30 —
Rind erkrankt unter Durchfällen und Erbrechen; nicht selten treten
auch hier Urämpfe dazu. Wir erklären uns diese Ernährungsstörung
mit der Annahme, daß durch die meist länger dauernde Einwirkung
der hitze die Widerstandskraft des Körpers gegen Nahrungsschädi—
zungen herabgesetzt ist und daß der geringste der im Sommer un⸗
ausbleiblichen Angriffe auf den Magendarmkanal einen tödlichen
Uatarrh hervorruft. Daß dabei die Verderbnis der Milch eine Rolle
spielt, ist nicht von der hand zu weisen; unter ungünstigen Woh—
nungsverhältnissen wird sie nur selten so aufbewahrt werden kön—
nen, daß jedwede Verunreinigung oder Zersetzung auszuschließen ist
Jedenfalls sind die Flaschenkinder bei weitem gefährdeter als die
Brustkinder. Die Muttermilch feit das Kind wie gegen jede andere
Krankheit, so auch gegen die Sommersterblichkeit. In Agypten, wo
der Kinderreichtum groß und die Kinderpflege zum mindesten sehr
mangelhaft ist, aber jede Mutter ihren Säugling selbst stillt, hälit
sich der Sommertod auf einer in Anbetracht der Hitze unbeträchtlichen
höhe (Engel-Bey). Auch hier ist aber ein sommerlicher Anstieg zu
bemerken, der wiederum in den Küstenstädten, wo die Straßen fri⸗
scher Seewind durchstreicht, und in den gut durchlüfteten Vierteln
der Binnenstädte fehlt.
Auch bei der Säuglingssterblichkeit fallen die gesamten äußeren
Derhältnisse, alle die sozialen Mißstände, die den Begriff Armut
ausmachen, ins Gewicht. Sind sie aber sonst von der Wohnungs—
beschaffenheit schwer zu trennen, hier kommen sie nur als Neben—
umstände in Betracht; die sommerliche Säuglingssterblichkeit ist eine
echte Wohnungskrankheit. Nachdem sie jahrelang als etwas Unab⸗
änderliches hingenommen wurde, hat jetzt eine energische Bekämp⸗
fung eingesetzt. Daß sie bereits Erfolge gezeitigt hat, wurde schon
erwähnt. Während des Krieges sind weitere Fortschritte gemacht
worden, und während 1914 in den 26 deutschen Großstädten von 100
Cebendgeborenen noch 15,3 starben, betrug diese Zahl 1916 nur noch
15. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese weitere Verbesserung
auf die Zunahme des Selbststillens zurückführt. Während des Krieges
haben sich, vielleicht weil der Milchbezug nicht mehr so selbstverständ⸗
lich wie früher möglich war, vielleicht auch, weil die Cebensmittel⸗
amter besondere Zulagen für Stillende gewährten, viele Mütter aus
ihre höchste Ppflicht besonnen. Dazu haben die Ssäuglingsfürsorge⸗
ãämter mit hilfe von hauspflegerinnen auch praktische Wohnungs