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Haus - Märchen.
Gesammelt
durch
die Brüder Grimm.
kt
Berlin,
in der Realschulbuchhandlung.
i 8 » 2.
Vorrede.
33ir finden es wohl, wenn Sturm oder
anderes Unglück, vom Himmel geschickt, eine
ganze Saat zu Boden geschlagen, daß noch
bei niedrigen Hecken oder Strauchen, die
am Wege stehen, ein kleiner Platz sich ge-
sichert und einzelne Aehren aufrecht geblie-
ben sind. Scheint dann die Sonne wieder
günstig, so wachsen sie einsam und unbeach-
tet fort, keine frühe Sichel schneidet sie für
die großen Vorrathskammern, aber im Spät-
sommer, wenn sie reif und voll geworden,
kommen arme, fromme Hände, die sie su-
chen; und Aehre an Aehre gelegt, sorgfältig
gebunden und höher geachtet, als ganze
Garben, werden sie heimgetragen und Win-
terlang sind sie Nahrung, vielleicht auch der
einzige Samen für die Zukunft. So ist es
uns, wenn wir den Reichthum deutscher
Dichtung in frühen Zeiten betrachten, und
— yi
dann sehen, daß von so vielem nichts leben-
dig sich erhalten, selbst die Erinnerung dar-
an verloren war, ynd nur Volkslieder, und
diese unschuldigen Hausmärchen übrig ge-
blieben sinh. Die Platze am Ofen, der Kä-
chenheerd, Bodentreppen, Feiertage noch ge-
feiert, Triften und Wälder in ihrer Stille,
vor allem die ungetrübte Phantasie sind die
Hecken gewesen, die sie gesichert und einer
Zeit aus der andern überliefert haben.
So denken wir jetzt, nachdem wir diese
Sammlung übersehen; anfangs glaubten wir
auch hier schon vieles zu Grund gegangen,
und nur die Märchen noch allein übrig, die
uns etwa selbst bewußt, und die nur ab-
weichend, wie es immer geschieht, von an-
dern erzählt würden. Aber aufmerksam auf
alles, was von der Poesie wirklich noch da
ist, wollten wir auch dieses abweichende
kennen, und da zeigte sich dennoch manches
neue und ohne eben im Stand zu seyn, sehr
weit herum zu fragen, wuchs unsre Samm-
lung von Jahr zu Jahr, daß sie uns jetzt,
nachdem etwa fechse verflossen, reich er-
scheint; dabei begreifen wir, daß uns noch
manches fehlen mag, doch freut uns auch
VH
der Gedanke, das meiste und beste zu be-
sitzen. Alles ist mit wenigen bemerkten Aus-
nahmen fast nur in Hessen und den Main-
und Kinziggegenden in der Grafschaft Ha-
nau, wo wir her sind, nach mündlicher Ue-
berlieferung gesammelt; darum knüpft sich
uns an jedes Einzelne noch eine angenehme
Erinnerung. Wenig Bücher sind mit solcher
Lust entstanden, und wir sagen gern hier
noch einmal öffentlich Allen Dank, die Theil
daran haben.
Es war vielleicht gerade Zeit, diese
Märchen festzuhalten, da diejenigen, die sie
bewahren sollen, immer seltner werden (frei-
lich, die sie noch wissen, wissen auch recht
viel, weil die Menschen ihnen absterben, sie
nicht den Menschen), denn die Sitte darin
nimmt selber immer mehr ab, wie alle heim-
lichen Platze in Wohnungen und Gärten ei-
ner leeren Prächtigkeit weichen, die dem Lä-
cheln gleicht, womit man von ihnen spricht,
welches vornehm aussieht und doch so we-
nig kostet. Wo sie noch da sind, da leben
sie so, daß man nicht daran denkt, ob sic
gut oder schlecht sind, poetisch oder abge-
schmackt, man weiß sie und liebt sie, weil
—- Till —-
man sie eben so empfangen hat, und freut
sich daran ohne einen Grund dafür: so herr-
lich ist die Sitte, ja auch das hat diese
Poesie mit allem unvergänglichen gemein,
Laß man ihr selbst gegen einen andern Wil-
len geneigt seyn muß. Leicht wird man
übrigens bemerken, daß sie nur da gehaftet,
wo überhaupt eine regere Empfänglichkeit
für Poesie oder eine noch nicht von den Ver-
kehrtheiten des Lebens ausgelöschte Phantasie
gewesen. Wir wollen in gleichem Sinn hier
die Märchen nicht rühmen, oder gar gegen
eine entgegengesetzte Meinung vertheidigen:
jenes bloße Daseyn reicht hin, sie zu schüz-
zen. Was so mannichfach und immer wie-
der von neuem erfreut, bewegt und belehrt
hat, das trägt seine Nothwendigkeit in sich,
und ist gewiß aus jener ewigen Quelle ge-
kommen, die alles Leben bethaut, und wenn
auch nur ein einziger Tropfen, den ein klei-
nes zusammenhaltendes Blatt gefaßt, doch
in dem ersten Morgenroth schimmernd.
Innerlich geht durch diese Dichtungen
dieselbe Reinheit, um derentwillen uns Kin-
der so wunderbar und seelig erscheinen; sie
haben gleichsam dieselben bläulich-weißen,
makellosen, glänzenden Augen (in die sich /
die kleinen Kinder selbst so gern greifen *),
die nicht mehr wachsen können, während die
andern Glieder noch zart, schwach, und zum
Dienst der Erde
fach sind die meisten Situationen, daß viele
sie wohl im gefunden, aber wie alle
wahrhaftigen doch immer wieder neu und
ergreifend. Die Eltern haben kein Brod
mehr, und müssen ihre Kinder in dieser Noth
verstoßen, oder eine harte Stiefmutter läßt
sie leiden **), und mögte sie gar zu Grunde
gehen lassen. Dann sind Geschwister in des
*) Fischart GarganiLa i£gb- ,31b,
*») Diese« Verhältniß komm« hier oft vor und ist
wohl die erste Wolke, die an dem blauen Him-
mel eine» Kind« aufsteigt und die ersten Thrä-
nen erpreßt, welche die Menschen nicht sehen,
aber die Engel zählen. Selbst Blumen ha-
ben davon ihren Namen erhalten, die Viola
tricolor heißt Stiefmütterchen, weil jede« der
gelben Blätter unter sich ein schmale«, grüne«
Blättchen ha«, wovon er gehalten wird, da»
sind die Stühle, welche die Mutier ihren rech-
ten lustigen Kindern gegeben; oben müssen die
zwei Stiefkinder, in dunkelviolett trauernd ste,
hen und haben keine Stühle.
Waldes Einsamkeit verlassen, der Wind er-
schreckt sie, Furcht vor den wilden Thieren,
aber sie stehen sich in allen Treuen bei, das
Brüderchen weiß den Weg nach Haus wie-
der zu finden, oder das Schwesterchen, wenn
Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh-
kälbchen und sucht ihm Kräuw^^urid Moos
zum Lager; oder es sitzt schweigend.und
naht ein Hemd aus Sternblumen,/das den
Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die-
ser Welt ist bestimmt abgeschlossen: Kö-
nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche
Handwerker, vor allen Fischer, Müller, Köh-
ler und Hirten, die der Natur am nächsten
geblieben, erscheinen darin; das andere ist
ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in
den Mythen, die von der goldnen Zeit re-
den, ist die ganze Natur belebt, Sonne,
Mond und Sterne sind zugänglich, geben
Geschenke, oder lassen sich wohl gar in Klei-
der weben, in den Bergen arbeiten^ die Zwer-
ge nach dem Metall, in dem Wasser schla-
fen die Nixen, die Vögel, (Tauben sind die
getiebtesten und hülfreichsten), Pflanzen, Stei-
ne reden und wissen ihr Mitgefühl auszu-
drücken, das Blut selber ruft und spricht,
und so übt diese Poesie schon Rechte, wor-
nach die spatere nur in Gleichnissen strebt.
Diese unschuldige Vertraulichkeit des größ-
ten und kleinsten hat eine nnbeschreibliche
Lieblichkeit in sich, und wir mögten lieber
dem Gespräch der Sterne mit einem armen
verlassenen Kind im Wald, als dem Klang
der Sphären zuhören. Alles schöne ist gol-
den und mit Perlen bestreut, selbst goldne
Menschen leben hier, das Unglück aber eine
finstere Gewalt, ein ungeheurer menschenfres-
sender Riese, der doch wieder besiegt wird,
da eine gute Frau zur Seite sieht, welche
die Noth glücklich abzuwenden weiß, und
dieses Epos endigt immer, indem es eine
endlose Freude austhut. Das Böse auch ist
kein kleines, nahstehendcs und das schlech-
teste, weil man sich daran gewöhnen könnte,
sondern etwas entsetzliches, schwarzes, streng
geschiedenes, dem man sich nicht nähern
darf; eben so furchtbar die Strafe desselben:
Schlangen und giftige Würmer verzehren ihr
Opfer, oder in glühenden Eisenschuhen muß
>s sich zu todt tanzen. Vieles trägt auch
eine eigene Bedeutung in sich: die Mutter
wird ihr rechtes Kind in dem Augenblick
XU
wieder im Arme haben, wenn sie den Wech-
felbalg, den ihr die Hausgeister dafür gege-
ben, zum Lachen bringen kann; gleichwie das
Leben des Kindes mit dem Lächeln anfängt
und in der Freude fortwährt, beim Lächeln
im Schlaf aber die Engel mit ihm reden.
So ist eine Viertelstunde täglich über der
Macht des Zaubers, wo die menschliche Ge-
stalt frei hervortritt, als könne uns keine
Gewalt ganz einhüllen, und es gewähre je-
der Tag Minuten, wo der Mensch alles fal-
sche abschüttele und aus sich selbst heraus-
blicke; dagegen aber wird der Zauber auch
nicht ganz gelöst, und ein Schwanenflügel
bleibt statt des Arms, und weil eine Thrä-
ne gefallen, ist ein Auge mit ihr verloren,
oder die weltliche Klugheit wird gedemüthigt
und der Dümmling, von allen verlacht und
hintangesetzt, aber reines Herzens, gewinnt
allein das Glück. In diesen Eigenschaften
aber ist es gegründet, wenn sich so leicht
^aus diesen Märchen eine gute Lehre, eine
Anwendung für die Gegenwart ergiebt; es
,, . , war weder ihr Zweck, noch sind sie darum
^ii/bnw i «xfunden, aber es erwächst daraus, wie eine
ffisj .( gute Frucht aus einer gesunden Blüthe ohne
XUI —
Zuthun der Menschen. Darin bewährt sich
jede ächte Poesie, daß sie niemals ohne Be-
ziehung auf das Leben seyn kann, denn sie
ist aus ihm aufgestiegen und kehrt zu ihm
zurück, wie die Wolken zu ihrer Geburts-
stätte, nachdem sie die Erde getränkt haben.
So erscheint uns das Wesen dieser Dich-
tungen; in ihrer äußeren Natur gleichen sie
aller Volks - und sagenmäßigen: nirgends
feststehend, in jeder Gegend, fast in jedem
Munde, sich umwandelnd, bewahren sie treu
denselben Grund. Indessen unterscheiden sie
sich sehr bestimmt von den eigentlich loca-
len Volks sagen, die an leibhafte Oerter
oder Helden der Geschichte gebunden sind,
deren wir hier keine aufgenommen, wiewohl
viele gesammelt haben, und die wir ein an-
dermal herauszugeben denken. Mehrere
Aeußerungen einer und derselben Sage we-
gen ihrer angenehmen und eigenthümlichen
Abweichungen haben wir einigemal mitge-
theilt, das minder bedeutende in dem An-
hang, überhaupt aber so genau gesammelt,
als uns möglich war. Gewiß ist auch, daß
sich die Märchen in dem Fortgange der Zeit
beständig neu erzeugt, eben darum aber muß
X(V
ihr Grund sehr alt seyn, bei einigen wird
es durch Spuren in Fischart und Rollenha-
gen, die an ihrem Ort bemerkt sind, für bei-
nah drei Jahrhunderte besonders bewiesen;
es ist aber außer Zweifel/ daß sie noch gar
viel alter sind, wenn auch Mangel an Rach-
richten directe Beweise unmöglich macht.
Nur ein einziger, aber fixerer ergiebt sich
aus ihrem ZusaürmeuhäNgÄmit dem großen
Heldenepos und jfev einheimischen Thierfabel,
welchen auszuführen natürlich hier der Ort
Nicht war, einiges ist jedoch im Anhang
gleichfalls darüber gesagt worden.
Weil diese Poesie dem ersten und ein-
fachsten Leben so nah liegt, so sehen wir da-
rin den Grund ihrer allgemeinen Verbrei-
tung, denn es giebt wohl kein Volk, wel-
ches sie ganz entbehrt. Selbst die Neger
im westlichen Afrika vergnügen ihre Kin-
der mit Erzählungen, und von den Grie-
chen sagt es Strabo ausdrücklich (Man wird
dies Zeugniß am Ende finden bei den an-
dern, welche beweisen, wie sehr diejenigen,
die gewußt, was eine solche unmittelbar zum
Herzen, redende Stimme werth ist, solche
Märchen geschätzt haben). Noch ein ande-
ä'J ■h - SO- ()0 C"J
rer höchst merkwürdiger Umstand erklärt sich
daraus, nämlich die große Ausbreitung die-
ser deutschen. Sie erreichen hierin nicht
bloß die Heldensagen von Siegfried dem
Drachentödter, sondern sie übertreffen diese
sogar, indem wir sie, und genau dieselben,
durch ganz Europa verbreitet finden, so daß
sich in ihnen eine Verwandtschaft der edel-
sten Völker offenbart. Aus dem Norden
kennen wir nur die dänischen Kämpe-Vifer,
die vieles hierhergehörige enthalten, wenn
gleich schon als Lied, welches nicht mehr
ganz für Kinder paßt, weil es gesungen
seyn will/ doch läßt sich hier die Gränze
eben so wenig genau angeben, als zu der
ernsthafteren, historischen Sage, und es giebt
allerdings Vereinigungspuncte. England be-
sitzt die Tabartische eben nicht sehr reiche
Sammlung, aber welche Reichthümer von
mündlicher Sage müssen in Wallis, Schott-
land und Irland noch vorhanden seyn, er-
steres hat in seinen^ (jetzt gedruckten) Ma-
binogion allein einen wahren Schatz. Auf
eine ähnliche Weise sind Norwegen, Schwe-
den und Dänemark reich geblieben, weniger
vielleicht die südlichen Länder; aus Spanien
xvr
ist uns nichts bewußt, doch läßt eine Stelle
des Cervantes über das Daseyn und Erzäh-
len der Märchen keinen Zweifel *). Frank-
reich hat gewiß noch jetzt mehr, als was
Charles Perrault mittheilte, der allein sie
noch als Kindermärchen behandelte (nicht
feine schlechteren Nachahmer, die Aulnoi,
Murat); er giebt nur neun, freilich die be-
kanntesten, die auch zu den schönsten gehö-
ren. Sein Verdienst besteht darin, daß er
nichts hinzugesetzt und die Sachen an sich,
Kleinigkeiten abgerechnet, unverändert gelas-
sen; seine Darstellung verdient nur das Lob,
so einfach zu seyn, als es ihm möglich war;
an sich ist der französischen Sprache, die sich
ihrer jetzigen Bildung nach, fast wie von
selbst zu epigrammatischen Wendungen und
ftin-
*) — y iquellas (cosas) que ä ti te deren pare-
cer profecias, no son siiio palabras de coh-
sejas, o cuentos de viejas, como aquel*
los del cavallo sin cabe§a, y de la
varilla de virtudes, con que se en*
tretienen al, fuego las dilatadas noch«*
del invierno. £
Colloq. entr« vp* f Berg*
feingeschnitztem Dialog jnsammenkräuselt(man
sehe nur das Gespräch zwischen Biquet ä Ja
houpe und der dummen Prinzessin, so wie
das Ende von perlt poucer), wohl nichts
schwerer, als naiv und gerad, das heißt in
der That, nicht mit der Pratension darauf,
Kindermärchen zu erzählen; außerdem sind
sie manchmal unnöthig gedehnt und breit.
Eine Analyse, die vor einer Ausgabe steht,
sieht es so an, als habe Perrault sie zuerst
erfunden, und von ihm (geb. 165z, gestor-
ben 170:3.) seyen sie zuerst unter das Volk
gekommen; bei dem Däumling wird sogar
eine absichtliche Nachahmung Homers be-
hauptet, welche Kindern die Noth des Odys-
seus beim Polyphem habe verständlich ma-
chen wollen; eine bessere Ansicht hat Iohan-
neau. Reicher als alle anderen sind altere
italiänische Sammlungen, erstlich in den
Nachten des Straparola, die manches gute
enthalten, dann aber besonders im Penta-
merone des Bastle, einem in Italien eben so
bekannten und beliebten, als in Deutschland
seltenen und unbekannten, ijt neapolitanischen
Dialect geschriebenen, und in jeder Hinsicht
vortrefflichen Buch. Der Inhalt ist fast oh"
Kindermärchen. b
— xviit —
ne Lücke und falsche:: Zusatz, der Stil über-
fließend in guten Reden und Sprächen. Es
ganz lebendig zu übersetzen gehörte ein Fi-
schart *) und sein Zeitalter dazu; wir den-
ken es indessen in dem zweiten Band der
vorliegenden Sammlung zu verdeutschen, wo-
rin auch alles andere, was fremde Quellen
gewahren, seinen Platz finden soll.
Wir haben uns bemüht, diese Märchen
so rein als möglich war aufzufassen, man
wird in vielen die Erzählung von Reimen
und Versen unterbrochen finden, die sogar
manchmal deutlich alliteriren, beim Erzählen
aber niemals gesungen werden, und gerade
diese sind die ältesten und besten. Kein Um-
stand ist hinzugedichtet oder verschönert und
abgeändert worden, denn wir hätten uns
gescheut, in sich selbst so reiche Sagen mit
ihrer eigenen Analogie oder Reminiscenz zu
vergrößern, sic sind unerfindlich. In die-
*) Welch ein viel besseres Märchenbuch als da«
nnsrige hätte dieser mit der damaligen Spra»
che und mit seinem bewunderungswürdigen Ge<
dächtniß aufschreiben können, wenn er ander«
den Werth einer getreuen, ungefälschien Auf»
zeichnung erkannt hätte.
sem Sinne existirt noch keine Sammlung in
Deutschland, man hat sie fast immer nur
als Stoff benutzt, um größere Erzählungen
daraus zu machen, die willkuhrlich erweitert,
verändert, was sie auch sonst werth seyn
konnten, doch immer den Kindern das Ihri-
ge aus den Händen rissen, und ihnen nichts
dafür gaben. Selbst wer an sie gedacht,
konnte es doch nicht lassen, Manieren, wel-
che die Zeitpoesie gab, hineinzumischen; fast
immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln
gefehlt und ein paar wenige, zufällig etwa
aufgefaßte, wurden sogleich mitgetheilt *).
*) Musäu« und Räubert verarbeiteten meist,
wa« wir vorhin Localsage nannten, der viel
schätzbarere Oimar nur lauter solche; eine
Erfurter Sammlung von »787 ist arm, eine
Leipziger von »799. gehört nur halb hierher,
wiewohl sie nicht ganz schlecht zu nennen, eine
Brau 11 schweizer von >801. unter diesen die
reichste, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton.
Au« der neusten Büsch ingischen war für
uns nickt« zu nehmen, ausdrücklich aber muß
noch bemerkt werden, daß eine vok ein paar
Jahren von einem Namcnsvcrwandrcn A. L.
Grimm unter dem Titeln Kindermärchen zu
Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl
b 2
Itäfl
XX
Wären wir so glücklich gewesen, sie m einem
recht bestimmten Dialert erzählen zu können,
so zweifeln wir nicht, würden sie viel ge-
wonnen haben; es ist hier ein Fall, wo alle
erlangte Bildung, Feinheit und Kunst der
Sprache zu Schanden wird , und wo man
fühlt, daß eine gelauterte Schriftsprache, so
gewandt sie in allem andern seyn mag, Hel-
gerathene, Sammlung mit uns und der unsri,
gen gar nichts gemein hat.
Die eben ausgegebenen Wintermärchen
vom Gevatter Johann (Jenab. Voigt j8*3-)
sind nur dem Titel nach neu, und schon vor
zehn Jahren erschienen. Sie haben mit der
Leipziger Sammlung einen Verfasser, der sich
auch Peter Kling nennt, und sind in derselben
Manier geschrieben. Nur das sechste und zum
Theil das^fünfte Märchen haben Werth, die an-
dern sind ohne Kern und, bis auf wenige Ein-
zelheiten^ hohle Erfindungen.
Wir bitten jeden, dem Gelegenheit und Nei-
gung es möglich macht, dieses Buch im Einzel-
nen zu verbessern, die Fragmente zu ergänzen,
besonders aber neue und sonderlich Thier-Mär-
chen zu sammeln. Für solche Mittheilungen
würden wir sehr dankbar seyn, und durch den
Verleger oder durch die Buchhandlungen in Göt-
tingen, Cassel und Marburg sie am besten erhalten.
XXI
(er und durchsichtiger aber auch schmackloser
geworden, und nicht mehr fest an den Kern
sich schließe.
Wir übergeben dies Buch wohlwollen-
den Handen, dabei denken wir überhaupt an
die segnende Kraft, die in diesen liegt, und
wünschen, daß denen, welche-dieft-Brosamen föxj*'
der Poesie Armen und Genügsamen nicht gön-
nen, es gänzlich verborgen bleiben möge.
Cassel, am iZten October *3*2.
I
1iAsTlCl
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vf. X.^. 'la'duss tLMOjoi faieMaA
tdrfHm/ jDrti&ürMjJwttduAÄ / Tb&rf'
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OiTOsK JfrnMno
rrt m%H)uAn eAvhlt&nJv • ‘ * Codd\4i^<Vf\A
/„ (^X^(XM‘
«— XXII -----
Zeugnisse für Kindermärchen.
Grrabo I, 2. §. 3. ed* ^620. p. 19.
„Wir erzählen den Kindern, um sie zu ermun-
tern, angenehme Geschichten, und um sic abzuhal-
ten, schreckliche Märchen, wie die von der Lamia,
der Gorgone, von EphiaUes und Mormolyk."
Lamia, eine Frau, welche Kinder fraß. Gor-
gone, eine Frau mit Schtangenhaaren, eher-
nen Handen und Zahnen, so groß wie Eber-
hauer, ihr Anblick tödrete und versteinerte,
/rvw Ephialtes, ein himmelstärmender Riefe, der
den Offa auf den Olymp, den Pelion auf den
Offa fetzte. Die Mormolyken sind Geister
und Gespenster,
Lu ther hat gesagt:
„Ich mögt' mich der wundersamen Historien, so
ich aus za ter Kindheit herüber genommen,
oder auch, wie sie mir vorkommen sind in
meinem Leben, nicht enrschlagen, um kein
Gold,"
Doctor Luther hat seine Mühe an den alten
und verunreinigten Esopum legen und seinen
Deutschen ein verneuertes und geschwerres
Marleinbuch zurichten wollen, daran derZeit
viel guter Leut ein sondere- Gefallen trugen,
— aber, weil sich der theure Mann an der
Biblia neben viel Predigen und Schreiben ab-
gearbeitet, verblieb dies angefangene Werk,
welches Anfang gleichwohl Magister Georg
Rörer hernachmalö in den neunten Theil der
{iwest-l !/. X ejo t4 ’naswa Aiombü. !ej>QiA
--XXIU —
deutschen Bücher Lurheri hat bringen lassen.
— Im schönen Hyfpsalm---------gedenkt der
Doctor des Affen, so Holzspalten wollte und
des Keils vergaß, und da er die Axt auszog
darüber zu Schanden kam. Er gedenkt auch
des Frosches, so auf dem Heller saß und sich
rühmet, Geld brachte Ehre.
Ueber Tisch hab ich erliche gute Fabeln von
ihm gehört, als von der Krähe, so die Affen
strafte, die aus einem Johanneswürmchen Feuer
blasen wollten, und darüber ihren Kopf ver-
lor. (Eine nicht unbekannte Fabel, die z. B.
in Walchs decas fab. steht.)
Schuppn Schriften. Fabul-Hans. S. 530.
Johannes Müller.
„Man s llte die Weisheit der Völker, bei denen
man lebt, in ihrer mannichfaltigen Gestalt,
selbst in Liedern,
guL8 sä ignem aniculae
narrant puellis,
aufspüren und in Umlauf bringen."
(Histor. Cririk I. 245.)
W, Scott, In den Anmerkungen zu seinem Ge-
dicht Lady of the lake.Edinb, igio. p.392.
,,A work of great interest might be com.
piled upon the origine of populär fictipn and
the transmissian of similar tales from age to age
and from countryto country. The mythology of
one period would then appear to pass into the
romance of the next Century, and that into the
nursery - tale of the subsec[uent ages. Such an
F
An
Lu 4m fyiwM ^
bws TenAi/A L An fvJj &V Msh
— XXiV —
Investigation, wiiile it went greatly to dimi-
nish our ideas of the ricliness of human inven-
tion would also shew, that diese fictions, how-
ever wild and cliildish. possess such cliarms
for the populace, as enable tliem to penetrate
into countries unconnected by manners and
language and having no apparent intercourse
tho afFord the means of transmission. 1t would
carry me far beyond my bounds, to produce
liutances of this Community of fable, among
Nation8, who never borrowed from each other
*ny thing intrinsically worth learning. Indeed
the wide diffusion of populär ßctions may be
compared to the facility, with wich straws and
feathers are dispersed abroad by the wind, while
valuable metals cannut be transported with-
cut trouble and lab our. There lives, I belie-
ße, only one gentleman. whose unlimited ac-
«juaintance with this subiect miglit enable him
to do it justice; I mean my friend, Mr. Fran-
cis Douce, of the british museum, whose
usual Kindness- will I hope pardon my mentio-
ning Iiis name, whilejon a Subject so closely
connected with his extensive and curious re-
searches."
Eloi Johanne» u. Mera. de l’acad. celti-
que. I. 162.
„On connait aussi les contes de fees, du
chat hotte et du petit Poucet avec ses
bottes de 7. lieues, contes populaires de
la plus haute antiquite, qui ne sont point
de rinvention de Peirault."
Inhalt.
4
y. chv mmS 3. Z 33,^3^
U
I n h a l r.
1. Der Froschkönig oder der eiserne Heim
rich . . Seite »
L. Katz und Mau- in Gesellschaft — 6
Z. Marienkind . . — Z
4. Gut Kegel- und Kartenspiel . — 14
5. Der Wolf und die sieben junge Geise-
lein . . . -- 17
• 6. Von der Nachtigall und der Blind-
schleiche , . . — 20
7. Von dem gestohlenen Heller . — st
• 8- Die Hand mit dem Messer . — 2z
9. Die zwölf Brüder . . — 24
ro. Das Lumpengesindel . — 30
11. Brüderchen und Schwesterchen — 33
12. Rapunzel. . . — 38
iz. Die drei Männlein im Walde — 43
14. Von dem bösen Flachsspinnen —• 47
15. Hansel und Gretel . . —- 49
16. Herr Fix und Fertig . — 58
17. Die weiße Schlange . — 63
13. Strohhalm, Kohle und Bohne auf der
Reise . . . — 67
19. Van den Fischer un siine Fru — 6g
20. Von einem tapfern Schneider — 77
-- XXVI
2r. Aschenputtel . . Seite LZ
22. Wie Kinder Schlachtene mit einander
gespielt haben * . — 101
2z. Von dem Mäuschen, Vögelchen und der
Bratwurst . « — 104
24. Frau Holle - * — 106
25. Die drei Raben . . — no
26. Rothkappchen - . ~ 113
27. Der Tod und der Ganshirt . — 118
2g. Der singende Knochen . — 119
29. Von dem Teufel mit drei goldenen
Haaren. - . . — 122
30. Lauschen und Flöhchen . — 130
31. Mädchen ohne Hände . — 132
52. Der gescheidte Hans * — 138
33. Der gestiefelte Kater . — 147
34. Hansens Trine - . — 155
35. Der Sperling und seine vier Kinder — 156
56. Von dem Tischgen deck dich, dem Gold/
esel und dem Knüppel in den Sack — 161
37. Von der Serviette, dem Tornister, dem
Äanonenhütlein und dem Horn — 172
38. Von der Frau Füchsin . — 176
39. Von den Wichtelmännern . — ißo
I. Von dem Schuster, dem sie die Ar-
beit gemacht . . — ebd.
II. Von einem Dienstmädchen, das Ge-
vatter bei ihnen gestanden — 182
III. Von einer Frau, der sie das Kind
verrauscht haben . — ,83
40. Der Räuberbräutigam . — 184
— xxvn
41. Herr Korbes . Seite ! »87
42. Der Herr Gevatter . — 189
43. Die wunderliche Gasterei . — 191
44. Der Gevatter Tod . — >93
45. Des Schneiders Daumerling Wander- schaft . . — >95
46. Firchers Vogel — 200
47. Van den Machandel-Boom — 203
43. Der alte Sultan . — 217
49. Die sechs Schwane . — 220
50. Dornröschen 223
51. Vom Fundevogel « . — 229
52. König Droßelbart. . — *53
5z. Sneewittchen (Schneeweißchen) — 238
54. Hans Dumm — 250
55. Rumpelstilzchen , — 253
56. Der Liebste Roland — 255
67. Vom goldnen Vogel . — 260
53. Vom treuen Gevatter Sperling — 270
59. Prinz Schwan * . — 273
60. Das Goldei » — 278
61. Von dem Schneider, der" wurde . bald reich 280
62. Blaubart t —. 285
63. Goldkinder m — *9°
64. Von dem Dümmling * — 294
I. Die weiße Taube -- ebd.
II. Die Bienenkönigin • — 296
III. Die drei Federn — 300
IV. Die goldene Gans — 303
65. Allerlei-Rauh . — 3°8
—- xxvm —~
66. Hurleburlebutz . Seite 316
67. Der König mit dem Löwen . — 320
6g. Von dem Sommer- und Wintergarten — 325
69. Iorinde und Zoringel . — 323
70. Der Okerlo . . — 332
7». Prinzessin Mausehaut . — 336
72. Das Birnli will nit fallen . — 3Ä
73. Das Mordschloß . . --340
74» Von Johannes-Waffersprung und Cas-
par -Wassersprung . -- 343
75. Vogel Phönix . . — 843
76. Die Nelke . . — 350
77. Vom Schreiner und Drechsler — 354
78. Der alte Großvater und der Enkel — 355
79. Die Waffernix . . — 356
80. Von dem Tod des Hühnchens — 353
8*. Der Schmidt und der Teufel — 360
82. Die drei Schwestern . — 360
83. Das arme Mädchen . — 382
84- Die Schwiegermutter . — 383
85. Fragmente . . 535
a) Schneeblume * - — ebd.
b) Prinzessin mit der Laus . — 386
«) Vom Prinz Johannes . — ebd.
4) Das gute Pflaster . — 387
4. Der
1.
Der Froschkönig oder der eiserne
Heinrich.
Es war einmal eine Königstochter, die ging
% hinaus in den Wald und se^te sich an einen
kühlen Brunnen. Sie hatte« eme goldene Ku-
gel, die war ihr liebstes Spielwerk, ^ie warf
sie in die Höhe und fing sie wieder in der Luft
und hatte ihre Lust daran. Einmal war die
Kugel gar hoch geflogen, sie hatte die Hand
schon ausgestreckt und die Finger gekrümmt, um
sie wieder zufangen, da schlug sie neben vorbei
auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in
das Wasser hinein.
Die Königstochter blickte ihr erschrocken
nach, der Brunnen war aber so tief, daß kein
Grund zu sehen war. Da fing sie an jämmer-
lich zu weinen und zu klagen: „ach! wenn ich
meine Kugel wieder hätte, da wollt' ich .alles
darum geben, meine Kleider, meine Edelgesteine,
meine Perlen und was ss auf der Welt nur
wär'." Wie sie so klagte, steckte ein Frosch
Kindermärchen. A
seinen Kopf aus dem Wasser und sprach: „Kö-
nigstochter, was jammerst du so erbärmlich?" —
„Ach, sagte sie, du garstiger Frosch, was kannst
du mir helfen! meine goldne Kugel ist mir in
den Brunnen gefallen." — Der Frosch sprach:
„deine Perlen, deine Edelgesteine und deine
Kleider, die verlang ich nicht, aber wenn du
mich zuM Ges^llen^ anliehmen willst, und ich
soll nebelt dir sitzen und von deinem goldnen
Tellerlein essen und in deinem Bettlein schla-
fen und du willst mich averth und lieb haben,
so will ich dir deine Kugel wiederbringen."
Die Königstochter dachte, was schwätzt der ein-
fältige Frosch wohl, der muß doch in seinem
Wasser bleiben, vielleicht über kann er mir meine
Kugel Holm, da will ich nur ja sagen; und sag-
te.- „jaMeinetwegen, schaffmirttub erst diegoldne
Kugel wieder, es soll dir alles versprochen seyn."
Der Frosch steckte seinen Kopf unter das Wasser
und tauchte hinab, es dauerte auch nicht lange,
so kam er wieder in die Höhe, hatte die Kugel
im Maul und warf sie ans Land. Wie die Kö-
nigstochter ihre Kugel wieder erblickte, -kes-sie
geschwind darauf-z», hob sie^üf^und war so
froh, sie wieder in ihrer Hand zu halten, daß
sie an niHtö weiter gedachte, sondert, damit nach
Haus Me/Der Frosch rief ihr nach: „warte,
Königstochter, und nimm mich mit, wie du
versprochen hast;" aber, sie hörte nicht darauf.
/ taJ i4 VwJ'
Am andern Tage saß die Königstochter an
der Tafel, da hörte sie etwas die Marmortreppe
heraufkommen, plitsch, platsch! plitsch, platsch!
bald darauf klopfte es auch an der Thüre und
rief: „Königstochter, jüngste, mach mix auf!".
Sie lief hm und machte-die Thüre -ftaf, da war
eö der Frosch, an den sie nicht mehr gedacht hatte;
ganz erschrocken warf sie die Thüre hsstig zu
und sehte sich wieder an die Tafel. Der König
aber sah- daß ihr das Herz klopfte, und sagte:
„warüm fürchtest du dich?" — „Da drau-
ßen ist ein garstiger Frosch- sagte sie- der hat
mir meine goldne Kugel aus dem Wasser ge,
holt, ich versprach ihm dafür, er sollte mein
Geselle werden, ich glaubte aber nimmermehr,
daß er aus fernem Wasser heraus könnte, nun
ist er draußen vor der Thür und will herein."
Indem klopfte es zum zweitenmal und rief:
„Königstochter, jüngste,
mach mir auf,
weiß^du nicht was gestern
du zu mir gesagt
-ei dem kühlen Brunneri»asser?
Königstochter, jüngste,
mach mir auf."
Der König sagte: „was du versprochen hast,
mußt du halten, geh und mach dem Frosch die
Thüre auf. Sie gehorchre und der Frosch hupfte
herein, und ihr auf dem Fuße immer nach, bis
A *
zu ihrem Stuhl, und als sie sich wieder gesetzt
hatte, da rief er: „heb mich herauf auf einen
Stuhl "eben^^ch-^ie^L^tMer wollte
nicht, aber de^-König befahl e* ihr» Wie der
Frosch oben war, sprach er: „nun schieb dein
goldenes Tellerlein näher, ich will mit dir da-
von essen." Das mußte sie auch thun. Wie
er sich satt gegessen hatte, sagte er: „nun bin
ich müd' und will schlafen, bring mich hinauf
in dein Kämmerlein, mach dein Bettlein zu-
recht, da wollen wir uns hineinlegen." Die
Königstochter erschrack, wie sie das hörte, sie
fürchtete sich vor dem kalten Frosch, sie getraute
sich nicht ihn anzurühren und nun sollte er bei
ihr in ihrem Bett liegen, sie fing an zu weinen
und wollte durchaus nicht. Da ward der König
zornig und befahl ihr bei seiner Ungnade, zu
thun, was sie versprochen habe. Es half nichts,
sie mußte thun, wie ihr Vater wollte, aber sie
war bitterböse in ihrem Herzen. Sie packte den
Frosch mit zwei Fingern und trug ihn hinauf
in ihre Kammer, legte sich ins Bett und statt
ihn neben sich zu legen, warf sie ihn bratsch!
an die Wand; „da nun wirst du mich in Ruh
lassen, du garstiger Frosch!"
Aber der Frosch fiel nicht todt herunter,
sondern wie er herab auf das Bett kam, da
wars ein schöner junger Prinz. Der war nun
ihr lieber Geselle, und sie hielt ihn werth wie
sie versprochen hatte, und sie schliefen vergnügt
zusammen ein. Am Morgen aber kam ein präch-
tiger Wagen mit acht Pferden bespannt, mit
Federn geputzt und goldschimmernd, dabei war
der treue Heinrich des Prinzen, der hatte sich
so betrübt über die Verwandlung desselben, daß
er drei eiserne Bande um sein Herz legen muß-
te, damit es vor Traurigkeit nicht zersprenge, yli
Der Prinz sehte sich mit der Königstochter in
den Wagen, der treue Diener aber stand hinten
auf, so wollten sie in sein Reich fahren. Und
wie sie ein Stück Weges gefahren waren, hörte
der Prinz hinter sich ein lautes Krachen, da
drehte er sich um und rief:
„Heinrich, der Wagen bricht!" --
„Nein Herr, der Wagen nicht,
es ist ein Band von meinem Herzen,
das da lag in großen Schmerzen,
als ihr in dem Brunnen faßt,
stfd ihr einst Rrstfishst (3?rniVh 1
I vh yl/hfAij
I 'U'ivrn t nwy
s VIA'tA 'Yjhsi )
Noch einmal und noch einmal hörte es der
Prinz krachen, und meinte: der Wagen bräche,
aber es waren nur die Bande, die vom Herzen
des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr
erlöst und glücklich war.
Katz und Maus in Gesellschaft.
Eine Katze und eine Maus wollten zusam-
men leben und Wirthschaft zusammen haben;
sie sorgten auch für den Winter und kauften ein
Köpfchen mit Fett, und weil sie keinen bessern
und sicherern Ort wußten, stellten sie es unter
den Altar in der Kirche, da sollt' es stehen, bis
sie sein bedürftig wären. Einstmals aber trug
die Katze Gelüsten darnach, und ging zur Maus:
„hör' Manschen, ich bin von meiner Base zu
Gevatter gebeten, sie hat ein Söhnchen gebo-
ren, weiß und braun gefleckt, das soll ich über
die Taufe halten, laß mich ausgehen und halt
heut allein Haus." — „Za, ja, sagte die
Maus, geh hin, und wenn du was Gutes
issest, denk an mich, von dem süßen rothen Kind-
betterwein tränk ich auch gern ein Tröpfchen,"
Die Katze aber ging geradeswegs in die Kirche
und leckte die fette Haut ab, spahirte darnach
um die Stadt herum und kam erst am Abend
nach Haus. „Du wirst dich recht erlustirt
haben, sagte die Maus, wie hat denn das Kind
geheißen?" — „Hautab, antwortete die
Katze." — „Haurab? das ist ei» seltsamer
Name, den hab' ich »och nicht gehört."
Bald darnach hatte die Katze wieder ein
7
Gelüsten, ging zur Maus und sprach: „ich bin
aufs neue zu Gevatter gebeten, das Kind hat
einen weißen Ring um den Leib, da kann ichs
nicht abschlagen, du mußt mir den Gefallen
thun und allein die Wirthschaft treiben," Die
Maus sagte ja, die Katze aber ging hin und
fraß den Fetttopf bis zur Hälfte leer, Als sie
heim kam, fragte die Maus: „wie ist denn
dieser Pathe getauft worden?" — „Halb-
aus" — „Halbaus? was du sagst! den Na-
men hab' ich gar noch nicht gehört, der steht
gewiß nicht im Malender."
Die Katze aber konnte den Fetttopf nicht -Ai*
vergessene „ich bin zum drittenmal zu Gevat-
ter gebeten, das Kind ist schwarz und hat bloß
weiße Pfoten, sonst kein weißes Haar am gan-
zen Leib, das trifft sich alle paar Zahr nur ein-
mal, du läßt mich doch ausgehen?" — Haut-
ab, Halbaus, sagte die Maus, es sind so ku,
riose Namen, die machen mich so nachdenksam,
doch geh nur hin," Die Maus hielt alles in
Ordnung und räumte auf, dieweil fraß die
Katze den Felttopf rein aus und kam satt und
dick erst in der Nacht wieder. „Wie heißt denn
das dritte Kind?" — „Ganzans" —"Ganz-
aus! ei! ei! Das ist der allerbcdenklichste Na-
men, sagte die Mauö; Ganzaus? was soll der
bedeuten? ^gedruckt ist er mir noch nicht vorge-
kommen!" damit schüttelte sie den Kopf und
legte sich schlafen.
Zum viertenmal wollte niemand die Katze
zu Gevatter bitten; der Winter aber kam bald
herbei. Wie nun draußen nichts mehr zu fin-
den war, sagte die Maus zur Katze: „komm
wir wollen zum Vorrath gehen, den wir in der
Kirche unter dem Altar versteckt haben." Ws
«sie söer hinkamen, war alles leer — „Ach!
sagte die Maus, nun kommts an den Tag, du
hast Alles gefressen, wie du zu Gevatter aus-
gegangen bist, erst Haut ab, dann Halb aus,
dann" — „Schweig still, sagte die Katze, oder
ich freß dich, wenn du noch ein Wort sprichst" —
„Ganz aus" hatte die arme Maus im Mund,
und hatt' es kaum gesprochen, so sprang die
Katz' auf sie zu und schluckte sie hinunter.
3*
Marienkind.
Vor einem großen Walde lebte ein Holz-
hacker mit seiner Frau und seinem einzigen
Kind, das war ein Mädchen und drei Jahr alt.
Sie waren aber so arm, daß sie nicht mehr das
tägliche Brot hatten und nicht wußten, was sie
ihm sollten zu essen geben. Da ging der Holz-
hacker voller Sorgen hinaus in den Wald an
seine Arbeit, und wie er da Holz hackte, stand
auf einmal eine schöne große Frau vor ihm, die
hatte eine Krone von leuchtenden Sternen auf
dem Haupt und sprach zu ihm: „ich bin die
Jungfrau Maria, die Mutter des Christkind-
leins, bring mir dein Kind, ich will es mit mir
nehmen, seine Mutter seyn und für es sorgen."
Der Holzhacker gehorchte und holte sein Kind
und gab es der Jungfrau Maria, die nahm es
mit sich hinauf in den Himmel. Da ging es
ihm wohl, es aß bloß Zuckerbrot und trank
süße Milch, und seine Kleider waren von Gold
und die Englein spielten mit ihm. So war es
vierzehn Jahre rm Himmel, da mußte die Jung-
frau Maria eine große Reise machen; eh sie
aber weg ging, rief sie das Mädchen und sag-
te.- „liebes Kind, da vertrau ich dir die Schlüs-
sel zu den dreizehn Thüren des Himmelreichs,
zwölf darfst du aufschließen und betrachten, aber
die dreizehnte nicht, die dieser kleine Schlüssel
öffnet." Das Mädchen versprach ihren Befeh-
len zu gehorchen, wie nun die Jungfrau weg
war öffnete es jeden Tag eine Thüre, uud sah
die Wohnungen des Himmelreichs. In jeder
saß ein Apostel und war so viel Glanz umher,
daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlich-
keit nicht gesehen. Als es .die zwölf Thüren auf-
geschlossen hatte, war die«werbotene noch übrig;
lange widerstand es-ftmer Neugwr, endlich aber
*1 ^x-ruiOA KuJ
^ ibi^r ft*' i tsvt (**&./ «»
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Uti flutt* (rbJfi’, AmfT *t a^l »>u
ward es d«v«».über.wältigt uiw) öffnet« auch die
dreizehnte, Und'-imo 'die Thüre aiifgm^csah es
in Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sihen,m»K J
rührte ein klein wenig mit dem Fingey an den
Glanz, da ward er ganz golden, dann aber
schlug e^eschwiyd die Thüre zu und lief fort;
sein Herz,, klopfte und wollte gar nicht wieder
aufhören. Nach wenigen Tagen abtu kam die
Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück und
forderte dieHimmelöschlüssel von dem Mädchen,
und wie es sie reichte, sah sie es an und sagte:
„hast Lu auch nicht die dreizehnte Thüre geöff-
net?" — „Nein," antwortete es. Da legte
sie ihre Hand auf fein Herz, das klopfte und
klopfte, da sah sie, daß es ihr Gebot übertre-
ten ynd die Thüre aufgeschlossen hatte: „hast
du es gewiß nicht gethan?" „Nein," sagte
das Mädchen noch einmal. Da sah sie den gol-
denen Finger, womit es das himmlische Feuer
angerührt hatte, und wußte nun gewiß, daß es
schuldig war und sprach: „du hast mir nicht
gehorcht und hast gelogen, du bist nicht mehr
mürdig im Himmel zu seyn,"
Da persank das Mädchen in einen tiefen,
tiefen Schlaf, und als es erwachte^w^r^eE auf
der <?xde und lag unter einer^^^ow-Baiim,
der war rings mit dichten Gebüschen umzäunt,
dap es- ganz emgefchlossen ivar-^ der Mund
mar lhm. auch perschlossen und es konnte kein
1 l
Wort reden. In dem Baum war eine Höhle,
darin saß es bei Regen und Gewitter, und
schlief es in der Nacht; Wurzeln und Waldbee-
ren waren seine Nahrung, die suchte es sich, so
weit es kommen konnte. Zm Herbst sammelte
es Wurzeln und Blätter und trug sie in die
Höhle, und wenn es daun schneite und fror,
f'Jyj T 1 ' ' , t rL
saß es 'darin,^Eeine Klejder verdarheu aud),
und fielen ihm ab, da W^s'/in^dfe Blätter,
ganz entgeh utlr^ und wenn dw Sonne, wieder
warm schien ging es heraus, setzte sich' vor den
Baum, und seine langen Haare bedeckten es
von allen Seiten wie ein Mantel.
Einmal, als es so im.FrüAahr vor dem
Baume saß, drängte sich jLMarrtz mit Gewalt
durch das Gebüsch, das wqr aber der König,
der in dem Wald gejagt und sich verirrt hatte, i*4
jfeMsnr erstarmt, daß in der Einöde ein so schö^^^^/^^^
nes Mädchen allein saß, und fragte es; ob es
mit auf sein Schloß gehen wollte. Es konnte
aber nicht antworten, sondern nickte bloß ein
ryenig mit dem Kopf, da hob es der König auf
sein Pferd und führte es mit sich heim und bald
gewann er es so lieb, daß er es zu seiner Ge-
mahlin machte. Nach Verlauf eines Zahres
brachte die Königin einen, schönen Prinzen zur
Welt. Zn der Nacht erschien ihr die Jungfrau
Maria und sprach: „sag' jetzt die Wahrheit, daß
du die verbotene Thür aufgeschlossen hast, dann
12
will ich dir die Sprache wiedergeben, ohne die
du doch nicht recht vergnügt leben kannst, bist
du aber hartnäckig und willst es nicht gestehen,
so nehm' ich dein Kind mit." Die Königin
aber blieb dabei, sie habe die verbotene Thüre
nicht geöffnet. Da nahm die Jungfrau Maria
kleine Kind^ un^ verschwand damit. Am
andern Morgen^q^er, alö das Kind fort war,
ging ein Gemurrnel, die stumme Königin sey
eine Menschenfresserin und habe ihr eigen Kind
gegessen. — Nach einem Zahr gebar die Köni-
gin wieder einen Prinzen, bje Jungfrau Maria
trat wieder vor sie und b^K^/nun die Wahr-
fi \\u
heit zu-sage», so»ft verlier» M auch das zweite
Kind/ Die Königin aber beharrte darauf, sie
habe die verbotene Thür nicht geöffnet, uud die
Jungfrau nahm das Kind mit sich fort. Am
Morgen, als es fehlte, sagten des Königs Rä-
the laut, die Königin sey eine Menschenfresser
rin und drangen darauf, daß sie für ihre gott,
lose Thaten gerichtet werde; der König aber
hieß sie stillschweigen und wollte es nicht glau-
ben, weil er die Königin so lieb hatte. Im
dritten Jahr brachte sie eine Prinzessin zur
Welt, da erschien die Jungfrau Maria wieder,
nahm sie mit in den Himmel und zeigte ihr da
ihre zwei ältesten Kinder, die mit der Weltku-
gel spielten. Darauf bat sie noch einmal, sie
mögte ihren Fehler gestehen und nicht länger
bei der Lüge beharren. Aber die Königin war
nicht zu bewegen, und blieb bei ihrer Aussage.
Da verließ sie die Jungfrau Maria, und nahm
das jüngste Kind auch mit sich.
Der König konnte nun seine Räthe nicht
länger zurückhalten, sie behaupteten, die Köni-
gin sey eine Menschenfresserin, das sey gewiß,
und weil sie stumm war, konnte sie sich nicht
vertheidigen, da ward sie verdammt auf dem
Scheiterhaufen zu sterben. Wie sie nun darauf
stand, angebunden war, und das Feuer rings
schon zu brennen anfing, da ward ihr Herz be-
wegt und sie gedachte bei sich: „ach, wenn ich
auch sterben müßte, wie gern wollt' ich der
Jungfrau Maria vorher noch gestehen, daß ich
die verbotene Thüre im Himmel aufgeschlossen
genblick, da that sich der Himmel auf, und die
Jungfrau Maria kam herunter, zu ihren Sei,
ten die beiden ältesten Kinder, auf ihrem Arm
das jüngste; Feuer aber löschte sich von
selbst aus, und sie trat zur Königin und sprach:
„da du die Wahrheit hast sagen wollen, ist dir
deine Schuld vergeben," und reichte ihr die
Kinder, öffnete ihr den Mund, daß sie von nun
an sprechen konnte, und verlieh ihr Glück auf
4-
Gut Kegel-- und Kartenspiel.
Es war einmal ein älter König, der hatte
eine Tochter, die war die schönste Jungfrau auf
der Welt. Da ließ er bekannt machen: „wer
drei Nächte in meinem alten Schloß wächt, soll
die Prinzessin zur Gemahlin haben." Nun war
ein junger Bursch- arm von Haus aus, der ge-
dacht: ich will mein Leben daran wagen, nichts
zü verlieren- viel zu gewinnen, was ist da lang
zu besinnen! Also stellt' er sich vor den König
Und-bot sich an, drei Nächte in dem Schloß zu
wachen. ,-Du darfst Dir noch etwas ausbitten,
das Du mitnimmst in das Schloß- aber bon
leblosen Dingen," sagte der König: — „So
bitt' ich mir eine Schnihbank mit dem Schnitze
Messer aus, eine Drehbank und ein Feuer."
Das wird ihm alles in das alte Schloß
getragen; darauf, wie es anfängt dunkel zu
werden, geht er selbst hinein. Anfangs ist alles
still darin, er macht sich sein Feuer an, stellt die
Schnihbank mit dem Messer daneben und setzt
sich auf die Drehbank. Wie es aber gegen Mit-
ternächt geht, fängt ein Gerümpel an, erst sach-
te, dann stärker, bis! baf! hehe! holla ho! im-
mer ärger, dann ists ein klein bischen still, end-
lich kommt ein Bein den Schornstein herunter
*5
und stellt sich gerade vor ihn hin. „Heda, ruft
der Bursch, noch mehr, eins ist zU wenig/ Da
geht der Lärm von frischem an, dann fällt noch
ein Bein herunter und noch eins und so fort,
bis es neun sind. „Nun ists genug und die
sind gut zum Kegelspiel, aber die KuHeln^hjeri
, noch, frisch!" Da tobts entsetzlich <M>d fallen^
Köpfe herunter. Die setzt er in die Dreh-
bank Und dreht sie rund: „daß ihr gut schüp-
pelt!" dann macht er die Beine gleich und
stellt sie wie die Kegel auf! „Heida! nun gehtS
lustig!"
Da kamen zwei große schwarze Katzen, gin-
gen ums Feuer herum und schrien: „aul mi-
au! was uns friert! was uns friert!" — „Ihr
Narren, was schreit Ihr, setzt euch ans Feuer
und wärmt euch." Wie die Katzen sich ge-
wärmt hatten- sagten sie: „Cammrad! wir
wollen eins in der Karte spielen." „Za, ant-
wortete er, aber zeigt einmal eure Pfötett her,
Zhr habt so lange Nägel, die will ich Euch erst
abschneiden." Damit packte er sie aM Kragen
und hob sie auf die Schnihbank, da schraubte
er sie fest und schmiß sie todt. Dantt trug er
sie hinaus Und warf sie in einen kleinen Teich,
dem Schloß gegenüber. Wie er die zur Ruh
gebracht, Und sich wieder zUM Feuer setzen woll»--
te und sich wärmen, dä kamen viele schwarze
Katzen und Hunde, bald aus allen Ecken und
immer mehr und mehr, daß er sich nicht mehr
bergen konnte, die schrien, traten ihm auf sein
Feuer, zurrten es auseinander und machten es
^anz aus. Daffaßte«: sein Schnitzmesser: „fort
ihr Gesindel!" und hieb ein. Ein großer Theil
lief weg, die andern schmiß er todt und trug
sie auch hinaus in den Teich. Dann blies er
sich das Feuer wieder an aus einem Funken und
wärmte sich.
» . »Als er.sich gewärmt hatte,.tyard er müd' ,.
und legte sich--in -cin^grojje,ö das—m—der- ^
Ecks-stanü— Und Äs er""ebmfeinschlafen wollte,
sing das Bett an zu fahren und fuhr im gan-
zen Schloß herum. „Das geht gut so, nur
besser zu!" sagte er. Da fuhr das Bett, als
zögens sechs Pferde, über Schwellen und Trep-
pen.- hopp! hopp! warf es um, das unterst zu
oberst und er drunter. Da schleudert' er Decken
und Kissen in die Höh' und stieg heraus: „mag
fahren, wer Lust hat!" legte sich ziim Feuer
und schlief bis es Tag war.
Am Morgen kam der König, und als er
den jungen Burschen da liegen und schlafen
sah, meint' er, der wäre auch todt, und sagte,
es sey schade um ihn. Da erwachte der Bursch
von den Worten, und wie er den König sah,
stand er auf, der fragte ihn, wie es gegangen
wäre in der Nacht? „Recht gut, eine wär'
herum, die zwei werde» auch noch herum gehn."
Die
»7
Die andern Nächte gings ebenso, aber er wuß-
te schon, wie es anzugreifen war, und am vier-
ten Tag ward ihm die schöne Königstochter ge,
seben.
5-
Der Wolf und die sieben jungen
Geislein.
Eine Geis hatte sieben Zunge, die sie gar
lieb hatte und sorgfältig vor dem Wolf hütete.
Eines Tags, als sie ausgehen mußte, Futter
zu holen, rief sie alle zusammen und sagte-
„liebe Kinder, ich muß ausgehen und Futter
holen, wahrt euch vor dem Wolf und laßt ihn
nicht herein, gebt auch Acht, denn er verstellt
sich oft, aber an seiner rauhen Stimme und an
seinen schwarzen Pfoten könnt ihr ihn erkennen;
hütet euch, wenn er erst Linmsl im Hau« ist,
so frißt >eu.ch alle NIiteinander." Darauf ging
sie fort, bÄd-Äet ckam der Wolf vor die Haus-
thüre und rief: „liebe Kinder, macht mir auf,
ich bin eure Mutter und hab' euch schöne Sa-
chen mitgebracht." Die sieben Geiserchen aber
sprachen: „unsere Mutter bist du nicht, die hat
eine feine liebliche Stimme, deine Stimme aber
ist rauh, du bist der Wolf, wir machen dir nicht
auf." Der Wolf ging fort zu einem Krämer
und kaufte sich ein groß Stück Kreide, die aß
Kindermärchen, B
iß
* /
er und machte seine Stimme fein damit. Dar-
nach ging er wieder zu der sieben Geiölein Haus-
thüre und rief mit feiner Stimme: „liebe Kin-
der, laße mich ein, ich bin eure Mutter, jedes
von euch soll etwas haben." Er hatte aber feine
Pfote in das Fenster gelegt, daö sahen die sie-
ben Geiserchen und sprachen: „unsere Mutter
bist du nicht, die hat keinen schwarzen Fuß, wie
du; du bist der Wolf, wir machen dir nicht
auf." Der Wolf ging fort zu einem Backer
und sprach: „Bäcker, bestreich mir meine Pfote
mit frischem Teig," und als das gethan war,
ging er zum Müller und sprach: „Müller,
streu mir fein weißes Mehl auf meine Pfote."
Der Müller sagte nein. — „Wenn du es nicht
thust, so freß ich dich." Da mußte es der Mül-
ler thun.
Darauf ging der Wolf wieder vor der sie-
ben Geiserchen Hauöthüre und sagte: „liebe
Kinder, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, je-
des von euch soll etwas geschenkt kriegen." Die
sieben Geiserchen wollten erst die Pfote sehen,
und wie sie sahen, daß sie schneeweiß war und
den Wolf so fein sprechen hörten, glaubten sie
es wäre ihre Mutter und machten die Thüre
auf, und der Wolf kam herein. Wie sie ihn
aber erkannten, versteckten sie sich geschwind, so
gut es ging, das eine unter den Tisch, das
zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das
rg
1!
vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank,
das sechste unter eine große Schüssel, das sie-
bente in die Wanduhr. Aber der Wolf fand sie
alle und verschluckte sie, außer daö jüngste in der
Wanduhr, das blieb am Leben.
Wie der Wolf seine Lust gebüßt, ging er
fort, bald darauf kam die alte Geis nach Haus.
Was für ein Jammer! der Wolf war da gewe-
sen und hatte ihre lieben Kinder gefressen. Sie
glaubte sie wären alle todt, da sprang das jüngste
aus der Wanduhr, und erzählte, wie das Un-
glück gekommen war.
Der Wolf aber, weil er sich vollgefressen,
war auf eine grüne Wiese gegangen, hsttte.sich
in den Sonnenschein gelegt -und. war w—ein&t' ■
tiefen Schlaf -gefallen- Die alte Geis dachte,
daraw> ob sie ihre Kinder nicht noch erretten
könnte, sagte darum zu dem jüngsten Geislein:
„nimm Zwirn, Nadel und Scheere und folg'
mir nach." Darauf ging sie hinaus und fand
den Wolf schnarchend auf der Wiese liegen:
„da liegt der garstige Wolf," sagte sie und be-
trachtete ihn von allen Seiten, nachdem er zum
Vieruhrenbrot meine sechs Kindlein hinuntergr»
fressen hat, gieb mir einmal die Scheere her;
„Ach! wenn sie noch lebendig in seinem Leibe
wären!" Damit schnitt sie ihm den Bauch auf,
und die sechs Geiserchen, die er in der Gier
ganz verschluckt hatte, sprangen unversehrt her-
B a
20
aus. Sie hieß sie gleich hingehen und große,und
schwere Wackersteine herbeitragen, damit füllten,
sie dem Wolf den Leib, nahten ihn wieder zu,
liefen^fort, und versteckten sich hinter eine Hecke.
Als der Wolf ausgeschlafen hatte, so fühlt'
er es so schwer im Leib und sprach: „es rum,
pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum,
pelt und pumpelt mir im Leib herum! was ist
das? ich hab' nur sechs Geiserchen gegessen."
Er dacht, er wollt einen frischen Trunk thun,
das mögt' ihm helfen und suchte einen Brun,
nen, aber wie er sich darüber bückte, konnte er
vor der Schwere der Steine sich nicht mehr hal-
ten, und stürzte ins Wasser. Wie das die sie,
den Geiserchen sahen, kamen sie herzu gelaufen,
und tanzten vor Freude um den Brunnen.
6.
Von der Nachtigall und der Blind-
schleiche.
Es waren einmal eine Nachtigall und eine
Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug' und
lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in
Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde
die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da
sprach sie zur Blindschleiche: „ich bin da auf
eine Hochzeit gebeten und mögte nicht gern so
mit einem Aug' hingehen, sey doch so gut und
leih mir deins dazu, ich bring dirs Morgen
wieder." Und die Blindschleiche that es aus
Gefälligkeit.
Aber den andern Tag, wie die Nachtigall
nach Haus gekommen war, gefiel es ihr so
wohl, daß sie zwei Auge» im Kopf trug und
zu beiden Seiten sehen konnte, daß sie der ar,
men Blindschleiche ihr geliehenes Aug' nicht wie,
dergeben wollte. Da schwur die Blindschleiche,
sie wollte sich an ihr, an ihren Kindern und
Kindeskindern rächen. „Geh nur, sagte die
Nachtigall, und such einmal:
ich bau mein Nest auf jene Linden,
so hoch, so hoch, so hoch, so hoch»
da magst du« nimmermehr finden!
Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Au,
gen und alle Blindschleichen keine Augen. Aber
wo die Nachtigall hinbaut, da wohnt unten
auch im Busch eine Blindschleiche, und lsie
trachtet immer hinaufzukriechen, Löcher in die
Eier ihrer Feindin zu bohren oder sie auszu,
saufen.
7-
Von dem gestohlenen Heller.
Es saß ein Vater mit seiner Frau und
seinen Kindern, und einem guten Freund, der
ihn besuchte, Mittage am Tisch. Wie sie so
•ss 22 —
saßen und es zwölf Uhr schlug, da sah der
Fremde die Thür aufgehen, und es kam ein
schneeweiß gekleidetes blasses Kindlein herein:
es blickte sich nicht um, sprach auch nichts, son-
der» ging still in die Kammer neben an. Bald
darauf kam es zurück, und ging eben so
wieder fort. Am zweiten und dritten Tag kam
dasselbige Kind wieder; da fragte der Fremde
den Vater, wem das schöne Kind gehöre, das
alle Mittag in die Kammer gehe. Der Va-
ter antwortete, er wisse nichts davon, er hab
es auch noch nicht gesehen. Am andern Ta-
ge, als es zwölf Uhr schlug und es wieder
hereincrat, so zeigte es der Fremde dem Vater,
der sah aber nichts, und die Mutter und die
Kinder alle sahen auch nichts. Der Fremde
stand auf, ging zu der Thüre, öffnete sie ein
wenig und guckte hinein. Da sah er das blas-
se Kindlein auf der Erde sitzen und emsig mit
den Fingern in den Dielenrihen graben und
wühlen, wie es aber den Fremden bemerkte,
verschwand es. Darauf erzählte er, war er ge-
sehen, und beschrieb das Kindlein genau, da er-
kannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist
mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestor,
ben ist." Da brachen sie die Dielen auf und
fanden zwei Heller, die hatte das Kind einmal
einem armen Mann geben sollen, es hatte aber
gedacht, dafür kannst du dir einen Zwieback
23
kaufen, die Heller behalten und in die Dielen-
ritzen versteckt, und da hatte eS im Grabe kei,
ne Ruh und mußte alle Mittage kommen und
die Heller suchen. Sie gaben darauf das Geld
einem Armen, und nachher ist das Kindlein
nicht wieder gesehen worden.
3-
Die Hand mit dem Messer.
Es war ein kleines Mädchen, das hatte
drei Brüder, die galten bei der Mutter alles,
und es wurde überall zurückgesetzt, hart ange-
fahren und mußte tagtäglich Morgens früh
ausgehen, Torf zu graben auf dürrem Heide-
grund, den sie zum Kochen und Brennen brauch-
ten. Noch dazu bekam es ein altes und stum-
pfes Geräth, womit es die sauere Arbeit ver-
richten sollte.
Aber das kleine Mädchen hatte einen Lieb-
haber, der war ein Elfe und wohnte nahe an
ihrer Mutter Haus in einem Hügel, und so
oft es nun an dem Hügel vorbei kam, so streck-
te er seine Hand aus dem Fels, und hielt dar-
in ein sehr scharfes Messer, das von sonderli-
cher Kraft war und alles durchschnitt. Mit
diesem Messer schnitt sie den Torf bald her-
aus, ging vergnügt mit der nöthigen Ladung
heim, und wenn sie am Felsen vorbei kam,
klopfte sie zweimal dran, so reichte die Hand
heraus und nahm das Messer in Empfang.
Als aber die Mutter merkte, wie geschwind
und leicht sie immer den Torf heimbrachte, er-
zählte sie den Brüdern, ee müßte ihr gewiß
jemand anders dabei helfen, sonst wäre es nicht
möglich. Da schlichen ihr die Brüder nach und
sahen, wie sie das Zaubermesser bekam, holten
sie ein und drangen es ihr mit Gewalt ab.
Darauf kehrten sie zurück, schlugen an den Fel-
sen, als sie gewohnt war zu thun, und wie der
gute Elf die Hand herausstreckte, schnitten sie
sie ihm ab mit seinem leibeigenen Messer. Der
blutende Arm zog sich zurück, und weil der Elf
glaubte seine Geliebte hätte es aus Verrath
gethan, so wurde er seitdem nimmermehr ge-
sehen.
Die zwölf Brüder.
ES war einmal ein König, der hatte zwölf
Kinder, das waren lauter Buben, er wollte
auch kein Mädchen haben und sagte zur Köni-
gin: „wenn das dreizehnte Kind, das du zur
Welt bringst, ein Mädchen ist, so laß ich die zwölf
andern tödten, ists aber auch ein Bube, dann
sollen sie alle miteinander leben bleiben." —
Die Königin gedachte es ihm auszureden. Der
König wollte aber nichts weiter hören: „Wenns
so ist, wie ich gesagt habe, so müssen sie ster-
ben, lieber hau' ich ihnen selber den Kopf ab,
als daß ein Mädchen darunter wäre.
Da war die Königin traurig, denn sie hat-
te ihre Söhne von Herzen lieb und wußte nicht,
wie sie zu retten waren. Endlich ging sie zu
dem jüngsten, den sie vor allen lieb hatte, of-
fenbarte ihm, was der König beschlossen, und
sagte: „allerliebstes Kind, geh du mit deinen
eilf Brüdern hinaus in den Wald, da bleibt
und kommt nicht nach Haus, einer von euch
aber halte immer Wacht auf einem Baum und
sehe nach dem Thurm hier, wenn ich einSöhn-
chen zur Welt bringe, will ich obenauf eine
weiße Fahne stecken, ists aber ein Töchterchen
eine rothe, und wenn ihr das seht, dann rettet
euch, flieht in die weite Welt, und der liebe
Gott behüt euch. Alle Nacht will ich aufste-
hen und für euch beten,' wenns kalt ist im Win-
ter, daß ihr nicht friert und ein warmes Feuer
vor euch brennt, und wenns heiß ist im Som-
mer, daß ihr in einem kühlen Walde ruht und
schlaft.
So gesegnete sie die Kinder und sie gingen
fort in den Wald. Oft guckten sie nach dem
Thurm, und einer mußte beständig auf einer
hohen Eiche sitzen und Acht haben. Bald auch
wurde eine Fahne aufgesteckt, eö war aber nicht
die weiße, sondern die rothe Blutfahne, die ih-
nen den Untergang drohte. Wie die Buben
sie erblickten, wurden sie alle zornig und riefen:
„sollen wir eines Mädchens willen das Leben
verlieren!" da schwuren sie zusammen, mitten
in dem Wald zu bleiben, und aufzupassen, wenn
sich ein Mädchen sehen ließ, wollten sie es ohne
Gnade tödten. ^
Darauf suchten sie eine Höhle, ivo—der
Wald am dunkelsten war/wo sie wohntey. Alle
Morgen zogen elf hinaus auf die Jagd, einer
mußte aber zu Haus bleiben, kochen, und den
Hanshalt führen. Jedes Mädchen aber, das
den eilfen begegnete, war ohne Barmherzigkeit
verloren; das dauerte viele Jahre.
Das Schwesterchen zu Haus aber ward
groß und blieb das einzige Kind. Einmal hat-
te es große Wäsche, darunter waren auch zwölf
Mannshemden. ,, Für wen sind denn diese
Hemder, fragte die Prinzessin, meinem Vater
sind sie doch viel zu klein," da erzählte ihr die
Wäscherin, daß sie zwölf Brüder gehabt hätte,
die wären heimlich fortgegangen, kein Mensch
wisse wohin, weil sie der König habe wolle»
tödten lassen, und diesen zwölf Brüdern gehör-
ten diese zwölf Hemder. Das Schwesterchen
verwunderte sich, daß ihm niemals von seinen
zwölf Brüdern etwas zu Ohren gekommen und
wie es Nachmittags auf der Wiese saß und die
Wäsche bleichte, da fielen ihm die Worte der
Wäscherin wieder ein, und cs ward nachdcnk-
sam, und endlich stieg es auf, nahm die zwölf
Hemder und ging in den Wald hinein, wo sei-
ne Brüder lebten.
Das Schwesterchen kam gerade zu der
Höhle, wo sie ihre Wohnung hatten. Die.
eilf waren auf der Jagd und nur ein ein-
ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das
Mädchen erblickte, faßte er es gleich, und
holte sein Schwert: .„knie nieder, dein ro-
/W. )»»« r •
theö Blut must, den-Augenblick fließen^" Das
Mädchen aber bat ihn: „lieber Herr, laßt mich
leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich
dienen, ich will kochen und den Haushalt füh-
ren." Es war gerade der jüngste Bruder, den
erbarmte die Schönheit des Mädchens und er
schenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus
kamen und sich verwunderten, ein Mädchen le-
bendig in der Höhle zu finden, sagte er zu ih-
nen: „liebe Brüder, dies Mädchen ist in die
Höhle gekommen, und wie ich es niederhauen
wollte, da bat es so sehr um sein Leben, es
wollt uns treu dienen und den Haushalt füh-
ren, daß ichs ihm geschenkt habe." Die an-
dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft wä-
re und daß sie nun alle zwölf auf die Jagd
ausgehen könnten, und warens zufrieden. Da
zeigte es ihnen die zwölf Hemdlein und sagte/
SO
es wär' ihre Schwester; darüber freuten sie sich
alle, und waren froh, daß sie es nicht getSdtet
hatten.
Das Schwesterchen übernahm nun den
Haushalt, und wenn die Brüder auf der Zagd
waren, sammelte es Holz und Kräuter, stellte
zu am Feuer, deckte die Bettlein hübsch weiß
und rein, und thät alles unverdrossen und flei-
ßig. Einmal geschah eö, daß es fertig war mit
aller Arbeit, da ging es in den Wald spazieren.
Eö kam an einen Platz, wo zwölf schöne hohe,
weiße Lilien standen, und weil sie ihr so wohl
gefielen, brach sie alle miteinander ab. Kaum
aber war das geschehen, so stand eine alte Frau
vor ihr: „ach meine Tochter, sagte sie, warum
hast du die zwölf Studentenblumen nicht ste-
hen lassen! das sind deine zwölf Brüder, die
sind, nun alle in Naben verwandelt worden und
sind verloren auf ewig." Das Schwesterchen
fing an zu weinen, „ach! sagte es, giebtö denn
kein Mittel sie zu erlöse»? „Nein, es ist kein
Mittel auf der Welt, als ein einziges, das ist
so schwer, das du sie nicht damit befreien wirst i
du mußt zwölf ganzer Jahr stumm seyn, sprichst
du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine
Stunde daran, so ist alles umsonst und deine
Brüder sind in dem Augenblick todt."
Das Schwesterchen setzte sich da auf einen
hohen Baum im Wald und spann und wollte
zwölf Jahre stumm sitzen, um seine Brüder zu
erlösen. Es geschah aber, daß der König auf
einer Zagd durch den Wald ritt, und als er
an dem Baum vorbei kam, stand sein Hund
still und bellte. Der König hielt nun, sah hin-
auf und war ganz verwundert über die Schön-
heit der Prinzessin. Er rief ihr zu, ob sie sei-
ne Gemahlin werden wollte. Sie schwieg
aber still und nickte nur ein wenig mit dem
Kopf. Da stieg der König selber hinauf und
hob sie herunter, setzte sie vor sich auf sein
Pferd und brachte sie heim in sein Schloß, wo
die Hochzeit prächtig gehalten ward. Die Prin-
zessin sprach aber niemals ein Wort und der
König glaubte sie "sey' stumm. Doch hätten sie
vergnügt mit einander gelebt, wenn nicht die
Mutter des Königs gewesen wäre, die fing
an die Königin bei ihrem Sohn zu verläum-
den: „es ist ein gemeines Bettelmädchen, das
du aus der Fremde mitgebracht hast, die hin-
ter deinem Rücken die schändlichsten Dinge
treibt." Weil die Königin nun sich nicht ver-
theidigen konnte, ließ sich der König verführen,
und glaubte ihr endlich und vcrurtheilte sie zum
Tod. Da ward ein großes Feuer angemacht
im Hof, darin sollte sie verbrannt werden.
Schon stand sie in den Flammen und die spiel-
ten an ihrem Kleide; da war eben die letzte
Minute von dey zwölf Zähren verflossen, man
hörte in der Lust ein Geräusch, und es kamen
zwölf Raben hergeflogen und ließen sich nieder.
Wie sie die Erde berührten, waren es zwölf
schöne Prinzen, die rissen das Feuer von ein-
ander und führten ihre Schwester heraus. Da
sprach sie ihr erstes Wort wieder und sagte
dem König alles, wie es zugegangen und sie
die zwölf Brüder habe erlösen müssen; und sie
waren alle vergnügt, daß es so wohl gewor-
den war.
Was sollten sie mit der bösen Stiefmutter
anfangen; sie ward in ein Faß gesteckt von sie-
dendem Oehl und von giftigen Schlangen an-
gefüllt, und starb da eines bösen Todes.
10.
Das Lumpengesindel.
Hähnchen sprach zum Hühnchen: „die
Nüsse sind reif, da wollen wir mit einander
auf den Berg gehen, und uns einmal recht satt
daran essen, eh sie das Eichhorn alle wegholt."
Za, antwortete das Hühnchen, „komm da wol-
len wir uns eine Lust miteinander machen."
Sie gingen zusammen fort, und weil es ein hel-
ler Tag war, blieben sie bis zum Abend; nun
weiß ich nicht, ob sie sich so dick gegessen oder
ob sie so übermüthig geworden waren, sie woll-
ten nicht zu Fuß nach Haus gehen, und das
Hähnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß-
schaalen bauen. Als er fertig war, setzte sich
Hühnchen hinein und sagte zum Hähnchen:
„du kannst dich nur immer vorspannen." —
„Nein, sagte das Hähnchen, das wäre mir
recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als
daß ich mich vorspannen lasse, so haben wir
nicht gewettet; Kutscher will ich wohl seyn und
auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen, das thu
ich nicht."
Wie sie sich so stritten, schnatterte eine En-
te daher: „ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei-
ßen in meinen Nußberg gehen, das soll euch
schlecht bekommen", ging damit auf das Hähn-
chen los. Aber Hähnchen war auch nicht faul,
und stieg der Ente tüchtig zu Leib, endlich hack-
te es mit seinen Sporn so gewaltig, daß sie
um Gnade bat und sich gern zur Strafe vor
den Wagen spannen ließ. Hähnchen sehte sich
auf den Bock und war Kutscher, und nun ging
es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du
kannst! Als sie ein Stück Wegs gefahren wa-
ren, begegneten sie zwei Fußgängern, einer
Stecknadel und einer Nähnadel. Die riefen
halt und sagten, es werde gleich stichdunkel
werden, da könnten sie keinen Schritt weiter,
dabei wär es so schmutzig auf der Straße, ob
sie nicht ein wenig einsitzen könnten; sie seyen
auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewe-
sem, und hätten sich beim Bier verspätet. DaS
Hähnchen, da es magere Leute waren, die nicht
viel Platz einnahmen, ließ sie beide einsteigen,
doch mußten sie versprechen, ihm nicht auf die
Füße zu treten. Spät Abends kamen sie zu ei-
nem Wirthshaus, und weil sie die Nacht nicht
weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut
zu Fuß war und von einer Seite auf die an-
dere fiel, kehrten sie ein. Der Wirth machte
anfangs viel Einwendungen, sein Haus sey
schon voll, gedachte auch wohl, cs migtcn keine
vornehme Passagiere seyn; endlich aber, da sie
süße Reden führten, er solle das Ei haben, wel-
ches das Hühnchen unterwegs gelegt hatte, auch
die Ente behalten, die alle Tage eins lege, so
gab er nach. Nun ließen sie sich wieder frisch
auftragen und lebten in Saus und Braus.
Früh Morgens, als es erst dämmerte und noch
alles schlief, weckte Hähnchen das Hühnchen,
holte das Ei, pickte es auf und sie verzehrten
es zusammen, die Schalen aber warfen sie auf
den Feuerheerd- Dann gingen sie zu der Näh-
nadel, die noch schlief, packten sie beim Kopf
und steckten sie in das Sesselkissen des Wirths,
die Stecknadel aber in sein Handtuch, darauf
flogen sie, mir nichts dir nichts, über die Heide
davon. Die Ente, die unter freiem Himmel
schlafen wollte und im Hof geblieben war, hörte
sie fortschnurren, machte sich munter und fand
einen Bach, auf dem sie hinunter schwamm, und
das ging geschwinder als vor dem Wagen. Ein
paar Stunden darnach stieg der Wirth aus den
Federn, wusch sich und wollte sich am Hand,
tuch abtrocknen, da zerriß er sich das Gesicht
mit der Stecknadel, dann ging er in die Küche
und wollte sich eine Pfeife anstecken, wie er aber
an den Heerd kam, sprangen ihm die Eierscha-
len in die Augen. „Heute Morgen trifft Alles
meinen Kopf," sagte er, und sehte sich ärger-
lich in seinen Großvaterstuhl — auweh! da ward
er noch schlimmer getroffen von der Nähnadel
und nicht an den Kopf. Da ward er vollends
bös' und hatte Verdacht auf die Gäste, die so
spät gestern Abend gekommen waren, und wie er
ging und sich nach ihnen umsah, waren sie fort.
Da that er einen Schwur, kein Lumpengesindel
mehr in sein Haus zu nehmen, das viel ver-
zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank
Schabernack treibt. 1_
vVi;ußfälA'-
11.
Brüderchen und Schwesterchen.
Brüderchen nahm sein Schwesterchen an der
Hand und sagte: „seit die Mutter todt ist, ha-
ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut-
ter schlägt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr
kommen, stößt sie uns mit dem Fuß fort; sie
Kindermürchm. E
giebt uns auch nichts zu essen, als harte Brot-
krusten; dem Hündlein unter dem Tisch gehtS
besser, dem wirst sie doch manchmal was Gu-
tes zu, daß Gott erbarm, wenn das unsere
Mutter wüßte! Komm laß uns miteinander
fortgehen." Sie gingen zusammen fort und
kamen in einen großen Wald, da waren sie so
traurig und so müde, daß sie sich in einen hoh-
len Baum setzten und da Hungers sterben
wollten.
Sie schliefen zusammen ein, und wie sie
am Morgen aufwachten, wandle Sonne schon
lange aufgestiegen und schienVheiß in den hoh-
len Baum hinein. „Schwesterchen, sagte das
Brüderchen nach einer Zeit, mich dürstet so ge-
waltig, wenn ich ein Brünnlein in der Nähe
wüßte, ich ging hin und tränk einmal, es ist
mir auch, als hörte ich eins rauschen." —
„Was hilft das, antwortete das Schwesterchen,
warum willst Du trinken, da wir doch Hungers
sterben wollen." — Brüderchen aber schwieg
still uud stieg heraus, und weil es das Schwe-
sterchen immer fest mit der Hand hielt, mußte
es mit heraus steigen. Die böse Stiefmutter
aber war eine Hexe, und wie sie die zwei Kin-
der hatte fortgehen sehen, war sie ihnen nach-
gegangen und hatte ein klares Brünnlein in der
Nähe des Baums aus dem Felsen springen las-
sen, das sollte durch sein Rauschen die Kinder
35
f.'CLt A-h-t /zTM
herbeilocken und zum trinken reizen, wer -aber-
davon trarjk, der ward in ein Rehkälbchen ver-
wandelt) 'Brüderchen kam bald mit dem Schwe-
sterchen zu dem Brünnlein, und als er es so
glitzerig über die Steine springen sah, ward
seine Lust immer größer, und er wollte davon
trinken. Aber dem Schwesterchen war Angst,
es meinte, das Brünnlein spräche im Rauschen
und sagte: „wer mich trinkt, wird zum Reh-
kälbchen ; wer mich trinkt, wird zum Rehkälb-
chen!" da bat eö das Brüderchen, nicht von
dem Wasser zu trinken. „Zch höre nichts, sag-
te das Brüderchen, als wie das Wasser so lieb-
lich rauscht, laß mich nur gehen!" Damit legte
es sich nieder, beugte sich herab und trank, und
wie der erste Tropfen auf seine Lippen gekommen
war, da lag ein Rchkqlbchcn an dem Brünnlcin.
Das Schwesterchen weinte und weinte, die
Hexe aber war böse, daß sie es nicht auch zum
Trinken hatte verführen können. Nachdem es
drei Tage geweint, stand es auf und sammelte
die Binsen in dem Wald, und flocht ein wei-
ches Seil daraus. Dann band es das Rehkälb-
chcn daran und führte es mit sich. Es suchte
ihm auch eine Höhle, trug Moos und Laub hin-
ein und machte ihm ein weiches Lager; am Mor-
gen ging es mit ihm hinaus, wo zartes Gras
war und sammelte das allerschönste, das fraß es
ihm aus der Hand, und das Rehkalbchen war
C 2
dann vergnügt und spielte auf den Hügeln.
Abends aber, wenn Schwesterchen müde war,
legte es seinen Kopf auf den Rücken des Reh-
kälbchens, das war sein Kissen, und so schlief es
ein; und hätte das Brüderchen nur seine mensch-
liche Gestalt gehabt, das wäre ein herrliches Le-
ben gewesen.
So lebten sie lange Jahre in dem Wald.
Auf eine Zeit jagte der König und verirrte sich
darin. Da fand er das Mädchen mit dem Thier-
lein in dem Wald und war erstaunt über seine
Schönheit. Er hob es zu sich auf sein Pferd
und nahm es mit, und das Rehkälbchen lief an
dem Seile nebenher. An dem königlichen Hose
ward ihm alle Ehre angethan, schöne Jungfrauen
wußten es bedienen, doch war es selber schöner,
als alle andern; das Rehkälbchen ließ es nie-
mals von sich, und that ihm alles Gute an.
Bald darauf starb die Königin, da ward das
Schwesterchen mit dem König vermählt und
lebte in allen Freuden.
Die Stiefmutter aber hatte von dem Glück
gehört, das dem armen Schwesterchen begeg-
net; sie dachte es wäre längst im Wald bon den
wilden Thieren gefressen worden, aber die hat-
ten ihm nichts gethan, und nun war es Königin
im Reich. Die Hexe war so böse darüber, daß
sie mw Watts dachte, wie sie ihr das Glück ver-
— 37
niqin einen schönen Prinzen zur Welt gebracht
halte, und der König auf der Zagd war, trat
sie in der Gestalt der Kammerfrau in die Stu-
be, worin die Kranke lag. „Das Bad ist für
euch bereitet, sagte sie, das wird euch wohlthun
und stärken/ kommt eh' es kalt wird." Sie
führte sie darauf in die Badestube; wie die Kö-
nigin hineingetreten war, schloß sie die Thüre
hinter ihr zu, drin aber war ein Höllenfeuer
angemacht, da mußte die schöne Königin erstik-
ken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der
gab sie ganz die äußerliche Gestalt der Königin
und legte sie an ihrer Stelle in das Bett. Der
König kam am Abend heim, und wußte nicht,
daß er eine falsche Frau habe. Aber in der
Nacht —sah dieKinderfrau—trat die rechte Kö-
nigin in die Stube, sie ging zur Wiege, nahm
ihr Kind heraus, hob es an ihre Brust und gab
ihm zu trinken, dann schüttelte sie ihm sein Bett-
chen auf, legte es wieder hinein und deckte es
zu. Darauf ging sie in die Ecke wo das Reh-
kälbchen schlief und streichelte ihm über den Rük-
ken. So kam sie alle Nacht und ging wieder
fort, ohne ein Wort zu sprechen.
Einmal aber trat sie wieder ein und sprach:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm' ich noch zweimal und dann nimmer-
mehr."
und that alles, wie in den andern Nächten.
Die Kinderfrau weckte aber den König und sagte
es ihm heimlich. Der König wachte die andere
Nacht, und da sah er auch, wie die Königin
kam und hörte deutlich ihre Worte:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm' ich noch einmal und dann nimmer-
mehr,"
Aber er getraute sich nicht, sie anzureden. Zn
der andern Nacht wacht' er wieder, da sprach
die Königin:
„Was macht mein Kind? was macht mein Reh?
nun komm' ich noch diesmal her und dann nim-
mermehr."
Da konnre sich der König nicht langer halten,
sprang auf und umarmte sie, und wie er sie an-
rührte, ward sie wieder lebendig, frisch und roth.
Die falsche Königin ward in den Wald geführt,
wo die wilden Thiere sie fraßen, die böse Stief-
mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer
sie verzehrte, da verwandelte sich daö Rehkälb-
chen, und Brüderchen und Schwesterchen waren
wieder beisammen und lebten glücklich ihr Lebe-
lang. ^ /O *
Rapunzel.
Es war einmal ein Mann und eine Frau,
die hatten sich schon lange ein Kind gewünscht
und nie eins bekommen, endlich aber ward die
Frau guter Hoffnung. Diese Leute hatten in
ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus
konnten sie in den Garten einer Fee sehen, der
voll von Blumen und Krautern stand, allerlei
Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar-
ten hineinzugehen. Eines Tages stand die Frau
an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie
wunderschöne Rapunzeln auf einem Beet und
wurde so lüstern darnach, und wußte doch, daß
sie keine davon bekommen konnte, daß sie ganz
abfiel und elend wurde. Ihr Mann erschrack
endlich und fragte nach der Ursache; „ach wenn
ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten
hinter unserm Haus zu essen kriege, so muß ich
sterben.y/ Der Mann, welcher sie gar lieb hatte,
dachte, es mag kosten was es will, so willst du
ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends über
die hohe Mauer und stach in aller Eile eine Hand
voll Rapunzeln aus, die er seiner Frau brachte.
Die Frau wachte sich sogleich Salat daraus,
und aß sie in vollem Heißhunger auf. Sie hat-
ten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, daß sie
den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam.
Der Mann sah wohl, daß keine Ruh wäre, also
stieg er noch einmal in den Garten, allein er
erschrack gewaltig, als die Fee darin stand und
ihn heftig schalt, daß er es wage in ihren Gar-
ten zu kommen und daraus zu stehlen. Er ent-
4o
schuldigte sich, so gut er konnte, mit der Schwan-
gerschaft seiner Frau, und wie gefährlich es sey,
ihr dann etwas abzuschlagen, endlich sprach die
Fee.- „ich will mich zufrieden geben und dir selbst
gestalten Rapunzeln mitzunehmen, so viel du
willst, wofern du mir das Kind geben wirst,
womit deine Frau jetzo geht." Zn der Angst
sagte der Mann alles zu, und als die Frau in
Wochen kam, erschien die Fee sogleich, nannte
das kleine Mädchen Rapunzel und nahm es
mit sich fort.
Dieses Rapunzel wurde das schönste Kind
unter der Sonne, wie es aber zwölf Zahr alt
war, so schloß es die Fee in einen hohen hohen
Thurm, der hatte weder Thür noch Treppe, nur
bloß ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn
nun die Fee hinein wollte, so stand sie unten
und rief:
„Rapunzel, Rapunzel!
laß mir dein Haar herunter."
Rapunzel hatte aber prächtige Haare, fein wie
gesponnen Gold, und wenn die Fee so rief, so
band sie sie los, wickelte sie oben um einen Fen-
sterhaken und dann fielen die Haare zwanzig Ellen
tief hinunter und die Fee stieg daran hinauf.
Eines Tages kam nun ein junger Königs-
sohn durch den Wald, wo der Thurm stand,
sah das schöne Rapunzel oben am Fenster ste-
hen und hörte sie mit so süßer Stimme singen.
daß er sich ganz in sie verliebte. Da aber keine
Thüre im Thurm war und keine Leiter so hoch
reichen konnte, so gerieth er in Verzweiflung,
doch ging er alle Tage in den Wald hin, bis
er einstmals die Fee kommen sah, die sprach:
„Rapunzel, Rapunzel!
laß dein Haar herunter."
Darauf sah er wohl, auf welcher Leiter man in
den Thurm kommen konnte. Er hatte sich aber
die Worte wohl gemerkt, die man sprechen muß-
te, und des andern Tages, als es dunkel war,
. ging er an den Thurm und sprach hinauf:
Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter!
da ließ sie die Haare los, und wie sie unten
waren, machte er sich daran fest und wurde hin-
aufgezogen.
