Full text: Kurhessischer Kalender (1830-1835)

gaben sich die Edlen feierlich die Hand mit dem 
Schwure, fs lange- zu. und zu fechte», 
als sie es zur Ehre ihres Bundes vrrmöcybei», 
gingen nun auseinander, um ihre todten Freunde 
zu begrabeu- und ihre eigenen Wunden verbin 
den zu lassen und eilren. dann auf's Neue, beglei 
tet von Weibern und Kindern, nach dem Wall. 
Die wenigen Furchtsamen, die es unter ihnen 
gab, wurden durch die Drohung, als Treulose 
und Verrächrr aufgebängt zu werden, zur Erfül 
lung der allgemein übernommenen Pflicht ange 
halten und Jedermann glühte, den Feind bei 
einem wiederholten Sturme muthig zu empfan 
gen. Da jedoch hierzu noch kein Schein vor-. 
Handen war, so nutzten die Bürger diese Ruhe, 
um einige Anstalten zur Ausführung ihres großen 
Entschlusses zu machen. Sie brachten eine Menge 
Stroh und andere feuerfangende Sachen herbei, 
damit die Stadt auf das verabredete Zeichen 
von den Weibern und Kindern sogleich in Brand 
gesetzt werden könnte. Hierauf traf man Vor 
kehrungen, um sich, wenn es sonst nur möglich 
wäre, der Wuth der Flammen und? der- Ver 
folgung des Feindes zu entziehen. In dieser 
Absicht wurde ein Bogen von der über die Saone. 
gehenden Brücke durchschnitten, damitman solche 
desto leichter hinter sich zerbrechen und dem Feinde 
das Nachsetzen erschweren könnte. In der Haupt 
straße, die gerade nach der Bresche führte, 
wurde eine Art von Sprenggrube angelegt, in 
welche, sobald alle Hoffnung zur Erhaltung der 
Stadt verloren seyn würde, der Ueberrest des 
Pulvers geschüttet und diese sodann in die Luft 
gesprengt werden sollte. Endlich wurden auch 
alle Straßen,.die größere ausgenommen, durch 
welche die Einwohner zu entschlüpfen gedachten, 
mit Balken und Pfählen verrammel:, um durch 
diese Hindernisse, den Feind von seiner Verfol 
gung abzuhalten. Alle diese Anstatten wurden 
mit unglaublicher Geschwindigkeit und mit einer, 
solchen Kaltblütigkeit von den Bürgern getrof 
fen, als ob sie blos zum Verderben des Fein 
des, nicht aber zur Vernichtung ihrer eigenen 
Häuser und Güter dienen sollten.. 
* Kaum waren unsere Helden mit diesen trau-> 
rigen Arbeiten fertig, als sie allerlei Bewegun 
gen im feindlichen Lager bemerkten und ihnen 
auf einmal der fürchterliche Krach einer Gene 
ral-Salve aus dem groben Geschütz und dem 
kleinen Gewehre entgegen schallte, der das kleine 
Städtchen erschütterte. Nachdem der Dampf- 
dieses schrecklichen Feuers sich verzogen hatte,, 
zeigten sich sechs Bataillons, jedes über 800 Mann. 
stark, die mit furchtbarem Ernste nach der Bre-- 
sche marschirten. Vor ihnen her zog eine Anzahl 
Pionniers, Planken und Faschinen zur Ausfül 
lung des Grabens tragend, und hinter ihnen folg 
ten ru„ge VrywavrvttLll. Reiterei. Die braven 
Burger waren zu einem solchen Besuche längst vor- 
bereitet, und empfingen mit ihren sechs kleinen 
Feldstücken? ihre-ersten Gäste, die Pionniers, 
aus das nachdrücklichste.. Allein diese hatten 
gleichwohl in kurzer Zeit den Stadtgraben eben 
gemacht- und schon kletterten zwei Bataillons, 
mit einem Haufen Grenadiere an der Spitze und 
dem Degen in der Faust, die Mauer herauf. 
So brav sie indessen fochten, so lagen sie doch 
in Zeit von zwei Stunden sämmtlich todt oder 
verwund et. am Fuße der Mauer. Der Feind lttß 
frische Truppen anrücken und der kaiserliche 
General-Feldzeugmeister, Graf von Merci, 
führte die Stürmenden selbst an. Dielen neuen 
Kampf schienen die entkräfteten Bürger, von 
denen überdies die Meisten verwundet waren, 
nicht lange aushalten zu können. Ob ihnen indeß 
jetzt gleich Alles zum Empfange der neuen Stür 
menden fehlte, so wurden sie doch nicht vom 
Muthe verlassen. * Eine einzige Stunde Ruhe 
hätte diesen Tapfern vielleicht alle ihre Kräfte wie 
der gegeben; allein der Anführer der Stürmen 
den flog mit so fürchterlicher Schnelle daher, daß 
Einige der Belagerten schon, das verabredete 
Zeichen zur Anzündung der Stadt gaben, als 
unerwartet zwölf Abgeordnete aus der Stadt 
Auxonne mit der frohen Nachricht erschienen, 
daß der Graf von Ranzau zum Entsatz auf 
dem Wege sey. Diese Nachricht gab den Bürgern 
einen begeisterten Muth; wie geflügelt eilten 
sie wieder auf den Wall, stürzten sich in den 
stürmenden. Feind und schlugen ihn zum zweiten 
Mal mit jolcher Schnelligkeit zurück, daß seine 
Schaaren. Einer über dem Andern, in den Stadt 
graben stürzten, wo Viele, ohne verwundet zu 
seyn- ihren Tod fanden. Die übrigen roch 
bereit Stehenden ergriffen die Flucht und alle 
Bemühungen ihres Anführers, sie wieder zu 
sammeln und in Ordnung zu bringen, wäre« 
vergeblich. 
Unterdessen kam die Nacht, welche die Schande 
derStürwenden bedeckte, den Siegern aber, die 
vier Stunden lang dem heißen Sturme wider 
standen hatten, Labung und Ruhe verschaffe. 
Man fand am nächsten Morgen 700 bis800 Mann 
feindliche Todte; die Belagerten aber zählten nur 
11 Todte - nämlich-acht von der Garnison und 
drei Bürger; die klebrigen waren aber fast Alle 
verwundet.. ' 
Eine solche höchst schimpfliche Niederlage, tue 
eine große, aus muntern und frischen Kriegern 
bestehende Armee von einemHäüsiein, noch dazu 
der völligen Ermattung naher Bürger erlitten 
hatte- mußte bei dem Feinde natürlich den gröff 
ten Grimm erregen.. Die Belagerten, welche 
noch nichts von der versprochenen Hülfe ver-
	        
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