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Wie tiefgehend die Suggestion die Liebe beeinflußt und ihr die
Kichtung gibt, haben wir im einzelnen verfolgt. Wir werden uns
der Einsicht nicht verschließen können, daß eine weitgehende Ver—
wandtschaft zwischen beiden bestehen muß. Suggestion und Liebe
sind letzten Endes eine Uberwindung aller entgegenstehenden unter
der Schwelle des Bewußtseins schlummernden Vorstellungen und
Affekte. Es wäre aber doch grundfalsch, beide als identisch zu be—
trachten, denn in der Liebe ist noch ein Bestandteil der Kräfte,
die auch sonst in der Natur die Anziehung und Abstoßung bewirken
und die sich unserer Vontrolle entziehen. Von diesen Urkräften,
den Affinitäten der Chemie, von diesem Hassen und Lieben der Ele—
mente enthält auch die Liebe des Menschen noch ein Teil. Schopen—
hauer hat es als Weltprinzip „Wille“ genannt, und Maupassant
hat es in einer seiner feingeschliffenen Novellen folgendermaßen
geschildert: „Seltsam! Wie kommt es nur, daß uns die Gegenwart
einer Frau so durchwühlt? Ist es die Macht ihrer Anmut, die uns
in Bann schlägt? Das Verführerische ihrer Schönheit und Jugend,
das uns berauscht wie Wein? Ist es nicht eher der Wille jener
geheimnisvollen großen Liebe, die ohne Unterlaß die Menschen zu
pereinigen strebt, die ihre Kraft erprobt, wo immer sich Mann und
Weib gegenüberstehen, die sie mit Erregung durchdringt, mit ver—
wirrender, geheimer, tiefer Erregung, wie man den Boden um—
gräbt, wenn man Blumen pflanzen will?“
ch Hypnose und Suggestion in ihrer Bedeutung
für die Rechtspflege.
In mannigfacher Weise zeigt sich die Suggestion von grund—
legender Bedeutung für eine der wichtigsten Einrichtungen des
zffentlichen Lebens — für die Rechtspflege. Die hier schon bei ober⸗
flächlicher Behandlung sich darbietenden Probleme verdienen in das
hellste Licht gestellt zu werden, und für jeden Juristen ist es unab⸗
weisbare Pflicht, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Dann
erst werden ihm viele Zusammenhänge klar, denen er sonst völlig
hilflos gegenübersteht.