Breslau den 31sten Jan. 1842
Hochgeehrtester Freund und Gönner!
Entschuldigen Sie gütigst, daß ich es gewagt, Ihnen
beiliegende Kleinigkeit zu dediziren, ohne Ihre
Erlaubniß vorher dazu eingeholt zu haben, doch
hoffe [ich] Sie werden’s mit mir nicht so genau
nehmen und dies kleine Zeichen meiner Verehrung
nicht verschmähen, ich beabsichtige damit eine kleine
Anspielung auf unsere englische Reise, wozu ich
die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben
habe. Bedauern muß ich nur, Ihnen das Orgelstück
nicht selbst auf meiner schönen Orgel, die Alles
in schönster Klarheit und Deutlichkeit wiedergiebt,
vortragen zu können, und da in Kassel weder
ein Instrument noch ein Spieler dafür da ist (verzeihen
Sie meine Arroganz) so ist es das Beste, Ihre
Frau Gemahlin, welche dergleichen Harmonien
und gebundener Spielart aus Ihren Kompositionen
mächtig ist, trägt Ihnen mit Beihülfe eines Anderen,
welcher die Pedal-Parthie um eine Octave
tiefer spielt, vor. Das Werk hat hier ziemliche
Epoche gemacht und fast sonntäglich nach geendigten
Gottesdienste, mußte ich ein kleines Orgelkonzert
veranstalten, wobei das God save the king nicht
fehlen durfte. Die noch beiliegende Fuge in d moll
bitte ich ebenfalls einer Durchsicht werth zu halten,
ich glaube es ist meine beste und effektreichste Orgelfuge.
Seit ich Ihnen nicht schrieb hat sich hier so Manches
Interessante begeben. Der Bau der Eisenbahn, vorläufig
nach Oberschlesien, (später aber auch nach Dresden und
Berlin) wird stark betrieben. Seit dem 13t. November
erfreuen wir uns eines sehr schönen neuen Theaters,
das mit aller möglichen Eleganz und Bequemlichkeit
versehen ist, was die Breslauer nach immerwäh-
render Entsagung sehr glücklich macht. Im Herbst
war der Prof. Marx aus Berlin hier um sein
Oratorium Moses aufzuführen. Das Werk verdient
des großen Fleißes halber, mit dem es gearbeitet
ist, alle Hochachtung, machte aber kein Glück, da des
wirklich Schönen nicht viel darin ist, auch entbehrt
es eines bestimmten Styles und streift nicht
selten ganz ins Operartige.
Ernst
, der Violin-
spieler hat hier 9 Konzerte mit Erfolg gegeben,
er spielt viel, auch geschmackvoll und ist von
den Virtuosen französischer Schule immer
noch einer der Edelsten, doch spielte er zu oft hier,
zwar für seinen Geldbeutel mit Vortheil,
aber da er den Karneval von Venedig jedesmal und die
Maysederschen Variationen in e sehr oft vortrug, so nahm
das Interesse der Musiker vom Fach sichtlich ab. Auch spielte
er nicht immer gleich rein. Die Variationen von Mayseder
hatte er übrigens noch einmal varirt, und es war ihm Kleinigkeit
einfache Passagen mit Terzen, Sexten, Oktaven und Dezimen
zu spielen, oft gelang alles vollkommen, oft aber auch nicht.
Aus Ihrer Gesangsscene spielte er mir mehreres, indeß
das grandiose deutsche Spiel war nicht sein genre, dennoch
entwickelte er in seinen Sachen, von den mir die Variationen
aus Othello sehr gut gefielen, doch auch schönen kräftigen
Ton, sein Instrument ist ein sehr schönes von Stradivari.
Zwei Beethovensche Quartetten, ein Rodisches Concert (Nr. 10
h moll) spielte er doch sehr künstlerisch. Er ist ein bescheidener,
liebenswürdiger Mann. Vor 14 Tagen spielte ich Ihr schönes
Klavierquintett mit Blas-Instrumentalbegleitung im Konzert,
es war sorgfältig eingeübt und gefiel sehr; auf Ernst
machte es einen großen Eindruck. In 8 Tagen kommt
Liszt hierher, ich bin sehr gespannt, Sie haben ihn gehört,
schreiben Sie mir doch bitte Ihr Urteil; welche und wie
viele Instrumente hat er denn gebraucht? In Berlin hat
nur ein einziges englisches Stand gehalten. Ich glaube
ich werde mich mitten im Anstaunen und in Bewunderung
seiner hohen Virtuosität dennoch nach dem schönen
Spiele
Hummels
sehnen. Ich habe 2 große Choralbücher
für die Rheinprovinzen und Westphalen, so wie für Schlesien
ersteres mit thematisch gearbeiteten Vorspielen ausgearbeitet.
Beifolgendes Paquet nebst inliegenden Brief haben Sie wohl
die Güte zur Post zu senden, es enthält ein Halleluja von
Henkel
in Fulda, er wünschte einen Verleger dafür, den
ich ihm leider nicht verschaffen kann. Auf Ihr neues Trio
warten wir immer vergebens, ich las schon viel
Schönes darüber, ebenso über Ihre Reise durch Hechingen.
Von Ihrer neuen Sinfonie habe ich gelesen, schreiben
Sie mir doch recht bald darüber, ich bin sehr gespannt
darauf. Empfehlen Sie mich Ihrer werten Familie,
Frau v. Malsburg, Fräulein Pauline Pfeiffer, so wie
allen sonstigen lieben Bekannten hochachtungsvoll.
NB. Seit dem neuen Theater macht Don Juan wieder viel
Glück, er wird setzt nämlich so gegeben, wie ihn
Mozart schrieb, ohne den schlechten Dialog, mit den
übersetzten Rezitativen, allen eingelegten und früher
weggelassenen Nummern und dem ganzen 2ten
Finale. Weiter wüßte ich für diesesmal
nichts zu berichten.
Hochachtungsvoll
Ihr
ergebener Verehrer
Adolph Hesse
Volltext von: Karl Traugott Goldbach, Spohr-Briefe
[www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842013131](http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1842013131)