seiner Befreiung Gekommenen in höchste Gefahr gebracht
werden würde, und hat um Vertagung der Flucht. Der
dandgraf aber wollte davon durchaus nichts wissen, sondern
ließ durch seinen Pagen zu dreien Malen Hans Rommel
mmer dringlicher an „Pflicht und Eid, Lieb und Treue“
mahnen und „um Gottes Willen“ bitten, alsbald den
Montag früh die Sache anzugreifen.
Auf diese wiederholten Anmahnungen und Bitten erklärte
der treue Hans Rommel unter Zustimmung seiner Gefärten
ler nennt sie in seinem Bericht: Philipp Schwaner und des
Marschalls Hans): er wolle am Montag früh im Garten
dor dem Gefängniß sein, wenn schon er wisse, daß er nicht
wieder lebendig herauskommen würde, da es „bei seiner
Seligkeit/ menschlicher Vernunft nach unmöglich sei, wo so
diel bereits kundbar geworden, und unter den Augen der
Schleußenarbeiter die Flucht glücklich zu bewerkstelligen. An
bm aber solle es nicht fehlen.
Als nun am Montag Morgen Hans um fünf Uhr sich
mit seinen Genossen aufmachte, hörten sie, wie Landgraf
Philipps Hofnarr, der ihm im Gefängniß Gesellschaft leisiete,
amherging und laut verkündigte, er wolle seine Kleider ver—
kaufen. Denn dieweil jetzt alle Menschen heimzögen, werde
man seinen gnädigen Herrn auch beim füren.
In Folge dieses Geschreies lief der Hausknecht des Gast—
hofes, in welchem Hans Rommel und Genossen Herberge ge—
tommen batten, in den Pferdestall, traf dort die gesattelten
Pferde, und erkannte sogleich, worauf es abgesehen war.
Die Hessen, zu denen sich noch Konrad Breidenstein gesellt
hatte, suchten ihn zu beschwichtigen, indem sie vorgaben mit
dem Landgrafen nichts zu tun zu haben, sondern nach An—
dorf (Antwerpen) reiten zu wollen. Der Hausknecht entfernte
sich hierauf — wie sich später ergab, um Lärm zu machen —,
vährend der Hofnarr, alles Zuredens ungeachtet, fortfuhr
überlaut seine Kleider zum Verkaufe auszubieten.
Obwohl diesem allem zufolge die Sache so ungünstig
tand als möglich, und Hans Rommel mit seinen Begleitern
darüber höchst betroffen und betrübt waren, beschlossen sie
dennoch ihrer Zusage getreu zu bleiben und zur verabredeten
Zeit, nämlich um halb sieben Uhr, zu Pferd und zu Fuß
eglicher an seinem Orte in der Nähe des Gefängnisses zu fein.
Solches geschah denn auch. Jedoch der Landgraf erschilen
zur festgesetzten Stunde nicht. In ängstlichem Harren warteten
die wackern Hessen auf den geliebten Herrn. Inzwischen
famen Hunderte von Einwohnern Mechelns herbei, die Ar—
beiten an der Schleuße zu betrachten. Es war Morgens
acht Uhr geworden, ohne daß der ersehnte Herr sich zeigte,
als plötzlich eine Abteilung spanischer (kaiserlicher) Soldaten,
zefürt von einem Hauptmann, im Gefaͤngnißgang des Turms
ichtbar wurde, wo sie von dem erwänten Hausknecht herbei—
gerufen, die Hessen vermuteten. Hans Rommel ward sie
zuerst gewahr und beriet mit den Gefärten in Eile, was zu
un. Da jeder Widerstand gegenüber der großen Uebermacht
nutzlos und unsinnig gewesen wäre, beschlossen sie sich eilig
davon zu machen und eilten aus dem Turmgarten. Der
spanische Hauptmann, dies gewahrend, kommandirte: „schudt,
schudt, schudt“ (das will sagen: schießt, gebt Feuer!) und
die Hakenschützen brannten denn auch ihre schwerfaͤlligen
Bewehre, die noch keine Hinterlader waren, los. Mit Gohes
Hilfe jedoch feblten fämmtliche Schüsse, die vier Hessen aber
— außer Hans Rommel, der genannte Philipp Schwaner
und des Marschalls Hans — rannten spornstreichs, jeder
obne sich um den Andern zu fümmern, davon.
