Full text: Sammelband

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Rind erkrankt unter Durchfällen und Erbrechen; nicht selten treten 
auch hier Urämpfe dazu. Wir erklären uns diese Ernährungsstörung 
mit der Annahme, daß durch die meist länger dauernde Einwirkung 
der hitze die Widerstandskraft des Körpers gegen Nahrungsschädi— 
zungen herabgesetzt ist und daß der geringste der im Sommer un⸗ 
ausbleiblichen Angriffe auf den Magendarmkanal einen tödlichen 
Uatarrh hervorruft. Daß dabei die Verderbnis der Milch eine Rolle 
spielt, ist nicht von der hand zu weisen; unter ungünstigen Woh— 
nungsverhältnissen wird sie nur selten so aufbewahrt werden kön— 
nen, daß jedwede Verunreinigung oder Zersetzung auszuschließen ist 
Jedenfalls sind die Flaschenkinder bei weitem gefährdeter als die 
Brustkinder. Die Muttermilch feit das Kind wie gegen jede andere 
Krankheit, so auch gegen die Sommersterblichkeit. In Agypten, wo 
der Kinderreichtum groß und die Kinderpflege zum mindesten sehr 
mangelhaft ist, aber jede Mutter ihren Säugling selbst stillt, hälit 
sich der Sommertod auf einer in Anbetracht der Hitze unbeträchtlichen 
höhe (Engel-Bey). Auch hier ist aber ein sommerlicher Anstieg zu 
bemerken, der wiederum in den Küstenstädten, wo die Straßen fri⸗ 
scher Seewind durchstreicht, und in den gut durchlüfteten Vierteln 
der Binnenstädte fehlt. 
Auch bei der Säuglingssterblichkeit fallen die gesamten äußeren 
Derhältnisse, alle die sozialen Mißstände, die den Begriff Armut 
ausmachen, ins Gewicht. Sind sie aber sonst von der Wohnungs— 
beschaffenheit schwer zu trennen, hier kommen sie nur als Neben— 
umstände in Betracht; die sommerliche Säuglingssterblichkeit ist eine 
echte Wohnungskrankheit. Nachdem sie jahrelang als etwas Unab⸗ 
änderliches hingenommen wurde, hat jetzt eine energische Bekämp⸗ 
fung eingesetzt. Daß sie bereits Erfolge gezeitigt hat, wurde schon 
erwähnt. Während des Krieges sind weitere Fortschritte gemacht 
worden, und während 1914 in den 26 deutschen Großstädten von 100 
Cebendgeborenen noch 15,3 starben, betrug diese Zahl 1916 nur noch 
15. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese weitere Verbesserung 
auf die Zunahme des Selbststillens zurückführt. Während des Krieges 
haben sich, vielleicht weil der Milchbezug nicht mehr so selbstverständ⸗ 
lich wie früher möglich war, vielleicht auch, weil die Cebensmittel⸗ 
amter besondere Zulagen für Stillende gewährten, viele Mütter aus 
ihre höchste Ppflicht besonnen. Dazu haben die Ssäuglingsfürsorge⸗ 
ãämter mit hilfe von hauspflegerinnen auch praktische Wohnungs
	        
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