Noten stehet, mehlichen unterwartz
zu sich zeuhet, da die oberen Semifusen (1/16 Noten] geschrieben seyn, muß
man mit dem Bogen
bald vor, bald hinter
und geschwindeste als
man kann faren, auffdie
weise wie die Katzen
letztlichen, nachdem sie
gebissen und jetzdo auß-
reissen zu thun pflegen.
24
27
Heinrich Schütz
Weib, was weinest du <SWV 443>
Signatur: 2° Ms. Mus. 49x[2
Handschrift Kassel um 1627-32
Aufgeschlagen: Dialogo Per la Pascua del Nostro Saluatore Jesu
Christo con Maria Maddalena Johannis 20 Capit. Composto da
//[enrico] Sag. [ittario]
Der Oster-Dialog „Weib, was weinest du" ist das bekannteste aller Schütz-
Manuskripte. Autograph sind der Kopftitel und der Gesangstext, was dafür
spricht, dass die Handschrift in Dresden begonnen wurde. Die Partitur ist
allerdings schon früh nach Kassel gekommen und weist die Handschrift des
Kasseler Hofmusikers Georg Schimmelpfennig auf. Zwei Continuo-Stimmen
sind Nachträge, die anlässlich späterer Aufführungen unter Michael Hart-
mann (nach 1647) hergestellt wurden. Somit gehörte der Osterdialog noch
lange nach seiner Entstehung zum lebendigen Repertoire der Kasseler
Hofkapelle.
Besonders ist die Tatsache zu bewerten, dass hier ein Partiturblatt er-
halten blieb. Übliche Praxis der Zeit war es, nach der Abschrift in Stimm-
bücher die Partitur zu vernichten.
Moritz von Hessen
Magnificat-Kompositionen
Signatur: 2° Ms. Mus. 2
Handschrift Kassel 1600
Aufgeschlagen: f. 2r Titelblatt (Fotografie); f. 24v und f. 48r
Beeindruckend ist das Format dieses Buches mit zwölf Magnificat-
Vertonungen in den seit dem 16. Jahrhundert üblichen 12 Kirchentönen.
Der Chorbuch-Notierung entsprechend haben die Noten die traditionelle
eckige Form. Als Schreiber ist Andreas Ostermaier identifiziert, seit 1599
Vizekapellmeister und Kopist am landgräflichen Hof.
Sehenswert sind die Drolerien an den Initialen und Schlussstrichen. Aus
der mittelalterlichen Kunst sind Drolerien als derb-lustige, grotesk über-
zeichnete Darstellungen von Menschen, Fabelwesen und Tieren bekannt.
Sie finden sich sowohl in der Buchmalerei, als auch in der plastischen
Kunst. Auf dem Papier waren Drolerien also mittelalterliche Karikaturen.
Die heute bekanntesten Drolerien sind an gotischen Kirchen erhalten
geblieben, wo sie meist als Wasserspeier an den Traufrinnen fungieren.
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Heinrich Schütz
Veni sancte spiritus <SWV 475>
Handschrift Dresden 1620-1622
Aufgeschlagen: f. lr Organo. ä 4tro Cori. Di //.[enrico] Sag. [ittario].
1 Co. [ro] duoi soprani e Fagotto./2 Co. [ro] duoi Cornetti e Basso Voce./
3 Co. [ro] duoi Tenori e tre trombone. /4 Co. [ro] Alto, Tenore. Violin,
traversa violon.; f. 3r 1. Coro Voce [Sopran 1] Posietieff; f. 6r 2. Coro
veni pater ... Im Chor, f. 10r 3 Coro ... [Tenor 1] Frawn Zimmer, f. 15r
4 Coro. Traversa. Ö Cornetto. Voce 4. (Text Schütz-Autograph) ... L. H.A.
[Landgravii Hassiae Arulae? = Mitglieder des Hofes?]
Die vier Chöre der Motette sind gemischt vokal-instrumental besetzt. Zu
Beginn stellen sie sich nacheinander mit je einer Sequenzstrophe vor, in
ihrer unterschiedlichen Stimmenzahl, Stimmlage und Klangfarbe. Das
Besondere der Kompositionsanlage ist, dass alle Chöre völlig gleichberech-
tigt gestaltet sind, ein bei Schütz sonst nicht zu beobachtendes Verfahren.
Die Begeisterung Moritz von Hessens für die Mehrchörigkeit findet ihren
Ausdruck in handschriftlichen Weisungen, die er in Noten eingetragen hat.
