1.
Bon der Dynamik der Seele, dem großen Eros umd den
Draanaten
Sie fprachen den Zweifel aus, hochverehrter Herr, ob Ihr Name der geeignete
Weg für diefe Briefe fei zum Herzen derer, denen fie gelten. Wie nah beides,
Name und Briefe, mit einander verfnüpft, dürfte {don die erfte Niederfchrift
zrgeben haben. Die heutigen Darlegungen werden die Sinien der Verkettung
weiterführen vom Boden der äußeren Wirklichkeit zu dem der inneren, wefenz
haften Tatfächlichkeit, wo fie ihre eigentliche Wurzel in der lebten Einheit
von Seele und Intelleft haben.
Das Bewußtfein diefer Einheit, fowie der Urfache ihres zweiheitlidhen Wir
feng und der Vielheit ihrer Crzeugungen, foll in diefem Briefe den Ausdrua
finden, dem es gelingen möge, den alten Wahn von Cebenszmwiefpältigfeit
auszurotten. Er entftammt den ftofflidhen Widerftänden unferer moralifchen,
wie intelleftuellen Natur. Das Ziel jeglicher, wahren Crziehung und die
3Zwede aller Kultur gipfeln darin, diefe zu überwinden.
Sm Brennpunkte aller fommenden Erneuerung wird daher die Erziehungs:
irage ftehen. Sie wird die „Perfönlichkeit“ als ihr Hauptziel erkennen, das
weit hinausführt über die verworrenen DBegriffe der heutigen Individualiften.
Ihre Sdeale von Perfönlichkeitsfultur verrieten meift ihren Urfprung aus
fümmerlidhem Subjektivismus, aus dem Geifte der Selbftfucht unferer Ele
mentarnatur,
Wahre Erziehung aber erftrebt den Seift der Freiheit und Unabhängigkeit vom
Mechanismus der Matur, von den Widerftänden des Stofflichen. Aus die.
fem Seift allein entftammen unfere freien Selbftbeftimmungsredte. Er nur
IHÜüßt ung vor dem Mißbraud) der Freiheit zu eigenem und fremdem Schaden,
Denn fein Zeugnis ift die Macht und der Wille zur BVerantwortlichkeit, die
das Siegel unferer Menfchenwürde ift. Nur auf dem Wege ver Selbftzucht
entfaltet fid) diefer Seift in ung zum Wefen der Perfönlichteit. Sie trägt
immer das Adelszeichhen des Selbitüberwinders, das unter unferen heutigen
SIndividualiften felten ift und wenig Geltung hat.
Auf die Tagesherr{haft des Intelleftes geftüßt, befriedigte es meift ihre
Selbftgenügfamfeit, an fremder Schwäche zum Gefühl der eignen Ueberlegen-
heit zu Fommen und die Widerftände des Seiftes zu befiegen, foweit fie den