Full text: Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1874-1884)

hinweisen, durch welche dieses lästige Ungeziefer thunlichst 
unschädlich gemacht werden kann. 
Auf den Höfen, in den Ställen, Gärten ꝛc. entferne 
man jeglichen Schmutz, alle Speise- und Obstreste, so— 
wie Alles das, was zur Ernährung und Heranziehung 
der Fliegen dient. 
In den Viehställen öffne man die Fenster und setze 
Rahmen, welche mit dunkelem, durchsichtigen Zeuge 
(Tüll, grobem Leinen, Drahtgitter ꝛc.) überspannt sind, 
da die Fliegen den dadurch hergestellten Grad von Duunkel⸗ 
heit und den Luftzug durchaus nicht vertragen können. 
Ebenso ist auch das Färben (Bestreichen) der Fenster— 
scheiben auf der inneren Seite mit Wasser, welchem 
Waschblau zugesetzt ist, sehr zu empfehlen, um das Vieh 
gegen Fliegen und Sonnenstrahlen zu schützen. Das 
Entfernen der Spinnweben und die dadurch herbeigeführte 
Vernichtung der Spinnen, dieser unermüdlichen und 
unersättlichen Vertilger der Fliegen, ist streng zu ver— 
meiden. Vor allen Dingen aber hege man am Hause, 
und auf den Höfen und namentlich in den Ställen die 
Schwalben und erleichtere ihnen das Nisten in denselben 
durch Anbringen von kleinen Brettern unter den Decken⸗ 
balken, auf denen diese zutraulichen Vögel sich mit Vor— 
liebe anbauen. Auch mache man es denselben möglich, 
durch eine stets zugäͤngliche Oeffnung jederzeit ab⸗ und 
zufliegen zu können und schaffe durch Einfschlagen von 
runden Holzpflöcken in die Stallwände Sizzplaͤtze für 
die jungen Schwalben. 
Die übrigen insectenfressenden Vögel, Rothschwänzchen, 
Fliegenschnäpper, Bachstelzen ꝛc. schütze man ebenfalls 
und befördere das Nisten derselben durch Anbringung 
von geeigneten Nistplätzen, z. B. durch entsprechende 
Oeffnungen, die man an geschuͤtzten Stellen nach Morgen 
hin in den Mauern und Wänden herstellen läßt. Ebenso 
sind die Fledermäuse und Eulen sorgsam zu hegen, da 
diese leider vielfach verkannten Thiere sehr nützliche 
Freunde des Landmanns sind. 
Als weiteres Mittel gegen die Fliegen wird 
empfohlen, der Kalktünche beim Weißen der Ställe 
und Gebäude Karbol-Säure zuzusetzen und die Holz— 
theile ꝛc. mit Lorbeeröl zu bestreichen, welches den 
Fliegen sehr zuwider ist. Ebenso sollen Hollunder— 
zweige, welche man in Speisekammern ꝛc. anbringt, ein 
Mittel zur Entfernung der Fliegen, Mücken, Motten ꝛc. 
sein; auch dienen dieselben zur Verbesserung der Luft. 
Für die Wohn⸗, Schlaf-, Vorraths- ꝛc. Räume sind 
die s. g. Fliegenfänger von Glas zu empfehlen, die man 
jetzt wohl in jeder Glashandlung haben kann. Auch kann 
man in einer Untertasse etwas Milch mit ein wenig 
gestoßenem schwarzen Pfeffer und eben so viel Zucker 
zemischt, oder einige Theelöffel voll Lorbeeröl als gutes 
Mittel gegen die Stubenfliegen im Zimmer hinstellen. 
Um vor allen Dingen die Pferde gegen die Be— 
lästigungen durch Fliegen, Bremsen und Mücken zu 
chützen, darf man ihnen im Sommer niemals die 
SZchweife so kurz abschneiden, oder gar abschlagen, daß 
ie mit denselben die stechenden Schmarotzer nicht mehr 
derscheuchen können. Es ist das eine große Unsitte, eine 
arge Thierquälerei und noch nicht einmal schön, sondern 
eine geschmacklose, den Engländern nachgemachte Mode⸗ 
Thorheit. Alsdann sind Ohrenkappen, welche auch ganz 
zut aussehen, sowie s. g. Fliegen-Netze und bei dem 
Rindvieh Joch-Lappen, deren Troddeln über die Augen 
sallen, sehr zu empfehlen. Bei Ochsen und Kühen 
nuß der Haarbüschel am Ende des Schwanzes oft 
zewaschen und ausgekämmt werden, damit sie mit dem— 
elben die Fliegen abwehren können. 
In Süd⸗Deutschland hängen die Fuhrleute zwischer 
den Pferden an der Deichsel eiserne Körbchen (Kohlen⸗ 
hecken) auf, welche mit Moos, Torf und sonstigen langsam 
hrennenden Sachen gefüllt sind und während der Fahrt 
zlimmend erhalten werden, wodurch sich Rauch bildet, 
hder die Fliegen, Bremsen ꝛc. vollständig fern hält. 
Auch empfiehlt man, die Thiere vor dem Anspannen 
nittels eines Schwammes mit einer Abkochung von 
Wallnuß-Blättern zu befeuchten, deren Geruch den 
Fliegen zuwider ist. 
Schließlich muß noch darauf aufmerksam gemach 
verden, daß krepirte größere und kleinere Thiere sofort 
ordentlich vergraben werden müssen, da sich in den 
dadavern sehr bald Leichengift entwickelt, welches von 
Fliegen leicht auf Menschen übertragen und dadurch 
die Ursache gefährlicher Krankheiten und, in Folge von 
Blutvergiftung, auch oft des Todes werden kann. 
Wir würden uns freuen, wenn Einer oder der Andere 
unserer Leser seine Erfahrungen über den Erfolg deir 
horstehend angeführten oder weitere Mittel zur Ver— 
ilgung der Fliegen mittheilen wollte; jedenfalls aber 
ollte jeder Vieh-Besitzer in seinem eigenen Interesse und 
ius Erbarmen mit den oft von Ungeziefer gequälten Thieren 
uicht versäumen, die empfohlenen, mit leichter Mühe und 
venig Kosten anzuwendenden Mittel zu gebrauchen. 
—— — 
Beitrittserklärungen zu dem Hessischen Thierschutz— 
Berein, Anzeigen über Thiermißhandlungen und sonstig 
Mittheilungen nehmen die Vorstandsmitglieder des 
Zauptvereins zu Cassel und der Zweigvereine zu 
bterode, Allendorf, Frankenberg, Hofgeismar, Nieden— 
'ein, Rotenburg, Rothenditmold, Schmalkalden, Witzen— 
jausen und Wolfhagen gern entgegen. 
FamilienStammbuch. das oft bitter empfundene Fehlen von Familienpapieren namentlich bei Sterbefällen, sowi 
der Wunsch der weitesten Verbreitung des in das bürgerliche Leben tief eingreifenden Civilstandsgeseßes hat die Herausgabe 
dieses Buches veranlaßt; von hohen Bebörden empfohlen und mit Erfolg eingeführt, ist bereits eine zweite Auflage noth 
wendig geworden und kann die Anschaffung dieses Buches mit Recht nicht genug empfohlen werden. — Dasselde lostet ir 
Pappe geheftet 830 Pfg., in fein Calicoeinband mit Goldaufdruck 1 Mark und wird in der Waisenhaus-⸗Verlags-Verwaltunt 
zu Cassel stets vorräthig gehalten.
	        
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