Auch im Fall dieser Kasseler Handschrift hat er sich aktiv mit der Auf-
führungspraxis mehrchörigen Musizierens auseinander gesetzt. Hier legte
Moritz sogar fest, wo die einzelnen Chöre innerhalb des Kirchenraumes auf-
zustellen waren: der erste Chor am Posietieff, der zweite Chor Im Chor, der
dritte Chor bei den Frawn Zimmern (getrennte Sitzpositionen von Frauen
und Männern) und der vierte Chor L. H. A., was möglicherweise bedeutet
Landgravii Hassiae Arulae, für Mitglieder des Landgräflichen Hofes. Damit
könnte die Seite im Kirchenraum gemeint gewesen sein, auf der die Männer
Platz nahmen.
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Georg Otto
Deutsches Magnificat (Meine Seele).
Signatur: 2° Ms. mus. 55p
Handschrift Kassel 1607
Aufgeschlagen: f. lr mit Moritz von Hessens eigenhändigen
Besetzungsangaben: Dieß Concert soll Uff drey Chor/der Erst mit
vier vocibus vivis,/der ander mit drey stillen zinken,/der dritte mit
drey Posaunen/und bey Jedem Chor ein stimme wie notirt/Auch pro
capella drey discant geygen ins Complet/wird mit 8 od[er] 12 gehet
gemacht werden ... ; f. 10r Vox Suprema Tertij Chori. a.12., sowie von
der Hand Moritz von Hessens: Christoff Kegell r[enor].
Es hat den Anschein, als sei für Georg Otto im Jahr 1607 die Kapell-
meisterpraxis am Kasseler Hof noch einigermaßen erträglich gewesen.
Jedenfalls verrät die Widmung an den Landgrafen, die er seinem „Deut-
schen Magnificat" vorausschickte, noch nichts von den Nöten, die in der
Widmung von 1610 ihren Niederschlag fanden (siehe Nr. 28). Die Über-
setzung lautet: „Der Lobgesang Mariens. Komponiert mit 12 Stimmen zu
drei Chören. Gewidmet dem [...] Landgrafen Moritz als Gratulation zur
Geburt des berühmten Helden"; gemeint war Moritz' nicht sonderlich
bedeutender Sohn Hermann (1607-58). Ottos offensichtliche Konversion
zum Gabrieli-Stil scheint Moritz gefallen zu haben. Nur so lässt es sich
erklären, dass er die Aufführung des Stückes selbst in die Hand nahm. Auf
jeder Stimme vermerkte er, mit welchem Instrument, mit welchem Spieler
oder Sänger sie zu besetzen sei. Auf dem ersten Blatt (f. lr) notierte er
sein generelles Besetzungskonzept. [C. G.J
27
31
Georg Schimmelpfennig
Madrigale ä voce sola.
Signatur: Israel-Anhang 6
Handschrift Kassel 1615
Aufgeschlagen: f. 2r Titelblatt (Fotografie), f. 5v-6r Amor ti dico
Datiert sind die Madrigale ä voce sola 1615. Zu dieser Zeit war Schimmel-
pfennig nach einem Jurastudium in Marburg wieder am Kasseler Hof als
Altist tätig. Die italienischen Texte der elf Stücke dichtete Elisabeth von
Hessen und sind ihrem „II primo et secondo libro di Madrigali" (siehe
Nr. 32) entnommen. Georg Schimmelpfennig vertonte sie als Sologesänge
mit Generalbass. Die Anlage der Kompositionen lässt vermuten, dass die
Stücke zum Eigenbedarf gedacht und die musikalisch-praktischen Fähig-
keiten der Beteiligten vergleichbar gewesen sein dürften. Demnach war
Elisabeth eine gut geschulte Musikerin und Sängerin, die dem Berufssänger
Schimmelpfennig in der praktischen Musikausübung nicht nachstand.
Mit der Wahl der Form des Madrigalliedes ging Schimmelpfennig avant-
gardistische Wege. Drucke oder Abschriften von Generalbassliedern sind
im ansonsten modernen Repertoire der Kasseler Hofkapelle kaum zu fin-
den. Seine Vorliebe galt der Klangpracht der Mehrstimmigkeit nach dem
Vorbild Giovanni Gabrielis.
Elisabeth von Hessen
11 primo et secondo libro di Madrigali [...]
Signatur: 4° Ms. Poet. 13
Handschrift Kassel 17. Jh. Anfang
Einband: weißer Pergamenteinband, vorne landgräfliches Wappen
(oval, vergoldet), hinten Motivstempel Fortuna (oval, vergoldet),
Blattschnitt vergoldet, verziert. Aufgeschlagen: f. 29v-30r A Dio
all’Dio d'Amore. 47. Amor ti dico a Dio.