Als Hans Rommel die kleine Gasse erreicht hatte, in
velcher die Pferde zur Flucht des Landgrafen gesattelt standen,
iolgten ihm drei Spanier mit „Rohren“ (Hakenbüchsen) und
ein vierter mit einem Raypier. Letzterer, indem sich Hans
iuf eins der Pferde schwang, stach ohne zu treffen so heftig
rach ihm, daß er den langen Weg auf die Erde fiel. Ham
iber sprengte eilig davon, und die spanischen Kugeln konnten
hn nicht finden. Er ritt jählings durch Niederland, West⸗
alen u. s. w. ohne sich viel Ruhe zu gönnen, bis in's
Waldeck'sche. Von Corbach aus erstattete er am 28. De⸗
ember 1550 an Landgraf Wilhelm in Kassel Bericht über
das Geschehene.
Solchermaßen verhält es sich mit der verunglückten Flucht
des großmütigen Philipp aus dem Gefängniß zu Mecheln.
In Folge des Fluchtversuchs wurde, wie schon vor Jahres⸗
frist erzählt ist, der Landgraf in noch strengere Haft genommen,
ind ihm eine nur zehn Fuß lange Kammer mit vernagelten
Fenstern zum Aufenthalt angewiesen. Erst fast zwei
päter durfte er als freier Mann in's Land seiner Väter zurückkehren.
Hans Rommel aber und seine Gefärten (über deren
Zchicksal seit der Flucht aus dem Schloßgarten von Mecheln
eine Kunde zu uns gekommen ist) sollen als treuéè Hessen
»ei uns in ehrendem Gedächtniß bleiben.
Eine preußische Schule von ehedem.
In dem kleinen ostpreußischen Städtchen Friedland lie!
bor nun etwa achtzig Jahren ein barfüßiger Junge herum,
dem damals Niemand ansehen konnte, daß er einmal viele
zelehrte Bücher schreiben und als Director der Berliner Ge—
verbeschule sterben werde. Er war der Sohn des Accise
Nufsebers Klöden zu Preußisch-Friedland, dem auch nicht
in der Wiege gesungen war, was aus ihm werden sollte
Denn wurde der Sohn aus einem armen Jungen, der nicht
Schuhe noch Strümpfe besaß, ein hochangesehener Mann
ind berühmter Gelehrter, so war sein Vater aus einem
zreußischen Junker, dem Sprößling einer der ältesten preußischen
Adelsfamilien, ein armer Mann geworden, den der Schnaps
hrannisirte und mit Weib und Kind in's Elend brachte.
Dieser Junker entlief in jungen Jahren seinem rohen Vater,
inem ausgedienten Cavallerie-Offizier Friedrichs des Großen,
ahm, nachdem er seinen Adel abgelegt hatte, in Berlin
Zoldatendienste und erhielt später (17953) die Stelle eines
Accise-Aufsehers in Preußisch-Friedland.
Hier besuchte sein Sohn Karl Friedrich Klöden seit Ostern
1794 die Stadtschule, von deren Einrichtung derfelbe in
einer Lebensgeschichte eine Schilderung entworfen hat, welche
ins Kunde davon gibt, wie es damals in einer preußischen
-„chule noch hergehen konnte. Der geneigte Leser, der geru
und in vielen Stücken mit Recht) die „gute alte Zeit“
obt, wird daraus erkennen, daß in der Vergangenheit doch
ben auch Manches zwar alt, aber nicht gut war, und daß,
vas die Schulen angeht, wir mit beßerem Rechte von der
„guten neuen Zeit“ reden dürfen.
„Das Schulzimmer in der Stadtschule zu Friedland (so
erzählt uns Karl Friedrich Klöden) war von ziemlicher Größe,
uind bildete ein regelmäßiges Viereck. An dreien Seiten
iefen erböhte Bänke mit einer schmalen Fußbank versehen
zin, vor ihnen, in einer solchen Höhe, daß man bequem
arunter sich bückend nach den Bänken gelangen konnte, die
Zchultische. Stie waren schrecklich zerschniften, mit tiefen
eingebrannten Löchern versehen und sahen fehr fchmierig aus.
An zwei Seiten des Zinimers saßen die Knaben, an der
dritten die Mädchen. Die vierte Seite hatte keine Bänke.
dier befand sich die Thüre, der Ofen und' in der Mitte ein
Tisch für den Lehrer, auf welchem der Kantschu, eine Rute
nehrere Stöcke und ein Linegl' lagen. Die Schüler bildeten
)rei Aonlungen, deren Reihenfolge streng geordnet war/
so daß ieder feinen bestimmten Plaß in der Reihe bhatte. —