Rapunzel erschrack nun anfangs, bald aber
gefiel ihr der junge König so gut, daß sie mir
ihm, verabredete, er solle alle Tage kommen und
- hinaufgezogen werden. So lebten sie lustig und
in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam
nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel
anfing und zu ihr sagte: „sag' sie mir doch Frau
Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng
und wollen nicht mehr passen." Ach du gottlo-
ses Kind, sprach die Fee, was muß ich von dir
hören, und sie merkte gleich, wie sie betrogen
wäre, und war ganz aufgebracht. Da nahm sie
die schönen Haare Rapunzels, schlug sie ein paar
Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit
der rechten und ritsch, ritsch, waren sie abge-
schnitten. Darauf verwiest sie Rapunzel in eine
Wüstenei, wo es ihr sehr kümmerlich erging und
sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen
Knaben und ein Mädchen gebar.
Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel ver-
stoßen hatte, machte die Fee Abends die abge-
schnittenen Haare oben am Haken fest, und als
der Königesohn kam;
Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter!
so ließ sie zwar die Haare nieder, allein wie
erstaunte der Prinz, als ex statt seines gelieb-
ten Rapunzels die Fee oben fand. „Weißt du
was, sprach die erzürnte Fee, Rapunzel ist für
dich Bösewicht auf immer verloren!"
Da wurde der Königssohn ganz verzwei-
felnd, und stürzte sich gleich den Thurm hinab,
das Leben brachte er davon, aber dle beiden
Augen hatte er sich ausgefallen, traurig irrte
er im Wald herum, aß nichts als Gras und
Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige
Jahre nachher geräth er in jene Wüstenei, wo
Rapunzel kümmerlich mit ihren Kindern lebte,
ihre Stimme däuchte ihm so bekannt, in dem-
selben Augenblick erkannt: sie ihn auch und
fällt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thrä- -
nen fallen in seine Augen, da werden sie wie-
der klar, und er kann damit sehen, wie sonst.
rZ.
Die drei Männlein im Walde.
Einem Mann war seine Frau gestorben,
da war er unschlüssig, ob er sich wieder eine
nehmen sollte oder nicht. Endlich zog er sei-
nen Stiefel aus, der hatte in der Sohle ein
Loch, und sprach zu seiner Tochter, seinem ein-
zigen Kind: „nimm diesem Stiefel, trag ihn
auf den Boden, da ist ein großer Nagel, dar-
an häng ihn a»e, dann hole Wasser und gieß
es hinein; hält er das Wasser, so w.u ich wie-
der eine Frau nehmen, taufte aber durch, so
laß ichs bleiben." Das Mädchen that, wie ihm
geheißen war, das Wasser aber zog das Loch
zusammen und der Stiefel ward voll bis oben
hin. Der Mann sah selber nach, obs richtig
war, dann sagte er: da muß ich mir wohl eine
Frau nehmen; ging hin und freite eine Witt-
we. Diese brachte auch eine Tochter von ih-
rem ersten Mann mit ins Haus, und als sie
sah, daß ihr Stiefkind schön war und jeder-
mann es lieb hatte, ihre Tochter aber häßlich,
so ward sie neidisch, sehte es überall zurück
und dachte nur darauf, wie sie es recht quälen
de im Walde zur Winterszeit suche. „Ach!"
sagte es, „ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren
suchen und darf nicht eher nach Haus kommen
bis ich es mitbringe." Die drei Männer sag-
ten darauf: „geh hinter unser Haus und räu-
me den Schnee weg, da haben sie Schutz ge-
habt und sind gewachsen, da wirst du vollauf
finden." Das Mädchen bedankte sich und that,
wie sie es geheißen hatten. Während es nun
den Schnee wegräumte und die Erdbeeren ab-
brach, sprachen die drei Männlein unter sich:
„was sollen wir ihm schenken, weil es so ar-
tig gegen uns gewesen und so schön ist?" da
sagte das eine: „ich schenke ihm, daß es noch
schöner wird, „das andere sagte.- „ich schenke
ihm, daß die goldenen Dueaten aus seinem
Munde fallen, wenn es spricht;" das dritte:
„ich schenke ihm, daß ein König kommt und es
heirathe." Wie nun das Mädchen wieder her-
vorkam, schenkten sie ihm das alles, und als es
sich bedanken wollte, fielen schon Dueaten aus
seinem Munde. Da ging es nach Haus und
verwunderte sich die Stiefmutter über die Erd-
beeren, die es brachte, so verwunderte sie sich
noch mehr, als sie sah, wie ihm die Dueaten
aus dem Munde fielen; es dauerte auch nicht
lange, so kam ein König und holte es ab, und
machte es zu seiner Gemahlin.
Die Mutter aber gedachte, sie wollte ihrer
Tochter auch ein so großes Glück verschaffen.
Da nahte sie ihr einen prächtigen Pelzrock und
hieß sie hinausgehen in den Wald, und die klei-
nen Männer um ein Geschenk bitten. Die
Männer aber sahen, daß sie ein böses Herz
hakte und statt guter Geschenke gaben sie ihm
schlimme. Der erste, daß sie in ihrem Pelzrock
friere, als wär er aus. Papier, der zweite, daß
sie alle Tage garstiger werde, der dritte, daß sie
eines unglücklichen Todes sterbe. Zitternd vor
Frost kam sie nach Hause und erzählte der
Mutter, was ihr begegnet war, und als diese
sah, daß die Verwünschungen der drei Männer
anfingen einzutreffen, dachte sie nur darauf, wie
sie sich rächen wollte. Sie ging zu ihrer Stief-
tochter, der Königin, und stellte sich freundlich
und liebreich an, da ward sie wohl aufgenom-
men und ward ihr eine eigene Wohnung gege-
ben. Bald darauf gebar die Königin einen
Prinzen, und als sie in de^Nacht allein, krank
und schwach ^war^ ha hab sw" das böse Weib
mit ihrer Tochterrkius' dem Bett, und sie- tru,
gen sie hinaus zu dem Fluß und warfen sie
hinein. . Am andern Morgen sagten sie dem
König, die Königin sey in der Nacht ge-
storben.
Zn der folgenden Nacht sah der Küchen-
junge, wie eine Ente durch die Gosse in die
Küche hineinschwamm. Sie fragte:
/CvwMl, <iif/lJu' .
47
„War machen meine Gäste?" —
Er antwortete: „Sie schlafen feste."
„Was macht mein Kindelein?"
„Es schläft in der Wiege fein. "
Da ging sie hinauf in der Königin Gestalt,
gab ihm zu trinke», pflegt' es, macht' ihm sei-
ne Wiege, deckt es zu und schwamm als* Ente
am Morgen wieder durch die Gosse fort. So
kam sie noch eine Nacht, in der dritten aber
sagte sie zu dem Küchenjungen: „geh zu dem
König und sag ihm, er solle sein Schwert drei-
mal auf der Schwelle über mir schwingen."
Der Küchenjunge lief und sagts dem König,
und als der König dreimal sein Schwert ge-
schwungen, da stand die Königin wieder leben-
dig vor ihm. Die Falschheit der Stiefmutter
und ihrer Tochter kam an den Tag und sie
wurden den wilden Thieren im Walde zu fres-
sen gegeben. r ■ , >
14.
Von dem bösen Flachsspinnen.
Vorzeiten lebte ein König, dem war nichts
lieber auf der Welt als Flachsspinnen, und die
Königin und seine Töchter mußten den ganzen
Tag spinnen, und wenn er die Räder nicht
schnurren hörte, war er böse. Einmal mußte
er eine Reise machen, und ehe er Abschied
nahm, gab er der Königin einen großen Kasten
mit Flachs und sagte-, „der muß gesponnen
seyn, wann ich wieder komme." Die Prin-
zessinnen wurden betrübt und weinten: „wenn
wir das alles spinnen sollen, müssen wir den
, > ganzen Tag sitzen und dürfen nicht einmal auf-
stehen/" Die Königin aber sprach- „tröstet
<t<w euch, ich will euch schon helfen. Da waren im
Lande drei besonders häßliche Jungfern, die er-
ste hatte eine so große Unterlippe, daß sie über
das Kinn herunterhing, die zweite hatte an der
rechten Hano den Zeigefinger so dick und breit,
daß man drei andere Finger hätte daraus ma-
chen können, die dritte hatte einen dicken breiten
Platschfuß, so breit wie ein halbes Kuchenbrett.
Die ließ die Königin zu sich fordern und an
dem Tage, wo der König heim kommen sollte,
sehte sie alle drei nebeneinander in ihre Stube,
gab ihnen ihre Spinnräder und da mußten sie
spinnen, auch sagte sie einer jeden, was sie auf
des Königs Fragen antworten solle. Als der
König anlangte, hörte er das Schnurren der
Räder von weitem, freute sich herzlich und ge-
dachte seine Töchter zu loben. Wie er aber in
die Stube kam und die drei garstigen Jungfern
da sitzen sah, erschrack er erstlich, dann trat er
hinzu und fragte die erste, woher sie die ent-
setzlich große Unterlippe habe? „vom Lecken,
vom Lecken!" Darauf die zweite, woher der
dicke
— 49 —
dicke Finger? „vom Faden drehen, vom Fa-
den drehen und umschlingen!" dabei ließ sie
den Faden ein paarmal um den Finger laufen.
Endlich die dritte- woher den dicken Fuß?
„vom Treten, vom Treten!" wie das der Kö-
nig hörte, befahl er der Königin und den Prin-
zessinnen, sie sollten nimmermehr ein Spinnrad
anrühren und so waren sie ihrer Qual loö.
hv x %
16. ,5-
Häusel und Gretel.
Vor einem großen Walde wohnte ein ar-
mer Hoizhacker, der hatte nichts zu beißen und
zu brechen, und kaum das tägliche Brod für
seine Frau und seine zwei Kinder, Hänsel und >
Gretel. ^Emnnä-konnte er auch das nicht mehr
4i£4-~r. ' l-iXn ,
schaffen, und lpußte sich nicht zu helfen d seines
Noth. Wie cr'Äbends vor Sorge sich im Bett
herumwälzte, da sagte seine Frau zu ihm- „höre
Mann, morgen früh nimm die beiden Kinder,
gieb jedem noch ein Stückchen Brod, dann
führ sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo
er am dicksten ist, da mach ihnen einAuer an,
und dann geh weg und laß sie dort^ 'wir kön-
nen sie nicht länger ernähren." „Nein Frau,
sagte der Mann, das kann ich nicht über mein
Herz bringen, meine eigenen lieben^^inder zu
den wilden Thieren zu führen, bies sie bald in
Kindermärchen. D
'■Mi
, x
60
dem Wald zerreißen wck^«r." „Wenn du das
nicht thust, sprach die Frau, so müssen wir alle
miteinander Hungers sterben;" da ließ sie ihm
keine Rühe, bis er Ja sagte.
Die zwei Kinder waren auch noch wach
Hunger, und hatten alles gehört, was die
Mutter zum Vater gesagt hatte. Grerel dach-
te, nun ist es um mich geschehen und fing er-
bärmlich an zu weinen, Hänsel aber sprach:
„sey still, Gretel, und gräm dich nicht, ich will
uns helfen." Damit stieg er auf, zog sein
Röcklein an, machte die Unterthüre auf und
schlich hinaus. Da schien der Mond hell und
die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Ba-
tzen. Hänsel bückte sich und machte sich sein
ganz Rocktäschlein voll davon, so viel nur hin-
ein wollten, dann ging er zurück ins Haus:
„tröste dich, Gretel, und schlaf nur ruhig," leg-
te sich wieder ins Bett und schlief ein.
Morgens früh, ehe die Sonne noch aufge-
gangen war, kam die Mutter und weckte sie
alle beide: „steht auf, ihr Kinder, wir wollen
in den Wald gehen, da habt ihr jedes ein Stück-
lein Brod, aber haltete zu Rathe und hebts
euch für den Mittag auf." Gretel nahm das
Brod unter die Schürze, weil Hänsel die Stei-
ne in der Tasche hatte, dann Machten sie sich
auf den Weg in den Wald hinein. Wie sie
ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel
—
still und guckte nach dem Haus zurück, bald
darauf wieder und immer wieder. Der Vater
sprach: „Hänsel, was guckst du zurück und
hältst dich auf, hab Acht und marschir zu." —
„Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kätz-
chen, das sitzt oben auf dem Dach und will
mir Ade sagen." Die Mutter sprach: „ei
Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die
Morgensonne- die auf den Schornstein scheint."
Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gese-
hen, sondern immer einen von den blanken Kiesel-
steinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.
Wie sie mitten in den Wald gekommen
waren, sprach der Vater, „nun sammelt Holz,
ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, daß
wir nicht frieren." Hänsel und Gretel trugen
Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Da
steckten sie es an, und wie die Flamme recht groß
brannte, sagte die Mutter: „nun legt euch ans
Feuer und schlaft, wir wollen in dem Wald das
Holz fällen, wartet, bis wir wieder kommen,
und euch abholen.
Hänsel und Gretel saßen an dem Feuer,
bis Mittag, da aß jedes sein Stücklein Brod,
und dann wieder bis an den Abend; aber Va-
ter und Mutter blieben aus, und niemand woll-
te kommen und sie abholen. Wie es nun fin-
stere Nacht wurde, fing Gretel an zu weinen,
Hänsel.aber sprach: „wart nur ein Weilchen,
D 2
— 52 —
bis der Mond aufgegangen ist. Und als der
Mond aufgegangen war, faßte er die Gre-
tel bei der Hand, da lagen die Kieselsteine
wie neugeschlagene Batzen und schimmerten und
zeigten ihnen den Weg. Da gingen sie die
ganze Nacht durch, und wie es Morgen war,
kamen sie wieder bei ihres Vaters Haus an.
Der Vater freute sich von Herzen, als er seine
Kinder wieder sah, denn er hatte sie ungern
allein gelassen, die Mutter stellte sich auch, als
wenn sie sich freute, heimlich aber war sie bös.
Nicht lange darnach, war wieder kein Brod
im Hause und Häusel und Gretel hörten wie
Abends die Mutter zum Vater sagte: „einmal
haben die Kinder den Weg zurückgefunden, und
da habe ichs gut seyn lassen, aber jetzt ist wie-
der nichts, als nur noch ein halber Laib Brod
im Haus, du mußt sie morgen tiefer in den
Wald führen, daß sie nicht wieder heim kom-
men können, es ist sonst keine Hülfe für uns
mehr." Dem Mann fiels schwer aufs Herz,
und er gedachte, es wäre doch besser, wenn du
den letzten Bissen mit deinen Kindern theilt^,
^ E.b" einmal gethan hatte, so -
J er nicht nem -sagen- Häusel und Gretel hörten
das Gespräch der Eltern; Hänsel stand auf und
wollte wieder Kieselsteine auflesen, wie er aber
an die Thüre kam, da hatte sie die Mutter zu-
geschlossen. Doch tröstete er die Gretel und
Pi J
sprach: „schlaf nur, lieb Gretel, der liebe Gott
wird uns schon helfen."
Morgen« früh erhielten sie ihr Stücklein
Brod, noch kleiner als das vorigemal. Auf
dem Wege bröckelte es Häusel in der Tasche,
stand oft still, und warf ein Bricklein an die
Erde." Was bleibst du immer stehen, Hänsel,
und guckst dich um, sagte der Vater, geh dei-
ner Wege.„Ach! ich seh nach meinem
Täubchen, das siht auf dem Dach und will mir
Ade sagen" „duNarr, sagte die Mutter, das
ist dein Täubchen nicht, das ist die Morgenson-
ne, die auf den Schornstein oben scheint."
Hänsel aber zerbröckelte all sein Brod und warf
die Bröcklein auf den Weg.
Die Mutter <**» führte sie noch tiefer in
den Wald hinein, wo sie ihr Lebtag nicht ge-
wesen waren, da sollten sie wieder einschlafen
bei einem großen Feuer, und Abends wollte»
die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mit-
tag theilte Gretel ihr Brod mit Hänsel, weil
der seine all auf den Weg gestreut; der Mit-
tag verging und der Abend verging, aber nie-
mand kam zu den armen Kindern. Hänsel trö-
stete die Gretel und sagte: „wart, wenn der
Mond aufgeht, dann seh ich die Bröcklein
Brod, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns
den Weg nach Haus." Der Mond ging auf,
wie aber Hänsel nach den Bröcklein sah, da
54
WEN sie weg/ die viel tomsend Vöglein in dem
Wald/ die hatten sie gefunden und aufgepickt.
Hansel meinte doch den Weg nach Haue zu
finden und zog die Gretel mit sich, aber sie ver-
irrten sich bald in der großen Wildniß und
gingen die Nacht und den ganzen Tag, da
schliefen sie vor Müdigkeit ein; und gingen
noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus den
Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie
hatten nichte zu essen, ale ein paar kleine Beer-
lein, die auf der Erde standen.
yUliU
' t'AiM.'g'H'ff'fcn. 'Mim ■ ■ ■ ti
fain* tyituuin fuß für dich. "
Zlm dritten Tage gingen sie wieder bie zu
Mittag, da kamen sie an ein Häuelein, das
war ganz aue Brod gebaut und war mir Ku-
chen gedeckt, und die Fenster waren von hellem
Zucker. „Da wollen wir une niedersehen und
une satt essen, sagte Hansel; ich will vom Dach
essen, iß du vom Fenster, Gretel, dae ist fein
nsel hatte/schon ein -gut
Stssck vom Dach/und Grete/ schon ein-Paar
runde Fensterscheiben gegesse/, und brach sick-
eben eine neu/ aus, da horten sie eine feine
Stimme, die/von innen herausrief: /
„knuper, knuper, Kneischen!
„wer knupert an meinem Häuschen!"
pW*#*/** Or&H, r
Hawsel und Gretel/erschracken-so gewaltitz, daß
x sie/fallen ließen, /as sie in-der Hand/hielten,
ßfyfn t**S'/"unb gleich daraus sahen si/aus der dfüre eine
im
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rj^ WLU MU * k'ÜlAVK fl+UitL Ifa l hrVU'JirAM.l ff Cüjr^
- ,V ä yf /’ //- IS
J5. yW-
gfcing steinalte Frau schleichen. Sie wackelte
mit dem Kopf und sagte: „ei, ihr lieben Kin-
der, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt her-
ein mit mir, ihr sollte gut haben," faßte beide
an der Hand und führte sie in ihr Häuschen.
Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und
Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nüsse,
und dann wurden zwei schöne Bettlein bereitet,
da legten sich Hänsel und Gretel hinein, und
meinten sie wären wie im Himmel.
Die Alte aber war eine böse Hexe, die
lauerte den Kindern auf, und hatte um sie zu
locken ihr Brodhäuslein gebaut, und wenn eins
in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt,
kochte eö und aß es, und das war ihr ein Fest-
tag. Da war sie nun recht froh, wie Hän>el
und Gretel ihr zugelaufen kamen. Früh, ehe
sie noch erwacht waren, stand sie schon auf,
ging an ihre Bettlein und wie sie die zwei so
lieblich ruhen sah, freute sie sich und gedachte,
das wird ein guter Bissen für dich seyn. Sie
packte Hänsel und steckte ihn in einen kleinen
Stall, und wie er da aufwachte, war er von
einem Gitter umschlossen, wie man junge Hühn-
lein einsperrt, und konnte nur ein paar Schritte
gehen. Das Gretel aber schüttelte sie und rief:
- steh auf, du Faullenzerin, hol Wasser und geh
in die Küche und koch gut zu essen, dort steckt
dein Bruder in einem Stall, den zvill ich erst
fett machen, und wann er fett ist, dann will
ich ihn essen, jetzt sollst du ihn füttern/Gre-
tel erschrack und weinte, mußte aber thun, was
die Hexe verlangte. Da ward nun alle Tage
dem Hansel das beste Essen gekocht, daß er
fett werden sollte, Gretel aber bekam nichts,
als dje Krebsschalen, und alle Tage die
Alte, und sagte: „Hänsel, streck deine Finger
heraus, daß lch fühle, ob du bald fett genug
bist." Hänjel^rrecktx Lhr^aber immer ein Knöch-
lein heraus, ^aMMuMMe So sich, daß er gar
nicht zunehmen wolle.
Nach vierLochen sagte sie eines Abends
zu Gretel: ,$*}■ Pink, geh und trag Wasser
herbei, dein Brüderchen wag nun fett genug
seyn oder nicht, morgen will ich es schlachten
und sieden, ich will Verweile den Teig anma-
chen, daß wir auch dazu backen können/ Da
ging Gretel mit traurigem Herzen und trug
das Wasser, worin Hänsel sollte gesotten wer-
den. Früh Morgens mußte Gretel aufstehen,
Feuer anmachen und den Kessel mit Wasser
aufhängen. „Gieb nun Acht, bis es siedet, sag-
te die Hexe, ich will Feuer in den Backofen
wachen und das Brod hineinschieben;" Gretel
stand in der Küche und weinte blutige Thrä-
nen, und dachte, hätten uns lieber die wilden
Thiere im Walde gefressen, so wären wir zu-
sammen gestorben und müßten nun nicht das
Herzeleid tragen, und ich müßte nicht selber das
Wasser zu dem Tod meines lieben Bruders,
sieden, du lieber Gott, hilf uns armen Kin-
dern aus der Noth.
Da rief die Alte: „Gretel komm gleich
einmal hierher zu dem Backofen," wie Gretel
kam, sagte sie/guck hinein, ob das Brod schon
hübsch braun und gar ist, meine Augen sind
schwach, ich kann nicht so weit sehen, und wenn
du auch nicht kannst, so setz dich auf das Brett,
so will ich dich hineinschieben, da kannst du
darin herumgehen und nachsehen." Wenn
aber Gretel darin war, da wollte sie zumachen
und Gretel sollte in dem heißen Ofen backen,
und sie wollte es auch aufessen: das dachte die
böse Hexe, und darum hatte sie das Gretel ge-
rufen. Gott gab es aber Gretel ein und sie
sagte: „ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll,
zeigs mirs erst, setz dich drauf, ich will dich hin-
einschieben." UnddieAlte setzte sich aufdasBrett,
und weil sie leicht war, schob sie Gretel hinein
so weit sie konnte, und dann machte sie geschwind
die Thüre zu, und steckte den eisernen Riegel
vor. Da fing die Alte an in dem heißen Back-
ofen zu schreien und zu jammern, Gretel aber
lief fort, und sie^mußte elendiglich verbrennen.
Gretel'lief zum Hänsel, machte ihm
sein Thürchen auf und Hansel sprang heraus,^
und sie küßten sich einander und waren froh.^'
58
Das ganze Häuschen war voll von Edelgestei-
nen und Pcplen, davon füllten sie ihre Taschen,
gingen fort und fanden den Weg nach Haus.
Der Vater freute sich als er sie wieder sah, er
hatte keinen vergnügten Tag gehabt, seit seine
Kinder fort waren, und ward nun ein reicher
Mann, Die Mutter aber war gestorben.
Amau •
16.
Herr Fix und Fertig.
Fix und Fertig war lange Zeit Soldat ge-
wesen, weil aber der Krieg ein Ende hatte und
nichts mehr zu thun war, als einen und alle
Tage dasselbe, nahm er seinen Abschied und
wollte Lakai bei einem großen Herrn werden.
Da gabs Kleider mit Gold besetzt, viel zu schaf-
fen und immer was Neues, Also machte er
sich aus den Weg und kam an einen fremden
Hof, da sah er einen Herrn, der in dem Gar-
ten spazieren ging. Fix und Fertig besann sich
nicht lang, trat frisch auf ihn zu und sagte:
„mein Herr, ich suche Dienste bei einem großen
Herrn, sinds Ew. Majestät selbst, so ist mirs
am liebsten, ich kann und weiß alles, was dazu
gehört, kurz und lang, wies befohlen wird,"
Der Herr sagte: „ recht, mein Sohn, das wäre
mir lieb, sag an, was ist anjetzt mein Verlan-
gen?" Fix und Fertig ohne zu antworten drehte
sich um, lief eilend und brachte eine Pfeife und
Taback. „Recht, mein Sohn, du bist mein
Bedienter, aber nun gebe ich dir auf, mir die
Prinzessin Nomini zu schaffen, die schönste auf
der Welt, die will ich zu meiner Gemahlin ha-
ben." — „Wohlan, sagte Fix und Fertig, das
ist mir ein kleines, die sollen Ew. Maj, bald
haben, geben Sie mir nur eine Chaise bespannt
mit Sechsen, einen Leibkutscher, Haiducken, Läu-
fer, Lakaien, Koch und einen völligen Staat,
mir selbst aber fürstliche Kleider, und jedermann
muß meinen Befehlen gehorchen." Nun^ fuh-
ren sier ab, der Herr Bedienter saß in der Kut-
sche und es ging immer dem königlichen Hof zu,
wo die schöne Prinzessin war. Als die Chaus-
see zu Ende war, fuhren sie ins Feld hinein
und kamen bald vor einen großen Wald, der
war voll von vielen tausend Vögeln, da war ein
grausamer Gesang, prächtig in die blaue Lust
hinein. „Halt! halt! rief der Fix und Fertig,
die Vögel nicht gestört! die preisen ihren Schö-
pfer und wollen mir wieder einmal dienen, links
um!" der Kutscher mußte also umdrehen und
um den Wald herumfahren. Darnach währte
es nicht lang, so kamen sie an ein großes Feld,
da saßen an die tausend Millionen Raben, die
schrien nach Speise überlaut, „Halt! halt! rief
der Herr Fix und Fertig: bind eins von den
vordersten Pferden los, führ es aufs Feld und
stichs todt, daß die Raben gespeist werden, die
sollen meinetwegen keinen Hunger leiden."
Nachdem die Raben gesättigt waren, ging die
Reise weiter und sie kamen an ein Wasser, dar-
in war ein Fisch, der klagte erbärmlich: „um
Gotteswillen! ich habe keine Nahrung in die-
sem schlechten Sumpf, setzt mich in ein fließen-
des Wasser, dafür will ich euch einmal gegen,
dienen." Eh er noch ausgeredet, hatte Fix und
Fertig halt! halt! gerufen; „Koch nimm ihn in
die Schürze, Kutscher fahr zu nach einem fließen-
den Wasser." Fix und Fertig stieg selber aus
und sehte ihn hinein, daß der Fisch vor Freude
mit dem Schwanz schlug. Herr Fix und Fer-
tig sprach: „laßt nun die Pferde rasch laufen,
daß wir zu Abend noch an Ort und Stelle sind."
Als er in der königlichen Residenz anlangte fuhr
er gerade nach dem besten Gasthof, der Wirth
und alle seine Leute kamen heraus, empfingen
ihn aufs beste und meinten, ein fremder König
sey angekommen, und es war doch nur ein Herr
Bedienter. Fix und Fertig aber ließ sich gleich
bei dem königlichen Hof anmelden, suchte sich be-
liebt zu machen und hielt um die Prinzessin an.
„Mein Sohn/ sagte der König, dergleichen Freier
sind schon viele abgewiesen worden, weil keiner
hat ausrichten können, was ich ihnen auferlegt
hatte, um meine Tochter zu gewinnen." „Wohl-
an, sprach Fix und Fertig, geben Ew. Majestät
mir nur was rechtes auf." Der König sagte:
„ich habe ein Viertel Mohnsamen säen lassen,
kannst du mir denselben wieder herbei schaffen,
daß kein Korn fehlt, so sollst du die Prinzessin
für deinen Herrn haben. Hoho! dachte Fix und
Fertig, das ist ein geringes für mich. Nahm
darauf ein Maaß, Sack und schneeweiße Tücher,
ging hinaus, und dje-fotzeern- breitete epAeven
das besäte Feld hin. Gar nicht lange, da ka-
men die Vögel, die im Walde bei ihrem Sin-
gen nicht waren verstört worden, und lasen den
Samen, Körnchen für Körnchen auf und trugen
ihn auf die weißen Tücher. Als sie alles auf-
gelesen hatten, schüttete es Fix und Fertig zu-
sammen in den Sack, nahm das Maaß unter
den Arm, ging zu dem König und maaß ihm
seinen ausgesäten Samen wieder zu, gedachte nun
die Prinzessin wäre schon sein — aber gefehlt:
„noch eins, mein Sohn, sagte der König, meine
Tochter hat einstmals ihren goldnen Ring ver-
loren, denselben mußt du mir erst wiederschaffen,
eh du sie bekommen kannst." Fix und Fertig
machte sich keine Sorgen: „lassen Ew. Majestät
wir nur das Wasser und die Brücke zeigen, wo
der Ring verloren worden, so soll er bald her-
beigeschafft seyn." Als er hingebracht war, sah
er hinab, da schwamm der Fisch herzu, den er
auf seiner Reise in den Fluß gesetzt hatte, streck-
te den Kopf in die Höhe und sagte: „wart ei-
62
tilge Augenblicke, ich fahre hinunter, ein Wall-
fisch hat den Ring unter der Floßfeder, da will
ich ihn holen;" kam auch bald wieder und warf
ihn ans Land. Fix und Fertig bracht ihn zum
König, dieser aber antwortete: „nun noch eins,
in jenem Walde ist ein Einhorn, das hat schon
vielen Schaden gethan- wenn du das töbten
kannst, dann ist nichts mehr übrig. Fix und
Fertig bekümmerte sich auch hier nicht groß, son-
dern ging geradezu in der» Wald. Da waren bie
Raben, die er einmal gefuttert und sprachen:
„noch eine kleine Weile Geduld, jetzt liegt das
Einhorn und schläft, aber nicht auf der scheelen
Seite, wenn es sich herumdreht, dann wollen
wir ihm das eine gute Auge, das es hat- aus-
picken, dann ist es blind und wird in seiner
Wuth gegen die Bäume rennen und mit seinem
Horn sich festspießen; dann kannst du es leicht
tödten." Bald wälzte sich das Thier ein paar
Mal im Schlaf herum und legte sich auf die
andere Seite, da flogen die Raben herunter
und hackten ihm sein gesundes Auge aus. Wie
es die Schmerzen empfand, sprang es auf und
rennte unsinnig im Wald herum, bald auch hatte
es sich in eine dicke Eiche festgerennt. Da sprang
Fix und Fertig herbei, hieb ihm den Kopf ab,
und brachte ihn dem König. Dieser konnte nun
seine Tochter nicht länger versagen, sie ward dem
Fix und Fertig übergeben, der sich gleich in vol-
6Z
lem Staat, wie er gekommen war, mit ihr in
die Kutsche sehte, zu seinem Herrn fuhr und ihm
die liebevolle Prinzessin brachte. Da ward er wohl .
empfangen- und in aller Pracht Hochzeit gehal-
ten; Fix und Fertig aber wurde erster Minister.
Ein jegliches in der Gesellschaft, wo dies
erzählt wurde, wünschte auch bei dem Vergnü-
gen zu seyn, eins wollte Kammerjungfer, das
andere Garderobemäuchtn werden, dafür wollte
einer Kammerdiener, der andere Koch werden
u. f. w. JxriJ* K-muj+L' tfiuu/> $WCL(J, tfVtufis zu+yb -r
m.
*7-
au
Die weiße Schlange.
Auf des Königs Tafel ward alle Mittage
eine verdeckte Schüssel gesetzt, wenn alle fort-
gegangen waren, aß der König noch allein dar-
aus, und es wußte kein Mensch; im ganzen
Reich, was das für eine Speise war. Einer
von den Dienern ward neugierig, was in der
Schüssel seyn könne, und wie ihm der König
einmal befohlen hatte, die Schüssel fortzutra-
gen, konnt' er sich nicht mehr zurückhalten,
nahm sie mit auf seine Kammer und deckte sie
auf. Und als er sie aufgedeckt hatte- da lag
eine weiße Schlange darin- wie er die ansah,
bekam er auch Lust davon zu essen und schnitt
sich ein Stück ab und aß es. Kaum aber hat-
te das Schlangenfleisch seine Lippen berührt,
so verstand er die Thiersprache, und hörte,
,wa6 die Bögel vor dem Fenster zu einander
sagten.
Denselben Tag kam der Königin einer ih-
rer schönsten Ringe fort, und der Verdacht fiel
auf ihn, der König sagte auch, wenn er nicht
bis Morgen den Dieb schaffe, solle er bestraft
werden, als wäre ers gewesen. Der Diener
ward traurig und ging herab auf des Königs
saßen die Enten j am Wasser nnd-
ruhten sich,^, und als er die so betrachtete, da
hörte er eine sp^LÜa „eö liegt mir so schwer
im Magen, ich habe einen Ring gefressen, d«,
die Königin... verlvren-hLLi."' Er »ahm die En-. ,
'Mund trug sie zum Koch: „schlacht doch bieA —'
sie ist so fett," und als der Koch ihr den Hals
abgeschnitten, und sie ausnahm, da lag der
Königin Ring ihr im Magen. Der Diener
brachte ihn dem König, der erstaunte und war
froh, und weil es ihm leid war, daß er ihm
Unrecht gethan, sagte er: „fordre wornach du
Lust hast, und was für eine Ehrenstelle du an
meinem Hof haben willst." Der Diener aber,
ob er gleich jung und schön war, schlug alles
aus, war traurig in seinem Herzen und wollte
nicht länger bleiben; er bat nur um ein Pferd
und um Geld in die Welt zu ziehen: das ward
ihm aufs beste gegeben.
Am
Am andern Morgen ritt er fort und kam
an einen Teich, da hatten sich drei Fische im
Rohr gefangen, die klagten, daß sie da sterben
müßten, wenn sie nicht bald wieder ins Was-
ser kämen. Er stieg ab, nahm sie aus dem
Rohr und trug sie ins Wasser: die Fische rie-
fen: „wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten." Er ritt weiter, bald darauf hörte er,
wie ein Ameisenkönig rief: „geh mit deinem
großen Thier fort, das zertritt mit seinen brei-
ten Füßen uns alle miteinander." Er sah zur
Erde, da hatte sein Pferd in einen Ameisen-
haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei-
senkönig rief ihm nach: „wir wollen daran ge-
denken und dirs vergelten." Darauf kam er
in einen Wald, da warfen bte Raben ihre Zun-
gen aus den Nestern, sie wären groß genug,
sprachen sie, und könnten sich selber ernähren.
Die Zungen lagen auf der Erde und schrieen,
sie müßten Hungers sterben, ihre Flügel wären
noch zu klein, sie könnten noch nicht fliegen
und sich etwas suchen. Da stieg er vom Pferd
ab, nahm seinen Degen und stach es todt und
warfs den jungen Raben hin, die kamen bald
herbeigehüpft und fraßen sich satt und sag-
ten: ,,wir wollen daran gedenken und dirs ver-
gelten."
Er ging weiter und kam in eine große
Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin-
Kindermarchen. E
zeffin haben wolle, der solle ausführen, was sie
ihm aufgeben werde, sey er hernach nicht im
Stande, habe er sein Leben verloren. Es wa-
ren aber schon viele Prinzen da gewesen, die
waren alle dabei umgekommen, daß niemand
sich mehr daran wagen wollte; da ließ es die
Prinzessin von neuem bekannt machen. Der
Jüngling gedachte, er woll' es wagen und mel-
dete sich als Freier. Da ward er hinaus ans
Meer geführt, und ein Ring hinabgeworfen,
den sollt er wiederholen, und wenn er aus
dem Wasser herauskäme ohne den Ring, werde
er wieder hineingestürzt und müsse darin ster-
ben. Wie er aber am Ufer stand, kamen die
Fische, die er aus dem Rohr in das Wasser
geworfen hatte, und der mittelste hatte eine
Muschel im Munde, darin lag der Ring, die
Muschel legte er zu seinen Füßen an den
Strand. Da war der Jüngling froh, brachte
dem König den Ring und verlangte die Prin-
zessin. Die Prinzessin aber, als sie hörte, daß
es kein Prinz sey, wollte ihn nicht, sie schütte-
te zehn Säcke Hirsen ins Gras- die solle er
erst auflesen, daß kein Körnchen fehle, ehe die
Morgensonne aufgegangen. Da kam der Amei-
senkönig mit alle seinen Ameisen, die der Jüng-
ling geschont hatte und lasen in der Nacht al-
len Hirsen auf, und trugen ihn in die Säcke,
xnd vor Sonnenaufgang waren sie fertig. Wie
— 67 —
die Prinzessin das sah, erstaunte sie, und der
Jüngling ward vor sie gebracht, und weil er
schön war, gefiel er ihr, aber sie verlangte noch
zum dritten, er solle ihr einen Apfel vom
Baum des Lebens schaffen. Als er stand und
darüber nachdachte, wie er dazu gelangen kön-
ne, da kam einer von den Raben, die er mit
seinem Pferd gefüttert, und brachte den Apfel
in dem Schnabel. Da ward er der Gemahl
der Prinzessin und, als ihr Vater starb, König
über das ganze Land.
18.
Strohhalm, Kohle und Bohne auf
der Reise.
Ein^^lrohhalm, eine Kohle Und eine Boh-
ne schlugen sich zusammen, und wollten ge-
meinschaftlich ei^ie große Reise machen. Sie
waren schon ^dukch viele Länder gezogen, da
kamen sie an einen Bach ohne Brücke und
konnten nicht hinüber. Endlich wußte Stroh-
halm guten Rath, er legte sich quer über und
die andern sollten über ihn hingehen, erst Koh,
le, dann Bohne. Kohle ging breit und lang-
sam darauf, Bohile trippelte nach. Wie aber
die Kohle mitten auf den Strohhalm kam, fing
der an zu brennen, und brannte durch, Kohle
fiel zischend ins Wasser und starb, Strohhalm
E 2
■ii!
— 68 —
floß in zwei Theile zerstückt fort, Bohne, die
noch etwas zrirück war, rutschte auch nach, und
fiel hinunter'^half sich aLer. ein bischen mit
Schwimmen. Sie mußte doch endlich so viel
Wasser trinken, daß sie zerplatzte, und ward in
diesem Zustand ans User getrieben. Zum Glück
saß da ein Schneider, der auf seiner Wander-
schaft ausruhte, weil er nun Nadel und Zwirn
bei der Hand hatte, nähte er sie wieder zusam-
men; seit der Zeit aber haben alle Bohnen ei-
ne Naht.
Nach einer andern Erzählung ging die
Dohne zuerst über den Strohhalm, kam glück-
lich hinüber und sah auf dem gegenseitigen
Ufer der Kohle zu wie die herüberzog. Mitten
auf dem Wasser brannte sie den Strohhalm
durch, fiel hinab und zischte. Wie das die
Bohne sah, lachte sie so stark, daß sic platzte.
Der Schneider am Ufer nähte sie wieder zu,
hatte aber gerade nur schwarzen Zwirn, daher
alle Bohnen eine schwarze Naht haben.
19.
Von den Fischer und ft in e Fru.
Daar was mal eens een Fischer un siine
Fru, de waanten tosamen in'n Piöpott, dicht
an de See — un de Fischer ging alle Dage
hen un angelt, un ging he hen lange Tid.
» \
— G
Daar satt he eens an de See bi de Angel
un fach in dat blanke Water/ un he fach üm-
mcr na de Angel — daar ging de Angel to
Grünn, deep unner, un as he se heruttreckt so
haalt he eenen groten Butt herut — de Butt
sed' to em: ,/ick bidd di/ dat du mi lewen lettst,
ick bin keen rechte Butt/ ick bin een verwünscht'
Prins, sett mi wedder in dat Water un laat mi
swemmen" — Nu, sed' de Mann, du bruukst
-micff so veele Woord' to maken, eenen Butt,
de spreken kan, hadd ick doch woll swemmen
laten. Daar sett't he en wedder in dat Water,
un de Butt ging fuurts weg to Grun'n un leet
eenen langen Stripen Bloot hinne sich.
De Mann averst ging to siine Fru in'n
, Pispott un verteilt eer, dat he eenen Butt
fangen hadd, de hadd to em fegt, he weer een
verwünscht' Prins, doon hadd he em wedder
swemmen laten. „Heft du di den nix wünscht?"
sed' de Fru. — „Nee! sed de Mann, wat füll
ick mi wünschen?" — „Ach! sed' de Fru, dat
is doch övel, ümmer in'n Pispott to wanen, dat
is so stinkig un dreckig hier, ga du noch hen
un wünsch uns ne lutt\ Hütt!" den Mann
was dat nich so recht, doch ging he hen na de
See, un as he hen kämm, so was de See
gans geel un crön, da ging he an dat Water
staan, un sed:
Mv?r
„Mandje! Mandje! Trmpe Te!
Buttje! Buttje in de See!
Mine Fru, de Jlsebill,
Will nich so, as ick wol will."
Daar kam de Butt anfwemmen un sed': „na
wat will se denn?" — „Ach! sed' de Mann,
ick hev di doch fangen hätt, nu sed' Mine Fru,
ick hadd mi doch wat wünschen füllt, se mag
nich meer in Pispott wanen, se wull geern ne
Hütt hebben." — „Ga man Heu, sed de Butt,
se is all daar in." -~
Daar ging de Mann Herr, und siine Fru
stund in eene Hütt in de Döör, un sed to em.-
„summ man herin; sü, nu is dat doch veel be-
tör!" Un daar was eene Stuwe un Kamer un
eene Köck daar in, un da achter was een lütte
Gaarn mit allerhand Grömgkeiten un een Hoff,
da weeren Höner und Aanten. „Ach, sed de
Mann, nu willn wi vergnügt lewen"— „Za,
sed de Fru, wi willnt verjöken."
So ging dat nu wol een acht oder veer-
tein Daag, daar sed' de Fru: „Mann! de
Hütt wart mr (o eng, de Hoff un Gaarn is
to lütt, ick will in een grot steenern Slott wa-
nen; ga hen (j|lm Butt, he fall uns een Slott
schaffen." — „Ach Fru, sed de Mann, de Butt
hett uns eerst de Hütt gewen, ick mag nu nich
all wedder kamen, den Butt mügt et verdree-
ten."—- Z wat^, sed de Fru, he kann dat recht
good, un de^t dat geern, ga du man hen!"
Daar ging der Mann hen un siin Hart was
em so swar; as he awerst bi de See kam, was
dat Water gans vigelett un grag un dunkel-
blag, doch was't noch still, dar ging he staan
un sed:
„Mandje! Mandje! TimpeTe!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Jlsebill,
Will nich so, as ick wol will."
„Na! wat will se denn?" sed de Dutt. —
Ach, sed de Mann, gans bedrövd, mine Fru
will in een steuern Slott wanen." — „Ga
man hen, se steit vör de Döör" sed de
Butt.
Daar ging de Mann hen un siine Fru
stund vör eenen groten Pallast. „Sü Mann,
sed se, wat is dat nu schön!" Mit des gin-
gen se tosamen herin, daar weeren so veel Be-
deenters, un de Wände weeren all blank, un
goldne Stööl un Dische weeren in de Stnw,
un achter dat Slott was een Gaarn un Holt,
woll eene halve Miil laug, daar in weren Hir-
sche, Reeh un Hasen, un up den Hoff Köh-
un Peerdställ. „Ach! sed de Mann, nu willn
wi ook in dat schöne Slott bliwen, un tofre-
den sin!"— „Dat willn wi uns bedenken, sed
de Fru, un willn't bes^lapen." Mit des gin-
gen se to Bed. "
72
Den armem Morgen waakt de Fru up,
dat was all Dag: da stödd' je den Mann mit
den Ellbagen irr de Siid, un sed: „Mann stah
up, wi möten König warden över all dat
Land." — „Ach! Fru, sed de Mann, wat
wulln wi König warden, ick mag nich König
sin;" na fcetm will ick König sin. — „Ach!
Fru, sed de Mann. wo kannst du Aönig sin,
de Butt mügt dat nich doon" — „Mann, sed
de Fru, ga stracks hen, ick möt König sin."
Daar ging de Mann un was gans bedrövd,
dat sin Fru König warden wull. Un as he an
de See kämm, was ft all gans swartgrag un
dat Water geert so van unner up. Daar ging
he staan un sed:
„Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Jlsebill,
Will nich so, as ick wol will."
„Na wat will ft denn?" sed de Butt. —
/,Ach! sed de Mann, mine Fru will König
warden^ — „Ga man hen, ft is't all," ftd
de Butt.
Daar ging de Mann hen, un as he na
den Pallast kämm, da weren daar so veele Sol-
daten un Pauken un Trumpeten, un siine Fru
satt up eenen hogen Troon van Gold un De-
mant un had eene grote goldne Kroon up un
up beiden Siiden bi eer daar stunden sös Jum-
fern, ümmer eene eenen Kops lütjer as de ann-
re. „Ach, sed de Mann, bist du nu König?"
— „Za, sed se, ick bin König." Un as he
eer so ne Wile anseen had, so sed he: „ach Fru!
war lett dat schön, wenn du König bist, nu
willn wi ook nich meer wünschen." — „Nee
Mann, sed se, mi duurt dat all to lang, ick kan
dat nich meer uthollen, König bin ick, nu möt
ick ook Kaiser warden!" — „Ach! Fru, sed de
Mann, wat wullst du Kaiser warden?" —
„Mann, sed ft, ga tr^m Butt. ick wull Kaiser
sin" -- „Ach Fru, ftd de Mann, Kaiser kan
he nich maken, ick mag den Butt dat nicht seg-
• gen." — „Zck bin König, sed de Fru, un du
bist min Mann, ga gliik hen!" Da ging de
Maun weg, un as he so ging, dacht he: „dit
geit un geit nich good, Kaiser is to utver-
schamt, de Butt ward am Ende möde." Mit
des kämm he an de See, dat Water was gans
swart un dick, un et ging so een Keekwind
aver hen, dat dat sik so köret; daar ging he
staan un sed:
„Mandje! Mandje! Timpe Tel
Buttje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Jlsebill,
Will nich so, as ick wol will."
„Na wat will ft denn?" ftd de Butt. — „Ach,
ftd he, min Fru will Kaiser warben." — „Ga
man hen, sed de Dutt, se is't all."
Daar ging de Mann hen, un as he daar-
kämm, so satt firne Fru up eenen seer hogen
Troon, de was van een Stück Gold, un had
eene grote Kroon up, de was wol twee Ellen
hoch, bi eer up'de Siiden dar stunnen de Tra-
banten, ümmer een lüttjer as de anner, von
den allergrötsten Risen, bett to den lüttsten
Dwark, de was man so lang, as miin lüttje
Finger. Vor eer dar stunden so veele Fürsten
un Graven, da ging de Mann unner staan,
un sed: „Fru! bist du nuKaiser?" — Ga, sed
se, ick bin Kaiser." — „Ach! sed de Mann,
un fach se so recht an, Fru wat lett dat schön,
wenn du Kaiser bist." — „Mann, sed se, wat
freist du daar, ick bin nu Kaiser, nu will ick
awerst ook Papst warden." — „ Ach! Fru,
sed de Mann, wat wist du Pabst warden,
Pabst is man eenmal in de Christenheit."
„Mann, sed se, ick möt hüüt noch Pabst war-
den." — „Ne Fru, sed he, to Pabst kan de
Butt nich maaken, dat geit nich good." —
„Mann, wat Snak, kan he Kaiser maken, kan
he ook Pabst maken, ga fuurts hen!" Daar
ging de Mann hen, un em was gans flau,
dee Knee un de Waden slakkerten em, un bu-
ten ging de Wind, un dat Water was, as
kaakt dat, de Schep schoten in de Noot un dans-
ren un sprungen up de Dülgen, doch was de
Himmel in de Midde noch so'n beeten blag,
75
awerst an de Siden, daar toog dat so recht rood
up as een swaar Gewitter. Dar ging he recht ^
vörzufft staan un sed: ,
^ „Mandje! Mandje! Timpe Te!
Buclje, Buttje in de See!
Mine Fru, de Jlsebilt,
Will nich so, as ick wol will."
„Na, wat will se denn?" sed de Butt. —
„Ach! sed de Mann, miin Fru will Pabst
warden." — „Ga man hen, sed de Butt, se
is'r all."
Daar ging he hen, un as he daar kämm, satt
sine Fru up .eenen Tron, de was twee Mil'
hoch, un had dree groore Kroonen up, un um
eer da was so veel van geistlike Staat, un up
de Siden bi eer, daar stunden twee Reegen Lich-
ter, dat grötste so dick un groot as de aller gröt-
ste Torm, bet to dat alle lüttste Köken-Licht.
„Fru, sed de Mann, un sach se so recht an,
bist du nu Pabst?" — „Ja, sed se, ick bin
Pabst!" — „Ach! Fru, sed de Mann, wat
lett dat schön, wenn du Pabst bist; Fru, nu
wes tofreden, nu du Pabst bist, kanst du nix
meer warden." — „Dat will ick mi bedenken,
sed de Fru, daar gingen see beede to.Bed, awerst
se was nich tosreden un de Girigkeit leet eer
nich slapen, se dacht ümmer, wat se noch wol
warden wull. Mit des ging de Sünn up; ha,
dacht se, as se se ut den Finster so herup ka-
wen fach, kann ick nich ook de Sünn upgaan
laten? daar würd se recht so grimmig, un stödd
eeren Mann an: „Mann ga hen ti^m Butt,
ick will warben, as de lewe Gott!" de Mann
was noch meist im Slaap, averst he verschrack
sich so, dat he ut den Bed seel. „Ach! Fru,
sed he, gaa in di un bliw Pabst." — „Ne,
sed de Fru, un reet sich dat Liivken up, ick bin
nich ruhig, un kan dat nich uthollen, wenn ick
de Sünn un de Maan upgaan see, un kan se
nich ook upgaan laten, ick möt warben, a6 de
lewe Gott!" — „Ach Fru, sed de Mann, dat
kan de Butt nich, Kaiser un Pabst kan he
waken, awerst dat kan he nich." — „Mann,
sed se, un sach so recht grasig ut, ick will war-
ben as de lewe Gott, gaa gliik hen to'mButt."
Dat fuur den Mann so dörch de Gleder,
dat he bewt vör Angst; buten awer ging de
Storm, dat alle Böme un Felsen umweigten un
de Himmel waö gans swart, un dat dunnert
un blitzt; daar sach man in de See so swarte
hoge Bulgen aö Barg' un hadden baben all
eene Witte Kroon van Schuum up, da sed he:
„Mandje! Mandje! Timpe Te!
Butrjs, Buirje in de See!
Mine Fru de JLsebill,
Will nich so, as ick wol will."
„Na wat will ft den?" sed de Butt. — „Ach!
sed he, ft will warden as de leve Gott."
— 77
,, Gah man hen, se sitt all wedder in'n Piß-
pott." Daar sitten se noch hüt un dissen-Dag>
20.
Don einem tapfern Schneider.
r.
Zn einem Städtlein Romandia war ein
Schneider gesessen, welcher auf ein Zeit, als er
gearbeitet, einen Apfel bei sich liegen gehabt,
darauf viel Fliegen, wie dann Sommerszeiten
gewöhnlich, gesessen; das thät dem Schneider
Zorn, nahm einen Fleck von Tuch und schlug
auf den Apfel und erschlug der Fliegen sieben.
Als solches der einfaltige Schneider gesehen, ge-
dacht er bei sich selbst, sein Sach sollte gut wer-
den, ließ sich bald einen sehr schönen Harnisch
machen und darauf mit goldenen Buchstaben
schreiben: sieben auf einen Streich ge-
schlagen! zog mit seinem Harnisch auf der
Gasse, wer ihn besähe, der meinte, er hätte sie-
ben Menschen auf einen Streich zu todt geschla-
gen; ward darnach von jedermann übel gefürch-
tet. Nun war in derselben Gegend ein König,
dessen Lob weit und überall erschallte, zu dem
sich der faule Schneider fügte, in den Hof trat,
sich daselbst in das Gras niederlegte und schlieft
Die Hofdiener, die aus - und eingingen, den
Schneider in dem reichen Harnisch sahen und
7ß
die Überschrift lasen, sich sehr verwunderten,
was dieser streitbare Mann, jetzt, zur Zeit des
Friedens, in des Königs Hof thun wollt'; sie
gedachten, ohn Zweifel sey es ein großer Herr.
Die Herren Räthe, so ihn' gleichfalls gesehen,
kLnigl. Majestät solches zu wissen thäten mit
Anzeigung, daß, wo sich Zwiespalt begebe, er
eh, sehr nützlicher Manu wäre. Dem König die
Reden wohl gefielen, bald nach dem geharnisch-
ten Schneider schickte, ihn, ob er Dienst begeh-
ret, fragte; dem der Schneider bald antwortete,
er darum allher kommen wäre, und bäte könig-
liche Majestät, wo sie ihn zu brauchen hätte,
allergnädigst Dienst mitzutheilen. Der König
ihm bald Dienst zusagte und ihm ein besonder
Losament verordnete. Nun es stund nicht lange
Zeit, die Reuter wurden dem guten Schneider
gram, hätten gewollt, daß er beim Teufel wär,
denn sie geforcht, wo sie mit ihm sollten uneins
werden, mögten sie ihm keinen Widerstand thun,
wann er allwegen sieben auf einen Streich zu
todt schlagen würde; stets gedachten, wie sie doch
von dem Kriegsmann kommen mögten, doch letzt-
lich zu Rath wurden und mit einander überein
kamen, all miteinander vor den König zu tre-
te» und um Urlaub zu bitten, welches auch ge-
schahe. Der König, als er sahe alle seine Die-
ner um eines Mannes willen Urlaub nehmen,
ein traurigerer Man» er nie ward, här gewollt,
79
er hatt den Kriegsmann nie gesehen, durft ihm
doch nicht Urlaub geben, dann er forchte, er sammt
allem seinen Volk zu todt geschlagen und hernach
sein Reich von dem Krieger besessen werde. Such-
te Rath und nach langem Hin- und Hergedenken
letztlich einen Sinn erfände, vermeinte dadurch des
Kriegemannes (den niemand für einen Schnei-
der schätzte), abzukommen, nach ihm schickte,
ihm vorhielt, wie er wohl vernommen, daß er
ein gewaltiger starker Kriegsmann wäre, nun
hätt er zwei Riesen im Wald, die ihm außer-
maßen groß Schaden thäten mit rauben, mor-
den, brennen, einem und dem andern, und man
könnte ihnen weder mir Waffen noch andern Din-
gen zukommen, denn sie erschlügen alles; und so
er sich unterstehn wollt, die Niesen umzubrin-
gen und brächte sie um, so wollt' er ihm seine
Tochter zu einem Weib und sein halb König-
reich zu einer Ehsteuer geben, wollt ihm auch
hundert Reuter zu Hilf wider die Niesen geben.
Der Schneider war wohl zu Muth, daß er sollt
eines Königs Tochtermann werden, sprach, er
wollt gern die Riesen umbringen, und wohl ohne
Hilf der Reuter sie zu tödten wisse. Demnächst
zu Wald sich verfügte, die Reuter vor dem Wald
warten hieß, hineintrat, von weitem lugte, ob
er die'Riesen irgend sehen mögte, doch nach lan-
gem Suchen sie unter einem Baum schlafend
fand und schnarchelten, daß die Aest an den
Bäumen sich bogen. Der Schneider sich nicht
lange besann, was ihm zu thun wäre, schnell
sein Busen voll Stein läse, auf den Baum,
darunter sie lagen, stiege, anfing den einen mit
dem Scein auf seine Brust zu werfen, davon
er alsbald erwachte, über den andern zürnen
ward, und sagte, warum er ihn schlüg? der an,-
dere aber entschuldigte sich so best' er mogte; in-
dem sie wieder schlafen wollten, der Schneider
wieder einen Stein faßte und den andern warf,
darvon er über sein Mitgesellen zürnen ward
und sagte, warum er ihn werfe? Als sie aber
von solchem. Zanken ließen und ihnen die Au-
gen zugangen waren, der Schneider gar heftig
auf den ersten warf, daß der Riese nicht mehr
vertragen mogte, seinen Gesellen heftig schlüge
(dann er vermeinte, er wäre von ihm geschla-
gen), welches der andere auch nicht leiden wollt',
aufstunden, Bäum ausrissen und einander selb
zu todt schlugen, doch zu allem Glück den Baum,
darauf der Schneider saß, stehen ließen. Als
solches der Schneider sahe, baß zu Muth ward,
dann er nie gewesen war, fröhlichen ab dem
Baum stiege, jeglichem mit seinem Schwert ein
Wunden oder etlich schlug und wieder aus dem
Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn
fragten, ob er die Riesen nirgends gesehen hät-
te? „ja, sagte der Schneider,' ich hab sie zu
todt geschlagen und unter dem Baum liegen
lassen."
lassen." Sie wolltens aber nicht glauben, daß
er also unverletzt sollt' von den Riesen kom-
men, sondern ritten in den Wald, dies Wun-
der zu besichtigen, und fandens also, wie ihnen
der Schneider gesagt hatte. Darob sie sich sehr
verwunderten, großen Schrecken empfingen und
noch übler zu Muth waren, dann vor, dann sie
mehr forchten, er würd sie, wo er ihnen Feind
war' all umbringen, ritten also heim und sag-
ten dem König die That an. Der Schneider
begerte die Tochter mit sammt dem halben Kö-
nigreich; der König, als er sahe die Riesen er-
würgt, deswegen er seine Tochter dem unbekann-
ten Krieger sollt zur Eh geben, war ihn seines
Verheißens sehr gereuen, gedacht, wie er doch
sein mit Fügen mögt abkommen, dann er ihm
die Tochter zu geben keineswegs gesinnet. Dem
Schneider noch einmal sagte, wie er eirr^Em-
horn im Walde hätte, das ihm so sehr. großen
Schaden an Fisch und Leut thät, wenn er das-
selbige fing, wollt er ihm die Tochter geben.
Der Schneider war dessen wohl zufrieden, nahm
ein Stricklein, ging zum Wald, befahl seinen
Zugeordneten, Heraußen zu warten, er wollt al-
lein hinein, spazierte also im Walde umher.
Indem ersah er das Einhorn gegen ihn daher
springen, der Meinung ihn umzubringen; der
Schneider aber war nicht unbehend, wartete bis
das Einhorn gar nahe zu ihm kam, und als es
Kindermärrhty. F
— 62 —
nahe bei ihm war, stellte er sich hinter den Baum
dabei er zu allernächst war; das Einhorn aber,
so sich in vollem Lauf nicht wenden konnt, mit
dem Horn in den Baum lief und also darin un-
verwende stecken blieb. Als solches der Schnei-
der sah, herzuginqe, dem Einhorn den Strick,
so er mit sicb genommen hätt, um den Hals that
und an den Baum bände, hinaus zu seinen Ge-
sellen ging, ihnen seinen Sieg über das Ein-
horn anzeigt, solches hernach dem König zu wis-
sen thät, welcher außer der Maßen traurig war,
nicht wußt, wie ihm zu thun wäre, dann der
Schneider der Tochter begert. Doch begert der
König noch einmal an den Kriegsmann, er sollt
ihm das wilde Schwein, so im Wald liefe, sa-
hen, Gemach wollt er ihm die Tochter ohne al-
len Verzug geben, wollt' ihm auch seine Jäger
zuordnen, die ihm helfen sollten das Wildschwein
sahen. Der Schneider zog mit seinen Gesellen
zum Wald, wie sie dazu kamen, befahl er ih-
nen heraußer zu bleiben, daß sie gar wohl zu-
frieden waren, denn das Schwein sie dermaßen
oft empfangen, daß sie ihm nicht mehr begerten
nachzustellen, dankten ihm fleißig. Der Schnei-
der trat hinein, und als ihn das Schwein er-
sähe, lief es gleich auf ihn mit schaumendem
Mund und wehenden Zähnen und wollt' ihn
zur Erde werfen. Zu allem Glück aber stunde
eine Capelle in dem Wald, darin man vor Zel-
ten Ablaß geholt, darbet eben der Schneidet
war, und als der Schneider solches ersähe, zu-
nächst in die Capelle lief, oben zum Fenster wie-
der hinaussprang, dem die Sau alsbald nach-
folgte und in dem Capellein stand; der Schnei-
der aber lief gleich zu der Thüre, schlug die zu
und versperrte das Gewild im Kirchlein. Dem-
nächst er hinging und seinen Gesellen solches an-
zeigt, die mit einander heim ritten und es dem
König anzeigten. Ob der König solcher Mähr
froh oder traurig gewesen, mag ein jegliche ge-
ring verständig leichtlich abnehmen, dann er sein
Tochter dem Schneider hat geben müssen; zwei-
felt mir aber gar nicht, hätt' er gewußt, daß er
ein Schneider wäre, er hätt' ihm eh' einen Strick
gegeben, als seine Tochter. Nun der König
mußt seine Tochter einem Unbekannten geben,
nicht mit kleiner Bekümmerniß; darnach aber
der gut Schneider wenig fragt, er allein ge-
dacht, wie er des Königs Tochtermann werden
möge. Also war die Hochzeit mit kleinen Freu-
den vollbracht und aus einem Schneider ein Kö-
nig gemacht. Nun als er etliche Rächt bei sei-
ner Braut gelegen, hat er im Schlaf geredet
und gesagt: „Knecht, mach mir das Wamms,
flick mir die Hosen, oder ich will dir das Ehl-
maß über die Ohren schlagen." Welches die gut
Jungfrau wahr genommen hat, solches ihrem
Herrn Vater, dem König, anzeigte, ihn darbet
F 2
auch bat, er sollt' sie des Mannes abhelfen,
dann sie wohl merke, daß er ein Schneider wäre.
Solche Red dem König sein Herz durchschnit-
ten, daß er seine einzige Tochter einem Schnei-
der gegeben hätte: doch tröstete er sie aufs beste
nnd sagte, sie sollt die zukünftig Nacht die Kam-
nzxr öffnen, so wollt' er etliche Diener vor die
Kammer stellen, und wann er mehr also sagt,
müglen sie hineingehen.- solches der Frauen Ge-
fallen war. Nun hätt der König am Hof einen
Waffenträger, der dem Schneider hold war und
des Königs Red zu der Frauen gehört hatte,
sich schnell zum jungen König fügte, und ihm
das schwere Urtheil, so über ihn gegangen, er-
öffnete mit Bitten, er wolle sich so best er mögt,
verwahren. Der Schneider sagt ihm seines War-
nens großen Dank: er wüßte dieser Sachen wohl
zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der
Schneider sich mit der jungen Königin legte nicht
anders thäte, als ob er schlief, die Frau aber stund
heimlich auf, öffnete die Kammer und legte sich
wieder zu Bett. Der Schneider, der solches al-
les gehört, fing an zu reden, gleich als im Schlaf
mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl
hören mögten: „Knecht, mach mir die Hosen,
bletz mir das Wammes, oder ich will dir das
Ehlmaß über die Ohren schlagen, ich hab sieben
auf ein Strich zu todt geschlagen, ich hab ein
Einhorn sammt einer wilden Sau gefangen, sollt'
65
ich dann die vor der Kammer fürchten?" Die
vor der Kammer, als sie solche Wort vernom-
men, nicht anderst flohen, oder als jagten sie
tausend Teufel, und keiner wollt' seyn, der sich
an den Schneider richten wollt', also blieb der
Schneider sein Lebtag ein König.
An einem Sommermorgen saß ei» Schnei-
derlei,, auf seinem Tisch vor dem Fenster-- Äl«
kam eine Bauersfrau der Straße daher und .
rief: „gut Mus feil! gut Mus feil!" —
da
fffreckte-das Schneiderlein ftliien Kapftzüm Fen-
ster hinaus und rief: „Hier heraus, liebe Frau,
4$ macht.eUjME^au^^e
hinauf kam, Msah^^äM Töpfe^Drtetze ckauft'
es sich ein Viertelpfund. Darnach schnitt es ein
Stück Brot über den ganzen Laib, schmierte das
Mus darauf, legte es neben sich auf den Tisch
und gedacht, du wirst gut schmecke»/ aber erst
will ich das eine Camisol fertig machen, eh ich
dich esse; fing an zu nähen und machte große
Stiche vor Freuden. Zndeß ging der Geruch
von dem Mus auf und zu den Fliegen, da
men sie in Menge und sehten sich auf sein Mus-
brot „Wer hat euch zu Gast gebeten," sagte
es und jagte sie fort; es dauerte aber nicht lan-
ge, so kamen sie von neuem und ließen sich noch
zahlreicher auf das Musbrot nieder. Mein Schneid
derlei» ward bS6, ergriff einen großen Tuchlap-
pen und: „euch will ichs geben" schlug es drauf.
Darnach zog es ab und zahlte, wie viel es ge-
troffen, da lagen neun und zwanzig todt vor
ihm. „Bist du so ein Kerl!" sprach es und
verwundert sich über sich selbst und in der Freu-
de seines Herzens nahte es sich einen Gürtel
und stickte darauf: 29 auf einen Streich!
^ „Du mußt in^die Welt hinein!" d^M das
Schneiderlein ^^and sich den Gürtel um den
Leib und sucht' im Haus, ob nichts da wär zum
mitnehmen, da fand es einen alten Käs, den
steckt' es in die Tasche, unterwegs fing es einen
Vogel, der^mußte auch hinein. Das Schneider-
lein stieg^auf einen hohen Berg, wie es oben
hin kam, saß da auf der Spitze ein großer Riese,
zu dem sprach es: „Cammerad, wie gehts, ihr
seht euch wo^hier oben in der Welt um, ich
will mich auch hinein begeben." Der Riese aber
blickte ihn verächtlich an und sprach: „du bist
ein miserabeler Kerl." Das Schneiderlein knöpf-
te seinen Rock auf, zeigte dem Riesen den Gür-
tel: „da kannst du sehen, was du für einen
Mann vor dir hast." Der Riese las die Worte:
29 auf einen Streich! und weil er meinte 29
Menschen auf einen Streich erschlagen, fing er
an Respect vor dem Schneiderlein zu kriegen,
doch wollt er es erst prüfen. Da nahm er ei-
nen Stein und drückte ihn so stark, daß das
Wasser herauslief: „so starkbiftdu doch nicht." —
„Wenns weiter mchts ist, sagte das Schneider-
lein, das kann ich auch." Darauf griff es in
die Tasche, holte den faulen Käs und drückte
ihn, daß der Saft heraus lief: „gelt! das war
noch besser." Der Riese verwunderte sich, nahm
einen Stein und warf ihn so hoch, daß man
ihn kaum mehr sehen konnte: „das mach mir
nach." — „Der Wurf war gut, sagte das
Schneiderlein, doch hat dein Stein wieder zur
Erde fallen müssen, ich aber will dir einen wer-
fen, der soll gar nicht wiederkommen." Da
nahm es den Vogel aus der Tasche und warf
ihn in die Luft und der Vogel flog ganz fort:
„wie gefällt dir das!" der Riese erstaunte,
-sich-W-4hm und sie gingen zusammen weiter. ^
Da kamen sie an einen Kirschbaum, der Riese
nahm die Krone und bog sie herunter und gab
sie dem Schneiderlein, daß es auch davon essen
könnte. Das Schneiderlein aber war zu schwach
mrtz konnte der Stärke des Baums nicht wider-
stehen und ward mit in die Höhe geschnellt.
„Was ist das, sagte der Riese, hast du die
schwache Gerte nicht halten können!" — „Das
ist ja nichts, antwortete das Schneiderlein dazu,
für einen der 29 auf einen Streich getroffen hat:
weißt du, warum ich es gethan habe? da unten
da schießen die Jäger in das Gebüsch, da bin
ich flugs über den Baum hinüber gesprungen,
das thust du mir nicht nach." Der Riese glaub-
te nun es übertraf niemand auf der Welt das
Schneiderlein an Stärke und Klugheit.
(Das weitere fehlt,)
Stf i/drx. fS] Ir .
21.
Aschenputtel.
Es war einmal ein reicher Mann, der leb-
te lange Zeit vergnügt mit seiner Frau, und
sie hatten ein einziges Töchterlein zusammen.
Da ward die Frau krank, und als sie todtkrank
ward, rief sie ihre Tochter und sagte: „liebes
Klnd, ich muß dich verlassen, aber wenn ich
oben im Himmel bin, will ich auf dich herab
sehen, pflanz ein Bäumlein auf mein Grab,
und wenn du etwas wünschest, schüttele dar-
an, so sollst du es haben, und wenn du >onst
in Noth bist, so will ich dir Hülfe schicken,
nur bleib fromm und gut." Nachdem sie das
gesagt, that sie die Augen zu und starb; das
Kind aber weinte und pflanzte ein Baumlein
auf das Grab und brauchte kein Wasser hin zu
tragen, und es zu begießen, denn es war ge-
nug mir seinen Thränen.
Der Schnee deckte ein weiß Tüchlein auf
der Mutter Grab, und als die Sonne es wie-
der weggezogen hatte, und das Daumlein zum
zweitenmal grün geworden war, da nahm sich
der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut-
ter aber hatte schon zwei Töchter, von ihrem
ersten Mann, die waren von Angesicht schön,
von Herzen aber stolz und hoffährtig und bös.
Wie nun die Hochzeit gewesen, und alle drei
in das Haus gefahren kamen, da ging schlim-
me Zeit für das arme Kind an. „Was macht
der garstige Unnütz in den Stuben, sagte die
Stiefmutter, fort mit ihr in die Küche, wenn
sie Brod essen will, muß sies erst verdient ha-
ben, sie kann unsere Magd seyn^^Da nah-
men ihm die Stiefschwestern die Melder weg,
und zogen ihm einen alten grauen Nock an:
„der ist gut für dich!" sagten sie, lachten es
aus und führten es in die Küche. Da mußte
das arme Kind so schwere Arbeit thun: früh
vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer an-
machen , kochen und waschen und die Stief-
schwestern thaten ihm noch alles gebrannte Her-
zeleid an, spotteten es, schütteten ihm Erbsen
und Linsen in die Asche, da mußte es den gan-
zen Tag sitzen und sie wieder auslesen. Wenn
es müd war Abends kam es in kein Bett, son-
dern mußte sich neben dem Heerd in die Asche
legen. Und weil es da immer in Asche und
Staub herumwühlte und schmutzig aussah, ga-
ben sie ihm den Namen Aschenputtel.
Auf eine Zeit stellte der König einen Ball
an, der sollte in aller Pracht drei Tage dauern,
— s»
und sein Sohn, der Prinz, sollte sich eine Ge-
mahlin aussuchen; dazu wurden die zwei stol-
zen Schwestern auch eingeladen. „Aschenput-
tel riefen sie, komm herauf, kämme uns die
Haare, bürst uns die Schuhe und schnalle sie
fest, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen."
Aschenputtel gab sich alle Mühe und putzte sie
so gut es konnte, sie gaben ihm aber nur
Scheltworte dazwischen, und als sie fertig wa-
ren, fragten sie spöttisch: „Aschenputtel, du
gingst wohl gern mit auf den Ball?" — „Ach
ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine
Kleider." — „Nein, sagte die älteste, das wär
mir recht, daß du dich dort sehen ließest, wir
müßten uns schämen, wenn die Leute hörten,
daß du unsere Schwester wärest; du gehörst in
die Küche, da hast du eine Schüssel voll Linsen,
wann wir wieder kommen muß sie gelesen seyn,
und hüt dich, daß keine böse darunter ist, sonst
hast du nichts Gutes zu erwarten."
Damit gingen sie fort, und Aschenputtel
stand und sah ihnen nach, und als es nichts
mehr sehen konnte, ging es traurig in die Kü-
che, und schüttete die Linsen auf den Heerd,
da war es ein großer, großer Haufen. „Ach,
sagte es und seufzte dabei, da muß ich dran
lesen bis Mitternacht und darf die Augen nicht
zufallen lassen, und wenn sie mir noch so weh
thun, wenn das meine Mutter wüßte!" Da
kniete es sich vor den Heerd in die Asche und
wollte anfangen zu lese», indem flogen zwei
weiße Tauben durchs Fenster und setzten sich
neben die Linsen auf den Heerd; sie nickten
mit den Köpfchen und sagte».- „Aschenputtel,
>> sollen wir dir helfen Linsen lesen? „Ja, ant-
^ wertete Aschenputtel:
die schlechten ins Kröpfchen,
die guten ins Töpfchen."
Und pick, pick! pick, pick! fingen sie an und
fraßen die schlechten weg und ließen die guten
liegen. Und in einer Viertelstunde waren die
Linsen so rein, daß auch nicht eine falsche dar-
unter war, und Aschenputtel konnte sie alle ins
Töpfchen streichen. Darauf aber sagten die
Tauben: „Aschenputtel, willst du deine Schwe-
stern mit dem Prinzen tanzen sehen, so steig
auf den Taubenschlag." Aschenputtel ging ih-
nen nach und stieg bis auf den letzten Leiter-
sproß, da konnte es in den Saal sehen, und
sah seine Schwestern mit dem Prinzen tanzen,
und es flimmerte und glänzte von viel tausend
Lichtern vor seinen Augen. Und als es sich
satt gesehen, stieg es wieder herab, und es war
ihm schwer ums Herz, und legte sich in die
Asche und schlief ein.
Am andern Morgen kamen die zwei Schwe-
stern in die Küche, und als sie sahen, daß
/jänLiAui
oJc 1* Jn VtAJihä*. JU,
Aschenputtel die Linsen rein gelesen, waren sie
böse, denn sie wollten es gern schelten, und da
sie das nicht konnten, huben sie an von dem
Ball zu erzählen und sagten: „Aschenputtel,
das ist eine Lust gewesen, bei dem Tanz, der
Prmz, der allerschönste auf der Welt hat uns
dazu geführt, und eine von uns wird seine Ge-
mahlin werden." — „Ja, sagte Aschenputtel,
ich habe die Lichter flimmern sehen, das mag
recht prächtig gewesen seyn." — „Ei! wie hast
du das angefangen," fragte die älteste. —
„Ich hab' oben auf den Taubenstall gestan-
den." — Wie sie das hörte, trieb sie der Neid
und sie befahl, daß der Taubenstall gleich sollte
niedergerissen werden.
Aschenputtel aber mußte sie wieder käm-
men und putzen; da sagte die jüngste, die noch
ein wenig Mitleid im Herzen hatte: „Aschen-
puttel, wenns dunkel ist, kannst du hinzugehen
und von außen durch die Fenster gucken!" —
„Nein, sagte die älteste, das macht sie nur
faul, da hast du einen Sack voll Wicken,
Aschenputtel, da lese die guten und bösen aus-
einander und sey fleißig, und wenn du sie mor-
gen nicht rein hast, so schütte ich dir sie in die
Asche und du mußt hungern, bis du sie alle
herausgesucht hast."
Aschenputtel setzte sich betrübt auf den
Heerd und schüttete die Wicken aus. Da flogen
die Tauben wieder herein und thaten freund-
lich: „Aschenputtel, sollen wir dir die Wicken
lesen?" „Ja, —
die schlechten ins Kröpfchen,
die guten ins Töpfchen."
Pick, pick! pick, pick! ging« so geschwind, als
waren zwölf Hände da. Und als sie fertig wa-
ren, sagten die Tauben: „Aschenputtel, willst
du auch auf den Ball gehe» und tanzen." —
„O du mein Gott, sagte es, wie kann ich in
meinen schmutzigen Kleidern hingehen?" —
„Geh zu dem Bäumlein auf deiner Mutter
Grab, schüttele daran und wünsche dir schöne
Kleider, komm aber vor Mitternacht wieder."
— da ging Aschenputtel hinaus, schüttelte das
Bäumlein und sprach:
„Baumlein rüttel und schütte! -ich,
wirf schöne Kleider herab für mich!"
Kaum hatte es das ausgesagt, da lag ein vräch-
tig silbern Kleid vor ihm, Perlen, seidene
Strümpfe mit silbernen Zwickeln und silberne
Pantoffel und was sonst dazu gehörte. Aschen-
puttel trug alles nach Haue, und als es sich
gewaschen und angezogen hatte, da war es so
schön wie eine Rose, die der Thau gewaschen
hat. Und wie es vor die Hausthüre kam, so
stand da ein Wagen mit sechs federgeschmück-
ten Rappen und Bediente dabei in Blau und
y4
Silber, die hoben es hinein, und so gings im
Gallop zu dem Schloß des Königs.
Der Prinz aber sah den Wagen vor dem
Thor halten, und meinte eine fremde Prinzes-
sin käme angefahren. Da ging er selbst die
Treppe hinab, hob Aschenputtel hinaus und
führte es in den Saal. Und als da der Glanz
der viel tausend Lichter auf es fiel, da war es
so schön, daß jedermann sich darüber verwun-
derte, und die Schwestern standen auch da und
ärgerten sich, daß jemand schöner war wie sie,
aber sie dachten nimmermehr, daß das Aschen-
puttel wäre, das zu Haus in der Asche lag.
Der Prinz aber tanzte mit Aschenputtel und
ward ihm königliche Ehre angethan. Er ge-
dachte auch bei sich: ich soll mir eine Braut
aussuchen, da weiß ich mir keine als diese.
Für so lange Zeit in Asche und Traurigkeit
lebte Aschenputtel nun in Pracht und Freude;
als aber Mitternacht kam, eh' es zwölf geschla-
gen, stand es auf, neigte sich und wie der Prinz
bat und bat, so wollte es nicht länger bleiben.
Da führte es der Prinz hinab, unten stand
der Wagen und wartete, und so fuhr es fort
in Pracht wie es gekommen war.
Als Aschenputtel zu Haus war, ging es
wieder zu dem Bäumlein auf der Mutter
Grab:
„Baumlein rüttel dich und schütlel dich!
nimm die Kleider wieder für dich!"
Da nahm der Baum die Kleider wieder, und
Aschenputtel hatte sein altes Aschenkleid an,
damit ging es zurück, machte sich das Gesicht
staubig und legte sich in die Asche schlafen.
Am Morgen darauf kamen die Schwe-
stern, iahen verdrießlich aus und schwiegen still.
Aschenputtel sagte: „ihr habt wohl gestern
Abend viel Freude gehabt" — „Nein, es war
eine Prinzessin da, mit der hat der Prinz fast
immer getanzt, es hat sie aber niemand ge-
kannt und niemand gewußt, woher sie gekom-
men ist. — „Zst es vielleicht die gewesen, die
in den prächtigen Wagen mit den sechs Rap-
pen gefahren ist?" sagte Aschenputtel.— „Wo-
her weißt du das?" — Ich stand in der Haus-
thüre, da sah ich sie vorbeifahren." — „Zn
Zukunft bleib bei deiner Arbeit, sagte die älte-
ste und sah Aschenputtel böse an, was brauchst
du m der Hausthüre zu stehen."
Aschenputtel mußte zum drittenmal die
zwei Schwestern putzen, und zum Lohn gaben
sie ihm eine Schüssel mit Erbsen, die sollte ste
rein lesen; „und daß du dich nicht unterstehst
von der Arbeit wegzugehen, rief die älteste
noch ngch. Aschenputtel gedachte: wenn nur
meine Tauben nicht ausbleibe», und das Herz
schlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka-
— 96 —
men wie an dem vorigen Abend und sagten:
„Aschenputtel, sollen wir dir die Erbsen le-
sen?" - „Za,
die schlechten ins Kröpfchen,
die gmen ins Töpfchen."
Die Tauben pickten wieder die bösen heraus,
und waren bald damit fertig, dann sagten sie:
„Aschenputtel, schüttele das Bäumlein, das
wlrd dir noch schönere Kleider herunter werfen,
geh auf den Ball, aber hüte dich, daß du vor
Mitternacht wieder kommst." Aschenputtel
ging hin:
„Baumlein rüttel dich und schüttel dich,
wirf schöne Kleider herab für mich."
Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und
prächtiger als das vorige, ganz von Gold und
Edelgesteinen, dabei goldgezwickelte Strümpfe
und goldene Pantoffel; und als Aschenputtel
damit angekleidet war, da glänzte es recht, wie
die Sonne am Mittag. Vor der Thüre hielt
ein Wagen mit sechs Schimmeln, die hatten
hohe weiße Federbüsche auf dem Kopf, und die
Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet.
Als Aschenputtel ankam, stand schon der Prinz
auf der Treppe und führte sie in den Saal.
Und waren gestern alle über ihre Schönheit er-
staunt, so erstaunten sie heute noch mehr und
die
die Schwestern standen in der Ecke und waren
blaß vor Neid, und hätten sie gewußt, daß das
Aschenputtel war, das zu Haus iy der Asche
lag, sie waren gestorben vor Neid.
Der Prinz aber wollte wissen, wer die
fremde Prinzessin sey, woher sie gekommen und
wohin sie fahre, und hatte Leute auf die Stra-
ße gestellt, dle sollten Acht darauf haben, und
damit sie nicht so schnell fortlaufen könne, hat-
te er die Treppe ganz mit Pech bestreichen las-
sen. Aschenputtel tanzte und tanzte mit dem
Prinzen, war in Freuden und gedachte nicht
an Mitternacht. Auf emmal, wie es mirren
im Tanzen war, hörte es den Glockenschlag,
da fiel ihm ein, wie die Tauben es gewarnt,
erschrack und eilte zur Thüre hinaus und flog
recht die Treppe hinunter. Weil die aber mit
Pech bestrichen wa", blieb einer von den golde-
nen Pantoffeln festhängen, und in der Angst
dacht es nicht daran, ihn mitzunehmen. Und
wie es den letzten Schritt von der Treppe that,
da hatt' es zwölf ausgeschlagen, da war Wa,
gen und Pferde verschwunden und Aschenput-
tel stand in seinen Aschenkleidern auf der dun-
keln Straße. Der Prinz war ihm nachgeeilt,
auf der Treppe fand er den goldenen Pantof-
fel, riß ihn los und hob ihn auf, wie er aber
unten hinkam, war alles verjVhwunden; die
Leure auch, die zur Wache ausgestellt wa-
Kindermarchen. G
rett, kamen und sagten/ daß sie nichts gesehen
hätten.
Aschenputtel war froh, daß es nicht schlimm
mer gekommen war, und ging nach Haus, da
steckte es sein trübes Oel-Lämpchen an, hängte
es in den Schornstein und legte sich in die
Asche. Es währte nicht lange, so kamen die
beiden Schwestern auch und riefen; /,Aschen-
puttel/ steh auf und leucht uns." Aschenput,
tel gähnte und that als wacht es aus dem
Schlaf. Bei dem Leuchten aber hörre es, wie
die eine sagte: ,/Gott weiß, wer die verwünsch-
te Prinzessin ist, daß sie in der Erde begraben
läg! der Prinz hat nur mit ihr getanzt und
als sie weg war/ hat er gar nicht mehr blei-
ben wollen und das ganze Fest hat ein Ende
gehabt." — //Es war recht/ als wären alle
Lichter auf einmal ausgeblasen worden," sagte
die andere. Aschenputtel wußte wohl wer die
fremde Prinzessin war/ aber es sagte kein
Wörtchen.
Der Prinz aber gedachte, ist dir alles an-
dere fehlgeschlagen, so wird dir der Pantoffel
die Braut finden helfen, und ließ bekannt ma-
chen, welcher der goldene Pantoffel passe, die
solle seine Gemahlin werden. Aber allen war
er viel zu klein, ja manche hätten ihren Fuß
nicht hineingebracht, und wären die zwei Pan-
toffel ein einziger gewesen. Endlich kam die
Reihe auch an die beiden Schwestern, die Pro-
be zu machen; sie waren froh, denn sie hatten
kleine schöne Füße und glaubten, uns kann es
nicht fehlschlagen, wär der Prinz nur gleich zu
uns gekommen. „Hört, sagte die Mutter heim-
lich, da habt ihr ein Messer, und wenn euch
der Pantoffel doch noch zu eng ist, so schnei-
det euch ein Stück vom Fuß ab, es thut ein
bischen weh, was schadet das aber, es vergeht
bald und eine von euch wird Königin." M
ging die älteste in ihre Kammer und probwte
den Pantoffel an, die Fußspitze kam hinein,
aber die Ferse war zu groß, da nahm sie das
Messer und schnitt sich ein Stück von der Fer-
se, bis sie den Fuß in den Pantoffel hinein-
zwängte. So ging sie heraus zu dem Prin-
zen, und wie der sah, daß sie den Pantoffel
anhatte, sagte er, das sey die Braut, führte
sie zum Wagen und wollte mit ihr fortfahren.
Wie er aber ans Thor kam, saßerpoben die
Tauben und riefen:
„Rucke di guck, rucke di guck!
Blut ist im Schuck: (Schuh)
Der Schuck ist zu klein,
Die rechte Braut fitzt noch daheim!"
Der Prinz bückte sich und sah auf den Pan-
toffel, da quoll das Blut heraus, und da merk-
te er, daß er betrogen war, und führte die fal-
sche Braut zurück. Die Mutter aber sagte zur
G 2
zweiten Tochter „nimm du den Pantoffel, und
wenn er dir zu kurz ist, so schneide lieber vor/
ne an den Zehen ab." Da nahm sie den Pan-
toffel in ihre Kammer, und als der Fuß zu
groß war, da biß sie die Zähne zusammen und
schnitt ein groß Stück von den Zehen ab, und
drückte den Pantoffel geschwind an. Wie sie
damit hervorrrat, meinte er, das wäre die rech-
te und wollte mit ihr fortfahren. Als er aber
^'das Thor kam, riefen die Tauben wieder.-
„Rucke di guck, rucke di guckt
Blut ist im Schuck:
Der Schuck ist zu klein,
Die rechte Braut sitzt noch daheim!"
Der Prinz sah nieder, da waren die weißen
Strümpfe der Braut roth gefärbt und das
Blut war hoch herauf gedrungen. Da brachte
sie der Prinz der Mutter wieder und sagte.-
„das ist auch nicht die rechte Braut; aber ist
nicht noch eine Tochter im Haus" „Nein,
sagte die Mutter, nur ein garstiges Afchenput-
tel lst noch da, das sitzt unten in der Asche,
dem kann der Pantoffel nicht passen." Sie
wollte es auch nicht rufen lassen, bis es der
Prinz durchaus verlangte. Da ward Aschen-
puttel gerufen und wie es hörte, daß der Prinz
da sey, wusch es sich geschwind Gesicht und
Hände frisch und rein; und wie es in die
Stube trat, neigte es sich, der Prinz aber
re'^te ihr den goldenen Pantoffel und sagte:
„probier ihn an! und wenn er dir paßt, wirft
du meine Gemahlin." Da streift es den schwe-
ren Schuh von dem linken Fuß ab, seht ihn
auf oen goldenen Pantoffel und drückte ein klein
wenig, da stand es darin, als wär er ihm an-
gegossen. Und als es sich aufbückte, sah ihm
der Prinz ins Gesicht, da erkannte er die schö-
ne Prinzessin wieder und rief: „das ist die
rechte Braut." Die Stiefmutter und die zwei
stolzen Schwestern erschracken und wurden bleich,
aber der Prinz führte Aschenputtel fort und
hob es in den Wagen, und als sie durchs Thor
fuhren, da riefen die Tauben:
„Rucke di guck, rucke di guck.'
Kein Blut im Schuck:
Der Schuck ist nicht zu klein,
Die rechte Braut, die führt er heim!" '
U.
22.
Wie Kinder Schlachtens mit einan-
der gespielt haben.
I.
Zn einer Stadt Franecker genannt, gele-
gen in Westfriesland, da ist es geschehen, daß
junge Kinder, fünf- und sechsjährige, Mägdlein
und Knaben mit einander spielten. Und sie
ordneten ein Bübleln- an, das solle der Metz-
ger seyn, ein anderes Düblein, das solle Koch
seyn, und ein drittes Büblein, das solle eine
Sau seyn. Ein Mägdlein, ordneten sie, solle
Köchin seyn, wieder ein anderes, das solle Un-
terköchin seyn; und die Unterköchin solle in ei-
nem Geschirrlein das Blut von der Sau em-
pfahen, daß man Würste könne machen. Der
Metzger gerieth nun verabredetermaßen an das
Büblein, das die Sau sollte seyn, riß es
nieder und schnitt ihm mit einem Messerlein
die Gurgel auf, und die Unterköchin empfing
das Blut in ihrem Geschirrlein. Ein Raths-
herr, der von ungefähr vorübergeht, sieht dies
Elend: er nimmt von Stund an den Metzger
mit sich und führt ihn in des Obersten Haus,
welcher sogleich den ganzen Rath versammeln
ließ. Sie saßen all' über diesen Handel und
wußten nicht, wie sie ihm thun jollten, denn
sie sahen wohl, daß es kindlicher Weise gesche-
hen war. Einer unter ihnen, ein alter weißer
Mann, gab den Rath, der oberste Richter solle
X einen schönen rothen Apfel in eine Hand neh-
men, in die andere einen rheinischen Gulden,
solle das Kind zu sich rufen und beide Hände
oLiaaI jbm, gleich gegen dasselbe ausstrecken: nehme es den
cvW ZpUl, so soll es ledig erkannt werden, nehme
' es aber den Gulden, so solle man es tödten.
