166
Wilhelms Finanzpolitik
samkeit, und alle die darunter zu leiden hatten, empfanden unmutig
den starken Gegensatz zu fruͤher. Die reichen Geldmittel, die ihm sein
Vater hinterlassen hatte, wußte Wilhelm nicht nur zusammenzuhalten,
sondern auch durch geschickte Finanzoperationen noch zu vermehren. Er
hatte das Zeug zu einem richtigen Banlier und scheute sich nicht, Geschaͤfts⸗—
verbindungen nach allen Seiten anzuknuͤpfen, so daß er mit der Zeit
mit allen moͤglichen geldbeduͤrftigen Staͤnden des Reichs und daruͤber
hinaus, aber auch mit Privatpersonen in finanzieller Verbindung stand,
—
bediente, unter denen spaͤter der kluge und gewandte Frankfurter Rot h⸗
schild, den er von Hanau her kannte, die Fuͤhrung uͤbernahm.
Trotzdem konnte man den Landgrafen in dieser ersten Periode seiner
Regierung nicht des Geizes und der schnoͤden Habsucht beschuldigen,
wie das wohl geschehen ist. Es machte einen sehr guten Eindruck, als
er gleich beim Regierungsantritt auf das ihm von den Staͤnden ange—⸗
botene uͤbliche Don gratuit von 100000 Reichstalern verzichtete, weil
ex „weit entfernt die Kosten seiner getreuen Unterthanen zu mehren,
solche vielmehr nach Moͤglichkeit zu vermindern gnaͤdigst geneigt sei und
hierauf, sowie uͤberhaupt auf allenthalbigen Wohlstand seiner Lande den
ernstlichen Bedacht zu nehmen, nie unterlassen werde“. Ebenso guͤnstig
wirkte der Verzicht des Landgrafen auf 76000 Taler ruͤckstaͤndiger
Gelder der Landschaft am Diemelstrom und der Erlaß eines halben
Kontributionssimplums der Grafschaft Hanau, die außerdem noch von
den bisherigen gewoͤhnlichen Landsteuern ein ganzes Simplum weniger
zu zahlen brauchte. Seine beiden Bruͤder Carl und Friedrich erhielten
6000 Taler jaͤhrliche Zulage, und auch die Apanage der Philippsthaler
Linie wurde um 3375 Taler erhoͤht. Das waren etwas magere Be—⸗
willigungen, mit denen die Agnaten nicht recht zufrieden waren, ebenso
wenig wie die Landgraͤfin Philippine mit ihrem Wittum. Begruͤndeter
war der Unmut in der Residenzstadt uͤber den Ruͤckgang der Verdienste
infolge der Einschraͤnkungen des Hofes. Der oben exwaͤhnte Panegyriker
des Landgrafen fand es zwar ganz in der Ordnung, daß „der Casse—
lische Handwerker, statt vormals Braten und Wein taͤglich zu schmausen,
1) Sie erhielten meist den Kharakter als Hoffaktoren, Kriegszahlamtsagenten,
Hof- und Kammeragenten oder Hofmaͤkler. Das Staatshandbuch von 1808 zaͤhlt
deren nicht weniger als 21 auf, darunter Namen von Familien (Buͤdinger, Abraham
Feidel, Goldschmidt, Binge, Rothschild), deren damals erworbener Reichtum sich zum
großen Teil bis in die spaͤtere Zeit erhalten hat. In Cassel galt Feidel David, der
Geschaͤftsfreund des spaͤteren Fuͤrsten Wittgenstein, als einer der kluͤgsten Geldmaͤnner
Die dominierende Stellung der Rothschilds datiert erst seit dem Anfang des 19. Jabr⸗
hunderts. Val. oben S. 1090 Anm 2