Elisabeth erhielt auf Veranlassung ihres Vaters eine sorgfältige und umfas-
sende Erziehung. So lernte sie lateinisch, spanisch, italienisch, franzö-
sisch, wurde in Geometrie und Dialektik unterrichtet. Sie war offensicht-
lich eine ebenso begabte Lautenistin wie ihr Vater. Ihre guten Sprach-
kenntnisse im Italienischen stellte sie durch eine große Anzahl von
Gedichten unter Beweis, deren Niveau recht beachtlich ist. „II primo et il
secondo libro di Madrigali" beinhaltet Abschriften von 200 Madrigalen
sowie 16 Canzonetten, die Elisabeth selbst geschrieben hat, unter dem
Titel: „Canzonette, nuovamente composte etc." Amore ti dico A Dio ist die
Textvorlage für das Madrigal Georg Schimmelpfennigs (siehe Nr. 31).
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33
Elisabeth von Hessen
Lautenbuch
Signatur: 4° Ms. Mus. 108.1
Handschrift Kassel 1609-1611
Einband: Pergament, beidseits Blütenstempeln und Ornament-
rollenstempel. Auf dem vorderen Deckel großer Ornamentplatten-
stempel vergoldet, auf dem Hinterdeckel das landgräfliche Wappen
(Plattenstempel, vergoldet). Beide Deckel: herausgestanzte Blüten-
muster mit rosafarbener Seide unterlegt. Ornamentierter Gold-
schnitt. Aufgeschlagen: f. 98v-99r Serabande, galliard P R
(Autograph von Elisabeth von Hessen)
Liure de tableture de Ihut pour Madame Elisabett princesse de hessen/
Commence par Victor de montbuysson; le dernier Januier 1611 heißt es auf
Blatt 54r. Das Lautenbuch enthält eine Sammlung von Stücken für Laute
solo in Form freier Instrumentalsätze und Tänze, sowie deutscher, franzö-
sischer und italienischer Lieder mit Lautenbegleitung und General-
basslieder. Als Schreiber identifiziert sind: Victor de Montbuysson (seit
1598 fest angestellter Hoflautenist und Lehrer), Georg Schimmelpfennig
(seit 1598 als Kapellknabe ebenfalls Mitglied der Hofkapelle) und Elisabeth
von Hessen, die älteste Tochter von Landgraf Moritz. Ihr diente es als pri-
vates Spiel- und Übungsbuch und es befand sich in ihrem Privatbesitz.
In musikalischen Fragen kannten die Mitglieder der landgräflichen
Familie offenbar keine Berührungsängste mit Untergebenen. Wie ihr
Vater, der regen musikalischen Gedankenaustausch mit seinen Kammer-
dienern pflegte, stand Elisabeth in engem Kontakt mit Ausbildern und
Mitschülern. Dies macht auch das Lautenbuch deutlich. - Die besondere
Seelenverwandtschaft zwischen Elisabeth und Georg Schimmelpfennig
zeigte sich ebenfalls in der später entstandenen Madrigalsammlung
„Madrigale ä voce sola" (siehe Nr. 31). Das äußere Erscheinungsbild des
Lautenbuches weist auf die vornehme Abstammung der Besitzerin hin und
hebt es von einem reinen Studienheft ab.
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Valentin Geuck
MVSICA. methodice conscripta & in ordinem brevem redacta:
Autore Valentino Geucio Jll: Land: Hassiae: Mauritij etc.
cubiculario. Post mortem autoris Edita Cassellis 1598.
Signatur: 8° Ms. math. 5
Handschrift Kassel 1596-97
Aufgeschlagen: f. 2r Titelblatt (Fotografie]; f. 37v-38r Ad[Anno]
1596: 3 Novemb: obiit, autor cujus lucubrationes discipuloru, aliquis
perlustrans opus continuavit anno 1597. (Autograph Landgraf Moritz)
Die musiktheoretische Schrift Geucks ist ebenso wie seine Motetten-
sammlung „Novum et insigne opus" (siehe Nr. 5) durch seinen frühen Tod
unvollendet geblieben und wurde wiederum von Landgraf Moritz kom-
plettiert. Der weitaus größte Teil der Handschrift stammt von Landgraf
Moritz, dessen inhaltliche Beteiligung zwar nicht bekannt, aber voraus-
zusetzen ist.
Der formale Aufbau der „Musica" stimmt mit dem einer „Poetices metho-
dice conformatae" von Moritz überein, die erstmals 1598 als Leitfaden der
Poetik bei Wessel in Kassel erschien und bis 1752 sieben Auflagen erlebte.