Dem wird gefolgt, das Kind aber ergreift den
Apfel lachend, wird also aller Strafe ledig erkannt.
X JwrkfiflVhC t4M/ fht-A-l/J
aJU .... XiM'firwv' kv! kuiAm/'
ruCUL'g'AMJ- TWU/YlAi/
£<l'fj'ywA, \?ak'Wi diU V\rfvuvr\M/' *
vd>L IfAiy/ JßTifiJüA ; ty W-jvvui iwA Am,
yti• -Hww- ?mi A-t Uvh 4U 0fi
103
II.
Einstmals hat ein Hausvater ein Schwein
geschlachtet, das haben seine Kinder gesehen;
als sie nun Nachmittag mit einander spielen
wollen, hat das eine Kind zum andern gesagt:
du sollst das Schweinchen und ich der Metzger
seyn;" hat darauf ein bloß Messer genommen,
und es seinem Brüderchen in den Hals aesto,
ßen. Die Mutter, welche oben in der Stube
saß und ihr jüngstes Kindlein in einem Zuber
badete, hörte das Schreien ihres anderen Kim
des, lief alsbald hinunter, und als sie sah, was
vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus
dem Hals und stieß es im Zorn, dem andern
Kind, welches der Metzger gewesen, ins Herz.
Darauf lief sie alsbald nach der Stube und
wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber
mache, aber es war unterdessen in dem Bad
ertrunken; deßwegen dann die Frau so voller
Angst ward, daß sie in Verzweifelung gerieth,
sich von ihrem Gesinde nicht wollte trösten las-
sen, sondern sich jelbst erhängte. Der Mann
kam vom Felde und als er dies alles gesehen,
hat er sich so betrübt, daß er kurz darauf ge-
storben ist.
2Z.
Bon dem Mäuschen, Vögelchen und
der Bratwurst.
E6 waren einmal ein Mäuschen, ein Vö-
gelchen und eine Bratwurst in Gesellschaft ge-
rathen, hatten einen Haushalt geführt, lang'
wohl und köstlich im Frieden gelebt und treff-
lich an Gütern zugenommen. Des Vögelchens
Arbeit war, daß es täglich in Wald fliegen und
Holz beibringen müßte. Die Maus sollte Was-
ser tragen, Feuer anmachen und Tisch decken,
die Bratwurst aber sollte kochen.
Wem zu wohl ist, den gelästert immer nach
neuen Dingen! Also eines Tages stieß dem
Vöglein unterweges ein anderer Vogel auf, dem
es feine treffliche Gelegenheit erzählet und ge-
rühmet. Derselbe andere Vogel schalt es aber
einen armen Tropfen, der große Arbeit, die bei-
den zu Haus aber gute Tage hätten. Denn,
wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Was-
ser getragen hatte, so begab sie sich in ihr Käm-
merlein zur Ruhe, bis man sie hieße den Tisch
decken. Das Würstlein blieb beim Hafen, sahe
zu, daß die Speise wohl kochte, und wann es
bald Essenszeit war, schlingte es sich ein mal
viere durch den Brei oder das Gemüß, so war
es geschmolzen, gesalzen und bereitet: käme
dann das Vöglein heim und legte seine Bürde
ab, so saßen sie zu Tisch und nach gehabtem
Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den an-
dern Morgen, und das war ein herrlich Leben.
Das Vöglein anderes Tages wollte aus
Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend: e6
wäre lang genug Knecht gewest, und hatte gleich-
sam ihr Narr seyn müssen, sie sollten einmal
umwechseln und es auf eine andere Weise auch
versuchen. Und wie wohl die Maus heftig da-
für bäte, auch die Bratwurst, so war der Vo-
gel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spiele-
ten derowegen und kam das Loos auf die Brat-
wurst die mußte Holz tragen, die Maus ward
Koch, und der Vogel sollte Wasser holen.
Was geschicht? das Bratwürstchen zog fort
gen Holz, das Vöglein machte Feuer an, die
Maus stellte den Topf zu und erwarteten al-
lein, bis Bratwürstchen heim käme und Hotz
für den andern Tag brächte. Es blieb aber das
Würstlein so lang unrerweg daß ihnen beiden
nichts gutö vorkam, und das Vöglein ein Stück
Luftö hinaus entgegen flöge. Unfern aber fin-
det es einen Hund am Weg, der das arme
Bratwürstlein als freie Beut angetroffen, an-
gepackt und niedergemacht. Das Vöglein be-
schwerte sich auch dessen als eines offenbaren
Raubs sehr gegen den Hund, aber es half kein
Wort, denn sprach der Hund, er hatte falsche
Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen
wäre sie ihm des Lebens verfallen gewesen.
Das Vögelein, traurig, nahm das Holz
auf sich und heim und erzählete, was es gesehn
und gehöret. Sie waren sehr betrübt, vergli-
chen sich aber das beste zu thun und beisammen
zu bleiben. Derowegen so deckte das Vöglein
den Tisch und die Maus rüstete das Essen und
wollte anrichten, und in den Hafen, wie zuvor
das Würstlein, und durch das Gemüß schlingen
und schlupfen, dasselbige zu schmelzen; aber ehe
sie in die Mltte käme, ward sie angehalten und
mußteHaut urwHaar und dabei das Leben lassen.
Als das Vöglein kam, wollte das Essen
auftragen, da war kein Koch vorhanden. Das
Vöglein warf bestürzt das Holz hin und her,
rüste und suchte, kannte aber seinen Koch nit
mehr finden. Aus Unachtsamkeit kam das Feuer
in das Holz, also daß eine Brunst entstünde;
das Vöglein eilte Wasser zu langen, da entfiel
ihm der Eimer tu den Brunnen, und es mit
hinab, daß es sich nit konnte mehr erholen, und
da ersaufen mußte.
24.
Frau Holle.
Eine Wittwe hatte zwei Töchter, davon
war die eine schön und fleißig, die andere häß-
lich und faul. Sie hatte aber die häßliche und
faule viel lieber, und die andere mußte alle Ar-
beit thun und war recht der Aschenputtel im
Haus. Einmal war das Mädchen hingegan-
gen, Wasser zu holen, und wie es sich bückte
den Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, bückte
es sich zu tief und fiel hinein. Und als es er-
wachte und wieder zu sich selber kam, war es
auf einer schönen Wiese, da schien hie Sonne
und waren. viel tausend Blumen. Auf der
Wiese gieng es fort und kam zu einem Back-
ofen, der war voller Brot; das Brot aber rief:
„ach! zieh mich 'raus, zieh mich 'raus, sonst
verbrenn' ich, ich bin schon längst ausgebacken!"
da trat es fleißig herzu und holte alles heraus.
Darnach ging es weiter und kam zu einem
Baum, der hing voll Aepfel und rief ihm zu;
„ach! schüttet mich! schüttet mich! wir Aepfel
sind allemiteinander reif!" Da schüttelt'es den
Baum, daß die Aepfel fielen, als regenten sie,
solang bis keiner mehr oben war, darnach ging
es wieder fort. Endlich kam es zu einem klei-
nen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil
sie aber so große Zähne hatte, ward ihm Angst
und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber
rief ihm nach: „fürcht dich nicht, liebes Kind,
bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Haus
ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn:
nur mußt du recht darauf Acht geben daß du
mein Bett gut machst, und es fleißig aufschüt-
telst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in
der Welt; *) ich bin die Frau Holle. Weil die
Alte so gut sprach, willigte das Mädchen ein
und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte
auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schüt-
telte ihr das Bett immer gewaltig auf, dafür
hatte es auch ein gut Leben bet ihr, kein böses
Wort und alle Tage Gesottenes und Gebrate-
nes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau
Holle, da ward es traurig in seinem Herzen
und ob es hier gleich viel tausendmal besser
war, als zu Haus, so hatte es doch ein Ver-
langen dahin; endlich sagte es zu ihr: „ich habe
den Zammer nach Haus kriegt, und wenn es
mir auch noch so gut hier geht, so kaun ich
doch nickt langer bleiben." Die Frau Holle
sagte: „du hast Recht und weil du mir so treu
gebient hast, so will ich dich selbst wieder hin-
aufbringen. „Sie nahm es darauf bei der
Hand und führte es vor ein großes Thor. Das
ward aufgethan und wie das Mädchen darun-
ter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und
alles Gold blieb an ihm hangen, so daß es
über und über davon bedeckt war." Das sollst
du haben, weil du so fleißig gewesen bist,"
) Darum sagt man in Hessen, wenn es schneit:
die Frau Hotte macht ihr Bett.
i
— 109 —
ipr<^ Darauf ward das
verschlossn ^und -ee, war<oben auf der SBelt/lTcT.^
ging es dm, zu seiner Mutter und weil cs so ^7^"
mit Gold bedeckt ankam, ward es gut aufge-^^^/ ,
nommen.
4/} tsv+ YH /[++ -
Als die Mutter hörte, wie es zu dem Reich-
thum gekommen, wollte sie der andertr \ü&xm\
rmd faulen Tochter gern dasselbe Glück verschaf- '
fen, und sie mußte sich auch in den Brunnen
stürzen. Sie erwachte, wie die andere aus der
schönen Wiest und ging auf demselben Pfad
weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie
das Brod wieder: „ach! zieh mich 'raus, zieh
mich 'raus, sonst verbrenn ich, ick bin schon
längst ausgebacken !*' die Faule aber antworte-
te: „da hatt' ich Lust, m ch schmutzig zu ma-
chen!" und ging fort. Bald kam sie zu dem
Apfelbaum, der rief: „ach! schüttet mich! schüt-
tet mich! wir Aepfel sind alle mit einander
reif" sie antwortete aber: „du kommst, mir
recht, es könnt mir einer auf den Kopf fallen!"
ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle
Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von
ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und
verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag
that sie sich Gewalt au und war fleißig und
folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte,
denn sie gedachte an das viele Gold, daß sie ihr
schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie
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schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr,
da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen, sie
machte auch der Frau Holle das Bett schlecht
und schüttelte es nicht recht, daß die Federn
aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müd
und sagte der Faulen den Dienst auf. Die
war es wohl zufrieden und meinte nun werde
der Goldregen kommen, die Frau Holle führte
sie auch hin zu dem Thor als sie aber darunter
stand, ward statt des Golds ein großer Kessel
voll Pech ausgeschüttet- „Das ist zur Beloh-
nung deiner Dienste" sagte die Frau Holle
und schloß das Thor zu. Da kam die Faule
heim, ganz mit Pech bedeckt, und das hat ihr
Lebtag nicht wieder abgehen wollen. **“
13. 7 SH.
Die drei Raben.
Es war einmal eine Mutter, die hatte drei
Söhnlein,die spielten eines Sonntags unter der
Kirche Karten. Und als die Predigt vorbei
war, kam die Mutter nach Haus gegangen und
sah, was sie gethan hatten. Da fluchte sie ih-
ren gottlosen Kindern und alsobald wurden sie
drei kohlschwarze Raben und flogen auf und
davon.
Die drei Brüder hatten aber ein Schwe-
sterchen, das sie von Herzen liebte, und es
311
grämte sich so über ihre Verbannung, daß es
keine Ruh mehr harte und sich endlich auf-
machte, sie zu suchen. Nichts nahm es sich mit
auf die lange lange Reise, als ein Stühlchen,
worauf es sich ruhte, wann es zu müd gewor-
den war, und nichts aß es die ganze Zeit, als
wilde Aepfel und Birnen. Es konnte aber die
drei Raben immer nicht finden, außer einmal
waren sie über seinen Kof weggeflogen, da hat-
te einer einen Ring fallen lassen, wie es den
aufhob, erkannte ihn das Schwesterchen für den
Ring, den es einsmals dem jüngsten Bruder
geschenkt hatte.
Es ging aber immer fort, so weit, so weit
bis es an der Welt Ende kam, und es ging zur
Sonne, die war aber gar zu heiß und fraß die
kleinen Kinder. Darauf kam es zu dem Mond,
der war aber gar zu kalt, und auch bös, und
wie ers merkte, sprach er: "ich rieche, rieche
Menschenflersch/ Da machte es sich geschwind
fort und kam zu den Sternen, die waren ihm
gut und saßen alle jeder auf Stühlerchen und
der Morgenstern stand auf und gab ihm ein
Hinkelbeinchen, „wenn du das Beinchen nicht
hast, kannst du nicht in den Glasberg kommen,
und in dem Glasberg da sind deine Brüder!"
da nahm es das Hinkelbeinchen, wickelte es
wohl in ein Tüchelchen und ging so lange fort,
bis es an den Glasberg kam, das Thor war
'aus: '
aber verschlossen. Und wie e§ das Beinchen
hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen
unterwetzes verloren. Da wußte es sich gar
uicht zu helfen, weil es gar keinen Schlüssel
fand, nahm ein Messer und schnitt sich das
kleme Fingerchen ab, steckte es in das Thor
und schloß glücklich auf. Da kam ein Zwerg-
lein entgegen und sagte: mein Kind, was suchst
du hier? „ich suche meine Brüder, die drei
Raben." Die Herren Raben sind nicht zu Haus,
sprach das Zwerglein, willst du aber hierinnen
warten, so tritt ein, und das Zwerglein brachte
drei Tellerchen getragen und drei Becherchen,
und von jedem Tellerchen aß Schwesterchen ein
Bischen und aus jedem Becherchen trank es
ein Schlückchen und Ln das letzte Becherchen
ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hörte
es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh,
da sagte das Zwerglein.- die Herren Raben
kommen heim geflogen. Und die Raben fingen
jeder an und sprachen: wer hat von meinem
Tellerchen gegessen?
Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?
wie der dritte Rab aber seinem Becherchen auf
den Grund kam, da fand er den Ring, und sah
wohl, daß Schwesterchen angekommen war. Da
erkannten sie es am Ring, und da waren sie
alle wieder erlöst und gingen frölich heim.
du unter der Schürze? — „die Großmutter ist
krank und schwach, da bring ich ihr Kuchen und
Wein, gestern haben wir gebacken, da soll sie
sich stärken." - „Rothkäppchen, wo wohnt
dein» Großmutter?" — „Noch eine gute Vier-
telstunde im Waid, unter den drei großen Eich-
bäumen, da steht ihr Haus, unten sind die
Nußhecken das wirst du Awigen ^MMoth-
käppchen. Der- W o lf cg edel sich, das ist
ein guter fetter Bissen für mich, wie fängst
dus an, daß du den kriegst: „hör Rothkäpp-
chen, sagte er, hast du die schönen Blumen
nicht gesehen, die im Walde stehen, warum
guckst du nicht einmal um dich, ich glaube, du
hörst gar nicht darauf, wie die Vöglein lieblich
singen, du gehst ja für dich hin als wenn du
im Dorf in die Schule gingst, und ist so lustig
haußen in dem Wald."
Rothkäppchen schlug die Augen auf, und
sah wie die Sonne durch die Bäume gebrochen
war und alles voll schöner Blumen stand; da
gedacht es: ei! wenn ich der Großmutter einen
Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb seyn,
es ist noch früh, ich komm doch zu rechter Zeit
an, und sprang in den Wald und suchte Blu-
rnen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint
es, dort stünd noch eine schönere und lief dar-
'nach unö> immer weiter in den Wald hinein.
Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem
&
— 115 —
Haus der Großmutter und klopfte an die Thü-
re. „Wer ist draußen" — „das Rothkäppchen, —
ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir
auf." — „Drück nur auf die Klinke, rief die
Großmutter, ich bin zu schwach und kann nicht
aufstehen." Der Wolf drückte an der Klinke,
und die Thüre sprang auf. Da ging er hin-
ein, geradezu ^an das Bett der Großmutter und yk*
verschluckte" sie. Dann nahm er ihre Kleider,
that sie an, sehte sich ihre Haube auf, legte sich
in ihr Bert und zog die Vorhänge vor.
Rothkäppchen aber war herum gelaufen
nach Blumen, und erst als es soviel, chatte^^dgß^ ^
es keine mehr tragen konnte, machte es sich auf
den Weg zu ^der-Großmiitter^ Wie es ankam
stand die Thüre auf, darüber verwunderte es
sich, und wie es in die Stube kam, sahs so
seltsam darin aus, daß es dacht: ei! du mein
Gott- wie ängstlich wird mirs heut zu Muth,
und bin sonst so gern bei der Großmutter.
Drauf ging eö zum Bett und zog die Vorhänge
zurück, da lag die Großmutter und hatte die
Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wun-
derlich aus. „Ei Großmutter, was hast du
für große Ohren!" — „daß ich dich besser hö-
ren kann." — „Ei Großmutter, was hast du
für große Augen!" - „daß ich dich besser se-
hen kann." — „Ei Großmutter was hast du
für große Hände!" — „daß ich dich besser
H 2
ii 6 —
packen kann." — „Aber Großmutter, was hast
du für ein entsetzlich großes Maul!" — „daß
ich dich besser fressen kann." Damit sprang
der Wolf aus dem Bett, sprang auf das arme
Rothkäppchen, und verschlang es. r. ^
Wie der Wolf den fetten Bissen ertarrgL
hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein
und fing an, überlaut zu schyarchey. Der Jä-
ger ging eben vorbei und^gUa^t/wre kann die
, (tlte Frau so schnarchen, du mußt einmal nach-
sehet Da trat er hinein und wie er vors
Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge-
sucht, der hat gewiß die Großmutter gefressen
vielleicht ist sie noch zu retten, ich will nicht
schießen, dachte der Jäger. Da nahm er die
Scheere und schnitt ihm den Bauch auf, und
wie er ein paar Schnitte gethan, da sah er das
rothe Käppchen leuchten, und wie er noch ein
wenig geschnitten, da sprang das Mädchen her-
aus und rief: „ach wie war ich erschrocken,
was wars so dunkel in dem Wolf seinem Leib;"
und dann kam die Großmutter auch lebendig
heraus. Rothkäppchen aber holte große schwere
Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib,
und wie er aufwachte, wollte er fortspringen,
aber die Steine waren so schwer, daß er sich
todt fiel.
Da waren alle drei vergnügt, der Jäger
nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß
t
den Kuchen und trank den Wein, den Roth-
käppchen gebracht hatte, und Rothkäppchen ge-
dacht bei sich: du willst dein Lebtag nicht wie-
der allein vom Weg ab in den Wald laufen,
wenn dirs die Mutter verboten hat.
Es wird auch erzählt, daß einmal, als Roth-
käppchen dcr alten Großmutter wieder Gebacke-
nes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen
und es vom Weg ableiten wollen. Rothkäpp-
chen ^ aber hütete sich und ging gerad fort ihres
Wegs, und sagte der Großmutter daß sie den
Wolf gesehen, daß er ihm guten Tag gewünscht
aber so bös aus den Augen geguckt; „wenns
nicht auf offner Straße gewesen, er hätt mich
gefressen." — „Komm, sagte die Großmutter
wir wollen die Thüre verschließen, daß er nicht
herein kann." Bald darnach klopfte der Wolf
an und rief: „mach auf, Großmutter, ich bin
das Rothkäppchen, ich bring dir Gebackenes."
Sie schwiegen aber still und machten die Thüre
nicht auf, da ging der Böse etlichemal um das
Haus und sprang endlich aufs Dach, und wollte
warten bis Rothkäppchen Abends nach Haus
ging, dann wollt' er ihm nachschleichen und
wollts in der Dunkelheit fressen. Aber 'die
Großmutter merkte, was er im Sinn hatte;
da stand vor dem Haus ein großer Steintrog:
„hol' den Eimer, Rothkäppchen, gestern hab ich
Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie
gekocht sind, in den Trog." Rothkappchen
trug so lange bis der große, große Trog ganz
voll war. Da stieg der Geruch von den Wür-
sten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und
guckte hinab, endlich machte er den Hals so
lang, daß er sich nicht mehr halten konnte, er
fing an zu rutschen', und rutschte vom Dach
herab und gerade in den großen Trog hinein
und ertrank. Rothkappchen aber ging fröhlich
und sicher nach Haus-.^?^^
2?-
Der Tod und der Ganshirt.
Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei-
nes großen und ungestümen Wassers, hütend
einen Haufen weißer Ganse, Zu diesem kam
der Tod über Wasser, und wurde von demHir-
ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin
wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem
Wasser komme und aus der Welt wolle. Der
arme Ganshirt fragte ferners: wie man doch
aus der Welt kommen könne? Der Tod sagte,
daß man über das Wasser in die neue Welt
müsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sag-
te, daß er dieses Lebens müde, und bäte den
Tod, er sollte ihn mit über nehmen. Der Tod
sagte, daß es noch nicht Zeit, und hätte er jetzt
sonst zu verrichten. Es war aber unferne da-
von ein Geizhals, der trachtete bei Nachts auf
seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut
zusammenbringen mögte, den führte der Tod
zu dem großen Wasser und stieß ihn hinein.
Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu
Grunde gesunken, bevor er an das Ufer kom-
men. Seine Hunde und Katzen, so ihm nach-
gelaufen, sind auch mit ihm ersoffen. Etliche
Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gäns-
hirten, fand ihn fröhlich singen und sprach zu
ihm: „willst du nun mit?" Er war willig und
kam mit seinen weißen Gänsen wohl hinüber,
welche alle in weiße Schafe verwandelt worden.
Der Gänshirt betrachtete das schöne Land und
hörte, daß die Hirten der Orten zu Königen
würden, und indem er sich recht umsähe, ka-
men ihm die Erzhirten Abraham, Zsaae und
Jacob entgegen, setzten ihm eine königliche Kro-
ne auf, und führten ihn in der Hirten Schloß,
allda er noch zu finden.
23.
Der singende Knochen.
Ein Wildschwein that großen Schaden in
dem ganzen Land, kein Mensch getraute sich in
den Wald, wo es herum lief, und wer so kühn
war und auf es einging und es tödten wollte,
dem riß es den Leib mit seinen Hauern auf.
Da ließ der König bekannt machen, wer das
Schwein erletze, der solle seine Tochter zur Ge-
mahlin haben. Nun waren in dem Königreich
drer Brüder, davon war der älteste listig und
klug, der zweite von gewöhnlichem Verstand,
der dritte und jüngste aber war unschuldig und
dumm. Die gedachten die Prinzessin zu ge-
winnen, wollten das Wildschwein aufsuchen
und tödten.
Die zwei ältesten gingen mit einander, der
jüngste aber ging allein. Als er in den Wald
hineinkam, trat ein kleiner Mann vor ihn, der
hielt eine schwarze Lanze in der Hand und sag-
te zu ihm: „nimm diese Lanze und geh damit
auf das Schwein los, ohne Furcht, du wirst
es leicht tödten." Also geschah es, er traf mit
der schwarzen Lanze das Schwein, daß es zur
Erde fiel, nahm es dann auf die Schulter und
zog vergnügt heim. Unterwegs kam er an ein
Haus, darin waren seine beiden ältesten Brü-
der, und machten sich lustig beim Wein; als sie
ihn mit dem Schwein auf dem Rücken daher
ziehen sahen, riefen sie ihn an: „komm herein
und trink mit uns, du wirst doch müde seyn."
Der unschuldige Dumme denkt an nichts Böses,
tritt ein, erzählt ihnen wie er das Schwein
durch die schwarze Lanze getödtet habe, und
freut sich über sein Glück. Abends gingen sie
— 121 —
mit einander nach Sjauö, da machten die bei-
den ältesten einen Anschlag auf des andern Le-
ben, ließen ihn voran gehen, und als sie vor
die Stadt an die Brücke kamen, fielen sie über
ihn her, schlugen ihn todt und begruben ihn
tief unter die Brücke. Dann nahm der älteste
das Schwein, trugs zu dem König, gab vor
er habe es getödtet und erhielt die Prinzessin
zur Gemahlin.
Das dauerte viele Jahre, doch sollt && A«
nicht verborgen bleiben. Da ging einmal ein
Hirt über die Brücke und sah unten im Sand
ein Knöchlein liegen, und weil es so rein
und schneeweiß war, wollt er sich ein Mund-
stück daraus machen^ ging hinab und hob es
auf. Darnach er sichs sllm^currdstück
für sem Horn, und wie e/chnschen und blasen
wollte^da fing das Knöchlein an, von selbst
zu singenr
„Ach! du liebes Hirtelein,
du blaßt auf meinem Knöcheler'nr
meine Bruder mich erschlugen
unter die Brücke begruben,
um das wilde Schwein
.für des Königs ^Töchterlein." 7
4k* fati- Grifts aufi-, 4
D^snahm de-- Hirt^das Hörn und trug es vor
den König, da sang es wieder dieselben Worte.
Als der König das hörte,- ließ er unter der
Brücke graben, da ward bald das Gerippe her-
xt
m
—, 122 — _
jsil yy Tfctvt yh^n *vha)^
ausgegrabHi. Die zwei bösen Brüder ^gestan-
den ihr Verbrechen und wurden ins Wasser ge-
worfen. Das Gebein aber von dem Gemorde-
ten ward auf dem Kirchhof in ein schönes
Grab gelegt-
<iWtzf'MA.^ L -\
Q Atu 4a+t+M-i(I Us s - sI
Von dem Teufel mit drei goldenen
Haaren.
Ein Holzhacker hackte vor des Königs
Haus Holz, oben am Fenster stand die Prin-
zessin und sah ihm zu. Als es Mittag war,
sehte er steh in den Schatten und wollte ru-
hen, da sah die Prinzessin, daß der Holzhacker
sehr schön war, und verliebte sich in ihn, und
ließ ihn herauf rufen; und als er die Prinzes-
sin erblickte, und sah wie schön sie war, ver-
liebte er sich wieder in sie. Da waren sie bald
in ihrer Liebe einig, aber dem König ward ver-
rathen, daß die Prinzessin einen Holzhacker lieb
habe. Als der König das hörte, ging er zu
ihr und sagte: „du weißt, daß der dein Bräu-
tigam wird, der die drei goldenen Haare bringt,
die der Teufel auf dem Kopf hat, er mag nun
ein Prinz oder ein Holzhacker seyn; er gedach-
te aber, kein Prinz ist noch so muthig gewe-
sen, daß er es gekonnt, so wird ein schlechter
Holzhacker es noch weniger können. Die Prin-
123
zessin war betrügt, denn es waren schon viele
Prinzen umgekommen, welche die drei golde-
nen Haare beim Teufel holen wollten, weil
aber kein anderes Mittel übrig blieb, so ent-
deckte sie dem Holzhacker, was ihr Vater ge-
sagt hatte. Der Holzhacker war gar nicht be-
trübt und sagte: „das soll mir schon gelingen,
bleib mir nur getreu, bis ich wiederkomme, mor-
gen früh zieh .ich aus."
Also begab sich der Holzhacker auf die Reise
zum Teufel, und kam bald an eine große Stadt.
Vor dem Thor fragte ihn der Wächter, was
er für ein Handwerk verstehe und was er wis-
set „Ich weiß altes," antwortete er. „Wenn
du alles weißt, jagte der Thorwächter, so mach
unsere Prirrzessin gesund, die kein Arzt in der
Welt euriren kann." — „Wenn ich wieder
komme." Zn der zweiten Stadt wurde er
auch gefragt, was er wisse? „Ich weiß alles."
— „So sag uns warum unser schöner Markt-
brunnen vertrocknet ist?" — „Wenn ich wie-
der komme," sagte der Holzhacker und ließ sich
nicht aufhalten. Da kam er an einen Feigen-
baum, der wollte verdorren, nebenbei stand ein
Mann, der fragte ihn, was er wisse? „Ich
weiß alles." — „So sag mir warum der Fei-
genbaum welkt und keine Früchte trägt?" —
„Wenn ich wieder komme." — Er ging wei-
ter und kam zu einem Fischer, der mußte , ihn
überschiffen, der fragte ihn, was er wisse? „Ich
weiß alles." — „So sag mir, wann werd'
ich einmal abgelöst werden und ein anderer
die Leute überschiffen?" — „Wenn ich wieder
komme."
Nachdem der Holzhacker drüben war, kam
er in die Hölle, da sahs schwarz und rusig ans,
der Teufel aber war nicht zu Haus, nur feine
Frau saß da. Der Holzhacker sagte zu ihr:
„guten Tag, Fra» Teufelin, ich bin hierher ge-
kommen und möchte die drei goldenen Haare
haben, die euer Mann auf dem Kopfe trägt;
auch mögt ich wissen, warum eine Prinzessin
nicht kann geheilt werden, warum ein tiefer
Warktbrunnen ohne Wasser, und ein Feigen-
baum ohne Früchte ist, und warum ein Schif-
fer nicht abgelöst wird. Die Frau erschrack
und sagte: „wenn der Teufel kommt und fin-
det dich hier, so frißt er dich gleich auf, die
drei goldenen Haare kannst du nimmermehr
kriegen, weil du aber so jung noch bist, so
dauerst du mich, und ich will sehen ob ich dich
erretten kann." — Der Holzhacker mußte sich
unter das Bett legen, und kaum hatte er ein
Weilchen da gelegen, da kam der Teufel nach
Haus: „guten Abend Frau," und fing an sich
auszuziehen und sagte dann: „wie ist mir in
der Stube! ich rieche, ich rieche Menschenfleisch,
da muß ich einmal nachsehen." — „Was wirst
du wohl riechen! sagte die Frau, du hast den
Schnupfen, und da steckt dir immer der Ge-
- ruch von Menschenfleijch in der Nase, wirf
mir nicht alles untereinander, ich habe eben
erst gekehrt." — „Ich will nur still seyn, ich
bin müde heut Abend, aber du gönnst mir den
Bissen nicht, den ich ins Maul stecke."
Damit legte sich der Teufel ins Bett und
feine Frau mußte sich zu ihm legen. Bald
schlief er ein, erst blies er, dann schnarchte er,
anfangs sachte, dann so laut, daß die Fenster
zitterte». Als die Frau sah, daß er so fest
schlief, packte sie eins von den drei goldenen
Haaren fest, riß es heraus und warf es dem
Holzacker unter das Bett. Der Teufel fuhr
auf: „was hast du vor, Frau, was raufst du
mich?" — „Ach! ich hatte einen sckweren
Traum, da muß ich es in der Angst gethan
haben." — „Wovon hast'du denn geträumt?"
— „Mir träumte von einer Prinzessin, die
war sterbenskrank, und kein Arzt war auf der
Welt, der sie heilen konnte." — „Warum thun
sie nicht die weiße Unke weg, die unter ihrem
Bett steckt" damit legte er sich auf die andere
Seite und schlief wieder ein. Als ihn die
Frau schnarchen hörte, faßte sie das zweite
Haar, riß es aus und warf es unter das Bett.
Der Teufel sprang auf: „ei so soll dich — bist
du toll geworden, du reißt mich ja wieder ent-
schlich in den Haaren!" — „Ach! lieber
Mann., ich stand vor einem großen Marktbrun-
nen, die Leute jammerten weil kein Wasser
darin war, und fragten mich, ob ich keine Hül-
fe wisse, da guckte ich hinein, er war so tief,
daß mir schwindlicht wurde, ich wollte mich hal-
ten und da bin ich dir in die Haare gerathen."
— „Du hättest nur sagen sollen, sie müßten
den weißen Stein herausholen, der unten liegt,
aber laß mich mit deinen Traumen in Ruh."
Er legte sich wieder und schnarchte bald so ab-
scheulich wie vorher. Die Fra« gedacht.- du
mußt es noch einmal wagen, und riß auch das
dritte Goldhaar heraus und warft hinunter.
Der Teufel fuhr in die Höh und wollte übel
wirthschaften, die Frau aber besänftigte ihn,
küßte ihn und sagte: „das sind böse Träume!
Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der
verdorren wollte und klagte, daß er keine Früch-
te trage, da wollte ich a» dem Baum schütteln,
ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe
ich deine Haare geschüttelt." — „Das wäre
auch umsonst gewesen, an der Wurzel nagt ei-
ne Maus, wenn die nicht getödtet wird, ft ist
der Baum verloren, ist de erst todt, dann wird
er schon wieder frisch werden, und Früchte tra-
gen ; aber plag mich nicht mehr mit deinen
Traumen, ich will schlafen,'und wenn du mich
noch einmal aufweckst, ft kriegst du eine Ohr-
feige." Der Frau war Angst vor dem Zorn
des Teufels, aber der arme Holzhacker mußte
noch etwas wissen, das wußte der Teufel al-
lein. Da zupfte sie ihn an der Nase und zog
ihn in die Höh. Der Teufel sprang wie un-
sinnig auf, und gab ihr eine Ohrfeige, daß es
schallte. Die Frau fing an zu weinen und sag-
te; „willst du, daß ich ins Wasser falle? Ein
Fischer hatte mich über den Strom gefahren,
und als der Nachen ans Ufer kam, stieß er an,
da fürchtete ich mich zu fallen und wollte mich
an den Stamm halten, woran die Kette fest-
gemacht wird, da hab ich mich an deine Nase
gehalten." — „Warum hast du nicht Acht ge-
geben? das thut der Nachen jedesmal." —
Der Fischer klagte mir, daß niemand komme,
ihn abzulösen und er seiner Arbeit kein Ende
sehe." — „Er muß den ersten, der kommt an-
halten, so lange zu fahren, bis ein dritter
kommt, der ihn wieder ablöst, ft ist ihm ge-
holfen; aber du träumst curios, das ist wahr
mit dem Schiffer und alles andere auch.- jetzt
weck mich nicht wieder, der Morgen muß bald
anbrechen, ich will noch schlafen, sonst spring
ich übel mit dir um."
Wie nun der Holzhacker alles gehört hat-
te, und der Teufel wieder schnarchte, bedankte
er sich bei der Frau Teufelin und zog fort.
Als er zu dem Fischer kam, wollte der Aus-
kunst haben. „Fahr mich nur erst hinüber."
Drüben aber sagte er zu ihm: „der erste, der
wieder kommt und will übergefahren seyn, den
halt an, daß er so lange das Amt übernimmt,
bis ihn wieder einer ablöst." Darauf kam er
zu dem Mann mit dem unfruchtbaren Feigen-
baum und sagte ihm: „tödle nur die weiße
Maus, die an den Wurzeln nagt, so wird dein
Baum wieder Früchte tragen wie vorher." —
„Was verlangst du zur Belohnung," fragte
der Mann. „Lin Regiment Infanterie" und
kaum hatte er das gesagt, so marschirte ein
Regiment hinter ihm her. Der Holzhacker ge-
dacht, das geht gut, und kam in die Stadt, wo
der Marktbrunnen vertrocknet war: „holt den
weißen Stein heraus, der auf dem Grund
liegt." Da stieg einer hinab und holte den
Stein, und kaum war er oben, so füllte sich
der Brunnen wieder mit dem klarsten Wasser.
„Womit sollen wir dich belohnen," fragte der
Bürgemeister. — „Gebt mir ein Regiment
Cavallerie." Und als der Holzhacker zum
Thor hinausging, ritt auch ein Regiment Ca-
vallerie hintendrein. So kam er in die andere
Stadt, wo die Prinzessin krank lag, die kein
Arzt curiren konnte. „Macht nur die weiße
Unke todt, die unter dem Bett versteckt ist,"
und wie das geschehen war, so fing die Prinzessin
an fich zu erholen, frisch und roth zu werden.
„Was
„Was willst du zur Belohnung?" fragte der
König. „Vier Wagen mit Gold beladen,"
sagte der Holzhacker.
Endlich kam der Holzhacker heim und hin-
ter ihm ein Regiment Infanterie, ein Regi-
ment Cavallerie und vier Wagen ganz mit Gold
beladen, die drei goldenen Haare aber trug
er bei sich. Vor dem Thore hieß er seine Be-
gleitung warten, wenn er aber von dem Schloß
ein Zeichen gäbe, dann sollten sie schnell einzie-
hen. Darauf ging er vor der Prinzessin, sei-
ner Geliebten, Vater, reichte ihm die drei gol-
denen Haare des Teufels und bat ihn, seinem
Versprechen gemäß ihm die Prinzessin zu ge-
ben. Der König erstaunte, sagte, mit den drei
goldenen Haaren habe es seine Richtigkeit, aber
wegen der Prinzessin müsse er sich bedenken.
Wie der Holzhacker das hörte, stellte er sich
zum Fenster und pfiff hinaus, da kamen aus
einmal durch das Thor ein Regiment Infan-
terie, ein Regiment Cavallerie und vier schwer-
beladene Wagen marschirt. „Herr König, sag-
te der Holzhacker, seht her, das sind meine
Leute, die ich mitgebracht habe, und dort das
ist mein Reichthum in den Wagen, die sind
voller Gold: wollt ihr mir nun die Prinzessin
geben?^,Der König erschrack und sagte: ^ja
von Herzen gern" Da wurden beide vermählt
und lebten in Glückseligkeit.
Kindermärchen. I
»Zl>
Tftr'
I jf
«
Darum- wer den Teufel nicht fürchtet, der
kann ihm die Haare auereißen und die ganze
Welt gewinnen.
( TnatU /B/t'.J
30.
Läuschen und Flöhchen.
Ein Läuschen und ein Flöhchen die lebten
zusammen in einem Haushalt, und brauten sich
Bier in einer Eierschale. Da fiel das Läus-
chen hinein und verbrennte sich. Darüber fing
das Flöhchen laut an zu schreien. Da sprach
die kleine Stubenthüre:
„was schreist du Flöhchen?" —
„weil sich Lauschen verbrennt hat."
Da fing das Thürchen an zu knarren. Da
(Mach ein Besenchen in dem Hausehrn:
„was knarrst du Thürchen?" —
„soll ich nicht knarren?
Läuschen hat sich verbrennt,
Flöhchen weint."
Da fing der kleine Besen an entsetzlich zu
kehren.
Da kam ein Wägelchen vorbei:
„was kehrst du Besenchen?" —
„Soll ich nicht kehren?
Läuschen hat sich verbrennt,
Flöhchen weint,
Thürchen knarrt."
8» ,
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Da sagt das Wägelchen, so will ich ent-
setzlich rennen und rennt entsetzlich. Da sagt
das Mistchen, an dem es vorbeirennt:
„was rennst dn Wägelchen?"
„Soll ich nicht rennen?
Läuschen hat sich verbrennt,
Flöhchen weint,
Thürchen knarrt,
Besenchen kehrt."
Da sagt das Mistchen, so will ich anfan-
gen zu brennen, und brennt entsetzlich.
Da stand ein Bäumchen das sagt:
„Mistchen was brennst du?" —
„Soll ich nicht brennen?
Läuschen hat sich verbrennt,
Flöhchen weint,
Thürchen knarrt,
Besenchen kehrt,
Wägelchen rennt."
Da sagt das Bäumchen, so will ich mich
schütteln, und schüttelte all sein Laub ab. Da
sagt ein Mädchen mit dem Wasserkrüqelchen:
„Bäumchen was schüttelst du dich?" —
„Soll ich mich nicht schütteln?
Läuschen hat sich verbrennt,
Flöhchen weint,
Thürchen knarrt,
Besenchen kehrt,
Ä 2
132 —
Wägelchen rennt,
Mistchen brennt.
Da sagt das Mädchen, so will ich mein
Wasserkrügelchen zerbrechen, und zerbrach sein
Wasserkrügelchen; da sagt das Brünnlein:
„Mädchen,was zerbrichst du dein Was-
serkrügelchen?" —
„Soll ich mein Wasserkrügelchen nicht zerbrechen?
Läuschen hat sich verbrennt,
FlShchen weint,
Thürchen knarrt,
Vesenchen kehrt,
Wägelchen rennt,
Mistchen brennt,
Bäumchen schüttelt sich."
Ei! sagte das Brünnchen, so will ich an-
fangen zu fließen, und fing so entsetzlich an zu
fließen, daß alles ertrunken ist, das Mädchen,
das Bäumchen, das Mistchen, das Wägelchen,
das Besenchen, das Thürchen, das Flöhchen,
und das Läuschen, alles miteinander.
S<M*
Mädchen ohne Hände.
Ein Müller, der so arm war, daß er nichts
weiter hatte, als seine Mühle und einen gro-
ßen Apfelbaum dahinter, ging in den Wald
Holz holen. Da trat ihn ein alter Mann an.
*33
der sprach: was quälst du dich so sehr, ich will
dich reich machen, verschreib mir dafür, was
hinter deiner Mühle steht, in drei Zähren will
ichs abholen. Der Müllerdenkt: das ist mein
Apfelbaum, sagte ja, und verschriebs dem Man-
ne. Wie er nach Haus kommt, sagt seine Frau
zu ihm: „Müller, woher kommt der große
Reichthum, der auf einmal Kisten und Kasten
in unserm Haus angefüllt hat?" — das kommt
von einem alten Mann aus dem Wald, ich
hab ihm dafür verschrieben, was hinter der
Mühle steht. — „Ach Mann, sprach die Frau
erschrocken, das wird schlimm werden, der alte
Mann war der Teufel und er hat unsere Toch-
ter damit gemeint, die hat gerad hinter der
Mühle gestanden und den Hof gekehrt."
Die Müllerscochter war aber gar schön und
fromm, und nach drei Zähren kam der Teufel
ganz früh und wollte sie holen, aber sie hatte
mit Kreide einen Kranz um sich gemacht und
sich rein gewaschen. Da konnte der Teufel nicht
zu ihr kommen, zornig sprach er zu dem Mül-
ler: „thu ihr alles Waschwasser weg, daß sie
sich nicht mehr wasche» kann, und ich Gewalt
über sie habe." Der Müller fürchtete sich und
that es. Am andern Tag kam der Teufel wie-
der, aber sie hatte auf ihre Hände geweint und
sich mit ihren Thränen gewaschen, und war
ganz rein; da konnte ihr der Teufel abermals
!
%
1
nicht nahen, ärgerte sich sehr und befahl dem
Müller: „hau ihr die Hände ab, daß ich ihr
was anhaben kann. Der Müller aber entsetzte
sich und antwortete: wie könnte ich meinem
lieben Kind die Hände abhauen, nein, das thu
ich nicht. „Weißt du was, so hol ich dich
selber, wenn dus nicht thust!" Da fürchtete
sich der Müller gewaltig und versprach ihm in
der Angst, zu thun was er befohlen hätte.
Ging zu seiner Tochter und sprach: mein Kind,
der Teufel wird mich holen, wenn ich dir nicht
beide Hände abhaue, und da habe ich es ihm
versprochen, ich bitre dich um Verzeihung.
„Vater, sagte sie, macht mit mir was ihr
wollt," legte ihre beiden Hände hin und ließ
sie abhauen. Zum drittenmal kam der Teu-
fel, allein sie hatte so lang und viel auf ihre
Stümpfe geweint, daß sie doch ganz rein wur-
de, da hatte der Teufel alles Recht an ihr
verloren.
Der Mütter, weil er so großes Gut d^rch
sie gewonnen hatte, versprach ihr nun, er wolle ^
sie Zeitlebens aufs köstlichste halten, allein sie
mochte nicht mehr dableiben: „ich will fort von
hier, mitleidige Menschen werden mir schon so-
viel geben, als ich zum Leben brauche." Die
beiden abgehauenen Hände ließ sie sich auf den
Rücken binden; mit Sonnenaufgang zog sie fort
und ging und ging den ganzen Tag, bis es
— 135 —
Abend wurde, da kam sie zu des Königs Gar-
ten. Zn der Gartenhecke war eine Lücke, durch
die ging sie hinein, fand einen Obstbaum, den
schüttelte sie mit ihrem Leib, und wie die Aepfel
zur Erde fielen, bückte sie sich nieder und hob
sie mit ihren Zähnen auf und aß sie. Zwei
Tage lebte sie so, am dritten aber kamen die
Wächter des Gartens, die sahen sie, nahmen sie
gefangen und warfen sie ins Gefangenhaus,
des andern Morgens wurde sie vor den Körnig
geführt, und sollte Landes verwiesen werden.
Ei, sprach der Königssohn, sie kann ja lieber
die Hüner auf dem Hof hüten!
So blieb sie eine Zeitlang da und hütete
die Hüner, der Königssohn aber sah sie oft
und gewann sie von Herzen lieb; mittlerweile
kam nun die Zeit, daß er sich vermählen sollte.
Da wurde ausgeschickt in alle weite Welt, um
ihm eine schöne Gemahlin auszusuchen. „Ihr
braucht nicht weit zu suchen und zu senden,
sprach er, ich weiß mir eine ganz in der Nä-
he." Der alte König besann sich hin und her
und es war ihm keine Jungfrau im Land be-
kannt, die schön und reich wäre: „du wirst
doch nicht etwa gar die da wollen heirathen,
die die Hüner im Hofe hütet?" Der Sohn
aber erklärte, er würde nimmermehr eine andere
nehmen, da mußte es endlich der König zuge-
ben, und bald darauf starb er; der Königssohn
— 136 —
folgte ihm im Reich nach, und lebte in soweit
glücklich mit seiner Gemahlin.
Nun mußte aber einmal der König in den
Krieg ziehen und während seiner Abwesenheit
gebar sie ein schönes Kind, und sandte einen
Boten mit einem Brief ab, worin sie ihrem
Gemahl die frohe Nachricht meldete. Der Bote
ruhte unterwegs an einem Bache und schlief
ein, da kam der Teufel, der ihr immer, zu scha-
den trachtete, und vertauschte den Brief mit eü
nem andern, worin stand, daß die Königin ei-
nen Wechselbalg zur Welt gebracht hatte. Der
König, als er den Brief las, betrübte sich sehr,
doch schrieb er zur Antwort: man solle die Kö-
nigin und das Kind wohl halten, bis zu seiner
Rückkunft. Der Bote ging mit dem Brief zurück
und als er am nämlichen Platz ruhte und ein-
geschlafen war, nahte sich der böse Teufel wie-
der, und schob einen andern Brief unter, worin
der König befahl, Königin und Kind aus dem
Land zu jagen. Dies mußte nun so geschehen,
so sehr auch alle Leute vor Traurigkeit wein-
ten: „ich bin nicht hierhergekommen, um Köni-
gin zu werden, ich habe kein Glück und ver-
lange auch keins, bindet mir mein Kind und
die Hände auf den Rücken, so will ich in die
Welt ziehen." Abends kam sie in einen dicken
Wald zu einem Brunnen, wobei ein guter al-
ter Mann saß. „Seyd doch so barmherzig, sprach
sie, und haltet mir mein Kind an die Brust, so
lange bis ich ihm zu trinken gegeben habe"
welches der Mann that, und darauf sagte er
zu ihr: dort steht ein dicker Baum, zu dem geh
hin und schlinge deine abgestumpften Arme drei-
mal um ihn'" und als sie es gethan, wuchsen
ihr die Hände wieder an. Darauf zeigte er
ihr ein Haus: „darin wohne und geh nicht
heraus und mache niemand die Thür auf, der
nicht dreimal um Gotteswillen darum bittet."
Indessen war der König nach Haus gekom-
men und sah ein, wie er betrogen worden war.
Zn der Begleitung eines einzigen Dieners mach-
te er sich auf, und nach einer langen Reise ver-
irrte er sich endlich gerade in der Nacht in dem-
selben Walde, wo die Königin wohnte, er wußte
aber nicht, daß sie ihm so nah war. Dort hin-
ten, sprach der Diener, glimmt ein Lichtchen in
einem Haus, gottlob, da können wir ruhen. —
„ach nein, sprach der König, ich will nicht so
lange rasten, und weiter nach meiner geliebten
Frau suchen, eher habe ich doch keine Ruhe."
Allein der Diener bat so viel und klagte so
über Müdigkeit, daß der König, aus Mitleid
einwilligte. Wie sie zu dem Haus kamen, schien
der Mond und sie sahen die Königin am Fen-
ster stehen. „Ach, das muß unsere Königin
seyn, so gleicht sie ihr" sagte der Diener, aber
ich sehe doch, daß sie es nicht ist, denn diese da
hat Hände. Der Diener, sprach sie nun um
Herberg an, aber sie sagte ee ab, weil er nicht
um Gotteewillen gebeten hatte. Er wollte wei-
ter gehen, und einen andern Platz zum Nacht-
lager suchen; da trat der König selbst hinzu:
lasset mich ein, um Gotteswillen! nicht eher
darf ich euch einlassen, bis ihr mich dreimal um
Gotteewillen gebeten habt," und wie der Kö-
nig noch zweimal gebeten hatte, machte sie auf,
da kam sein Söhnlein herausgesprungen führte
ihn zur Mutter hin, und er erkannte sie also-
bald für seine geliebte Frau. Den andern Mor-
gen reisten sie allemiteinander in ihr Land, und
wie sie zum Haus heraus waren, war es hin-
ter ihnen verschwunden.
Jo JDÜtj 18H.
änj.str's. 32.
Der gescheidte Hans.
I.
Hansens Mutter spricht: „wohin Hans?"
Hans antwortet: „zur Grekhel." — ,,Machs
gut Hans" — „Schon gut machen, Adies,
Mutter" — Hans kommt zur Grethel: „gu-
ten Tag Grethel." — Guten Hans: was
bringst du Gutes?" — „Bring nichts, gege-
ben han." —
Grethel schenkt dem Hans eine Nadel,
Hans spricht: Adies, Grethel." — „Adies,
Hans." — Hans nimmt die Nadel und stecke
sie in einen Heuwagen und geht hinterher nach
Haus. „Guten Abend, Mutter." — Guten
Abend Hans, wo bist du gewesen?" — "Bei
der Grethel."— „Was hast du ihr gebracht?"
— „Nichts gebracht, gegeben hat" — „Waö
hat sie dir gegeben?" — „Nadel gegeben" —
„wo hast du die Nadel, Hans" — „In Heu-
wagen gesteckt." — „Das hast du dumm ge-
macht, musits an Aermel stecken." — „Thut
nichts, besser machen."
„Wohin Hans?." — „zur Grethel." —
„Mache gut, Hans." — „Schon gut machen,
Adies, Mutter." — Hans kommt zur Grethel:
„guten Tag, Grethel:" — guten Tag, Hans:
was bringst du Gutes?" — Bring nichts, ge-
geben han."
Grethel schenkt dem Hans ein Messer.
„Adies, Grethel" — „Adies, Hans" — Hans
nimmt das Messer, steckts an den Acrmel und
geht nach Haus. „ Guten Abend, Mutter." —
„Guten Abend, Hans, wo bist du gewesen?"
— „Bei der Grethel." — „Was hast du ihr
gebracht!" — „Nichts gebracht, gegeben hat?"
„Waö hat sie dir gegeben?" — „Messer ge-
geben." — Wo hast du das Messer Hans?"
— „An den Aermel gesteckt." — „Das hast
du dumm gemacht, mußts in die Tasche stek-
ken." — „Thut nichts, besser machen."
„Wohin, Hans?" — „zur Grethel." —
„Wachs gut, HanS." — „Schon gut machen,
Adies, Mutter." — Hans kommt zur Gre-
thel: „guten Tag, Grethel." — „Guten Tag,
Hans: was bringst du Gutes?" — „Bring
nichts, gegeben han."
Grethel schenkt dem Hans eine junge Zie-
ge. „Adies, Grethel " — „AdieS, Hans."
Hans nimmt die Ziege bindet ihr die Beine
und steckt sie in die Tasche, wie er nach Haus
kommt, ist sie erstickt. „Guten Abend, Mut-
ter." — „Guten Abend, Hans, wo bist du
gewesen?" — „bei der Grethel." — „Was
hast du ihr gebracht?" „Nichts gebracht,
gegeben hat." — „Was hat sie dir gegeben?"
— --Ziege gegeben." — „wo hast du die Zie-
ge, Hans?" — „Zn die Tasche gesteckt" —
„das hast du dumm gemacht, Hans, mußts
an ein Seil binden." — „Thut nichts, besser
machen."
„Wohin Hans?" — „zur Grethel." —
Machs gut, Hans." — „Schon gut machen,
Adies, Mutter." — Hans kommt zur Gre-
thel : „ Guten Tag, Grethel." —,, Guten Tag,
Hans: was bringst du Gutes?" — „Bring
nichts, gegeben han." —
Grethel schenkt dem Hans ein Stück Speck.
Hans bindet den Speck an ein Seil und schleifts
hinter sich, die Hunde kommen und fressen es
— 141 —
ab, wie er nach Haus kommt, ist das Seil
leer. „Guten Abend, Mutter." — „Guten
Abend, Hans, wo bist du gewesen?" — „Bei
der Grethel." — „Was hast du ihr gebracht?"
-„Nichts gebracht, gegeben hat." — „Was
hat sie dir gegeben?" — „Stück Speck gege-
ben?" — „wo hast du den Speck, Hans?" —
„Ans Seil gebunden, heim geführt, fort gewe-
sen." — „Das hast du dumm gemacht, Hans,
mußts auf dem Kopf tragen." — „Thur nichts,
besser machen."
„Wohin, Hans?" — „zur Grethel." —
„Machs gut, Hans." — Schon gut machen,
Adies, Mutter." — Hane kommt zur Grethel:
„guten Tag, Grethel:" — „guten Tag,
Hans: was bringst du Gutes?" „Bring nichts
gegeben han." —
Grethel schenkt dem Hans ein Kalb, HanS
fetzt es auf Len Kopf, und es zertritt ihm das
Gesicht. — „Guten Abend, Mutter." - „Gu-
ten Abend, Hans, wo bist du gewesen?" —
„Bei der Grethel." — „Was hast du ihr ge-
bracht?" — „Nichts gebracht, gegeben hat."
„Was hat sie dir gegeben?" — „Kalb gege,
ben." — „Wo hast du das Kalb, Hans?" —
„Auf den Kopf gesetzt, Gesicht zertreten." —
„Das hast du dumm gemacht, Hans, mußts
leiten und an die Raufe stellen," — „Thut
nichts, besser machen."
— *42 —
„Wohin Hans?" — „Zur Grethel."
„Wachs gut, Hans." — „Schon gut machen,
Adies Mutter." -- „Guten Tag, Grethel."-^-
„Guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?"
— „Dring nichts, gegeben han."
Grethel sagt: „ich will mit dir gehen."
Hans bindet die Grethel an ein Seil, leitet
sie, führt sie vor die Raufe und knüpft sie fest.
„Guten Abend, Mutter." — „Guten Abend,
Hans: wo bist du gewesen?" — „Bei der
Grethel." — „Was hast du ihr gebracht." —
„Nichts gebracht, gegeben hat." — „Was hat
sie dir gegeben." — „Grethel mitgegangen."
— „Wo hast du die Grethel." — „Geleitet,
vor die Raufe geknüpft, Gras vorgeworfen."
— „Das hast du dumm gemacht, wußt ihr die
Augen freundlich zuwerfen." — „Thut nichts,
besser machen."
Hans geht in den Stall, sticht allen Käl-
bern und Schafen die Augen aus und wirft
sie der Grethel ins Gesicht; da wird Grethel
bös, reißt sich los, und läuft fort und ist Han-
sens Braut gewesen.
II.
.Im Geslinger Thal, da wohnt eine sehr
reiche Wittfrau, die hätt' einen einigen Sohn,
der war einer groben und tollen Verständniß:
er war auch der allernärrischte Mensch unter al-
len Einwohnern desselbigen Thals. Derselbige
Geck sahe auf eine Zeit zu Sarbrücken, eines
wohlgeachten herrlichen Manns Tochter, die
eine schöne, wohlgestalte, verständige Jungfrau
war. Der Narr ward ihs gleich hold und lä-
ge der Mutter an, daß sie ihm dieselbige zu ei-
ner Frauen schaffen wollte, wo nicht, so wollte
er Ofen und Fenster einschlagen und alle Stie-
gen im Haus abbrechen. Die Mutter wußt
und sahe wohl ihres närrischen Sohns Kopf
und fürcht, wenn sie ihn gleichwohl um die
Jungfrau werben ließe und ihm ein groß Gut
dazu gebe, so wär er doch ein so ungehobelter
Esel, daß nichts mit ihm auszurichten oder ver-
sehen wäre. Wiewohl aber der Jungfrauen
Eltern herrliche Leute und von gutem Ge-
schlecht, so waren sie doch also gar arm, daß
sie Armuth halber die Tochter ihrem Stande
nach nit wüßten zu versorgen, berohalben die-
se Werbung desto leichter Statt gewann. Die
Mutter furchte nun auch, dieweil ihr Sohn
also ein großer ungeschickter Göh wäre, daß
ihn vielleicht die Jungfrau nit wöllen haben,
gab ihm darum allerhand Lehren, damit er sich
bei der Braut fein höflich zuthun und hurtig
machen könnte. Und als der Klotz erstlich mit
der Jungfrau red't, da schankt sie ihm ein
hübsch paar Handschuh aus weichem Corduan-
leder gemacht. Lawel that sie an, zog heim;
144
so kommt ein großer Regen, er behielt die
Handschuhe an: galt gleich, ob sie naß wurden
oder nit. Wie er aber einen Steg will gan,
so glitscht er aus und fällt ins Wasser und
Moor, er kommt heim, war wohl besudelt, die
Handschuhe waren eitel Fleisch; klagts der
Mutter, die gut alt Mutter schalt ihn und
sagte, er sollts inö Fazziletlin (Schnupftuch)
gewickelt und in Busen gestoßen haben. Bald
darnach zeucht der gut Löffel wieder zu der
Jungfrauen; sie fragt nach den Handschuhen,
er sagt ihr, wie es ihm mit gegangen wäre.
Sie lacht und merkt das erst Stück seiner
Weisheit und schenkt ihm ein Habicht. Er
nahm ihn, ging heim und gedacht an der Mut-
ter Rede, würgt den Habicht, wickelt ihn in
sein Brusttuch und stieß ihn in den Busen.
Kam heim, wollt den hübschen Vogel der Mut-
ter zeigen, zog ihn aus dem Busen. Die Mut-
ter fährt ihm wieder über den Kamm, sagt, er
sollte ihn fein auf der Hand getragen haben.
Zum drittenmal kommt Jockel wieder zu der
Jungfrauen, sie fragt, wie es um den Habicht
stände, er sagt ihr, wie es ihm mit gegangen;
was sie gedacht: er ist ein lebendiger Narr;
sah wohl, daß ihm nichts sauberlichs noch Herr-
lichs gebührte, und schenkt ihm ein Egge, die
er brauchen sollt, wenn er gesät hätte. Er
nahm der Mutter Wort zu Herzen, und trug
sie
sie auf den Handen empor, wie ein anderer
Loffelbih heim. Die Mutter war gar übel zu-
frieden, sprach, er sollt sie an ein Pferd gebun-
den haben und heim geschleift. Letztlich sahe
die Jungfrau, daß Chrisam und Tauf an ihm
verloren war, denn es war weder Vernunft
noch Weisheit in ihm, wußt nit, wie sie des
Narren ledig werden sollt, gab ihm daher ein
groß Stück Specks, und stieß es ihm in den
Busen: er wars wohl zufrieden. Er wolle
heim und fürcht, er würds im Busen verlieren,
und bands einem Roß an den Schwanz, saß
draus und ritt heim, da liefen die Hunde hin-
ten nach und rissen den Speck dem Pferd vom
Schwanz und fraßen hn. Er kommt heim,
der Speck war auch hinweg. Hintennach sahe
die Mutter ihres Sohns Weisheit, fürcht, die
Heirath würd' nit vor sich gehen, fuhr zu der
Jungfrau Eltern, begehrt den Tag der Bere-
dung zu wissen mit ihrem Sohn, und wie sie
hinweg will, befiehlt sie ihm ernstlich, daß er
wohl Haushalt und kein groß Wesen mach,
denn sie hab eine Gans über Eiern sitzen. Als
nun die Mutter aus dem Haus war, so zeucht
der Sohn fein in den Keller, sauft sich voller
Weins und verliert den Zapfen zum Faß, wie
er den sucht, so lauft der Wein alle in den
Keller. Der gut Vetter nimmt einen Sack mit
Mehl, und schütt' es in den Wein, daß es die
Kindermärchen. K
Mutter nit sähe, wenn sie kommt. Demnach
lauft er auf hin ins Haus, und hat ein wild's
Gebrächt: so sik-t die Gans da und brütelt,
die erschrickt und schreit gaga! gaga! Den
Narren kommt ein Furcht an und meint, die
Gans hat gesagt: „ich wills sagen," und
fürcht, sie schwatzt, wie er im Keller Haus ge-
halten; nahm die Gans und hieb ihr den Kopf
ab. Nun furcht er, wo die Eler auch verdür-
ben, so wär er in tausend Lästen, bedacht sich
und wollt' die Eier ausbrüten, meint doch, es
würd sich nit wohl schicken, dieweil er nit voll
Federn wäre, wie die Gans. Bedacht sich
bald, zeucht sich ganz aus und schmiert den Leib
zuring mit Honig, den hatt die Mutter erst
neulich gemacht und schütt darnach ein Bett
aus und walgert sich allenthalb in den Federn,
daß er sahe, wie ein Hanfbuh, und setzt sich
also über die Gänseier und war gar still, daß
er die jungen Gäns nit erschreckt. Wie Hans-
wurst also brütet, so kommt die Mutter und
klopft an die Thüren: der Lawel sitzt über den
Eiern und will keine Antwort geben, sie klopft
noch mehr, so schreit er gaga! gaga! und meint,
dieweil er junge Gäns (oder Narren) brütelt,
so könnt' er auch kein andre Sprach. Zuletzt
dräut ihm die Mutter so sehr, daß er aus dem
Nest kroch und ihr aufthät. Als sie ihn sahe,
da meint' sie, es war der lebendige Teufel,
— i47 —
fragt, was das wäre, er sagt ihr alle Ding
nach der Ordnung. Der Mutter wars Angst
mit dem Doppelnarren, dann die Braut sollt
bald nachfolgen, unh sagt zu ihm, sie wolltS
ihm gern verzeihen, er sollt sich nur jetzt züch-
tig halten, denn di§ Braut käme, daß er sie
fein freundlich empfahen und grüßen sollte und
die Augen also höflich und fleißig in sie wer-
fen. Der Narr sagt ja, er wollte alles thun,
wischt die Federn ab, und thät sich wieder an,
geht in den Stall und sticht den Schafen al-
len die Augen aus, stößt sie in Busen. So-
bald die Braut kommt, so geht er ihr entge-
gen, wirft ihr die Augen, alle, soviel er hat,
ins Angesicht, meint, es müsse also seyn. Die
gut Jungfrau schämet sich, daß er sie also be-
schmutzt und verwüst hat, sah des Narren
Grobheit, daß er zu allen Dingen verderbt
war, zog wieder heim, sagt ihm ab. Also blieb
er ein Narr nach wie vor und brütelt junge
Gäns noch auf diesen Tag aus. Ich besorg
aber, wenn sie ausschliefen werden, so sollten
es wohl junge Narren seyn. Gott behüt uns.
33-
Der gestiefelte Kater.
Ein Müller hatte drei Söhne, seine Müh-
le, einen Esel und einen Kater; die Söhne
,£-*1/ /r-
1 *^tA-
W
1 ii
mußten mahlen, der Esel Getreide holen und
Mehl forttragen und die Kah die Mause weg-
fangen. Als der Müller starb, theilten sich. die
drei Söhne in die Erbschaft, der altste bekam
die Mühle, der zweite den Esel, der dritte den
Kater, weiter blieb nichts für ihn übrig. StoW,,
war er traurig und sprach zu sich selbst: „ich
hab es doch am allerschlimmsten kriegt, mein
ältster Bruder kann mahlen, mein zweiter kann
auf seinem Esel reiten, was.kann ich mit dem
Kater anfangen? laß ich mir ein paar Pelz-
handschuhe aus seinem Fell machen, so ists
vorbei." „Hör, fing der Kater an, der alles
verstanden hatte, was er gesagt, du brauchst
mich nicht zu tödten, um ein paar schlechte
Handschuh aus meinem Pelz zu kriegen, laß
mir nur ein paar Stiefel machen, daß ich aus-
gehen kann und mich unter den Leuten sehen
lassen, dann soll dir bald geholfen seyn. "^Der
Müllerssohn verwunderte sich, daß der Kater
so »'ach, weil aber eben der Schuster vorbei-
<\W+a£/ l ging, rief er ihn herein und ließ ihm ein paar
Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog
K*** — sie der Kater an, nahm einen Sack, machte
den Boden desselben voll Korn, oben aber eine
Schnur daran, womit man ihn zuziehen konnte,
dann warf er ihn über den Rücken und ging auf
zwei Beinen, wie ein Mensch, zur Thür
'<£4^lJ*7Lü du? rmx Aufsr^x JxUf JU'
ydui ifo* Jim i\ nl.
Dazumal regierte ein König in dem Land,
der aß die Rebhühner so gern: es war aber
eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der
ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu,
daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wuß-
te der Kater und gedacht seine Sache besser zu
machen; als er in den Wald kam, thät er den
Sack auf, breitete das Korn auseinander, die
Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie
hinter^in^^eck^ Da versteckte er sich selber,
schlich Herum rM'lauerte. Die Rebhühner ka-
men bald gelaufen, fanden das Korn und eins
nach dem andern hüpfte in den Sack hinein. J* * KaJn*-
28s; eine gute Anzahl darin war,^zog fcv Ksr
terbeti Strick zu, lief herA und drehte ihnen
den Hals „um^^arm warf er den Sack auf ^f
den Rücken (und gmg geradeswegs nach des
Königs Schloß. Die Wache rief: „halt! wo-
hin." — „Zu dem König," antwortete der
Kater kurzweg. — „Bist du toll, ein Kater
zum König?" — „Laß ihn nur gehen, sagte
ein anderer, der König hat doch oft lange Weit,
vielleicht macht ihm der Kater mit seinem ^ .fiat** * jU
Brummen und Spinnen Vergnügen. " ^Als " X/
her Ham vor den König kam, machte er einen /
Reverenz und sagte: „mein Herr, der Graf,
dabei nannte er einen langen und vornehmen
Namen, laßt sich dem Herrn König empfehlen
und schickt ihm hier Rebhühner, die er eben in
Trr
SSE
— 150 —
Jzi/,
1 1
Schlingen gefangen hat." Dtt-^ KeMssE-^*4*
aoy-ürdäbtx die schönen fetten Rebhühner^wußte
#Jj7frit'-**£»**> / sich vor Freude nicht zu lassen, und befahl dem
Kater so viel Gold aus der Schatzkammer in
den Sack zu thun, als er tragen könne: „das
bring deinem Herrn und dank ihm noch viel/
mal für fein Geschenk."
Der arme Müllerösohn aber saß zu Haus
am Fenster, stützte den Kopf auf die Hand und
dachte, daß er nun fein letztes für die Stiefeln
des Katers weggegeben, und was werde ihm
der großes dafür bringen können. Da trat der
Kater herein, warf den Sack vom Rücken,
schnürte ihn auf und schüttete das Gold^vor
den Müller hin: „ da hast du etwas die
Stiefeln, der König laßt dich auch grüßen und
dir viel Dank sagen." Der Müller war froh
über den Reichthum, ohne daß er noch recht be-
greifen konnte, wie es zugegangen war. Der Ka-
ter aber, während er feine Stiefel auszog, er-
zählte ihm alles, dann sagte er: „du hast zwar
jetzt Geld genug, aber dabei soll es nicht blei-
ben, morgen zieh ich meine Stiefel wieder an,
iuD , fcu sollst noch reicher werden, dem König hab
ich auch gesagt, daß du ein Graf bist." Am
andern Tag ging der Kater, wie er gesagt hat-
te, wohl gestiefelt wieder auf die Zagd, und
brachte dem König einen reichen Fang. So
ging es alle Tage, und der Kacer brachte alle
Im’. .
i
Tage Gold heim, und ward so beliebt wie ei-
ner bei dem König, daß er aus- und eingehen
durfte und im Schloß herumstreichen, wo er
wollte. Einmal stand der Kater in der Küche
des Königs beim Heerd und wärmte sich, da
kam der Kutscher und fluchte: „ich wünsch' der .
König mit der Prinzessin war beim Henker!
ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal
trinken und Karte spielen, da soll ich sie spa-
zieren fahren an den See." Wie der Kater
tas hörte, schlich er nach Haus und sagte zu
seinem Herrn: „wenn du willst ein Graf und
reich werden, so komm mit mir hinaus an den
See und bad dich darin." Der Müller wuß-
te nicht, was er dazu sagen sollte, doch folg-
te er dem Kater, ging mit ihm, zog sich splin-
ternackend aus und sprang ins Wasser. Der
Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort
und versteckte sie. Kaum war er damit fertig,
da kam der König dahergefahren; der Kater
fing sogleich an, erbärmlich zu lamentiren:
„ach! allergnädigster König! mein Herr, der
hat sich hier im See gebadet, da ist ein Dieb
gekommen und hat ihm die Kleider gestohlen,
die am Ufer lagen, nun ist der Herr Graf im
Wasser und kann nicht heraus, und wenn er
länger darin bleibt wird er sich verkalten und
sterben." Wie der König das hörte, ließ er
Halt machen und einer von seinen Leuten muß-
' ’ 1
m m
te zurückjagen und von des Königs Kleidern
holen. Der Herr Graf zog die prächtigsten
Kleider an, und weil ihm ohnehin der König
wegen der Rebhüner, die er meinte von ihm
empfangen zu haben, gewogen war, so mußte
er sich zu ihm in die Kutsche setzen. Die Prin-
zessin war auch nicht bös darüber, denn der
Graf war jung und schön, und er gefiel ihr
recht gut.
Der Kater aber war vorausgegangen und
zu einer großen Wiese gekommen, wo über hun-
dert Leute waren und Heu machten. „Wem
ist die Wiese, ihr Leute?" fragte der Kater.—
„Dem großen Zauberer." — „Hört, jetzt wird
der König bald vorbeifahren, wenn der fragt,
wem die Wiese gehört, so antwortet: dem Gra-
fen; und wenn ihr das nicht thut, so werdet
ihr alle todtgeschlagen."— Darauf ging der
Kater weiter und kam an ein Kornfeld, so
groß, daß es niemand übersehen konnte, da
standen mehr als^zwethundert Leute und schnit-
ten das Korn. „Wem ist das Korn ihr Leu-
te?" — „Dem Zauberer." Hört, jetzt wird
der König vorbeifahren, wenn er frägt, wem
das Korn gehört, so antwortet: dem Grafen;
und wenn ihr das nicht thut, so werdet ihr
alle todtgeschlagen." — Endlich kam der Kater
an einen prächtigen Wald, da standen mehr
als dreihundert Leute, fällten die großen Ei-
chen und machten Hotz. — „Wem ist der
Wald, ihr Leute?" — „Dem Zauberer." —
„Hört, jetzt wird der König vorbeifahren, wenn
er frägt, wem der Wald gehört, so antwortet:
dem Grafen; und wenn ihr das nicht thut, so
werdet ihr alle umgebracht." Der Kater ging
noch weiter, die Leute sahen ihm alle nach und
weil er so wunderlich aussah, und wie ein
Mensch im Stiefeln daherging, fürchteten sie
sich vor ihm. Er kam bald an des Zauberers
Schloß, trat kecklich hinein und vor ihn hin.
Der Zauberer sah ihn verächtlich an, und fragte
ihn, was et wolle. Der Kater machte einen
Reverenz und sagte: „ich habe gehört, daß du
in jedes Thier nach deinem Gefallen dich ver-
wandeln könntest; was einen Hund, Fuchs oder
auch Wolf betrifft, da will ich es wohl glau-
ben, aber von einem Elephant, das scheint mir
ganz unmöglich, und deshalb bin ich gekommen
und mich selbst zu überzeugen." Der Zaube-
rer sagte stolz: „das ist mir eine Kleinigkeit,^
und war in dem Augenblick litt einen Elephant^
verwandelt.; „das ist viel, aber auch in einen
Löwen?" — „Das ist auch nichts," sagte der
Zauberer und stand als ein Löwe vor dem Ka-
ter. Der Kater stellte sich erschrocken,cunö rief:
„das ist unglaublich und unerhört, dergleichen
hätt' ich mir nicht im Traume in die Gedam
ken kommen lassen; aber noch mehr, als alles
andere, wär es, wenn du dich auch in ein so
kleines Thier, wie eine Maus^A verwandeln
könntest, du kannst gewiß 'mfyh als irgend ein
Zauberer auf der Welt, aber das wird dir doch
zu hoch seyn. Der Zauberer ward ganz freund-
lich von den süßen Worten und sagte: „o ja,
liebes Kähchen, das kann ich auch " und sprang
als eine Maus im Zimmer herum. Der Ka-
ter war hinter ihm her, fing die Maus mit ei-
nem Sprung und fraß sie auf.
Der König aber war mit dem Grafen und
der Prinzessin weiter spahieren gefahren, und
kam zu der großen Wiese. „Wem gehört das
Heu?" fragte der König - „dem Herrn Gra-
fen" — riefen alle, wie der Kater ihnen be-
fohlen hatte. — „Ihr habt. da ein schön Stück
Land, Herr Graf," sagte er. Darnach kamen
sie an das große Kornfeld. „Wem gehört das
Korn, ihr Leute?" - „Dem Herrn Grafen."
— „Ei! Herr Graf! große, schöne Ländereien!"
— Darauf zu dem Wald: „ wem gehört das
Holz, ihr Leute?" — „Dem Herrn Grafen."
— Der König verwunderte sich noch mehr und
sagte:' „Ihr müßt ein reicher Mann seyn,
..Herr Graf, ich glaube nicht, daß ich einen so
-^Prächtigen Wald' habe. ■' Endlich kamen sie an
das Schloß, der Kater stand oben an der Trep-
pe, und als der Wagen unten hielt, sprang er
herab, machte die Thüre auf und sagte: „Herr
König, Ihr gelangt hier in das Schloß meines
Herrn, des Grafen, den diese Ehre für sein
Lebtag glücklich machen wird." Der König
stieg aus und verwunderte sich über das präch-
tige Gebäude, das fast größer und schöner war,
als sein Schloß; der Graf aber führte die
Prinzessin die Treppe hinauf in den Saal, der
ganz von Gold und Edelsteinen flimmerte.
Da ward die Prinzessin mit dem Grafen
versprochen, und als der König starb, ward
er König, der gestiefelte Kater aber erster Mi-
nister. fr-si/imi.
34-
Hansens Trine.
Hansens Trine war faul und wollte nichts
thun. Sie sprach zu sich selber: „was thu'
ich? eß ich, oder schlaf-ich, oder arbeit ich? —
Ach! ich will erst essen!" — Als sie sich dick-
satt gegessen hatte, sprach sie wieder: „was
thu' ich? arbeit ich, ober schlaf ich? — Ach!
ich will erst ein bischen schlafen." Dann leg-
te sie sich hin und schlief, und wenn sie auf-
wachte, war es Nacht, da konnte sie nicht mehr
zur Arbeit ausgehen.^ Einmal kam der Hans
Nachmittags nach Haus und fand die Trine
wieder in der Kammer liegen und schlafen, da
nahm er sein Messer.und schnitt ihr den Rock
ab, bis an die Knie. Trine wachte auf und
gedacht: nun willst du zur Arbeit gehn. Wie
sie aber hinauskommt und sieht, daß der Rock
so kurz ist, erschrickt sie, wird irr, ob sie auch
wirklich die Trine ist, und spricht zu sich sel-
ber: „bin ichs oder bin ichs nicht?" Sie
weiß aber nicht, was sie drauf antworten soll,
steht eine Zeitlang zweifelhastig, endlich denkt
sie: „du willst nach Haus gehen und fragen,
ob dus bist, die werden« schon wissen." Also
geht sie wieder zurück, klopft ans Fenster und
ruft hinein: „ist Hansens Trine drinnen?";
die andern antworten, wie sie meinen: „ja, die
liegt in der Kammer und schläft." — „Nun
dann bin ichs nicht," sagt die Trine vergnügt,
geht zum Dorf hinaus und kommt nicht wie-
der, und Hans war die Trine los.
ZDFtzfnM/' f%t!. «. tfurfr*-/
' 35-
Der Sperling und seine vier
Kinder.
Ein Sperling hatte vier Zunge in einem
Schwalbennest, wie sie nun flück waren, stoßen
böse Buben das Nest ein; sie kommen aber
alle in Windbraus davon. Nun ist dem Alten
leide, weil seine Söhne in die Welt kommen,
daß er sie nicht zuvor vor allerlei Gefahr ver-
warnet und ihnen gute Lehren fürgesagt habe.
Aufn Herbst kommen in einem Weizen-
acker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der
Alte seine vier Zungen an, die führt er mit
Freuden mit sich heim: „ach, meine lieben
Söhne, was habt ihr mir den Sommer über
Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre
in Winde kämet; höret meine Worte, und fol-
get eurem Vater, und sehet euch wohl vor:
kleine Vöglern haben große Gefährlichkeit aus-
zustehn!" Darauf fraget er den ältern, wo
er sich den Sommer über aufgehalten, und wie
er sich ernährt hätte? „Zch habe mich in den
Gärten gehalten, Räuplein und Würmlein ge-
sucht, bis die Kirschen reif wurden." — „Ach!
mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid
ist nicht bös, aber es ist große Gefahr dabei,
darum habe forthin deiner wohl Acht und son-
derlich wenn Leut m Gärten umher gehn, die
lange grüne Stangen tragen, die inwendig
hohl sind und oben ein Löchlein haben." —
„Za, mein Vater, wenn denn ein grün Blätt-
lein aufs Löchlein mit Wachs geklebt wäre?"
spricht der Sohn. — „ Wo hast du das ge-
sehn?" — „Zn eines Kaufmanns Garten,"
sagt der Zunge. — „O! mein Sohn, spricht
der Vater, Kaufleut, geschwinde Leut, bist du
um die Weltkinder gewesen, so hast du Welt-
geschmeidigkeit genug gelernt, siehe und brauchs
nur recht wohl, und trau dir nicht viele."
i53
Darauf befragt er den andern: , ,wo hast
du dein Wesen gehabt?" — „Zu Hofe,"
spricht der Sohn. — „Sperling und alberne
Vöglein dienen nicht an diesem Ort, da viel
Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harnisch,
Sperber, Kautzen und Blaufüß sind, halt dich
zum Roßstall, da man den Haber schwingt,
oder wo man krischet, so kann dirs Glück mit
gutem Fried auch dein täglich Körnlein be-
scheeren." — „Za Vater, sagt^biescr Sohn,
wenn aber die Stalljungen Hebeztzen machen
und ihr Maschen und Schlingen ins Stroh
binden, da bieibt auch mancher behcnken." —
„Wo hast du das gesehn?" sagte der Alte. —
„3" Hof, beim Roßbuben." — „O! mein
Sohn, Hofbuben, böse Buben, bist du zu Hof
und um die Herren gewesen, und hast keine Fe-
dern da gelassen, so hast du ziemlich gelernet,
du wirst dich in der Welt wohl wissen auszu-
reißen, doch siehe dich um und auf; die Wölfe
fressen auch oft die gescheidten Hündlein."
Der Vater nimmt den dritten auch vvr
sich: „wo hast du dein Heil versucht?" —
„Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich
Kübel und Seil eingeworfen und da bisweilen
ein Körnlein oder Gräuplein angetroffen." —
„Dies ist ja, sagt der Vater, eine feine Nah-
rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz,
und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer
— 159 ~
bücket, und einen Stein aufheben will, da ist
dir nicht lang zu bleiben." — „Wahr isis,
sagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen
Wand oder Handstein im Busen oder Tasche
trüge?" - „Wo hast du dies gesehn?" —
Bei',, Bergleuten, lieber Vater, wenn sie aus-
fahren führen sie gemeinlich Handstein bei sich."
— „Bergleur, Werkleut, anschlägige Leut, bist
du um Bergburschen gewesen, so hast du was
gesehen und erfahren."
„Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl
gut Ache,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold
umbracht."
Endlich kommt der Vater an jüngsten
Sohn: „Du mein liebes Gackennestle, du
wärest allzeit der alberst und schwächest, bleib
du bei mir, die Welt hat viel grober und bö-
ser Vögel, die krumme Schnäbel und lange
Krallen haben, und nur auf arme Vöglein
lauern, und sie verschlucken, halt dich zu dei-
nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raup-
lein von den Bäumen, oder Häuslein, so bleibst
du lang zufrieden." — „Du, mein lieber Va-
ter, wer sich nährt ohn' ander Leut Schaden,
der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha-
bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden,
wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung
dem liebe» Gott all Abend und Morgen treu-
ljch befiehlt, welcher aller Wald- und Dorf-
vöglein Schöpfer und Erhalter ist, der auch
der jungen Räblein Geschrei und Gebet höret,
denn ohne seinen Willen fällt auch kein Sper-
ling oder Schneekünglein auf die Erde." —
„Wo hast du dies gelernt?" — Antwortet der
Sohn: „Wie mich der große Windbraus von
dir wegriß, kam ich in ein Kirch, da las ich
den Sommer die Fliegen und Spinnen von
den Fenstern ab, und höret diese Spruch pre-
digen, da hat mich der Vater aller Sperlinge
den Sommer über ernährt, und behütet vor
allem Unglück und grimmigen Vögeln." —
„Traun! mein lieber Sohn, fleuchst du in die
Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsen-
den Fliegen aufräumen, und zirpst zu Gott,
wie die jungen Räblein, und befiehlst dich dem
ewigen Schöpfer, so wirst du wohl bleiben,
und wenn die ganze Welt voll wilder tückischer
Vögel wäre."
„Denn wer dem Herrn befiehlt seine Sach,
Schweigt, leider, wartet, bete«, braucht Glimpf,
thut gemach,
Bewahret Glaub und gut Gewissen rein,
Deß will Gott Schutz und Helfer seyn."
Von dem Tischgen deck dich, dem
Goldesel und dem Knüppel in
dem Sack.
I
fc Es war einmal ein Schuster, der hatte
drei Söhne und eine Ziege; die Söhne mußten
ihm beim Handwerk helfen, und die Ziege muß-
te fie mit ihrer Milch ernähren. Damit fle
nun alle Tage gut saftig Futter bekäm, sollten
die Söhne sie der Reihe nach auf die Weide füh-
ren. Der älteste führte sie auf den Kirchhof,
ließ sie da herumspringen und fressen; am Abend,
als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du
satt?" die Ziege antwortete:
„Ich bin so satt,
ich mag kein Bla« meh! meh!"
„Nun so komm nach Haus" sagte er, zog
fle in den Stall und band sie fest. Der alte
Schuster fragte seinen Sohn, ob die Ziege auch
genug zu fressen gekriegt hätte; der Sohn ant-
wortete: sie ist so satt, sie mag kein Blatt."
Er wollte aber selbstischen, ob - das wahr sey,
ging in den Stall und fragte: „Ziege, bist du
satt?" die Ziege antwortete:
Kindermärchen. §
„Nun so komm nach Haus" damit zog er
sie in den Stall und versicherte den Vater, daß
sie sich satt gefressen. Der Alte aber ging mt(
der hin: „Ziege, bist du satt?"
„Wie sollt ich satt sey»?
ich sprang nur über Gröbelein
und fand kein einzig Blattelein meh! meh!"
Da jagte er auch seinen dritten Sohn mit
Schlägen zum Haus hinaus.
Der Schuster wollte nun selber seine Ziege
auf die Weide treiben, band sie an ein. Seil
und führte sie mitten unter die besten Kräuter;
die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag.
Abend« fragte er: Ziege, bist du satt?"
„Ich bin so satt,
ich mag kein Blatt meh! meh!"
„Nun so komm nach Haue" sagte er und
zog sie in den Stall, als er sie festgeknüpft
hatte, fragte er noch einmal: „Ziege, du bist
doch satt?" Die Ziege aber antwortete ihm,
nun auch:
„Wie sollt ich satt seyn?
ich sprang nur über Grübelei«,
und fand kein eiuzig Blüttelein, meh! meh!"
Wie der Schuster das hörte, da sah er
das er seine drei Söhne unschuldig fortgejagt
hatte, und ward über die boshafte Ziege so zor-
nig, daß er sein Rasirmesser holte, ihr den gan-
zen Kopf kahl scheerte und sie forrpeitschte.
L -
Der älteste Sohn war indeß zu einem
Schreiner in die Lehr gegangen, und als seine
Zahre herum waren, und er auf die Wander-
schaft wollte, gab ihm dieser ein Tischgen deck
dich. Er brauchte nur zu sagen: Tischgen Heck
dich! so war das Tischgen mit weißem Tuch ge-
deckt, ein silberner Teller stand da, silberne Mes-
ser und Gabel lagen dabei, vorn ein Cristall-
glas mit rothem Wein gefüllt, und rund herum
die schönsten Schüsseln voll Essen. Damit zog
er vergnügt in die Welt, und wo er war, im
Feld, im Wald oder in einer Wirthöstube, wenn
er sein Tischgen hinsetzte und: „Tischgen deck
dich sagte, so hatte er die prächtigste Mahlzeit.
Einmal kam er in ein Wirthshaus, wo die Gäste
schon alle versammelt waren, sie fragten ihn,
ob er mitessen wollte, er antwortete: nein „aber
ihr sollt mit mir essen." Damit stellte er sein
Tischgen in die Stube, sprach: „Tischgen, deck
dich!" da stand es voll von dem kostbarsten
Essen und wenn eine Schüssel abgehoben war,
kam alsbald eine neue an ihre Stelle, und alle
Gäste wurden herrlich traetirt. Der Wirth ge-
dachte, wenn du ein solches Tischgen hättest,
wärst du ein reicher Mann, und Nachts als
der fremde Schreiner eingeschlafen war, und sein
Tischgen in eine Ecke gestellt hatte, holte er ein
anderes, das ebenso aussah, und stellte es für
das ächte hin. Am Morgen früh stand der
gute Geselle auf, nahm sein Tischgen deck dich
auf den Rücken, und merkte nicht, daß es ihm
vertauscht war. Er ging heim und sagte zu seinem
Vater:^sorgt nicht weiter und bekümmert euch
nicht ich habe ein Tischgen deck dich, da 'können
wir alle Tage im Ueberstuß leben." Der Vater
freute sich, und ließ die Verwandten einladen
und wie alle beisammen waren, sehte der Sohn
sein Tischgen mitten in die Stube und sprach:
„Tischgen deck dich!" Aber das Tischgen blieb
leer nach wie vor, da sah der Sohn, daß es
ihm vertauscht war, schämte sich; die Verwand-
ten gingen ungetrunken und ungegessen fort
und Vater und Sohn mußten wieder zum
Handwerk greifen.
Der zweite Sohn war zu einem Müller
gegangen, als er ausgelernt hatte, gab ihm die-
ser den Esel Bricklebrit zum Geschenk, so oft
man zu ihm sagte: „Bricklebrit!" so fing er
an Dueaten auszuspeien hinten und vorn. Mit
diesem Esel kam er in dasselbige Wirthshaus,
wo seinem Bruder das Tischgen deck dich ge-
stolen war. Er ließ sich fürstlich tractiren, und
wie die Rechnung kam, ging er in den Stall zu
seinem Esel und sagte: „Briklebrit!" da hat-
te er mehr Dueaten, als er brauchen konnte.
Der Wirth aber hatte das mit angesehen, stand
auf in der Nacht, band das Goldeselein los,
und stellte seinen Esel dafür hin. Mit diesem
i66
zog am Morgen der Mülleröpursch fort, und
wußte nicht, daß er betrogen war. Ale er heim
kam zu seinem Vater, sagte er auch: „lebt lu-
stig, ich hab das Eselein Bricklebrit und so viel
Gold, als ihr wünscht. Da ließ der Vater
wieder alle Verwandten einladen, ein großes
weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge-
breitet, der Esel aus dem Stall geholt, und auf
das Tuch gestellt. Der Müller sprach: „Brick-
lebrit!" aber umsonst, eö kam kein Ducaten
zum Vorschein. Da sah er, daß er betrogen
war, schämte sich und trieb sein Handwerk sich
zu ernähren.
Der dritte Sohn war zu einem Drechsler
gegangen, der schenkte ihm auf die Wander-
schaft einen Sack mit einem Knüppel. So oft
er sprach: „Knüppel, aus dem Sack!" so
sprang der Knüppel heraus und tanzte unter
den Leuten herum, und schlug sie erbärmlich.
Der Drechsler aber hatte gehört, daß seine
Brüder in einem Wirthshause ihre erworbene
Schätze verloren hätten- also zog er in dassel-
bige, sagte, daß seine Brüder ein Tischgen deck
dich, und den Esel Bricklebrit bekommen, was
er aber da in dem Sack mit sich führe, das sey
noch köstlicher und noch viel mehr werth. Der
Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge
wären drei, und wollt sich in der Nacht den
Schatz auch noch holen. Der Drechsler aber
- *_ 167 —
hatte seinen Sack unter sein Kopfkissen gelegt,
wie nun der Wirth kam und daran zog, sprach
er: Knüppel aus dem Sack, da fuhr der Knüp-
pel aus dem Sack über den Wirth her, tanzte
mit ihm und prügelte ihn so erbärmlich, daß
er gern versprach das Tischgen deck dich und
den Esel Bricklebrit wieder herauszugeben. Da-
mit zog nun der jüngste Sohn heim, brachte
alles seinem Vater, und lebte mit ihm und sei-
nen Brüdern in Glück und Freude.
Die Ziege aber war in eine Fuchshöhle ge-
, laufen. Wie nun der Fuchs heim kam, und in
seine Höhle guckte, funkelten ihm ein paar große
Augen entgegen. Vor Schrecken lief er fort,
da begegnete ihm der Bär und sagte: „Bru-
der Fuchs, was machst du für ein Gesicht?" —
„Ein grimmig Thier sitzt in meiner Höhle mit
entsetzlichen feurigen Augen." — „Das will
ich dir heraustreiben, sagte der Bär, und ging
zur Höhle, wie er aber hinkam, und die Augen
-schimmern- sah, kriegte er auch Furcht, und lief
wieder zurück. Da kam eine Biene geflogen
und fragte:" was siehst du so verdrießlich aus
Bär? — „Es sitzt ein grimmig Thier dem
Fuchs in seiner Höhle, das können wir nicht
verjagen." Die Biene sagt: „ich bin ein gerin-
ges Thier, und ihr achtet mich nicht, vielleicht
kann ich euch aber helfen." Fliegt darauf in
die Fuchshöhle und sticht die Ziege auf den plat-
i68
ten rasirten Kopf, da springt sie auf, schreit
meh! meh! lauft fort, und niemand weiß bis
auf den Tag, wo sie hingelaufen ist.
Ein Schneider hatte drei Söhne, die wollt'
er nach einander in die Welt schicken, da soll-
ten sie was rechtschaffenes lernen, und damit sie
nicht leer ausgingen,, bekam jeder einen Pfann-
kuchen^ und einen Heller mit auf den Weg.
Der ältste zog aus und kam zu einem kleinen
Mann, der wohnte in einer Nußschale, war .
aber gewaltig reich. Er sprach zu dem Schnei-
der: „wenn du meine Heerde an dem Berg
weiden und hüten willst, sollst du ein gut Ge-
schenk von mir haben; doch mußt du dich in
Acht nehmen, vor einem Haus am Fuße des
Bergs, da gehts lustig zu, man hört immer Mu-
sik und Tanzgeschrei, trittst du einmal hinein,
so ists mit uns vorbei/ »Der Schneider wil-
ligte ein, trieb die Heerde auf den Berg, hütete
sie fleißig, blieb auch immer weit von dem Haus.
Einmal aber, auf einen Sonntag,hört' er, wie
gar lustig es darin war, dacht, einmal ist kein-
mal, ging hinein, tanzte, und,)v.ar. vergnügt.
Als er aber wieder heraus kam, ivar' es Nacht
und die ganze Heerde fort, da ging er mit
schwerem Herzen zu seinem Herrn und gestand
ihm was er gxthan. Der Herr in der Nuß-
schale war gewaltig bös, doch weil er so lang
seinen Dienst ordentlich versehen und weil er
auch seinen Fehler offenherzig gestanden, schenk-
te er ihm ein Tischge» deck dich. Der Schnei-
der war damit von Herzen zufrieden und mach-
te sich auf den Heimweg zu seinem Vater. Un-
terwegs kam er in ein Wirthshaus, da ließ er
sich von dem Wirth eine besondere Stube ge-
ben, sagte, er brauche kein Essen und schloß sich
ein. Der Wirth dachte, was mag der wunder-
liche Gast vorhaben, schlich sich hinauf, und
guckte durch das Schlüsselloch, da sah er wie
der Fremde einen kleinen Tisch, vor sich sehte,
„Tischgen deck dich!" sprach und alsbald das
beste Essen und Trinken vor sich stehen hatte.
Der Wirth meinte, das Tischen wär noch bes-
ser für ihn selber, und in der Nacht, als der
Fremde fest schlief, holt' er es heraus, und stellte
ein anderes dahin, das ebenso aussah. Am
Morgen zog der Schneider fort und merkte
nichts von dem Betrug. Als er heim kam er-
zählte er seinem Vater sein Glück, der war
froh, und wollte gleich das Wunder probiren,
allein alles Sprechen, „Tischgen deck dich" war
umsonst, es blieb leer, und der junge Schneider
sah nun, daß er bestolen war.
Da bekam der zweite Sohn seinen Pfann-
kuchen und Heller, sollt in die Welt gehn und
es besser machen. Er kam auch zu dem Herrn
ln der Nußschale, diente ihm lange Zeit treu-
lich, zuleht aber ließ er sich auch verleiten, ging
in das Haus, machte sich lustig, tanzte und
verlor die Heerde. Da mußte er seinen Ab-
schied nehmen, der Herr aber schenkte ihm ei-
nen Esel, wenn er zu dem sprach: „rüttel und
schüttet dich, wirf Gold hinter dich und vor
dich" da regnete es Gold von allen Seiten.
Der Schneider ging vergnügt nach Haus, im
Wirthshaus aber vertauschte ihm der Wirth
den Esel mit einem gemeinen und wie er nach
Haus kam und seinen Vater reicher macken
wollte, wars vorbei und er um sein Glück
gebracht.
Endlich ward der dritte Sohn mit der Aus-
stattung in die Welt geschickt und der verspräche
besser zu machen. Er diente dem Herrn in der
Nußschale getreulich, und damit er nicht in das
gefährliche Haus gerathe, verstopfte er sich die
Ohren mit Baumwolle und als das Zahr her-
um war, überlieferte er ihm die ganze Heerde,
und kein Stück fehlte. Da sagte der Herr:
„ich muß dich besonders belohnen, da hast du
einen Ranzen darin steckt ein Knüppel, und so-
bald du sprichst: Knüppel aus dem Ranzen, so
springt er heraus und weht die Leute durch und
durch." Der Schneider machte sich damit auf
den Heimweg und kehrte bei dem Wirth ein,
der seinen beiden Brüdern ihre Geschenke abge-
nommen. Er warf seinen Ranzen auf den Tisch
und erzählte von seinen Brüdern.- „der eine
hat ein Tischgen deck dich, der andere einen
Goldesel mitgebracht, das ist alles recht gut,
aber nichts gegen das, was ich da im Ranzen
habe, das kann die ganze Welt nicht bezahlen.
Der Wirth ward neugierig und hoffte den
Schah auch noch zu kriegen. Als es Nacht
ward, legte sich der Schneider auf die Streu
und seinen Ranzen legte er unter den Kopf.
Der Wirth blieb auf und wartete, bis er dacht
der Schneider schlafe fest, da ging er herzu,
holte einen andern Ranzen, und wollte dem
Schneider seinen unter dem Kopf wegziehen.
Der war aber wach geblieben, und als er die
Hand des Wirths merkte, rief er: „Knüppel
aus dem Ranzen!" Da sprang der Knüppel
heraus, auf den Wirth und prügelte ihn so
wichtig, daß er auf die Knie fiel und sehr um
Gnade schrie. Der Schneider ließ aber den
Knüppel nicht eher ruhen, bis der Dieb das
Tischgen deck dich und den Goldesel heraus
gab. Dann zog er mit den drei Wunderstük-
ken heim und sie lebten von nun an in Reich-
thum und Glückseeligkeit, und der Vater sag-
te." meinen Pfannkuchen und meinen Heller
hab ich nicht umsonst ausgegeben!"
>72
37-
Von der Serviette, dem Tornister,
dem Kanonenhütlein und dem Horn.
Es waren drei Brüder aus dem Schwar-
zenfelsischen, von Haus sehr arm, die reisten
nach Spanien, da kamen sie an einen Berg, der
ganz von Silber umgeben war. Der älteste
Bruder machte sich bezahlt, nahm so viel als
er nur tragen konnte, nnd ging mit seiner Beu-
te nach Haus. Die andern zwei reisten weiter
fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als
Gold zu sehen war. Nun sprach der eine zu
dem andern: „wie sollen wir es machen?" und
der zweite nahm sich auch soviel Gold als er
nur tragen konnte und ging nach Haus; der
dritte aber wollte sein Glück noch besser versu-
chen und ging weiter fort. Nach drei Tagen
kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er
sich müd gegangen, Hunger und Durst plagten
ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus.
Da stieg er auf einen hohen Baum und wollte
sehen, ob er Waldes Ende finden wögte, er sah
aber nichts als Baumspihen; da wünschte er
nur noch einmal seinen Leib zu sättigen und
begab sich, von dem Baum herunter zu steigen.
Als er herunter kam, erblickte er unter dem
Baum einen Tisch mit vielerlei Speise beseht,
da ward er vergnügt, nahte sich dem Tisch und
aß sich satt. Und als er fertig gegessen hatte,
nahm er die Serviette mit sich und ging wei-
ter, und wenn ihn wieder Hunger und Durst
ankam, so deckte er die Serviette auf und was
er wünschte, das stund darauf. Nach einer
Tagreise kam er zu einem Köhler, der brannte
Kohlen und kochte Kartoffeln. Der Köhler bat
ihn zu Gast, er sagte aber: „ich will nicht bei
dir essen, aber ich will dich zu Gast bitten,"
der Köhler fragte: „wie ist das möglich, ich
sehe ja nicht, daß du etwas bei dir hast." —
„Das thut nichts, seh' dich nur her" damit
deckte er seine Serviette auf, da stand alles,
was zu wünschen war. Der Köhler ließ sichs
gut schmecken und hatte großen Gefallen an
der Serviette und als sie abgegessen hatten sag-
te ertausch mit mir, ich geb dir für die Ser-
vierte einen alten Soldatentornister wenn du
mit der Hand darauf klopfst, kommt jedesmal
ein Gefreiter und sechs Mann Soldaten mit
Ober - und Untergewehr heraus, die können mir
im Wald nichts helfen, aber die Serviette wär
mir lieb." Der Tausch ging vor sich, der Köh-
ler behielt die Serviette, der Schwarzenfelser
nahm den Tornister mit. Kaum war er aber
ein Stück Wegs gegangen, so schlug er darauf,
da kamen die Kriegshelden heraus: „was ver-
langt mein Herr?" — „Ihr warschirt hin
i?4
und holet bei dem Köhler meine Serviette, die
ick dort gelassen." Also gingen sie zurück und
brachten ihm die Serviette wieder. Abends
kam er zu einem andern Kohlenbrenner, der lud
ihn wiederum zum Abendessen ein und hatte
deßgleichen Kartoffeln ohne Fett. Der Schwar-
zenfelser aber deckte seine Serviette auf und
bat ihn zu Gast, da war alles nach Wunsch.
Als die Mahlzeit vorbei war, hielt auch dieser
Köhler um den Tausch an, er gab für die Ser-
viette einen Hut, drehte man den auf dem
Kopf herum, so gingen die Canonen, als stünd
eine Bakterie auf dem Flecken. Als der Schwar-
zenfelser ein Stück Wegs fort war, klopfte er
wieder auf seinen alten Ranzen, und der Ge-
freite mit sechs Mann mußte ihm die Serviet-
te wieder holen. Nun ging es weiter fort in
dem nämlichen Wald und er kam Abends zu dem
dritten Köhler, der lud ihn, wie die andern
auf ungeschmelzte Kartoffeln, erhielt aber von
ihm ein Tractamenl und vertauschte ihm die
Serviette für ein Hörnchen, wenn man darauf
blies, fielen alle Städte und Dorfschaften, wie
auch alle Festungswerke übern Haufen. Der
Köhler behielt aber die Serviette nicht länger
als die andern, denn der Gefreite mit sechs
Mann kam bald und holte sie ab. Wie nun
der Schwarzenfelser alles beisammen hatte, kehr-
te er um nach Haus, und wollt seine beide»
Brüder besuchen. Diese waren reich von ih-
rem vielen Gold und Silber und wie er nun
kam, einen alten zerrissenen Rock anhabend, da
wollten sie ihn nicht für ihren Bruder erken-
nen. Al>obald schlug er auf seinen Tornister
und ließ 150 Mann ausmarschiren, die mußten
seinen Brüdern die Hucke (den Buckel) recht
vollichlagen. Das ganze Dorf kam zu Hülfe,
aber sie richteten wenig aus bei der Sache; da
ward es dem König gemeldet, der schickte ein
militärijch Commando ab, diese Soldaten ge-
fangen zu nehmen; aber der Schwarzenfelser
schlug in einem hin auf seinen Ranzen und
ließ Infanterie und Cavallerie ausmarschiren,
die schlugen das militärische-Commando wieder
znrück an seinen Ort. Am andern Tag ließ
der König noch viel mehr Volk ausmarschiren
um den allen Kerl in Ruh zu sehen. Der
aber schlug auf seinen Ranzen so lang bis eine
ganze Armee herausgekommen hazu drehte er
feinen Hut ein paar mah^dä^HlWen^eLano-
nen und der Feind ward geschlagen und in die
Flucht gejagt. Da ward Friede geschlossen und
er zum Vicekönig gemacht, wie auch die Prin-
zessin ihm zur Gemahlin gegeben.
Der Prinzessin aber lag ee beständig im
Sinn, daß sie so einen alten Kerl zum Gemahl
nehmen müssen Und wünschte nichts mehr, als
daß sie ihn wieder los werden könnte. Sie
— 176 —
forschte täglich in welchen Vortheilen seine
Macht bestehe, er war auch so treu und ent-
deckte ihr alles. Da schwazte sie ihm seinen
Ranzen ab und verstieß ihn, und als darauf
Soldaten gegen ihn marschirten, war sein Volk
verloren, aber noch hatte er sein Hütgen, da
griff er daran und ließ die Kanonen gehen, so
schlug er den Feind und ward wieder Friede
gemacht. Darnach aber ließ er sich wieder be-
trügen und die Prinzessin schwäzte ihm sein
Hütchen ab. Und als nun der Feind auf ihn
eindrang, hatte er nichts als sein Hörnchen,
da blies er darauf, alsbald fielen Dörfer, Städ-
te und alle Festungswerke übern Haufen. Da
war er König allein und blieb, bis er gestor-
ben ist. t/fäJv ■ ff- *%•!(>.
88-
Von der Frau Füchsin.
I.
Es war einmal ein alter Fuchs mit neun
Schwänzen, der wollte sehen, ob ihm seine
Frau treu wäre, streckte sich unter di: Bank
und stellte sich mausetodt. Da ging die Frau
Füchsin hinauf in ihre Kammer, schloß sich ein
und ihre Magd die Katze saß auf dem Heerd
und kochte. Als es nun bekannt wurde, daß
der alte Fuchs gestorben war, klopfte es an die
Hausthür:
„was
„was macht sie Jungfer Katze?
schläft se oder wacht se?"
Da ging die Katze und machte auf: ein junger
Fuchs stand haußen:
ich schlafe nicht, ich wache,
ich koche warm Bier und Butterlein,
will der Herr mein Gast seyn?
„Nein ich bedanke mich, was macht die Frau
Füchsin?"
sie sitzt auf ihrer Kammer,
beklagt ihren Jammer,
weint ihre Aeuglein seidenroth
weil der alte Herr Fuchs ist ,odt.
„Sag sie, es wär ein junger Fuchs da, der
wollte sie gern freien!"
Da ging die Katz die Tripp die Trapp,
da schlug die Thür, die Klipp die Klapp:
Frau Füchsin sind sie da? —
„ach ja mein Kätzchen jal" ->
es ist ein Freier draus.
Da sprach die Frau Füchsin:
„mein Kind, wie sieht er aus?
hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwän-
ze, wie der selige Herr Fuchs?" — ach nein,
er hat nur einen Schwanz. — „Da will ich
ihn nicht haben."
Die Katz geht hinunter und schickt den
Freier fort; bald darauf klopft es wieder an,
Kindermärchen. M
und es ist ein anderer Fuchs, der hat zwei
Schwänze, und es geht nun eben so, wie mit
dem ersten. Darauf kommen andere, immer
mit einem Schwanz mehr, bis zuletzt ejn Freier
mit neun Schwänzen da ist. Nunmehr^sprichk
die Füchsin zur Katze:
„nun macht mir Thor und Thür auf
und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus!"
wie sie aber eben Hochzeit halten wollen, kommt
der alte Fuchs wieder, prügelt das ganze Ge-
sindel zum Haus hinaus und jagt die Frau
Füchsin fort.
H.
Der alte Fuchs ist gestorben, ein Freier
ein Wolf kommt vor die Thür und klopft an:
guten Tag, Frau Katz von Kehrewiß,
wie kommtg, daß sie alleine sitzt?
was macht sie gutes da?
Katz. „Brock mir Weck und Milch ein,
will der Herr mein Gast seyn?"
Wolf- danke schön; Frau Füchsin nicht zu Haus?
Katze: „sie sitzt droben in der Kammer
beweinet ihren Jammer,
beweinet ihre große Noth,
daß der alte Herr Fuchs ist todt."
Wolf. Will sie einen andern Mann han,
so soll sie heruntergan. —
Die Katz die lief die Trepp hinan,
und ließ ihr Zeilchen rummergan,
bis sie kam vor den langen Saal,
klopft an mit ihren fünf goldenen Ringen:
„Frau Füchsin ist sie drinnen?
will sie einen andern Mann Han,
so soll sie nur heruntergan."
Fr. Füchsin: hat der Herr rothe Höslein an
und ein spitz Mäulchen?
Katze. „nein"
Fr. Füchsin: so kann er mir nicht dienen.
Nun wird der Wolf abgewiesen, darauf
kommt ein Hund, dem geht es eben so, ein
Hirsch, ein Hase, ein Bär, ein Löwe und alle
Waldthiere. Aber denen fehlt immer etwas,
was der alte Fuchs hatte, und die Katze muß
sie alle wegschicken. Endlich kommt ein junger
Fuchs:
Fr. Füchsin: hat der Herr rothe Höslein an
und ein spitz Mäulchen?
Katze. „ja."
Fr. Füchsin: so soll er heraufkommen.
Katz kehr die Stube aus .
und schmeiß den alten Fuchs zum Fenster «au»!
bracht so manche dicke feite Mau» ins Haus,
fraß sie immer alleine,
gab mir aber keine.
Nun wird Hochzeit gehalten und getanzt,
und wenn sie nicht aufgehört haben zu tanzen,
so tanzen sie noch.
^ /vH l '
rs/&,.faq£'
2
39*
Don den Wichtelmannern.
I. Von dem Schuster, dem sie die Arbeit
gemacht., r,l/Y
Ein Schuftex^war' so arm geworden, daß
er nichts mehr^hÄte, als das Leder für ein
einziges paar Schuhe. ^Zi^Mnitt er am
Zlbend zu,(legte sich ins Bett und wollte sie
bie 3(rfaeit "bhmen.
aber^aufgestanden^ ist, und sich zur Ar-
beit sehen mü
jhulJm* schon fertig mrd-schön gemacht auf reinem Tisch,
f^U lud Es kam auch bald ein Käufer, der bezahlte sie
gut, daß sich der Schuster Leder zu zwei
tu( paar Schuhen kaufen konnte, die schnitt er
£7*/ IshdA*-*' wieder Ztbends zurecht, und wie er sie am an-
dern Morgen arbeiten wollte, waren sie eben
so wohl schon fertig, und für das Geld, das
er daraus löste, konnte er Leder zu vier paar
Schuhen kaufen, die aber standen am dritten
Morgen gemacht da. Und so gingö weiter, so
viel der Schuster am Abend zugeschnitten hat-
te, so viel war am Morgen fertig, und er war
bald wieder ein wohlhabender Mann.
Wie er sich eines Abends kurz vor Weih-
nachten zu Bett legen wollt, und wieder vieles
zurecht geschnitten hatte, sprach er zu seiner
Min**" ...'
Frau: „wir wollen doch einmal aufbleiben und
sehen, wer in der Nacht unsere Arbeit thut."
. Also steckten sie ein Licht an, verbargen sich in
den Stuöenecken hinter die Kleider, die da auf-
gehängt waren und gaben Acht. Um Mitter-
nacht kamen zwei kleine niedliche, nackte Mann-
lein, die setzten sich an den Arbeitstisch, nah-
men alle zugeschnittene Arbeit vor sich, und ar-
beiteten so unglaublich geschwind und behend,
daß der Schuster vor Verwunderung die Au-
gen nicht von ihnen abwenden konnte. Sie
hörten auch nicht auf, bis sie alles fertig ge-
macht hatten, dann sprangen sie fort und es
war noch lange nicht Tag.
Die Frau aber sprach zu ihrem Mann:
„die kleinen Männer haben uns reich gemacht,
wir müssen uns dankbar beweisen, sie dauern
mich, daß sie so ohne Kleider herumgehen und
frieren; ich will Hemder, Rock, Camisol und
Hosen für sie nähen, auch jedem ein paar
Strümpfe stricken, mach du jedem ein paar
kleine Schuhe." Der Mann war das zufrie-
den, und wie alles fertig war, legten sie es am
Abend zure.Ä^sie^voAen^E.ch le^etT/ ^^die
Männlein ^duizu-^ach^n und versteckten sich
wieder. Die Kleinen kamen, wie gewöhnlich,
um Mitternacht; wie sie die Kleider liegen
sahen, schienen sie recht fröhlich, .mit der größ-
ten Geschwindigkeit zogen sie sich an, und als
sie fertig waren, Huben sie an zu Hüpfen, zu
springen, zu tanzen, und so tanzten sie zur Thür
hinaus, und sind nicht wieder gekommen.
II. Von einem Dienstmädchen, das Ge-
varter bei ihnen gestanden.
Ein armes Dienstmädchen war fleißig und
reinlich, und kehrte alle Tage der^ Schmutz vor
die Thüre auf einen großen Haufen. Eines
Morgens fand es einen Brief darauf liegen,
und weil es nicht lesen konnte, bracht es ihn
seiner Herrschaft, da war es eine Einladung
von den Wichtelmannwn an das Mädchen, es
möchte ihnen ein Kind aus der Taufe heben.
Das Mädchen besann ,sich, endlich auf vieles
Zureden, daß man'd^. nicht abschlagen dürfe,
sagte es ja. Da kamen drei Wichtelmänner
und führten es in einen hohlen Berg. Dai^
war alles klein, aber so zierlich und prächtig,
daß es nicht zu sagen ist; die Kindbetterin lag
in einem Bett von schwarzem Ebenholz mit
Knöpfen von Perlen, die Decken waren ganz
golden, die Wiege von Elfenbein und die Wan-
ne von Gold. Das Mädchen stand nun Ge-
vatter und wollt darnach wieder fort, die Wich-
telmännlein baten es aber, drei Tage bei ihnen
zu bleiben. Die verlebt' es in Freuden, und
wie sie herum sind und es heim wollte, da
steckten sie ihm die Taschen ganz voll Gold und
i83
führten es wieder aus dem Berg. Und als es
nach Haus kam, war es statt drei Tage ein
ganzes Jahr darin gewesen.
III. Von einer Frau, der sie das Kind
vertauscht haben.
Einer Mutter war ihr Kind von den Wich-
telmännern aus der Wiege geholt, und eiu
Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Au-
gen hineingelegt, der nichts als trinken und
essen wollte. In ihrer Noth ging sie zu ihrer
Nachbarin und fragte sie um Rath. Die sag-
te, sie solle den Wechselbalg in die Küche tra,
gen, auf den Heerd sehen, Feuer anmachen
und in zwei Eierschalen Wasser kochen, das
bringe den Wechselbalg zum Lachen, und wenn
er lache, dann sey es aus mit ihm. Die
Frau thut alles; wie sie die Eierschalen mit
Wasser übers Feuer setzt, spricht der Klohkopf:
„nun bin ich so alt,
wie der Westerwald
und hab nicht gesehen, daß jemand in Scha-
len kocht!"
^V"*
&&/ 'nvvd Jl/$ ^
und muß darüber lachen, und wie er lacht 6^/.
kommt auf einmal eine Menge von Wichtel- ^
mannerchen, die bringen das rechte Kind, sehen
es auf den Heerd, und nehmen ihren Gesellen
mit fort.
. Der RauberbrauLigam.
yt+CWfUr*/ f
Eine Prinzessin war mit einem Prinzen
versprochen, der bat sie mehrmals, sie möchte
ihn doch einmal in seinem Schloß besuchen,
allein weil der Weg durch einen großen Wald
führte, so lehnte ^sie es immer ab, aus Furcht
sich darin zu verirren. Wenn das ihre Sorge
wäre, sagte der Prinz, so wollte er schon hel-
fen, und an jeden Baum ein Band binden,
daß sie den Weg gar nicht fehlen könnte; eine
Zeitlang suchte sie es dennoch aufzuschieben,
als ob es ihr heimlich gegraut hätte, endlich
aber gingen ihr alle Ausreden aus, und sie
mußte sich eines Tags auf die Reise machen.
Von Morgen bis zu Abend ging sie durch ei-
nen langen, langen Wald, und kam endlich
vor ein großes Haus, alles war still darin,
bloß eine alte Frau saß vor der Thüre. „Kann
sie mir nicht sagen , ob hier der Prinz mein
Bräutigam wohnt?" — Gut, mein Kind, ant-
wortete die Frau, daß ihr jetzt kommt, da der
Prinz nicht zu Haus ist; ich habe Wasser müs-
sen tragen in einen großen Kessel, da wollen
sie euch umbringen, kochen und hernach essen.
Indem kam der Prinz mit seinen Spitz-
buben vom Raub heim, weil aber die Alte mit
\
— i Q5 —
der Jugend und Schönheit der Braut Mitleid
hatte, sagte sie, eh jemand darauf merkte: ge-
schwind hinunter in den Keller, hinter das gro-
ße Faß, da versteckt euch! Kaum war die Prin-
zessin dahinter gewischt, so kommen auch die
Raubgesellen in den Keller gegangen und führ-
ten eine alte Frau mit sich gefangen, die Prin-
zessin sah wohl, daß es ihre Großmutter war,
denn aus ihrer Ecke heraus konnte sie alles
mit anschauen, was da vorging, ohne daß sie
von einem Auge bemerkt wurde. Die Spitz-
buben nahmen die alte Großmutter, ermorde-
ten sie und zogen ihr alle Ringe von den Fin-
gern, einen nach dem andern ab, nur aber der
Ring vom Goldfinger, der wollte nicht herun-
ter, da griff einer ein Beil und hieb den Fin-
ger ab, der Finger aber sprang hinters Faß
und fiel gerade in den Schooß der Prinzessin.
Nachdem die Spitzbuben lange vergebens um
den Finger herum gesucht haben, fing endlich
einer an: habt ihr wohl schon hinterm großen
Faß gesucht? — Laßt lieber das Suchen bei
Lichte seyn, sagte ein anderer, morgen früh wol-
len wir suchen, da werden wir den Ring bald
haben."
Hierauf legten sich die Spitzbuben in dem-
selben Keller zum Schlaf nieder, und wie sie
schliefen nnd schnarchten, ging die Braut hin-
term Faß hervor, da lagen sie alle reihenweise.
i Ml
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hm
und sie mußte über all die Schlafenden weggehe
hen, bis zur Thüre. Behutsam setzte sie im-
mer ihren Fuß in die Zwischenräume, und im-
mer war ihr bang, sie möchte einen aufwecken,
allein es geschah zum Glück nicht, und als sie
die Thüre erreicht hatte und in dem Wald wie-
der war, folgte sie den Bändern, denn der
Mond schien ganz hell, so lange bis sie wieder
nach Haus gelangte,
Ihrem Vater erzählte sie nun alles, was
ihr begegnet war, der gab gleich Befehl, ein
ganzes Regiment sollte das Schloß umzingeln,
sobald der Bräutigam einträfe. Dieses ge-
schah, der Bräutigam kam desselben Tags und
fragte gleich: warum sie denn gestern nicht zu
ihm gekommen wäre, wie sie doch versprochen
gehabt hatte? So sprach sie: ich habe^ einen
so schweren Traum gehabt; mir träumte, ich
käme in ein Haus, ha saß eine alte Frau vor
der Thüre, welche zu mir sprach: wie gut ist
es doch für euch, mein Kind, daß ihr jetzt
kommt, dieweil niemand zu Haus ist, denn ich
muß es euch nur sagen, ich habe da Wasser
tragen müssen in einen großen Kessel, da wol-
len sie euch umbringen, sieden und hernach essen.
Und wie sie noch so sprach, kamen die Spitz-
buben heim, da sagte die Alte, eh mich jemand
merkte, geschwind hinunter in den Keller, ver-
steckt euch hinter das große Faß, kaum aber
war ich dahinter, so kamen die Spitzbuben auch
die Kellertreppe hinabgegangen, und schleppten
eine alte Frau mit sich, die ergriffen und mor-
deten sie. Und als sie die alte Frau ermordet
hatten, fingen sie an, und zogen ihr alle Ringe
von den Fingern, einen nach dem andern, nur
der Ring am Goldfinger wollte nicht herunter-
gehen, da griff einer zum Beil und hieb dar-
auf, daß der Finger in die Höhe sprang, und
kam gerade hinters Faß gesprungen in meinen
Schooß, und hier hab ich den Finger!
bei welchen Worten sie ihn plötzlich aus der
Tasche zog.
Wie der Bräutigam das sah und hörte,
wurde er kreideweiß vor Schrecken, dachte also-
bald zu entfliehen, und sprang zum Fenster hin-
aus. Unten aber stand Wache, die fing ihn
und seine ganze Bande auf, und alle wurden
hingerichtet zum Lohn für ihre Bubenstücke.
4r-
Herr Korbes.
Es war einmal ein Hühnchen und Hähn-
chen, die wollten zusammen verreisen, da baute
das Hähnchen einen schönen Wagen mit vier
rothen Rädern, und spannte vier Manschen da-
vor, dann sehte sich das Hühnchen mit dem
Hähnchen auf, und so fuhren sie fort. Da be-
— m
gegnete ihnen eine Katze, die sprach: „wo wollt
ihr hin?" da antwortete das Hähnchen:
/ „als hinaus
nach dem Herrn Korbes seinem Haus."
Die Katze sprach: „nehmt mich auch mit." Das
Hähnchen antwortete: „recht gern, seh dich hin,
ten auf, daß du vornen nicht herabfällst:
nehmt euch wohl in Acht,
daß ihr mir meine rothe Raderchen nicht
schmutzig macht.
Ihr Raderchen schweift!
Ihr Mäuschen pfeift!
als hinaus
nach des Herrn Korbes seinem Haus."
So kam nach und nach ein Mühlstein, ein Ei,
eine Ente, eine Stecknadel und eine Nähnadel,
die sehten sich auch alle auf den Wagen, wie
sie aber zu des Herrn Korbes seinem Haus ka,
wen, war der Herr Korbes nicht da. Die
Mäuschen fuhren den Wagen in die Remise,
das Hühnchen flog mit dem Hähnchen auf eine
Stange, die Katze sehte sich ins ZMzu, die
Ente in die Bornstande, die Stecknadel^sich ins
Stuhlkissen, die Nahnadel ins Bett ins Kopf,
kissen, der Mühlenstein legte sich über die Thü-
re, und das Ei wickelte sich Ln das Handtuch.
Da kam der Herr Korbes nach Haus, ging ans
Kamin und wollte Feuer anmachen, da warf
ihm die Katze das ganze Gesicht voll Asche; er
ging geschwind in die Küche und wollte sich ab,
waschen, wie er an die Bornstande kam, sprüh,
te ihm die Ente Wasser ins Gesicht, als er sich
abtrocknen wollte, rollte ihm das Ei aus dem
Handtuch entgegen, ging entzwei und klebte
ihm die Augen zu; er wollte sich ruhen und
sehte sich auf den Stuhl, da stach ihn die Steck-
nadel, darüber wurde er ganz verdrießlich und
ging ins Bett und wie er den Kopf aufs Kis-
sen niederlegte, da stach ihn die Nähnadel; da
ward er so bös und toll, daß er zum Haus
hinaus laufen wollte, wie er aber an die Thüre
kam, sprang der Mühlstein herunter und schlug
ihn todt. /8io.
(/
42.
Der Herr Gevatter.
Ein armer Mann hatt^chon/viel Kinder,
ffr daß er alle Welt zri^Gevatter gebeten hatte,
und als er noch eins bekam, wußte er nicht,
wen er noch zu Gevatter bitten könne, da wur-
de er sehr betrübt und legte sich hin und schlief
ein. Da träumte ihm, er solle vor das Thor
gehen, und den ersten, der ihm begegne, den
solle er zu Gevatter bitten. Das that der Mann,
da begegnete ihm einer, den bat er zum Ge,
vatter und der schenkte ihm ein Gläschen mit
Wasser, „damit kannst du alle Kranke euriren.
lijO
wenn der Tod beim Kopf steht, steht er aber
bei den Füßen t so muß der Kranke sterben."
Nun wurde des Königs Kind krank, und der
Tod-stand beim Kopf, da eurirte ers mit dem
Wasser, und das zweitemal, als es krank wur-
de, da machte ers wieder gesund, weil der Tod
wieder beim Kopf stand, das dritte mal aber
stand er bei den Füßen, da mußte es sterben.
Da ging der Mann zu seinem Gevatter
und wollte es ihm alles erzählen, und als er
im Haus auf die erste Treppe kam, so standen
da die Schippe und der Besen, und schmissen
sich. Da fragte er sie, wo der Gevatter woh-
ne; der Besen sagte: eine Treppe höher."
Wie er auf die zweite Treppe kam, sah er eine
Menge todter Finger liegen. Da fragte er wie-
der, wo der Gevatter wohne? „eine Treppe hö-
her." Auf der dritten Treppe lag ein Haufen
todter Köpfe die sagten wieder: „eine Treppe
höher." Auf der vierten sah er Fische über
dem Feuer stehen/ die britzelten im Kochen und
backten sich selber. Sie sagten auch.- „eine
Treppe höher." Wie er auf die fünfte kam
da war eine Stube, da guckte er durch das
Schlüsselloch, und sah den Gevatter, der
ein paar lange, lange Hörner auf hatte, und
als er hineinging, legte er sie geschwind
aufs Bett und deckte sie zu. Da sprach der
Mann: „Herr Gevatter, wie ich auf eure erste
— 191 —
Treppe kam, da sah ich eine Schippe und ei-
nen Besen stehen, die sich schmissen" — „wie
seid ihr so einfältig, antwortete der Gevatter,
das waren der Knecht und die Magd, die spra-
chen zusammen." — „Auf der zweiten Treppe
sah ich todte Finger liegen." — „Ci, wie seid
ihr dumm, das waren Skorzenerwurzel." —
„Auf der dritten lag ein Haufen Todtenköpfe."
— „Dummer Mann, das waren Krautköpfe."
— „Auf der vierten jah ich Fische im Koch-
topf, die britzelten und kochten sich selber. Wie
er das Wort sprach, kamen die Fische und tru-
gen sich selber auf" — „und auf der fünften
guckte ich durchs Schlüsselloch, da sah ich, daß
ihr lange, lange Hörner hattet" — "Ei, das
ist nicht wahr."
43-
Die wunderliche Gasterei.
Auf eine Zeit lebre eine Blutwurst und ei-
ne Leberwurst zusammen, und die Blutwurst
bat die Leberwurst zu Gast. Wie es Essenszeit
war, ging die LeberwurstMnz vergnügt zu der
Blutwurst, als sie aber in die Hausthüre trat,
sah sie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder
Stiege der Treppe, deren viele waren, immer
etwas anderes, da war ein Besen und eine
Schippe, die sich miteinander schlugen, dann ein
■
'
—- iy2 —
Affe mit einer großen Wunde am Kopf und
dergleichen mehr.
Die Leberwurst war ganz erschrocken und
bestürzt darüber, doch nahm sie sich ein Herz
ging in die Stube und wurde von der Blut-
wurst freundschaftlich empfangen. Die Leber-
wurst hub an, sich nach den seltsamen Dingen
zu erkundigen, die draußen auf der Treppe wä-
ren, die Blutwurst that aber, als hörte sie es
nicht, oder als sey es nicht der Mühe werth
davon zu sprechen, oder sie sagte etwa von der
Schippe und Besen: ,.eö wird meine Magd ge-
wesen seyn, die auf der Treppe mit jemand ge-
schwatzt," und brachte die Rede auf etwas
anderes.
Die Blutwurst ging darauf hinaus, und sag-
te, sie müsse in der Küche nach dem Essen sehen,
ob alles ordentlich angerichtet werde, und nichts
in die Asche geworfen. Wie die Lcberwurst der-
weil in der Stube auf und abging, und immer die
wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam je-
mand, ich weiß nicht, wers gewesen ist, herein
und sagte: „ich warne dich, Leberwurst, du bist
in einer Blut- und Mörderhöhle, mach dich ei-
lig fort, wenn dir dein Leben lieb ist." Die
Lcberwurst besann sich nicht lang, schlich die
Thür hinaus und lief, was sie konnte, sie stand
auch nicht eher still, bis sie aus dem Haus mit-
ten auf der Straße war. Da blickte sie sich
um
um, und sah die Blutwurst oben im Bodenloch
stehen mit einem langen, langen,Messer, das
blinkte, als wärs frisch gewetzt, damit drohte
sie, und rief herab:
„hatt ich dich, so wollt ich dich!"
44-
Der Gevatter Tod.
Es war einmal ein armer Mann, der hatte
schon zwölf Kinder, wie das dreizehnte geboren
wurde, wußte er sich nicht mehr zu helfen, und
lief in seiner Noth hinaus in den Wald. Da
begegnete ihm der liebe Gott und sagte: „du
dauerst mich, armer Mann, ich will dir dein
Kind aus der Taufe heben und für es sorgen,
da wird es glücklich auf Erden." Der Mann
antwortete: „ich will dich nicht zum Gevatter,
du giebst den Reichen und laßt die Armen hun-
gern;" damit ließ er ihn stehen und ging wei-
ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der
sprach gleichfalls zu ihm: „ich will dein Gevat-
tersmann werden, und dein Kind heben; wenn
es mich zum Freund hat, da kannö ihm nicht
fehlen, ich will es zu einem Doetor machen."
Der Mann sagte: „das bin ich zufrieden, du
machst keinen Unterschied und holst den Reichen
wie den Armen; morgen ist Sonntag, da wird
Kindermärchen. ,
das Kind getauft, stell dich nur zu rechter
Zeit ein."
Ilm andern Morgen kam der Tod und hielt
das Kind über die Taufe. Nachdem es groß
geworden war, kam er einmal wieder, und nahm
feinen Pathen mit in den Wald; da sprach er
zu ihm: „jetzt sollst du ein Doetor werden;
du brauchst nur Acht zu geben, wenn du zu ei-
nem Kranken gerufen wirst und du stehst mich
zu seinem Haupte stehen, so hats nichts zu sa-
gen, laß ihn dann an dieser Flasche riechen^
Wtd salb ihm die Füße damit, so wird er bald
wieder gesund seyn; steh ich aber zu den Fü-
ßen, dann ists aus, dann will ich ihn haben,
und untersteh dich nicht eine Cur anzufangen."
Damit gab der Tod ihm die Flasche, und er
ward ein berühmter Doctor; er brauchte nur
den Kranken zu sehen, so sagt' er schon voraus
ob er wieder gesund werde oder sterben müsse,
Einmal ward er zum König gerufen, der an ei-
' ' ncr schwHren^rankheit darnieder lag; wie der
Doctois'e&mt sah er den Tod zu den Füßen
des-Könige stehen, und da konnte seine Flasche
Nlchtsmchr helfen. Doch ficl' ihm ein, er woll-
teetzen Tod betrügen, packte also den König an,
und legte ihn bekehrt, so daß der^T^d^au^seuMi.
Haupte zu stehen kam; eö glückt^ uild'der Kö-
nig wurde gesund. Wie der Doctor aber wie-
der zu Haus war, kam der Tod zu ihm, machte
195
ihm böse grimmige Gesichter und sagte: „wenn
du dick noch einmal unterstehst mich zu betrü-
gen, so dreh ich dir den Hals Um." Bald dar-
nach ward des Königs schöne Tochter krank,
niemand auf der Welt konnte ihr helfen, der
König weinte Tag und Nacht, endlich ließ er
bekannt machen, wer sie curiren könne, der solle
sie zur Belohnung haben. Da kam der Doc-
tor und sah den Tod zu den Füßen der Prin,
zessin stehen, doch weil er vor ihrer Schönheit
ganz in Erstaunen war, vergaß er alle War-
nung, drehte sie herum und ließ sie an der hei-
lenden Flasche riechen Und salbte ihr die Fuß-
sohlen daraus. Kaum war er wieder zu HaUS,
da stand der Tod mit einem entsetzlichen Ge-
sicht vor ihm packte ihn, und trug ihn in eine
Unterirdische Höhle, worin viel tausend Lichter
brannten. „Siehst du, sagte der Tod, das sind
alle Lebende, und hier das Licht, das nur noch
ein wenig brennt und gleich auslöschen will,
das ist dein Leben; hüt' dich!"
fnins Zo Oi l.
45-
Des Schneiders Daumerling Wan-
derschaft.
Ein Schneider hatte einen Sohn, der war
klein gerathen Und nicht größer als ein Dau-
men, darum hieß er der Daumerling. Er hatte
N 2
iqG
aber Courage im Leibe und sagte zu seinem Va-
ter: „Vater, ich will auf die Wanderschaft ge,
hen." — „Recht, mein Sohn," sprach der 20,
te, nahm eine Stopfnadel und machte am Licht
einen Knoten von Siegellack daran: „da hast
du auch einen Degen mit auf den Weg. „Das
Schneiderlein zog aus in die Welt und kam
zuerst bei einem Meister in die 2lrbeit, da war
ihm aber das Essen nicht gut genug. „Frau
Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt,
sagte der Daumerling, schreib ich morgenftüh
mit Kreide an ihre Hausthüre: „Kartoffel zu
viel, Fleisch zu wenig, 2ldies, Herr Kartoffel,
könig! und gehe fort." — „Was willst du
wohl, du Hüpferling, sagte die Meisterin, ward
bös, ergriff einen Lappen und wollte ihn schla-
gen, mein Schneiderlein kroch behend unter 'den
Fingerhut, guckte unten hervor und streckte der
Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob
den Fingerhut auf, aber der Däumerling hüpf-
te in die Lappen und wie die Meisterin die
auseinander warf und ihn suchte, machte er sich
1 in den Tischrih: „he! he! Frau Meisterin."
rief er und steckte den Kopf in die Höhe, und
wenn sie zuschlagen wollte, sprang er immer
in die Schublade hinunter. Endlich aber er-
wischte sie ihn doch, und jagte ihn zum Haus
hinaus.
Das Schneiderlein wandert und kam in
einen großen Wald, da begegnete ihm ein Hau-
fen Räuber, die wollten des Königs Schah be,
stehlen; und als sie das Schneiderlein sehen,
denken sie, der kann uns viel nützen, reden es
an, sagen, es sey ein tüchtiger Kerl, es solle
mit zur Schatzkammer gehen, sich Hineinschlei,
chcn und ihnen das Geld herauswerfen. Es
läßt sich drauf ein, geht zu der Schatzkammer
und besieht die Thüre, ob kein Ritzen darin;
glücklicherweise findet es bald einen und will
einsteigen, da sagt die Schildwache zur andern:
„was kriecht da für eine garstige Spinne? die
muß man todt treten." — „Ei, laß sie doch
gehen, sagte die andere, sie hat dir ja nichts
gethan." So kam der Däumerling in die
Schatzkammer, ging an das Fenster, vor dem
die Räuber standen und warf ihnen einen Tha-
ler »ach dem andern hinaus. Wie der König
seine Schatzkammer besah, fehlte so viel Geld,
kein Mensch aber konnte begreifen, wer es soll-
te gestohlen haben, da alle Schlösser gut veu
wahrt waren. Der König stellte Wachen da,
bei, die hörten es in dem Geld rappeln, gin,
gen hinein und wollten den Dieb greifen. Das
Schneiderlein sehte sich in der Ecke unter einen
Thaler und rief: „hier bin ich!" die Wachen
liefen dahin, indeß sprang es in eine andere
Ecke, und wie die dort ankamen, schrie ee da:
„hier bin ich!" die Wachen liefen zurück, e«
hüpfte aber wieder in eine andere Ecke und
rief.- „hier bin ich!" Und so hatte es sie zum
Narren und trieb es so lange, bis sie müd wa-
ren, und davon gingen. Der Daumerling warf
nun die Thaler nach und nach alle hinaus und
auf den letzten fetzte er sich selber, und flog da-
mit durchs Fenster hinunter. Die Räuber lob-
ten ihn gewaltig, und hätten ihn zu ihrem
Hauptmann gemacht, wenn er gewollt hätte,
darauf theilten sie die Beute; das Schneider-
lein kann aber nicht mehr nehmen als einen
Kreuzer, weil es nicht mehr bei sich tragen
kann.
Darauf nahm es den Weg wieder zwischen
die Beine, und endlich, wejls mit dem Hand-
werk schlecht ging, verdingte es sich als Haus-
knecht in einem Gasthof. Die Mägde konnten es
aber nicht leiden, weil es alles sah, was sie >m
Haus heimlich hielten, ohne daß sie es merk-
ten, und sie darnach angab, und hatten ihm
gern einen Schabernack angethan, Als es daher
einmal in der Wiese spazieren ging, wo eine
mähre, mähte sie es mit dem Gras zusammen,
und warf es daheim, den Kühen vor, und die
schwarze schluckte es mit hinunter. Der Dau-
merling war nun in der Kuh eingesperrt, und
hörte Abends sprechen, daß sie sollte geschlach-
tet werden. Da war sein Leben in Gefahr
und er rief: „ich bin hier?" — „Wo bist
du?" — „In der schwarzen." Er ward aber
unrecht verstanden und die Kuh geschlachtet;
glücklicher Weise traf ihn kein Hieb, und er
kam unter das Wurstfleisch. Wie das nun soll-
te gehackt werden, rief er: „hackt nicht zu tief!
hackt nicht zu tief! ich stecke darunter!" Vor
dem Lärmen aber hörte das kein Mensch, doch
sprang er so behend zwischen den Hackmessern
durch, daß ihm keine was schadete, aber ent-
springen konnt? er nicht, und ward in eine
Blutwurst ge^W^ Mit der ward er in den
Schornstein zum Räuchern aufgehängt, und
mußte hängen, bis im ^Wincer^ mg die Wurst
sollte gegessen werden, ««tzcMe seirs Quartier
aufgeschnitten ward, sprang «r-heraus und lief
davon.
Das Schneiderlein wanderte wieder, da kam
es aber einem Fuchs in den Weg, der schnappte
es auf: „Herr Fuchs, rief es, ich bin hier,
laßt mich frei." — „Ja, sagte der Fuchs, an
dir hab ich doch nicht viel: wenn du machst,
daß dein Vater mir alle seine Hüner im Hof
giebt." Das gelobte es, und da trug es der
Fuchs heim, und kriegte alle Hüner im Hof;
das Schneiderlein aber brachte seinem Vater sei-
nen erworbenen Kreuzer von der Wanderschaft
mit. —
„Warum hat aber der Fuchs die armen
Piephüner zu fressen kriegt?" — „Ei, du
Narr, deinem Vater wird ja sein Kind lieber
seyn, als die Hüner!"
sJZuL'infi
46-
Fitchers Vogel.
Es war einmal ein Hexenmeister, der war
ein Dieb und ging in der Gestalt eines armen
Mannes vor die Häuser und bettelte. Da kam
ein Mädchen vor die Thüre, und brachte ihm ein
Stück Brod; er rührte das Mädchen nur an, da
mußte es in seine Kötze springen. Dann trug
er es fort und brachte es in sein Haus, da
war alles prächtig, und er gab ihm alles, was
es wünschte. Darnach sprach er einmal: „ich
habe auswärts zu thun, und muß nothwendig
verreisen, da hast du ein Ei, das heb sorgfältig
auf und trag es beständig bei dir, und da haft
du auch einen Schlüssel, aber geh nicht in die
Stube, die er aufschließt, bei Lebensstrafe."
Wie er aber fort war, ging sie doch hin und
schloß die Stube auf, und wie sie hineintrat,
sah sie in der Mitre ein großes Becken stehen,
darin lagen todte und zerhauene Menschen. Sie
erschrack so gewaltig, daß das Ei, das sie in
der Hand hielt, hineinplumpte; sie nahm es
zwar geschwind wieder heraus und wischte das
Blut ab, das kam aber den Augenblick wieder
Zum Vorschein, und sie konnte e§ nicht herun-
ter kriegen, so viel sie auch wischte und schabte.
Als der Mann wieder kam, verlangte er das
Et und den Schlüssel, sah beide an, und da
sah er, daß sie in der Blutkammer gewesen
war. „Hast du auf meine Worte nicht geach-
tet, sagte er zornig, so sollst du nun gegen dei-
nen Willen in die Kammer kommen;" damit
ergriff er sie, führte sie hin und zerhackte sie,
und warf sie zu den andern ins Becken. Nach
einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und
fing die zweite Tochter aus dem Hau§; der ge-
schah wie der ersten, sie schloß auch die verbo-
tene Thüre auf, ließ das Ei ins Blut fallen,
und ward zerhackt und zu ihr in das Becken
geworfen. Da wollte der Hexenmeister auch
die dritte Tochter haben, fängt sie auch in sei-
ner Köhe, trägt sie heim, und giebt ihr bei sei-
ner Abreise das Ei und den Schlüssel. Die
dritte Schwester aber war klug und listig; sie
schloß das Ei erst ein und ging dann in die
heimliche Kammer, und wie sie ihre Schwestern
in dem Blucbecken findet, sucht sie und sucht
alles zusammen und legts zurecht, Kopf, Leib,
Arm und Bein; da fangen die Glieder an sich
zu regen, und schließen sich aneinander und die
zwei werden wieder lebendig. Da führte sie
beide heraus und versteckte sie, und als der
Mann heim kam und das Ei ohne Blut fand,
bat er sie, sie mögte seine Braut werden. Sie
sagte ja, aber er müßte erst einen Korb voll
Gold ihren Eltern auf dem Rücken hintragen,
dieweil wollte sie die Hochzeit bestellen. Dar-
nach sagte sie zu ihren Schwestern, sie sollten
ihr nur Hülfe von daheim kommen lassen, seh-
te sie in einen Korb und deckte ihn ganz mit
Gold zu: „den trag nun fort, aber untersteh
dich nicht unterwegs zu ruhen, denn ich fehö
hier durch mein Bretchen, wenn dus thust."
Er nahm den Korb auf den Rücken und ging
fort, der ward ihm aber so schwer, daß er ihn
fast todt drückte, da wollte er ein wenig ruhen,
aber gleich rief eine im Korb: „ich seh durch
mein Bretchen, daß du ruhst, willst du gleich
weiter!" Da meinte er seine Braut rief, mach-
te sich wieder auf, und so oft er ruhen wollte,
rief es wieder, und da mußte er weiter. Die
Braut aber daheim nahm einen Todtenkopf,
thät ihm einen Schmuck auf, und fetzte ihn
oben vors Bodenloch; dann lud sie die Freunde
des Hexenmeisters zu der Hochzeit ein, und wie
das geschehe» war, steckte sie sich in ein Faß
mit Honig, schnitt das Bett auf und wälzte
sich in den Federn, daß sie niemand erkennen
konnte, so wunderlich sah sie aus und damit
ging sie hinaus auf den Weg. Bald begegne-
te ihr ein Theil der Gaste, die fragten sie:
„Du Füchers Vogel! wo kommst du hex.'" —
„Ich komm von Fitze Fucher« Haufe her."—
204
veel dorum Dag un Nacht, man se kregen keen
und kregen keen. Vör eeren Hufe was een
Hoff, darup stunde een Machandelboom, ünner
den stund^de Fru eenö in'n Winter, un schellt
sick eenen Appel, un as se sick den Appel so
scdellr, so sneet se sick in'n Finger, un dar
Blood seel in den Snee — ach! sed de Fru,
un lüft so recht hoch up, un fach dat Blood
för sick an, un was so recht wehmödig, hadd ick
dock een Kind so rood as Blood un so witt as
Snee! — un as se dat sed, so würd eer so
recht frölich to Moode, eer was recht, as füll dat
wat warden; daar ging se to den Huse un ging
een Maand hen, de Snee vörging, un twee
Maand, daar was dat grön, un dree Maand,
daar kemen de Blömer ut de Eerde, un veer
Maand, daar drungen sick alle Bömer in dat
Holt, un de grünen Twige weeren all in een
anner wussen; daar sungen de Vägelkens, dat
dat ganzeHolt schallt, un de Bleujten felen van
de Bömer, daar was de fyfte Maand weg, un
se stund ünner den Machandelboom, de rook
so schön; do sprung eer dat Hart vör Freuden,
un se feel up eere Knee un künde sick nich la-
ten, un a§ de söste Maand vörbi was, daar
wurden de Früchte dick un stark, do würd se
ganz still, un de söwende Maand, do greep se
na de Machandelbeeren un att se so nidsch, do
würd se trurig un krank; daar ging de achte
Maand hen, un se reep eeren Mann, un Ween-
de un sed: wenn ick ftarve, so begrave my ün/
ner den Machandelboom! do wurde se ganz
getrost un freute sick, bett de neegte Maand
vörby was, daar kreeg se een K'.nd, so witt as
Snee un so rood as Blood; un as se dat fach,
so freute se sick so, dat se sturv.
Daar begroof eer Maan se ünner den Ma-
chandelboom, un he fung an to weenen so
seer; eene Tyd lang do würd dat wat sachter,
un daar he noch wat weend hadd, do heel he up,
un noch eene Tyd, do nam he sick wedder
eene Fru.
Mit de tweete Fru kreeg he eene Dochter,
dat Kind averst van de eerste Fru was een
lüttje Sön, un was so rood as Blood un so
witt as Snee. Wenn de Fru eere Dochter >o
ansach, so had se se so lleef, averst denn fach
se den lüttjen Zung an, un dat ging eer so
dorch't Hart, un eer dücht, ae stund^he eer al-
lerwegen in'n Weg, un dacht denn man üm-
mer, wo se eer Dochter all dat Börmögent to-
wenden wull, un de Döse gav eer dat in, dat
se den lüttjen Zung ganz gram würd, un stöd
em herüm van een Ek in de anner, un buft
em hier un knuft em daar, so dat dat arme Kind
ümmer in Angst was; wenn he denn ut de
School kam, so hadd he keene ruhige Stede.
Eens was de Fru up de Kamer gaan, do
kämm de lüttje Dochter ook herup un sed:
Moder giv my eenen Appel! Ja myn Kind,
sed de Fru, un gav eer eenen schönen Appel
uut de Kist, de Kist averst hab eenen grooten
swaaren Deckel mit een groot schaarp ysern
Slott. Moder, >ed de lüttje Dochter, schall
Broder nich ook eenen hebben? Dar vördr^t
de Fru, dock sed fc * ja, wenn he ut de School
kömmt; un aö se ut dar Finster gewaar wur-
de, dar he kämm, so was dal recht, as wenn
de Böse över eer kämm, Un se grapst to, UN
Uam eerer Dochter de» Appel wedder weg un
sed! „du säst nich eer eenen hebben, ae Bro-
der." Daar smeet se den Appel in de Kist un
maakr de Kist to; daar kämm de lüttje Jung in
de Dör, daar gav eer de Böse in, dal se frünt,
lich to em sed: „mytt Sön, wist du eenen Ap-
pel hebben?" un fach em so hastig an. „Mo-
der, sed de lüttje Jung, wat sühst du gkesig
Ut, ja giv my eenen Appel!" Daar was eer,
as füll je em tokeden: „kumm Mit my," sed
se, Un maakt den Dekkel up, „haal dy eenen
Appel herut," un as sick de lütt Jung heuln
bückt, so reet eer de Böse, bratsch — sloog se
den Dekkel to, dat de Kop as floog un ünner
de rovden Appel feel. Daar äverleep eer dat in
de Angst, un dacht: „kund ick dat van my
bringen." Daar ging se haben na eere Stuve
na eerett Draagkasten Un haalt Ut de bävelste
20J
Schuuflade eenen mitten Dook, un sett den
Kopp wedder up de» Hals un stund den Hals-
dook so um, dat man niks feen kund, un sett
em vör de Dör Up eenen Stool un gav em
den Appel in de Hand.
Daar kämm daarna Marleenken to eere Mo-
der in de Köke, de stund by den Füür un had
eenen Pott mit heet Water för stk, den rüürt
se ümmer um: „Moder, sed Marleenken,
Broder sttt vör de Döör un süüc ganz witt ut,
un hedd eenen Appel in de Hand, ick hev em
beben, he füll my den Appel geven, averst
he anlwoord my nich, da würd my ganz grUN-
lig." „Ga nochmal hen, sed de Moder, un
wenn he dy nich antwoorden will, so giv em
eens an de Ooren!" Daar ging Marleenken hen
un sed: „Broder giv my den Appel!" averst
he sweeg still, daar gav se em eens Up de Oo-
ren, daar feel de Kop herünn, daräver visrschrak
se sick, un fung an to weenen un to raaren,
Un leep to eere Moder un sed: „ach, Moder,
ick hebb minen Broder den Kopp afslagen!" un
weend un weend Un wull sick nich tvfreden
geven; „Marleenken, sed de Moder, wat heft
du daan — averst swig Matt still, dat et keen
Minsch markt, dat iS nu doch Nick to ännern;
wi willen em in suur kaaken." Daar uam de
Moder den lüttjen Jungen un hackt em in
Srükken, ded de in den Pott un kaakk em in
suur; Marleenken averst stund daarby UN weend
un weend, un de Traanen feelen all in den Pott,
un se bruukten gar keen Solt.
Daar kämm de Bader to Huus un fett sick
to Lisch, un sed: „wo iS denn min Sön?"
Dar drog de Moder eene groore, grvote Schöd
tci op mit swart Suur, un Marleenken weend
un kund sick nich Hollen. Da sed de Bader
wedder: „wo is den min Sön?" „2lch, sed
de Moder, he is över Land gaan, na Mut-
ten eer groot Oem, he wull daar wat bliven."
^wat deit he denn daar? un hed my nich mal
Adjuö segd?" „o he wuld geern hen, un bed
my, ob he daar woll sös Weken bliven kun, he
i6 jo woll daar uphaben." „Ach, sed de Mann,
my iö so recht trurig, dat is doch nich recht,
he had my doch 2tdjüs seggen schullt." Mit
des fung he an to eeren un sed: „Marleenken,
wat weenst du? Broder ward woll wedder ka-
men.^ „Ach Fru, sed he do, wat smeckt my
dat Eten schön, giv my meer!'^ un je meer he
at, je meer wuld he hebben, un sed: „gevt my
meer. gy sölt niks daaraf hebben, dat is as wenn
dat all myn weer," un he att un att, un de
Knaken sweet he all unner den Disch, bett he
alles up had. Marleenken averst ging hen na
eere Commode un namm uut de unnerste Schuuf
eeren besten syden Dook, un haalt all de Been-
ken un Knaken ünner den Disch herut, un
Hund
Hund se in den syden Dook, un drog se vör de
Döör, un weente eere blödigen Traanen; daar
legd se se unner den Machandelboom in dat grör^
ne Gras, un as se se daar henlegd hadd, so was
eer mit eenmal so recht licht, un weente nich
meer, ,do fung de Machandelboom an sich to
bewegen, un de Twyge deden sich ümmer so
recht van eenanner, un denn wedder tohop, so
recht, as wenn sick eener so recht fröit un mit
de Hände so deit. Mit des, so ging daar so'n
Newel van den Boom, un recht in den Newel
da brennt dar as Füür, un ut dat Füür daar
flog so'n schönen Bagel herut, de sung so her-
lich un flog hoch in de Luft, un as he weg
was, do was de Machandelboom, as he vörheer
west was, un de Dook mit de Knaken was
weg, — Marleenken averst was so recht licht
un vergnögt, recht as wenn de Broder noch
leest, daar ging se wedder ganz lustig in dat
Huus by Disch un att.
De Bagel averst floog weg, un fett" sick up
eenen Goldsmitt siin Huö un fung an to singen:
Min Moder de mi slacht't,
min Bader de mi alt,
min Swester de Marleeniken
focht alle mine Beenlken,
un bindt se in een siden Dook,
legrs unner den Machandelb ^om;
kywitt,kywitt! ach wart een schön Bagel bin ickr
Kindermärchen. O
De (Sofbfmitt satt in sine Warkstede un maakt
eene goldne Kede, daar hörd he den Vagel, de
up sin Dack satt un sung, un dat dünkt cm
so schön; daar stund he up, un as he aver den
Süll ging, so vörloor he eenen Tüffel; he ging
aver so recht midden up de Strate, eenen Tüf-
fel un een Sock an, sin Schortfell had he vör,
un in de een Hand had he de golden Kede, un
in de anner de Tang, un de Sünn schiint so
hell up de Strate, daar ging he recht so staan
un fach den Vagel an: „Vagel, segd he do,
wo schön kanst du singen, sing my dat Stük
nochmal." — Nee, segd de Vagel, tweemal
sing ick nich umsünst, giv mi de golden Kede,
so wil ick di et nochmal singen. „Da, segd de
Goldsmitt, hest du de golden Kede, nu sing mi
dat nochmal." Daar kam de Vagel un nam de
golden Ked so in de rechte Krall, un ging vör
den Goldsmitt sitten un sung:
Min Moder de mi slacht't,
min Vader de mi att,
min Swester de Marleeniken
focht alle mine Beeniken
un bindt se in een siden Dook
legtS unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wart een schon Vagel
bin ick.
Daar flog de Vagel weg na eenen Schooster un
sett sick up den siin Dack un sung:
Min Moder de mi slacht't,
min Vader de mi att,
min Swester de Marleeniken,
söcht alle mine Beeniken
un bindt se in een siden Dook,
legrs unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach watt een schön Vaget
bin ick!
de Schooster hörd dat, un leep vör sin Döör, itt
Hemdsärmel und fach na siin Dack, un must
de Hand vör de Öogen holln, dat de Sünn em
nich blendt: „Vagel, segd he, wak kanst du
schön singen!" Da reep he in siin Döör herin:
„Fru, kumm mal herut, daar is een Vagei, sü
mal den Vagel de kann mal schön singen, da
reep he siin Dochter un Kinner un Gesellen,
Jung un Magd, un keemen all up de Straat,
un fegen den Vagel an, wo schön he was, un
he hadd so recht roode, un gröne Feddern, un um
den Hals was dat as luter Gold, un de Oo-
gen blinkten em in Kopp, as Steern. „Vagel,
sed de Schofler, nu sing mi dat Stük noch,
mal." Nee, segd de Vagel, twee mal sing uf
nich umsünst, du möst my wat schenken. „Fru
sed de Mann, ga na de Dön-böhn up den bö,
velsten Boord, do staan een paar roode Scho, de
bring herunn;" daar ging de Fru hen un haalt
de Scho. „Da Vagel, sed de Mann, nu sing
mi dat Stük noch mal," daar kämm de Vagel
O a
UN namm de Scho in de linke Klau, und flog
wedder up dat Dack un sung:
Mn Moder de mi slacht't
min Vader de mi alt,
min Swester de Marleeniken,
söcht alle mine Beeniken,
un bindi se in een siden Dook
legrs unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach war een schön Vagel
bin ick:
un as he utsungen hadd, so floog he weg, de
Kede hadd he in de rechte un de Scho in de
linke Klau, un he floog wyt weg na eene
Mahl, un de Mähl ging klippe klappe, —
klippe klappe — klippe klappe un in de
Mahl daar feeren twintig Mählenburschen, de
hängten eenen Steen un hackten hick hack — hick
hack —- hick hack, un de Mähl ging klippe klap-
pe, klippe klappe, klippe klappe. Daar ging de
Vagel up eenen Lindenboom fltten, de vör de
Mähl stund un sung:
„Min Moder de mi slacht't"
do hörte een up,
„min Vader de mi alt"
do hörten noch twee up, un Hirten dat:
„min Swester de Marleeniken"
do hörten wedder veer up,
„söcht alle mine Beeniken
215
„un binde se in een siden Dook"
nu hackten noch man acht
„legrs unner
nu noch man fyve
„den Machandelboom
nu noch man een
„kywitt, kywitt! ach wat een schön Vagel
bin ick."
daar heel de lezte 00k up, un hadd dat lezte noch
hörd. „Vagel, segd he, wat singst du schön,
laat my dat 00k hören, sing my dat noch mal!"
Nee, segd de Vagel, twee mal sing ick nich
umsünst, giv my den Mählensteen, so will ick
dat noch mal singen. „Za, segd he, wenn he mi
allem hörd, so sust du em hebben," „ja, seden
de annern, wenn he nochmal singt, so fall he
em hebben;" dar kämm de Vagel herün, un
de Möllers faat'n all twintig mit Bööm an, un
böörten den Steen up, hu uh up, hu uh ihp!
— hu uuh uhp! daar stack de Vagel den Hals
döör dat Lock, un nam em üm as eenen Kragen
un floog wedder up den Boom, un sung:
Min Moder de mi slacht't
min Vader de mi an,
min Swester de Marleeniken,
söäu alle mine Beeniken,
un bindt se in een siden Dook,
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach war een schön Vagel
bin ick!
Utt as he dat utsungen hadd, da ded he de
Flünk van eenanner, un had in de rechte Klau
de Kede un in de linke de Scho un üm den
Hals den Mahlensteen un fioog wiit weg na
sines Vaders Hufe. —*
Zn de Stuve satt de Vader, de Moder
nn Marleenken by Disch, un de Vader sed:
ach wat waart mi licht, mi is recht so good to
Mode — nee! sed de Moder, my is so angst,
so recht, as wenn een swaar Gewitter kümmt.
Marleenken averst satt un weend un weend,
daar kämm de Vagel anflegen, un as he sick up
dat Dack fett — ach segd de Vader, mi is so
recht freudig un de Sünn schiint buten so
schön, my is recht as süll ick eenen ollen Be-
kannten wedderseen, — nee, sed de Fru, my is
so Angst, de Teene klappern mi un dat is mi
as Füür in de Adern, un se reet sick eer Ltifken
up un so meer; averst Marleenken satt in een
Eck un weende un had eeren Platen vor de
Logen, un weende den Platen gan6 messnatt;
daar sert sick de Vagel np den Machandelboom
un sung:
Min Moder de mi slacht't
daar heel de Moder de Ooren to, un kneep de
Logen to, un wold nich seen un hören, aver
dat bruuste eer in de Loren, as de allerstarkst
Storm, un de Logen brennten eer un zackten
as Bliz:
min Vader de mi alt,
Ach Moder, segd de Mann, daar i6 een schön
Vagel, de singt so herlich, de Sünn schiint so
warm, un dat rückt as luter Zinnemamen
min Swester de Marleeniken
daar led Marleenken den Kopp up de Knee un
weende in eens weg, de Mann averst sed: ick
ga herut, ick mut den Vagel dicht by sehn;
„ach, ga nich, sed de Fru, my is as bevt dat
ganze Huus, un stünn in Flammen;" aver de
Mann ging herut un fach den Vagel an:
söchi alle mine Beeniken
un bindr se in een siden Dook,
legrs unncr den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach wat een schön Vagel
hin ick!
mit des leet de Vagel de golden Kede.fallen,
un se feel den Mann jüst um den Hals, so
recht hier herüm, dat se recht so schön past;
daar ging hr herin un sed: sü wat iS dat vör
een schön Vagel, hett mi so ne schöne goldne
Kede schenkt, un süht so schöne nt;" de Fru
aver was so Angst un feel längs in de Stuve
hen, un de Müh feel eer van den Kopp — daar
sung de Vagel wedder:
Min Moder de mi slacht't
ach dat ick düsend Fuder unner de Eerde weer,
dat ick dar nich hören sull!
min Vader de mi alt,
daar ftel de Fru vör dood nedder,
min Swester de Marleeniken,
ach, sed Marleenken, ick wil ook herut gan un
seen op de Lagel mi wat schenkt, daar ging se
herut,
focht alle wine Beeniken
und bindt se in een siden Dook,
daar smeet he eer de Scho herun
legts unner den Machandelboom,
kywitt, kywitt! ach war een schön Vagel
bin ick!
Daar was eer so licht un frölich, daar se de
nien rooden Scho an, un danst un sprang he-
rinn; ach, sed se, ick was so trurig as ick herut
ging, un nu ie mi so licht, dat iS mal een
herlrchen Vagel, het mi een Paar roode Scho
schenkt! „nee sed de Fru, un sprung up, un
de Har stunnen eer to Barge aö Füürsflammen,
z,mi is as füll de Werld unner gähn, ick wil
ook herut, op mi lichter warden sull,"un as se
ut de Döör kämm -- bratsch! — smeet eer de
Vagel den Mählensteen up den Kopp, dat se
ganz tomatscht; de Vader un Marleenken Hör-
den dat un gingen herut, dar ging een Damp
un Flam un Füür up van de Steed, un aö dat
vorby was, da stund de luttje Broder, un he
namm sinen Vader un Marleenken bi de Hand,
un weeren alldree so recht vergnögt un gingen
in dat Huuö by Lisch un eeten.
48.
Der alte Sultan.
Ein Bauer hatte einen getreuen Hund,
der war alt, und konnte nichte mehr fest pak-
ken. Da sagte der Bauer zu seiner Frau: „ich
will den alten Sultan todtschießen, er ist uns
doch zu nichte mehr Nutz," die Frau aber ant-
wortete: „thu das nicht und laß das treue
Thier das Gnadenbrod essen, es hat uns so
lange Jahre gedient." Der Mann sagte: „du
bist nicht recht gescheidt, was fangen wir mit
ihm an, er hat keinen Zahn mehr im Maul,
und es fürchtet sich kein Dieb mehr vor ihm;
hat er uns gedient, so hat ers des Hungers
wegen gethan, um- weil er hier gutes Fressen
kriegte; morgen ist sein letzter Tag, dabei
blelbtS." Der Hund hatte alles, was.Mann
und Frau zusammen gesprochen, mit angehört,
nun hatte er einen guten Freund, das war der
Wolf, zu dem ging er Abends hinaus und
klagte ihm sein Leiden und daß sein Herr ihn
Morgen todtschießen wolle. „Mach dir keine
Sorgen, sagte der Wolf, ich will dir einen gu-
ten Anschlag geben: Morgen früh geht dein
Herr mit seiner Frau hinaus ins Heu, da neh-
men sie auch ihr kleines Kind mit, bei der Ar-
beit legen sie das draußen hinter die Hecke, da
leg du dich daneben, als wenn du es bewachen
und da ruhen wolltest; alsdann will ich kom-
men und das Kind wegnehmen, und du mußt
m>r nachspringen, was du kannst, und mir es
abjagen, dann werden sie glauben, du habest
ihr Kind errettet, dadurch wirst du in völlige
Gnade kommen und sie werden dirs an nichts
fehlen lassen dein Lebelang." Das gefiel dem
Hund gut und ward, wie es verabredet war,
ausgeführt; der Wolf lief ein Stück Wegs,
und als ihn der Hund eingeholt hatte, ließ er
das Kind fallen, und der Hund trug es feinem
Herrn zurück. Da rief der Bauer überlaut:
„weil der alte Sultan unser liebes Kind dem
Wolf wieder abgejagt hat, soll er leben bleiben
und das Gnadenbrod haben. Frau, geh heim
und koch ihm einen Weckbrei, den kann er gut
hinunterschlucken, und mein Kopfkissen soll er
zu seinem Bert haben, so lang er lebt." Also
hatte es der Hund auf einmal so gut, daß er
sichs nicht besser wünschen konnte. Der Wolf
kam zu ihm und freute sich, daß es so wohl
gelungen war: „du wirst nun auch nichts da,
gegen haben, und mir bchülflich seyn, wenn ich
deinem Herrn ein fett Schaf wegholen kann."
Der Sultan aber war seinem Herrn treu und
sagte ihm, was der Wolf im Schilde führe, da
paßt' ihm dieser in der Scheuer auf, und als
er kam und sich einen guten Bissen holen woll-
te, kämmte er ihm tüchtig die Haare. Der
Wolf war darüber gewaltig aufgebracht, schalt
den alten Sultan einen schlechten Kerl und for-
derte ihn heraus, die Sache auszumachen.
Sie besiellten sich vor den Wald, und je-
der sollte einen Secundanken mit sich bringen.
Der Wolf war zuerst auf dem Platz und hatte
das wilde Schwein zu seinem Beistand mitge-
nommen, der Hunh hatte niemand als eine
lahmß^«tzd.be^MMen, können, «ä ging end-
lich mit'der ^ abf^Wie sie aber der Wolf und
das wilde Schwein von weitem kommen, und
die Katze beständig Hüpfen sahen, glaubten sie
die Katze höb jedesmal einen Stein auf, da
wurde ihnen beiden Angst, und das wilde
Schwein verkroch sich in das Laub, der Wolf
aber sprang auf einen Baum. Der Gegenpart
kam herack, und beide wunderten sich, daß nie-
mand da war. Das wilde Schwein aber in dem
Laub zwickte mit den Ohren; wie die Katze sich
etwas regen sah, sprang sie drauf zu, biß und
kratzte; da hob sich das Schwein mit Geschrei
in die Höhe, lief fort und rief noch zurück:
„dort oben auf dem Baum, da sitzt der Schuld-
ner." Da kam es an den Tag, daß der Wolf
sich verkrochen hatte, und wollte er herunter,
mußte er sich zum Frieden bequemen,
l/v. !\r)r*lAi-4n.
LLO
49-
Die sechs Schwane.
Ein König jagte in einem großen Wald,
verirrte sich und konnte keinen Ausgang finden,
da kam er endlich zu einer Hexe, die bat er,
sie mögte ihn wieder heraus leiten. Die Hexe
aber antwortete, das geschähe nimmermehr, er
müsse darin bleiben und sein Leben verlieren,
und nur das eine könne ihn erretten, daß er
ihr? Tochter helrathe. Dem König war sein
Leben lieb, und in der Angst sagte er ja; die
Hexe brachte ihm das Mädchen, es war jung
und schön, er konnte es aber nicht ohne Grau-
sen und ohne eine heimliche Furcht ansehen;
doch wollte er, was er versprochen hatte, hal-
ten. Die Alte führte dann beide auf den rech-
ten Weg, und daheim ward die Hexentochter
seine Gemahlin. Der König aber hatte noch
sieben Kinder von seiner ersten Frau, sechs
Buben und ein Mädchen, und weil er fürch-
tete, es könne ihnen von der Stiefmutter ein
Leids angethan werden, brachte er sie in ein
Schloß, das er mitten in einem Walde stehen
hatte. Es stand so verborgen, daß niemand den
Weg dahin wußte, und er selber hätte ihn
n'cht gefunden, wenn ihm nicht eine weise Frau
einen Knauel von Garn gegeben, wenn er den
vor sich warf, wickelte er sich auf und zeigte
ihm den Weg. Weil aber der König seine Kin-
der gar lieb hatte, ging er oft hinaus, da ward
die Königin neugierig, und wollte wissen, was
der König so viel allein in dem Wald zu thun
habe; sie forschte die Diener aus, und diese ver-
riethen ihr das ganze Geheimniß. Das erste
war nun, daß sie sich mit List den Knauel ver-
schaffte, dann nahm sie sieben kleine Hemdchen,
und ging hinaus in den Wald. Der Knauel
zeigte ihr den Weg, und als die sechs kleinen
Prinzen sie von weitem kommen sahen, freuten
sie sich, meinten ihr Vater käm und liefen her-
aus auf sie zu. Da warf sie über jeden ein
Hemdchen, und kaum hatte es ihren Leib be-
rührt, da waren sie in Schwäne verwandelt,
hoben sich auf in die Luft und flogen davon.
Sie meinte nun sie hätte alle Stiefkinder weg-
geschafft, und ging wieder heim, und so war
das Mädchen, das in seiner Kammer geblieben
war, errettet. Am andern Tag kam der König
in das Waldschloß, da erzählte es ihm, was ge-
schehen war, und zeigte ihm noch die Schwa-
nenfedern, die von ihren sechs Brüdern auf
den Hof gefallen waren. Der König erschrack,
gedachte aber nimmermehr, daß die Königin die
böse That vollbracht, und weil er besorgte, die
Prinzessin möge ihm auch geraubt werden,
wollte er sie mit sich nach Haus nehmen. Sie
fürchtete sich aber vor ihrer Stiefmutter und
bat ihn, er mögte sie nur noch die Nacht in
dem Schloß lassen; in der Nacht aber entfloh
sie, und gerade zu in den Wald hinein.
Als sie auch den ganzen Tag bis zum
Abend fortgegangen war, kam sie zu einer Wild-
Hütte. Sie stieg hinauf und fand eine Stube
mit sechs kleinen Betten; weil sie nun müde
war, legte sie sich unter eins und wollte da die
Nacht zubringen. Bei Sonnenuntergang aber
kamen sechs Schwäne durch das Fenster herein-
geflogen, sehten sich auf den Boden und bliesen
einander an, und bliesen sich alle Federn ab,
wie ein Tuch sich abstreift, und da waren es
ihre sechs Brüder. Sie kroch unter dem Bett
hervor, und die Brüder waren beides erfreut
und betrübt, sie zu sehen: „du kannst hier nicht
bleiben, sagten sie, das ist eine Räuberherberg,
wenn die Räuber von ihrem Zuge heimkom-
men, dann wohnen sie hier. Alle Abend kön-
nen wir uns aber eine Viertelstunde lang die
Schwanenhaut gänzlich abblasen, und auf so
lange unsere menschliche Gestalt haben, hernach
aber ist es wieder vorbei. Wenn du uns erlösen
willst, mußt du in sechs Jahren sechs Hemd-
lein aus Sternblumen zusammennähen, wäh-
rend der Zeit aber darfst du nicht sprechen und
nicht lachen, sonst ist alle Arbeit verloren."
Und ass die Brüder das gesprochen hatten, war
225
die Viertelstunde herum, und sie waren wieder
in Schwane verwandelt.
Am andern Morgen aber sammelte sich das
Mädchen Sternblumen, sehte sich dann auf einen
hohen Baum und fing an zu nähen: es redete
auch kein Wort und lachte nicht, sondern sahe
nur auf seine Arbeit. Auf eine Zeit jagte der
König, dem das Land gehörte in dem Wald,
und seine Jäger kamen zu dem Baum, auf
welchem es saß. Sie riefen ihm zu, es sollte
herabsteigen, weil es ihnen nun nicht antwor-
ten durfte, wollte es sie mit Geschenken befrie-
digen, und warf ihnen seine goldene Halskette
herab. Sie riefen aber noch immer, da warf
es seinen Gürtel, als auch dies nichts half sei-
ne Strumpfbänder endlich, alles, was es ent-
behren konnte, herunter, so daß es nichts mehr
als sein Hemdlein anbehielt. Den Jägern war
aber das alles nicht genug, sie stiegen auf den
Baum, hoben es herab und brachten es mit
Gewalt zum König. Der König war verwun-
dert über seine Schönheit, wickelte es in seinen
Mantel, setzte es vor sich aufs Pferd, und
führte es nach Haus, und ob es gleich stumm
war, liebte er es doch von Herzen, und es
ward seine Gemahlin. Des Königs Mutter
aber war böse darüber, sprach schlecht von ihr:
niemand wisse, woher die Dirne gekommen,
und sie sey des Königs Unwerth. Als sie nun
den ersten Prinzen zur Welt brachte, nahm die
Schwiegermutter ihn weg, bestrich ihr den
Mund mit Blut und gab dann bei dem König
vor, die Königin habe ihr eigen Kind gefressen,
und sey eine Zauberin. Der König aber, aus
größer Liebe, wollte es nicht glauben; darnach
als sie den zweiten Prinzen gebar, übte die
gottlose Schwiegermutter denselben Betrug,
und klagte sie wieder beim König an, und weil
sie nicht reden durfte, sondern immer stumm
saß und an den sechs Hemdern arbeitete, so
konnte sie nichts mehr erretten, und sie ward
zum Feuer verdammt. Der Tag kam heran,
wo das Urtheil sollte vollzogen werden, es war
gerade der letzte Tag von den sechs Zähren, und
sie war mit den sechs Hemdern fertig geworden,
nur an einem fehlte der linke Ermel. Wie sie
nun zum Scheiterhaufen geführt wurde, nahm
sie die sechs Hemder nnt sich, und wie sie oben
stand und eben das Feuer sollte angesteckt wer*
den, sah sie sechs Schwäne durch die Luft dcu
her ziehen, und über ihr sich herabsenken. Da
warf sie die Hemdlein hinauf, die fielen über
die Schwane hin, und kaum waren sie davon
berührt, so fiel ihre Schwanenhaut ab, und die
sechs Brüder standen leibhaftig vor ihr, nur
dem sechsten fehlte der linke 'Arm, und er hatte
dafür einen Schwanenflügel auf dem Rücken.
Da war ihr auch die Sprache wiedergegeben,
und
und sie erzählte, wie die Schwiegermutter sie
so boshaft verläumdet, dafür ward diese auf
den Scheiterhaufen gebracht und verbrannt, sie
aber lebte lange mit dem König und ihren sechs
Brüdern in Freuden. . ^ ^
50.
Dornröschen.
Ein König und eine Königin kriegten gae
keine Kinder, und hätten so gern eins gehabt.
Einmal saß die Königin im Bade, da kroch ein
Krebs aus dem Wasser ans Land und sprach:
„dein Wunsch wird bald erfüllt werden und du
wirst eine Tochter zur Welt bringen." Das
traf auch ein, und der König war so erfreut
über die Geburt der Prinzessin, daß er ein
großes Fest anstellen ließ, und dazu lud er auch
die Feen ein, die im Lande waren, weil er nur
zwölf goldene Teller hatte, konnte er eine nicht
einladen: es waren ihrer nemlich dreizehen. Die
Feen kamen zu dem Fest, und beschenkten das
Kind am Ende desselben.- die eine mit Tugend,
die zweite mit Schönheit und so die andern
mit allem, was nur auf der Welt herrlich und
zu wünschen war, wie aber eben die elfte ihr
Geschenk gesagt hatte, trat die dreizehnte her-
ein, recht zornig, daß sie nicht war eingeladen
worden und rief: „weil ihr mich nicht gebeten,
Kindermärchen. P
226
so sage ich euch, daß eure Tochter in ihrem
fünfzehnten Zahre an einer Spindel sich stechen
und todt hinfallen wird." Die Eltern erschra-
cken, aber die zwölfte Fee hatte noch einen
Wunsch zu thun, da sprach sie: „es soll aber
kein Tod seyn, sie soll nur hundert Zahr in ei;
nen tiefen Schlaf fallen."
Der König hoffte immer noch sein liebes
Kind zu erretten, und ließ den Befehl ausge-
hen, daß alle Spindeln im ganzen Königreich
sollten abgeschafft werden. Die Prinzessin aber
wuchs heran, und war ein Wunder von Schön-
heit. Eines Tags, als sie ihr fünfzehntes Zahr
eben erreicht hatte, war der König und die Kö-
nigin ausgegangen, und sie ganz allein im
Schloß, da ging sie aller Orten herum nach
ihrer Lust, endlich kam sie auch an einen alten
Thurm. Eine enge Treppe führte dazu, und
da sie neugierig war, stieg sie hinauf und ge-
langte zu einer kleinen Thüre, darin steckte ein
gelber Schlüssel, den drehte sie um, da sprang *
die Thüre auf und sie war in einem kleinen
Stübchen, darin saß eine alte Frau und spann
ihren Flachs. Die alte Frau gefiel ihr wohl,
und sie machte Scherz mit ihr und sagte, sie
wollte auch einmal spinnen, und nahm ihr die"
Spindel aus der Hand. Kaum aber hatte sie
die Spindel angerührt, so stach sie sich damit,
und alsbald fiel sie nieder in einen tiefen Schlaf.
— £27
Zn dem Augenblick kam der König mit dem
ganzen Hofstaat zurück, und da fing alles an
einzuschlafen, die Pferde in den Ställen, die
Tauben auf dem Dach, die Hunde im Hof, die
Fliegen an den Wänden, ja das Feuer, das
auf dem Heerde flackerte, ward still und schlief
ein, und der Braten hörte auf zu brutzeln, und
der Koch ließ den Küchenjungen los, den er an
den Haaren ziehen wollte, und die Magd ließ
das Huhn fallen, das sie rupfte und schlief,
und um das ganze Schloß zog sich eine Dorn-
hecke hoch und immer höher, so daß man gar
nichts wehr davon sah.
Prinzen, die von dem schönen Dornrös-
chen gehört hatten, kamen und wollten es be-
freien, aber sie konnten durch die Hecke nicht
hindurch dringen, es war als hielten sich die
Dornen fest wie an Händen zusammen, und sie
blieben darin hängen und kamen jämmerlich
um. So währte das lange, lange Zahre: da
zog einmal ein Königssohn durch das Land,
dem erzählte ein alter Mann davon, man glau-
be, daß hinter der Dornhecke ein Schloß stehe,
und eine wunderschöne Prinzessin schlafe darin
mit ihrem ganzen Hofstaat; sein Großvater
habe ihm gesagt, daß sonst viele Prinzen ge-
kommen wären und hätten hindurchdringen wol-
len, sie wären aber in den Dornen hängen ge-
blieben und todtgestochen worden. „Das soll
P 2
rri
I
-rf
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k'
•— 2L6 —
mich nicht schrecken, sagte der Königssohn, ich
will durch die Hecke dringen und das schöne
Dornröschen befreien;" da ging er fort, und
wie er zu der Dornhecke kam, waren es lauter
Blumen, die thaten sich von einander, und er
ging hindurch, und hinter ihm wurden es wie-
der Dornen. Da kam er ins Schloß, und in
dem Hof lagen die Pferde und schliefen, und
die bunten Jagdhunde, und auf dem Dach sa-
ßen die Tauben und hatten ihre Köpfchen in
den Flügel gesteckt, und wie er hineinkam, schlie-
fen die Fliegen an den Wänden, und das Feuer
der Küche, der Koch und die Magd/ra^KngV^
AZfafafu* er weiter, da lag der ganze Hofstaat und schlief,
und noch weiter, der König und die Königin;
und es war so still, daß einer seinen Athem
hörte, da kam er endlich in den alten Thurm,
da lag Dornröschen Und schlief. Da war der
Königssohn so erstaunt über ihre Schönheit,
daß er sich bückte und sie küßte, und in dem
Augenblick wgchc^sie^u^, mid der König und
Königin,AHMeHofstaat, und die
- Pferde > und die Hunde) und^die Taufen auf
hem Dach) und die Fliegen an^den^Wanden-
& .dir und das Feuer stand auf und flackerte und koch-
te das Essen fertig, und der Braten brutzelte
fort, und der Koch gab dem Küchenjungen ei-
ne Ohrfeige, und die Magd rupfte das Huhn
fertig. Da ward die Hochzeit von dem Königs-
sohn mit Dornröschen gefeiert, und sie lebten
vergnügt bis an ihr Ende.
I h Ia r 'TDa-nsn J
5i-
V o m Fundevogel.
Es war einmal ein Förster, der ging in
den Wald auf die Jagd, und wie er in den
Wald kam hörte er schreien, als obs ein klei-
nes Kind wäre, und ging dem Schreien nach,
so sah er endlich einen hohen Baum und oben
darauf saß ein kleines Kind, unter dem Baum
aber lag eine Frau, die schlief. Und als die
Frau unter dem Baum eingeschlafen war, hat-
te ein Raubvogel das Kind in ihrem Schooß
gesehen, flog hinzu,.nahm es mit seinem Schna-
bel weg, und setzte es auf den hohen Baum. £
Der Förster aber stieg hinauf, holte das '
Kind herunter und dachte.-,, du willst das Kind l
mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lehn-
chen zusammen aufziehen;" brachte es heim,
und die zwei Kinder wuchsen so mit einander
auf, das aber, das auf dem Baum gefunden
worden war, und weil es ein Vogel weggetra-
gen hatte, wurde Fundevog-el geheißen.
Fundevogel und Lehnchen hatten sich so lieb,
nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht
sah, wurde es traurig.
Der Förster hatte aber eine alte Köchin,
die nahm eines Abends zwei Eimer und fing
an Wasser zu schleppen und ging nicht einmal,
sondern vielemal hinaus an den Brunnen und
Lehnchen sah es: „hör einmal, alte Sanne,
was trägst du denn so viel Wasser zu?" —
wenn d»s keinen Menschen wieder sagen willst,
so will ich dirs wohl sagen. Da sagte Lehn-
chen, »ein, sie wollte es keinem Menschen wie-
der sagen, so sprach die Köchin: „morgen früh,
wenn der Förster auf die Jagd ist, da koche ich
das Wasser, und wennö in dem Kessel siedet,
werf ich den Fundevogel 'nein, und will ihn
darin kochen."