Die Methode, die der Landgraf in beiden Fällen benutzte, geht auf Petrus
Ramus zurück, den Moritz glühend verehrte und dessen Unterrichts-
methode die Lehrer am Mauritianum anzuwenden hatten. Das Prinzip des
Ramus besagte, daß der allgemeine Satz, die Definition, am Anfang zu
stehen habe. Ihm müsste der in Einzelheiten gegliederte Stoff folgen.
30
Heinrich Schütz
Psalmen Davids Sampt Etlichen Moteten
und Concerten mit acht und mehr Stimmen [...]
Dresden 1619. <SWV 22-47>
Signatur: 2° Mus. 23
Aufgeschlagen: Tenor I: f. lr Titelblatt; Cantus I: f. lr Beginn der
Widmung an Kurfürst Johann Georg [I.], Herzog zu Sachsen, Dresden
1. Juni 1619; Alto I: f. 29v-30r XXVI. Concerto ä 12. Chori duarum
Vocum, mit Hinweisen auf Stimmeneinsätze wie Coro di Liuti und
Capelia sowie dynamischen Anweisungen wie Piano oder Forte.
Die „Psalmen Davids" sind die erste große Drucksammlung geistlicher
Werke von Heinrich Schütz. Gerade zum Dresdner Hofkapellmeister
ernannt, widmete er sie seinem Dienstherrn, Kurfürst Johann Georg. Als
Datum wählte Schütz den Tag seiner Hochzeit mit Magdalena Wildeck
[1. Juni 1619).
Die Sammlung enthält acht- bis zwölfstimmige Psalmvertonungen, setzt
sich also mit jener Neuerung auseinander, die in Venedig bereits intensiv
gepflegt wurde: dem mehrchörigen, instrumental gestützten Musizieren in
Concertmanier. Durch die deutliche Erweiterung des Aufführungsappa-
rates entstand ein neuer überwältigender Klang. Seine Kunst, den Sinn-
und Affektgehalt eines Textes musikalisch auszudrücken, beruhte auf der
Musiksprache des Madrigals, die er bei Gabrieli erlernt hatte. Das Charak-
teristische seiner Musik liegt in der Nachbildung des Sprachakzents des
Textes, den er wie im Madrigal mittels deklamatorischer Rhythmik und
Melodik gestaltete. Seine Bild- und Ausdruckshaftigkeit findet breite
Wirkung in Figur und Klang. Die formale Struktur der musikalischen
Themen, die Wahl der Satzart und ihrer Besetzung trägt dazu bei, dass die
Psalmen höchst gelungene Kunstwerke sind. Schütz wurde so zum In-
begriff des „Musicus poeticus" im Sinne der barocken Musikanschauung.
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Michael Praetorius
ConcertGesang ä 2. 4. 5. 7. 8. 9. 11. 12. et 16. Vocibus.
Wolfenbüttel 1617.
Signatur: 2° Mus. 32f
Aufgeschlagen: f. lr Titelblatt (Fotografie); f. 14v-l 5r Christ unser
Herr zum Jordan kam, Stimmblatt Octavus.
Michael Praetorius (1571-1621) studierte zunächst Theologie und
Philosophie in Frankfurt / Oder. Mit etwa 14 Jahren wurde er dort auch
Organist der Universitätskirche. Er verließ Frankfurt 1589 ohne Studien-
abschluss aus unbekannten Gründen. Seit etwa 1594 war er Kammer-
organist Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburgs und ab
1604 Hofkapellmeister. Aufgrund der engen familiären Verbindungen zwi-
schen dem Wolfenbütteler Hof und dem Kurfürstlichen Hof in Dresden gab
es häufiger Anlässe zu Reisen dorthin. Nach dem Tode des Herzogs wech-
selte er 1613 nach Dresden als „Capellmeister von Haus aus", blieb aber
gleichzeitig in seiner Wolfenbütteler Bestallung.
Praetorius Werk ist von besonderer Bedeutung für das musikalische
Leben in den Zentren des deutschen Protestantismus. Dabei wird eine
lebendige Textausdeutung das besondere Ziel der Reformation. Als
Kapellmeister des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg
schuf Praetorius ein breit gefächertes Kapellrepertoire, das den Bedürf-
nissen der Zeit entsprach. Der theologische Aspekt seines Schaffens wird
besonders deutlich in seinem neunteiligen Werk „Musae Sioniae" (1605ff).
Die Taufkantate „Christ unser Herr zum Jordan kam" komponierte
Praetorius aus Anlass der Taufe Friedrichs, des 13. Kindes Moritz von
Hessens aus dessen zweiter Ehe mit Juliane von Nassau-Dillenburg. Der
sogenannte „ConcertGesang" ist den Eltern gewidmet. Die umfangreiche
Besetzung entspricht dem Anlass, einer festlichen Aufführung.
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