Und des andern Morgens in aller Frühe
stieg der Förster auf und ging ans die Jagd,
und als er weg war, lagen die Kinder noch im
Bett, da sprach Lehnchen zum Fundevogel:
verläßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch
nicht!" so sprach der Fundevogel: nun und
nimmermehr. Da sprach Lehnchen: „ich will
es dir nur sagen, die Sanne schleppte gestern
Abends so viel Eimer Wasser ins Haus, so
fragte ich sie, warum sie das thäte, so sagte
sie: wenn ichs keinem Menschen sagen wollte,
so wollte sie es mir wohl sage»; so sprach ich:
ich wollte es gewiß keinem Menschen sagen, da
sagte sie, morgen früh, wenn der Vater auf die
Jagd wäre, wollte sie den Kessel voll Wasser
sieden, und dich hineinwerfen und kochen. Wir
wollen aber geschwind aufsteigen, «ins anziehen
und zusammen fortgehen.
Also standen die beiden Kinder auf, zogen
sich geschwind an und gingen fort. Wie nun
das Wasser im Kessel kochte, ging die Kö-
chin in die Schlafkammer und wollte Funde-
vogel holen, um ihn hinein zu «verfen. Al-
lein, als sie hinein kam, und zu den Betten
trat, «varen die Kinder alle beide fort, so
wurde ihr grausam Angst und sprach vor sich:
„>vas «vtll ich nun sagen, »venn der Förster
heiin kommt und sieht, daß die Kinder rveg
sind. Geschwind hintennach, daß «vir sie wie-
der kriegen!"
Da schickte die Köchin drei Knechte nach,
die sollten laufen und die Kinder einlangen.
Die Kinder aber saßen vor dem Wald, und
als sie die drei Knechte von weitem laufen sa-
hen, sprach Lehnchen zuin Fundevogel: „ver-
läßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch
nicht!" So sprach Fundevogel: „nun und
nimmermehr!" Da sagte Lehnchen: ,, iverde
du zum Rosenstöckchen und ich zum Röschen
drauf!" Wie nun die drei Knechte vor den
Wald kamen, so war nichts da, als ein Rosen-
strauch und ein Röschen oben braus, die Kin-
der aber nirgends, da sprachen sie: hier ist
nichts zu machen und gingen heim, und sagten
vor die Köchin, sie hätten nichts in der Welt
gesehen, als nur? ein RosenstSckchen, mit einem
Röschen oben drauf. Da schalt die alte Kö-
chin.- „ihr Einfaltspinsel, ihr hattet das Ro-
ftnstöckchen sollen entzwei schneiden, und das
Röschen abbrechen und mit nach Haus brin-
gen, geschwind und thuts!" Sie mußten also
zunr zweitenmal hinaus und suchen. Die Kin-
der sahen sie aber von weiten kommen, da
sprach Lehnchen: „Fundevogel, verläßt du mich
nicht, verlaß ich dich auch nicht!" Fundevogel
sagte: „nun und nimmermehr." --- So werde
du eine Kirche, und ich die Krone darin!"
Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war
nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar-
in. Sie sprachen also zu einander r was sollen
wir hier machen, laßt uns nach Hause gehen!
Wie sie nach Haus kamen, fragte die Köchin,
ob sie nichts gefunden, so sagten sie nein, sie
hätten nichts gefunden, wie eine Kirche, da wä-
re eine Krone darin gewesen.. „Zhr Narren,
schalt die Köchin, warum habt ihr nicht die
Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge-
bracht?" Nun wachte sich die alte Köchin selbst
auf die Beine, und ging mit den drei Knech-
ten den Kindern nach. Die Kinder sahen aber
die drei Knechte von weitem kommen und die
Köchin wackelte hinten nach. Da sprach. Lehn-
chen: „Fundevogel, verlaßt du mich nicht, so
verlaß ich dich auch nicht," Da sprach der
— 235 —
Fttttdevogek: „nun und nimmermehr." So
sprach Lehnchen: „werde du zum Teich und ich
die Ente drauf!" Die Köchin aber kam herzu
und als sie den Teich sahe, legte sie sich drüber
hin und wollte ihn aussaufen, Aber die Ente
kam schnell geschwommen, faßte sie mit ihrem
Schnabel beim Kopf und zog sie ins Wasser
hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da
gingen die Kinder zusammen nach Haus, und
waren herzlich froh, und wenn sie nicht gestor-
ben sind, leben sie noch.
S2.
König Droßelbart.
Ein König hatte eine Tochter, die war
wunderschön, aber so stolz und übermüthig, daß
sie aus Eigensinn einen Freier nach dem andern
abwies und Spott mit ihnen trieb. Der König
ließ einmal ein großes Fest anstellen, und lud da-
zu alle heirathslustigen Männer ein, die wurden
in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand
geordnet, erst kamen die Könige, dann die Her-
zogen, Fürsten, Grafen und Barone, zuletzt
die Edelleute, da wurde die Königstochter durch
die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie im-
mer etwas auszusetzen. Besonders machte sie sich
über einen guten König lustig, der ganz oben
an stand und dem das Kinn krumm gewachsen
2 34
war, da sagte sie: „ei, der hat ein Kinn, wie
die Droßel einen Schnabel," und seit der Zeit
bekam er den Namen Droßelbart. Als nun
der alte König sahe, daß seine Tochter nichts
that, als über die Leute spotten, erzürnte er
so, baß er schwur, sie sollte den ersten besten
Bettler nehmen, der vor die Thür käme.
Eines Tages fing ein Spielmann an zu
singen unter ihrem Fenster, den hieß der Kö-
nig gleich hereinkommen, und so schmützig er
war, mußte sie ihn für ihren Bräutigam aner-
kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und
die Trauung ging vor sich. Wie die Trauung
vollzogen war, sprach der König zu seiner Toch-
ter: „e§ schickt sich nun nicht weiter, daß du
hier im Schloß bleibest, du kannst nur mit dei-
nem Mann fortziehen. "
Da zog der Bettelmann mit der Königs-
tochter fort, unterwegs kamen sie durch einen
großen Wald, und sie fragte den Bettelmann:
„ach, wem gehört doch der schöne Wald?" —
der gehört dem König Droßelbart,
hältst du'n genommen, so war er dein! —
„ich arme Jungfer zart,
ach hatt' ich doch genommen den König Dro-
ßelbart!"
Darauf kamen sie durch eine Wiese:
„wem gehört wohl die schöne grüne Wie-
se? —"
sie gehört dem König Droßelbart,
hattst du'n genommen, so war sie dein! —
„ich arme Jungfer zart,
ach harr' ich doch genommen den König Oro-
ßelbart!"
Endlich kamen sie durch eine Stadt:
„wem gehört wohl die schöne große Stadt?—"
sie gehört dem König Droßelbart,
hattst du'n genommen, so wär sie dein. —
„ich arme Jungfer zart,
ach hatt' ich doch genommen den König Dro-
ßelbart! "
der Spielmann wurde ganz mürrisch, daß sie
sich immer einen andern Mann wünschte und
sich gar nichts aus ihm machte; endlich so ka-
men sie an ein kleines Häuschen:
„ach Gort, was für ein Häuselein,
wem mag das elende, winzige Häuschen seyn?"
der Bettelmann sagte: „das Haus ist unser
Haus, wo wir wohnen, mach nur gleich Feuer
an und stell Wasser auf, daß du mir mein Es-
sen kochst, ich bin ganz müd." Die Königs-
tochter aber verstand nichts vom Kochen, und
der Mann mußte ihr nur mit helfen, so ging
es noch so leidlich, und wie sie gegessen hat-
ten, legten sie sich ins Bett schlafen. Des
Morgens aber mußte sie ganz früh aufstehen
und arbeiten, und so warö ein paar Tage schlecht
genug, bis der Mann endlich sagte-. „Frau, so
gehts nicht länger, daß wir hier zehren und
nichts verdienen, du sollst Körbe flechten." Da
ging er aus und schnitt Weiden, sie aber muß-
te anfangen Körbe zu flechten, die harten Wei-
den stachen ihr aber die Hände wund. „Ich
sehe du kannst das nicht, sagte der Mann, so
spinn lieber, das wird wohl besser gehen." Da
saß sie und spann, aber ihre Finger waren so
zart, daß der harre Faden ihr bald tief hinein-
schnitt und das Blut daran herunterlief. „Du
taugst zu keiner Arbeit recht, sagte der Mann
verdrießlich, ich will einen Topfhandel anfan-
gen, und du sollst auf dem Markt die Waare
feilhalten und verkaufen." Das erstemal gings
gut, die Leute kauften der schönen Frau gern
Töpfe ab und bezahlten, was sie forderte, ja
viele bezahlten und ließen ihr die Töpfe'noch
dazu. Wie nun alles verkauft war, handelte
der Mann eine Menge neu Geschirr ein, und
sie saß wieder damit auf dem Markt, und hoff-
te guten Gewinn, da kam ein betrunkener Hu-
sar daher geritten, mitten in die Töpfe hinein,
so daß sie in tausend Scherben sprangen. Da
fürchtete sich die Frau, und getraute sich den
ganzen Tag nicht heimzugehen, und als sie nun
endlich nach Haus ging-, war der Bettelmann
auf und davon.
So lebte sie einige Zeit ganz armselig und
in großer Dürftigkeit, da kam ein Mann und
237
lud sie zu einer Hochzeit. Sie wollte sich aller-
lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit-.,
lang davon leben, sie (hat also ihr Mäntelchen
um, und nahm einen Topf darunter und steckte
eine große lederne Tasche an. Auf der Hoch-
zeit aber war alles prächtig und vollauf, ihren
Topf füllte sie mit Suppe^ rnch. ihre Tasche mir
Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen,
aber einer von den Gästen verlangte, sie solle
Mit ihm tanzen, sie sträubte sich aus allen Kräf-
ten, das half aber nichts, er faßte sie an und
sie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der
Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und
die vielen Brocken sprangen aus der Tasche.
Als das die Gäste sahen, entstand ein allgemei-
nes Gelächter und Spotten; sie war so be-
schämt, daß sie sich lieber tausend Klafter un-
ter die Erde gewünscht hätte, Ed sprang zur
Thüre und wollte entfliehen. Auf der Treppe
aber holte sie ein Mann ein, und führte ssie
zurück, und wie sie ihn ansah, da war das der
König Droßelbart, der sprach: „ich und der
Bettelmann sind eins, und ich bin auch der
Husar gewesen, der dir die Töpfe entzwei ge-
ritten hat; und das alles ist nur dir zur Bes-
serung und zur Strafe geschehen, weil du mich
ehedem verspottet hast, jetzt aber soll erst unse-
re Hochzeit gefeiert werden." Da kam auch
ihr Vater und der ganze Hof, und sie ward
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2ZS
prächtig geputzt nach ihrem Stand, und das
Fest war ihre Vermählung mit dem König
Droßelbart. / ,<%/,«<>
53-
Sneewittchen (Schneeweißchen).
Es war einmal mitten im Winter, und die
Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel,
da saß eine schöne Königin an einem Fenster,
das hatte einen Nahmen von schwarzem Eben-
holz, und nähte. Und wie sie so nähte und
nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit
der Nadel in den Finger, und es fielen drei
Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das
Rothe in dem Weißen so schön aussah, so dach-
te sie: hätt ich doch ein Kind so weiß wie
Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie
dieser Rahmen. Und bald darauf bekam sie
ein Tichterlein, so weiß wie der Schnee, so
roth wie das Blut, und so schwarz wie Eben-
holz, und darum ward cs das Sneewittchen ge-
nannt.
Die Königin war die schönste im galizen
Land, imtz-Zar stolz auf ihre Schönheit, Sie
harte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle
Z'/’- Morgen und fragte:
„Spieglein, Spieglein au der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land? "
da sprach das Spieglein allzeit:
--Ihr, Frau Königin, seyd die schönste Frau
im Land."
Und da wußte sie gewiß, daß niemand schöner
auf der Welt war. Sneewittchen aber wuchs
heran, »iid^alL ^ sieben Jahr alt >vae. war es
so schön, tuafi cs selbst die Königin ^au—Schön-
Heit-Mettraf-, und als diese^ihren Spiegel
fragte:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wertst die schönste Frau in dem ganzen Land?"
sagte der Spiegel:
„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Snewilichen ist noch tausendmal schöner
als Ihr!"
Wie die Königin den Spiegel so sprechen hör-
te, warb sie blaß vor Neid, und von Stund
an haßte sie das Sneewittchen, und wenn sie
cs ansah, und gedacht, daß durch seine Schuld
sie nicht mehr die schönste auf der Welt sey,
kehrte sich ihr das Herz herum. Da ließ ihr
der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jäger
und sagte zu ihm: „führ das Sneewittchen
hinaus in den Wald an einen weiten abgelege-
nen Ort, da stichs todt, und zum Wahrzeichen
bring mir seine Lunge und seine Leber mit, die
will ich mit Salz kochen und essen." Der Za-
ger nahm das Sneewittchen und führte es hin-
aus, wie er aber den Hirschfänger gezogen hat-
te und eben zustechen wollte, da fing eö an zu
weinen, und bat so sehr, er mögt ihm sein Le-
ben lassen, eö wollt nimmermehr zurückkom-
men, sondern in dem Wald fortlaufen. Den
Jäger erbarmte eö, weil eö so schön war sirnd
^dachte: die wilden Thiere werden eö doch
bald gefressen haben, ich bin froh, daß ich eö
nicht zu tödten brauche, und weil gerade rin
junger Frischling gelaufen kam, stach er den
nieder, nahm Lunge und Leber heraus und
- bracht sie alö Wahrzeichen der Königin mix,
diel kochte sie mit Salz und aß sie auf, und
meinte sie hatte Sneewittchens Lunge und Le-
UA fwb^r gegessen.
Sneewittchen aber war in dem großen
y? Wald lnutter^Ug allein, so daß ihm recht
Angst ward plp** zu laufen und zu lam
^ über die spitzen Steine, und durch die Dor-
den ganzen Tag^ endlich, alö die Sonne
untergehen wollte, kam eö zu einem kleinen
Häuschen. Daö Häuschen gehörte sieben Zwer-
gen, die waren aber nicht zu Haus, sondern
in daö Bergwerk gegangen. Sneewittchen
ging hinein und fand alles klein, aber niedlich
und reinlich: da stand ein Tischlein mir sieben
kleinen Tellern, dabei sieben Löfflern^ sieben
Messerlein und Gablein, sieben Decherlein, und
an der Wand standen sieben Bettlein neben ein-
ander
7
ander frisch gedeckt. Sneewittchen war hungrig
und durstig, aß von jedem Tellerlein ein wenig
Gemüs und Brod, trank aus jedem Gläschen
einen Tropfen Wein, und weil es so müd war, y
wollte es sich schlafen legen. Da probirte es v ^ > M
die sieben Dettlein nach einander, keins war
chm -ober recht, bis auf daö siebente, in das legte {^3 ^
eg l'c!'
Wie es-Nacht- war, kamen die.sieben Zwer-
ge von Melk heim, undOMe« ihre sie. ^ '
ben Lichtlein an,(da sahen sie, daß jemand gtuiffc«,
ihrem Haus- gewesen war. Der erste sprach
„wer hat auf meinem Stühlchen gesessen?"
Der zweite: „wer hat von meinem Tellerchen
gegessen?" Der dritte: „wer hat von meinem
Bröochen genommen?" Der vierte: „wer hat
von meinem Gemüschen gegessen?" Der fünf-
te: „wer hat mit meinem Gabelchen gestochen?"
Der sechste: „wer hat mit meinem Messerchen
geschnitten?" Der siebente: „wer hat aus
meinem Becherlefn.getrunken?" .DarmO sah
der erste sich und saKe-- „ wer hat in mein
Bettchen getreten?" Der zweite.- „ei, in men
nem hat auch jemand gelegen?" und soeÄleE
weiter bis zum siebenten, wie der nach seinem
Bettchen sah, da fand er das Sneewittchen
darin liegen und schlafen. Da kamen die Zwer-
ge alle gelaufen, und schrieen vor Verwunde-
rung, und holten ihre sieben Lichtlein herbei,
Kindermärchen.
iCu^n ’XcvUk vtk/
_ <'* ^ ^ l'I( ö (aa Ja -UWl Jr-aoa' ^
V x>aj
und betrachteten das Sneewittchen,/,, ei du
mein Gott! ei du mein Ggtt! riefen sie, was
ist bas fchH!^ Sie hatte,Egrv^Freud^a^
ihm, asch nicht auf; m^-rtsefen es
uJ in dem Bettlein liegen; der siebente Zwerg aber
schlief bei seinen Gesellen, bei jedem eine Stun-
de, da war die Nacht herum. Als nun Sne§-
wittchen aufwachte, fragten sie. gs-, wer os-ssey^
und wie Ä- ttr ihr "Haus gekommen - da
erzählte es ihnen, wie seine Mutter es habe
wollen umbringen, der Jäger ihm aber das Le-
ben geschenkt, und wie eö den ganzen Tag ge-
laufen, und endlich zu ihrem Häuslein gekom-
men sey. Da hatten die Zwerge Mitleiden und
sagten.- „wenn du unsern Haushalt versehen,
und kochen, nähen, betten, waschen und stricken
willst, auch alles ordentlich und reinlich halten,
sollst du bei uns bleiben und soll dir an nichts
fehlen; Abends kommen wir nach Haus, da
muß das Essen fertig seyn, am Tage aber sind
wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du
allein; hüt dich nur vor der Königin und laß
niemand herein."
Die Königin aber glaubte, sie sey wieder
die allerschönste im Land, trat Morgens vor den
Spiegel und fragte:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land ? "
da antwortete der Spiegel aber wieder:
„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier:
aber Sneewittchen, über den sieben Be^en ist
noch tausendmal schöner als Ihr.'"
wie die Königin das hörte erschrack sie und sah
wohl, daß sie betrogen worden und < er Zäger
Sneewittchen nicht gerödtet hatte. Weil aber
niemand, als die sieben Zwerglein in den sieben
Bergen war, da wußte sie gleich, daß es sich
zu diesen gerettet harte, und nun saunte von
neuem nach, wie sie es umbringen denn
so lang der Spiegel nicht sagte, sie wär die
schönste Frau im ganzen Land, hatte sie keine
Ruh. Da war ihr alles nicht sicher und ge-
wiß genug, und sie verkleidete sich selber in ei-
ne alre Krämerin, färbte ihr Gesicht, daß sie
auch kein Mensch erkannte, und ging hmsLs «c
vor das Zwergenhaus. Sie klopfte an die Thur
und rief: „macht auf, macht auf, ich bin die
alte Krämerin, die gute Waare feil hat."
Sneewittchen guckte aus dem Fenster: „was
habt ihr denn?" — „Schnürriemen, liebes
Kind, sagte die Alte, und holte einen hervor,
der war von gelber, rother und blauer Seide
geflochten: „willst du den haben?" — Ei ja,
sprach Sneewittchen, und dachte die gute alte
Frau kann ich wohl hereinlassen, die meintö
redlich; riegelte also die Thüre auf und handel-
te sich den Schnürriemen. „Aber wie bist du
so schlampisch geschnürt, sagte die Alte, komm
Q 2
244
ich will bicf) einmal besser schnüren." Sneewitt-
chen stellte sich vor sie, da nahm sie den Schnür-
riemen und schnürte und schnürte es so fest,
daß ihm der Athem verging, und es für todt
hinfiel. Darnach war sie zufrieden und ging fort.
Bald darauf ward es Nacht, da kamen
die sieben Zwerge nach Haus, die erschracken
recht, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der
Erde liegen fanden, als wär es todt. Sie ho-
ben es in die Höhe, da sahen sie, daß es so
fest geschnürt war, schnitten den Schnürriemen
entzwei, da athmete es erst, und dann ward es
wieder lebendig. „Das ist niemand gewesen,
als die Königin, sprachen sie, die hat dir das
Leben nehmen wollen, hüte dich und laß keinen
Menschen mehr herein.^
Die Königin aber fragteUbren Spiegel:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?"
der Spiegel antwortete:
„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Sneewittchen bei den sieben Zwergelchen
ist tausendmal schöner al» Ihr."
Sie erschrack, daß das Blut ihr all zum Her-
zen lief, da sie sah, daß Sneewittchen wieder
lebendig geworden war. Darnach sann sie den
ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch
noch fangen wollte, und machte einen giftigen
Kamm, verkleidete sich in eine ganz andere Ge-
stalt, und ging wieder hinaus. Sie klopfte an
die Thür, Sneewittchen aber rief: „ich darf
niemand hereinlassen;" da zog sie den Kamm
hervor, und als Sneewittchen den blinken sah
und es auch jemand ganz fremdes war, so machte
es doch auf,und kaufte ihr denKamm ab. „Komm
ich will dich auch kämmen," sagte die Kräme-
rin, kaum aber stack der Kamm dem Snee-
wittchen in den Haaren, da fiel es nieder und
war todt. „Nun wirst du liegen bleiben,"
sagte die Königin, und ihr Herz war ihr leicht
geworden, und sie ging heim. Die Zwerge aber
kamen zu rechter Zeit, sahen -was-geschehen/
und zogen den giftigen Kamm aus den Haa,
ren, da schlug Sneewittchen die Augen auf,
und war wieder lebendig, und versprach den
Zwergen, es wollte gewiß niemand mehr ein-
lassen.
Die Königin aber stellte sich vor ihren
Spiegel:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land!"
der Spiegel antwortete:
„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Sneewittchen bei den sieben Zwergelchen
ist tausendmal schöner als Ihr!"
Wie das die Königin wieder hörte, zitterte und
bebte sie vor Zorn: „so soll das Sneewittchen
noch sterben, und wenn es mein Leben kostet!"
Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und
niemand durfte vor sie kommen, und da mach-
te sie einen giftigen, giftigen Apfel, äußerlich
0 > war er schön und rothbackig, und jeder der ihn
^ sah, bekam Lust dazu, Darauf verkleidete sie
typ* sich als Bauersfrau, ging vor das Zwerghaus
und klopfte an. Sneewittchen guckte und sag-
te: „ich darf keinen Menschen einlassen, die
Zwerge haben mirs bei Leibe verboten."„Nun,
wenn Ihr nicht wollt, sagte die Bäuerin, kann
ich euch nicht zwingen, meine Aepfel will ich
schon los werden, da, einen will ich euch zur
Probe schenken." „Nein, ich darf auch
nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollens
nicht haben." — „Ihr mögt Euch wohl fürch-
ten, da will ich den Apfel entzwei schneiden
und die Hälfte essen, da den schönen rothen
Backen sollt Ihr haben;" der Apfel war aber
so künstlich gemacht, daß nur die rothe Hälfte
vergiftet war. Da sah Sneewittchen, daß die
Bäuerin selber davon aß, und sein Gelüsten
darnach ward immer größer, da ließ es sich end-
lich die andere Halste durchs Fenster reichen,
und biß hinein, kamn aber hatte es einen Bis-
sen im Mund, soviel es todt zur Erde,
Die Königin aber freute sich, ging nach Haus
und fragte den Spiegel:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?"
da antworte er:
„Ihr, Frau Königin, seyd die schönste Frau
im Land!"
„Nun hab ich Ruhe" sprach sie, da ich wieder
die schönste im Lande bin, und Sneewittchen
wird diesmal wohl todt bleiben,"
Die Zwerglein kamen Abends aus den Berg-
werken nach Haus, da lag das liebe Sneewitt-
chen auf dem Boden und war todt. Sie schnür-
ten es auf,sahen, ob sie nichts giftiges in
seinen Haarerl fänden, es half aber alles nichts,
sie konnten es nicht wieder lebendig machen. Sie
legten es auf eine Bahre, sehten sich alle sieben
daran, weinten und weinten drei Tage lang,
dann wollten sie es begraben, da sahen sie aber
daß es noch frisch und gar nicht wie ein Todter
aussah, und daß es auch seine schönen rothen
Backen noch hatte. Da ließen sie einen Sarg
von Glas^machen, legten es hinein, daß man
es recht sehen konnte, schrieben auch mit golde-
nen Buchstaben seinen Namen darauf und sei-
ne Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu
Haus und bewachte es.
So lag Sneewittchen lange, lange Zeit
in dem Sarg und verweste nicht, war noch so
weiß als Schnee, und so roth als Blut, und
Wenns die Aeuglein hatte können aufthun, wL-
ren sie so schwarz gewesen wie Ebenholz, denn
es lag da, als wenn es schlief. Einmal kam
ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und
wollte darin übernachten, und wie er in die
Stube kam und Sneewittchen in dem Glas-
sarg lirtzen sah, auf das die sieben Lichtlein so
recht ibren Schein warfen, konnt er sich^Licht
satt an seiner Schönheit sehen, und U& die
goldene Inschrift und s^^daß es eine Königs-
tochter war. Da bat er die Zwerglein, sie soll-
ten ihm den Sarg mit dem todten Sneewitt-
chen verkaufen, die wollten aber um alles Gold
nicht; da bat er sie, sie mögten es ihm schen-
ken, er könne nicht leben ohne es zu sehen, und
er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein
Liebstes auf der Welt. Da waren die Zwerg-
lein mitleidig und gaben ihm den Sarg, der
Prinz aber ließ ihn in sein Schloß tragen, und
ließ ihn in seine Stube setzen, er selber saß den
ganzen Tag dabei, und konnte die Augen nicht
abwenden; 'und wenn er aus mußte gehen und
konnte Sneewittchen nicht sehen, ward er
traurig, und er konnte auch keinen Bissen essen,
wenn der Sarg nicht neben ihm stand. Die
Diener aber, die beständig den Sarg herum-
tragen mußten, waren bös darüber, und einer
machte einmal den Sarg auf, hob Sneewitt-
chen in die Höh und sagte: um so eines tod-
249
ten Mädchens willen, werden wir den ganzen
Tag geplagt," und gab ihm mit der Hand ei-
nen Stumpf in den Rücken. Da fuhr ihm
der garstige Apfelg.rütz, den es abgebissen hatte,
aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie-
der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin-
zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden
thun sollte, als sein liebes Sneewittchen le-
bendig war, und sie setzten sich zusammen an
die Tafel und aßen in Freuden.
Auf den andern Tag. ward die Hochzeit
bestellt, und Sneewittchens gottlose Mutter,
auch eingeladen. Wie sie nun am Morgen vor
dem Spiegel trat und sprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land!"
da antwortete er:
„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber die junge Königin ist tausendmal schöner
als Ihr!"
Als sie das hörte, erschrack sie, und es war ihr
so Angst, so Angst, daß sie es nicht sagen
konnte. Doch trieb sie der Neid, daß sie auf
der Hochzeit die junge Königin sehen wollte,
und wie sie ankam, sah sie, daß es Sneewitt-
chen war; da waren eiserne Pantoffeln im Feuer
glühend gemacht, die mußte sie anziehen und
darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmer-
250
lich verbrannt, und sie durfte nicht aufhören bis
sie sich zu todt getanzt hatte.
it Sir fa-t /t’
54.
'cfr. ««**-*'- Hans Dumm.
Es war ein König, der lebte mit selber
Tochter, die sein einziges Kind war, vergnügt:
auf einmal aber brachte die Prinzessin ein Kind
zur Welt, und niemand wußte, wer der Parer
war; der König wußte laug nicht, was er an-
fangen sollte, am Ende befahl er, die Prinzes-
sin solle mir dem Kind in die Kirche gehen, da
sollte ihm eine Citrone in die Hand gegeben
werden, und wem es die reiche, solle der Va-
ter des Kinds und Gemahl der Prinzessin seyn.
Das geschah nun, doch war der Befehl gege-
ben, daß niemand als schöne Leute in die Kir-
che sollten eingelassen werden. Es war aber in
der Stadt ein kleiner, schiefer und buckelichter
Bursch, der nicht recht klug war, und darum
der Hans Dumm hieß, der drängte sich unge-
sehen zwischen den andern auch in die Kirche,
und wie das Kind die Citrone austheilen soll-
te, so reichte es sie dem Hans Dumm. Die
Prinzessin war erschrocken, der König war so
aufgebracht, daß er sie und das Kind mit dem
Hans Dumm in eine Tonne stecken und aufs
Meer sehen ließ. Die Tonne schwamm bald
t
251
fort, und wie sie allein auf dem Meere waren,
klagte die Prinzessin und sagte: „du garstiger,
buckelichter, naseweiser Bub, bist an meinem
Unglück Schuld, was hast du dich in die Kir-
che gedrängt, das Kind ging dich nichts an."
— //0 ja, sagte Hans Dumm, das ging mich
wohl etwas an, denn ich habe es einmal ge-
wünscht, daß du ein Kind bekämst, und was
ich wünsche, das trifft ein." — „Wenn das
wahr ist, so wünsch uns doch, was zu essen
hierher." „Das kann ich auch, sagte Hans
Dumm, wünschte sich aber eine Schüssel recht
voll Kartoffel, die Prinzessin hätte gern etwas
Besseres gehabt, aber weil sie so hungrig war,
half sie ihm die Kartoffel essen. Nachdem sie
satt waren, sagte Hans Dumm: „nun will
ich uns ein schönes Schiff wünschen!" und
kaum hatte er das gesagt, so saßen sie in ei-
nem prächtigen Schiff, darin war alles zum Ue-
berfluß, was man nur verlangen konnte. Der
Steuermann fuhr grad ans Land, und als sie
ausstiegen, sagte Hans Dumm: „nun soll ein
Schloß dort stehen!" Da stand ein prächtiges
Schloß und Diener in Goldkleidern kamen und
führten die Prinzessin und das Kind hinein,
und als sie mitten in dem Saal waren, sagte
Hans Dumm: „nun wünsch ich, daß ich ein
junger und kluger Prinz werde!" Da verlor
sich sein Buckel, und er war schön und gerad
und freundlich, und er gefiel der Prinzessin gut
und ward ihr Gemahl.
So lebten sie lange Zeit vergnügt; da ritt
einmal der alte König aus, verirrte sich, und
kam zu dem Schloß. Er verwunderte sich dar-
über, weil er es noch nie gesehen und kehrte
ein. Die Prinzessin erkannte gleich ihren Va-
ter, er aber erkannte sie nicht, er dachte auch,
sie sey schon langst im Meer ertrunken. Sie be-
wirthete ihn prächtig, und als er wieder nach
Haus wollte, steckte sie ihm heimlich einen
goldenen Becher in die Tasche. Nachdem er
aber fortgeritten war, schickte sie ein paar Reu-
ter nach, die mußten ihn anhalten und unter-
suchen, ob er den goldenen Becher nicht gestoh-
len, und wie sie ihn in seiner Tasche fanden,
brachten sie ihn mit zurück. Er schwur der
Prinzessin, er habe ihn nicht gestohlen, und
wisse nicht, wie er in seine Tasche gekommen
sey, „darum, sagte sie, muß man sich hüten,
jemand gleich für schuldig zu halten," und gab
sich als seine Tochter zu erkennen. Da freute
sich der König und sie lebten vergnügt zusam-
men, und nach seinem Tod, ward Hans Dumm
mi3' E.
\
— 253 —
55-
Rumpelstilzchen.
Es war einmal ein Müller, der war arm,
aber er hatte eine schöne Tochter. Und es traf
sich, daß er nm dem König zu sprechen kam
und ihm sagte: „ich habe eine Tochter, die weiß
die Kunst, Stroh in Gold zu verwandeln."
Da ließ der König die Müllerstochter alsogleich
kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer
voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver-
wandeln, und könne sie es nicht, so müsse sie
sterben. Sie wurde in die Kammer eingesperrt,
saß da und weinte, denn sie wußte um ihr Le-
ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold
werden sollte. Da trat auf einmal ein klein
Männlein zu ihr, das sprach: „was giebst du
mir, daß ich alles zu Gold mache?" Sie that
ihr Halsband ab und gabs dem Männlein, und
es that, wie es versprochen hatte. Am andern
Morgen fand der König die ganze Kammer
voll Gold; aber sein Herz wurde dadurch nur
noch begieriger, und er ließ die Müllerstochter
in eine andere, noch größere Kammer voll Stroh
thun, das sollte sie auch zu Gold machen. Und
das Männlein kam wieder, sie gab ihm ihren
Ring von der Hand, und alles wurde wieder
zu Gold. Der König aber hieß sie die dritte
* -
Nacht wieder in eine dritte Kammer sperren,
die war noch größer als die beiden ersten und
ganz voll Stroh, „und wenn bit das auch ge/
lingt, sollst du meine Gemahlin werden." Da
kam das Männlein und sagte: „ich will es
noch einmal thun, aber du mußt mir das erste
Kind versprechen, das du mit dem König be/
kommst." S?e versprach es in der Noth, und
wie nun der König auch dieses Stroh in Gold
verwandelt sah, nahm er die schöne Müllers/
tochter zu seiner Gemahlin.
Bald darauf kam die Königin ins Wochen/
bett/ da trat das Männlein vor die Königin
und forderte das versprochene Kind. Die Kö-
nigin aber bat, was sie konnte und bot dem
Männchen alle Reichthümer an, wenn es ihr
ihr Kind lassen wollte, allein alles war verge-
bens. Endlich sagte es: „in drei Tagen komm
ich wieder und hole das Kind/ wenn du aber
dann meinen Namen weißt, so sollst du das
Kind behalten!"
Da sann die Königin den ersten und zwei-
ten Tag/ was doch das Männchen für einen
Namen hätte/ konnte sich aber nicht besinnen,
und ward ganz betrübt. Am dritten Tag aber
kam der König von der Jagd heim und erzähl-
te ihr: ich bin vorgestern auf der Jagd gewe-
sen, und als ich tief in den dunkelen Wald
kam, war da ein kleines Haus und vor dem
— 25Z —
Haus war ein gar zu lächerliches Männchen,
das sprang als auf einem Bein davor herum,
und schrie:
„heute back ich, morgen brau ich,
übermorgen hohl ich der Frau Königin ihr
Kind,
ach wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelstilzchen heiß!"
Wie die Königin das hörte, ward sie ganz froh
und als das gefährliche Männlein kam, frug
es: Frau Königin, wie heiß ich? — „heißest
du Conrad?" — Nein. — „Heißest du Hein-
rich?" — Nein.
Heißt du etwa Rumpelstilzchen?
Das hat dir der Teufel gesagt! schrie das ^ ^
Männchen,+ kef-zornig A
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56. ' A
Dev Liebste Roland. äw Cr:'>
*** -vVft , l
war einmal eine Mutter, die hatte nur
ihre rechte Tochter lieb und haßte ihre Stieft ' '
tochter, die doch tausendmal schöner und besser
war. Einmal halte diese eine schöne Schürze,
darüber war die andere neidisch und verlangte
von der Mutter, sie solle ihr diese Schürze
verschaffen. Die Mutter sagte: „sey still, mein
liebes Kind, du sollst sie haben, deine Stieft
Vy-ss,:'1
schwester hat doch schon lange den Tod ver-
dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und
schieb sie recht vorne hin, dann will ich kom-
men, wenn sie schläft, und will ihr den Kopf
abhauen." Die Stiefschwester aber hatte in
einer Ecke gestanden und alles mit angehört,
da ließ sie die böse Schwester erst zu Bett ge-
hen, daß sie hinten hin kam, wie sie aber ein-
geschlafen war, hub sie sie auf und. legte sie
vorne hin, sich aber ganz hinten. Da kam die
Mutter in der Nacht geschlichen, fühlte erst ob
vorne jemand lag und schlief, dann faßte sie
die Axr mit beiden Handen und hieb und hieb
ihrem eigenen Kind den Kopf ab.
Wie sie fortgegangen war, stand das Mäd-
chen auf und ging zu seinem Liebsten Roland,
klopfte an und rief: „hör, wir müssen fort, die
Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeschlagen,
und meint sie hätte mich getroffen, kommt der
Tag und sie sieht, was sie gethan, so bin ich
verloren; da hab ich ihren Zauberstab genom-
men, damit können wir uns schon helfen."
Der Liebste Roland stand auf, und sie nahmen
erst den todten Kopf und tröpfelten drei Bluts-
tropfen, einen vors Bett, einen in die Küche
und einen auf die Treppe; darauf gingen sie
fort. Am Morgen, als die Mutter aufgestan-
den war, ri^f sie ihrer Tochter: „komm, du
sollst jetzt die «Schürze haben, die Tochter kam
aber
der Treppe, die kehr ich," sprach der eine
Blutstropfen. Da ging sie hinaus; auf der
Treppe war niemand: „wo bist du denn?" —
„Ei! hier in der Küche, beim Feuer, da warm
ich mich!" rief der zweite Blutstropfen; sie
ging in die Küche, aber sie sah niemand: „wo
bist du denn aber?" — „Ach! hier am Bett,
da schlaf ich!" sie lief in die Kammer ans
Bett, da sah sie ihr eigen Kind in seinem Blu-
te schwimmen. Da erschrack sie und merkte,
daß sie betrogen war, und ward zornig, weil
sie aber eine H^xe war, konnte sie weit in die
Welt hineinsehen, und sah ihre Stieftochter
mit ihren Liebsten forteilen, und sie waren schon
weit weg. Alsbald zog sie ihre Meilenstieseln
an, und ging ihnen nach, harte sie auch bald
eingeholt; das Mädchen aber hatte durch den
Zauberstab gewußt, daß sie verfolgt würden,
und sich in einen See, ihren Liebsten Roland
aber in eine Ente verwandelt, die schwamm
darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam,
setzte sie sich an das Ufer und suchte die Ente
mit Brod zu locken, aber es war alle Mühe ver-
geblich, am Abend müßte sie unverrichteter Sa-
che heimgehen. Die zwei nahmen ihre mensch-
liche Gestalt wieder an, und gingen weiter, wie
aber der Tag anbrach wurden sie wieder von
der Here verfolgt. Da verwarchelte sich das
erurarchrn- R
Mädchen in eine schöne Blume, die mitten in
einer Domhecke stand, ihren Liebsten Roland
aber in einen Geigenspieler. Wie die Alte an-
kam, fragte sie den Spielmann, ob sie sich die
Blume abbrechen dürfe, „o ja, antwortete der,
nur will ich dazu aufspielen." Da kroch sie i»
die Hecke und suchte zu der Blume zu reichen;
wie sie aber mitten darin war, fing er an zu
spielen, und da mußte sie darnach tanzen und
tanzen ohne Aufhören, daß ihr die Dornen die
Kleider vom Leibe rissen und sie blutig stachen,
so lang, bis sie todt hinfiel.
Da waren beide frei. RStand aber sprach
zu dem Mädchen: „nun will ich heim gehen
zu meinem Vater, und die Hochzeit bestellen."—
„Da will ich mich indessen in einen rothen Feld-
stein verwandeln, und hier bleiben und warten,
bis du wieder kommst." Da stand es als ein
rother Stein und wartete lang auf seinen Lieb-
sten, aber der kam nicht wieder und hatte sie
vergessen, und als er gar nicht kommen wollte,
ward es ganz traurig und verwandelte sich in
eine Blume, und dachte, cs wird mich ja bald
jemand umtreten. Ein Schäfer aber fand die
Blume, und weil sie so schön war, nahm er
> sie mit sich, und legte sie daheim in seinen Ka-
sten. Von nun an aber ging es wunderlich
bei dem Schäfer zu: wenn er des Morgens
aufwachte, so war alles im Haus gethan, ge-
kehrt, gepuht, Feuer angemacht, und kam er
Mittags nach Haus, war das Essen gekocht,
der Tisch gedeckt und aufgetragen; er konnte
aber nicht begreifen, wie das zuging, sah auch
niemals einen Menschen in seinem Haus. Und
ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch
zuletzt Angst dabei, und er fragte eine weise
Frau darüber, die sagte, das sey Zauberei, er
solle einmal Morgens früh Acht geben, ob sich
etwas in der Stube bewege, und wenn er et,
was sehe ein weißes Tuch darüber werfen.
Das that er, und am andern Morgen sah er,
wie sich der Kasten aufrhat uno die Blume her-
auskam, er sprang herzu und warf em Tuch
darüber, da war die Verwandlung vorbei, und
das schöne Mädchen, das sein Liebster Roland
vergessen hat, stand vor ihm. Der Schäfer
wollte es heirathen, es sagte aber nein, es
wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald
darauf hörte es, daß Roland Hochzeit halten
und eine andere heirathen wolle; dabei mußte
jeder im Land nach einem alten Gebrauch, sin-
gen. Da kam das treue Mädchen auch hin, und
wollte immer nicht singen, bis zu allerletzt, da
mußte eö; wie es aber anfing, da erkannte es
Roland gleich, sprang auf und sagte: das sey
seine rechte Braut, er wolle keine andere und
vermählte sich mit ihr; da war sein Leid zu
End und seine Freude ging an.
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Vom goldnen Vogel.
Ein gewisser König hatte einen Lustgarten,
in dem Garten stund ein Baum und der Baum
trug goldne Aepfel. Wie sie nun zeitig gewor-
den waren, fehlte gleich nach der ersten Nacht
ein Apfel, so daß der König zornig war, und
seinen Gärtner befahl, alle Nächte unter dem
Baum Wacht zu halten. Der Gärtner hieß
seinen ältesten Sohn wachen, aber um zwölf
Uhr Mitternachts schlief er ein, und am an-
dern Morgen fehlte schon wieder ein Apfel.
Da ließ der Gärtner seinen zweiten Sohn in
der folgenden Nacht wachen, aber um zwölf
Uhr Mitternacht da schlief er auch ein, und
deö Morgens fehlte noch ein Apfel. Da woll-
te nun der dritte Sohn wachen, und der Gärt-
ner war es erst nicht zufrieden, endlich gab ers
doch zu, und der dritte Sohn legte sich unter
den Baum, und wachte und wachte, und als
es zwölf schlug, da rauschte es so durch die
Luft, und ein Vogel kam geflogen, der war
ganz von purem Gold, und wie er gerade mit
seinem Schnabel nach einem Apfel picken woll-
te, da war der Sohn des Gärtners her, und
schoß eilends einen Pfeil auf ihn ab. Der
Pfeil aber that dem Vogel nichts, als daß er
ihm eine goldne Feder ausschoß, worauf er
schnell fortflog. Die goldne Feder wurde nun
des andern Morgens hin zum König gebracht,
der alsbald seinen Rath versammelte. Jeder-
mann erklärte aber einmüthig, daß diese Feder
allein mehr werth wäre, als das gesammte Kö-
nigreich. So sprach der König: „nun hilft
mir die eine Feder zu nichts, sondern ich will
und muß den ganzen Vogel haben."
Da machte sich der älteste Sohn auf, und
gedachte den goldenen Vogel schon zu finden.
Hub wie er eine Strecke gegangen war, kam er
an einen Wald; vor dem Wald saß ein Fuchs,
gleich nahm er seine Flinte nnd zielte auf ihn.
Da hub der Fuchs an: „schieß mich nicht, so
will ich dir guten Rath geben, ich weiß schon,
wo du hin willst, du denkst den goldenen Vo-
gel zu suchen, wenn du nun heut Abend in
ein Dorf kommst, wirst du zwei Wirthshäuser
stehen sehen, gegeneinander über, im einem
gehtö hell und lustig her, geh aber nicht in
das hinein, sondern ins andere, wenn es dich
schon schlecht ansteht!" Der Sohn aber dach-
te: was kann mir ein Thier ordentliches ra-
then, nahm die Flinte und drückte ab, aber er
fehlte den Fuchs, der nahm den Schwanz auf
den Rücken und lief schnell zum Wald hinein.
Der älteste Sohn sehte seine Reise fort, und
Abends kam er in das Dorf, wo die beiden
Wirthshäuser standen, in dem einen wurde ge-
sungen und gesprungen, das andere halte ein
armseliges, betrübtes Ansehen. „Ei, ich wär
wohl ein rechter Narr, daß ich in das lumpige
Wirthshaus ginge und das schöne liegen ließe!"
ging damit in das lustige zur Thüre hinein,
lebte vollauf in Saus und Braus und vergaß
den Vogel und seine Heimath,
Die Zeit verstrich, und wie der älteste Sohn
immer und immer nicht nach Haus kam, so
machte sich der zweite auf, und alles begegnete
ihm gerade eben so, mit dem Fuchs und dem
guten Rath, aber wie er vor die zwei Wirths-
Häuser kam, stand sein ältester Bruder im Fen-
ster Hessen, wo der Zuhei war, und rief ihn
hinein, so daß er nicht widerstehen konnte und
eö da guter Dinge seyn ließ.
Die Zeit verstrich, da wollte der jüngste
Sohn auch in die Welt gehen, allein der Var
ter wollte es lange nicht zulassen, denn er hat»
te ihn gar lieb und furchte sich, es möchte ihm
auch ein Unglück zustoßen, daß er auch nicht
wiederkäme. Doch endlich, wie keine Ruh mehr
war, ließ er ihn ziehen, und vor dem Wald btt
gegnete ihm auch wieder der Fuchs, und gab
ihm den guten Rath. Er war aber gutmüthig,
und schenkte ihm das Leben, da sagte der Fuchs?
steig hinten auf meinen Schwanz, so geht«
schneller. Und wie er sich darauf gesetzt hatte.
26z
fing der Fuchs an zu laufen, da gings über
Stock und Stein, daß die Haare im Winde
pfiffen.
Und als sie vor dem Dorf waren, stieg der
Sohn ab, folgte dem Rath und trat, ohne sich
umzusehen, in dem armen Wirthshaus wo
er ruhig übernachtete. Am andern Morgen
stand der Fuchs wieder auf dem Weg und sag-
te? „gerade fort, endlich wirst du an ein Schloß
kommen, vpr dem ein ganz Regiment Solda-
ten liegt, die werden alle schlafen und schnar-
chen, kümmere dich aber nicht darum, sondern
tritt ins Schloß hinein, so ivirst du zuletzt in-
wendig in eine Stube kommen. Zn der Stu-
be wird der goldne Vogel in einem hölzernen
Käfig hangen, nebenan steht noch ein anderer
prächtiger Go'dkäfig zum Staat, thu ihn aber
nicht etwa aus dem schlechten Käfig heraus,
um ihn in den guten zu setzen, sonst möchte es
schlimm gehen." Nach diesen Worten streckte
der Fuchs wieder seinen Schwanz aus und der
Sohn setzte sich drauf, da gings über Stock
und Stein, daß die Haare im Wind pfiffen.
Vor dem Schloß traf nun alles so ein, er
trat in das Zimmer, da hing der goldne Vogel j
im hölzernen Käfig, daneben stand ein goldener
3M
und die drei goldne Aepfel lagen in der Stube \ö<yh^
herum. Da dachte er? das wäre ja lächerlich, , i- j
wenn ich den schönen Vogel in dem garstigen vj'/4,
Käfig lassen sollte, machte die Thüre auf, pack-
te ihn und that ihn in den goldenen Käsig.
Zudem hub der Vogel so mörderlich an zu
schreien, daß die ganzen Soldaten davon er/
wachten, die nahmen ihn gefangen und führten
ihn vor den König. Den andern Morgen wur-
de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt,
und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der
einen Bedingung soll ihm das Leben geschenkt
seyn, wenn er dem König das goldne Pferd
bringe, das schnell wie der Wind laufe, und
dazu solle ihm der goldne Pogel obendrein ge-
schenkt werden.
Betrübt machte er sich auf den Weg und
seufzte; auf einmal stand der Fuchs wieder da
und sagte: „siehst du, so ist es gekommen, weil
du mir nicht gehört hast, doch will ich dir noch
einmal rathen, wie du das goldne Pferd be-
kommen kannst, wenn du mir folgen willst. Du
mußt gerades Wegs fortgehen, bist du zu dem
Schloß kommst, worin das Pferd im Stall
steht, vor dem Stall werden die Stallknechte
schlafen und schnarchen, da kannst du geruhig
das goldne Pferd herausführen, allein leg ihm
nur den schlechten Sattel von Holz und Leder,
und nicht den goldenen^ auf^der dabei hängt. "
Darauf setzt er sich auf den Fuchsschwanz und
es ging weg über Stock und Stein/ daß die
Alles traf so ein, die Stallknechte schnarch-
ten und hielten goldne Sättel in den Händen.
Und als er das goldne Pferd sah, dauerte es
ihn, den schlechten Sattel aufzulegen: es wird
ganz verschändet, ich will ihm einen guten ge-
ben, wie sichs gebührt. Und wie er dem einen
Stallknecht den guten Sattel nehmen wollte,
wachte er auf und die andern miteinander, daß
alles herzulief und er ins Gefängniß geworfen
wurde. Den andern Morgen wurde er wieder
zum Tode verurtheilt, doch sollte ihm das Le-
ben und dazu der Vogel und das Pferd ge,
schenkt seyn, wenn er die wunderschöne Prin-
zessin herbeischaffe.
Traurig machte der Sohn sich auf; und
bald, so stand der alte Fuchs da: „warum hast
du mir nicht gehört, jetzt hättest du den Vogel
und das Pferd, doch will ich dir noch einmal
rathen: „geh geradezu, Abends wirst du beim
Schloß anlangen, und Nachts um zwölf Uhr
badet die Prinzessln im Badhaus, da geh hin-
ein und gieb ihr einen Kuß, hernach kannst du
sie mit fortnehmen, nur leide nicht, daß sie vor-
her von ihren Eltern Abschied nimmt." Der
Fuchs streckte seinen Schwanz, und so ging es
über Stock und Stein, daß die Haare pfiffen.
Als er beim Schloß ankam, war es alles
so, und Nachts gab er der Prinzessin den Kuß
im Badehauö, und sie wollte gern mit ihm ge-
he«, bat ihn aber mit vielen Thränen, er sollte
ihr vorher nur erlauben, von ihrem Vater Ab-
schied zu nehme». Erst schlug ers ab, allein
sie weinte immer mehr und fiel ihm zu Fuß,
bis daß ers zuließ; kaum aber kam sie zu ih-
rem Vater, so wachte er und jedermann-auf,
und er wurde wieder gefangen gesetzt.
Der König sprach; „meine Tochter be-
kommst du nun einmal nicht, es sey denn, daß
du mir binnen acht Tagen den Berg ab-
trägst, der mir vor meinem Fenster die Aus-
sicht nimmt." Dieser Berg war aber so groß,
so groß, daß ihn die ganze Welt nicht hätte
abtragen können. Wie er nun sieben ganzer
Tage sortarbeitete und doch sah, wie wenig zu
Stande kam, so fiel er in großen Kummer,
aber am Abend des siebenten Tages kam der
Fuchs und sprach.- „leg dich nur hin schlafen,
ich will die Arbeit für dich thun." Und wie
er des andern Morgens erwachte, war der
Berg fort, und fröhlich ging er zum König und
sagte ihm, daß nun der Birg abgetragen wäre,
er sollte ihm nun die Prinzessin geben. Da
mußte es der König wohl thun, und die beiden
zogen fort, der Fuchs aber kam und sagte;
„nun müssen wir sie alle drei haben, die Prin-
zessin, das Pferd und den Vogel." — „Za,
wenn du das machen könntest, sagte der Jüng-
ling, das soll dir aber schwer werden." ■*-
„Wenn du nur hören willst, soll es schon ge-
hen, antwortete der Fuchs, Wenn du nun
zum König kommst, der die wunderschöne Prin-
zessin verlangt, so sag ihm: hier wäre sie. Dar-
auf wird gräßliche Freude seyn; sodann setz dich
aufs Pferd, das sie dir geben müssen, und reich
allen zum Abschied die Hand, der Prinzessin
aber zuletzt, und zieh sie dann mit einem
Schwung hinauf aufs Pferd und gieb die
Sporen.
Dies alles geschah so. Da sprach der Fuchs
weiter: jetzt, wenn wir vors Schloß kommen,
wo der Vogel ist, so bleibe ich mit der Prin-
zessin vor dem Thor stehen, und du reitest hin-
ein und sprichst: sie sähen doch nun, daß dies
das rechte Pferd wäre, so werden sie den Vo-
gel bringen, du aber bleib sitzen, und sag du
wolltest sehen, ob es auch der rechte Vogel wä-
re, und wenn du ihn in der Hand hast, so
jage fort.
Alles ging gut, und wie er den Vogel hat-
te, setzte sich die Prinzessin wieder auf, und sie
ritten weiter bis in einen großen Wald. Da
kam der Fuchs und bat: „er möchte ihn doch rodt-
schießen, und ihm Kopf und Pfoten abhauen."
Allein der Jüngling wollte es durchaus nicht
thun. „So will ich dir wenigstens einen gu-
ten Rath geben: vor zwei Stücken hüte dich,
kauf kein Galgenfleisch und seh dich an keinen
263
Brunnenrand!" — Nun wenns weiter nichts
ist, dachte jener, das ist nicht schwer.
Nun zog er weiter fort mit der Prinzessin,
bis er endlich in das Dorf kam, worin seine
Brüder geblieben waren. Da war gerade ein
großer Auflauf und Lärmen, und als er frag-
te: was da vorwäre? hieß e§, es sollten zwei
Leute aufgehängt werden, und als er naher
hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Brüder
waren, die allerhand schlimme Streiche verübt
und alles verthan hatten. „Können sie denn
gar nicht mehr vom Tode frei werden?" —
Nein, es sey denn, daß ihr euer Geld an die
Lumpeukerls hängen und sie loskaufen wolltet.
Da besann er sich nicht lange, und zahlte, was
man verlangte; seine Brüder wurden freigege-
ben und sehten mit ihm die Reise fort.
Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen
der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lu-
stig und lieblich in dem Wald, da sprachen die
zwei Brüder: „laß uns hier bei diesem Brun-
nen ein wenig ausruhen, essen und trinken!"
und er sagte: ja. Unter dem Gespräch vergaß
er sich, und sehte sich an den Brunnenrand,
und während er sich nichts Arges versah, war-
fen sie ihn hinterrücks in den Brunnen, nah-
men die Prinzessin, das Pferd und tcn Vogel,
zogen heim zum König und sprachen: das ha-
ben wir alles erbeutet und bringen es dw."
Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß
nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin-
zessin die weinte.
Ihr jüngster Bruder lag unten im Brun-
nen, der zum Glück trocken war, und wiewohl
er kelns seiner Glieder gebrochen hatte, konnte
er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom-
men. Indessen kam der alte Fuchs noch ein-
mal, schalt ihn aus, daß er ihm nicht gehört,
sonst wäre ihm nichts davon begegnet: „doch
aber kann ichs nicht lassen und muß dir her-
aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte
fest." Darauf kroch der Fuchs und schleppte
ihn zum Brunnen heraus. Wie sie oben wa-
ren, sagte der Fuchs: „deine Brüder haben
Wächter gesetzt, die dich tödten sollen, wenn du
über die Grenze kämest." Da zog er armen
Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis
an des Königs Hof, und kaum war er da, so
fraß das Pferd, so pfiff der Vogel und die
Prinzessin hörte Weinens auf. Da trat er
vor den König und offenbarte das Bubenstück
seiner Brüder und alles, wie es sich zugetragen
hatte. Die Brüder wurden ergriffen und hin-
gerichtet, und er bekam die Prinzessin, und nach
des Königs Tode das Reich.
Lang danach ging er einmal wieder in den
Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und
bat aufs flehentlichste, er möchte ihn todtschie-
säen und ihm Kopf und Pfoten abschneiden.
Also that erö endlich, und kaum war es gesche-
hen, als sich der Fuchs in einen Menschen ver-
wandelte, und war der Bruder der Königin,
der nun endlich erlöst worden war.
28«
Dom treuen Gevatter Sperling.
Es war einmal eine Hirschkuh, die war
mit einem jungen Hirsch ins Kindbett gekom-
men, und bar den Fuchs, Gevatter zu stehen.
Der Fuchs aber lud noch den Sperling dazu,
und der Sperling wollte noch den Haushund,
seinen besondern lieben Freund einladen. Der
Hund aber war von seinem Herrn ans Seil
gelegt worden, weil er einmal von einer Hoch-
zeit ganz betrunken nach Haus gekommen war.
Der Sperling meinte, das hat nicht viel auf
sich, pickte und pickte am Seil einen Faden nach
dem andern los, so lang, bis der Hund frei
war. Nun gingen sie zusammen zum Gevat-
terschmaus, machten sich auch recht lustig, denn
da war alles vollauf; der Hund aber versahs
und übernahm sich wieder im Wein; als sie
aufstanden, war ihm der Kopf so schwer, daß
er sich kaum auf den Beinen erhalten konnte,
doch taumelte er noch ein Stück Wegs nach
Haus fort, endlich aber siel er hin und blieb
mitten auf der Straße liegen. Eben kam ein
Fuhrmann daher, und wollt' geradezu über ihn
wegführen. „Fuhrmann thus nicht, rief der
Sperling, es kostet dein Leben!" Der Fuhr-
mann aber hörte nicht darauf, knallte mit der
Peitsche, und trieb die Pferde gerade auf den
Hund, daß die Wagenräder ihm die Beine zer-
brachen. Fuchs und Sperling schleppten den
Gevatter heim, der Herr sah ihn an. und sprach:
„der ist ja todt," und gab ihn denk Fuhrmann,
der sollt ihn begraben. Der Fuhrmann dachte,
die Haut ist zu brauchen, lud ihn auf und fuhr
fort. Der Sperling aber flog nebenher und
rief.- „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!
Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!" Dann
sehte er sich dem einen Pferde auf den Kopf
und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Le-
ben!" Der Fuhrmann ward bös über den klei-
nen Vogel, der ihn zum Narren hatte, griff
nach seiner Hacke und holte aus; der Sperling
aber flog in die Höhe, und der Fuhrmann traf
sein Pferd auf den Kopf, daß es todt hinfiel.
Er mußte es liegen lassen und mit den zwei an,
der» weiter fahren; da kam der Sperling zu,
rück, sehte sich einem Pferd auf den Kopf und
rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!"
Der Fuhrmann lief herbei: „jetzt krieg ich
dich!" schlug und traf wieder bloß das Pferd,
daß es todt liegen blieb. Nun war ihm noch
272
eins übrig. Der Sperling wartete nicht lange, seh-
te sich auf den Kopf desselben und rief: „Fuhr-
mann, es kostet dir dein Leben!" Der Fuhr-
mann aber war schon so zornig, daß er sich gar
nicht besann, sondern gleich zuschlug: da waren
nun alle seine drei Pferde todtgeschlagen, und
er mußte den Wagen stehen lassen. Bös und
giftig ging er nach Haus, und sehte sich hinter
den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm
drein geflogen, saß vor dem Fenster und rief:
„Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!" Der
Fuhrmann griff nach der Hacke, schmiß das
Fenster ein, aber hen^^perling traf er nicht.
Der Vogel hüpf^ num yerci'n, setzte sich auf
den Ofen und rief: „Fuhrmann, eö kostet dir
dein Leben!" Dieser, toll und blind vor Wuth,
schlägt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper-
ling von einem Ort zum andern fliegt, sein
ganzes Hausgeräth, Spieglein, Stühle, Bän-
ke, Tisch und zuletzt die Wände seines Hauses.
Da packt er endlich den Vogel: „jetzt hab ich
dich!" nimmt ihn in den Mund und schluckt
ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe
des Fuhrmanns, fängt an zu flattern, flattert
wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund,
streckt den Kopf heraus und ruft: „Fuhrmann,
es kostet dir doch dein Leben!" Da giebt der
Fuhrmann seiner Frau die Hacke: „Frau, schlag
mir den Vogel im Munde todt." Die Frau
schlagt
schlägt fehl, dem Maun auf den Kopf, daß er
gleich todt hinfällt, der Sperling aber fliegt
auf und davon..
29-
Prinz Schwan.
Es war. ein Mädchen mitten in einem gro-
ßen Wald<"dackam ein Schwan auf es zuge-
gangen, der hatte einen Knauel Garn, und
sprach zu ihm: „ich bin kein Schwan, sondern
ein verzauberter Prinz, aber du kannst mich er-
lösen, wenn du den Knauel Garn abwickelst,
an dem ich fortfliege; doch hüte dich, daß du
den Faden nicht entzwei brichst, sonst komm' ich
nicht bis in mein Königreich, und werde nicht
erlöst; wickelst du aber den Knauel ganz ab,
dann bist du meine Braut." Das Mädchen
nahm den Knauel, und der Schwan stieg auf
in die Luft, und das Gar» wickelte sich leicht-
lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen
Tag, und am Abend war schon das Ende des
Fadens zu sehen, da blieb er unglücklicherweise
an einem Dornstrauch hängen und brach ab.
Das Mädchen war sehr betrübt und weinte, es
wollt' auch Nacht werden, der Wind ging so
laut in dem Wald, daß ihm Angst ward, und
es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und
als es lang gelaufen war, sah es ein kleines
Kindermärchen. S
— 274 —
,xzc jS Svttu ,
Licht, danmft-Alt^s jivornM^ ein Haus
<luf J, ttttd- klopfte am-^Ein altes Mütterchen kam
heraus, das verwunderte sich, wie es sah, daß
ein Mädchen vor der Thüre war: „ei mein
Kind, wo kommst du so spat her?" — „Gebt
mir doch heut Nacht eine Herberg, sprach es,
ich habe mich in dem Wald verirrt; auch ein
wenig Brod zu essen." — „Das ist ein schwe-
res Ding, sagte die Alte ich gäbe dirs gern,
aber mein Mann ist ein Menschenfresser, wenn
der dich findet, so frißt er dich auf, da ist keine
Gnade; doch, wenn du draußen bleibst, fressen
dich die wilden Thiere, ich will sehen, ob ich
dir durchhelfen kann." Da ließ sie es herein,
und gab ihm ein wenig Brod zu essen, und
versteckte es dann unter das Bett. Der Men-
schenfresser aber kam allemal vor Mitternacht,
wenn die Sonne ganz untergegangen ist, nach
Haus, und ging Morgens, ehe sie aufsteigt,
wieder fort. Es dauerte nicht lang, so kam er
herein: „ich wittre, ich wittre Menschenfleisch!"
sprach er und suchte in der Stube, endlich griff
er auch unter das Bett und zog das Mädchen
hervor: „das ist noch ein guter Bissen!" Die
Frau aber bat und bat, bis er versprach, die
Nacht über es noch leben zu lassen, und mor-
gen erst zum Frühstück zu essen. Vor Sonnen-
aufgang aber weckte die Alte das Mädchen:
„eil dich, daß du fortkommst, eh mein Mann
aufwacht, da schenk ich dir ein goldenes Spinn-
rädchen, das halt in Ehren: ich heiße Son-
n e." Das Mädchen ging fort und kam Abends
an ein Haus, da war alles, wie am vorigen
Abend, und die zweite Alte gab ihm beim Ab-
schied eine goldene Spindel und sprach: „ich heiße
Mond. " Und am dritten Abend kam es an
ein drittes Haus, da schenkte ihm die Alte ei-
nen goldenen Haspel und sagte: „ich heiße
Stern, und der Prinz Schwan, ob gleich der
Faden noch nicht ganz abgewickelt war, war
doch schon so weit, daß er in sein Reich gelan-
gen konnte, dort ist er König und hat sich
schon verheirathet, und wohnt in großer Herr,
lichkeit auf dem Glasberg; du wirst heut Abend
hinkommen, aber ein Drache und ein Löwe lie-
gen davor und bewahren ihn, darum nrmm
das Brod und den Speck und besänftige sie
damit." So geschahe es auch. Das Mädchen
warf den Ungeheuern das Brod und den Speck
in den Rachen, da ließen sie es durch, und es
kam bis an das Schloßthor, aber in das Schloß
selber ließen es die Wächter nicht hinein. Da
sehte es sich vor das Thor, und fing an auf
seinem goldenen Rädchen zu spinnen; die Kö-
nigin sah von oben zu, ihr gefiel das schöne
Rädchen, und sie kam herunter uub wollte es
haben. Das Mädchen sagte, sie solle es ha-
ben, wenn sie erlauben wollte, daß es eine
S 2
Nacht neben dem Schlafzimmer des Königs
zubrächte. Die Königin sagte es zu, und das
Mädchen ward hinaufgeführt, was aber in der
Stube gesprochen wurde, das konnte man alles
in dem Schlafzimmer hören. Wie es nun Nacht
ward, und der König im Bett lag, sang es:
„Denkt der König Schwan
noch an seine versprochene Braut Julian'?
die ist gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
durch Löwen und durch Drachen:
will der König Schwan denn gar nicht erwa-
chen?"
Aber der König hörte es nicht, denn die listige
Königin hatte sich vor dem Mädchen gefürchtet,
und ihm einen Schlaftrunk gegeben, da schlief
er so fest, und hätte das Mädchen nicht gehört,
und wenn es vor ihm gestanden wäre. Am
Morgen war alles verloren, und es mußte wie-
der vor das Thor, da sehte es sich hin und
spann mit seiner Spindel, die gefiel der Köni-
gin auch, und es gab sie unter derselben Be-
dingung weg, daß es eine Nacht neben des
Königs Schlafzimmer zubringen dürfe. Da
sang es wieder:
Denkt der König Schwan
nicht an seine versprochene Braut Julian'?
die ist gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
durch Löwen und durch Drachen:
will der König Schwan denn gar nicht erwa-
chen?"
Der König aber schlief wieder fest von einem
Schlaftrunk, und das Mädchen hatte auch sei-
ne Spindel verloren. Da sehte es sich am drit-
ten Morgen mit seinem goldenen Haspel vor
das Thor und haspelte. Die Königin wollte
auch die Kostbarkeit haben, und versprach dem
Mädchen, es sollte dafür noch eine Nacht ne-
ben dem Schlafzimmer bleiben. Es hatte aber
den Betrug gemerkt, und bat den Diener des
Königs, er mögte diesem heut Abend was an-
deres zu trinken geben. Da sang es noch ein-
mal:
„Denkt der König Schwan
nicht an seine versprochene Braut Julian'?
die ist gegangen durch Sonne, Mond und
Stern,
durch Löwen und durch Drachen:
will der König Schwan, denn gar nicht erwa-
chen?"
Da erwachte der König; wie er ihre Stimme
hörte, erkannte sie und fragte die Königin:
„wenn man einen Schlüssel verloren hat und
ihn wieder findet, behält man dann den alten
oder den neugemachten?" Die Königin sagte:
//ganz gewiß den alten." — „Nun, dann kannst
du meine Gemahlin nicht länger seyn, ich habe
276
meine erste Braut wieder gefunden." Da
mußte am andern Morgen die Königin zu ih-
rem Vater wieder heimgehen, und der König
vermählte sich mit seiner rechten Braut, und
die Lebten so lang vergnügt, bis sie gestor-
bm smd. /(cj.
60.
Das G o l d e i.
V i. f ^ Es waren einmal ein paar arme Besenbin,
dersiun^m, die hatten noch ei» Schwesterchen
zu srnäh'rery da ging es ihnen «it« knapp und
kümmerlich. Sie mußten alle Tage in den
Wald und sich Reisig hplen, und wenn die Be-
sen gebunden waren, verkanfie sie das Schwe,
»uw 5^ Einsmals gingen sie in den Wald,
fc/ und der jüngste stieg auf einen Birkenbaum,
ihMZUft /w. und wollte die Aeste herabhauen, da fand er
ein Nest, und darin saß ein dunkelfarbiges Vö-
gelchen, dem schimmerte etwas durch die Flü-
gel, und weil das Vögelchen gar nicht wegflog,
und auch nicht scheu that, hob er den Flügel
auf und fand ein goldenes Ei, das nahm er und
stieg da mit herab. Sie freuten sich über ih-
ren Fund, und gingen damit zum Goldschmid,
der sagte, es sey feines Gold und gab ihnen
viel Geld dafür. Am andern Morgen gingen
sie wieder in den Wald, und fanden auch wie-
m
— 279 —
der ein Goldei, und das Vöglein ließ es sich
geduldig nehmen, wie das vorigemal. Das
währte eine Zeitlang, alle Morgen holten sie
das Goldei und waren bald reich: eines Mor-
gens aber sagte der Vogel: „nun werde ich
keine Eier mehr legen, aber bringt mich zu dem
Goldschmidt, das wird euer Glück seyn/ Die
Besenbindersjungen thaten, wie es sprach und
brachten es dem Goldschmidt getragen, und als
es allein mit diesem war, sang es:
„Wer ißt mein Herzlein,
wird bald König seyn;
wer ißt mein Leberleiu,
findet alle Morgen unterm Kissen ein Gold-
beutlein !"
Wie der Goldschmidt das hörte, rief er die bei-
den Zungen und sagte: „laßt mir den Vogel,
und ich will euer Schwesterlein heirathen."
Die zwei sagten ja, und da ward nun Hochzeit
gehalten. Der Goldschmidt aber sprach: „ich
will zu meiner Hochzeit den Vogel essen, ihr
zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß
er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn
er gaar ist;" er dachte aber, dann wolle er Herz
und Leber herausnehmen und essen. Die beb
den Brüder standen am Spieß und drehten ihn
herum, wie sie ihn so herumdrehen, und der
Vogel bald gebraten ist, fällt ein Stückchen her- ^ ^
aus. „Ei, sagt der eine, das muß, ich pss-i-
tii ä 1
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— 2g0 —
und aß das auf. Bald darnach fiel noch
ein Stückchen heraus: „das ist für mich," sag-
te der andere, und läßt sich das schmecken. Das
war aber das Herzlein und Leberlein, was sie
gegessen hatten, und sie wußten nicht, was für
Glück ihnen damit beschert war.
Darnach war der Vogel gebraten, und sie
trugen ihn zu der Hochzeitstafel; der Gold-
schmidt schnitt ihn auf, und wollte geschwind
Herz und Leber essen, aber da war beides fort.
Da ward er giftig bös und schrie: „wer hat
Herz und Leber von dem Vogel gegessen?"
„Das werden wir gethan haben, sagten sie, es
sind ein paar Stückchen herausgefallen beim
Umwenden, die haben wir genommen." —
„Habt ihr Herz und Leber gegessen, so mögt
ihr auch eure Schwester behalten!" und jagte
^ j 1te in seinem Zorn alle fort. —
f+CJl ***** fco
6i.
Von dem Schneider, der bald reich
wurde.
Ein armer Schneider ging einmal zur Wim
terszeit über das Feld, und wollte seinen Bru,
der besuchen. Unterwegs fand er eine erfrorne
Droßel, sprach zu sich selber: „was größer ist
als eine Laus, das nimmt der Schneider mit
nach Haus!" hob also die Droßel auf, und
steckte sie zu sich. Wie er an seines Bruders
Haus kam, guckte er erst zum Fenster hinein,
ob sie auch zu Haus waren, da sah er einen
dicken Pfaffen bei der Frau Schwägerin sitzen
vor einem Tisch, auf dem stand ein Braten
und eine Flasche Wein; indem klopfte es an
die Hausthüre, und der Mann wollte herein,
da sah er, wie die Frau den Pfaffen geschwind
in einen Kasten schließt, den Braten in den
Ofen stellt-, und den Wein ins Bett schob.
Nitn-mehr ging der Schneider selbst ins Haus,
und bewillkommte seinen Bruder und seine
Schwägerin, setzte sich aber auf den Kasten nie-
der, darin der Pfaff steckte. Der Mann sprach:
„Frau, ich bin hungrig, hast du nichts zu es-
sen?" — „Nein, es thut mir leid f es ist aber
heute gar nichte im Haus." — Der Schnei-
der aber zog seine erfrorene Droßel heraus, da
sprach sein Bruder: „mein, was thuest du mit
der gefrorenen Droßel?" — „Ei! die ist viel
Geld werth, die kann wahr sagen!" — „Nun
so laß sie einmal wahrsagen." — Der Schnei-
der hielt sie ans Ohr und sprach:-„die Droßel
sagt: es stünde eine Schussel voll Braten im
Ofen." — Der Mann ging hin und fand den
Braten: „was sagt die Droßel weiter?" —
„Zm Bett stecke eine Flasche Wein." Der
fand auch den Wein: „ei, die Droßel mögt ich
haben, die verkauf mir doch." — „Du kannst
sie kriegen, wenn du mir den Kasten giebst,
worauf ich sitze. Der Mann wollte gleich, die
Frau aber sagte: „nein, das geht nicht, der
Kasten ist mir gar zu lieb, den geb ich nicht
weg; der Mann aber sprach: „stell dich doch
nicht so dumm, was nützt dir so ein alter Ka-
sten;" gab damit dem Bruder den Kasten für
den Vogel.
Der Schneider nahm den Kasten auf einen
Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs
sprach er: „ich nehm den Kasten und werf ihn
ins Wasser, ich nehm den Kasten und werf ihn
ins Wasser!" Endlich regte sich der Pfaff in-
wendig und sagtt: „ihr wißt viel was in dem
Kasten ist, laßt mich heraus, ich will euch 50
Thaler geben." — „Ja, dafür will ich es schon
thun," ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel-
de heim. Die Leute wunderten sich, wo er das
viele Geld her habe, er aber sprach: „ich will
euch sagen, die Felle stehen in so hohem Preis,
da hab ich meine alte Kuh geschlachtet und fürs
Fell so viel gelöst." Die Leute im Dorf woll-
ten auch davon profitiren, waren her und schnit-
ten allen ihren Ochsen, Kühen und Schafen
die Hälse ab, und trugen die Felle in die Stadt,
wofür sie aber blutwenig lösten, weil ihrer so
viel auf einmal feilgeboten wurden. Da ärger-
ten sich die Bauern über den Schaden, und
265
warfen dem Schneider Dreck und ander schlech-
tes Zeug vor seine Thür. Der aber that alles
in seinen Kasten, ging damit in die Stadt in
einen Gasthof, und bat den Wirth, ob er i[ *
nicht den Kasten, worin die größten Kostbar-
keiten wären, eine Zeit lang verwahren wolle,
bei . ihm wären sie nicht sicher? Der Wirth sag-
te recht gern, und nahm den Kasten zu sich,
einige Zeit darnach kam der Schneider, forder-
te ihn wieder zurück und machte ihn auf, um
zu sehen, ob noch alles darin wäre. Wie er
nun aber voll Dreck ist, so tobte er abscheulich,
beschimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver-
klagen, so daß der Wirth, welcher Aufsehen
scheute, und für seinen Credit fürchtete, ihm
gern hundert Thaler gab. Die Bauern ärger-
ten sich wieder, daß dem Schneider alles zum
Profit ausschlug, was sie ihm Leides anthaten,
nahmen den Kasten, steckten ihn mit Gewalt
hinein, sehten ihn aufs Wasser, und ließen ihn
fortfließen. Der Schneider schwieg eine Weile
still, bis er eine Ecke fortgeflossen war, dann
rief er überlaut: „nein, ich thus nicht! und ich
thus nicht! und wenns die ganze Welt haben
wollte." Das Geschrei hörte ein Schäfer und
fragte: „was willst du denn nicht thun?" —
„El, sagte der Schneider, da ist ein König, der
hat die närrische Grille und besteht drauf, daß, wer
in diesem Kasten den Strom hinuntergeschwom-
2L4
men kommt/ seine einzige schöne Tochter heira-
then soll, aber ich hab' einmal meinen Kopf
drauf gesetzt/ und thuö nicht, und wenns die
ganze Welt haben wollt." — „Hört einmal,
gehr das nicht, daß sich ein anderer in den Ka-
sten setzt und die Königstochter kriegt?" —
„O ja, das geht auch." — „So will ich mich
an eure Stelle hineinsetzen." Da stieg der
Schneider aus, der Schäfer ein; der Schnei-
der machte den Kasten noch zu, und der Schä-
fer ging bald unter. Der Schneider aber
nahm die ganze Heerde des Schäfers und trieb
sie heim.
Die Bauern aber wunderten sich, wie das
zugegangen, daß er wieder käme, und obendrein
die vielen Schagfe hätte. Der Schneider sagte:
„ich war untergesunken, tief, tief! da fand ich
auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm
sie mit heraus. Die Bauern wollten sich da
auch Schafe holen, und gingen mit einander
hinaus ans Wasser; den Tag war der Himmel
ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie-
fen sie: „wir sehen schon die Lämmer unten
auf dem Grund!" Da sprach der Schulz:
„ich will erst hinunter, und mich umsehen, und
wenn es gut ist, will ich euch rufen. Wie er
nun hineinstürzte, rauschte es in dem Was-
ser: plump! da meinten sie er riefe ihnen
zu: ko m m (! und stürzten sich alle hinter
ihm drein. Da gehörte das ganze Dorf dem
Schneider.
62.
Blaubart.
Zn einem Walde lebte ein Mattn, der hatte
drei Söhne und eine schöne Tochter)- Einmal
kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und
einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor
dem Haus still, und ein König stieg aus und
bat den Mann, er möchte ihm seine Tochter
zur Gemahlin geben. Der Mann war froh,
daß seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr,
und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier
gar nichts auszusehen, als daß er einen ganz
blauen Bart hatte, so daß man einen kleinen
Schrecken kriegte, so oft man ihn ansah. Das
Mädchen erschrack auch anfangs davor, und
scheute sich ihn zu heirathen, aber auf Zureden
ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch
weil es so eine Angst fühlte, ging es erst zu
seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sag-
te: „liebe Brüder, wenn Ihr mich schreien
hört, wo ihr auch seyd, so laßt alles stehen und
liegen und kommt mir zn Hülfe." Das ver-
sprachen ihm die die Brüder und küßten es,"
leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine
Stimme hören,^springen wir auf unsere Pfer-
de, und sind bald bei dir." Darauf sehte es
sich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr
mit ihm fort. Wie ee in sein Schloß kam,
war alles prächtig, und was die Königin nur
wünschte, das geschah, und sie wären recht
glücklich gewesen, wenn sie sich nur an den
blauen Bart des Königs hätte gewöhnen kön-
nen, aber immer, wenn sie den sah, erschrack
sie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit
gewährt, sprach er: „ich muß eine große Reise
machen, da haft du die Schlüssel zu dem ganzen
Schloß, du kannst überall aufschließen und al-
les besehen, nur die Kammer, wozu dieser klei-
ne goldene Schlüssel gehört, verbiet' ich dir;
schließt du die auf, so ist dein Leben verfallen."
Sie nahm die Schlüssel, versprach ihm zu ge-
horchen, und als er fort war, schloß sie nach
einander die Thüren auf, und sah so viel Reich-
thümer und Herrlichkeiten, daß sie meinte aus
der ganzen Welt wären sie hier zusammen ge-
bracht. Es war nun nichts mehr übrig, als
die verbotene Kammer, der Schlüssel war von
Gold, da gedachte sie, in Vieser ist vielleicht das
allerkostbarste verschlossen; die Neugierde fing
an sie zu plagen, und sie hätte lieber all das
andere nicht gesehen, wenn sie nur gewußt,
was in dieser wäre. Eine Zeit lang widerstand
sie der Begierde, zuletzt aber ward diese so
mächtig, daß sie den Schlüssel nahm und zu
267
der Kammer hinging: „wer wird es sehen, daß
ich sie öffne, sagte sie zu sich selbst, ich will
auch nur einen Blick hineinthun." Da schloß
sie auf, und wie die Thüre aufging, schwamm
ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Wän-
den herum sah sie todte Weiber hängen, und von
einigen waren nur die Gerippe noch übrig. Sie
erschrack so heftig, daß sie die Thüre gleich wie-
der zuschlug, aber der Schlüssel sprang dabei
heraus und fiel in das Blut. Geschwind hob
sie ihn auf, und wollte das Blut abwischen,
aber es war umsonst, wenn sie es auf der einen
Seite abgewischt, kam es auf der andern wie-
der zum Vorschein; sie setzte sich den ganzen
Tag hin und rieb daran, und versuchte alles
Mögliche, aber es half nichts, die Blutflecken
waren nicht herabzubringen; endlich am Abend
legte sie ihn ins Heu, das sollte in der Nacht
das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der
Blaubart zurück, und das erste war, daß er
die Schlüssel von ihr forderte; ihr Herz schlug,
sie brachte die andern und hoffte, er werde es
nicht bemerken, daß der goldene fehlte. Er aber
zählte sie alle, und wie er fertig war, sagte er:
„wo ist der zu der heimlichen Kammer?" da-
bei sah er ihr in das Gesicht. Sie ward blut-
rot!) und antwortete: „er liegt oben, ich habe
ihn verlegt, morgen will ich ihn suchen." —
„Geh lieber gleich, liebe Frau, ich werde ihn
— m —
noch heute brauchen." — „Ach ich will dirs
nur sagen, ich habe ihn im Heu verloren, da
muß ich erst suchen." — „Du hast ihn nicht
verloren, sagte der Blaubart zornig, du hast,
ihn dahin gesteckt, damit die Blutflecken her-
ausziehen sollen, denn du hast mein Gebot
übertreten, und bist in der Kammer gewesen,
aber jetzt sollst du hinein, wenn du auch nicht
willst." Da mußte sie den Schlüssel holen,
der war noch voller Blutflecken: „Nun berei-
te dich zum Tode, du sollst noch heute sterben,"
sagte der Blaubart, holte sein großes Messer
und führte sie auf den Haueehrn. „Laß mich
nur noch vor meinem Tod mein Gebet thun,"
sagte sie; „So geh, aber eil dich, denn ich
habe keine Zeit lang zu warten." Da lief sie
die Treppe hinauf, und rief so laut sie konnte
zum Fenster hinaus: „Brüder, meine lieben
Brüder, kommt, helft mir!" Die Brüder sa-
ßen im Wald beim kühlen Wein, da sprach der
jüngste: „mir ist als hätt' ich unserer Schwe-
ster Stimme gehört; auf! wir müssen ihr zu
Hülfe eilen!" da sprangen sie auf ihre Pferde
und ritten, als wären sie der Sturmwind. Ih-
re Schwester aber lag in Angst auf den Knieen;
da rief der Blaubart unten: „nun, bist du
bald fertig?" dabei hörte sie, wie er auf der
untersten Stufe sein Messer wetzte; sie sah hin-
aus, aber sie sah nichts, als von Ferne einen
Staub,
Staub, als kam eine Heerde gezogen. Da schrie
sie noch einmal: „Brüder, meine lieben Brü-
der! kommt, helft mir!" und ihre Angst ward
immer größer. Der Blaubart aber rief: „wenn
du nicht bald kommst, so hol ich dich, mein
Messer ist gewetzt!" Da sah sie wieder hin-
aus, und sah ihre drei Brüder durch das Feld
reiten, als flögen sie wie Vögel in der Luft,
da schrie sie zum drittenmal in der höchsten
Noth und aus allen Kräften: „Brüder, meine
lieben Brüder! kommt, helft mir!" und der
jüngste war schon so nah, daß sie seine Stim-
me hörte: „tröste dich, liebe Schwester, noch
einen Augenblick, so sind wir bei dir!" Der
Blaubart aber rief: „nun ists genug gebetet,
ich will nicht länger warten, kommst du nicht,
so hol ich dich!" „Ach! nur noch für meine
drei lieben Brüder laß mich beten." — , Er
hörte aber nicht, kam die Treppe heraufgegan-
gen und zog sie hinunter, und eben hatte er sie
au den Haaren gefaßt, und wollte ihr das Mes-
ser in das Herz stoßen, da schlugen die drei
Brüder an die Hausthüre, drangen herein und
rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie
ihre Sabel und hieben ihn nieder. Da ward
er in die Blutkammer aufgehängt zu den an-
dern Weibern, die er getödtet, die Brüder aber
nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus,
und alle Reichthümer des Blaubarts gehörten ihr.
Es war einmal ein armer Mann und eine
arme Frau, die hatten weiter nichts als eine
Hütte. Der Mann war ein Fischer, und wie
er einmal am Wasser saß und sein Netz ausge-
worfen hatte, da fing er einen goldenen Fisch.
Der Fisch aber sprach: „wenn du mich wieder
in das Wasser werfen willst, so soll deine Hüt-
te in einen prächtigen Pallast verwandelt seyn,
und in dem Pallast soll ein Schrank stehen,
wenn du den aufschließst, ist Gesottenes und
Gebratenes darin, so viel du nur wünschest,
nur darfst du keinem Menschen auf der Welt
sagen, von wem dein Glück kommt, sonst ist
alles vorbei." Der Fischer warf den Goldfisch
wieder ins Wasser, und wie er nach Haus kam,
da stand ein großes Schloß, wo sonst seine
Hütte gestanden hatte, und seine Frau saß mit-
ten in einer prächtigen Stube. Dem Mann
gefiel das wohl, er hätte aber auch gern etwas
gegessen: „Frau, gieb mir doch etwas, sagte er,
mich hungert so gewaltig." Die Frau aber
antwortete: „ich habe nichts und kann in dem
großen Schloß nichts finden." — „Geh nur
dort über den Schrank," und wie die Frau
den Schrank aufschloß, standen da Kuchen, Fleisch,
Obst, Wein: Herz, was verlangst du? die Frau
verwunderte sich und sprach: „sag mir doch
Mann, woher kommt denn dieser Reichthum
auf einmal?" — „Das darf ich dir nicht sa-
gen, denn wenn ich dirs sagte, so wäre unser
Glück wieder dahin." Dadurch ward die Frau
nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann,
und quälte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht
keine Ruye, bis er es ihr endlich entdeckte, daß
das alles von einem Goldfisch herkomme; kaum
aber hatte er ausgesprochen, da war das Schloß
und aller Reichthum verschwunden, und sie sa-
ßen wieder in der alten Fischerhutte.
Der Mann ging nun wieder seinem Ge-
werbe nach, und fischte, und fischte den Gold-
fisch zum zweitenmal heraus; er versprach ge-
gen Freilassung ihm aufs neue das schöne Schloß
und den Schrank voll Gesottenes und Gebra-
tenes, doch unter der nämlicken Bedingung, daß
er verschwiegen sey; der Mann hielt auch eine
Zeit lang aus, endlich aber quälte ihn seine
Frau so gewaltig, daß er ihr das Geheimniß
offenbarte, und in dem Augenblick saßen sie
auch wieder in ihrer schlechten Hütte. Der
Mann ging fischen, und fischte das Gold-
fischgen zum drittenmal: „hör, sagte das, nimm
wich nur mit nach Haus, und zerschneid mich
dort in sechs Stücke; zwei gieb deiner Frau zu
essen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz' in
T 2
die Erde, du wirst Segen davon haben, deine
Fran wird zwei goldene Zungen zur Welt brin-
gen, das Pferd wird zwei goldene Füllen be-
kommen, und aus der Erde werden zwei golde-
ne Lilien aufwachsen." Der Mann gehorchte,
und die Weissagung traf ein. Die zwei goldne
Kinder wuchsen heran und wurden groß, und
sagten: „Vater, wir wollen ausziehen in die
Welt, wir sehen uns auf die goldenen Rosse,
und an den goldenen Lilien könnt ihr sehen,
wie es uns geht: „sind sie frisch, so sind wir
gesund; sind sie welk, sind wir krank; fallen sie
um, sind wir todt." Damit ritten sie fort
und kamen zu einem Wirthshaus, darin war
viel Volk, und als das die zwei Goldkinder
auf den Goldpferden sah, fing es an zu spot-
ten; da wurden sie bös, und der eine schämte
sich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der
zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen
Wald, die Leute aber vor dem Walde sagten
ihm, er dürfe nicht hindurchreiten, es sey voll
Spitzbuben darin, die würden übel mit ihm
umgehen; das Goldkind aber ließ sich nicht
schrecken und sprach: „ich muß und soll hin-
durch!" Dann nahm er Bärenfelle und über-
zog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr
von Gold zu sehen war, und so ritt er in den
Wald hinein. Bald darauf hörte er in den Gebü-
schen rufen: „hier ist einer!" Ein anderer aber
sprach: „laß ihn taufen, was sollen wir mit
dem Bärenhäuter anfangen, der ist so arm und
kahl, wie eine Kirchenmaus!" So kam er
glücklich durch die Spitzbuben, und in ein Dorf,
da sah er ein Mädchen so schön, daß er nicht
glaubte, es könne ein schöneres auf der Welt
seyn und fragte, ob es ihn heirathen wolle, und
das Mädchen sagte ja, es wolle ihm (reu blei-
ben sein Lebelang. Sie hielten nun Hochzeit mit
einander und waren vergnügt, da kam der
Braut Vater nach Haus, und als er sahe, daß
seine Tochter einen Bärenführer geheirathet,
denn er hatte die Bärenhaut noch nicht abge-
legt, da ward er zornig und wollte den Bräu-
tigam ermorden. Die Braut aber bat ihn,
was sie nur konnte: sie hätte ihn doch so lieb,
und es sey nun einmal ihr Mann, bis er sich
zur Ruhe gab. Und am andern Morgen früh
stand er auf, und wollte seinen Schwiegersohn
noch einmal sehen, da sah er einen herrlichen,
goldenen Mann im Bette liegen. Dem Bräu-
tigam aber träumte, er solle auf die Zagd ge-
hen nach einem prächtigen Hirsch, und als er
erwachte, wollt' er darnach ausgehen, aber sei-
ne Verlobte bat ihn da zu bleiben, und fürch-
tete für ihn; er aber sprach: „ich soll und muß
fort." Damit stund er aus und ging in den
Wald, da hielt ein stolzer Hirsch vor ihm,
ganz nach seinem Traum, wie er aber anlegen
da bellte ihn aber.- ohne Aufhören der Hexe
kleines Hündlein an, darüber ward er bös und
wollte es erschießen, wie das die Hexe sah, ver-
wandelte sie ihn in einen Mühlenstein, und in
dem Augenblick fallt zu Haus die eine goldene
Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus
sah, sehte er sich auf seinen goldenen Gaul und
jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte
ihr mir dem Tod, wenn sie seinem Bruder nicht
wieder die natürliche Gestalt gäbe. Da mußte
die Hexe gehorchen, und die zwei Brüder rit-
ten wieder heim, der eine zu seiner Braut, der
andere zu seinem Vater. Die eine Lilie ahn
stand wieder auf, und wenn sie nicht umgefallen
sind, stehen sie noch alle beide.
6 4*
Von dem Dümmling.
I.
Die weiße Taube.
Vor eines Königs Pallast stand ein präch
tiger Birnbaum, der trug jedes Zahr die schön-
295
sten Früchte, aber wenn sie reif waren, wurden
sie in einer Nacht alle geholt, und kein Mensch
wußte, wer es gethan hatte. Der König aber
hatte drei Söhne, davon ward der jüngste für
einfältig gehalten, und hieß der Dümmling;
da befahl er dem ältesten, er solle ein Zahr
lang alle Nacht unter dem Birnbaum wachen,
damit der Dieb einmal entdeckt werde. Der
that das auch und wachte alle Nacht, der Baum
blühte und war ganz voll von Früchten, und
wie sie anfingen reif zu werden, wachte er nock-
fleißiger, und endlich waren sie ganz reif und
sollten am andern Tage abgebrochen werden;
in der letzten Nacht aber überfiel ihn cin Schlaf,
und er schlief ein, und wie er aufwachte, wa-
ren alle Früchte fort, und nur die Blatter noch
übrig. Da befahl der König dem zweiten Sohn
ein Zahr zu wachen, dem ging es nicht besser,
als dem ersten; in der letzten Nacht konnte er
sich des Schlafes gar nicht erwehren, und am
Morgen waren die Birnen alle abgebrochen.
Endlich befahl der König dem Dümmling ein
Zahr zu wachen, darüber lachten alle, die an
des Königs Hof waren. Der Dümmling aber
wachte, und in der letzten Nacht wehrt' er sich
den Schlaf ab, da sah er, wie eine weiße Tau-
be geflogen kam, eine Birne nach der andern
abpickte und fort trug. Und als sie mit der
letzten fortflog, stand der Dümmling auf und
ging ihr nach; die Taube flog aber ans einen
hohen Berg und verschwand aus einmal in ei-
nem Felsenrih. Der Dümmling sah sich um,
da stand ein kleines graues Männchen neben
ihm, zu dem sprach er: //Gott gesegne dich!"
— „Gott hat mich gesegnet in diesem Augen-
blick durch diese deine Worte, antwortete das
Männchen, denn sie haben mich erlöst, steig du
in den Felsen hinab, da wirst du dein Glück
finden." Der Dümmling trat in den Felsen,
viele Stufen führten ihn hinunter, und wie er
unten hinkam, sah er die weiße Taube ganz
von Spinnweben umstrickt und zugewebt. Wie
sie ihn aber erblickte brach sie hindurch, und
als sie den letzten Faden zerrissen, stand eine
schöne Prinzessin vor ihm, die hatte er auch
erlöst, und sie ward seine Gemahlin und er
ein reicher König, und regierte sein Land mit
Weisheit. '/&g.
II.
Die Bienenkönigin.
Zwei Königssöhne gingen auf Abentheuer
aus, und geriethen in ein wildes, wüstes Le-
ben, so daß sie gar nicht wieder nach Haus ka-
men. Der jüngste, der Dümmling, ging aus
und suchte seine Brüder; wie er sie fand, spot-
teten sie sein, daß er mit seiner Einfalt sich
durch die Welt schlagen wolle, da sie zwei nicht
durchkämen und wären doch viel klüger. Da
zogen sie miteinander fort und kamen an einen
Ameisenhaufen, die zwei ältesten wollten ihn
aufwühlen, und sehen, wie die kleinen Ameisen
in der Angst herumkröchen und ihre Eier fort-
trügen; aber der Dümmling sagte: „laßt die
Thiere in Fried, ich leids nicht, daß ihr sie
stört." Dann gingen sie weiter und kamen an
einen See, auf dem schwammen viele, viele En-
ten; die zwei Brüder wollten ein paar fangen
und braten, aber der Dümmling sagte wieder:
„laßt die Thiere in Fried', ich leids nicht, daß
ihr sie tödtet." Endlich kamen sie an ein Bie-
nennest, darin war so viel Honig, daß er am
Stamm herunterlief; die zwei wollten Feuer
unter oen Baum legen, daß die Bienen erstick-
ten, und sie den Honig wegnehmen könnten.
Der Dümmling hielt sie aber wieder ab und
sprach: „laßt die Thiere in Fried', ich leids
nicht, daß ihr sie verbrennt." Da kamen die
drei Brüder in ein Schloß, wo in den Stäl-
len lauter steinerne Pferde standen, auch war
kein Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle
Sale, bis sie vor eine Thüre ganz am Ende
kamen, davor hingen drei Schlösser; es war
aber mitten in der Thüre ein Lädlein, dadurch
konnte man in die Stube sehen. Da sahen sie
ein grau Männchen an einem Tische sitzen, das
riefen sie an einmal, zweimal, aber es hörte
nicht; endlich riefen sie zum drittenmal, und
da stand es auf und kam heraus. Es sprach
kein Wort, faßte sie aber an und führte sie zu
einem reichbesetzten Tisch, und als sie gegessen
hatten, führte es einen jeglichen in ein eigenes
Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu
dem ältesten, winkte ihm und brachte ihn zu
einer steinernen Tafel, darauf standen die drei
Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloß er-
löst werden konnte. Die erste war: in dem
Wald unter dem Moos lagen die tausend Per-
len der Königstochter, die mußten aufgesucht
werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht
eine einzige fehlen, sonst ward der, welcher es
unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin
und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag
zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden,
und ward in einen Stein verwandelt. Am fol-
genden Tag unternahm der zweite Bruder das
Abentheuer; er ward aber wie der älteste zu
Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge-
funden. Endlich kam auch an den Dümmling
die Reihe, der suchte im Moos, es war aber
so schwer, die Perlen zu finden, und ging so
langsam, da setzte er sich auf einen Stein und
weinte. Und wie er so saß kam der Ameisen-
kin'g, den er einmal erhalten hatte mit fünf-
tausend Ameisen, und es wahrte gar nicht lang,
so hatten die die Perlen miteinander gefunden
und auf einen Haufen getragen. Die zweite
Aufgabe aber war, den Schlüssel zu der Schlaf-
kammer der Prinzessin aus der See zu holen.
Wie der Dümmling zur See kam, schwammen
die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran,
tauchten unter, und holten den Schlüssel aus
der Tiefe. Die dritte Aufgabe aber war die
schwerste: aus den drei schlafenden Töchtern des
Königs sollte die jüngste und die liebste heraus-
gesucht werden, sie glichen sich aber vollkom-
men, und waren durch nichts verschieden, als
daß die älteste ein Stück Zucker, die zweite
Syrup, die jüngste einen Löffel voll Honig ge-
gessen hatte, und es war bloß an dem Hauch
zu erkennen, welche den Honig gegessen. Da
kam aber die Bienenkönigin von den Bienen,
die der Dümmling vor dem Feuer geschützt,
und versuchte den Mund von allen dreien, zu-
letzt blieb sie auf dem Mund sitzen, der Honig
gegessen, und so erkannte der Prinz die rechte,
und da war aller Zauber vorbei, alles war aus
dem Schlaf erlöst, und wer von Stein war,
erhielt seine menschliche Gestalt wieder, und
der Dümmling vermählte sich mit der jüngsten
und liebsten, und ward König nach ihres Va-
ters Tod; seine zwei Brüder aber mit den bei-
den andern Schwestern.
j.
III.
Die drei Federn.
Es war einmal ein König, der schickte sei-
ne drei Söhne in die Welt, und welcher von
ihnen das feinste Linnengarn mitbrächte, der
sollte nach seinem Tode das Reich haben. Und
damit sie wüßten, wo hinaus sie zögen, stellte
er sich vor sein Schloß und blies drei Federn
in die Luft, nach deren Flug sollten sie sich
richten. Die eine flog nach Westen, der folgte
der älteste, die andere nach Osten, der folgte
der zweite, die dritte aber fiel auf einen Stein,
nicht weit von dem Pallast, da mußte der drit-
te Prinz, der Dümmling zurück bleiben, und
die andern lachten ihn aus und sagten: er solle
te bei dem Stein das Linnengarn aufsuchen.
Der Dümmling aber setzte sich auf den Stein
und weinte, und wie er so hin und her wank-
te, schob sich der Stein fort, und darunter lag
eine Marmorplatte mit einem Ring. Der
Dümmling hob sie auf, und da war eine Trep-
pe, die führte hinunter, darauf ging er fort
und kam in ein unterirdisches Gewölbe, da saß
ein Mädchen und spann Flachs. Es fragte ihn,
warum er so verweinte Augen hätte, da klagte
er ihm sein Leid, daß er das feinste Linnen su-
chen solle, und doch nicht darnach ausziehen
dürfe, da haspelte ihm das Mädchen sein Garn
— 301 —
ab, das war das allerfeinste Linnengarn und
hieß ihn das hinauf zu seinem Vater bringen.
Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg-
gewesen, und seine Brüder waren eben zurück-
gekommen und glaubten gewiß, sie hätten das
feinste mitgebracht. 'Als aber ein jeder das sei-
nige vorzeigte, da hatte der Dümmling noch
einmal so feines, und das Reich wär sein ge-
wesen; aber die zwei andern gaben sich nicht
zufrieden, und verlangten von dem Vater, er
solle noch eine Bedingung machen. Der Kö-
nig verlangte nun den schönsten Teppichs und
blies die drei Federn wieder in die Luft, und
die dritte fiel wieder auf den Stein, und der
Dümmling durfte nicht weiter gehen, die an-
dern aber zogen nach Osten und Westen. Er
hob den Stein auf und ging wieder hinab, ^ ^ .
t" ft C
und fand das Mädchen geschäftig, einen wun- 7
verschönen Teppich aus den brennendsten Farben
zu weben, und als er fertig war, sprach es: /
„der ist für dich gewirkt, den trag hinauf, kein
Mensch auf der Welt wird einen so prächtigen
haben." Er ging damit vor seinen Vater,
und übertraf wieder seine Brüder, die die schön-
sten Teppiche aus allen Ländern zusammenge-
bracht hatten, aber diese brachten den König
doch dahin, daß er die neue Bedingung mach-
te, wer das Reich erben wolle, müsse die schön-
ste Frau mit nach Haus bringen. Die Federn
302
werden wieder geblasen, und Dümmlings seine
bleibt auf dem Stein liegen. Da ging er hin-
unter und klagte dem Mädchen, was sein Va-
ter wieder für ihn so schweres aufgelegt habe,
das Mädchen aber sagte, es wolle ihm schon
helfen, er solle nur weiter in dem Gewölbe ge-
hen, da werde er die schönste auf der Welt fin-
den. Der Dümmling ging hin und kam an
ein Gemach, worin alles von Gold und Edel-
steinen schimmerte und flimmerte, aber statt ei-
ner schönen Frau, saß ein garstiger Frosch mit-
ten darin. Der Frosch rief ihm zu: „umschling
mich und versenk dich!" Er wollte aber nicht,
da rief der Frosch zum zweiten und dritten-
mal: „umschling mich und versenk dich!" Da
faßte der Dümmling den Frosch, und trug ihn
herauf zu einem Teich, und sprang mit ihm
hinein, kaum aber hatte das Wasser sie berührt,
so hielt er die allerschönste Jungfrau in seinen
Armen. Und sie stiegen heraus, und er führte
sie vor seinen Vater, da war sie tausendmal
schöner, als die Frauen, die sich die andern
Prinzen mitgebracht. Nun wäre das Reich
wieder dem Dümmling gewesen, aber die zwei
lärmten und verlangten, der sollte den Vorzug
haben, dessen Frau bis zu einem Ring, der
mitten im Saal festhing, springen könnte; der
König willigte auch endlich darein. Die Frau
des ältesten konnte aber kaum halb so hoch
X
hinaufkommen, die Frau des zweiten kam ein
wenig höher, aber die Frau des dritten sprang
bis in den Ring; da mußten sie endlich zuge-
ben, daß Dümmling nach ihres Vaters Tod
das Reich erben solle, und als der starb, ward
er König und hat lange in Weisheit regiert.
IUI.
Die goldene Gan«.
Es war einmal ein Mann, der hatte drei
Söhne, der jüngste aber war ein Dümmling.
Eines Tags sprach der älteste: „Vater, ich will
in den Wald gehen. Holz hauen." — „Laß
das bleiben, antwortete der Vater, du kommst
sonst mit einem verbundenen Arm heim." Der
Sohn aber achtete nicht darauf, dachte, er wisse
sich schon zu hüten, steckte einen Kuchen in die
Tasche und ging hinaus. Zn dem Walde bet
gegnete ihm ein graues altes Männchen, das
sagte: „gieb mir doch ein Stück von dem Ku-
chen, den du in der Tasche hast, ich bin so
hungrig." Der kluge Sohn aber sprach: „waö
soll ich dir meinen Kuchen geben, dann hab'
ich selber nichts, pack dich deiner Wege!" und
ging fort mit seiner Axt, und fing an einen
Baum zu behauen, nicht lange aber, da hieb er
fehl, die Axt fuhr ihm in den Arm, und er muß-
te heimgehen und sich verbinden lassen. Das
.— 2C>4 —
war aber von dem alten grauen Männchen ge-
kommen.
Darauf ging der zweite Sohn in den Wald,
wo ihn das Männchen auch um ein Stück Ku-
chen ansprach. Er schlugö ihm aber auch ab,
«nl (und hieb sich dafür ins Bein, daß er sich mußte
^7' n"*^ ^nacf) Haus tragen lassen. Endlich ging der
Dümmling hinaus, das Männchen sprach ihn,
wie die andern, um ein Stück Kuchen an.
„Da hast du ihn ganz," sagte der Dümmling,
und gab ihn hin. Da sagte das Männchen:
„hau diesen Baum ab, so wirst du etwas fin-
den." Der Dümmling hieb da zu, und als
der Baum umfiel, saß eine goldene Gans dar-
unter. Er nahm sie mit sich, und ging in ein
Wirthshaus und wollte da übernachten, blieb
aber nicht in der großen Stube, sondern ließ
sich eine allein geben, da sehte er seine Gans
mitten hinein. Die Wirthsköchter sahen die
Gans und waren neugierig, und hätten gar
zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da sprach
die älteste: „ich will einmal hinauf gehen, und
wenn ich nicht bald wieder komme, so geht mir
nach." Darauf ging sie zu der Gans, wie sie
aber kaum die Feder berührt hat, bleibt sie
daran hängen; weil sie nun nicht wieder her-
unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie
sie die Gans sieht, kann sie gar der Lust nicht
widerstehen, ihr ein: Feder auszuziehen; die
älteste
*
3°5
älteste räth ihr ab, was sie kann, das hilft
aber alles nicktö, sie faßt die Gans an und
bleibt an der Feder hänge». Die dritte Toch-
ter, nachdem sie unten lange gewartet, ging
endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu,
sie sollt ums Himmels willen der Gans nicht
nahe kommen, sie hört aber gar nicht drauf,
meint, eine Feder müsse sie haben, und bleibt
auch daran hängen. Am andern Morgen nahm
der Dümmling die Gans in den Arm und ging
fort, die drei Mädchen hingen fest und muß-
ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet
ihnen der Pfarrer: „pfui, ihr garstigen Mäd-
chen, was lauft ihr dem jungen Burschen so öf-
fentlich nach, schämt euch doch!" damit faßt er
eine bei der Hand, und will sie zurückziehen,
wie er sie aber angerührt bleibt er an ihr auch
hängen, und muß nun selber hinten drein lau-
fen. Nicht lang, so kommt der Küster: „ei!
Herr Pfarrer, wo hinaus so geschwind? heut
ist noch eine Kindtaufe!" er läuft auf ihn zu,
faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch hängen.
Wie die fünf so hintereinander her marfchiren,
kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom
Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, sie sollten sie
los machen, kaum aber haben sie den Küster
nur angerührt, so bleiben sie hängen, und wa-
ren ihrer nun sieben, die dem Dümmling mir
der Gans nachliefen.
Kindermärchen. U
— Zo6 —
Er kam darauf in eine Stadt, da regierte
ein König, der hatt: eine Tochter, die war so
ern'ihast, daß sie niemand zum Lachen bringen
konnte. Da hatte der König ein Gesetz gege-
ben wer sie könnte zu lachen machen, der soll-
te sie heirathen. Der Dümmling, als er das
hörte, ging mit seiner Gans und ihrem An-
hang vor die Königstochter; wie diese den Aus-
zug sah, fing sie überlaut an zu lachen, und
wollte gar nicht wieder aufhören. Er verlang-
te sie nun zur Braut, aber der Köuig machte
allerlei Einwendungen und sagte, er müßte ihm
erst einen Mann bringen, der einen Keller voll
Wein austrinken könnte. Da ging er in den
Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum
abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der
machte ein gar betrübtes Gesicht, der Dümm-
ling fragte, was er sich so sehr zu Herzen näh-
me? „Ei! ich bin so durstig, und kann, nicht
genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab
ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen
auf einen heißen Stein ?" — „Da kann ich
dir helfen, sagte der Dümmling, komm nur
mit mir, du sollst satt haben." Er führte ihn
in des Königs Keller, der Mann machte sich
über die großen Fässer, trank und trank, daß
ihm die Hüften weh thaten, und ehe ein Tag
herum war, hatte er den ganzen Keller ausge-
trunken. Der Dümmling verlangte nun seine
Braut, der König aber ärgerte sich, daß ein
schlechter Bursch, den jedermann einen Dümm-
ling nannte, seine Tochter davon tragen sollte,
und machte neue Bedingungen: er müsse ihm
erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll
Brod aufesse» könnte. Der Dümmling ging
wieder in den Wald, da saß auf des Baumes
Platz ein Mann, der schnürte sich den Leib mit
einem Riemen zusammen, machte ein grämli-
ches Gesicht und sagte: „ich habe einen ganzen
Backofen voll Raspelbred gegessen, aber was
hilft das bei meinem großen Hunger, ich spür
doch nichts davon im Leib und muß mich nur
zuschnüren, wenn ich nicht Hungers sterben
soll." Wie der Dümmling das hörte, war er
froh und sprach: „steig auf und geh mit mir,
du sollst dich satt essen." Er führte ihn zu
dem König, der hatte alles Mehl aus dem gan-
zen Reich zusammenfahren, und einen unge-
heuern Berg davon backen lasse», der Mann
aber aus dem Wald stellte sich davor, und in
einem Tag und einer Nacht, war der ganze
Berg verschwunden. Der Dümmling forderte
wieder seine Braut, der König aber suchte noch
einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das
zu Land wie zu Wasser fahren könnte; schaffe
er aber das, dann solle er gleich die Prinzessin
haben. Der Dümmling ging noch einmal in
den Wald, da saß das alte graue Männchen,
U r
dem es seinen Kuchen gegeben, und sagte: „ich
hab für dich getrunken und gegessen, ich will
dir auch das Schiff geben, das alles thu' ich,
weil du barmherzig gegen mich gewesen bist."
Da gab er ihm da« Schiff, das zu Land und
zu Wasser fuhr, und als der König das sah,
mußte er ihm seine Tochter geben. Da ward
die Hochzeit gefeiert, und er erbte das Reich,
und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Ge-
mahlin.
6Z.
Allerlei-Rauh.
Es war einmal ein König, der hatte eine
Frau, die war die schönste auf der Welt, und
hatte Haare von purem Gold; sie hatten auch
eine Tochter mit einander, die war so schön
wie ihre Mutter, und ihre Haare waren eben
so golden. Einmal ward die Königin krank,
und als sie fühlte, daß sie sterben müsse, rief
sie den König und bat ihn, er möge nach ihrem
Tod dock niemand heirathen, der nicht eben so
schön wäre wie sie, und eben so goldne Haare
härte; und nachdem ihr der König das verspro-
chen hatte, starb sie. Der König war lange
Zeit so betrübt, daß er gar an keine zweite
Frau dachte, endlich aber ermahnte» ihn seine
Räthe, sich wieder zu vermählen: da wurden
Botschafter abgeschickt an alle Prinzessinnen,
aber keine war so schön wie die verstorbene Kö-
nigin, so goldenes Haar war auch gar nicht mehr
zu finden auf der Welt. Da warf der König
einmal die Augen auf seine Tochter, und wie
er so sah, daß sie ganz ihrer Mutter glich und
auch ein so goldenes Haar hatte, so dachte er,
du kannst doch auf der Welt niemand so schön
finden, du mußt deine Tochter heirathen, und
fühlte in dem Augenblick eine so große Liebe
zu ihr, daß er gleich den Räthen und der Prin-
zessin seinen Willen kund that. Die Räthe
wollten es ihm ausreden, aber das war um-
sonst. Die Prinzessin erschrack von Herzen über
dies gottlose Vorhaben, weil sie aber klug war,
sagte sie dem König, er solle ihr erst drei Klei-
der Waffen, eine so golden wie die Sonne, eins
so weH wie der Mond, und eins so glänzend
wie die Sterne, dann aber einen Mantel von
tausenderlei Pelz zusammengesetzt, und alle
Thiere im Reich müßten ein Stück von ihrer
Haut dazu geben. Der König war so heftig
in seiner Begierde, daß er im ganzen Reich
daran arbeiten ließ, seine Jäger alle Thiere auf-
fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten,
daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer-
te nicht lang, so brachte er der Prinzessin, was
sie verlangt hatte. Die Prinzessin sagte nun,
sie wolle sich morgen mit ihm trauen lassen, in
der Nacht aber suchte sie die Geschenke, die sie
von ihrem Bräutigam hatte, zusammen, das
war ein goldener Ring, ein golden Spinnrad«
chen und ein goldenes Häspelchen, die drei Klei«
der aber that sie in eine Nuß, dann machte sie
sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz, zog
den Mantel von allerlei Pelz an, und ging fort.
Sie ging die ganze Nacht, bis sie in einen gro,
ßen Wald kam, da war sie sicher, und weil sie
so müd war, setzte sie sich in einen holen Baum,
uno schlief ein.
Sie schlief noch am hohen Tag, da jagte
gerade der König, ihr Bräutigam, in dem
Wald, seine Hunde aber liefen um den Baum,
und schnupperten daran. Der König schickte
seine Jäger hin, die sollten sehen, was für ein
Thier in dem Baum steckte, die kamen wieder
und sagten, es liege ein so wunderliches Thier
darin, wie sie ihr Lebtag noch keins gesehen,
Rauhwerk allerlei Art sey an seiner Haut, es
liege aber und schlafe. Da befahl der König
sie sollten es fangen und hinten auf den Wa-
gen binden. Das thaten die Jäger, und wie
sie es hervorzogen, sahen sie, daß es ein Mäd-
chen war, da banden sie es hinten auf und fuh-
ren mit ihm heim. „Allerlei-Rauh, sag,
ten sie, du bist gut für die Küche, du kannst
Holz und Wasser tragen, und die Asche zusam-
men kehren;" dann gaben sie ihm ein kleines
312
machte die Nuß auf und holte das Kleid her,
aus, da« wie die Sonne glänzte. Und wie es
damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder,
mann machte ihm Platz, und meinte nicht an-
ders, als eine vornehme Prinzessin käme in den
Saal gegangen. Der König reichte ihr gleich
feine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr
tanzte, dachte er, wie gleicht diese unbekannte
schöne Prinzessin meiner lieben Braut, und je
länger er sie ansah, desto mehr glich sie ihr,
daß er es fast gewiß glaubte, und wenn der
Tanz zu Ende wär, wollte er sie fragen. Wie
sie aber ausgetanzt hatte, verneigte sie sich und
war verschwunden, ehe sich der König besinnen
konnte. Da ließ er die Wächter fragen, aber
keiner hatte die Prinzessin aus dem Hause ge-
hen sehen. Sie war geschwind in ihr Ställ-
chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge-
sicht und Hände schwarz gemacht, und wieder
den Pelzmantel umgethan. Dann ging sie in
die Küche und wollte die Asche zusammenkehren,
der Koch aber sagte: „laß daseyn bis mor-
gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und
Len Tanz mit ansehen, koch derweil dem König
seine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen,
sonst kriegst du nichts mehr zu essen." Aller-
lei-Rauh kochte dem König da eine Brodsup-
pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin-
ein, den der König ihr geschenkt hatte. Wie
nun der Ball zu Ende war, ließ sich der Kö-
nig seine Brodsuppe bringen, die schmeckte ihm
so gut, daß er meinte, er hätte noch nie eine
so gute gegessen, wie er aber fertig war, fand
er den Ring auf dem Grund liegen, und wie
er ihn genau ansah, da war es sein Treuring.
Da verwunderte er sich, konnte nicht begreifen,
wie der Ring dahin kam, und ließ den Koch
rufen; der Koch ward bös über Allerei-Rauh.-
„du hast gewiß ein Haar hineinfallen lassen,
wenn das wahr ist, so kriegst du Schläge."
Wie aber der Koch hinauf kam, fragte der Kö-
nig, wer die Suppe gekocht habe, die wär bes-
ser als sonst gewesen, da mußte er gestehen,
daß es Allerlei-Rauh gethan, und da hieß ihn
der König Allerlei-Rauh heraufschicken. Wie
es kam, sagte der König: „wer bist du und
was machst du in meinem Schloß, woher hast
du den Ring, der in der Suppe lag?" Es
antwortete aber: „ick bin nichts als ei» armes
Kind, dem Vater und Mutter gestorben sind,
habe nichte und bin zu gar nichts gut, als daß
die Stiefel mir um den Kopf geworfen werden,
und von dem Ring weiß ich auch nichts," da-
mit lief es fort.
Darnach war wieder ein Ball; da bat Aller,
lei-Rauh den Koch wieder, er solle es hinaufge-
hen lassen. Der Koch erlaubte es auch nur auf
eine halbe Stunde, dann solle es da seyn und
dem König die Drodsuppe kochen. Allerlei - Rauh
ging in sein Ställchen, wusch sich rein und
nahm das Mondkleid heraus, noch reiner und
glänzender als der gefallene Schnee, und wie
es hinauf kam ging eben der Tanz an, da reich-
te ihm der König die Hand, und tanzte mit
ihm, und zweifelte nicht mehr, daß das feine
Braut sey, denn niemand auf der Welt hatte
außer ihr noch so goldene Haare; wie aber der
Tanz zu Ende war, war auch die Prinzessin
schon wieder draußen, und alle Mühe umsonst,
der König konnte sie nicht finden, und hatte
auch kein einzig Wort mit ihr sprechen können.
Sie war aber wieder Allerlei-Rauh, schwarz
im Gesicht und an den Händen, stand in der
Küche, und kochte dem König die Brodsuppe,
und der Koch war hinaufgegangen und guckte
zu. Und als die Suppe fertig war, that sie
das goldne Spinnrad hinein. Der König aß
die Suppe, und sie däuchte ihm noch besser, und
als er zuletzt das goldene Spinnrad fand, er;
staunte er noch mehr, denn das hatte er einmal
seiner Braut geschenkt. Der Koch ward geru-
fen, und dann Allerlei-Rauh, aber die gab
wieder zur Antwort, sie wisse nichts davon, und
sey nur dazu da, daß ihr die Stiefel um den
Kopf geworfen würden.
Der König stellte zum drittenmal einen
Ball an, und hoffte seine Braut sollte wieder
kommen, und da wollte er sie gewiß festhalten.
Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob
sie nicht dürfe hinaufgehen, der schalt aber und
sagte: „du bist eine Hexe, du thust immer et-
was in die Suppe, und kannst sie besser kochen
als ich;" doch weil es so bat und versprach,
ordentlich zu seyn, so ließ er es wieder auf ei-
ne halbe Stunde hingehen. Da zog es fein
Sternenkleld an, das funkelte wie die Sterne
in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem
König; der meinte, so schön hätte er es noch
niemals gesehen. Bei dem Tanz aber steckte er
ihm einen Ring an den Finger, und hatte be-
fohlen, daß der Tanz recht lang währen sollte.
Doch aber konnte er es nicht festhalten, auch
kein Wort mit ihm sprechen, denn als der Tanz
aus war, sprang es so geschwind unter die Leu-
te, daß es verschwunden war, eh er sich um-
drehte. Es lief in sein Stallchen, und weils
länger als eine halbe Stunde weggewesen war,
zog e§ sich geschwind aus und machte sich in
der Eile nicht ganz schwarz, sondern ein Finger
blieb weiß, und wie es in die Küche kam, war
der Koch schon fort, da kochte es geschwind die
Brodsuppe und legte den goldenen Haspel hin-
ein. Der König fand ihn, wie den Ring und
das goldne Spinnrad, und nun wußt' er ge,
wiß, daß seine Braut in der Nähe war, denn
niemand anders konnte die Geschenke sonst ha-
ken. Allerlei-Rauh ward gerufen, wollte sich
wieder diirchhelfen und fortspringen, aber in-
dem es fortsprang, erblickte der König einen
weißen Finger an seiner Hand, und hielt es
fest daran; da fand er den Ring, den er ihm
angesteckt, und riß den Rauchmantel ab, da ka-
men die goldenen Haare heraus geflossen, und
es war seine allerliebste Braut, und der Koch
ward reichlich belohnt, und dann hielt er
Hochzeit, und sie lebten vergnügt bis an ih-
ren Tod. aj.nt+tr. m.
66.
Hurleburlebutz.
Ein König verirrte sich auf der Jagd, da
trat ein kleines weißes Männchen vor ihn:
„Herr König, wenn ihr mir eure jüngste Toch-
ter geben wollt, so will ich euch wieder aus dem
Wald führen." Der König sagte e« in seiner
Angst zu, das Männchen brachte ihn auf den
Weg, nahm dann Abschied und rief noch nach:
„in acht Tagen komm ich und hol meine Braut."
Daheim aber war der König traurig über fein
Versprechen, denn die jüngste Tochter hatte er
am liebsten; das sahen ihm die Prinzessinnen
an, und wollten wissen, was ihm Kummer ma-
che. Da mußt ers endlich gestehen, er habe die
jüngste von ihnen einem kleinen weißen Wald-
3*7
Männchen versprochen, und das komme in acht
Tagen und hole sie ab. Sie sprachen aber, er
solle gutes Muths seyn, das Männchen wollten
sie schon anführen. Darnach als der Tag kam,
kleideten sie eine Kuhhirtsrochter mit ihren Klei-
dern an, sehten sie in ihre Stube und befahlen
ihr: „wenn jemand kommt, und will dich ab-
holen, so gehst du mit!" sie selber aber gingen
alle aus dem Hause fort. Kaum waren sie
weg, so kam ein Fuchs in das Schloß, und
sagte zu dem Mädchen: „setz dich auf meinen
rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in
den Wald!" Das Mädchen setzte sich dem
Fuchs auf den Schwanz, und so trug er es
hinaus in den Wald; wie sie aber auf einen
schönen grünen Platz kamen, wo die Sonne
recht hell und warm schien, sagte der Fuchs:
„steig ab und laus mich!" Das Mädchen ge-
horchte, der Fuchs legte seinen Kopf auf ihren
Schooß und ward gelaust; bei der Arbeit sprach
das Mädchen: „gestern um die Zeit wars doch
schöner in dem Wald!" — „Wie bist du in
den Wald gekommen?" fragte der Fuchs. —
„Ei, da hab ich mit meinem Vater die Kühe
gehütet." — ,-Also bist du nickt die Prinzessin!
setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurle-
burlebutz ! zurück in das Schloß!" Da trug k
sie der Fuchs zurück und sagte zum König: „du
hast mich betrogen, das ist eine Kuhhirtstvch-
3iß
ter, in acht Tagen komm ich wieder und hol
mir deine." Am achten Tage aber kleidete»
die Prinzessinnen eine Gänsehirtstochter präch-
tig an, sehten sie hin und gingen fort. Da
kam der Fuchs wieder und sprach: „setz dich
auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz!
hinaus in den Wald!" Wie sie in dem Wald
auf den sonnigen Platz kamen, sagte der Fuchs
wieder: „steig ab und laus mich." Und als
das Mädchen den Fuchs lauste, seufzte es und
sprach: „wo mögen jetzt meine Gänse seyn!"
— „Was weißt du von Gänsen?" — „Ei,
die hab ich alle Tage mit meinem Vater auf
die Wiesen getrieben." — „Also bist du nicht
des Königs Tochter! seh dich auf meinen rau-
hen Schwanz, Hurleburlebutz! zurück in das
Schloß!" Der Fuchs trug sie zurück und sag-
te zum König: „du hast mich wieder betrogen,
das ist eine GänsehirtStochter, in acht Tagen
komm ich »och einmal, und wenn du mir dann
deine Tochter nicht giebst, so soll dirs übel ge-
hen." Dem König ward Angst, und wie der
Fuchs wieder kam, gab er ihm die Prinzessin.
„Seh dich auf meinen rauhen Schwanz, Hur-
lebnrlebuh! hinaus in den Wald." Da muß-
te sie auf dem Schwanz des Fuchses Hinausrei-
ten, und als sie auf den Platz im Sonnen-
schein kamen, sprach er auch zu ihr: „steig ab
und laus mich!" als er ihr aber seinen Kopf
r
auf den Schooß legte, fing die Prinzessin an
zu weinen und sagte: „ich bin eines Königs
Tochter und soll einen Fuchs lausen, säß ich jetzt
daheim in meiner Kammer, so könnt ich meine
Blumen im Garten sehen!" Da hörte der
Fuchs, daß er die rechte Braut hatte, verwan-
delte sich in das kleine, weiße Männchen, und
das war nun ihr Mann, bei dem mußt' sie in
einer kleinen Hütte wohnen, ihm kochen und
nähen, und es dauerte eine gute Zeit. Das
Männchen aber that ihr alles zu Liebe.
Einmal sagte das Männchen zu ihr: „ich
muß fortgehen, aber es werden bald drei weiße
Tauben geflogen kommen, die werden ganz nie-
drig über die Erde hinstreifen, davon fang die
mittelste, und wenn du sie hast, schneid ihr
gleich den Kopf ab, hüt' dich aber, daß du kei-
ne andere ergreifst, als die mittelste, sonst ent-
steht ein groß Unglück daraus." Das Männ-
chen ging fort; es dauerte auch nicht lang, so
kamen drei weiße Tauben daher geflogen. Die
Prinzessin gab Acht, ergriff die mittelste, nahm
ein Messer und schnitt ihr den Kopf ab. Kaum
aber lag der auf dem Boden, so stand ein schö-
ner junger Prinz vor ihr und sprach: „mich
hat eine Fee verzaubert, sieben Jahr lang sollt
ich meine Gestalt verlieren, und sodann als ei-
ne Taube an meiner Gemahlin vorbeifliegen,
zwischen zwei andern, da müsse sie mich fan-
— 320 —
gen und mir den Kopf abhauen, und fange sie
mich nicht, oder eine unrechte, und ich sey ein-
mal vorbeigeflogen, so sey alles vorbei und kei-
ne Erlösung mehr möglich: darum hab ich dich
gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin
das graue Männlein und du meine Gemahlin."
Da war die Prinzessin vergnügt, und sie gin-
gen zusammen zu ihrem Vater, und als der
starb, erbten sie das Reich.
67.
Der König mit dem Löwe».
Bei seiner Braut saß ein junger Prinz und
sprach: „da geb ich dir einen Ring und mein
Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib
mir treu; mein Vater ist todtkrank und hat ge-
schickt, ich soll kommen, er will mich vor sei-
nem Ende noch einmal sehen, wann ich König
bin, so hole ich dich heim." Darauf ritt er
fort, und fand seinen Vater sterbend; er bat
noch den Prinzen, er möge eine gewisse Prin-
zessin nach seinem Tode heirathen. Der Prinz
war so betrübt, und hatte seinen Vater so lieb,
daß er ohne sich zu bedenken. Za sagte, und gleich
darauf that der alte König die Augen zu und
starb. Wie er nun zum König ausgerufen und
die Trauerzeit herum war, mußt er sein Wort
halten, und ließ um die andere Prinzessin wer-
ben,
ben, die ihm zugesagt wurde. Indeß hörte die
erste Braut, daß der Prinz um eine andere ge-
freit, da grämte sie sich so sehr, daß sie fast
verging. Ihr Vater fragte, warum sie so trau-
rig sey, sie solle fordern, was sie wolle, es solle
ihr gewährt seyn; da bedachte sich die Prin-
zessin einen Augenblick, dann bat sie sich elf
Mädchen aus, die ihr vollkommen glichen, auch
an Größe und Wuchs. Der König ließ die elf
Jungfrauen im ganzen Königreich aufsuchen,
und als sie beisammen waren, kleidete sie die
Prinzessin in Jäger, sich selber eben so, so daß
ihrer zwölf vollkommen, eine wie die andere,
waren. Darauf ritt sie zu dem König ihrem
ehemaligen Bräutigam, und verlangte für sich
und die übrigen Dienst als Zager. Der König
erkannte sie nicht, und weil es so schöne Leute
waren, gewährte er ihnen gern die Bitte, und
nahm sie an seinen Hof.
Der König hatte aber einen Löwe», dem
war nichte verborgen, und er wußte les, was
heimlich am Hofe geschah. Der sagte eines
Abende zu ihm: „du glaubst, du hättest da
zwölf Zäger, das sind aber lauter Mädchen.^
Der König wollte es nicht glauben, da sagte
der Löwe weiter: „laß nur einmal Erbsen in
dein Vorzimmer streuen, Männer, die haben
einen festen Tritt, wenn die darüber hingehen,
regt sich keine, Mädchen aber die trippeln und
Kindermärchen. 3E
Z2L
schlurfen, und die Erbsen rollen unter ihren
Füßen." Dem König gefiel das wohl. Es
war aber ein Diener des Königs, der liebte die
Jäger und hatte das mit angehört, da lief
er zu ihnen und fager: der Löwe halt euch
für Madcheu, und will Erbsen streuen lassen
und euch damit probiren; die Prinzessin befahl
darauf ihren elf Jungfrauen, sie sollten sich
alle Gewalt anthun, und fest auf die Erbsen
treten. Als nun am Morgen die Erbsen ge,
streut waren, ließ der König die zwölf Jäger
kommen, sie hatten aber einen so sichern und
starken Gang, daß sich auch nicht eine Erbse
bewegte. Am Abend machte der König dem
Löwen Vorwürfe, daß er ihn belogen, da sag-
te der Löwe: „sie haben sich verstellt, laß aber
nur zwölf Spinnräder in das Vorzimmer stel-
len, da werden sie sich drüber freuen, und das
thut kein Mann." Der König folgte dem Lö-
wen noch einmal, und ließ die Spinnräder hin-
stellen. D>r Diener aber hatte den Zagern den
Anschlag verrathen, da befahl die Prinzessin
ihren elf Jungfrauen die Spinnräder nicht ein-
mal anzusehen. So thaten sie auch, und der
König wollte dem Löwen nicht mehr glauben.
Er gewann die Jäger immer lieber, und wenn
er auf die Jagd ritt, mußten sie ihm folgen.
Wie sie einmal mit ihm im Wald waren, kam
die Nachricht, die Braut des Prinzen sey im
323
Anzug, und werde bald da seyn; wie das die
rechte Braut hörte fiel sie in Ohnmacht. Der
König meinte, seinem lieben Jäger sey etwas
zugestoßen- lief herzu und wollte ihm helfen,
er zor ihm aber auch die Handschuh aus, da
erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut
gegeben, und als er dann noch das Bildniß an
ihrem Hals sah, erkannte er sie, und ließ gleich
der 'andern Braut sagen, sie möge in ihr Reich
zurückkehren, er habe schon eine Gemahlin, und
wenn man einen alten Schlüssel wieder gefun-
den, brauche man den neuen nicht. Da ward
die Hochzeit gefeiert, und der Löwe hatte nicht
gelogen, und kam wieder in Gnade bei dem
König. aM-A s t.ui ui^i fäll*.
6g.
Vott dem Sommer- und Winter-
garten.
Ein Kaufmann wollte auf die Messe ge-
hen, da fragte er seine drei Töchter, was er
ihnen mitbringen sollte. Die älteste sprach:
„ein schönes Kleid;" die zweite: „ein paar
hübsche Schuhe;" die dritte: „eine Rose."
Aber die Rose zu verschaffen, war etwas schwe-
res, weil es mitten im Winter war, doch weil
die jüngste die schönste war, und sie eine so
große Freude an den Blumen hatte, sagte der
L 2
324
Vater, er wolle zusehen, ob er sie bekommen
könne, und sich rechte Mühe darum geben.
Als der Kaufmann wieder auf der Rück-
reise war, hatte er ein prächtiges Kleid für die
älteste, und ein paar schöne Schuhe die
zweite, aber die Rose für die dritte hatte er
nicht bekommen können, wenn er in einen Gar-
ten gegangen war, und nach Rosen gefragt,
hatten die Leute ihn ausgelacht: „ob er denn
glaube, daß die Rosen im Schnee wüchsen."
Das war ihm laber gar leid, und wie er dar-
über sann, ob er gar nichts für fein liebstes
Kind mitbringen könne, kam er vor ein Schloß,
und dabei war ein Garten, in dem war es
halb Sommer und halb Winter, und auf der
einen Seite blühten die schönsten Blumen groß
und klein, .und auf der andern war alles kahl
und lag ein tiefer Schnee. Der Mann stieg
vom Pferd herab, und wie er eine ganze Hecke
voll Rosen auf der Sommersrite erblickte, war
er froh, ging hinzu und brach eine ab, dann
ritt er wieder fort. Er war schon ein Stück
Wegs geritten, da hörte er etwas hinter sich
herlaufen und schnaufen, er drehte sich um, und
sah ein großes schwarzes Thier, das rief: „du
giebst mir meine Rose wieder, oder ich mache
dich todt, du giebst mir meine Rose wieder, oder
ich mach dich todt!" da sprach der Mann: „ich
bitt dich, laß mir die Rose, ich soll sie meiner
Tochter mitbringen, die ist die schönste auf der
Welt." — „Meintwegen, aber gieb mir die
schöne Tochter dafür zur Frau?" Der Mann,
um das Thier los zu werden, sagt ja, und
denkt, das wird doch nicht kommen und sie for-
dern, das Thier aber rief noch hinter ihm
drein: „in acht Tagen komm ich und hol mei-
ne Braut."
Der Kaufmann brachte nun einer jeden
Tochter mit, was sie gewünscht hatten; sie freu-
ten sich auch alle darüber, am meisten aber die
jüngste über die Rose. Nach acht Tagen saßen
die drei Schwestern beisammen am Tisch, da
kam etwas mit schwerem Gang die Treppe her-
auf, und an die Thüre und rief: „macht auf!
macht auf!" Da machten sie auf, aber sie er-
schracken recht, als ein großes schwarzes Thier
hereintrat: „Weil meine Braut nicht gekom-
men, und die Zeit herum ist, will ich mir sie
selber holen." Damit ging es auf die jüngste
Tochter zu und packte sie an. Sie fing an zu
schreien, das half aber alles nichts, sie mußte
mit fort, und als der Vater nach Haus kam,
war sein liebstes Kind geraubt. Das schwarze
Thier aber trug die schöne Jungfrau in sein
Schloß, da wars gar wunderbar und schön,
und Musikanten waren darin, die spielten auf,
und unten war der Garten halb Sommer und
halb Winter, und das Thier that ihr alles zu
Z26
Liebe, mras es ihr nur an den Augen absehen
konnte. Sie aßen zusammen, und sie mußte
ihm aufschöpfen, sonst wollte es nicht essen, da
ward sie dem Thier hold, und endlich hatte sie
es recht lieb. Einmal sagte sie zu ihm: „mir
ist so Angst, ich weiß nicht recht warum, aber
mir ist, als wär mein Vater krank, oder eine
von meinen Schwestern, könnte ich sie nur ein
einzigesmal setzen!^ Da führte sie das Thier
zu einem Spiegel und sagte: „da schau hin-
ein," und wie sie hineinschaute, war es recht
als wäre sie zu Hauö; sie sah ihre Stube und
ihren Vater, der war wirklich krank, aus Her-
zeleid, weil er sich Schuld gab, daß sein lieb-
stes Kind von einem wilden Thier geraubt und
gar von ihm aufgefressen sey, hätt' er gewußt,
wie gut cs ihm ging, so hätte er sich nicht be-
trübt; auch ihre zwei Schwestern sah sie am
Bett sitzen, die weinten. Von dem allen war
ihr Herz ganz schwer, und sie bat das Thier,
es sollte sie nur ein paar Tage wieder heim
gehen lassen. Das Thier wollte lange nicht, end-
lich aber, wie sie so jammerte, hatte es Mit-
leiden mit ihr und sagte: „geh hin zu deinem
Vater, aber versprich mir, daß du in acht Ta-
gen wieder da seyn willst. Sie versprach es
ihm, und als sie fort ging, rief es noch: „bleib
aber ja nicht länger als acht Tage «»6,"
Wie sie heim kam, freute sich ihr Vater,
daß er sie noch einmal sähe, aber die Krankheit
und das Leid hatten schon zu sehr an seinem
Herzen gefressen, daß er nicht wieder gesund
werden konnte, und nach ein paar Tagen starb
er. Da konnte sie an nichts anders denken vor
Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be-
graben, da ging sie mit zur Leiche, und dann
weinten die Schwestern zusammen und tröste-
ten sich, und als sie endlich wieder an ihr lie-
bes Thier dachte, da waren schon längst die
acht Tage herum. Da ward ihr recht Angst,
und es war ihr, als sey das auch krank, und
sie machte sich gleich auf, nnd ging wieder hin
zu seinem Schloß. Wie sie aber wieder ankam,
wars ganz still und traurig darin, die Musi-
kanten spielten nicht, und alles war mit schwar-
zem Flor behängen; der Garten aber war ganz
Winter und von Schnee bedeckt. Und wie sie
das Thier selber suchte, war es fort, und sie
suchte aller Orten, aber sie konnte ee nicht fin-
den. Da war sie doppelt traurig, und wußte
sich nicht zu trösten, und einmal ging sie so
traukiss im Garten, und sah einen Haufen Kohl-
häupter, die waren oben schon alt nnd faul,
da legte sie die herum, und wie sie ein paar
umgedreht hatte, sah sie ihr liebes Thier, das
lag darunter und war todt. Geschwind holte
sie Wasser und begoß es damit unaufhörlich, da
sprang eö auf und war auf einmal verwandelt,
und ein schöner Prinz. Da ward Hochzeit ge-
halten und die Musikanten spielten gleich wie-
der, die Sommerseite im Garten kam prächtig
hervor, und der schwarze Flor ward abgerissen,
und sie lebten vergnügt miteinander immerdar.
69.
Iorinde und Joringel.
Es war einmal ein altes Schloß, mitten
in einem großen, dicken Wald, darinnen wohn-
te eine alte Frau ganz allein, das war eine
Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Kat-
ze, oder zu Nachteule, des Abends aber wurde
sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet.
Sie konnte das Wild und die Vögel Herbeilok-
ken, und dann schlachtete sie's, kochte und bra-
tete es. Wenn jemand auf hundert Schritte
dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehn,
und konnte sich nicht von der Stelle bewegen,
bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche
Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte
sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie dann
in einen Korb ein, in die Kammern des Schlos-
ses. Sie hatte wohl siebentausend solcher Kör-
be mit so raren Vögeln im Schlosse.
Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß
Zorinde; sie war schöner als alle andere Mad,
chen, die, und dann ein gar schöner Jüngling,
Namens Joringel, hatten sich zusammen ver-
sprochen. Sie waren in den Brauttagen, und
sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am an-
dern. Damit sie nun einemalen vertraut zu-
sammen reden könnten, gingen sie in den Wald
spaziren. „Hüte dich, sagte Joringel, daß du
nicht so nahe an das Schloß kommst!" Es
war ein schöner Abend, die Sonne schien zwi-
schen den Stammen der Bäume hell ins dunkle
Grün des Walds, und die Turteltaube sang
kläglich auf den alten Maibuchen.
Iorinde weinte zuweilen, sehte sich hin in
Sonnenschein und klagte. Joringel klagte auch;
sie waren so bestürzt, als wenn sie hatten ster-
ben sollen; sie sahen sich um, waren irre, und
wußten nicht, wohin sie nach Hause gehen soll-
ten. Noch halb stand die Sonne über dem
Berg, und halb war sie unter: Joringel sah
durchs Gebüsch, und sah die alte Mauer des
Schlosses nah bei sich, er erschrack und wurde
todtbang. Iorinde sang:
Mein Vöglein mit dem Ringlein roth
Singt Leide, Leide, Leide;
Es singt dem Taublein seinen Tod,
Singt Lerde, Lei — Zicküth! Zicküth!
Zicküth!
Joringel sah nach Zorinde. Iorinde war in
eine Nachtigall verwandelt, die sang Zicküth r
Zicküth. Eine Nachteule mit glühenden Augen
33o
flog dreimal um sie herum, und schrie dreimal
Schu — hu hu — hu! Zoringel konnte
sich nicht regen; er stand da wie ein Stein,
konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand
noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter;
die C»le flog in einen Strauch, und gleich dar-
auf kam eine alte krumme Frau aus diesem
hervor, gelb und mager, große xothe Augen,
krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn
reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und
trug sie auf der Hand fort. Zoringel konnte
nichts sagen, nicht von der Stelle kommen;
die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib
wieder und sagte mit dumpfer Stimme: „Grüß
dich, Zachiel! Wenns Möndel ins Körbel scheint,
bind los, Zachiel, zu guter Stund!" Da
würd Zoxingel los; er fiel vor dem Weib auf
die Knie, und hat, sie mögte ihm seine Zorinde
wieder geben; aber sie sagte, er solle sie nie
wieder haben, und ging fort- Er rief, er wein-
te, er jammerte, aber alles umsonst. Uu! was
soll mir geschehn? Zoringel ging fort und kam
endlich in ein fremdes Dorf; da hütet er die
Schafe lange Zeit. Oft ging ex rund um das
Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end-
lich träumte er einmal des Nachts, er fand ei-
ne blukrothe Blume, in deren Mitte eine schö-
ne große Perle war; die Blume brach er ab,
ging damit zum Schlosse; alles, was er mit
33 *
der Blume berührte, ward' von der Zauberei
frei; auch träumte er, er hätte seine Zorinde
dadurch wieder bekommen. Des Morgens, als
er erwachte, sing er an, durch Berg und Thal
zu suchen, ob er eine solche Blume fände; er
suchte bis an den neunten Tag, da fand er die
blutrothe Blume am Morgen früh. Zn der
Mitte war ein großer Thaukropfe, so groß wie
die schönste Perle. Diese Blume trug er Tag
und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hun-
dert Schritt nahe zum Schloß kam, dg würd
er nicht fest, sondern ging fort bis ans Thor.
Zoringel freute sich hoch, berührte die Pforte
mir der Blume, und sie sprang auf; ex ging
hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vie-
len Vögel vernähm. Endlich hört erö; er ging
und fand den Saal, darauf war die, Zauberin,
und fütterte die Vögel in den sieben taufendKör-
bcn. Wie sie den Zoringel sah, ward sie bös,
sehr bös, schalt, spie Gift und Galle gegen
ihn aus, aber sie konnt auf zwei Schritte nicht
an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie,
und ging, besah die Körbe mix den Vögeln;
da waren aber viele hundert Nachtigallen; wie
sollte er nun seine Zorinde wieder finden? Zn-
dem er so zusah, merkte er, daß die Alte heimlich
ein Körbchen mit einem Vogel nimmt, und damit
nach der Thüre geht. Flugs sprang er hinzu,
berührte das Körbchen mit her Blume, und
*
53:
auch das alte Weib; nun konnte fie nichts
mehr zaubern und Zorinde stand da, hatte ihn
um den Hals gefaßt, so schön, wie sie ehemals
war. Da macht er auch alle die andern Vögel
wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit sei-
ner Jorinde nach Hause, und lebten lange ver-
gnügt zusammen.
70.
Der O k e r l 0.
Eine Königin setzte ihr Kind in einer gol-
denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort-
schwimmen; es ging aber nicht unter, sondern
schwamm zu einer Insel, da wohnten lauter
Menscheltfresser. Wie nun so die Wiege, ge-
schwommen kam, stand gerade die Frau des
Menschenfressers anr Ufer, und als sie das Kind
sah, welches ein wunderschönes Mädchen war,
beschloß sie, es groß zu ziehen für ihren Sohn,
der sollte es einmal zur Frau haben. Doch
hatte sie große Noth damit, daß sie es sorgfäl-
tig vor ihrem Mann, dem alten Skerlo ver-
steckte, denn hätte er es zu Gesicht bekommen,
so wäre es mit Haut und Haar aufgefressen
worden.
Als nun das Mädchen groß geworden war,
sollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet
werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden.
333
und weinte den ganzen Tag. Wie es so ein-
mal am Ufer saß, da kam ein junger, schöner
Prinz geschwommen, der gefiel ihm und es ge-
fiel ihm auch, und sie versprachen sich mitein-
ander; indem aber kam die alte Mcnschen-
fresserin, die wurde gewaltig bös, daß sie den
Prinzen bei der Braut ihres Sohnes fand,
und kriegte ihn gleich zu packen: „wart nun,
du sollst zu meines Sohnes Hochzeit gebraten
werden!"
Der junge Prinz, das Mädchen und die drei -
Kinder des Okerlo schliefen aber alle in einer
Stube zusammen, wie es nun Nacht wurde,
kriegte der alte Okerlo Lust nach Menschen-
fleisch, und sagte: „Frau, ich habe nicht Lust
bis zur Hochzeit zu warten, gieb mir den Prin-
zen nur gleich her!" Das Mädchen aber hör-
te alles durch die Wand, stand geschwind auf,
nahm dem einen Kind des Okerlo die goldene
Krone ab, die es auf dem Haupte trug, und
sehte sie dem Prinzen auf. Die alte Men-
schenfresserin kam gegangen, und weil es dun-
kel war, so fühlte sie an den Häuptern, und
das, welches keine Krone trug, brachte sie dem
Mann, der es augenblicklich aufaß. Indessen
wurde dem Mädchen himmelangst, es dachte:
bricht der Tag an, so kommt alles heraus, und
es wird uns schlimm gehen." Da stand es
heimlich auf und holte einen Meilenstiefel, eine
Wünschelruthe und einen Kuchen mit einer
Bohne, die auf alles Antwort gab.
Nun ging sie mit dem Prinzen fort, sie
hatten den Meilenstiefel an, und mit jedem
Schritt machten sie eine Meile. Zuweilen fru-
gen sie die Bohnen
„Bohne, bist du auch da?"
„ja, sagte die Bohne- da bin ich, eilt euch
aber- denn die alte Menschenfresserin kommt
nach im andern Mtilenstiefel, der dort geblie-
ben ist!" Da nahm das Mädchen die Wün-
schelruthe und verwandelte sich in einen Schwan,
den Prinzen in einen Teich, worauf der Schwan
schwimmt. Die Menschenfresserin kam und
lockte den Schwan ans Ufer, allein es gelang
ihr nicht, und verdrießlich ging sie heim. Das
Mädchen und der Prinz setzten ihren Weg fort:
„Bohne, bist du da?"
„ja, sprach die Bohne, hier bin ich, aber die
alte Frau kommt schon wieder, der Menschen-
fresser hat ihr gesagt, warum sie sich habe an-
führen lassen." Da nahm das Mädchen den
Stab, und verwandelte sich und den Prinzen
in eine Staubwolke, wodurch die Frau Okerlo
nicht dringen kann, also kehrte sie unverrichte-
ter Sache wieder um, und die andern setzten
ihren Weg fort.
„Bohne, bist du da?"
ja, hier bin ich, aber ich sehe die Frau Okerlo
noch einmal kommen, und gewaltige Schritte
macht sie. Das Mädchen nahm zum dritten-
mal den Wünschelstab und verwandelte sich in
einen Rosenstock und den Prinzen in eine Bie-
ne, da kam die alte Menschenfresserin, erkannte
sie in dieser Verwandelung nicht und ging wie-
der heim.
Allein nun konnten die zwei ihre menschliche
Gestalt nicht wieder annehmen, weil das Mäd-
chen das letztemal in der Angst den Zauberstab
zu weit weggeworfen; sie waten aber schon so
weit gegangen, daß der Rosenstock in einem
Garten stand, der gehörte der Mutter des Mäd-
chens. Die Biene saß auf der Rose, und wer
sie abbrechen wollte, den stach sie mit ihrem
Stachel. Einmal geschah es, daß die Königin
selber in ihren Gatten ging und die schöne
Blume sah, worüber sie sich so verwunderte,
daß sie sie abbrechen wollte. Aber Bienchen
kam und stach sie so stark in die Hand- daß sie
die Rose mußte fahren lassen, doch hatte sie
schon ein wenig eingerissen. Da sah sie- daß
Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee
kommen, damit sie die Blume entzauberte. Da
erkannte die Königin ihre Tochter wieder, und
war von Herzen froh und vergnügt. Es wurde
aber eine große Hochzeit angestellt, eine Men-
ge Gäste gebeten, die kamen in prächtigen Klei-
dern, tausend Lichter flimmerten im Saal, und
— 536
es wurde gespielt und getanzt bis zum hellen
c Au fu+Mtpi- Tag.
fAttt '/g im.] „Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?"
— „ja wohl bin drauf gewesen:
mein Kopfputz war von Butter, da kam ich
in die Sonne, und er ist mir abgeschmol-
zen;
mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich
durch Dornen, die rissen es mir ab;
meine Pantoffel waren von Glas, da trat
ich auf einen Stein, da sprangen sie ent-
71.
Prinzessin Mausehaut.
Ein König hatte drei Töchter; da wollte er
wissen, welche ihn am liebsten hätte, ließ sie
vor sich kommen und fragte sie. Die älteste
sprach, sie habe ihn lieber, als das ganze Kö-
nigreich; die zweite, als alle Edelsteine und Per-
len auf der Welt; die dritte aber sagte, sie ha-
be ihn lieber als das Salz. Der König ward
aufgebracht, daß sie ihre Liebe zu ihm mit ei-
ner so geringen Sache vergleiche, übergab sie
einem Diener und befahl, er solle sie in den
Wald führen und tödten. Wie sie in den Wald
gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener
um ihr Leben; dieser war ihr treu, und würde sie
doch
337
doch nicht getidtet haben, er sagte auch, er wolle
mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen
thun. Die Prinzessin verlangte aber nichts,
als ein Kleid von Mausehaut, und als er ihr
das geholt, wickelte sie sich hinein und ging fort.
Sie ging geradezu an den Hof eines benach-
barten Königs, gab sich für einen Mann aus,
und bat den König, daß er sie in seine Dienste
nehme. Der König sagte es zu, und sie solle
bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte
sie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr
allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo-
her sie sey? — „Aus dem Lande, wo man den
Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft."
Der König ward da aufmerksam, endlich brach-
ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau-
sehaut habe ihn verloren, der sey zu kostbar,
den müsse er gestohlen haben. Der König ließ
Mausehaut vor sich kommen und fragte, woher
der Ring sey? da konnte sich Mausehaut nicht
länger verbergen, sie wickelte sich von der Mau-
sehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her-
vor, und sie trat heraus so schön, aber auch so
schön, daß der König gleich die Krone von sei-
nem Kopf abnahm und ihr aufsetzte, und sie
für seine Gemahlin erklärte.
Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der
Mausehaut eingeladen, der glaubte seine Toch-
ter sey schon längst todt, und erkannte sie nicht
Kindermärchen. V
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wieder. Auf der Tafel aber waren alle Spei,
sen, die ihm vorgesetzt wurden, ungesalzen, da
ward er ärgerlich und sagte: „ich will Ueber
nicht leben als solche Speise essen!" Wie er
das Wort ausgesagt, sprach die Königin zu
ihm: „jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz,
und doch habt ihr mich einmal wollen tödten
lassen, weil ich sagte, ich hatte euch lieber als
Salz!" da erkannt er seine Tochter, und küßte
sie, und bat sie um Verzeihung, und es war
ihm lieber als sein Königreich, und alle Edel-
steine der Welt, daß er sie wiedergefunden.
'72.
Das Birnli will nit fallen.
Der Herr will das Birnli schüttle,
das Birnli will nit fallen:
der Herr, der schickt das Jockli hinaus,
es soll das Birnli schüttle:
das Jockli schutteltS Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr das Händli nauß,
es soll daS Jockli beißen:
das Händli beißt das Jockli nit,
das Jockli schüttelrs Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr das Prugeli naus,
es soll das Händli treffen;
359
das Prugeli trifft das Zundli nit,
das. Händli beißt das Jockli nit,
das Jockli schutteltS Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr das Färli (Feuer) nau-,
es soll das Prügeli brennen:
das Färli brennt, das Prügeli nit,
das Prügeli trifft das Händli nit,
das Händli beißt das Jockli nit,
das Jockli schutteltS Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr das Wafferli naus,
es soll das Färli löschen:
das Wafferli löscht das Färli nit,
das Färli brennt das Prugeli nit,
das Prugeli trifft das Händli nit,
das Händli beißt das Jockli nit,
das Jockli schärreltS Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr das Kälbli naus,
es soll das Wafferli läppte: (trinken)
das Kälbli (äppelt das Wafferli nit,
das Wafferli löscht das Färli nit,
das Färli brennt das Prügeli nit,
das Prügeli trifft das Händli nit,
das Händli beißt das Jockli nit,
das Jockli schättetts BirnU nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr den Metzger naus,
er soll das Kälbli metzle;
Y L
der Metzger me^elts Kätbli nil,
das Kalbli tappelt das Wafferli nit,
das Wafferli löscht das Fürli nit,
das Fürli brennt das Prügeli nit,
das Prügeli trifft das Hündli nit,
das Hündli beißt das Jockli nit,
das Jockli schüttelis Birnli nit,
das Birnli will nit fallen.
Da schickt der Herr den Schinder nauö,
er soll den Metzger hangen:
der Schinder will den Metzger hänge,
der Metzger will das Kätbli metzle,
das Kalbli will das Wafferli lappte,
das Wäfferli will das Fürli lösche,
das Fürli will das Prügeli brenne,
das Prügeli will das Hündli treffe,
das Hündli will das Jockli beiße,
das Jockli will das Birnli schüttle,
das Birnli das will fallen.
73-
Das Mordschloß.
Es war einmal ein Schuhmacher, welcher
drei Töchter hatte; auf eine Zeit als der Schuh-
macher aus war, kam da ein Herr, welcher sehr
gut gekleidet war, und welcher eine prächtige
Equipage hatte, so daß man ihn für sehr reich
hielt, und verliebte sich in eine der schönen Töch-
ter, welche dachte, ihr Glück gemacht zu haben
mit so einem reichen Herrn, und machte also
keine Schwierigkeit mit ihm zu reiten. Da es
Abend ward, als sie unterwegs waren fragte
er sie:
„Der Mond scheint so hell
meine Pferdchen laufen so schnell
süß Lieb, reut dichö auch nicht?"
„Nein, warum sollt michs reuen? ich bin
immer bei Euch wohl bewahrt," da sie dock-
innerlich eine Angst hatte. Als sie in einem
großen Wald waren, fragte sie, ob sie bald da
wären? — „Ja, sagte er, siehst du das Licht
da in der Ferne, da ist mein Schloß;" endlich
kamen sie da an, und alles war gar schön.
Am andern Tage sagte er zu ihr, er müßt
auf einige Tage sie verlassen, weil er wichtige
Affairen hätte, die nothwendig wären, aber er
wolle ihr alle Schlüssel lassen, damit sie das
ganze Castell sehen könnte, von was für Reich-
thum sie all Meister war. Als er fort war,
ging sie durch das ganze Haus, und fand alles
so schön, daß sie völlig damit zufrieden war,
bis sie endlich an einen Keller kam, wo eine
alte Frau saß und Därme schrappte. „Ei Müt-
terchen, was macht sie da?" — „Ich schrapp
Därme, mein Kind, morgen schrapp ich eure
auch!" Wovon sie so erschrack, daß sie den
Schlüssel, welcher in ihrer Hand war, in ein
Becken mit Blut fallen ließ, welches nicht gut
wieder abzuwaschen war: „Nun ist euer Tod
sicher, sagte das alte Weib, weil mein Herr se-
hen kann, daß ihr in der Kammfr gewesen
seyd, wohin außer ihm und mir kein Mensch
kommen darf.
(Man muß aber wissen, daß die zwei vori-
gen Schwestern auf dieselbe Weise waren um-
gekommen.)
Da in dem Augenblick ein Wagen mit Hen
von dem Schloß wegfuhr, so sagte die alte Frau,
es wäre das einzige Mittel, um das Leben zu
behalten, sich unter das Heu zu verstecken, und
dann da mit weg zu fahren; welches sie auch
thät. Da inzwischen der Herr nach Haus kam,
fragte er, wo die Mamsell wäre! „O, sagte die
alte Frau, da ich keine Arbeit mehr hatte, und
sie morgen doch dran mußte, hab ich sie schon
geschlachtet, und hier ist eine Locke von ihrem
Haar, und das Herz, wie auch was warm Blut,
das übrige haben die Hunde alle gefressen, und
ick schrapp die Därme." Der Herr war also
ruhig, daß sie todt war.
Sie kommt inzwischen mit dem Heuwagen
zu einem nah hei gelegenen Schloß, wo das
Heu hin verkauft war, und sie kommt mit aus
dem Heu und erzählt die ganze Sache, und
wird ersucht, da einige Zeit zu bleiben. Nach
Verlauf von. einiger Zeit nöthigt der Herr von
diesem Schloß alle in der Nähe wohnenden
Edelleute zu einem großen Fest, und das Ge-
sicht und Kleidung von der fremden Mamsell
wird so verändert, daß sie nicht erkannt wer-
den konnte, weil auch der Herr von dem Mord-
Castell dazu eingeladen war.
Da sie alle da waren, mußte ein jeder et-
was erzählen, da die Reihe an die Mamsell
kam, erzählte sie die bewußte Historie, wobei
dem sogenannten Herrn Graf so ängstlich ums
Herz ward, daß er mit Gewalt weg wollte,
aber der gute Herr von dem adelichen Haus
hatte inzwischen gesorgt, daß das Gericht un-
sern schönen Herrn Grafen in Gefängniß nahm,
sein Castell ausrottete, und seine Güter alle der
Mamsell zu eigen gab, die nach der Hand mit
dem Sohn des Hauses, wo sie so gut empfan-
gen war, sich verheirathete und lange Jahre
lebte.
74-
Von Johannes-Wassersprung und
Caspar - Wassersprung.
Ein König bestand darauf, seine Tochter
sollte nicht heirathen, und ließ ihr in einem
Wald in der größten Einsamkeit ein Haus
bauen, darin mußte sie mit ihren Jungfrauen
wohnen, und bekam gar keinen andern Men-
schen zu sehen. Nah an dem Waldhaus aber
war eine Quelle mit wunderbaren Eigenschaft
ten, davon trank die Prinzessin, und die Folge
war, daß sie zwei Prinzen gebar, die darnach
Johannes-Wassersprung und Caspar-Wasser-
sprung genannt wurden, und wovon einer dem
andern vollkommen ähnlich war. Ihr Groß-
vater, der alte König, ließ sie die Jägerei ler-
nen, und sie wuchsen heran, wurden groß und
schön. Da kam die Zeit, wo sie in die Welt
ziehen.mußte«; jeder von ihnen erhielt einen
silbernen Stern, ein Pferd und einen Hund
mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerst in einen
Wald, und <ahen zugleich zwei Hasen und woll-
ten darnach schießen, die Hasen aber baten um
Gnade und sagten, sie mögten sie doch in ihre
Dienste aufnehmen, sie könnten ihnen nützlich
seyn, und in jeder Gefahr Hülfe leisten. Die
zwei Brüder ließen sich bewegen, und nahmen
sie als Diener mit; nicht lang so kamen zwei
Bären, wie sie auf die zielten, riefen die gleich-
falls um Gnade, und versprachen treu zu die-
nen: also ward auch damit das Gefolge ver-
mehrt. Nun kamen sie auf einen Scheideweg,
da sprachen sie: „wir müssen uns trennen, und
der eine soll rechts, der andere links weiter zie-
hen!" aber jeder steckte ein Messer in einen
Baum am Scheideweg, an deren Rost wollten
sie erkennen, wie es dem andern ergehe, und
ob er noch lebe; dann nahmen sie Abschied, küß-
ten einander und ritten fort.
ZohanneS-Wassersprung kam in eine Stadt,
da war alles still und traurig, weil die Prin-
zessin einem Drachen sollte geopfert werden, der
das ganze Land verwüstete, und anders nicht
konnte besänftigt werden. Es war bekannt ge-
macht, wer sein Leben daran wagen wolle und
den Drachen tödte, der solle die Prinzessin zur
Gemahlin haben, niemand aber hatte sich ge-
funden; auch hatte man das Unthier hinterge-
hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin-
zessin hinausgeschickl, aber die hatte es gleich
erkannt und nicht gewollt. Johannes-Wasser-
sprung dachte: du mußt dein Glück auf die
Probe stellen, vielleicht gelingt dirs und machte
sich mit seiner Begleitung auf, gegen das Dra-
chennest. Der Kampf war gewaltig: der Dra-
che spie Feuer und Flammen, und zündete das
Gras rings herum an, so daß Johannes-Was-
sersprung gewiß erstickt wäre, wenn nicht Has,
Hund und Bär das Feuer ausgetreten und ge-
dämpft hätten; endlich mußte der Drache aber
unterliegen, und Johannes-Wassersprung hieb
ihm seine sieben Köpfe herunter, dann schnitt
er die Zungen heraus und steckte sie zu sich;
nun aber war er so müd, daß er sich auf der
Stelle niederlegte und einschlief. Während er
da schlief, kam der Kutscher der Prinzessin, und
als er den Mann da liegen sah, und die sieben
Drachenköpfe daneben, dachte er, das mußt du
dir zu nutz machen, stach den Johannes-Wasser-
sprung todt, und nahm die sieben Drachenköpfe
mit. Damit ging er zum König, sagte, er ha-
be das Ungeheuer getödtet, die sieben Köpfe
bringe er zum Wahrzeichen, und die Prinzessin
ward seine Braut.
Indessen kamen die Thiere des Johannes-
Wassersprung, die nach dem Kampf sich in die
Nähe gelagert und auch geschlafen hatten, wie-
der zurück und fanden ihren Herrn todt. Da
sahen sie, wie die Ameisen, denen bei dem
Kampf ihr Hügel zertreten war, ihre Todten
mit dem Saft einer nahen Eiche bestrichen, wo-
von sie sogleich wieder lebendig wurden. Der
Bär ging und holte von dem Saft, und be-
strich den Johannes-Wassersprung, davon er-
holte er sich wieder, und in kurzem war er ganz
frisch und gesund. Er gedachte nun an die
Prinzessin, die er sich erkämpft halte, und eilte
in die Stadt, da ward eben die Hochzeit mit
dem Kutscher gefeiert, und die Leute sagten, der
habe den siebenköpfigen Drachen getödtet. Hund
und Bär liefen ins Schloß, wo ihnen die
Prinzessin Braten und Wein um den Hals
band, und ihren Dienern befahl, sie sollten den
Thieren nachgehe», und den Mann, dem sie
angehörten zur Hochzeit laden. So kam Jo-
hannes-Wassersprung auf die Hochzeit, und ge-
rade ward die Schüssel mit den siebe» Drachen-
— 347 “
köpfen aufgetragen, die der Kutscher mitge-
bracht hatte. Johannes-Wassersprung zog die
sieben Zungen hervor, und legte sie dabei, da
ward er als der rechte Drachentödter erkannt,
der Kutscher fortgejagt, und er der Gemahl der
Prinzessin.
Nicht lang darnach ging er auf die Jagd,
und verfolgte einen Hirsch mit silbernem Ge-
weih, er jagte ihm lange nach, konnte ihn aber
nicht erreichen, und kam endlich zu einer alten
Frau, und die verwandelte ihn sammt seinem
Hund, Pferd und Bären in Stein. Indessen
kam Caspar-Wassersprung zu dem Baum, wo-
rin die beiden Messer standen und sah, daß das
Messer seines Bruders verrostet war; sogleich
befthloß er ihn aufzusuchen, ritt fort und kam
in die Stadt, wo die Gemahlin seines Bruders
lebte. Weil er aber diesem so ähnlich sah, hielt
sie ihn für ihren rechten Mann, freute sich sei-
ner Wiederkunft, und bestand darauf, daß er
bei ihr bleiben sollte, Allein Caspar-Wasser-
sprung zog weiter, fand seinen Bruder mit sei-
ner Begleitung versteinert, und zwang die Frau,
den Zauber aufzuheben. Darauf ritten die bei-
den Brüder heim, und unterwegs machten sie
aus, derjenige solle Gemahl der Prinzessin seyn,
dem sie zuerst um den Hals fallen werde, und
das geschah dem Johannes-Wassersprung.
„x Ja t 7/J MVU-tß/j
/sag.
Vogel Phönix.
Eines Tags ging ein reicher Mann spazie-
ren an den Fluß, da kam ein kleines Kästchen
geschwommen, die« Kästchen nahm er und mach,
te den Deckel auf, da lag ein kleines Kind da-
rin, welches er mit heim nahm und aufziehen
ließ. Der Verwalter konnte aber das Kind
nicht leiden, und einmal nahm ers mit sich in
einem Kahn auf den Fluß, und als er mitten
darin war, sprang er schnell heraus ane Land,
und ließ das Kind allein im Kahn. Und der
Kahn trieb immer fort, bis an die Mühle, da
sah der Müller das Kind und erbarmte sich,
nahm es heraus und erzog es in seinem Haus.
Einmal aber kam von ungefähr der Verwalter
in dieselbe Mühle, erkannte das Kind und nahm
«6 mit sich. Bald darauf gab er dem jungen
Menschen einen Brief zu tragen an seine Frau,
worin stand: „den Ueberbringer dieses Briefs
sollst du den Augenblick umbringen." Unter-
wegs aber begegnete dem jungen Menschen im
Walde ein alter Mann, welcher sprach: weis'
mir doch einmal den Brief, den du da in der
Hand trägst! Da nahm er ihn, drehte ihn bloß
einmal herum und gab ihn wieder, nun stand
darin; dem Ueberbringer sollst du augenblicks
unsere Tochter zur Frau geben! So geschah
es, und als der Verwalter das hörte, gerieth
er in Aerger und sagte: „he, so geschwind grhtö
nicht, eh ich dir meine Tochter lasse, sollst du
mir erst drei Federn vom Vogel Phönix brin-
gen."
Der Jüngling machte sich auf den Weg nach
dem Vogel Phönix, und an derselben Stelle
im Wald begegnete ihm wieder derselbe alte
Mann und sprach: geh den ganzen Tag weiter
fort, Abends wirst du an einen Baum kommen,
darauf zwei Tauben sitzen, die werden dir das
weitere sagen! Wie er Abends an den Baum
kam, saßen zwei Tauben drauf. Die eine Tau-
be sprach.- wer da zum Vogel Phönix will,
muß gehen den ganzen Tag, so wird er Abends
an ein Thor kommen, das ist zugeschlossen.
Die andere Taube sprach: unter diesem Baum
liegt ein Schlüssel von Gold, der schließt das
Thor auf. Da fand er den Schlüssel und schloß
das Thor damit auf; hinterm Thor, da saßen
zwei Männer, der eine Mann sprach: wer den
Vogel Phönix sucht, muß einen großen Weg
machen über den hohen Berg, und dann wird
er endlich in das Schloß kommen.
Am Abend des dritten Tags langte er end,
lich im Schloß a», da saß ein weiße« Mamsell-
chen, und sprach: was wollt ihr hier? — Ach,
ich will mir gern drei Federn vom Vogel Phönix
holen. Sie sprach: ihr seyd in Lebensgefahr,
denn wo euch der Vogel Phönix gewahr wür-
be, fräße er euch auf Mil Haut und Haar, doch
will ich sehen, wie ich euch zu den drei Federn
verhelfe, alle Tage' kommt er hierher, da muß
ich ihn mit einem engen Kamm kämmen; ge-
schwind hier unter den Tisch, der war rund um
mit Tuch beschlagen.
Indem kam der Vogel Phönix heim, setzte
sich oben auf den Tisch und sprach: ich witte-
re, wittere Menschenfleisch! — „Ach was? ihr
seht ja wohl, daß niemand hier ist" — kämm
mich nun, sprach der Vogel Phönix.
Das weiße Mamscllchen kämmte ihn nun,
und er schlief darüber ein; wie er recht fest
schlief, packte sie eine Feder, zog sie aus und
warf sie unterm Tisch. Da wachte er auf:
„was raufst du mich so? mir hat geträumt,
es käme ein Menjch Und zöge mir eine Feder
aus." Sie stellte ihn aber zufrieden, und so
gingS das anderemal und das drittemal. Wie
der junge Mensch die drei Federn hatte, zog er
damit heim und bekam nun seine Braut.
//hui* tfflls.
76.
D i e Nelke.
Auf eine Zeit lebte ein König, der wollte
sich niemals verheirathen, da stand er einmal
am Fenster, und sahe die Leute in die Kirche
gehen, da war ein Mädchen darunter von sol-
cher Schönheit, daß er in einem Augenblick sei-
ne» Vorsah aufgab, das Mädchen zu sich rief,
und es zu seiner Gemahlin wählte. Nach Ver-
lauf eines Jahrs gebar sie einen Prinzen, da
wußte der König nicht, wen er zu Gevatter
bitten sollte, endlich sagte er: „der erste, der
mir begegnet, wer es ist, den bitte ich zu Ge-
vatter;" ging aus, und der erste, der ihm begeg-
nete, das war ein armer alter Mann, den bat
er auch darauf zu Gevatter. Der arme Mann
sagte zu, bat sieb aber aus, daß er das Kind
allein in die Kirche trage, daß diese verschlossen
werde und niemand zusehen dürfe; das ward
ihm alles bewilligt. Der König aber hatte ei-
nen bösen, neugierigen Gärtner, wie nun der
alte Mann das Kind in die Kirche trug, schlich
er sich nach und versteckte sich in den Bänken.
Da sah er, wie der Alte das Kind vor den
Altar trug, es segnete, und wie einer, der ge-
heime Kräfte versteht, ihm die Gabe verlieh,
daß alles, was es sich wünsche, eintreffen solle.
Der böse Gärtner dachte gleich, welch' einen
Vortheil er sich daraus verschaffen könnte, wenn
er das Kind hätte. Wie nun einmal die Köni-
gin in dem Garten spazieren ging, und es auf
dem Arme trug, riß er es weg. bestrich ihr den
Mund mit Blut eines geschlachteten Huhns,
552
und klagte sie bei dem König an: er habe ge-
sehen, wie sie ihr Kind in dem Garten getödtet
und aufgegessen. Der König ließ sie ins Ge-
fängniß werfen, der Gärtner schickte das Kind
weit weg zu einem Förster in den Wald, der
sollte es da groß ziehen. Der Prinz lernte die
Jägerei; der Förster aber hatte eine schöne Toch-
ter, Namens Life, die zwei Kinder hatten ein-
ander sehr lieb, und Lift entdeckte ihm, daß er
ein Prinz sey, und alles was er wünsche, das
müsse eintreffen. Da kam bald darauf der Gärt-
ner zu dem Förster, wie ihn der Prinz sah,
verwünschte er ihn gleich in einen Pudel, seine
liebe Lift aber in eine Nelke, die steckte er vor,
der Pudel aber mußte neben ihm her laufen:
so ging er an seines Vaters Hof, und nahm
als Jäger bei ihm Dienste. Er ward auch
bald bei ihm beliebt, wie keiner von den an-
dern Jägern, weil er alles Wild schießen konn-
te, denn er brauchte nur zu wünschen, so kam
es vor ihn hingelaufen. Für alle Dienste ver-
langte er gar keinen Lohn, bloß eine Stube
für sich, die er immer verschlossen hielt, auch
wollte er für sein Essen selber sorgen. Das
kam seinen Cameraden wunderlich vor, daß der
umsonst diene, und einer schlich ihm nach und
guckte durchs Schlüsselloch, da sah er, wie der
neue Jäger vor einem Tisch saß mit dem präch-
tigsten Essen besetzt, und neben ihm ein schönes
Mäd
Mädchen, und daß beide sehr freundlich und
vergnügt miteinander waren. Das Essen aber
hatte sich der Prinz nur auf den Tisch gewünscht,
und das Mädchen war seine liebe Lift, die ver-
wandelte er allezeit in ihre natürliche Gestalt,
und war in ihrer Gesellschaft, so oft er allein
war, wenn er aber ausging, war es wieder eine
Nelke, die in einem Glas mit Wasser stand.
Die Jäger meinten, er müsse große Reichthü-
mer haben, und brachen, als er auf der Jagd
war, in seine Stube ein, da fanden sie aber
gar nichts, nur die Nelke vorm^Fenster. Weil
sie so schön war, brachte^ sie tysfc zum König,
der trug auch einen so großen Gefallen daran,
daß er sie von dem Jäger verlangte. Der woll-
te sie aber um alles Gold nicht hingeben, weil
es seine liebste Lift war, endlich, wie der Kö-
nig darauf bestand, entdeckte er ihm alles, und
daß er sein Sohn wäre. Wie der König das
hörte, freute er sich von Herzen, die Königin
ward aus dem Gefängniß befreit, und die treue
Lift des Prinzen Gemahlin; der gottlose Gärt-
ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und
ward von den Knechten unter den Tisch
st^en. M.
8
KittdermÄrcherr.
Dom Schreiner und Drechsler.
Ein Schreiner und ein Drechsler sollten ihr
Meisterstück machen. Da machte der Schreiner
einen Tisch, der konnte von sich selbst schwim-
men, der Drechsler Flügel, mit denen man flie-
gen konnte. Und alle sagten, daß dem Schrei-
ner sein Kunststück besser gelungen wäre, der
Drechsler nahm also seine Flügel, that sie an
und flog fort aus dem Land, von Morgen bis
zu Abend in einem fort.
Zn dem Land war ein junger Prinz, der
sah ihn fliegen, und bat ihn, er möchte ihm
doch seine paar Flügel leihen, er wolles ihm
gut lohnen. Der Prinz bekam also die Flügel
und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da
war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet,
dabei senkte er sich nieder zur Erde, fragte nach
der Ursache und hörte, daß hier die allerschönste
'Prinzessin der Welt wohnte. Nun wurde er
höchst neugierig, und als es Abend wurde, flog
er in ein offenes Fenster hinein; wie sie aber nicht
lange Zeit beisammen waren, wurde die Sache
verrathen, und der Prinz sammt der Prinzessin
sollten auf dem Scheiterhaufen sterben.
Der Prinz nahm indessen seine Flügel mit
hinauf, und als die Flamme schon zu ihnen
— 355
herausschlug, band er sich die Flügel um und
entfloh mit der Prinzessin bis in fein Vater-
land, da ließ er sich nieder, und weil jeder-
mann über seine Abwesenheit betrübt war, so
gab er sich zu erkennen, und wurde zum König
erwählt.
Nach einiger Zeit aber ließ der Vater der
entführten Prinzessin bekannt machen, daß der-
jenige das halbe Königreich bekommen sollte,
der ihm seine Tochter wiederbringe. Dies er-
fährt der Prinz, rüstet ein Heer aus und bringt
die Prinzessin selbst ihrem Vater zu, den er
zwingt, ihm sein Versprechen zu erfüllen.
78-
Der alte Großvater und der Enkels
Es war einmal ein alter Manü, der konn-
te kaum gehen, seine Knie zitterten, er hörte
und sah nlcht viel unb hatte auch keine Zahne
mehr. Wenn er nun bei Tisch saß, und den
Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe
auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas
wieder aus dem Munds Sein Sohn und des-
sen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte
sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen
in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen
in ein irdenes Schüsselchen, und noch dazu nicht
einmal satt, da sah er betrübt nach dem Tisch,
Z 2
und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch
konnten seine zitterigen Hände das Schüsselcheu
nicht fest halte», es fiel zur Erde und zerbrach.
Die junge Frau schalt, er aber sagte nichts und
seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hölzernes
Schüsselcheu für ein paar Heller, daraus mußte
er nun essen: wie sie nun da so sitzen, so trägt
der kleine Enkel von vier Zähren auf der Erde
kleine Brettlein zusammen. „Was machst du
da?" fragt der Vater. „Ei, antwortete das
Kind, ich mach ein TrLglein, daraus sollen Va-
ter und Mutter essen, wenn ich groß bin."
Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an,
fangen endlich an zu weinen, holten alsofort
den alterr Großvater an den Tisch, und ließen
ihn von nun an immer mit essen, sagten auch
nichts, wenn er ein wenig verschüttete.
79-
Die Wassernix.
Ein Brüderchen und ein Schwesterchen spiel-
ten an einem Brunnen, und wie sie so spiel-
ten, plumpten sie beide hinein. Da war eine
Wassernix, die sprach: „jetzt hab ich euch, jetzt
sollt ihr mir brav arbeiten!" und dem Mäd-
chen gab sie verwirrten, garstigen Flachs zu spin-
nen, und Wasser mußte es in ein hohles Faß
schleppen, der Jung aber sollte einen Baum mit
einer stumpfen Axt hauen, und nichts zu essen
bekamen sie, als steinharte Klise. Da wurden
zuletzt die Kinder so ungeduldig, daß sie war-
teten, bis eines Sonntags die Nixe in der
Kirche war, da flohen sie. Und als die Kirche
vorbei war, sah die Nix, daß die Bögel auöge-
flogcn waren, und setzte ihnen mit großen
Sprüngen nach. Die Kinder erblickten sie aber
von weitem, und das Mädchen warf eine Bür-
ste hinter sich, das gab einen großen Bürsten-
berg, mit tausend und tausend Stacheln, über
den die Nix mit großer Müh klettern mußte,
endlich aber kam sie doch darüber. Wie das
die Kinder sahen, warf der Knabe einen Kamm
hinter sich, das gab einen großen Kammberg,
mit tausend mal tausend Zinken, aber die Nix
wußte sich daran festzuhalten, und kam zuletzt
doch drüber. Da warf daö Mädchen einen
Spiegel hinterwärts, welches einm Spiegelberg
gab, der war so glatt, so glatt, daß sie unmög-
lich drüber konnte. Da dachte sie: ich will ge-
schwind nach Haus gehen und meine Axt ho-
len, und den Spiegelberg entzwei hauen, bis
sie aber wieder kam, und das Glas aufschauen
hatte, waren die Kinder längst weit entflohen,
und die Wassernix mußte sich wieder in ihren
Brunnen trollen. ^
— 358
8o,
Von betn Tod des Hühnchens.
Auf eine Zeit ging das Hühnchen mit dem
Hähnchen in den Nußberg, waren da lustig und
aßen Nüsse zusammen. Einmal aber fand da«
Hühnchen eine so große Nuß, daß es den Kern
davon nicht verschlucken konnte, und blieb ihm
im Hals stecken, so fest, daß ihm Angst ward,
es müßte ersticken und schrie: „Hähnchen, ich
bitt dich, lauf, was du kannst und hol mir
Wasser, sonst ersticke ich." Das Hähnchen
lief, was es tonnte zum Brunnen, und sprach:
„Born, du sollst mir Wasser gebei:, das Hühn-
chen liegt auf den Nußberg und will ersticken
an einem großen Nußkern." Der Brunnen
antwortete: „lauf erst hin zur Braut und laß
dir rothe Gelde geben." Das Hähnchen lief
zur Braut; „Braut, du sollst mir rothe Seide
geben, rothe Seide will ich dem Brunnen ge-
ben, der Brunnen soll mir Wasser gehen, das
Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das
liegt auf dem Nußberg und will ersticken an
einem großen Nußkern." Die Braut antwor-
tete: „lauf erst und hol mir mein Kränzlein,
das blieb an einer Weide hängen," Da lief
das Hähnchen zur Weide und zog das Kränz-
lein von dem Ast, und bracht es der Braut
und die Braut gab ihm rothe Seide dafür, die
bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser
dafür, da bracht das Hähnchen das Wasser zum
Hühnchen, wie es aber hinkam, da war dieweil
das Hühnchen erstickt und lag da todt, und
regte sich nicht. Da war das Hähnchen so
traurig, daß cs laut schrie, und kamen alle
Thiere und beklagten das Hühnchen, und sechs
Mäuse bauten einen kleinen Wage», das Hühn-
chen darin zum Grab zu fahren, und als der
Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das
Hähnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam
Fuchs: „wo willst du hin, Hähnchen?" —
„Ich will mein Hühnchen begraben." — „Darf
ich mitfahren?"
„Ja aber sey dich hinten auf den Wagen,
„vorne können« meine Pferdchen nicht vertra-
gen."
Da sehte sich der Fuchs hinten auf, dann der
Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle
Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort,
da kamen sie an einen Bach. „Wie sollen wir
nun hinüber?" sagte das Hähnchen. Da war
ein Strohhalm, versagte: „ich will mich gueer
drüber legen, da könnt ihr über mich fahren;"
wie aber d>e sechs Mäuse darauf waren, rutsch-
te der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die
sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken.
Die Noth ging von neuem an, da kam eine
v
—' oGo
'Kohle und sagte.- „ich bin groß genug, ich will
mich darüber legen, und Ihr sollt über mich
fahren." Die Kohle legte sich auch an das
Wasser, aber sie berührte es unglücklicher Weise
ein wenig, da zischte sie, verlöschte und war
todt. Wie das ein Stein sah, wollte er dem
Hähnchen helft«, und legte sich über das Was-
ser, da zog nun das Hähnchen den Wagen sel-
ber, wie es ihn aber bald drüben hatte, und
mar mit dem todten Hühnchen auf dem Land
und wollte die andern, die hintenauf saßen auch
Heraufziehen, da waren ihrer zu viel geworden,
und der Wagen fiel zurück, und alles fiel mit-
einander in das Wasser und ertrank. Da war
das Hähnchen noch allein mit dem todten Hühn,
chen, und grub ihm da ein Grab, und legte es
hinein, und machte einen Hügel darüber, auf
den setzte es sich und grämte sich so lang, bis
es auch starb; und da war alles todt.
\h\ it ßu,-kl .
8i.
Der Schmidt und der Teufel.
Es war einmal ein Schmidt, der lebte gu-
ter Dinge, verthat sein Geld, proeessirte viel
und wie ein paar Jahr herum waren, hatte er
keinen Heller mehr im Beutel. Was soll ich
mich lang quälen auf der Welt, dachte er, ging
hinaus in den Wald und wollt' sich da an ei-
nen Baum hängen. Wie er eben den Hals in
die Schlinge steckte, kam ein Mann hinter dem
Baum hervor mit einem langen weißen Barr
und einem großen Buch in der Hand. Hör
Schmidt, sprach er, schreib deinen Namen da
in das große Buch, so soll dir« wohlgehen zehn
Zähre lang, aber darnach bist du mein, da hol
ich Dich." — „Wer bist du?" sprach der
Schmid — „Ich bin der Teufel." — „Was
kannst du" — „Ich kann mich so groß machen
als eine Tanne, und so klein als eine Maus" —
„So thus einmal, daß ichs sehe," sagte der
Schmid, da machte sich der Teufel so groß wie
eine Tanne und so klein wie eine Maus. „Es
ist gut sprach der Schmid, gib das Buch her,
ich will mich hineinschreiben" — Als er sich
unterschrieben sagte der Teufel: Geh nur nach
Haus, du wirst Kisten und Kasten voll finden.
Und weil du keine lange Umstände gemacht hast,
so will ich dich auch in der Zeit einmal besu-
chen. Der Schmid ging heim, da waren alle
Taschen, Kasten und Kisten voll Ducate«, und
er mogte soviel davon nehmen als er wollte,
es ward nicht all, und auch nicht weniger; da
fing er fein lustiges Leben von vorne an, lud
seine Kameraden ein, und war der vergnügteste
Kerl von der Welt. Ein paar Jahre darauf
sprach der Teufel einmal bei ihm ein, als er
verheißen, sah zu wir die Wirthschaft ging, und
schenkte ihm beim Abschied einen ledernen Sack,
wer da hinein sprang, der konnte nicht wieder
heraus, bis ihn der Schmid selber wieder her-
aus holte; damit trieb dieser feinen Spaß.
Nach den zehn Zähren aber kam der Teufel und
sprach zum Schmidt „die Zeit ist herum, jetzt
bist du mein, mach dich reisefertig." „Es ist
gut, sprach der Schmidt, hing seinen ledernen
Sack um den Rücken und ging mit dem Teu-
fel fort; als sie in den Wald kamen, zu der
Stelle wo er sich aufhängen wollte, sprach er
zum Teufel: „ich muß auch gewiß wissen, daß
du der Teufel bist, mach dich erst wieder so
groß wie eine Tanne und so klein wie eine
Maus. Der Teufel war bereit und thars, und
wie er sich in eine Maus verwandelt hatte,
packte ihn der Schmid und steckte ihn in den
Sack, dann schnitt er sich einen Stock von dem
nächsten Baum, warf den Sack hin und prü-
gelte auf den Teufel los. Der Teufel schrie
erbärmlich, lief in der Tasche hin und her, aber
umsonst, er konnte nicht heraus. Endlich sagte
der Schmid ich will dich loslassen, wenn du
mir das Blatt aus deinem großen Buch wieder
giebst, auf das ich meinen Namen geschrieben.
Der Teufel wollte nicht, doch endlich mußt' er
daran, da ward das Blatt herausgerissen und
der Teufel ging heim in die Hölle, ärgerte sich,
daß er betrogen und obendrein geprügelt war.
Der Schmid ging auch wieder zu seiner
Schmiede und lebte vergnügt fort, so lang Gott
wollte, endlich ward er krank und als er seinen
Tod merkte, ^efahl er, man sollte ihm nur zwei
gute, lange, spitze Nägel und einen Hammer
mit in den Sarg geben. Das geschah auch.
Wie er nun gestorben war und vor die Him-
melsthür kam, klopfte er an, aber der Apostel
Petrus wollt ihm nicht aufschließe», weil er
mit dem Teufel im Bund gelebt hätte. Wie
der Schmidt das hörte, dreht er sich um und
ging zur Hölle. Der Teufel aber wollt ihn
auch nicht einlassen, er begehre ihn nicht in der
Hölle, da fange er doch nur Spectakel an. Der
Schmidt ward bös und hub an vor dem Höl-
lenthor Lärmen zu machen, ein Teufelchen ward
neugierig und wollte sehen, was der Schmidt
treibe, also machte eö ein wenig das Thor auf,
guckte heraus, der Schmid aber packte es ge-
schwind bei der Nase und nagelte es an dieser
mit dem einen Nagel, den er bei sich hatte, an
das Höllenlhor fest. Das Teufelche» fing an
zu kreischen wie ein Krautlöwe, da ward noch
ein anderes an das Thor gelockt, das steckte auch
den Kopf heraus, aber der Schmid war nicht
faul, kriegte es am Ohr und nagelte es mit
diesem neben das erste. Da fingen nun beide
ein solches entsetzliches Geschrei an, daß der
alte Teufel selber gelaufen kam, und wie er die
364
zwei Teufelchen festgenagelt sah, ward er bitter-
bös, daß er vor Bosheit anfing zu weinen,
^crumfpt<stng, in den Himmel zum lieben Gott
lief, und sagte, er müsse den Schmid in den
Himmel nehmen, es möge gehen, wie es wolle,
der nagle ihm die Teufel alle an den Nasen
und Ohren an, und er sey nicht mehr Herr in
der Hölle. Wollte nun der liebe Gott und der
Apostel Petrus den Teufel los werden, so muß»
ten sie den Schmid in den Himmel nehmen, da
sitzt er nun in guter Ruh, wie aber die beiden
Teufelchen losgekommen, das weiß ich nicht.
fytHn /.<2kC
82.
Die drei Schwestern.
Es war einmal ein reicher Kinig, der war
so reich, daß er glaubte sein Reichthum kinne
gar nicht all werdeiz, da lebte er in Saus und
Braue, spielte auf goldenein Brett und mit
silbernen Kegeln, und als das eine Zeit lang
gewährt hatte, da nahm sein Reichthum ab und
darnach verpfändete er eine Stadt und ein Schloß
nach dem andern, und endlich blieb nichts mehr
übrig, als rin altes Waldfchkoß. Dahin zog er
nun mit der Königin und den drei Prinzessin-
nen und sie mußten sich kümmerlich erhalten
. und hatten nichts mehr als Kartoffeln, die ka-
men alle Tage auf den Tisch. Einmal wollte
— 565 —
der Kinig auf die Jagd, ob er etwa einen Ha-,
sen schießen könnte, steckte sich also die Tasche
voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in
der Nähe ein großer Wald, in den wagte sich
kein Mensch, weil fürchterliche Dinge erzählt
wurden, was einem all darin begegne: Bären,
die die Menschen auffräßen, Adler die die Au-
gen aushackten, Wilfe, Löwen und alle grausa-
me» Thiere. Der König aber fürchtete sich kein
bischen und ging geradezu hinein. Anfangs
sah er gar nichts, große mächtige Bäume stan- ^
den da, aber es war alles still darunter^; As er
so eine Weile herumgegangen und hungrig ge-
worden war, sehte er sich unter einen Baum
und wollte seine Kartoffeln essen, da kam auf
einmal aus dem Dickicht ein Bär hervor, trabte
gerade auf ihn los und brummte: „was un-
terstehst du dich bei meinem Honigbaum zu
sitzen? das sollst du mir theuer bezahlen!" der
König erschrack, reichte dem Bären seine Kar-
toffeln, und wollte ihn damit besänftigen. Der
Bär aber fing an zu sprechen und sagte „deine
Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich selber
fressen und davon kannst du dich nicht anders er-
retten, als daß du mir deine ältste Tochter giebst,
wenn du das aber thust, geb ich dir noch oben-
drein einen Cenlner Gold." Der König in der
Angst gefressen zu werden, sagte/die sollst du
haben, laß mich nur in Frieden/ Da wies ihm
I
— Z66 —
der Bär den Weg, und brummte noch hinten/
drein: „in sieben Tagen komm ich und Hot
meine Braut."
Der König aber ging getrost nach Haus
und dachte, der Bär wird doch nicht durch ein
Schlüsselloch kriechen können, und weiter soll ge-
wiß nichts offen bleiben. Da ließ er alle Thore
verschließen, die Zugbrücken aufziehen, und hieß
seine Tochter gutes Muths seyn, damit sie aber
recht sicher vor dem Bärenbräutigam war, gab
er ihr ein Kämmerlein hoch unter der Zinne,
darin sollte sie versteckt bleiben, bis die sieben
Tage herum wären. Am siebenten Morgen aber
ganz früh, wie noch alles schlief, kam ein präch-
tiger Wagen mit sechs Pferden bespannt und
von vielen goldgekleideten Reutern umringt
nach dem Schloß gefahren, und wie er davor
war, ließen sich die Zugbrücken von selber herab
und die Schlösser sprangen ohne Schlüssel auf.
Da fuhr der Wagen in den Hof und ein jun-
ger schöner Prinz stieg heraus, und wie der Kö-
nig von dem Lärm aufwachte und zum Fenster
hinaus sah, sah er, wie der Prinz schon seine
älteste Tochter oben aus dem verschlossenen Käm-
merlein geholt und eben in den Wagen hob, und
er konnte ihr nur noch nachrufen:
„Ade! du Fraulein traut,
Fahr hin, du Barenbraut!"
#
Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tüchlein
noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als
wär der Wind vorgespannt, immer in den Zau-
berwald hinein. Dem König aber wars recht
schwer ums Herz, daß er seine Tochter an einen
Bären hingegeben hatte, und weinte drei Tage
mit der Königin, so traurig war er. Am vier-
ten Tag aber als er sich ausgeweint hatte,
dachte er, was geschehen, ist einmal nicht zu
ändern, stieg hinab in den Hof, da stand eine
Kiste von Ebenholz und war gewaltig schwer
zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der
Bär versprochen hatte, und machte sie auf, da
lag ein Centner Goldes darin und glimmerte
und flimmerte.
Wie der König das Gold erblickte, ward
er getröstet und löste seine Städte und sein
Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von
vorne an. Das dauerte so lang als der Cent-
ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles
verpfänden und auf das Waldschloß zurückzie-
hen und Kartoffeln essen. Der König hatte
noch einen Falken, den nahm er eines Tags
mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm
jagen, damit er etwas Besseres zu essen hätte.
Der Falk stieg auf, und flog nach dem dunkeln
Zauberwald zu, in den sich der König nicht
mehr getraute, kaum aber war er dort, so schoß
ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der
566
zum König floh. Der König wollte mit seinem
Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte
den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr,
dann zerdrückte er den Falken mit einer Kralle,
die andern aber hackte er dem König in die
Schulter und rief: „warum störst du mein
Luftreich, dafür sollst du sterben oder du giebst
mir deine zweite Tochter zur Frau!" der König
sagte: ja die sollst du haben, aber was giebst du
mir dafür— Zwei Centner Gold sprach der
Adler, und in steben Wochen komm ich, und hol
sie ab;" dann ließ er ihn los und flog fort in
den Wald.
Der König war betrübt, daß er seine zweite
Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte
und getraute sich nicht ihr etwas davon zu sa-
gen. Sechs Wochen waren herum, in der sie-
benten ging die Prinzessin hinaus auf einen
Rasenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein-
wand begießen, da kam auf einmal ein prächti-
ger Zug von schönen Rittern und zuvorderst
ritt der allerschönste, der sprang ab und rief:
„schwing, schwing dich auf, du Fräulein traut,
komm mit, du schöne Adlerbraurl"
und eh sie ihm antworten konnte, hatte er sie
schon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in
den Wald hinein als flög ein Vogel: Ade!
Ade!!
V Zn der Burg warteten sie lang auf die
Prim
— 569 —
Prinzessin aber die kam nickt und kam nicht,
da entdeckte der König endlich daß er einmal in
der Noth sie einem Adler versprochen und der
werde sie geholt haben. Als aber der dem
König die Traurigkeit ein wenig herum war,
fiel ihm das Versprechen des Adlers ein und er
ging hinab, und fand auf dem Rasen zwei gsld-
ne Eier, jedes einen Centner schwer. Wer Gold
hat, ist fromm genug, dachte er, und schlug sick-
alle schwere Gedanken aus dem Sinn! Da fing
das lustige Leben von neuem an, und wahrre so
lang, bis die zwei Centner Gold auch dmckge-
bracht waren, dann kehrte der König wieder ins
Waldschloß zurück, und die Prinzessin, die nock-
übrig war, mußte die Kartoffeln sieden.
Der König wollte kerne Hasen im Wald
und keine Vögel in der Luft mehr jagen, aber
einen Fisch hart er gern gegessen. Da mußte
die Prinzessin ein Netz stricken, damit ging er
zu einem Teich, der nicht weit von dem Wald
lag. Weil ein Nachen darauf war, setzte er sich
ein, und warf das Netz, da fing er auf einen
Zug eine Menge schöner rothgefleckrer Forellen.
Wie er aber damit ans Land wollte, stand der
Nachen fest und er konnte ihn nicht los kriegen,
er mochte sich stellen wie er wollte. Da kam
auf einmal ein gewaltiger Walisisch daher ge-
schnaubt: „was fängst du mir meine Untertha-
nen weg, das soll dir dein Leben kosten!" dabei
Kindermärchen. A a
— 37° —
sperrte er seinen Rachen auf, als wollte er de-.
König sammt dem Nachen verschlingen. Wie
der König den entsetzlichen Rachen sah, verlor
er allen Muth, da fiel ihm seine dritte Tochter
ein und er rief: „schenk mir das Leben und du
sollst meine jüngste Tochter haben" — Meint-
wegen brummte der Wallfisch, ich will dir auch
etwas dafür geben; Gold hab ich nicht, das ist
mir zu schlecht, aber der Grund meines Sees
ist mit Zahlperlen gepflastert, davon will ich dir
drei Säcke voll geben: im siebenten Mond komm
ich und hol meine Braut." Dann tauchte er
unter.
Der König trieb nun an« Land und brachte
seine Forellen heim, aber als sie gebacken wa-
ren, wollt' er keine davon essen, und wenn er
seine Tochter ansah, die einzige die ihm noch
übrig war und die schönste und liebste von allen,
wars ihm, als zerschnitten tausend Messer sein
Herz. So gingen sechs Monat herum, die Kö-
nigin und die Prinzessin wußten nicht, was dem
König fehle, der in all der Zeit keine vergnügte
Miene machte Zn siebenten Mond stand die
Prinzessin gerade im Hof vor einem Nöhrbrun-
nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein
Wagen mit sechs weißen Pferden und ganz sil-
berne» Leuten angefahren, und aus dem Wagen
stieg ei» Prinz, so schön, daß sie ihr Lebtag kei-
nen schönern gesehen hatte, und bat sie um ein
Glas Wasser. Und wie sie ihm bas reichte, da«
sie in der Hand hielt, umfaßte er sie und hob
sie in den Wagen, und dann ginge wieder zum
Thor hinaus, über das Feld nach dem Teich zu.
Ade, du Fräulein traue,
fahr hin, du schöne Wallfischbraut t
Die Königin stand am Fenster und sah den
Wagen noch in der Ferne, und als sie ihre Toch-
ter nicht sah, fiels ihr schwer auf« Herz, und sie
rief und suchte nach ihr allenthalben; sie war
aber nirgends zu hören und zu sehen. Da war
es gewiß und sie fing an zu weinen und der
König entdeckte ihr nun: ein Wallfisch werde sie
geholt haben, dem hab' ek sie versprechen müs-
sen, und darum wäre er immer so traurig ge-
west»»; er wollte sie auch trösten, und sagte ihr
von dem großen Reichthum, den sie dafür be-
kommen »vürden, die Königin wollt aber nichts
davon wissen und sprach, ihr einziges Kind sey
ihr lieber gewesen, als alle Schätze der Welt.
Während der Wallfischprinz die Prinzessin geraubt,
hatten seine Dienet drei mächtige Säcke in da«
Schloß getragen, die fand der König an der
Thür stehen, und als er sie aufmachte, »varen
sie voll schöner großer Zahlperlen, so groß, wie
die dicksten Erbsen. Da »var er auf einmal
wieder reich und reicher, als er je gewesen; er
löste seine Städte und Schlößer ein, aber da«
Wohlleben fing er nicht wieder an, sondern war
— 372 —
still und sparsam und wenn er daran darbte,
wie es seinen drei lieben Töchtern bei den wil-
den Thieren ergehen mögte, die sie vielleicht
schon aufgefressen hätten, verging ihm alle Lust.
Die Königin aber wollt sich gar nicht trö-
sten lassen und weinte mehr Thränen um ihre
Tochter, als der Wallfisch Perlen dafür gege-
ben hatte. Endlich wardS ein wenig stiller, und
nach einiger Zeit ward sie wieder ganz vergnügt,,
denn sie brachte einen schönen Knaben zur Welt
und weil Gott das Kind so unerwartet geschenkt
hatte, ward es Reinald, das Wunderkind, ge-
nannt. Der Knabe ward groß und stark, und
die Königin erzählte ihm oft von seinen drei
Schwestern, die in dem Zauberwald von drei
Thieren gefangen gehalten würden. Als er
sechszehn Jahr alt war verlangte er von dem
König Rüstung und Schwert, und als er es nun
erhalten, wollte er auf Abentheuer ausgehen, ge-
segnete seine Eltern, und zog fort.
Er zog aber geradezu nach dem Zauberwald
und hatte nichts anders im Sinn als seine
Schwestern zu suchen. Anfangs irrte er lange
in dem großen Walde herum, ohne einem Men-
schen oder einem Thiere zu begegnen. Nach
drei Tagen aber sah er vor einer Höhle eine
junge Frau sitzen und mit einem jungen Bären
spielen: einen andern, ganz jungen, hatte sie
auf ihrem Schooß liegen: Reinald dachte, da-
ist gewiß meine ältste Schwester, ließ sein Pferd
zurück, und ging auf sie zu: „liebste Schwester,
ich bi» dein Bruder Reinald und bin gekom-
men dich zu besuchen." Die Prinzessin sah ihn
an, und da er ganz ihrem Vater glich, zweifelte
sie nicht an seinen Worten erschrack und sprach:
ach liebster Bruder, eil und lauf fort, was du
kannst, wenn dir dein Leben lieb ist, kommt
mein Mann, der Bär, nach Haus und findet
dich, so frißt er dich ohne Barmherzigkeit."
Reinald aber sprach: ich fürchte mich nicht und
weiche auch nicht von dir, bis ich weiß, wie es
um dich steht. Wie die Prinzessin sah, daß ec
nicht zu bewegen war, führte sie ihn in ihre
Höle, die war finster und wie eine Bärenwoh-
nung; auf der einen Seite lag ein Haufen Laub
und Heu, worauf der Alte und seine Jungen
schliefen, aber auf der andern Seite stand ein
prächtiges Bett, von rothem Zeug mit Gold,
das gehörte der Prinzessin. Unter das Bett
hieß sie ihn kriechen, und reichte ihm etwas hin-
unter zu essen. Es dauerte nicht lang so kam
der Bär nach Haus: „ich wittre, wittre Men-
schenfleisch uud wollte seinen dicken Kopf unter
das Bett stecken. Die Prinzessin aber rief:"
sey ruhig, wer soll hier hinein kommen! „Ich
hab ein Pferd im Wald gefunden und gefressen "
brummte er, und hatte noch eine blutige Schnau-
ze davon, j„dazu gehört ein Mensch ynd den
riech ich" und wollte wieder unter das Bett,
Da gab sie ihm einen Fußtritt in den Leib,
daß er einen Burzelbaum machte, auf sein La-
ger ging, die Tatze in« Maul nahm nnh
einschlief.
Alle sieben Tage war der Bär in seiner
natürlichen Gestalt und ein schöner Prinz, und
seine Höhle ein prächtiges Schloß und die
Thiere im Wald, waren seine Diener, An ei-
nem solchen Tage hatte er die Prinzessin ab-
geholt; schöne junge Frauen kamen ihr vor
dem Schloß entgegen, es war ein herrliches Fest
und sie schlief in Freuden ein, aber als sie er-
wachte, lag sie in einer dunkeln Bärenhöle und
ihr Gemahl war ein Bär geworden und brumm-
te zu ihren Füßen, nur das Bett und alles
was sie angerührt hatte, blieb in seinem natür-
lichen Zustand unverwandelk- So lebte sie sechs
Tage in Leid aber am siebenten ward sie getrö-
stet, nnh da sie nicht alt ward und nur der
eine Tag ihr zugerechnet wurde, so war sie zu,
frieden mit ihrem Leben Sie hakte ihrem Ge-
mahl zwei Prinzen geboren, die waren auch
sechs Tage lang Baren und am siebenten in
menschlicher Gestalt, Sie steckte sich jedesmal
hr,Bettstroh voll von den köstlichsten Speisen
Kuchen und Früchten/ davon lebte sie die ganze
Woche, und der Bär war ihr auch gehorsam
und that, was sie wollte.
Als Reinald erwachte, lag er in einem sei-
denen Bett, Diener kamen ihm aufzuwarten
und ihm die reichsten Kleider anzuthun, denn es
war gerade der siebente Tag eingefallen. Seine
Schwester mit zwei schönen Prinzen und sein
Schwager Bär traten ein, und freuten sich sei-
ner Ankunft. Da war alles in Pracht und
Herrlichkeit und der ganze Tag voll Lust und
Freude; am Abend aber sagte die Prinzessin:
lieber Bruder, nun mach daß du fort kommst,
mit Tages Anbruch nimmt mein Gemahl wie-
der Bärengestalt an, und findet er dich morgen
noch hier, kann er feiner Natur nicht widerste-
hen und frißt dich auf." Da kam der Prinz Bär
und gab ihm drei Bärenhaare, und sagte; wenn
du in Noth bist so reib daran, und ich will dir
zu Hülfe kommen." Darauf küßten sie sich und
nahmen Abschied, und Reinald stieg in eine»
Wagen mit sechs Rappen bespannt und fuhr
fort. So gingö über Stock und Stein, Berg
auf. Berg ab, durch Wüsten und Wälder, Horst
und Hecke, ohne Ruh und Rast, bis gegen Mor-
gen, als der Himmel anfing grau zu werden,
da lag Reinald auf einmal auf der Erde und
Roß und Wagen war verschwunden, und beim
Morgenroth erblickte er sechs Ameisen, die gal<
loppirten dahin und zogen eine Nußschale.
Reinald sah daß er noch in dem Zauber-
wald war, und wollte seine zweite Schwester
suchen. Wieder drei Tage irrte er umsonst in
der Einsamkeit, am vierten aber hörte er einen
großen Wer daher rauschen, der sich auf ein
Nest niederließ. Reinald stellte sich ins Ge-
büsch und wartete bis er wieder wegflog, nach
sieben Stunden hob er sich auch wieder in die
Höhe. Da kam Reinald hervor, trat vor den
Baum und rief; „liebste Schwester bist du dro-
ben, so laß mich deine Stimme hören, ich bi»
Reinald bei» Bruder, und bin gekommen dich
zu besuchen!" Da hörte er es herunter rufen,
„bist du Reinald mein liebster Bruder, den ich
noch nicht gesehen habe, so komm herauf zu
mir." Reinald wollte binauf klettern aber der
Stamm war zu dick und glatt, dreimal ver-
suchte ers, aber umsonst, da fiel eine seidene
Strickleiter hinab, auf der stieg er bald zu dem
Ablernest, das war stark und fest, wie eine Al-
lane auf einer Linde. Seine Schwester saß un-
ter einem Thronhimmel von rosenfarbener Sei-
de und auf ihrem Schooß lag ein Adlerei, das
hielt sie warm und wollt es ausbrüten. Sie
küßten sich und freuten sich, aber nach einer
Weile sprach die Prinzessin: „nun eil, liebster
Bruder, daß du fort kommst, sieht dich der Ad-
ler, mein Gemahl, so hackt er dir die Augen
aus und frißt dir das Herz ab, wie er dreien
deiner Diener gethan, die dich im Walde such-
ten." Reinald sagte, „nein ich bleibe hier.
bis dein Gemahl verwandelt wird" —„Das
geschieht erst in sechs Wochen, doch wenn du
es aushalten kannst, steck dich in den Baum,
der inwendig hohl ist, ich will dir alle Tage
Essen hinunter reichen. Reinald kroch in den
Baum, die Prinzessin ließ ihm alle Tage Essen
hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er
herauf zu ihr. Nach secks Wochen geschah die
Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in
einem Bett, wie bei seinem Schwager Bär,
nur daß alles noch prächtiger war, und er lebte
sieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude.
Am siebenten Abend nahmen sie Abschied, der
Adler gab ihm drei Adlerfedern und sprach?
wenn du in Noth bist, so reib daran, und ich
will dir zu Hülfe kommen/' Dann gab er ihm
Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber
der Morgen kam, waren sie auf einmal fort,
und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf
einer hohen Felsenwand allein.
Reinald blickte um sich her, da sah er in
der Ferne den Spiegel einer großen See, auf
dem eben die ersten Sonnenstrahlen glänzten.
Er dachte an seine dritte Schwester, und daß
sie dort seyn werde. Da fing er an hinabzu-
steigen, und arbeitete sich durch die Büsche und
zwischen den Felsen durch; drei Tage verbrachte
er damit, und verlor oft den See aus den
Augen, aber am vierten Morgen gelangte er
hin. Er stellte sich an das Ufer und rief: „lieb-
ste Schwester bist du darin, so laß mich deine
Stimme hören, ich bin Reinald dein Bruder
und bin gekommen dich zu besuchen;" aber es
antwortete niemand, und war alles ganz still.
Er bröselte Brotkrumen ine Wasser und sprach
zu den Fischen: „ihr lieben Fische, geht hin zu
meiner Schwester und sagt ihr, daß Reinald
das Wunderkind da ist und zu ihr will." Aber
die rothgefleckten Forellen schnappten das Brot
auf, und hörten nicht auf feine Worte. Da sah
er einen Nachen, alsbald warf er seine Rüstung
ab, und behielt nur sein blankes Schwert in
der Hand, sprang in das Schiff und ruderte
fort. So war er lang geschwommen, als er tu
neu Schornstein von Bergkristall über dem Was-
ser ragen sah, aus dem ein angenehmer Geruch
hervor stieg. Reinald ruderte darauf hin und
dachte, da unten wohnt gewiß meine Schwester,
dann sehte er sich in den Schornstein und rutsch-
te hinab. Die Prinzessin erschrak recht als sie
auf einmal ein paar Menschenbeine im Schorn-
stein zappeln sah, bald kam ein ganzer Mann
herunter, und gab sich als ihren Bruder zu er-
kennen. Da freute sie sich von Herzen, dann
aber ward sie betrübt und sagte.- „der Wall-
sisch, hat gehört, daß du mich aufsuchen willst,
und hat geklagt, wenn du kämst und er sey
Wallsisch, könne er seine Begierde dich zu fres-
- 378 -
sen nicht widerstehen, und würde mein kristal-
lenes Haus zerbrechen,und dann würde ich auch
in den Wasserfluten umkommen." — „Kannst
du mich nicht so lang verbergen, bis die Zeit
kommt w» der Zauber vorbei ist." — „Ach nein
wie sollte das gehen, siehst hu nicht die Wände
sind alle von Kristall und ganz durchsichtig/?
doch sann sie und sann, endlich fiel ihr die Holz-
kammer ein, da legte sie das Holz so künstlich
daß von außen nicht« zu sehen war und dahin-
ein versteckte sie das Wunderkind. Bald darauf
kam her Wallfisch und die Prinzessin zitterte
wie Espenlaub, er schwamm ein paarmal um
das Kristallhaus und als er ein Stückchen von
Reinalds Kleid aus dem Holz hervorgucken
sah, schlug er mit hem Schwanz, schnaubte ge-
waltig und wenn er mehr gesehen, hätte er ge-
wiß das Haus eingeschlagen. Jeden Tag kam er
einmal und schwamm darum, bis endlich im sie-
benten Monat der Zauber aufhörte. Da befand
sich Reinald in einem Schloß, das an Pracht
gar des Adlers seines übertraf, und mitten auf
einer schönen Insel stand; nun lebte er er ei-
nen ganzen Monat mit seiner Schwester und
Schwager in aller Lust, als der aber zu End«
war, gab ihm der Wallfisch drei Schuppen und
sprach: „wenn du in Noth bist, so reib daran
und ich will dir zu Hülfe kommen" und ließ
— 50° —
itjn wieder ans Ufer fahren, wo er noch seine
Rüstung fand.
Das Wunderkind zog darauf sieben Tage
in der Wildniß weiter und sieben Nächte schlief
es unter freiem Himmel, da erblickte es ein
Schloß mit einem Stahlthor und einem mäch-
tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein schwar-
zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte
den Eingang. Reinald ging auf ihn los und
gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich
aber der Hals war von Stahl und das Schwert
zerbrach darauf, als wäre es Glas. Er wollte
seine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein
Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den
Hörnern und warf ihn in die Luft, daß er auf
den Aesten eines Baums hängen blieb. Da
besann sich Reinald in der Noth auf die drei
Bärenhaare, rieb sie in der Hand und in dem
Augenblick kam ein Bar daher getrabt, kämpfte
mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem
Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die
Höhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei
Adlerfedern, alsbald kam ein mächtiger Adler
durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge-
rade nach einem Weiher floh, schoß auf ihn her-
ab, und zerfleischte ihn; aber Reinald hatte ge-
sehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins
Wasser fallen lassen. Da rieb er die drei Fisch-
schuppen in der Hand, gleich kam ein Wall-
fisch geschwommen, verschluckte das Ei und spie
es ans Land. Reinald nahm es und schlug es
mit einem Stein auf, da lag ein kleiner Schlüft
sel darin, und das war der Schlüssel, der die
Stahlthür öffnete. Und wie er sie nur damit
berührte, sprang sie von selber auf, und er trat
ein, und vor den andern Thüren schoben sich
die Riegel von selber zurück, und durch ihrer
sieben trat er in sieben prächtige hellerleuchtete
Kammern, und in der letzten Kammer lag eine
Jungfrau auf einem Bett und schlief. Die
Jungfrau war aber so schön, daß er ganz ge;
blendet davon ward, er wollte sie aufwecken,
das war aber vergebens, sie schlief so fest als
wäre sie tod. Da schlug er vor Zorn auf eine
schwarze Tafel, die neben dem Bett stand; in
dem Augenblick erwachte die Jungfrau, fiel
aber gleich wieder in den Schlaf zurück, da
nahm er die Tafel und warf sie auf den stei-
nernen Boden, daß sie in tausend Stücken
zersprang. Kaum war das geschehen, so schlug
die Jungfrau die Augen hell auf, und der Zau-
ber war gelöst. Sie war aber die Schwester
von den drei Schwägern Reinalds, und weil sie
einem gottlosen Zauberer ihre Liebe versagt,
hatte er sie in den Todesschlaf gesenkt, und ihre
Brüder in Thiere verwandelt, und das sollte
so lang währen, als die schwarze Tafel unver-
sehrt blieb.
Reinald führte die Jungfrau heraus und
wie er vor das Thor kam, da ritten von drei
Seiten seine Schwäger heran und waren nun
-rlöst, und mit ihnen ihre Frauen und Kinder,
und die Adlerbraut hatte das Ei ausgebrütet
und rin schöne« Fräulein auf dem Arm; da zo-
gen sie alle zu dem alten König Und der alten
Königin, und das Wunderkind brachte seine drei
Schwestern mit nach Haus, und bald vermählte
es sich mit der schönen Jungfrau; da war
Freude und Lust in allen Ecken; und die Katz
läuft nach Haus, mein Mährchen ist aus.
Sz.
Das arme Mädchen.
Es war einmal ein armes- kleines Mäd-
chen, dem war Barer und Mutter gestorben,
ee hatte kein Haus mehr in dem es wohnen,
und kein Bett mehr- in dem es schlafen konn-
te, und nichts mehr auf der Welt, als die Klei-
der- die es auf dem Leib trug- und ein Stück-
chen Brod in der Hand, das ihm ein Mitlei-
diger geschenkt hatte; e« war aber gar fromm
und gut. Da ging es hinaus, Und unterwegs
begegnete ihm ein armer Mann- der bat es so
sehr um etwas zu essen, da gab es ihm das
Stück Brod; dann ging es weiter, da kam ei»
Kind, und sagte; „es friert mich so an meinem
363 —
Kopf, schenk mir doch etwas, das ich darum
binde," da thät es seine Mütze ab und gab sie
dem Kind. Und als es noch ein bischen ge-
gangen war, da kam wieder ein Kind- und hat-
te kein Leibchen an, da gab es ihm seine; und
noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das
gab es auch von sich hin- endlich kam es in
Wald, und ee war schon dunkel geworden- da
kam noch eine und bat um ein Hemdlein- Und
das fromme Mädchen dachte: es ist dunkele
Nacht, da kannst du wohl dein Hemd wegge-
ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal
die Sterne vom Himmel und waren lauter
harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein
Hemdltin weggegeben- batte es doch eins an,
aber vom allerfeinsten Linnen, da sammelte es
sich die Thaler hinein und ward reich für sein
Lebtag.
84-
Die Schwiegermutter.
E« war ein König und eine Königin, die
hatte eine bitterböse Schwiegermutter. Einmal
zog der König ins Feld- da ließ die alte Köni,
gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen
Keller einsperren, und ihre zwei Söhnlein zu
ihr. Eines Tage nun sprach sie zu sich selbst:
ich hätte so Lust das eine von den Kindern zu
essen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter,
steigen, das eine Söhntein zu nehmen, zu schlach,
ten und zuzurichren.
' ' '»Mit was ft'ir einer Brühe?" fragte der
Koch. Mit einer braune», sprach die alte
Königin.
Da ging der Koch in den Keller und sprach:
»ach' Frau Königin, die alte Frau Königin will
haben, ich soll heut Abend Euren einen Sohn
schlachten und kochen." Da war die junge
Königin herzlich betrübt und sagte.- ach, wollen
wir sticht ein Schweinchen nehmen, das koch
doch fo, wie sies haben will, und sprich, es wä-
re mein Kind gewesen.
Der Koch that so und trug das Schwein-
chen in brauner Brühe auf, „da wäre das
Kind," und sie aß es auf mit großem Appetit.
Bald darauf dachte die Alte: das Kinder-
fleisch hat mir so zart geschmeckt, du willst das
zweite auch essen, rief den Koch und hieß ihn
in den Keller gehen, und den zweiten Sohn
schlachten.
„Mit was für einer Brühe soll ich ihn
kochen?" ei, mit einer weißen, sprach die alte
Königin.
Der Koch ging hinunter und sagte: ach,
die alte Frau Königin hat mich geheißen, daß
ich nun auch euer zweites, kleines Söhnlein
schlachten und kochen soll. Die junge Königin
sprach
Iprach: nimm doch ein Spanferkelchen und koch
es, wie sies gern haben will.
Das that der Koch, und setzte es der Alten
vor in einer weißen Brühe, und sie speiste es
mit »och größerm Appetit.
Endlich dachte die Alte: nun sind die Kin-
der in meinem Leib, du willst nun auch die jun-
ge Königin esse», rief de» Koch und befahl ihm
die junge Königin zu kochen.----------
(Fragment: beim drittenmal schlachtet der Koch eine
Hirschkuh. Nun hat aber Die junge Königin ihre Noth,
daß sie ihre Kinder vom Schreien abhalt, damit die
Alte nicht hört, sie seien noch am Leben u. s. w.)
CbpfiL/%11
Fragmente,
a) Schneebturne.
Eine junge Königstochter hieß Schneeblm
me, weil sie weiß, wie der Schnee war, und
im Winter geboren. Eines Tags war ihre Mutt
rer krank geworden, und sie ging in den Wald
und wollte heilsame Kräuter brechen, wie sie
nun an einem großen Baum vorüber ging, flog
ein Schwarm Bienen heraus und bedeckten tf);
ren ganzen Leib von Kopf bis zu Füßen. Aber
sie stachen sie nicht und thaten ihr nicht weh,
sondern trugen Honig auf ihre Lippen, und
ihr ganzer Leib strahlte ordentlich von Schön-
heit. — —
Kindermärchen. B b
-- 386 v
b) Prinzessin mit der kau«.
Es war einmal eine Prinzessin, die war
so reinlich, gewiß die reinlichste von der ganzen
Welt, nie sah man den kleinsten Schmutz oder
Flecken an ihr. Einmal aber fand man eine
Laus auf ihrem Kopf sitzen, welches für ei»
wahres Wunder galt, und man wollte darum
die Laus nicht umbringen, sondern beschloß sie
mit Milch groß zu füttern. Dies geschah, die
Laus wuchs immer wehr, so daß sie endlich
so groß wie ein Kalb war. Wie nun diese
Laus starb, ließ ihr die Prinzessin das
Fell abziehen und sich ein Kleid daraus
machen. Kam nun ein Freier und hielt um sie
an, so gab sie ihm aufzurathen, von welchem
Thier das Fell wäre, das sie zum Kleid trug.
Da dies nun keiner rathen konnte, mußten sie
alle abziehen. Endlich kam ein schöner Prinz
auf folgende Art dahinter.--------
'?7hi »7 71 IaII.
e) Vom Prinz Johanne«.
Von seinem Wandeln in Sehnen und Weh»
muth, von seinem Flug^mit der Erscheinung,
von der rothen Burg,^von den vielen herzbe-
wegenden Prüfungen, bis ihm der kinzigste
Anblick dep,Mönen Sonnenprinzessin gewährt
wurde.
-•*- 387 —
d) Da« gute Pflaster.
Zwei Näthersmädchen hatten nichts geerbt,
als ein gutes, altes Pflaster, welches Geld
machte, und wovon sie außer ihrem Nahver»
dienst lebten. Die eine Schwester war sehr
klug, die andere sehr dumm.
Eines Tags, als die älteste in die Kirche
gegangen ist, kam ei» Jude zu der dumme»;
„schönes, neues Pflaster zu verkaufen, oder zu
vertauschen gegen altes, nichts zu handele»?"
Da ging die dumme hin und holte dem Juden
das alte Pflaster für ein neues Stück, und der
Jude wußte wohl, welche Tugend das alte
hatte.
Wie die älteste heim kam, sprach sie: e«
geht schlimm mit unserm NLHverdienst, ich muß
uns ein bischen Geld schaffen, wo ist unser
Pflaster? — desto besser, sprach die Dumme,
ich hab auch während du aus warst, ein neues
und frisches. Stück gehandelt für das alte —
(Nachher wird der Iude ein Hund, die zwei Mädchen
Hiiner, die Hüner aber endlich Menschen und prü-
geln den Hund zu Tode.)
Den nachstehenden Anmerkungen ist folgendes
gehörigen Orts einzuschalten.
Bei Num. 3. (Marienkrnd)
auch im Ventameryne IV, 6. (le tre corime)
schließt Marcheua die verbotene Cammer der
Orca auf und wird darum von ihr ausgestoßen.
Num. 15 (Hansel und Gr.)
vergl. den Eingang von riennillo e nenella im
Penramcrone.
Zu Num. (Strohhalmchen)
vergl. auch die äsopische Fabel vom Dornstrauch,
Taucher und der Fledermaus. (Furia 124. Co-
ray 42 )
N u m. 55. (Rumpelstilzchen)
1/ y*' Das Spinnen des Golds kann auch auf eine
.Sq . andere Art verstanden werden, nämlich durch die
t J harre schwere, kummervolle Arbeit den Gold-
___j drarh zu verfertigen, welche armen Jungfrauen
;.V, mS überlassen blieb. So heißt es in einem altdan. Lied; ;
' n* nu er min sorg saa mangefold, J bi'bSff
' T som Jomfruer, de spinde guld. ‘y
Num. 60 l Goldei)
bei dem Herz, das die Besenbindersjungen un-
versehens essen, ist sich zu erinnern an Loki, der
das halbverbrannte Herz (Hyndluliod 37.) und
an den Fuchs der äsopischen Fabel (Furia 356.
Coray 358.) der das zufällig herausfallende Herz
der Hindin verzehrt. Der Löwe fragt wie der
Goldschmied danach, allein der Fuchs giebt ihm
hier eine moralisch, witzige, statt der mythischen
Antwort. Vermuthlich gehört eben darum auch
die Fabel vom Koch und Hund hieher (Furia 227.)
Druckfehler und Verbesserungen.
S. 69. Z. 10 v. 0 st mich l. n i ch
S. 74. Z. ii »1 ad) ga ein Komma.
S 75. st- Kökenlicht l. Kören- oder Köting-
tl licht Regnaert de Vos v. 303. „bernende stal-
c licht." von Kvthe, arme Hütte, Stall, a. s. cyte,
engl, und holl cot, kor
Zu Num. 9. (die 12 Brüder) im Anhang S. vir
<ü Kö
V/ /
(Ul
oöaJ'Wtwf'l V. vw
V aJ^n #Mi
st. le sette cottenelle IV. 4* l. li sette
palommielle IV. 8*
Anhang.
"OL nAAst TVtAV
Kittderwärchen.
tW/iH-
V 'vii 1
I l:
HüfrhftcuA.
n^t /lejpfaof, TiluAftLnt
ü yT™“K J<+/ß JzvreuA-1381. /vir,
) fö'WVHV' Jywtk *u/u, 6rY>sU\jÄ**rS
^yyvi'i KM^ WA^'rrivu .1]/
71/ 4rt/v/^«/ri4?. Iwyx'i 0/>f WlllM/^ UW>HaJ u, paAiyt^
Zum Froschkönig. No.
10#j *jjuJrv
?TMW-
§ins der allerältesten und schönsten Märchen, da-
man sonst in Deutschland unrcr dem Namen: von 7ijaj% u n
dem eisernen Heinrich besonders gekannt hat,
nach dem treuen Bedienten, der sich sein kurnmer- QuJivn ufrwnd
volles Herz in Banden harre legen lasten. Rol- .<
lenhagen nennt es so unter den alten deutschen tra/trH^' '
HauSmärlein. Darauf bezieht sich auch, was ^hi-
Lander v. Sittewald 3, 42 sagt - „dann ihr Herz
stund in meiner Hand, fester als in ein eisen Voa/wx .
Vand." Vom Band der Sorge ist noch allge- a
meiner und öfrer Rede, vom Stein der auf dem
Herzen liegt, schön singt ein Minnedichter: „sie
ist mir recht stahelhart in mein Herz gedrückt."
Heinrich von Sax (1, 36.) sogar ausdrücklich:
„mein Herze in Banden litt," und-eru-Lied
von Heinrich dem Löwen Str. 59. „es lag ihr
Herz in Banden." — Allein der Hauptsage nach
lebt das Märchen auch in Schottland fort. In
rlie oomplaynt of 8cotland geschrieben 1348- wird
unrer andern alten Erzählungen the tale of
tlie wolfof tlie warldis end genannt, das
leider ganz verloren geganaen (vielleicht die Sa-
ge vom nordischen Lokej) ist. I. Leyden in s. L <jLwnr
Ausg. des Complaynt Edinb. igoi. S. 234. 35. 0 —--------
glaubt, daß es in verschiedene Lieder und Ammen-
märchen zerstückt noch herumgehe, er habe Frag-
mente singen hören, worin der Brunnen von
der Welt End (well of tlie warldis end) vor-
komme und the well Absolom und the ca ld
well säe weary heiße. Hieran schließt er nun
unser Märchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht
gut in verschiedene Sagen eingreifen kann, und
wir auch in dem deutschen keine
A ,2
•vm H'i
f jfo
e Sagen erngrerfen kann, und
deutschen keine Anknüpfung zu
7WVHvj £n<jj IvfoifG'd .
'hw /M Wy fcvuLt
J88 . iojOj
V.
}/
vj£
jenem Wolf (oder sollte Wolf im Original statt
well fielen?) ahnen. Leydens Worte lauten nun:
.,aceording to the popnlar tale a lady is Cent
by her stepmother to draw water from the well
of the worlds end. She arrives at the well, af-
ter encountering many dangers; but soon per-
ceires that her adventnres Tiave not reached a
conclufion. A frog emerges from the well,
and, before it suffers her to draw Water, obli-
ge* her to betrothe herseif to the monster, lin-
der the penalty of being torn to pieces. The
lady returns safe; but at midnight the frog lo-
ver appears at the door. and demands entrance,
according to promise, to the great consternation
of the lady and her nurse.
,,open the door, my hinny, my hart,
open the door, mine ain wee thing;
and mind the words that you and J späh
down in the raeadow, at the well-spring!u
the frog is admitted, and addresses her:
„take me up on your knee, my dearie,
take me up on your knee, my dearie,
and mind the words that you and J späh
at the cauld well säe weary "
the frog is finally disenchanted and appears as a
prince in his original fornä.“
Die Stelle in the romance of Roswall and
Lilian:
,,the knight that kept the pavent well
was not so fair as Ros wall
spielt schwerlich Hierher an."
La gren oui Ile bienf ais an te der Ma-
dame d’Aulnoy, ein schlechtes Marchen,hat auch
>gar keine Aehnlichkeit mit dem unsriaen.
^ Zu Kah und Maus in Gesellschaft. No. 2.
Man erzählt es auch von Hähnchen und Hühn-
chen, die hatten einen Edelstein im Mist gefunden,
beim Juwelirer verkauft ein Herttöpfchen auf den
Winter dafür erhandelt, und auf einen Schrank
gestellt. Das Hühnchen frißt es nun nach und
nach leer, wie das herauskommt, wird das Hahn-
$ STA?.
chen ganz wüthend und hackt das Hühnchen todt.
Darnach aber empfindet es Reue und nun wird. o / .
das Hühnchen begraben wie in No. Zo. <0oaam-
3«m Äcarienklnd. 3* ,
Aehnlichkeir damit hat die Legende von der fcr*, ‘
heil. Ottilie, zumal, wie sie Naubert in ihren ihu/ iyavvlcL
Volksmahrchen Th. 1. erzählt Die gründliche q.
Idee von vrelen erlaubten und der einen verböte- , u .... sr
nen Thüre kehrt vielmal und unter verschiedener WfrniwixMyuiX .
Einleitung, wre bei der Todtenbraur und dem KvuuöJiJJli
Blaubart (No. 46 u. 62.) wieder. Eine andere # * a u,
Erzählung ist folgende: der arme Mann, da er
seine Kinder nicht ernähren kann, geht in den ""■*- ^ n -..........f
Wald und will fick erhenken, da kommt eine schwar-
ze Kutsche mit vier schwarzen Pferden und eine
schön, schwarzgekleidete Jungfrau steigt aus und
sagt ihm, er werde in einem Busch vor seinem
Haus einen Sack mit Geld finden, dafür solle er
ihr geben, was im Hause verborgen sey. Der
Mann willigt ein, findet das Geld, das verborgene
aber ist das Kmd im Mutterleib; und wie das ge-
boren ist, kommt die Jungfrau und will es abho-
len, doch, weil die Mutter so viel bittet, laßt sie
es noch bis zum Zwölften Jahr. Da aber führt
sie es fort zu einem schwarzen Schloß, alles ist
prächtig darin, es darf an alle Orte hin, nur
nicht in eine Kammer. Vier Jahre gehorcht das
Mädchen, da kann es der Qual der Neugierde
nicht langer widerstehen und guckt durch einen
Ritz hinein. Es sieht vier schwarze Jungfrauen,
die, in Bücherlesen vertieft, in dem Augenblick zu
erschrecken scheinen, seine Pflegemutter aber kommt
heraus und sagt: „ich muß 'dich verstoßen, was
willst du am liebsten verlieren?" — ,,Die Spra-
che/antwortete das Mädchen. Da schlagt sie ihm
auf den Mund, daß das Blut hervor quillt, und
treibt es fort. Es muß unter einem Baum über-
nachten, da findet es am Morgen der Königsfohn,
führt es mit sich fort und vermahlt sich, gegen
seiner Mutter Willen, mit der stimmen Schönheit.
Als das erste Kind zur Welt kommt, nimmt es die
böse Schwiegermutter, wirft es ins Wasser, bet
spritzt die kranke Königin mit Blut und giebt
vor, sie habe ihr eigen Kind gefressen. So geht
es noch zweimal, da sott die Unschuldige, die sich
nicht vertheidigen kann, verbrannt werden. Schon
steht sie in dem Feuer, da kommt der schwarze Wa-
gen, die Jungfrau tritt heraus, sie gehr in die
Flammen, die sich gleich niederlegen und auslö-
schen, hin zu der Königin, schlagt ihr auf den
Mund und giebt ihr damit die Sprache wieder.
Die drei andern Jungfrauen bringen die drei
Kinder, aus dem Wasser gerettet; der Verrath
kommt an den Tag, und die böse Schwiegermut-
ter wird in ein Faß gethan, das ist mit Schlan-
gen und giftigen Nattern ausgeschlagen und einen
Berg herabgerollt.
Zum Wolf und den Geiserchen. No. 5.
muß auch, wenigstens sonst, in Frankreich seyn be-
«... r ... . •_ L . er__L . .. sl.
V . faß kannt gewesen. Lafontaine hat offenbar die 1510
sr / Fabel seines 4ten Buchs daraus gemacht, allein
Aüc*A/
fitUA
wie mager erzählt er sie; vielleicht hatte er auch
(kt \ AM A CH M (t ^ 4 A I < ^ ^ fc« M 4 W / 1 A» 1 , . . 1
vV^t ^5^»,bloß die frühere Bearbeitung Corrozers (1e loup,
\ 1a chevre et le chevreau) vor sich, wo sich gleicy-
- falls die junge Ziege hütet und den Wolf gar
<uo4ui/ cjn^gt# Die Fabel ist aber viel alter, und
JjfA ** sieht u. a. bei Boner XXXIIl., wo jedoch der
, y' r ^Umstand mir der weißen Pfote, dessen schon La-
0 11 JL ) ßonraine nebenbei gedenkt, fehlt. Dagegen erinnern
■t* jpu wir UNS eines Bruchstückes aus dem vollstandi-
gen französischen Kindermärchen. Der Wolf geht
/ rum Mütter, reicht ihm die graue Pfote hin und
„meunier, meunier trempe moi ma patte
dans ta farine blanche!“
non non, non non! — ,, alors je te man«
ge! "
da tfjut es der Müller aus Furcht. — Auch Pfa-
mathe die Nereide sandte den Wolf auf PeleuS
und Telamons Heerden, der Wolf fraß sie insge-
sammt und wurde dann versteinert, wie ihm hier
Steine eingenäht werden. Doch liegt die Sage
— vu —
vom versteinerten Wolf tiefer, als sie hier ausge-
führt werden kann.
Zur Nachtigall u. Bl. No. 6.
aus dem Französischen übersetzt, Memoires de l’a-
cademie celtique. Tome 2, 204. 205. Vergl. T.
4, io2. Das Märchen und der Glauben findet sich
unrer den Solognots. Die französischen Reime
ahmen den Ton der Nachtigall glücklicher nach-
je ferai mon nid si haut, si haut, si haut!
si Bas!
que tu ne le trouveras pas!
Zur Hand mit dem Messer. No. 6.
ein schottisches Märchen oder Volkslied, das Mrs.
Orant in ihren essays on the superstitions of
the highlanders of Scotland, London rgn. vol.
r, '-'85 286. erzählt. Sie sagt: „onc of these
(stories) which J have heard sung by chil-
dren at a very early age, and which is just to
thein the Babes in the wood, J can never sor-
get. The affecting simplicity of the tune, the
Strange wild imagery and tue marks of remote
antiquity in the little narrative, gaye it the
greatest interest to me, who delight in tracing
back poetry to its infancy.
Die zwölf Brüder. No. 9.
Im Penramerone doch sehr abweichend IV, 8« 1®
sette Pa l Ütn rr>CcAU J.
Zum Lumpengesindel. No. 10.
Dergl. unten No. 41. Herr Korbes.
Zum Brüderchen und Schwesterchen. No. 11.
Eine ähnliche Erzählung kennen wir nur fragmen-
tarisch ; Bruder und Schwester gingen eines Tags
i
3S?lT
Ln den Wald und weit die Sonne so heiß und der
Weg so weit war, sy fing den Bruder an zu dur-
sten. Sie suchten Wasser und kamen zu einer
Quelle, daran stand geschrieben: „wer aus mir
trinkt, ist es ein Mann, wird er ein Tiger, ist es
ein Weib, wird es ein Lamm." Da sprach das
Mädchen: „ach! lieber Bruder, trink nicht aus
der Quelle, sonst wirst du ein Tiger und zerreißest
mich." Da sagte der Bruder, er wolle noch war-
ten, ob ihn gleich der Durst so quäle,bis zur näch-
sten Quelle. Wie sie aber an die nächste Quelle
kamen, stand daran: „wer aus mir trinkt, wird
ein Wolf." Da sprach das Mädchen wieder, „lie-
ber, ach lieber Bruder trink nicht, sonst frißt du
mich." Der Bruder sprach: „noch einmal will
ich meinen Durft bezähmen, aber langer kann ich
nicht mehr;" und sie kamen zu einer dritten Quel-
le, daran war geschrieben: „wer aus mir trinkt
und ist es ein Mann, wird er ein goldener Hirsch,
ist es ein Mädchen, wird es groß und schön." —
Da legt sich der Bruder nieder und trinkt und
steht als ein goldener Hirsch auf, das Mädchen
trinkt auch und wird noch schöner und groß, als
^ / d s n' war es erwachsen. Dann legt es den Hirsch Vm
C\ &Uc pjn Seil bnd führt ihr fort, der K> nig sieht den
4 nurrderba cn Hirsch u id laßt ihn einfangen. Drs
' c ^ Mädchen l leibt bei ihn und wird eir mal behorcht,
ils sie nn ihm sprich , da hört bei König, d lß
<s die Schwester von )em Goldhirsch ist, und wr-
taahlt sich mit ihr. Tie Mutter des Königs ab v
ist neidisch und will ße verderben, me giebt il r
tine haßlü-e Gestalt u«d macht, datz sie soll 9^
tsdret, dei Hirsch aber vom Metzge! geschlackt t
r»erden. — — Die Unschuld aber Pi&mm an den
§,ag, die SchwiegermuÄcr wird in eine mit schat-
tn Messern angefüllte Tonne gethari. und einen
Sil Slslpunjcl. !*.«.
r£*u.U im Pcntamerone II, i. (Petrosinella), wo vieles
rjiTA . ' r t. cttiöcrfS und besonder» die zweite Hälfte lebendiger
Jtttvu}<.Lu «***, ^ tst, als im deutschen Märchen. Dieses hat schon
Ä.'AW'W
IX
Friedr. Schulz in s. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz. »r. , .
1790. S. 269—88- nur zu weitlauftig erzählt, wie- ,,
wohl ohne Zweifel aus mündlicher Sage. Wie 7u^(7liß
weit übertrifft es dennoch feine übrigen Mar- 71, J3.
chen! Eins in Büschings Sammlung hat an-
fangs S. 287. einrge Züge aus dem unfrigen, ge- T^t/^
rath aber bald nachher heraus und in den fran-7^^ t+tp*™/ 4
zösischen Stil.
—------..-e 4//.4,«
Zu Hansel und Gretel. No. 15. Lä'J.t.
\Jx-t &/k4t■■
hängt genau mit einigenDaumlingssagen,besonderS^^.
dem franzöf. kleinen xoucet zusammen. Der ganz
doppelartige Charakter des Daumerling (pulga-
X re jo Pollü^) erscheint schon in der uralten Mythe ,
und geht z. B. in unserer Sprache nur halbrecht 9*ütrw U4-
4M /. U ^ v. m.. «mS, S. /r .si» " > f
raucUc+y
- m+Muj
/ am/ yio m/
in Dümmling, Dümmling über, während das alte
WW
b-rMA hf*
j. fl (kVi oJJtkajl
noch^etzt dasSnEsc^,^ eine-mLldere
U"j
,q%. &UJ.
Bedeutung hat. Die eigentliche Ausführung zUS]
ner so merkwürdigen Fabel würde hier zu viel abr
leite«. w»/ a^n
Oberlin giebt ein Stuck dieses Märchens nach , ^ .
dem Dialecr der Gegend von Lünsville in seinem ^ Ajr
Essais \ sur le patois. 77d Pf a^a\ tyoAtfi
Auch in deutschen Erzählungen wird Hansel
sur le patoi.8. 77dQl awi
uch in deutschen Erzählungen wird Hansel ■ / /
als ein Däumling dargestellt. Es sind sechs Kin-/^"^
der. er ist das siebente. Wie sie im Wald beim
Menschenfresser sind, sollen sie ihn frischen, der
Däumling aber springt ihm ins Haar, zupft ihn
und kommt immer wieder. Darauf Nachts die
Verwechslung der sieben Kronen mit den sieben
rothen Kappen. In den Meilenstiefel
Däumling glle Geldbeutel und
ilenstiefelv thut der lD / 0
Kostbarkeiten,
Zu Fix und Fertig. No. 16./^^-^.^
fz.j
ähnlich damit No. 64, II. dasselbe Märchen aber
in dem jüdischen Maasähbuch c. 134. vom Rabbi
Chanina, nur wird der König aufmerksam auf die
Prinzessin mit den goldenen Haaren, durch ein
einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf
die Achsel fallen läßt.^Bei Srraparola mit eini, F Vart not
ger Veränderung in den Motiven von
i
in, 2. Dann auch in den modernen franz. Mär-
chen der Aulnoi.
Zur weißen Schlange. No. 17.
Die Sagen von sprechenden Vogeln, die den Men-
scheu rathen und ihr Schicksal verkündigen, sind
unzählig und können hier nicht abgehandelt wer-
den. Die Menschen lernen diese Sprache Haupt-
sachlich auf zwei Acren: ,) durch das Essen eines
Herzens von einem Drachen, z. B. Siegfried,
oder Vogel, s. unren No. 60.); 2) oder einer wei-
ßen Schlange- wie hier und in einer merkwürdi-
gen, hannoverischen Volkssage von der Seeburg,
die wir anderwärts mittheilen werden. Ganz hier-
her gehört auch die märchenhafte, altnordische Sa-
ge von Kraka und ihren beiden Söhnen, Roller
und Erich.
Zum Strohhalm.. No. ig.
- fr?
I
***+ **r*&zx§(. No. Lo. Dieses und ähnliche Märchen
"Hf i*4! / (No. LZ. 43.) entscheiden freilich den Punct, ob
M außer den Thieren, auch Pflanzen und andere Dinge
zur Fabel gehören können.
Zum Fischer un sine Fru. No. 19.
umuifr'ß* Diese« Märchen welches der seel- Runge au«
s der pommerschen Mundart treflich niedergeschrie-
. 0 ^ den, theilte uns Arnim im Jahr 1609 freundschaft-
, V 1 . Uch mit, von demselben durch v. d. Hagen erhielt
* \ es auch Büsching und hat ee tn seiner Sammlung
wiewohl nicht ohne Fehler abdrucken lassen. Die
Fabel selbst, deren Eingang merkwürdig an eine
der N. »001, No. 9. rc. rc. so wie an die wali-
sische von Taliesin erinnert, wird auch in hiesiger
Gegend sehr häufig, aber unvollständiger, doch mit
einigen Abänderungen erzählt. Es heißt.* vom
Männchen D 0 miri« . sonst auch von Hans Dudel-
dee) und Frauchen Dind^rlind«. Domine klagt
über sein Unglück und geht hinaus an den See,
da streckt ein Fischchen den Kopf hervor:
oÖltfMV
tut fhZJr* truj*» jtrfayh Cv
> ' J s . ^ >7. Ar?rS üis
aJL+M4uf WZ
^vi^tvfivrv j Av^tki/A/tv) ßui'&wft' • "istff • aJ^, \hv ^
. niMfiriTflA'U-?
was fehlt dir Männchen Domine? —
„ach daß ich im Pispott wohn, thut mir so .
weh."—-
so wünsch dir was zu haben. —
„ich wills nur meiner Frau erst sagen."
nun geht er heim, „wünsch uns ein besseres HauS"
sagt Dinderltnde Am See ruft er:
„Fischchen, Fischchen, an der See!" —
was willst du Männchen Domine?
nun gehen die Wünsche an, aber es sind mehr, erst
Haus, dann Garten, dann Ochsen und Küb, dann
Länder, u. jo fort alle Schätze der Welt. Wie sie
sich ausgewünscht haben, sagt das Männchen: „nun
möcht ich der liebe Herrgott seyn, und mein Frau,
chen Mutter Gottes " Da streckt das Fischchen den
Kopf heraus und ruft:
willst du seyn der liebe Gott? , y ,
so geh wieder in deinen Pispott. l
Das Motiv von der Frau, die ihren Mann
zu hohen Würden reißt, ist gewiß uralt, von Eva
und der errurischen Tanaquil (Livius 1, 47.) bis
zur Lady Macbeth.
Zu dem tapfern Schneider. No. 20.
Die erste Erzählung ist genommen aus einem
ziemlich seltenen, kleinen Buch: Wegkürzer, ein sehr
schön lustig und aus der Maßen kurzweilig Büch-
lein — durch Martinum Montanum von Straß-
burg 12. von 1557. Bl. 18 — 23. Wir kennen
noch eine andere Ausgabe von 1607. In einem
dänischen Volksbuch ist dieselbe Geschichte gereimt,
Nyerup spricht davon in seiner Abhandlung über
die dänischen Volksbücher (Iris und Hebe 1796.
Ocrob. S. 36) Es ist da ein Schuhmacher, der
mit seinem Knieriemen »5 fliegen auf einen Schlag
tödtct. Er besteht erst den Eber, der eine schlaf-
erweckende Frucht frißt, dann das Einhorn, zuletzt
einen Bären, den er in einen Ziegelbrennerofen
einsperrt. Die hier folgende holländtsche Recension
ist aus einem Amsterdammer Volksbuch: Van kleyn
Kobisje alias Koningh sonder Onderzaten S. 7 —
14. Sie hat, wie man sieht, wieder ihre Eigem
tywAAjP </jZu^ % ' CO>J) . ^ 't’xtoJ'/\ßr\AAs
nW sytfrUy^ 0AÜ{j ?W4f^ 9flsi
/4 /n b 7 ** ‘
Wirt. ,
Wirt
I1VH
XII —
1
. vV
\ ’ UM'! n
I lUijt /f
jfl /* </'r
f' frlu, ttf^i
thümlichkeiten. Zu beklagen ist, daß die zweite Er-
zählung, nach mündlicher Mittheilung, nur ein
4/J Fragment giebt, ohne Zweifel wäre das Ganze
# xechtgur. Bei der glücklichen Jagd denkt man
: ^ auch an den feigen Waldemar in der Wilkinasaaa.
cyf/i in***.. (2ZZ.) der ans den Hrrjch zu sitzen kam.
Van kleyn Kobisje.
Kleyn Kobisje sitrende aen de Naaybank Hy
fcheld een Appel ende laer de Schel van die op de
Naaybank liggen, Hy maeckt een Vliegeslager, en
alsoo 'er Vliegen op de Appelschel quamen om die
af te teeren, flact 'er net in eenen Slag seven ge-
lyk; springt van de Naaybank, oordelde dit een
Romeyn-stuk re zyn, denkt noch hier door een
groor Man te worden, verkoopt at wat Hy heeft,
en laet 'er een cierlyk Schild van maken, en tret
'er opserren- jck Heer Kobisj»n den onver-
laagden, icksla dersevenmereenenSlagh.
Treckt doen in een ver Landr, daer den Koningh
Meester was, brnd doen dir Schild op syn Borst,
ende gaer achter des Äonings Paleys, regen een
hoogen Heuvel aen leggen, daer hy wist dar de
Koningh gewoon was oroinaris heen testen; ende
also de Gon sterck scheen, en wist de Koningh
nier war daer so flikkerde, send rerstond een Edel-
man derwaerds. Hy by hem körnende wierd ver-
vaert in dir re lesen: ick Heer Koningh onver-
saagd, ick sla der seven mer een Stagh.
Gaet wederom, verhaelr den Koningh dir vorgaen-
de, die rerstond 2 a Z Compagnien Soldaten daer
henen sond, om hem wacker re maken, en met een
beleefr Onrhael ren Hove re geleyden, mer sooda,
nigh Respect, als sulcken Cavalier roekomr Sy
irecken op's Konjnghs Bevcl henen, by hem ko-
mende en dorsten hem, oste niemand en wil de
«erste wesen, om hem aen re spreken. Maer eenen
uyr den Hoop was soo couragieus, dar hy een
Pieck nam ende stier hem regens de Sool van syn
Sckoen. Hy springht op met groore Kracht, sy
valle.n op haer Krryen, ende biddem hem, hy be-
liefden eens by den Koningh re komen, her welck«
; :‘V\
JL.
— XIII
geschieden. By den Koningh nu zynde, was hy
rn groot Aensten. Onderrusichen word hem voor-
gehouden, hy kon des Koninghs Zwager worden,
maer daer waren drie zware Dingen re doen, die
moest hy voor den Koningh uytwercken. Voor
«erst soo was 'er een wild Vercken, dar feer veel
guaed dede, en niemand vangen kon. Ten twee-
den waren 'er drie Reusen, die her in her Bosch
des Koninghs ,oo onvry maekren, dat 'er niemand
Door konde rzyjen, of was een doodr Man. Ten
Lerden waren 'er etrelyke duysend vreemde Volcke-
ren in her Landr gevalken, en soo'r scheen, stond
M'Ryck in groot Peryckel. Dil neemr hy aen om
uyr te voeren. Word den Wegh aengewesen, daer
her wild Vercken was. Gaet met een groore Cou-
ragie uyr 'r Hof. Hy was quaiyck soo ver, dat
hy 'r Vercken hoorde, of wenschte sich setve weer
aen syn Naaybank 't Vercken komr met sulcken
Furie op hem aenlopen, dat hy na een goed Heen-
komen sagh, siet een vervallen Kapel, en vlucht
daer in. Het Vercken hem na. Hy mer 'er Haast
vlieght door her Venster over de Muur ende haelt
de Deur van de Kavel toe. Doen was 't Ver-
cken vast, en komr by den Koningh, die hem vraegh-
de, hoe hy 'r Vercken gevangen had? vver aitoos
uyt: ick greep her mer groore Kracht by de Hai-
ren of Borstelen en wierp 'r in de Kapel, en ick
heb't nier willen dooden, om u voor een Present
te vereeren Groore Vreugd was 'er in 'r Hof.
— Gaet na de Reusen, en rot en Geluck vond haer
slapende. Neemt syn Sack, vult die mer Sreenen.
Klimr op eenen hoogen Boom, werpr den eenen,
die meenden dar her den anderen dede. Beginr re
kyven, hy sou syn werpen laren of hy soude hem
voor syn Dornt bruyen. Den tweeden word ook
geworpen, begint re vloecken. De derde word
mer her selfde onrhaelr. Sraet op en rreckt syn
Degen. Vlieght den anderen aen, en steekt hem,
dar hy doodr rer Aerden valr. Beginr mer den
anderen ook, en door't lang Worstelen vallen bey-
de rer Aerden van Vermoeytheyd. Hy syn Äans
siende, komr af en neemr van die dood was syn
Rapier, en steekc die alle beyde doodt, en houdse
\ J* L
den Aop of, gaet so weder na't Hos. Den Ko-
ningh vraeghde hem, of her bestell was? amwoor-
de ja. Men vraeghde hem; hoe hy'c bestell had?
Seyde aldus: ik nam den eenen by syn Beenen,
en ick stveger den ander mer, dar Hy doodl ler
Aerden viel, en den anderen heb ick mer de selfde
Munt beraell En die ick by de Beenen had, half
doodl zynde, smeer ick met sulcken Kracht regen een
Boom, dal den Boom wel ses Voet uyt de Aerde
vloogh. De Vrcughd was feer groot, ende men
hielt hem voor de groorste in't Hof. Hy maeck-
ren hem wederom gereed, en den Adel van't Hof
met hem, en daer toe een braef Heyrleger, daer
hy Oversten van sou zyn. Gyn Afscheyd geno-
men hebbende, vingh't derde Stuck aen. Liei her
Leger marcheeren, ende Hy volghde te Paerd Maer
alsoo Hy noyt een Paerd gereden hadde, wist hen
qualyk in Postuur te houden. Gekomen zynde op
de Plaet- daer de Vyandt was, laer Hy her Leger
in Batalie stellen, hem wierd doe geboodschapt,
dar her alles in Order was. Wist niet, hoe hy't
Paerd soude wenden. Treckr aen de verkeerde Fy-
de des Tooms, en geeft het Paerd de Sporen, so
dar her mer een volle Galop na de Vyand liep.
En alsoo Hy den Toom van het Paerd niet vast en
hield, greep Hy onderwegen een houre Kruys, dal
onder afbrack, en hield her soo vast in den Arm.
Den Vyand hem flende, meende dar het de Duy-
vel was, ende begonden te vluchren, en die't niet
ontkomen en kosten, verdronken: staken hare Sche-
pen van de Wal af ende voeren soo wegh. Hy
quam met den Fegen wederom by syn Adeldom,
en't heele Leger, die Hy zyn Vicrorie verhaelde, en
hoe de Vyanden heel in Routen geslagen waren.
Hy komt by den Koningh, en verhaelt syn Victor
rie, die hem bedanckten. Voorrs doet Hy hem uyt-
roepen voor Navolger en Nazaat rot de Äroon.
Den Troumdagh vast gefielt zynde, maken daerroe
groote Prepararien. Den Trouw gehouden heb-
bende, was Hy in groot Annflen, en alryd naest den
Koningh. 't Gev'iet, dat Kobisje meest alle Nach-
ten droomde, als dar Hy noch aen de Naaybank
sät, en hem quam altydt noch her een of't ander
— xv
< H-TlW f
(a /7tAaHÜ
in de Gedachten van syn Merck, kuydkeels riep:
Lustigh, lustigh, rep-je! noch seö of seven, soo heb-
je heyligh Avond! meende dar Hy de JongenS
iet te vouwen of te naajen gaf. De Dochter wierd
vervaert, meenende dar den Duyvel in hem was,
om dai Hy soo al relde van lustigh, lustigh.
Älaeghr her haer Vader, dar Hy haer een Bocke-
binder gegeven had, en geen Heer van Graet. De
Vader bejluyt een Compagnie Soldaten 243. by
zyn Slaepplaers te leggen, om (soo't weer geoeur- r
de) hem gevangen te ,lernen, of dooden. Hy word ^
hiervan gewaerschouwt. Te Bed zynde, vaert al-
dus uyt; ick heb een wildt Zwyn overwonnen, ick
heb drie Reusen gedoodt, ick heb een Leger van
honderd duysend Mannen verslagen, en van dese
Nagt sal' er nog 243 Compagnien Soldaten aen.
Hy ren Bedde üytstavt na haer toe, en gaet met
groore Kracht. Sy hem hoorende, vielen Bol vver
Bol van boven neer. Die gene, die doodr bleven
en Armen en Beenen verloren hadden, waren in
groot Gerat, eu die hct ontliepen, brochten oen
Koningh sulken Boodschap, die alduö uytvoer:
myn Dochter behoord wyser te wesen, datse sulken
grooken Cavelier soo sal affronreren. Ondertuffchen
den Koningh steck zynde, sterfr, laer hem tot Na-
zaar van de Äroon, die Kobisje aenneemr en heeft
syn Ryck in Rust geregeerr.
Zum Aschenputtel. N. 21
gehört unter die bekanntesten und wird aller En-
den erzählt. #
Schon Feiler von Kaisersberg schrieb sein
Eschengrudel mit Beziehung darauf. S. Ober- '/L'
Ctn v. Gruidlecht. Rollenhagen in der Vorrede
zumFroschmeuseler unter den wunderbarlichen Haus- »
märlein erwähnt des: „von dem verachten fromr^/^^
men Aschenpößel uns seinen stolzen spöttischen '
Brüdern." Diese niederdeutsche Form des Namens
leitet Schüy im hollst Idiot. 1, p. 50. von p ö-
seln, mühsam (die Erbsen aus der Asche) suchen
her. Adelung hat Askenpösel, Askenpüster,
Askenböel und büet. Im hollst, nach Schätze:
(€ >
te
ßvr k»vwi hhJl UA ihu i*vv*^Aw-, \Äu/ Jta <*aMwAm
*&ä «
> mv, hhH (yt&l \hrtk
0/ Q'- / i
y>M~ . UfLCLIl Ht
y
- t
AschenpSfelken und Sudelsödelken, von
sölen, sudeln, weil es im Schmutz verderben
Die hiesige Mundart bestätigt auch Estor in
s. oborheß. Wörterbuch v. Aschepuddel, ein ge-
ringfügiges, unreines Magdlein. Noch mehr ober-
^-^deutsch ist: Aschenbrödel s. Adelung, und Ae-
sch erli ng unter welchem Namen man es auch neu-
für die deutsche Buhns bearbeitet hat, freilich
0>’-£ nach schlechtem französischen Muster. Der dänische
Name ist Askefiis, scbwed. Askefis Verelius
in den Noten zu Gautr^kösaga S. 70. gedenkt der
^ ^Volkssage: „huru Askefi/en fickKonungS-
^-^dottren til/hustru," es scheint daher umge-
^^-kehrt auf den Jüngling die unterdrückte Jugend
. ^ übergetragen. Wie denn auch die Sprichwörter-
sil/a Hemma i asku, tiggia som ka/rur i hreise, und
liggia vid arnen, meist von Köurgssöhnen gelten.
^ ^s. Wilkinasaga C. gr. von Thetleifr und Refesaga
<C. 9. derGöthreks'S.) aus welcher Derelius alles
andere herleiten will. Obcrlin fuhrt eine Stelle
v. Aschenprödel an, woraus erhellt, daß auch im
deutschen auf Männer der Namen bezogen wurde.
a>u^ i>vulcC/WaWu PerraultS de iTH rill on ou le petiee pan-
/ 9?.,// rT ton fl e de veire gehört nicht unter seine am besten
br (xzdhlten Märchen, der Gräfin d^Autnoy Finnet-
tWjj xh^y-A^ te Cendron wiewohl noch geringer der Form
• ; . , u d nach, enthalt manche eigenthümliche und reichere
Nebenumstande Wir werden davon im zweiten
aJJvuJr^M Band zu dem unvergleichbar schöneren Mahrchen
f 1 . / Cennerentola (Pentaraerone I, 6.)das Nöthi-
■** ge anmerken.
Auch eine polnische Recension ist uns bekannt,
u. d. T. Kopciuözek, von Kopec Ruß, Rauch,
in andern slav. Dialecten kopet, kopt. s. Linde v.
v' Kopciuch und Brudny ^schmutzig, Brodel.)
S. auch Allerlei-Rauh. No. 65,
Zum Kinderschlachtspiel. No. 22.
Die erste Recension ist aus einem alten Buche Ln
den Berliner Abendblättern von Kleist (1810. No.
59.) abgedruckt worden. Die zweite befindet sich
in Martin Zeilers Miücelt. Nürnberg ,661. S.
ZZZ. der sie aus I. Wolf lectiones memoradiles.
7 ^ Laving. ^
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genommen Es wrrd hinzuge?
setzt, der Papst, der zur Zeit dieser Geschichte ge-
lebt und ein fertiger Poer gewesen, habe versucht
sie in ein Distichon zu bnngen, es aber nicht ver-
mocht. Da habe er einen stattlichen Prcts dar-
auf gesetzt, den ein armer Student verdienen wol-
len, dieser habe sich auch lange umsonst gequält,
bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen
undausgerufen: „karrn ichs nicht, so mag- der
Teufel machen!" Dieser sey alsbald erschienen,
habe gesagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe-
der ausgenommen und geschrieben:
sus, pueri bini, puer uiuis, nupta marituS
cultell * , lympha, fune, dolore cadiint.
Neuerdings har Werner in seinem Trauerspiel
der 24ste Februar die alte Fabel benutzt und damid
die Macht menschlicher Poesie gegen den Teufel
bewährt.
Zum Mäuschen, Vögelchen re. re. No. 2z.
Aus Philanders von Sirrewald Gesichten,
Theil 2. ganz am Ende des siebenten Gesichts. Das
Märchen lebt aber auch noch mündlich fort, doch
mit veränderten Umstanden, namentlich wird es
bloß vom Mäuschen und Bratwürstchen erzählt,
ohne das Vögelchen; das eine muß diese Woche
kochen, das zweite die andere. ^
Zu der Frau Holle. No. 24.
Von diesem Märchen gibt es noch eine andere
Erzählung: Es war einmal eine Frau die bebte
nur ihre rechte, nicht aber ihre SriLftochrer, hielt
diese immer hart und suchte sie tos zu werden.
Eines Tags fetzte sie beide Töchter an einen Brun-
nen, da sollten sie spinnen: „wer mir aber den^
Rocken hinunter fallen laßt, den werf ich hinten.^
drein," sagte sie und band ihrer Tocbrer den Ro-
cken fest, der Stteftochter aber ganz lose Kaum
hat diese ein bischen ^spönnen, fallt thr der Mo-
ken hinab und die Stiefmutter ist unbarmherzig
genug und wirft sie hinterdrein. Sie fällt rief
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hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in
ein Haus, wo niemand ist, in der Küche will die
Suppe überlaufen, will der Braten eben verbren-
nen und der Kuchen im Backofen eben schwarz
werden. Sie setzt die Suppe geschwind ab, gießt
Wasser zum Braten, und nimmt den Kuchen her,
aus und richtet an; so hungrig sie aber ist, nimmt
sie doch nichte davon außer ein paar Krümchen,
die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen sind.
Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren,
die gewiß in einem Jahr nicht gekämmt waren,
und verlangt, sie solle sie kämmen, aber nicht rup-
fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches
sie endlich mit vielem Geschick zu Sr^rde bringt.
Nun sagt die Nixe, sie wolle sie gern bei sich be-
halten, sie könne aber nicht, weit sie die paar Kru-
men gegessen habe; doch schenkt sie ihr einen Ring
und andere Sachen, wenn sie den Nachts drehe,
wolle sie zu ihr kommen. Die andere Tochter soll
nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen
geworfen; sie macht aber alles verkehrt, bezähmt
ihren Hunger nicht, und kommt dafür mit schlechten
Geschenken zurück-
Nach dieser Recension ist das Märchen in der
Naubenischen Sammlung I, 156 — 179. bearbei-
tet und in der Manier der andern, aber recht an-
genehm, erweitert. ^ In der jungen Amerikanerin
oder Verkürzung müßiger Stunden auf dem Meer.
Ulm 1765. Th. K.fist,auch dies Mahrchen benutzt.
Das Murmelthier (Liron), so heißt das Stiefkind,
muß die gröbste Arbeit verrichten, die Schafe hü-
ten, und dabei eine gegebene Zahl gesponnener
Faden mit nach Haus bringen. Das Mädchen
fetzt sich oft an einen Brunnenrand, eines Tages
will es sich das Gesicht waschen und fallt hinein.
Als es wieder zu sich kommt, befindet es sich in
einer Cristallkugel unter den Handen einer schönen
Brunnenfrau, der es die Haare kämmen muß, da-
für bekommt es, ein kostbares Kleid und so oft es
feine Haare schüttelt und sich kämmt, sollen glan-
zende Blumen herausfallen und wenn es in Noch
ist, soll es sich herabstürzen und Hülfe bei ihr fin.
den. Dann giebt fie ihm noch einen Schäferstab,
der die Wölfe und Räuber abwehrt, ein Spinn-
rad und einen Rocken, der allein spinnt, endlich
einen zahmen Biber, zu Mancherlei Diensten ge-
schickt. Als Murmelrhier mit diesen Gaben Abends
heim kommt, soll die andere Lochtet sich gleiche
erwerben, und springt in den Brunnen hinab, sie
geräch aber in Sumpfwasser, und wird wegen ih-
res Trotzes begabt, daß stinkendes Rohr und Schilf
auf ihrem Kopf wachst, und wenn sie eins aus-
reißt, wachst nur noch viel Mehr. Nur Murmel-
thier kann den häßlichen Schmuck auf 24 Stun-
den vertreiben, wenn es sie kämmt, das muß es
nun immer thun. — Hierauf folgt die weitere
Geschichte des Murmelthiers, wozu wieder andere
Märchen benutzt sind, es soll allzeit etwas gefähr-
liches ausrichten, aber durch Hülfe seiner Zauber-
dinge, vollbringt es alles glückliche
Einigt Aehnlichkeit im Ganzen mit diesemMär-
chen Hai auch das erste in der Braunschweiger
Sammlung, und eins im Petnametone.
Zu den drei Raben. No. 25.
$
hierzu vergl. man No. n* und von dem Glas-
berg wird sonst noch so erzählt: es war eine
verzauberte Königstochter, die konnte niemand er-
lösen, als wer den Glasberg erstiegeU harre, wor-
ein sie gebannt war. Da kam ein junger Gesell
ins Wirthshaus, zum Mittagessen wc.rde ihm ein
gekocht Hühnchen vorgesetzt, alle Knöchlein davon
sammelte er sorgfältig, steckte sie ein und ging
nach den Glasberg zu. Wie er dabei angekom-
men war, nahm er ein Knöchlein und steckte es in
den Berg und stieg darauf, und dann als ein
Knöchlein und üls eins, bis er so fast ganz hin-
aufgestiegen war, aber er batte nur noch eine ein-
zige Stufe übrig, da fehlte ihm ein Knöchelchen
vom Hühnchen, worauf er sich den kleinen Finger
abschnitt und in den Glasberg steckte, so kam er
vollends hinauf und erlöste die Prinzessin. — So
erlöst Sivard fiolr Bryniel äf Glarbierget, in-
dem er mit seinem Fohlen hinäufreiret; in einem
dichmarser Lied kommt vor:
XX
so schalst du my de Glasenburg
mir eenen Perd op rieben;
Wolfdiercrich wird in einen Graben gezaubert, da
waren:
vir perg vmb jn geleit
die waren auch glesseine ,
vnd waren Hel und glat,
nach dem Dreedn. Wolfd. str. 289; im gedruckten
heißt es str. 1,71.:
mir glasse was fürware
bürg und grabe überzogen,
es möcht nichts man zum tore
sein in die Burg geflogen.
Dies erinnert an die rabbinifche Mythe vom Scha-
ni mir, womit der Auerhahn das Glas sprengt, das
JbfxiAfl/man ihm über sein Nest gelegt, (s. auch Remfnrd
v. Braunschweig ) König Artus wohnt der der
Fee Morgan aus der Glasinsel, und leicht ist
gar ein Zusammenhang, nicht bloß im Wort, mit
dem nordischen GlasiswoLt, wovon anders-
wo. —
Zu dem ganzen Märchen gehört aus dem Pen-
tamerone hierher IV, 8. iSerre palomniielle, wo
Cianna gleichfalls in der 'Welt herumzieht, üwe
7 Brüder zu erlösen, nebst einer Menge eigenthüm-
licher, schöner Wendungen. Wenn das Schwester,
chen hier an das Welt ende gelangt, so vergt.
man dazu, was zu No. r. aus dem schottischen
bemerkt worden. Auch Fortunatus reist so weit,
bis er«/endlich nicht mehr weiter konnte,
und N^rup S. 2Zi. bemerkt dazu folgende Stelle
au» einem Lied:
gamle Sole ligge der, ^
oq forslidte MaanerS Har,
hvoraf Stjerner klippes.
hierzu ein andere» im Wunderhorn I, 300. sonst
auch von hohen Bergen, die bis an den Mond
reichen, im Titurel einmal:
swer gar der erde ende
so tiefe sich geneiget,
der v in der sunder wende,
daz er antarcricum wol vingerzeiget.
Doß in seiner Abhandlung über die alte Weltlun-
de giebt folgende Fragmente: „die Spinnmadchen
erzählen von einem jungen Schneidersgesel-
len, der auf der Wanderschaft immer weiter und
weiter ging, und nach mancherlei Abenteuern mit
Greifen, verwünschten Prinzessinnen, zaubernden
Zwergen und grimmigen bergeschaufelnden Riesen
zuletzt das Ende der Welt erreichte. Er fand sie
nicht, wie die gewöhnliche Meinung ist, mit Bret-
tern vernagelt, durch deren Fugen man die heit.
Engel mit Werterbrauen, Bliyfchmieden, Verar-
beitung des alten Sonnenscheins zu neuem Mond-
lichte und des verbrauchten Mond- und Sternen-
schein» zu Nordlichtern, Regenbogen und Hellen
Dämmerungen der Sommernächte beschäftigt sieht.
Nein, das blaue Himmelsgewölbe senkte sich auf
die Flache des Erdbodens wie ein Backofen. Der
Mond wollte eben am Rande der hohlen Decke
aufgehn, und der Schneider ließ sich gelüsten, ihn
mit dem Zeigefinger zu berühren. Aber es
zischte, und Haut und Fleisch wa< bis an den Na-
gel hinweggefengt " — Ein TheU der Fabel erin-
nert auch an oas Alrdan. Lied von Verner Ravn,
der von der Stiefmutter verflucht war, und dem
die Schwester ihr kleines Kind giebt, durch dessen
Auge^ und Herzblut er seine menschliche Gestalt
wieder erlangte.
öroKuj* ji
st
Hieran schließen wir noch eine märchenhafte An*1
Erzählung vom Mond an, die in Menanders Frag-
menten oder in Plutarchs kleinen Abhandlungen '/>*'* P
erhalten ist, wozu man gleichfalls eine äsopische k+ux
Fabel (edid.Furia 396.) vergleiche. — Der Mond // '
sprach einmal zu seiner Mutter: „die Nächte sind *t+p***n* <>*rj •
so kalt, ich friere, mach mir doch ein warmes '
Kleid!" Sie nahm das Maaß, und er lief fort,
yue er aber wieder kam, war er so groß gewor-
den, daß das Röcklein nirgends paffen wollte. Da
fing die Mutter an, und trennte die Nahte und
ließ aus, allein die Zeit wahrte dem Mond zu
lange, und er ging wieder fort seines Weges.
Emsig nähre die Mutter am Kleid, und saß man-
che Nacht auf beim Srernenschein. Der Mond
kam zurück, und hatte viel gelaufen, und harre
XXIX
darum viel abgenommen, war schmächtig und
bleich geworden, das Kleid war ihm also viel zu
weit, und die Ermel schlotterten über die Knie.
Da war di? Mutter bös, daß er sie so zum Nar,
ren habe, und verbot ihm, je wieder ins Haus zn
kommen. Deswegen muß nun der arme Schelm
nackt und bloß am Himmel laufen, bis daß jemand
kommt und ihm ein Röcklein kauft.
Zum Rotkäppchen, No. 26,
Dieses Märchen haben wir außer unserer münd-
lichen Sage, was zu wundern ist, nirgends ange-
troffen, als bei Perrault (obaperon rou^e) wonach
Tiecks Bearbeitung.
Der Tod und der Gänshirt. Ny. 27.
Aus Harsdörfer, der große Schauplatz jäm-
merlicher Mordgeschichten. Hamburg »663. Seite
651. 652.
Zu dem singenden Knochen, No, 28.
In einem altschottischen Lied kommt dieselbe
Idee vor; aus dem Brustbein der ersäuften Schwe-
ster macht ein Harfner eine Harfe, die spielt dar-
auf von selbst, und ruft weh über ihre Schwester.
(Lootts mivstrels^ JI, 157—162.)
Zu dem Teufel mit den. drei goldenen Haaren.
No. 29.
Ein ähnliches Märchen theilt Herr Büfching in
seiner Sagensammlung No. 59. mit, ebenfalls wie
er versichert, aus mündlicher Ueberlieferung. Es
leidet aber keinen Zweifel, daß es, wie es dort er-
scheint, vorsätzlich erweitert und vermuthlich nach
einem französ. Buch erzählt worden- Der Paste-
tenbäcker, der für Deutsche nirgends eine märchen-
hafte Person ist, noch ganz französ. Wendungen
in der Sprache, vor allem aber die verwickelten
und angehäuften Bedingungen bei Auflösung des
Zaubers, die ganz unepifch sind, machen dies klar-
XXIII
Was wir hier nach mündlicher Erzählung mitthei-
len, ist reiner, wiewohl immer noch etwas fremd-
artiges in dem Ganzen durchblickt. — Eine abwei-
chende Recension ist No. 75. vom Vogel Phönix.
Zum Mädchen ohne Hände. No. 31.
mit andern Umstanden, doch nicht so schön, im >
Pentamerone III, 2. (la penta mano mozza). Un-
ser Märchen ist die volksmäßige Quelle, woraus
die im Mittelalter so bekannten Fabeln von der
schönen Helena,sMai und Beaflor u. a emsprun,
gen sind. Eine weitere Ausführung dieses Zusam-
menhangs müßte bei der Ausgabe eines der bei-
den letztgenannten Gedichte gegeben werden. Der
unserer Erzählung eigenthümliche Umstand mit dem
Versprechen dessen, was hinter der Mühle stand,
erinnert an die altnordische Alfskongs Sage cap 1.
wo Hott fodert, von der schwängern Signy, das
was zwrfcken ihr und dem Bierfaß sey. In däni-
schen Volksliedern ähnliche Versprechungen.
Zum gescheidten Hans. No. 32.
Die zweite Erzählung ist aus Frei's Garten-
gesellschaft. cap. 1. In Kirchhofs Wendunmurh
I, No Li. steht sie ebenfalls nur mit andern Wor-
ten. Im Penramerone I- 4 (Vsräiello) die näm-
liche Idee, mit schönen Varianten. — Die ver-
schiedenen Thaten Hansens in der ersten Erzäh-
lung werden bald mehr, bald weniger vollständig,
oder in anderer Ordnung und Wendung gehört,
so erzählt man von einer Ziege, die er ins Bett
legt rc. Vergl. auch facet. Bebel. Amsterd. 1651.
Wahrscheinlich bezieht sich auf dieses Märchen
die Erwähnung des Rollenhagen in der Vorrede
zum Froschmeufler: „vom albern und faulen Hein-
sen."
Zum gestiefelten Kater. No. 33.
Dies Märchen gehört unter die bekanntesten
und verbreitetsten. Perrault hat es in s. ehat
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hotte gut erzählt, aber Bastle mir vielen Abwei-
chunqen aus der italienischen Sage, Pentam. I?,
4, Oit^Uuso) wo nur zw i Söhne sind. Der äl-
teste, aber nicht beste Erzähler ist Siraparola I>l.
IX 1. von Constanrino. Man hat auch deutsche
gedruckte Ueberscßungen nach Gekrault, wo nur
der Graf Carabas in einen Sabarak umgedreht
ist. Tick har es dramarrzch bearbeitet.
Zu Sperling und seine vier Kinder.
No. 55,
Aus Schuppn Schriften. (Fabul Hans, ©\
Ö37* 38-) /Uhl jyy\ *¥/v/i»u^ivWtv wvV
V— <#6 •1. , ^
0 Zum Tischchen deck dich. No. 36.
Bei diesem und dem folgenden Märchen erin-
nert man sich an eine große Menge ähnlicher My-
then von wunderbaren Sachen, deren inne-
rer Zusammenhang eine umständliche Untersuchung
verlangen würde. Mit dem Hauprgang der unsri,
l^Len har sonderlich das erste Märchen im Penta-
mcroue eine sichtbare Aehnlichkeit.
Zu der Serviette, dem Kanonenhütlein und
dem Horn. No. 37.
Der Schluß hat eine deutliche Uebereinstim-
mung mit dem Fortunat.. — Ein dänisches Volks-
bkatt aus Kopenhagen: Lykkens flyvenU Fane,
Historie om tre sättige Skrastdere, der Ped Pille-
grimvrejse kom ril stör Vaerdighed og Velstand;
erzählt das Märchen folgendergestalt: drei arme
Schneider, die am Handwerk nicht viel verdienen,
nehmen Abschied von Weib und Kind, wollen in
die Welt ziehen und ihr Glück versuchen Sie
kommen in eine Wüste zu einem Berg, wo ein
tauberer wohnt, der Berg steht Sommer und
Zrmer grün, voll Blumen und Früchten und um
Mittag und Mitternacht wird alles zu dem fein-
sten Silber. Der älteste füllt sich seinen Bündel,
und alle Laschen mit den schönsten Silber-Blumen
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(Ägr/wltr9<YKMuJyf^ (MjJo y
unb Früchten, geht nach Haus, wirft Nadel und
Bügeleisen unter den Tisch, und wird ein reicher
Handelsmann. Die zwei andern denken zu dem
Berg können wir wieder, wenn wir wollen, zu-
rückgehen, wir wollen unser Glück weiter versu-
chen und wandern fort Sie kommen zu einer
großen Ersenpfone, die gehr von selbst auf, nach-
dem sie dreimal daran geklopkt. Sie treten in ei-
nen Garren, da hangen' die Bäume voll Goldapfel.
Der zweite Schneider bricht sich so viel ab, als
sein Rücken tragen kann, nimmt Abschied und geht
heim. Dort begiebt er sich auch zum Handel.'und
wird ein noch größerer Kaufmann, als der erste,
so daß man glaubt, der reiche Jude zu Hamburg
stamme von ihm ab. Der dritte aber meint, der
Garten mit den Goldapfeln bleibt mir sicher, ich
will noch weiter rigch meinem Glück gehen; er
irrt in der Wüstenei umher, und als er den Gar,
ten und den Silberbcrg wieder sucht, kann er ihn
nicht finden. Endlich kommt er zu einer großen
Anhöhe, und höre auf einer Pfeife blasen, er geht
naher und findet eine alte Hexe, die pfeift vor ei-
ner Heerde Ganse, die bei dem Ton mit den Flügeln
schlugen, und auf der Alten auf und nieder ranz-
ten. Sie hatte sich schon 9$ Jahre auf der Höhe
mir dem Tod herumgezerrt, und konnte nicht ster-
ben, bis die Ganse sie todt getreten, oder ein
Christ kam, der sie mit Waffen todt schlug. So-
bald sie seine Schritte hört, und er so nah ist,
daß siechn sieht, bittet sie ihn, wenn er ein Christ
sey, möge er sie mit der Keule, die an ihrer Sei-
te da stehe, todtschlagen. Der Schneider will nicht,
bis sie ihm sagt , er werde unter ihrem Haupt ein
Tuch finden, welches, wie er^es wünsche, auf ein
paar Worte, voll der köstliches Speisen stehe; da
giebt er ihr einen Schlag auf den Hirnschadel,
sucht und findet das Tuch,' packt es gleich in sei-
nen Bündel, und macht sich auf den Heimweg.
Ein Reuter begegnet ihm und bitter ihn um ein
Stück Brot, der Schneider sagt: ,,liefere mir dei-
ne Waffen aus, so will ich mit dir theilen," der
Reurer, der doch Pulver und Blei im Krieg ver-
schossen, thut das gern, der Schneider breiter sein
XXVI —
Tuch aus, und tractirt den hungrigen Kriegs-
mann. Diesem gefalle das Tuch, und er bietet
dem Schneider dafür seine wunderbare Patronta-
sche zum Tausch, wenn man auf die et&e Seite
klopft, kommen hunderttausend Mann zu Fuß und
Pferd heraus, klopft man auf die andere, aller Art
Musikanten, Der Schneider willigt ein, aber nach-
dem er die Patrontasche hat, beordert er zehn
Mann zu Pferd, die muffen dem Reuter nachja-
gen und ihm das Luch wieder abnehmen- Der
Schneider kommt nun nach Haus; seine Frau
wundert sich, daß er so wenig auf der Wander-
schaft gewonnen. Er geht zu seinen ehemaligen
Cammeraden, die unterstützen ihn reichlich, daß er
eine Zeitlang davon mit Frau und Rind leben
könne. Er aber ladet sie darauf zum Mittags-
essen, sie mögren nicht stolz seyn, und ihn nicht
verschmähen, sie machen ihm Vorwürfe, daß er al-
les auf einmal verfchlemmen wolle, doch verspre-
chen sie zu kommen. Wie sie sich zur bestimmten
Zeit einfinden, ist nur die Frau zu Haus, dre gar
nichts von den Gasten weiß und fürchtet, rhr
Mann sey im Kopf verwirrt. Endlich kommt der
Schneider auch, ßeifit Die Frau die Stube eilig
rein machen, grüßt seine Gaste und entschuldigt
sich, sie hätten es zu Haus besser, er habe nur se-
hen wollen, ob sie nicht stolz durch ihren Reich-
thum geworden. Sie setzen sich zu Tisch, aber es
kommt keine Schüssel zum Vorschein, da breitet
der Schneider sein Tuch aus, spricht seine Worte,
und im Augenblick steht alles voll der kostbarsten
Speisen, Ha.' ha! denken die andern, ists so ge-
meint, du bist nicht so lahm, als du hinkst, und
versichern ihm Liebe und Brüderschaft bis in den
Tod. Der Wirth sagt, das sey gar *nicht nöthig
zu versichern, dabei schlagt er der Patronrasche
aus eine Seite, alsbald kommen Spielleute und
machen Musik, daß es eine Art hat. Dann klopft
er auf die andere Seite, kommandirt Artillerie und
hunderttausend Soldaten, die werfen einen Wall
auf und fuhren Geschütz darauf, und so oft die
drei Schneider trinken, feuern die Konstabeler ab.
Der Fürst wohnte 4 Meilen davon und höre den
— XXVII
Donner, also meint er die Feinde wären gekom-
men, und schickt einen Trompeter ab, der bringt
die Nachricht zurück, ein Schneider feiere seinen
Geburtstag, und mache sich luftig mir feinen gu-
ten Freunden. Der Fürst fährt selbst hinaus, der
Schneider tractirt ihn auf seinem Tuch; dem Fürst
gefallt das, und er bietet dem Schneider Lände-
reien und reichliches Auskommen dafür, der will
aber nicht, fein Tuch ist ihm lieber, da hat er kei-
ne Sorge, Müh und Verdruß. Der Fürst faßt
sich kurz, nimmt, das Tuch mit Gewalt und fahrt
fort. Der Schneider hangt aber seine Patronta-
sche um und geht damit an des Fürsten Hof, und
bittet um sein Tuch, bekommt aber einen Buckel
voll Schlage, Da lauft er auf den Wall des
Schroffes, laßt zwanzrglaufend Mann aufmarschi-
ren, die müssen ihre Stücke gegen das Schloß
richten, und drauf los feuern. Da läßt der Fürst
das Tuch herausbringen und demüthig bitten mit
dem Feuer einzuhalten. Der Schneider laßt nun
feine Mannschaft wieder ins Quartier rücken, geht
heim und lebt vergnügt mit den zwei andern
Schneidern,
Zur Frau Füchsin, No. 38,
Dies gewiß uralte Märchen, dessen überaus
wichtiger Zusammenhang mit dem altfranzösischen,
nie gedruckten, roman du renard in unserer be-
vorstehenden Ausgabe dieses Gedichts abgehandelt
werben soll, ist uns so vielmal erzählt worden,
daß jede Recension ihre Eigenthümlichkeit hat.
Die zwei bedeutendsten Recensionen, wovon die
letzte sich noch fast ganz in Reimen erhalten, ha-
ben wir mitgetheilt, die meisten Abweichungen
laufen dahin aus, daß der alte Fuchs wirklich,
oder nur fcheinrodr (wie im altfranzös, Lied) ist^
und daß entweder bloß Füchse, oder auch andere
Threre Freiene vorgeben. Im letzten Fall find
die Fragen der Füchsin oft genauer wie sieht er
denn aus, hat er auch ein roth Käppchen auf?
„ach nein, ein weiß Kaopchen" (der Wolf) —
hat er denn ein roth Eamisölchen an? — „nein,
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ein gelbes" (der Löwe), die Anrede der Katze im
Eingang.-
Frau Kitze, Frau Katze,
schön Feuerckren halse,
schön Fleischchen bratfe;
was macht die Frau Fuchs.
Auch: was macht sie da, mein Kätzchen?
„sitze da, warme mir das Lätzchen.
Nachher: da lief das kleine Katzelein,
mit seinem krummen Schwanzelein,
die Treppe hoch hinauf.
/,Frau Füchsin, ist sich drunren ein schö-
nes Thier.
gestaltet wie ein schöner Hirsch vor mir."
Ach nein, sagt Frau Fuchsin, und halt dem alren
Herrn einen Lobspruch, worin sie seine mancherlei
Tugenden erwähnt. Nach dem die verschiedenen
Threre sind, wird immer etwas anderes vom Fuchs
*U>M. S°l°b.-
Zum Herrn Gevatter. No. 42.
/ Jj./jf*, • l/t/TV X T*
uaMltyfrfrvKl Dieses und ^as folgendeMarchen haben in der
kvfa SodiivH Hauptsache, große Ähnlichkeit. Der Umstand
J n L u^i den Hexenhörnern leitet auch ein anderes Märchens»u%
n. folgendergestalt ein: eine Hexe hatte ein junges § sfr
%f$fr , Mädchen bei sich, und vertraute ihm alle Schlüssel
verbot ihm jedoch eine Stube wie im Blau- t i
A. ^r/^-bart) Allein aus Neugier machte es eines Tags
dsLi die Thüre auf, da sah es die Hexe sitzen, mit zwei *. W.
3 f.w'ltCl großen, großen Hörnern auf dem Kopf. Die Hexe
toUtAHf-ty &TU&Hn>trD wüthend und schließt es in einen hohen, ho-
\* 'fall* "**1 "1^ hen Thurm gefangen ein, woran keine Thüre war, T)
x'Vrf* ^ wenn sie ihm nun zu Essen bringt, fo muß es fei*
tä te *4 langen Haare aus dem Fenster herunterlassen,
(L+. fr* ^woran die Hexe hinaufsteigt, denn die Haare wa-
—4 ^ /v - (so geht es in das Rapanzel-
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Uis***/*^ . ------ '
fr ren 20 Ellen lang,
rty Xu ti*frk* A Märchen über.)
ydfr» > Zu dem Schneider Daumerling. No. 45.
Verwandt scheint damit ein dänisches kleines
, Volksbuch, welches Nyerup, Iris und Hebe 1796.
frrZ 'tW/L , Juli S. 88 anführt, der Titel lautet:
djLt ü+ <W4+fru A frjjfl* ^ Ä tut TasufruJ fr?m*^iru.^frn
ä A OtJ dä }u+<y/uuft itntu rurfitt »J> tfrxfr) A
'fouXfruy Jut A ■ 'Äfr* frt&*
» > . - / . /!>»... . Ja {**fr/ *'
,tHL4 um i ----- . J
xt (U ufr\> <UU4 Ll^ U^rUi-l *€'VU'f_ / £a . fr fr/t/T, 5C
^ kJfrf-Xl** dtfrS. »Ln&utdn X*> -
XrZtcu ,M£
^ •kXnt , uu,U^^rX / /- *lX/1 if*U Ktk***^
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SU. -W frXfrfr — XXIX
Sverch Tommling rc^ (ein Mensch nicht größer
t/r*u
als ein Daumen, der sich verheirathen will mit rXZafcj
ner Frau drei Ehlen und drei Quartier
kommt auf die Welt mir Hut und Degen an der
Seite; treibt den Pflug, wird von einem i
sitzer gefangen, der ihn in seiner SchupftabackS-
dose verwahrt, er hüpft heraus und fallt auf ein
Ferkel, und das wird sein Reitpferd.J?Zdrw*,Ap
< ;v;«gum Machandelboom.
fr
Machandel ist Wachholder (n»n-l locanoe^-,'
Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die- U nw I/Xomaa -
ses wunderschöne Märchen ist uns von ^ungeW^olfÄ ,
mitgetheilt worden. Die Geschichte wird auch ü*7^—r t fr Vr
hiesigen Gegenden häufig, selten aber so vollstan, 'h,MAr .
dig erzählt, so daß sich etwa nur noch hinzuse- *wn/ viVnA, U> -
tzen ließe, daß das Schwesterchen die Knochen an ^ '
(Hebt Mandel),
einem rothseidenen Faden zusammenreiht. Der
fl/u, t
$frwJojöbJ'M/ %nk^
JotöwH jJuuup^tuX
Ä. f awl'MMA/ y ^
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225, wozu
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Verü lautet:
meine Mutter kocht mich,
mein Vater aß mich,
Schwesterchen unterm Tische saß,
die Knöchlein all all auflas,
warf sie übern Birnbaum hinaus,
da ward ein Vögelein draus,
das singet Tag und Nacht.
Zn einer Stelle von Göthes Faust S. —
unser Märchen den Commeniar tiefen, und t>ie der
Dichter unstreitig aus altem Hörensagen aufnahm,
lautet es so: //olk. nnwti&vpt
meine Mutter die Hur, du LTfrfrJfrjtf ,i.
die mich umgebracht hat, frLdfr^vl) /;A U h
mein Barer der Schelm, K™
der mich geffen hat, fMö^y^a veste, % 1% tnJipi -
mein Schwestertein klein „ ^n., i<0t. /’• - / .
hub auf die Bein, h)eM P**3 IWi
an einem kühlen Ort,
da ward ich ein schöne« Waldvögelein, r/«\,Qn~. ■>.
fliege fort, fliege fort! ccjlhcIv* v .
Die böse Stiefmutter, wovon ein alter U VQM .
Sprichwort (Stiefmutter, Teufel- Umetfutter) ver- J ^
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Jkyf WX +* xti. fij * tf7A. Aufartest MVVJ,.
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weist an gar viel andere Mährchen, der Eingang
vom in Fingerschneiden an Sneewittchen, und
/ • / an eine merkwürdige Stelle im altdeutschen Ge-
1] dicht Parcifat, worüber mit Zuziehung vieler an-
ISj, j ) derer Parallelsagen nächstens ein umständlicher
PT r Commentar gegeben werden soll. — Das Sam-
^ mein der zerstreuten Knochen ist in den My-
/ / >ihen von Osiris, Orpheus, und der Legende von
\ I *7 CII VUit A/|H IO , *m/l f't/VMV , 14 AI V W» «v»v„. , . . ..
-^ "/Adalbert.-' Das Wiederbeleben in vielen am
<wy. /tzern, z. B der Negersage von Nanni, den seine
Mutter lehrt, das Fleisch eines jungen Huhns zu
I essen und bie Federn und Beine wieder zusammen
( |u setzen. So sammelt Thor die Knochen der ge-
<gessenen Ziegen und belebt sie rüttelnd, (s. auch
von Arnliot in der Heimskringla und manche an-
dere Sage, die hier anzuführen zu umständlich wäre.
Zum alten Sultan. No. 48.
Das eigentliche Verhältniß dieses und aller an-
dern Märchen der vorliegenden Sammlung, worin
Thiere auftreten, zur großen Thierfabet überhaupt/
soll anderswo genau untersucht werden.
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Zu Len sechs Schwänen. No. 49.
in der braunfchweiger Sammlung S. 349 — 379.
von sieben Schwänen, in schlechter Wenläufrig-
keit erzählt, aber mit einigen guten Varianten;
sie soll sieben Jahr stumm seyn, in jedem Jahr
ein Mannshemd fertig nähen/ und keine Thränen
die ganze Zeit über weinen. Allein beim dritten
Kind, das ihr weggenommen wird, vergießt ste
eine Thräne, und ber der Erlösung fehlt dem letz-
ten Bruder ein Aug. — Dieses schöne Märchen
deutet überall auf ein hohes Alterthum, das im
hohlen Baum-sitzen des stummen Mädchens auch
in No Z. Die sieben fettigen Menschenhemder
scheinen mit den sieben Schnianenhemdern zusam-
men zu hängen, über diese werden wir bei der
Vvlundarquida ausführlich seyn. Die Sage von
dem Schwanenschiss auf dem Rhein (Parcifat,
Loherangrin) in Verbindung mit dem alrfranzös.
*Cx.x uj.
Chevalier au eigne schließt sich wiederum an, und
auch hier bleibt" der letzte Schwan unerlöst, weil
das Gold von seinen Schwanenrrng schon verar-
beitet war.
Zu Dornröschen. No. 50. &
PerraultS belle au bois dormant, mit unserm w ^ Ay flwflf
Märchen No. 82 verbunden. Die Jungfrau, die
im Schloß mit Dornenwall umgeben schläft, bis^-^«,^ wtkuj
sie der Königssohn erlöst, ist mu der schlafenden^..
Brynhild, die ein Flammenwall umgiebt, durch
den Sigurd dringt, insofern identisch.-— Man
bat eine Blume, die Gretel im Busch heißt, weil 0
sie ganz von feinem, krausem Laub eingehüllt ist,
auch Gretel in der Staude, schweb. Jungfru i det Aw
gröna, engt. tlie devil in a bush. (Apigella da- TV ivw \
mascena). — Der Eingang mit der gefährlichen
Spindel ist wie im Pernameron III, 3. mit einem
gefährlichen Knochen. , , , w
haMM.(U(r*U P'J+s ifo>rtwrf vwpvnü Jhu/v7 YVirrt’M*^ cxxm <xaAma
v Zum Fundevogel. No. ZI. J .
Die Köchin ist wohl anderwärts die böse Frau
des Försters. Die Fragen und Antworten an die
Knechte, werden auch anders gestellt, z. B. ihr
hättet die Rose nur sotten abbrechen, der Stock
wäre schon nachgekommen. Dieser Theil des Mär-
chens hat mit einem der folgenden (No. 70) große
Aehnlichkeir.
Zum König Drosselbart. No. 52.
sonst auch Br K setbart,^ weit die Brotbröseln
vom Essen in seinem Bart hängen blieben Auch
macht die Königstochter bekannt: sie wolle dem
ihre Hand allein geben, der rathen könne, von
welchem Thier und welcher Gattung eine ohne
Kopf und Füße ausgespannte Haut wäre. Sie
war aber von einer Wölfin. Bröselbart aber er-
fährt das Geheimniß, räth mit Fleiß fehl nnd
kommt dann verkleidet als Bettler wieder, um
recht zu rathen. — Im Pentamerone IV. 10. la
perbia castecata, wo vieles anders ist.
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XXXIX —
Zu Sneewittchen. No. 55.
Dies Märchen gehört zu den bekanntesten,
doch wird in Gegenden, wo bestimmt hochdeutsch
herrscht, der plattdeutsche Namen beibehalten,
oder auch verdorben in Schltwitchen. Im Ein,
gang fallt es mit dem Märchen vom Machandel-
baum zusammen, noch naher in einer andern Re-
cension, wo sich die Königin, indem sie mit dem
König auf einem Jagdschlitten fahrt, einen Apfel
schält und dabei in den Finger schneidet. Noch
ein anderer Eingang ist folgender; Ein Graf und
eine Gräfin fuhren an drei Haufen weißem Schnee
vorbei, da sagte der Graf: „ich wünsche mir ein
Mädchen, so weiß als dieser Schnee. " Bald
darauf kamen sie an drei Gruben rothes Bluts,
da sprach er wieder: „ich wünsche mir ein Mäd-
chen, so roth an den Wangen, wie dies Blur."
Endlich flogen drei schwarze Raben vorüber, da
wünschte er sich ein Mädchen; „das Haare hat so
schwarz, wie diese Raben." Als sie noch eine
Weile gefahren, begegnete ihnen ein Mädchen, so
weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so
schwarzhaarig, wie die Raben und das war das
Sneewittchen. Der Graf ließ es gleich in die
Kutsche sitzen und hatte es lieb, die Gräfin aber
sah es nicht gern und dachte nur, wie sie es wie-
der los werden könme Endlich ließ sie ihren
Handschuh hinausfallen, und befahl dem Snee-
wittchen ihn wieder zu suchen, in der Zeit aber
mußte der Kutscher geschwind fortfahren; nun ist
Sneewittchen allein und kommt zu den Zwergen
u. s. w. In einer andern Erzählung rst das
bloß abweichend, daß die Königin mir dem Snee-
wittchen in den Wald fährt, und es bittet ihm
von den schönen Rosen, die da stehen, einen
Strauß abzubrechen, wahrend es bricht, fährt sie
fort und läßt es allein. Endlich kennen wir noch
eine dritte Recension: Ein König verliert seine
|f Gemahlin, mit der er eine einzige Tochter Snee-
I wittchen hat und nimmt eine andere, mit der er
// drei Töchter bekommt. Diese haßt das Stiefkind,
I auch wegen seiner wunderbaren Schönheit, und
-- XXXIII —
unterdrückt es, wo sie kann. Im Wald in einer
Höhle wohnen sieben Zwerge, die tödten jedes
Mädchen, das sich ihnen naht. Das weiß die Kö-
nigin, und weil sie Sneewittchen nicht geradezu
tödten will, hofft sie es dadurch los zu werden,
daß sie es hinaus vor die Höhle führt und zu
ihm jagt;-„geh da hinein und wart bis ich wie-
der komme. Dann geht sie fort, Sneewittchen
aber getrost in die Höhle. Die Zwerge kommen
und wollen es anfangs todten, weil es aber so
schön ist, lassen sie es leben und sagen, es solle
ihnen dafür den Haushalt führen. Sneewittchen
halte aber einen Hund, der hieß Spiegel, wie es
nun fort ist, liegt der traurig im Schloß, die Kö-
nigin fragt ihn:
„Spiegel unter der Bank,
sieh in dieses Land, sieh in jenes Land:
wer ist die schönste in Engelland
Der Hund antwortet: „Sneewittchen ist schöner
bei seinen sieben Zwergen, als die Frau Königin
mit ihren drei Töchtern." Da steht sie, daß es
noch lebt und macht einen giftigen Schnürriemen.
Damit geht sie zur Höhle, ruft Sneewittchen, es
solle ihr aufmachen. Sneewittchen will nicht,
weit die sieben Zwerge ihm streng verboten, kei-
nen Menschen hereinzulassen, auch feine Stiefmut-
ter nicht, die es habe verderben wollen. Sie sagt
aber zu Sneewittchen, sie habe keine Töchter mehr,
ein Ritter habe sie ihr entführt, da wolle sie bei
ihm leben und cs putzen. Sneewittchen wird mitlei-
dig und läßt sie herein, da schnürt sie es mit dem
giftigen Schnürriemen, daß es todt zur Erde fällt,
und geht fort. Die sieben Zwerge aber kommen,
nehmen ein Messer und schneiden den Schnürrie-
men entzwei, da ist es wieder lebendig. Die Kö-
nigin fragt nun den Spiegel unter der Bank, der
giebt ihr dieselbe Antwort. Da macht sie ein gifti-
ges Kopfband, gehl mit dem hinaus und redet zu
Sneewittchen so beweglich, daß cs sie noch einmal
einläßt; sie bindet ihm das Kopfband um, und es
fällt todt nieder. Aber die sieben Zwerge fehen>
was geschehen ist, schneiden das Kopfband ab und
es hat das Leben wieder. Zum drittenmal fragt
Kindermärchen - C
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aber du mußt mir dein erstes ^ .
Auch wird das MännchenXwtf&fQlu, y**^*
Magd der Königin geht ^amO)fi-rf *n>n
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und dich heirathen,
Kind versprechen rc
anders entdeckt. Eine
Nachts hinaus in den Wald, da sieht sie es auf ei-
nem Kochlöffel um ein groß Feuer herum reiten rc.
Zuletzt fliegt auch das Männchen auf dem Koch-
löffel zum Fenster hinaus.
In vielen deutschen Märchen kommen Müller
und Müllerstöchter vor (s. No. 31.), daS gegen-
wärtige erinnert aber ganz sonderlich an die nor-
dischen Fenia und Menia, die alles, was man ha-
ben wollte, mahlen konnten, und die der König
Frode Frieden und Gold mahlen ließ. - Das Ab-
fodern der Kinder greift in sehr viele Mythen ein.
Zu dem Liebsten Roland. No. 56. ly^'nzjc.
Nach einer andern Erzählung, stecken die zwei
bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der
eben auf dem Hefrd lregt und backen soll, als die
Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant-
wortet Oie Bohne für Diese auf jede Frage, und
sagt sie sey in der Küche und koche; so lange aber
nur, als der Kuchen noch backt, als er gar ist,
schweigt sie still, da ist ihre Kraft vorbei, und
über das Stillschweigen wird die Mutter aufmerk-
sam, und findet dann ihre todte Tochter.
In den Zaubereien bei der Flucht vor der
Stiefmutter^ kommt dies Märchen mit dem vom
Fundevoget und Okerlo zusammen; die letzte Ver-
wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in
einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be-
kannte Fabliau, welches Hans ^chs auch drama-
tisch behandelt ha*> wo sich ein Verunheilter auf
diese Art vom Tod rettet.
Zum golduen Vogel. No. 57.
No. 64,1. von der weißen Taube hat denselben
Eingang, doch wird es auch sehr häufig und wie
es scheint, wo nicht bester, doch älter mit folgen-
dem erzählt: ein König war krank, oder nach an-
dern blind geworden, und Nichtsein der Welt ver-
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Qi’+Qtcuf
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— XXXVI —
mochte ihn zu heilen, bis er einstmals hörte (oder
es ihm träumte), daß weit davon der Vogel Phö-
nix wäre, durch dessen Pfeifen (oder Gesang) er
allein genesen könne. Nun machen sich die Söh-
ne nach einander auf, und nur in der Menge der
verschiedenen Aufgaben, die der dritte Sohn zu
bestehen har,-welchen die verschiedenen Recensio-
nen ab. Das norhwendige Pfeifen des Phönix
ist hier allerdings besser begründet. Einmal wird
auch erzadlt, daß der Fuchs, nachdem er den
Schuß zuletzt empfangen, ganz verschwindet und
nicht zu einem Menschen wird. Das Sturzen in
den Brunnen (wofür auch ein Steinbruch vor-
kommt) ist ryit der Sage von Joseph, der ja auch
sonst selbst der Phönix, (d. h. der Goldvogel) ist,
die Befreiung daraus durch den Fuchs mit der
von Aristomenes (nach Pausanias), von Sindbad
(nach 1001 Nacht), und Gog und Magog (nach
Monrevilla) merkwürdig verwandt. —
In den Kindermärchen aus mündlichen Erzäh-
lungen gesammelt, Erfurt bei Keyser ,787. wird
unser Märchen S. 94-150. in falschem Ton er-
zählt; im Norden ist eö aber schon früh bekannt
gewesen, und ohne Zweifel auch in andern Thei-
len Europas.
Peringskiold in seinem für Hickes gemachten
Caralog p. 515. führt die Saga af Arrus Fa-
gra an, und beschreibt ihren Inhalt folgender-
maßen: bist, äs tribus fratribus Carolo, Vil-
liialmo atque Arturo, cogn. fägra, regis angliae
jßliis, qui ad inquirendum Phönicem, ut ea cu-
raretur morbus immedicabilis patris illorum, in
nltimas usque Indiae oras missi sunt. (Viel-
leicht ist auch in einem angelsachs. Codex, den
Wanley p. 281. angiebt: Liber VJ. septem con-
stans capitulis, descriptionem tractat feliciisi-
mae cujusdam regionis orientalis et de Phöni-
ce, quae ibi invenitur, etwas davon berührt).
Eine spatere dänische Bearbeitung in sechszeiligen
Strophen ist zum Volksbuch geworden, aber ohne
poetischen Werth. Nyerup handelt davon unter
Rum. 15. Von dem daselbst angeführten Titel
rst eine vor uns liegende Ausgabe etwas abwei-
— XXXVII —
chend, und der Uebersetzung aus dem Holländi-
schen, die wohl nur ein Vorgeben ist, wird micht
gedacht*. (En meget markvardig Historie om Hong
Edvard af Engelland, der faldt i en svar Syg-
bom, rnen helbrededes ved en viis Qvindes Raad,
og det .cne ved Hans yngste Söus PrinS Aru
(Arri) Omhed og Mod, der havde sin Fader saa
kjer, at Han foretog en Rejse til Dronningen af
Arabien, tilvendte sig ved List hendes Klcnodier,
bortförde DronningenS dyrebare Fugl Phönix, og
sik til Slutning . . . Dronningen selv tilagte.)
Die Söhne heißen auch hier Carl, Wilhelm und
Anus, vom hülfreicken Fuchs kommt nichts vor,
und fast in altem ist die deutsche Volkserzahlung
weit vorzüglicher.
Zu dem treuen Gevatter Sperling. No. 56.
Ueber den Zusammenhang dieses Märchens mit
dem Gedicht von Reinhart Fuchs. S. Schlegels
deutsches Mnseum 1812. Maiheft.
Zu Prinz Schwan. No. 59.
Aehnlich damit das Märchen von den drei
Gürteln in der Vraunschw. Sammt. S. 122—150.
Die Königin erhalt von einer Fee, der sie als ei-
ner alten bösen Hexe unermüdlich Beistand gelei-
stet, drei Gürtel, so lang die nicht entzwei gin-
gen, könne sie an die Liebe und Treue ihres ab-
wesenden Gemahls glauben. Als zwei davon ge-
platzt sind, verkleidet sie sich in eine Pilgerin und
zieht ihm nach. In einem großen Wald, durch
den sie geht, fallen ihr nach einander drei goldne
Nüsse vor die Füße, die sie aufhebt und mitnimmt.
Sie kommt zu einem Müller, der sie für seine
Base ausgeben will, und ihr eineg andern Na-
men giebt. Hier findet sie der König, und ohne
sie wiederzuerkennen, verliebt er sich m sie. Sie
zeigt sich ihm geneigt, wie er sie aber umarmen
will, platzt der dritte Gürtel, sie erschrickt und
bittet ihn die Hausthüre zuzumachen, deren Schla-
gen sie nicht hören könne. Wie er aber eine zu-
'— XXXVIII —
macht, springt eine andere wieder auf und so fort,
daß er die ganze Nacht nichts zu thun har, als
Thüren zuzumachen. Der König ist dadurch ge-
kränkt, kommt nicht wieder, und will sich mit der
Prinzeffin, die seine Braut ist, vermahlen. Die
Königin macht ihre erste Goldnuß auf, da ist datz
prächtigste Nähzeug und Nähkästchen darin, damit
gehr sie zum Schloß, setzt sich den Fenstern der
Prinzeffin gegenüber und näht. Die Prinzeffin
sieht sie und trägt großen Gefallen an dem Näh-
zeug, sie rauscht es für das Recht ein, die erste
Nacht bei dem König zubringen zu dürfen. Am
andern Tag öffnet diese die zweite Nuß, findet ei-
ne köstliche Spindel darin, spinnt damit vor der
Prinzeffin und verrauscht sie für die zweite Nacht,
endlich auch das Geschmeide, welches die dritte
Nuß in sich faßte, für die dritte Nacht. Wie der
Hochzeitstag nun vorbei ist, wird die Königin
zum König geführt, da entdeckt sie sich als seine
Gemahlin; am dritten Morgen beruft er einen
Rath und legt die Frage von' dem Schlüssel vor,
den er zu einem goldnen Vorlegeschloß verloren,
und wiedergefunden, ob er den alten oder den
neuen gebrauchen solle. Die Prinzeffin entschei-
det selber für den alten und demnach für ihre
Trennung.
Zu dem Goldei. No. 60.
In der Erfurter Sammlung S. *--58. aber
schlecht erzählt: der Vogel, der jeden Morgen ein
Goldei legt entflieht dem Prinzen Gunild, ein
Bauer fangt ihn und von diesem bekommt ihn ein
Goldschmidr, der auf den Flügeln liest: „wer mei-
nen Kopf tßt unter dessen Kopfkiffen werden täg-
lich tausend Ducaeen liegen; wer mein Herz ißt,
wird König in Akindilla werden," und ihn dar-
um dem Uukas, seinem Schwestersohn zum Bra-
ten giebt; dieser ißt unschuldig beides und ent-
flieht dann bei den Drohungen des zornigen
GvldschmidtS, der sich getäuscht sieht. Indeß geht
der Ausspruch in Erfüllung; hineingezogen ist die
dem Fortunat ähnliche Sage von den zweierlei
60fr 'J'Mf yfrca
Itoqnß n/Ajd
V
— xxxix —
Aepfetn, wovon einer alt und häßlich, der andere
wieder jung und gesund macht und wodurch die
treulose Gemahlin bestraft und gebessert wird.
Zu dem Schneider der bald reich wurde. No. 61.
Nach einer andern Erzählung heißt der Mann
Herr Hände, den die Bauern wegen seiner Klug-
heit Haffen" Sie schlagen ihk aus Neid den Back-
ofen ein, er trägt aber den Schutt ili einem Sack
zu einer vornehmen Dame und bittet sie, den Sack
ihm aufzuheben, es sey Gewürz, Zimmet, Näge-
lein und Pfeffer darin. Er kommt dann wieder,
ihn abzuholen und verfährt ein großes Geschrei,
sie habe ihn bestolen, wodurch er ihr 300 Thaler
abzwingt. Die Bauern sehen ihn das Geld zäh-
len und fragen, woher er das habe, er sagt von
dem Backofenschutt, da schlagen die Bauern all ih-
re Backöfen ein, tragen den Schutt in die Stadt,
kommen aber übel an. Die Bauern wollen ihn
aus Rache tödren, er zieht aber seiner Mutter
Kleider an, dadurch entgeht er ihnen und seine
Mutter wird todt geschlagen. Diese rollt er in
einem Faß zu einem Doctör, läßt sie dort ein we-
nig stehen, kommt wieder und giebt ihm dann Schuld
er habe sie getödtet, so erpreßt er von dem Doctor
eine Summe Gelds. Er sagt den Bauern, er ha-
be sie für seine todte Mutter bekommen, nun schla-
gen diese auch ihre Mutier todt. Darauf die Be-
gebenheit mit einem Schäfer, der für ihn sich in
die Tonne legt, ersäuft und dem die andern Bau-
ern alle nachspringen.
In dem Märchen vom Bauer Kibitz, welches
Büsching S. 296. mittheilt, sind wieder einige Zär
ge verschieden. Kibitz läßt seine Frau von den
Bauern todt schlagen, und setzt sie dann mit einem
Korb voll Früchte' an ein Geländer, wo sie ein Be-
dienter, dem sie keine Antwort giebt, als er für sei-
ne Herrschaft bei ihr einkaufen soll, ins Wasser
stürzt; dafür erhält Kibitz den Wagen, worin diese
gefahren mit allem Zubehör. — Das Gelderpres-
sen durch bloßes Lärmen gehört auch zu den Listen
des Gonella (bei Flöget Gesch. der Hofnarren S.
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U Xhjj
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509). — Den Betrug mit dem Schäfer hat Stras
parota I. 5. in der Erzählung vom Messire Scra-
pafigue. — In dem zu Erfurt '794. gedruckten
Volksbuch: Rurschki oder die Bürger zu Quarken-
quatsch find verschiedene Züge aus diesem Märchen
benutzt, das Erkaufen des alren Kastens, worin der
Liebhaber steckt, durch die Kuhhaut (S. ioj, das
Ausstellen der todten Frau: Rurschki gibt ihr But-
ter in den Schooß und setzt sie auf den Brunnen-
rand, der Apotheker der ihr abkaufen will, aber
keine Antwort bekommt, rüttelt fie und stürzt sie
hinunter, und muß dem Rurschki tausend Thaler
bezahlen (S. 18. 19.). Der Betrug an dem Schä-
fer zuletzt, ist wieder ganz verschieden: Ruischki ist
zum Tod verurrheilt, und wird in einen Kleider-
schrank eingeriegelt, hinaus zu dem Teich getragen,
weil er aber zugefroren ist, lassen sie ihn darauf
stehen, und wollen erst Aexre holen, um ein Loch
ins Eis zu hauen. Wie sie fort sind, hört Rutschki
einen Viehhändler vorbei ziehen und ruft: „ich
trinke keinen Wein! ich trinke keinen Wein! mich
durstet nicht!" der Viehhändler fragt, was er vor-
habe, Rurschki laßt sich aufriegeln und erzählt, er
sey zum Burgemeifier erwählt, das Amt nahm er
gern, denn es sey wenig Arbeit und 500 Thl. Bes
foldung dabei; dagegen die Sitte, daß jeder Burs
gemeister beim Antritt seines Amts einen Becher
mit Burgunder austrinke, wolle er durchaus nicht
mitmachen, er trinke keinen Wein, da halten sie
ihn herausgesetzt, daß erFrost undDurst nach einen
feurigen Trank bekommen sollte; eS helfe ihnen aber
alles nichts, er trinke doch nicht. Der Viehhänd-
ler tragt einen Tausch gegen seine Heerde an, er
legt sich hinein, Rutschki riegelt zu, die Bauern
kommen hauen ein Loch und lasten den Schrank
hinab. Wie sie zurückkommen begegnet ihnen Rutsch-
ki mit dem Dreh und sagt, er habe es auf dem
Grund gefunden, da sey ein schönes Sommertand.
Nun stürzen sie sich alle in das Waffer (S. 22.
2g.). — Uebrigens sind die allezeit betrogenen
Bauern offenbar mit den ßlalenbürgern verwandt.
j iPyn
N0. 62.
ly
Zu dem Blaubart.
Perrautis la barbe bleue gehört zu fefneitj am ^ MzfisC. .
besten erzählten Märchen; ein schwedisches fliegen-
des Blatte Bl8skagget,Fahlum igro. ist bloß eine
Uebersetzung davon. Die französische Sage kenne
noch eine Schwester der Frau, Anne, als jene ster-
ben soll, gewahrt ihr der Blaubart eine halbe
Viertelstunde, da schickt sie die Anne auf den Thurm
laßt sie nach den Brüdern sehen und ruft ihr von
Zeit zu Zeit in ihrer Angst zu: „Anne, ma soeur
Anne, ne vois tu rien venir?" noch ganz volkös
mäßig erscheinen die Antworten derselben,
„Je ne vois que le soleil,qui poudroie, J
„et Therbe, qui verdoie.“ ). , { vil)
In der deutschen Erzählung, wenigstens wie wir
sie gehört haben, fehlt dies gänzlich; dagegen ..a., 4: 1
kommt der Zug vor, daß die Geangstigte den Bluts vwf *
schlüstet in das Heu legt, weil es wirklich Volks- &£*•#** Autv!'
glauben ist, das Heu ziehe Btur aus. — Ein deut- vV/A". "**"*1;
jches Volkslied (Wunderhorn I, 274. und Herder *u'f ^
Volkslieder I, 79; am schönsten neulich in Graters ^ ,*y ** ^
Jdunna nach dem breslauischen Volkögesang mit- ;
getheilt, enthalt im Grund dieselbe Sage, doch sehr f- - l-
abweichend und ohne des blauen Barts Erwclh- /
nung zu thun, von Ulrich und Aennchen. Eben so
der Fitfchersvogel (No. 46.) auch wieder recht ei- Jra r
genthümlich und gut, und das holländische Mord-
Schloß (No. 7Z). Tieks Bearbeitung ist bekannt.
In Hamburg sagt man von einem Starkbartigen,
er sei ein Blaubart (Schütze hollst. Idiot. I» »12.),
dasselbe gilt von Hessen; hier in {■
Cassel ist ein verwachsener, halb alberner und tot- x<w*i
ler Handwerksbursch unter dem Namen bekannt ' ^ A
genug. — Endlich haben ihre unverkennbare Aehn- y * o , . r
lichkeit mit der Sage: das schottische Lied von ‘v Ww 6a -
Cospatrik, der König Pore bei Straparola und n*fau/L
der Eingang der roor. Nacht, wo der Sultan / / 0 , X
auch seine Weiber nach der ersten Nacht tödret.
. . st* c M>Cn fiteitaiUtf
Zu den Goldkindern. No. 6z. -------^
Damit stimmt überein No. 74. Vom Joham ^ y
arjfn 1 trrmArUH,
}. »*• Cludiu C
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J&A c\a:'LL^4U, 4^ir?* - - A --- .
'**« A'<^ H / Vvr/^li^ 44 ^s-0 fö, hf/h ?7b\ ,/^yy ^
■syAAl v£tr# -\<4 *00) 'slfaßt * tfJfis/L
W ' — 2r.ii — 'Yw*t,46r-,W
nes Wassersprung und Caspar-Wassersprung, und
yJtfusn/ dann auch rm Penramerone Io mevcante I, und
%L„ #£ajU«- liefern fatata I, 9. In den beiden deutschen Er-
Ä^^^v-H/^Sahlungen scheint hin und wieder eine Lücke zu
yL*jZu(^J seyn, wenigstens müßten in No. 74. die so eigen
kuWtvppnur erworbenen Lchiere sich thätiger beweisen, oder so
Oa^iJA^,. daß einmal bloß von ihnen nach der Reihe die
*Zs Hulfe^kame. In demselben Märchen bei Strapa-
rola L.H. 2, S. 290. von Cesarin erwecken sie ih-
.ren Herrn auch wreder vom Tod.
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KfZUj'' (Zu^H^
Zu dem Dümmling. No. 64.
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I. Die weiße Taube har im Eingang Aehnlich-
keit mrr dem goldenen Vogel. No. 57.
II. Die Bienenkönigin har offenbar viel Ueber-
einstimmung in den Motiven mit dem Mahrchen
von Fix und Fertig (No. 16). III. Die drei Fe-
dern . Hier finden sich häufig kleine Abweichungen
in andern Recensionen, besonders in den Aufgaben.
Der Vater gibt jedem der drei Söhne einen Ap-
fel, wer den fernen am weitesten wegwirft, soll das
Reich erben. Der des jüngsten fliegt am weitesten,
weil der aber gar zu durum ist, will der Vater
ihm das Recht nicht laffen und verlangt zwanzig
Steigen Leinwand in einer Nußschale, der älteste
reist nach Holland, der zweite nach Schlesien,r wo
feine Lemewand seyn soll, der dritte, der Dumme,
geht in den Wald, da fallt eine Nußschale von ei-
nem Baum, worin das Linnen steckt. Darnach
verlangt er einen Hund, der durch seinen Trau-
ring springen kann, dann drei Zahlen Garn, die
durch ein Nadelöhr gehen: Lüles bringt der Dümm-
ling. Nach einer andern Erzählung soll der des
Königs Gut erben, der den schönsten Geruch mit-
bringt, der Dumme kommt vor ein Haus, da sitzt
die Katz vor der Thur und fragt; „was bist du so
traurig ?" — „Ach! du kannst mir doch nicht hel-
fen!""— „Nun hör einer! sag nur was dir fehlt."
Oie Katz verschafft ihm dann den besten Geruch.
Wiederum ist die Einleitung mannichfach: der Va-
ter jagt den dummen Hans fort, weil er gar zu
dumm ist, da geht er an des Meeres Gestade, setzt
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M*
XLIII —
sich l)in und weint; da kommt die Kröte, die eine
verzauberte schöne Jungfrau ist, mir der sprinat
er auf ihr Geheiß ins Wasser und ringt mit ihr
und erwirbt sich das Reich, indem sie ihre mensch-
liche Gestalt dadurch wieder gewinnt. — In der
braunschweiger Sammlung steht das Märchen S.
271 — 286. wieder mit andern Aufgaben 1) der
Kahn zu dem kein Spanchen gehauen, den ein
Greis ihm giebt, weil er ihn gelabt. 2) Die
kleinste, feinste Webeleinwand. Diese giebt ihm
eine kluge Katze in einer Nuß, als diese aufge-
macht wird, liegt eine noch kleinere darin, in die-
ser endlich ein Gerstenkorn, und dieses enthalt erst
das Gewebe. 3) Die schönste Braut, in die sich
die Katze verwandelt.
nu.. 'ihr* irttfu+ fauL
- Wb 0CA <J4-
J/m Vmhs itM- -Ja/tc ‘ fottev 1
hU Zu Zlllerlei.'Rauh. No. 65.
Ist die peau d’ane des Pcrrault, aber vollstan- 3» Cfaf*
diger und besser. Die Prinzessin Mausehaut No. A, fhutj*/
71. ist dieselbe mythische Person, aber die Sage^^^-^^^
bis auf einiges ganz verschieden. Nach einer nÄ uaJMivt/
andern Recension wird Allerlei-Rauh von ihrer.7^
Stiefmutter vertrieben, weil ihr ein fremder Prinzs™
einen Ring zum Liebeszeichen und nicht ihrer ei- ' r.
genen Tochter geschenkt hatte. Sie kommt her- f
nach an ihres Geliebten Hof als Schuhputzerin,
und wird entdeckt, indem sie den Treuring unter n oamaä
das Weißbrod legt.— Einige Aehnlichkeit hat das
Märchen mit dem Aschenputtel No. 21. r.
'^Ttsirrr*'
rC-
Zum Hurleburiebutz. No. 66. Vmw ^
Aehnlichkeit damit hat ein Märchen in Her „,u
Braunschweiger Sammlung S. 322 — 43. Eine
Prinzessin ist so stolz auf ihre Schönheit und wird<^
ganz übermüthig, daß sie alle Freier verspottet,
muß ausziehen und es suchen Er findet es glück- A
lich, wie er es aber ausreißt, springt ein färchrer- a{
licher Löwe aus der Erde, dem muß er dafür das ^
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(^Arr<uX $(tu$
-N- aJlrr
■ TL27)
iv
JtlsvU'
— XLIV
angeloben, was ihm zuerst zu Haus begegnen
wird. Das ist nun die stolze Prinzessin,^ die das
singende, klingende Bäumchen kommen hörte. Der
König erschrickt und sagt, daß sie einem Löwen
jetzt zugefallen sey, aber sie bekümmert sich nicht
darum, laßt die Tochter einer Wäscherin mir ih-
ren Kleidern anthun und an ihren Platz setzen.
* « Nach drei Lagen kommt der Löwe: fe& dich auf
meinen Rucken," spricht er, und tragt sie in den
Wald. Das Mädchen weint, wie es eine Quelle
sieht: „wer wird meiner Mutter jetzt waschen hel-
fen!" Der Löwe merkt den Betrug, tragt sie zu-
rück und kommt nach drei Tagen wieder, da sitzt
eines Hirten Tochter in den Kleidern der Prinzessin,
„setz dich auf meinen Rücken," sagt der Löwe und
tragt sie hinaus. Wie sie auf die bunte Wiese
kommen, seufzt das Mädchen: „ach! wer wird den
Hans trösten, wenn ich nicht bei ihm hier liegen
kann!" Der Löwe kehrt wieher um, bringt dem
König die falsche Braut, droht ihm, und lauft zur
Prinzessin, die sich gleich auf seinen Rücken setzen
und mit ihm fort muß. Er führt sie in eine Höh-
le, wo sie an elf Kranken die niedrigsten Arbeiten
thun muß und ihre eiternden Wunden heilen. Sie
empfindet da Reue über ihren vorigen Hochmuth,
heilt dann auch den Löwen, der verwundet wird,
und mit dem allem büßt sie ihre Sünden, befindet
sich einmal, als sie erwacht, wieder in dem präch-
tigen Schloß bei ihrem Vater, der Löwe aber ist
ein schöner Jüngling geworden, und ihr Bräu-
tigam.
In. dem Märchen vom Weißtäubchen in der
Erfurt,schen Sammlung S. 67 88- wird auch der
Zauber gelöst, indem das Mädchen der Taube den
Kopf abreißt, und ihn gegen Morgen, den Rumpf
gegen Abend wirft.
In einer andern mündlichen Erzählung, fragt
der Fuchs immer, das Mädchen, das er fortträgt,
wie viel Uhr es sey, die Hinentöchter antworten,
zehn Uhr, wenn ich die Heerde sonst zusammenge-
blasen habe, die Königstochter aber, zehn Uhr,
wenn zur Tafel geblasen wird, und nun bin ich
hier im Wald und habe nichts zu essen.
fljt "W/' 7\ÄAA/*W '
V ff.
Quulx! Lowi ttfoMMLTm' TMim -jff'
Zum König mit dem Löwen. No. 67.
Das Vergessen der ersten Verlobten kehrt
auch im Prinz Schwan von der treuen Julian
und im Liebsten Roland wieder, auch 'wohl m Ak?
kerln Ra'il^ aus dem Peniameron gehör? mehre-
res hierher (II, 7. Ia palomma, wo der Prinz die
Filadoro vergißt; III, 3. la viso, wo Renza ver-
gessen wird; III, 9. Iiosella ), der Grund aber
liegt tief in den Sagen.. Wir wollen nur zwei
denkwürdige Beispiele angeben: Duschmanra ver-
gißt die Sacontala, und Sigurd die Brynhild.
Zum Sommer- und Wintergarten. No. 6g.
Eigentlich die Fabel von der Psyche, noch nä-
her in ander» Recensionen, wo die Schwestern
bösartig find, und die jüngste, als sie gekommen
ist, sie zu Gesuchen, mit Gewalt zurückhalten-
In e-inom Roma», die junge^lmcrikanenn Ulm
*765. I, 30 — 231. ist auch dieses Märchen, aber
schlecht benutzt. Das Thier ist ein Drache, aus
dessen Garten (es ist auch kein Winter der Vater
sich eine Rose bricht und dafür seine Tochter ver-
sprechen muß. Die Tochter geht selbst in des
Drachen Schloß, der stellt sich dumm und unge-
schickt, in der Nacht aber träumt sie von einem
schönen Jüngling, und allmählig gewöhnt sie sich
an ihn so, daß sie ihn endlich lieb gewinnt. Sie
besucht ihre Eltern und kommt zurück durch Hülfe
eines Rings, der ein- und auswärts gedreht wird.
Endlich gesteht sie ihm in einer Nacht, daß sie ihn
lieb habe, da ist er am Morgen ein schöner Jüng-
ling und sein Zauber gelöst. Es entdeckt sich auch,
daß sie nicht des Kaufmanns Tochter, sondern von
einer Fee untergeschoben ist.
In der Leipziger Sammlung ist es das sieben-
te Märchen (S. 113 — 130). Die jüngste Tochter
bitter den Vater bei feiner Abreise um einen Ei-
chelzweig mit drei Eicheln an einem Stengel. Der
Vaier verirrt sich in dem Wald, kommt zu einem
prächtigen Schloß, das ganz leer steht, wo er aber
— XLVI —
alles aufs beste vorfindet. In der Nacht kommt
ein Bar, bringt die drei Eicheln an einen Sten-
gel und verlangt die Tochter, die der Vater end-
lich bewilligt. Zu Haus werden die Thüren ver-
schlossen, der Bär aber kommt doch zweimal um
Mitternacht herein und fordert die Braut; in der
dritten sind die Koffer von selbst gepackt und drei
Eicheln stecken darauf, die Tochter selbst ist wie
eine Braut geputzt, ihr Haar von selbst gekräuselt
«nd weiß es nicht, der Bar aber steht neben ihr,
und steckt ihr einen Goldring mit einer Bärentatze
und drei Eicheln an den Finger. Da fährt sie
mit ihm hinaus, sieht in der Folge Vater und
Schwestern in einem Spiegel, geht aber nicht
heim, und nachdem sie ein Kind geboren und dies
über drei Jahre alt ist, wird der Zauber gelöst,
und der Bär in einen schönen Jüngling verwan-
delt. Bloß der Anfang ist gut und ächt, am Ende
scheint vieles gemacht zu seyn.
Zu Zorinde und Zoringel. No. 69.
Aus Heinrich Stillings Jugend I, 104—103.
Zum Okerlo. No. 70.
Das ital. Imorco, das fraruösi ogre, Popanz.
In diesem Märchen sind einzelne Züge aus dem
Daumerling und Fundevogel. In der Braun-
schweiger Sammlung wird es S. 44- 72. fast
mit denselben Umständen, nur sehr weitläuf-
ig erzählt. Die Fliehenden lassen einen Rosen-
fivck daheim, der an ihrer Stelle antwortet; sie
verwandeln sich nur einmal in einen Pfirsichbaum
und eine Biene; ihren Wünschhuth, womit sie alle
Zaubereien ausrichten, aber lassen sie auf dem
Gipfel des Baums sitzen; sie werden zwar auf
diese Art nicht von der Verfolgenden erkannt und
find gesichert, aber der Wind jagt den Wünschhut
herab, so daß sie nicht wieder ihre menschliche Ge-
walt annehmen können. Indessen wird die Prin-
zessin, die den Hut zugeweht bekommt, durch die
Stiche der Biene und durch das Blut, das aus
X-LYil -----
1/
einem abgerissenen Blatt tropft, bewegt, ihn wie,
der darauf zu werfen und beide sind nun erlöst.
Vergl. auch No. 56. der Liebste Roland.
Prinzessin Mäusehaut. No. 71.
Ist bei Perrault das Märchen von der Esels-
vVä d 7\^sV-
haut, wiewohl sehr abweichend, woran auch die 1° %oma,
Erweiterung Schuld haben mag, der Eingang . 0
stimmt dorr mit der Geschichte der schönen Helene
überein; besser ist, daß der Prinz den Ring in ei-
nem Kuchen findet, welchen xeau (Taue gebak-
ken hat.
Das Birnli will nit fallen. No. 72.
Mündlich aus der Schweiz. In derselben Art ist
No. 50 und 80. Auch die Juden haben ein da-
mit zusammenhängendes Volkslied, welches Wa-
genseil (jüd. teutsche Red- und Schreibart Franks.
1715. 4. S. *o8—iio.) mittheilt, und in den Kin-
derliedern S. 44—47. (Wunderhorn III.) abge-
druckt ist.
Ein Zicklein! ein Zicklein!
das hat gekauft das Vaterlein
um zwei Schilling Pfenning:
ein Zicklein!
Da kam das Kätzlein und aß das Zicklein,
das hat gekauft u. f. w.
da kam das Händlern und bitz das Kätzlein,
da kam das Srecklein und schlug das Hün-
ddlein,
da kam das Feuerlein und verbrennt das Ste-
ckelein,
da kam das Wäfferlein und verlöscht das Feu-
erlern,
da kam der Ochs und trank das Wäfferlein,
da kam der Schocher (Metzger) und fchechl
den Ochsen,
da kam der Malach Hammoves (Todesengel)
und fchechr den Schocher,
da kam unser lieber Herr Gott und fchechr den
Mälach Hammoves.
tfp
Der vorstehende Refrain ist aus einem chatdaischen
Osterlied der Juden, welches sich wie auch das bei
Wagenseil in Bodenschatzens kirchlicher Verfassung
der Juden (II, 2. Sect. ß.) findet.
Herr Gräter theilt dies alles in seiner Alter-
thumszeituug No. 40 u. 41. 18^2. unsex Volkslied
aber nicht ganz vollständig, mit, auch bemerkt er
ein anderes jüdisches, das durch eine etwas ähn-
liche Manier auf dieses zu deuten scheint, indessen
ergiebt sich durch das aus Wagenseit der vermu-
thete Zusammenhang viel naher. Die mystische
Bedeutung eines Leberecht, die dorr gleichfalls an-
geführt wird, ist uns nicht so wahrscheinlich als
Herrn Gram: das Lied scheint die Macht Gottes,
als die letzte und größte darstellen zu wollen, nennt
man es albern, so sind es die Mythen der Rabbiner,
und im Talmud noch mehr. Interessant ist noch
Die ebendaselbst abgedruckte lateinische Recension
Des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu-
dentenlieder (in dem bekannten-. Laurentia schönste
Laurenria mein rc., wachsen die Strophen gleich-
H falls immer mehr an), sondern an andere Kinder-
" lieber erinnert, worin lateinische Brocken ange-
bracht sind. Viele Rhein - und Mainbewohner ge-
denken wenigstens noch des Lieds von einem Hund,
der in der Küche die Bratwurst frißt und dem der
Koch den Schwanz abhaut, worin auch ähnliche
Wiederholungen vorkommen.
Zum Mordschloß. No. 73,
«ine Art Blaubart, aber mit anderm, auch sonst
schon bekanntem Ausgang. Oer Reim im Anfang
erinnert an das Todrenreiterlied Das Ganze
aus dem Holländischen übersetzt, das wir aus dem
Munde einer Fräulein aufgeschrieben haben. Hier
möge das Original selbst stehen:
’t Moord - Ca fiel.
Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie
Dochrers hab, op een tyd, als de Echoen-Maker
uyi waar, kwaam daar een Heer, welke feer goed
gekled was, en welke prächtige Ekipagie hieldr,
so
XLIX —
-0 dar men hem voor feer ryk hield, er verttefde
zig in een der schone Dochrers, welke dacht, haar
Fortuyn gemaakt re hebben, um zo een ryk Heer,
en maakre dus geen Swarigheid, mer hem mede
tt ryen; daar ’t Avond wierde, roen zy vnder
Weges waren, vroeg er aan haarr
'1 maanije fchyni zo Hel,
myn paardtjes lope zo fnel,
soere liefje rouwt 't w niet? —
Ny, warem soud' ’t my rouwen? ik ben immers by
uw wel bewaard, — daar zy tog eenig Angst in-
wendig hab, wyl zy in een groot Bos waren,
vroeg zy: of zy Haast daar waren? — „ja, fegt
er, fien zy dar Ligr daar in de Vernre, daar iS
myn Cafieel;" eindlyk qwamen -y dan daar aan,
en alles was even fraay.
'S anderen Daags seid er tot haar, er moest
op eenigen Daagen haar vertaten, wyl er Affai-
ren hadt, die noodrwendig waren, maar souoe
haar alle SleuielS Laren, mer dar zy 't gansche
Casteel konde door zien, van war Rykdom zy al
Meester was. Toen er venrokten was, gink zy
door 't ganfche Huys, en vond alles so schoon,
dar zy er völlig mct te vreden was, rot zy eindlyk
aaü een Äelder qwaam, waar een oude Vrouw
zat, te Darm schrubben. Ey Moedertje, war doen
zy daar? — \t schrab Därmen myn Kind, mor-
gen schrab ik uwe 00k! — waar van zy zo schrik,
te, dar zy de Sleurel, welk in haar Hand was,
Lier in een Pot met Ploed vallen, welk er niet
goed weder af re wasschen was. Nu, seid 't oud
Wyfje, is uw Dood seker, wyl myn Heer nu zien
käst, dal g'y in dir Verrrek geweest zyt, waar buh-
len hem, "en ik, geen Mensch mag kamen,
(menmoet weren, de 2 voryge Susters op deze
wyze reeds waren omgekomeN)
daar op dar momenr ner een Wagen mer Hooy
van her Slot weg reed, zo seid de' oude Vrouw,
dir nog her eenigste midvel was, om ’t Leeven re
behouden, zig onder dar Hooy te versteken, en
dan zo weg te ryden, 't welk zy dan ovk deed;
daar intuschen de Heer re Huys kwaam, vroeg
er, waar de Mamsel is? O — seid de vube
Kindermärchen. D
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Vromv, daar tf geen Arbeid mcer had, en zy
morgen er tog aan moest, heb it ze Maar ge,lagt,
en bi r is een kok van haar Haar, en U Hart,
als ook »rat warm Bloed. de rest h bben de Hon«
dur al aevreren, cn ik schrab de Därmen. De Heer
waar also gerust, dar zy dood waar.
Ä) komt rnruschen mer de Hooywaqen op een
naby gelegen Stör aan, waar 'r Hooy aan ver,
kogr was, en zy mer uyt 't Hooy komr, en zy de
gattsche Saak vertelt, en verfogt wort, daar
eenigen Tyd re blyvcn: na verloöp van eenige
Ty> nodigr de Heer van dezen adelyk Slot de
ganscre naby zynde Edeliedcn op ecn groor Feest,
en veränderen 'r Gesigt en KLeding van de vreem-
Mamsel, so dar y nier gekend kvnde worden,
rryl ook de Heer van dar Moord-Casteel daar ven
sogt was.
Törn zy alle daar waren, moest een jeder
een BertetseL verhaien, rhoen de Reie aan de
Mamsel kwaam, verreide zy bewußte Historie-
Waar vy 'l den zogenaanden Heer Graaf zo be-
nauwd vm 'r Herr wierd, dar er mei Gewalt weg
ru J£.
0 düsUl'+Aa. yd .
4JJ auJttiu* „
: 7jjl nrlde, waar de goede Heer van 't adelyk Huys
■ habt intuschen gesorgd, dar 'r Geregt onsen fraye
Heer Graaf tu Hegtems nam, zyn Casteel uyt
!t\Ärd*k roeyde en zyn Goederen alle aan de Mamsel toe
1 . eiqende, welke naverha-d mer de Soon des Huy,
Z7J'yj * ses, -paar zy zo good in ontfangen was, trouwde,
en Iaarrn lang leefde.
,h* '
- Zur Nelke. No. 76.
mtpu tyuJsr aiccf
^ damit scheint verwandt die Redensart unter dem
TT+Ji*. äu~«L*+' Volk:
afc „Wenn mein Schatz ein Nelkenstock war,
/ - J 0 ‘ setzt ich ihn vors Fenster, daß ihn jedermann
Zum Drechsler. No. 77.
nur unvollständig erhalten; schon daß das Mär-
chen von dem Drechsler abspringt, dem auch wohl
das folgende selbst begegnen konnte, ist unrecht.
Li
ES schlagt übrigens in die alten Sagen von höl-
zernen Flugpferden, Entführungen rc. ein.
Zu dem alten Großvater und dem Enkel.
No. 7U.
So erzählt es Stilling in seinem Leben II, 8.
y. wie wir es gleichfalls oft gehört, sonst 'Ord
auch gesagt, das Kmd habe die Sa erben von der
irdenen Schüssel aufgelesen und sie für seinen Va-
ter aufheben wollen. Ein. alter Meistergesang
(No. 3z. in dem Codex den Arnim besitz,) enthalt
di« Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro-
nik als seine Quelle an: Ein alter König har sei-
nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le-
benslang erhalten soll. Der Sohn. verheirarhet
sich, und die junge Königin klagt über das Hu-
sten des Alten. Der Sohn laßt den Vater unter
die Stiege aus Stroh legen, wo er viele Jahre,
nicht besser als Me Hunde, leben muß. Der^En-
kel wird groß, bringt seinem Großvater alle Tage
Essen und Trinken, einmal friert dieser und bittet
um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall,
nimmt eine gute Decke, und schneidet sie in Nn-
murh entzwei;, der Vater fragt, warum er das
thue? „die eine Hälfte bring rch dem Großvater,
die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be-
decken " (S. Wunderhorn H, 269.) Ein altfran-
zöf. Fabliau (bei Meon 4, S. 479- 4850 weicht
davon nur wenig ab: der Sohn verstößt auf Antrieb
seiner Frau den alten Vater, der bittet um ein
Kleid, das schlagt er ihm ab, dann um eine Pfer-
dedecke, weil das Herz ihm vor Frost zittere. Der
Sohn heißt sein Kind mit dem Alten in den Stall
gehen und ihm eine geben, der Enkel schneidet sie
mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des-
halb, der Enkel vertheidigt sich aber bei seinem
Barer, er müsse die Hälfte für ihn aufheben, wenn
er ihn erst aus dem Haus werbe. Da geht der
Sohn in sich und nimmt den Großvater rn allen
Ehren ^wieder zu sich. In Paulis Scherz und
Ernst/(Dänisch: Lystig Ski■ mt Litvor S 7.5.)
bittet der "Großvater « n ccn neueö Kleid, der
r lJtLSj tU- .
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Sohn giebt ihm zwei Ehlen Zeug, das alte da-
mit zu flicken Daraus kommt der Enkel weinend
und null auch so -wer Ehlen Zeug huben, der Va-
ter giebt sie ihm und das Kind versteckt sie unter
eine Larre am Dach, und sagt dann: es hebe sie
da für seinen Barer auf, wenn e.r alt werde. Da
bedenkt sich dieser eines bessern, '
Au dem Tode des Hühnchens. No. Qo.
Etwas anders in den Kinderliedern S. 23—26.
( Wunderhorn lil.) Mit dem (tznde hat Aehnlich-
keit No. ,8-
:*i
J.
Uut jlC/lidru
6g.3.<rj-5.
V'-m-j}-
Vyy dem Schmid uud dem Teufel
,1M- O^AAtdJ-Asf N t). 81«
\f'«Avhj* £ovw/uiyl- Dieses treffliche Märchen scheint eine weitver-
breitete Volkesage zu seyn. Gewöhnlich erzählt
man es von einem Schmid zu Jäterbock und
ausgezeichnet gut dargestellt ist es in dem Deutsch-
franzos, der stellenweise überhaupt zu den leben-
digsten Erzeugnissen der ersten Hälfte des 18- Jahr-
hund gehört, befindlich. (Leipz.Ausg. v. »756, S.
ho — 30. Nürnberger von 7772. S. 8.0 — 95-)
Der fromme Schmied von Jürerbock trüg einen
schwarz und weißen Rock und harre eines. Abends
einen heiligen Mann gern and freudig gehcrbergt,
der ihm vor der Abreise gestattete drei Bitten zu
thun. Er bat i. daß sein Liebtingsstuhl Himer dett
Ofen di.e Kraft bekäme, jeden ungebetenen Gast
auf sich festzuhalten, bis ihn der Schmied selbst
loslasse. 2. daß sein Äpfelbaum im Garten die
daraufsteigenden gleicherweise nicht herunter lasse.
daß aus feinern Kohlensack keiner heraus käme,
den er nicht selbst befreite. — Nach einiger Zerr
kommt der Tod, geräth auf den Sessel und muß
dem Schmied noch 10 Jahre Leben schenken, wenn
er herunter will; nach 10 Jahren kehrt er wieder,
sieigr auf den Apfelbaum und der Schmied ruft
seine Gesellen, die mit Stangen den Tod jamrner,
lich zerschlagen; diesmal wird er nur unter der
Bedingung los, daß er den Schmied ewig leben
3.
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VffV
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^ tJmaa. MlMi
1r, $j.
pd^'iMA
(u.-
LIII
laffe» will. Betrübt gliedere und lendenlahm zieht
der Tod ab, begegnet unterwegs dem Teufelund
klagt dem fein Herzeleid, der ihn auslacht und
meint mrr dem Schnned bald fertig zu werden.
Der Schmied verweigert aber dem Teufel Nacht-
lager wenigstens werde die Hausthür nicht mehr
geöffnet, er muffe denn zum Schlüsselloch einfahren. (
Das ist dem Teufel ein leichtes, allein der Schied
haue den Kohlensack vorgehalten, bindet ihn als-
bald zu, wie der Teufel darin iß, und läßt aus
dem Ambos wacker drauf zuschmieden. Als sie sich
nach Herzenslust auf ihm müde geklopft und ge-
hämmert , wird der bearbeitete arme Teufel zwar
wieder befreit, muß aber zu demselben Loch hinaus
seinen Weg nehmen, wodurch er hereingeschlüft
war-
Aehnliche Sage geht vom Schmied zu
Apolda, (vergl Falk Grotesken 1&06. S. 5 - 88-)
der unsern Herrn sammt St. Perrus über Nacht
bewirtet und drei Wünsche vrei erhält. Die Wün-
sche, die er rhur, sind: r. daß dem, der in seiner
Nägeltasche fahre, die Hand stecken bleibe, bis die
Tasche zerfalle. 2, daß wer auf seinen Apfelbaum
steige, darauf sitzen muffe, bis der Apfelbaum zer-
falle. 3 desgleichen wer sich auf den Armstuhl
setze, nrcht eher aufstehen könne bis der Stuhl zer-
falle. Nach und nach erschienen drei böse Engels
die den Schied wegführen wollen und die er sämmt-
liche in die gestellten Fallen Lockt, so daß sie von
ihm ablassen müßen. Endlich aber kommt der Tod
und zwingt ihn zum Mitgehen, doch erhalt er die
Gunst, daß sein Hammer in den Sarg gelegt wird.
Als er sicher Himmelsthür näht, will sie Petrus
nicht aufthun, da ist der Schmied her, geht in die
Hölle und schmiedet da einen Schlüssel, verspricht
auch im Himmel, mit allerlei Arbeit nützlich an
Hand zu gehen, St. Georgs Pferd zu beschlagen
rc. und wird zuletzt eingelassen. — Findet sich nicht
auch eine ähnliche Fabel bei Hans Sachs? KrUn
Zu unserem, aus mündlichen Erzählung gege-
benen Text stimmt im Ganzen am meisten das^ ge-
druckte Volksbuch, betitelt: das bis au den jungt
sten Tag wahrende Elend, das jedoch wie e*
Hi/'
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scheint su- folgendem französischen übersetzt ist-.
jüstoire nouvells er 61 verrisse,r, ent 6,r bou
fromme ^Vlisere. Tiroyes etc. Garnier. 3.
S. 8, wiederum aber deuten manche Umstände
üuf einen italienischen Ursprung des letzteren,
vder wenigstens har sie 6e 1s Uiviere in Italien
erzählen gehört Peter und Paul gerathen bei
schlimmem Wetter in ein Dorf, stoßen auf eine
Wäscherin^ die dem Himmel dankt, daß der
Regen kein Wein, sonder Wasser sey, klopfen bei
dem reichen Mann an, der fle stolz abweist, und
kehren zu dem armen Elend ein. Diefi-s thut nur
den einen Wunsch mir dem Birnbaum, den ihm
gerade ein Dieb bestohlen harre Der Dieb wird
gefangen und sogar noch andere Leute, die aus
Neugierde aufsteigen um den Jammernden zu be-
freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet
ihn, daß er ihm feine Sichel leihe, um sich noch
eine der schönsten Birnen mir zu nehmen. Der Tod
will sein Waffen nicht aus der Hand lassen, als
ein guter Soldat und die Muhe selbst übernehmen
Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zusagt, er
wolle ihn bis zum jüngsten Tag in Ruhe lassen,
und darum wohnt Elend noch immer fort in der
Welt,
Damit stimmt wieder zum Theil der Schluß
einer andern mündlichen Erzählung, die sonst ganz
wie der Schmied yon Apolda lauret. Als Elend
gestorben ist und vor den Himmel kommt, wird er
von St- Petrus ntd?t eingelassen, weil er sich von
ihm nichte besseres ausgebeten hatte, nicht das
Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht also
zur Hölle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weit
er ihn genarrt, da muß er wieder zurück auf die
Welt und Elend ist so lange darauf als sie steht.
— Durch diesen Schluß aber knüpft sich das Mär-
chen an die Sage von den Landsknechten, die im^
Himmel kein Unterkommen finden können, und wei^
che Frei in der GarrengeseHschaft No. 44. uno
Kirchhof im Wendunmuih I. N cgi erzählen.
Die Teufet wollen sie nicht, weil sie da» rorhe
Kreuz in der Fahne führen, und der Apostel Pe-
trus laßt, sie auch nicht ein, weil sie Bluthunde,.
arme fern Macher, und Gotteslästerer wären. Der
Hauptmann wirft dem Petrus seine Verrätherei
an dem Herrn vor, daß dieser schamroch wird und
ihnen ern Dorf Beit ein Weil (wart ein Weil.)
zwischen Himmel unv Holle anweist, wo sie sitzen
spielen unD zechen; mit welcher Sage dünn wieder
viele Andere von dem Sr Petrus und den Lands,
knechten zusammenhangen. — Endlich ist noch zu
bemeiken, daß Eoreb und Fabel in dem lustigen
Teufel von Edmonton (Treck alcengl. Theater II.)
offenbar vre Personen unseres Märchens sind.
Das Reisen der wohlthätigen Männer durch
das Dorf, wo sie von den Reichen verschmäht,
von dem Armen aufgenommen werden, erinnert
an die Sage von Lot und den Engeln, von Phi-
lemon uno aucis bis auf viele neuere Traditio-
nen, z. B. von einem Zwerglein, daßcim Berner
Oberland im Unwetter bei einem Armen einkehrte
und ihn und seine Hurte vor dem nahen Untergang
des Dorfs rettete. — Wegen der Intrigue vom
Groß ( und Kleinmachen vergleiche man das Mar,
chen vom Blaubart.
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Zu den drei Schwestern. No. 82.
Diese» Märchen wird oft gehört, aber allereit fßß*' r Lu
stimmt es der Sache nach mit der auch zum Volks, <****{,
buch gewordenen Erzählung des Musäus, so daß , • 0 0/
man es auch hier so finden wrrd. Er scheint nue^^ jwwrt
die ihm eigenthümliche etwas breite Manier und tu
die Episode von dem Zauberer Zotnebock ferner/' nft*.
die Namen hinzugethan zu haben, Reinald, daS finit
Wunderkind^uegenommen, welches der volksma- /// / \ fa
ßjgev'fchetm^da in den drei dänischen Liedern von vt/u'H. / . OCQ
Rovmer dem Meermann (Kampe -Viser S l&—CWi i ^
160 Nebersetzung Lx»c — --»6.) die einen Theil des^^/'>
Märchen» enthalten der Bruder einmal Roland
heißt, und beideNamen äußerlicheAehnlichkeü haben.
Auch sonst ist aus Musäus beibehalten was noch
volksmaißg schien. JLi tre’ rri anomal« im Ptm
ramerone (IV. 3.) gehört hierher.
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Zü der Schwiegermutter. Nö. 65.
Stimmt überein mit einem Theil von Perrauler
^ la belle au bo^ dormant. — In Pentamerone V\ 5*
£ (sole, luna e talia) last eine erferßlchtige Frau ge-
rade so den Koch rufen, um ihre Nebenbuhlerin,
sammt ihren Kindern zu kochen Der Eingang aber
ist hier wie in Dornröschen von der gefährlichen
Spindel, und besonders schön und neu der Ue-
Hergang beider Geschichten in einander.
Zu dem armen Mädchen. No. 84.
Nach dunkeler Erinnerung aufgeschrieben, mog-
le es jemand ergänzen und berichtigen. Jean Paul
gedenkt seiner, unfichtd Loge I- 214. Auch Arnim
x)üt e- in den Erzählungen S. 251. 232. benutzt.
Zu den Fragmenten. No. 85*
je
a) Ein franzks. Volksmärchen, perceneigis, (Früh-
lingsblume, Schneeglöcklein, Primel . neulich in
ein Gedicht: Thibaut ou la naissarye du com-
te de Champagne. Paris iftit. pag. 97. 98 »er*
flochten.
b) Erinnert an eine Variante zu Droßelbart. Das
Ganze vollständig im Penramerone I, 3.1a polece.
0) Dieses Märchen erinnert sich Karl Graß in fei#
' ner Kindheit in Liefland von einer deutschen
Amme, die Marie hieß, erzählen gehört zu ha-
ben. Er hat daraus ein Gedicht in 12 Gesan-
aen gemacht, welches schwerlich dem Märchen
beikommen wird. S. Erheiterungen *812. Stück
, 5/ 391-593* _
d) In der 1001. N. von der kupfernen Lampe, die
auch aus Dummheit gegen eine neue gegeben
wird. Einigermaßen verwandt ist auch das Fa-
bliau vom Sperber/'den die Tochter kauft, rväh,
rend die Murrer zur Kirche ist.
Fuchs Und Gänse. Nd. 66.
ein Bexiermärchen, das man auch zuweilen erzäh-
len hört, statt des gewöhnlicheren vom Schäfer,
der
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der viel hundert Schafe übet einen breiten Fluß
fetzen will, in einem kleinen Nachen, worin jedes-
mal nur ein eiuz,ges Play hat. Dujes har be-
kanntlich tu dem Don Ouixote I cap. 20 Etivan-
les vortrefflich. angedruckt, uiw Aveliancda rn sei-
ner Fortsetzung cap. a. ev ourch ein ähnliches von
Gänsen, dre über eine schmale Brücke gehen über-
bieten wollen. An sich ist es »ul älter, die no-
veile antiche m XXX. erzählen es schon und «och
früher das altfranzös. cauoiment (fablUux ed.
IVleon. n* 89 — 9' ) —r*ine ähnliche Idee lregt _ n ,
dem dema-sisd-en- Redner« Aesops zu Grund (kuri» /
54- Cora> »78)
Einiges aus dem Kindetglaubeu.
>) Wenn ein Brüderchen oder Schwesterchen Koaamm cf^^l
rooher es act )S3-
1/ WUIII VIII M w V. V., , ^ ___^
geboren wird, und die Kinder fragen, woher es ge-
kommen sey? ,0 sagt ma,. ihnen: aus dem Brun-
nen, da hole man sie heraus. Gewöhnlich rst . ,
“lv‘ ^ynif hr»t utsZUJuC
nen, da yote man ne .
aber an dem Ort ein gewisser Brunnen, auf den ^
Man verweist, und wenn sie hii.eir gukkeN, sehen
sie ihre eignen Köpfe unten im Wasser und glaü- - y
den desto mehr daran.
Ooer man sagr: ein Eng
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...... _ ei bringe sie, Und (L ^2/
der habe zugleich däs Zuökerwerk nnrgebracht, das
ihnen bei der Kindtaufe oder vorher gegeben wrrd r 4l - Mnu*
gewöhnlich sind es bunte Zuckererbsen Oder - det *
Grorch fische die Kinder im Wasser und brinae ^ (/\hAjS(\
'* “ * .(.«I *- • - /
ütoro; fiiuiv v*v oMMw. — — ,,
sie in seinem rothen Schnabel getragen, darum,
wird er angesungen r
Klapperstorch, Langbein-
bring meiner Mutter ein Kind heim-
leg es in Garten,
will es fein warren,
lege auf die Sriegent
will es fein wiegen.
Oder auch nrederdeurschr
Ebeer, Langbeen
wenneer wulr dn io Lande reeck rt.
Der Name des Storchs Adebar, bedeutet ver-
muthlich Kindrräger, von baren, tragen und an-
dere erklären Ouoevar durch: alter Vater. Un-
Kindermarchen. E
KvißVM /c
St • j wm Oyfk Vi-tkAAlM .
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(Jaffas*'* /
Jus* *
ter den Nürnberger Spielwaaren ist vier Storch
Mit dem Wickelkind im Schnabel sehr häufig/
Bronner erzählt in s. Leben (Zärch »795, I»
23. 24.) „da fragte ich meinen Barer einst bet
Tesche: wo ist denn unser Brüderlein hergckom-
men? die Hebamme saß auch dabei. Diese Fra«
da, sagte er, hat es aus dem Kraurganen Hereins
gebracht,, du kannst noch heute den hohlen Baum
sehen, aus dem die kleinen Kinder immer heraus-
schauen, dre man denn abholen laßt, sobald man
rh er verlangt, u. f.. w. Es war eine hohle Wei-
de an einem Teich, Bronner schaute hinein und
sah den Knaben im Wasser, sein Vater hieß ihn
rufen: Buben, wo seid ihr? und er zweifelte nicht
mehr« In einem Kmderlied:
die andere geht ans Brunnchen
und findr ein goldnes Kindchen,
a) Wenn man vaprer verbrennt, giebt man
Acht, wie die Funken auf dem schwarzen herumge,
Heu und nach und nach verschwinden, besonders
auf den allerletzten. Man sagt: das seyen die
Heute die aus der Kirche gingen, und der letz-
te sey. der Glöckner, (Küster der die Thüre zu-
schließe.. Französ. gi,e i'est l'abbesse» gui 5ai^
los uvnnains^
3 Wenn dre Kinder Abends vor Müdigkeit mit
den Augen blinzen und gleichwohl noch gern wach
blieben, ader nicht können, heißt es: das Sand-
männchen kommt! Paierischr Pechmännchen
(Schmidt weftcrwald» Id - Schütze (im Holstein.
Zd. 4. p. 3.4) meint es sey au- Samännchen ent-
stellt, wie Sandsaier. aus Saarsaier: „de Saat,
saicr kamt," wenn einer schläfert, und still ist, wie
im stillen Wetter gesät wird. Offenbar gezwun-
gen. Rach der griech. Mythe sprengt der Schlaf
Lerhewasser in hie Augen (wie dorr Sand),
und wehr mit seinen Flügeln, brs man entschläft.
Bei Zeu- setzt er sich auf die höchste Tanne des
Zda in das stachelvolle Gezweig. flUaA hl/. ^^(9:
4) Frische- Brvo aus neuem Korn heißt Haa-
senbrod, und der Haase har es im Wald gebak-
ken. Wenn auf den Bergen Nebel liegt, so ist e-
der Rauch au- seiner Kücher.„der Haas kocht."
dyuvvi fJ ^0^ ‘ha/fr'A/l 'j’i/fj >J ; „
Jrvtt rciMa'/tfnÄfo ■■,, VoffkoJ)^"
Mwa
'Pjhnwyx, jf/üftl ''• brüte,
y x IKVtVfiI
muhou
5> $Jll« Schnee, so sind c« ffedern au« den»
«roßen Bett, das dem lieben Gott aufgegangen ist;
oder Frau Holle macht ihr Ben. Hierzu gehört
eine merkwürdige Stelle Herodots (Melpom. c. 7.
und 31.) wonach bereit- die alten Skythen den
schneienden Htmmel voller Federn glaubten.
Vom wehenden Schneien in großen Flocken:
. . . tci, rnxZtL'i
gesünqb.'ch CCCXXII.) klar; ' u r
swan so der sne gevallen ist, so hör ich da« 1
vil dicke J L t ■ if y
man sprichet: gib den wynden brot, er i&UhjW ; Am/ yr'
hat gesnyget! maJ/\
swer syne guten wynde laz rn Hunger not 7-,-1 a#« ^
verderben den sumer lanc, ^W: "Mi
der mac des winters t*i dem sne vil lmzel mire
ir (? in) erwerben, ir macht ist krankt --- 7
sott hier der fallende Schnee das Mehl bedeuten,
liWl
K 0huhh l mmI
woraus man den hungrigen Winden Brod backen iA*v •iyvwvfrfi ybttofr
solle? Daß die Winde hungrig, vieliressend sind, *7/'
erhellt aus der nordischen Mythe, Vakchrudnis irt™*7}!? 'y***
37; der Wind heißt Hrasvelgr, eadavernin llel-
lua (syelgia, schwelgen, svelta, hungern) oder viel- ^
mehr: er kommt aus den Adlcrflügeln des <*?T ? ' vT
Hrasvelgr. Er ist also ein Vogel und dies bcsta- i^rtuuU hv
tigt der latein. Name agnilo, der nach k'esluL “ Mm
a vehementissitno yolatu ad instar aquilae bc
nannt wird, im Grund aber der Adler selbst ist,
denn wie dieser der Vögel König, so ist aguilo . »
der Winde König. Besondere Erläuterung gewährt 1 P.)3o
aber, was Prärorius in s. Weltbeschreibung1, 429 <y q ^ •/
berichtet: ,„u Bamberg in Franken zur Zeit eine-
starken Windes har ein alt Weib ihren Mehl-
sack in die Hand gefaßt, und denselben aus dem
Fenster in die freie Luft nebenst diesen Wörtern
ausgeschüttet:
j' ^ge dick, lieber Wind,
bringe das deinem Kind?
sie wollte hiermit den Hunger des Winde-
stillen» da sie glaubte dersetbige wüthe darum,
wie ein fraßiger Löwe, oder ein grimmiger Wolf."
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In dor Rockenphilosophie p. ^65. „wenn hek Mnd
seh'.' weher, ;o kamt tna«t sola en stillen, wenn man
euren Mclchack ausstaubet und dar zu spilchtr
sieh du Wwo,
" koch ein Muß für dein Lind!
Fischarm im ,4. Capitel, von der Jugend de-
Gargantua führt folgendes an: vre Wolken sind
Wolle oder Blumendoider (wie man eine gewiss^
Drr weißer Wolken Lammerchen nennt), das Ge-
wölk Spinnweb oder Schynhur r?), der Schnee
Mehl (so der Mehlthau), die Schlosen Zucker-
erbsen, «die Wasserblasen Laternen, (
5. laßt den Hagel aus einem Land I^antcrnois
?—komrneli), man schöpfe die Äin^er aus dem Brun-
, neu; es all noch erns vom Hrmmel'; der Storch
- bringe rothe r^chuh mit: wann die Wolken fallen,
könne man alle Lerchen sehen;fwann den Kindern
hungert: die Frösche murrten in ihrem 'L auch
larrat ). (Nach Schütze pflegt man
"^auch zu sagen-. Jung rß, sonst kommt der Hun-
^ und frißt dir deinen Magen weg.)
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