Advocat Redderse», der sich ohne Umstände in die
Weiberstände gesetzt hatte und dem Schnupftabak
schon sehr ergeben war. Da er nun beim AnfaNgs-
gebete und Vorlesen der Epistel, indeß Jedermann
aufgestanden war, allein sitzen blieb, um von Zeit
zu Zeit verstohlen eine Priese zu nehmen und dies
Sackmann gleichwohl gewahrte, hielt letzterer plötz
lich inne und rief jenem mit starker Stimme zu:
„Snüffler! gieb Gottes Wort die Ehre und hebe
„dich!" — Reddersen blieb gleichwohl sitzen und
schnupfte von Neuem. Da hielt Sackmann wieder
inne und rief noch stärker als zuvor: „Snüffler ich
„sage dir nochmals, gieb Gottes Wort die Ehre
„und hebe dich." — Da aber auch auf diese Er
mahnung Reddersen sitzen blieb, und, halb gebückt
unter die Weiberstühle, zu schnupfen fortfuhr, rief
Sackmann den Kirchenvätern: „Hans und Kurt!
„kommt doch und helpt mH den Snüffler dort mal
„vom Platze, damit dat he weit, dat he in de Kerke
„is!" — Reddersen aber fand nicht für gut, die
Ankunft dieser handfesten Männer abzuwarten, son
dern sprang in langen Sätzen zur Kirche hinaus.
Sackmann ist am 11. Juni 1718 im 75.Jahre
seines Lebens in Limmer gestorben.
(Aus der Vorrede von Jobst Sackmann's platt
deutschen Predigten. 7. Auflage. Celle 1860).
Der hessische Soldat.
Wir Hessen haben uns von jeher von unsern
deutschen Landsleuten allerlei Uebels nachsagen lassen
müssen. In den alten Zeiten, als man noch die
Schwaben mit der Unkeuschheit und Einfalt, die
Baiern noch mit dem Geiz und der Habgier, die
Franken mit der Raublust und Gotteslästerung, die
Sachsen mit dem Biersaufen, die Westphalen mit
ihrem Recht, darnach man einen erst aufhieng, ehe
man ihn vor Gericht brachte, mit ihrem groben Brod,
sauern Bier und ihren langen Meilen, die Thüringer
mit ihrem Heringsessen durchzog, wußte man von den
Hessen nichts anderes Schimpfliche, womit man sie
foppen konnte, als die Armuth: die hessischen Geißen,
der hessische Ziegen - oder Schneiderspeck, das waren
in allen reichen Bezirken unseres deutschen Vater
lands die Stücklein, mit denen man die Hessen vexierte;
das Land sei so arm, meinte man, daß es nichts als
Ziegen ernähren könne, Nun, Armuth schändet nicht,
wenn sie nicht verschuldet ist, und die Hessen hatten
eben nicht Ursache, nach einem Tausch mit dem zu
verlangen, was den Baiern, Schwaben und Franken
nachgesagt wurde. Auch ist ja seitdem vieles anders
geworden. Den Ruhm aber, wackere, ihrem Land- r
grafen bis in den Tod getreue Soldaten zu sein, g
haben die Hessen zu allen Zeiten voraus gehabt und t
werden ihn mit Gott auch voraus behalten. Um den c
Preis dieses Ruhms der Tapferkeit und vor allem l
der Treue bis in den Tod läßt sich der hessische z
Schneiderspeck gar leicht, auch wohl die Blindheit >
verschmerzen, die man uns nach der Hand aufgehängt >
hat und von der die Anderen gewaltig hartnäckig !
behaupten, es wäre mit derselben nicht so ganz ohne, i
Die Ehre eines tüchtigen Soldatenthums ist den i
Hessen gar oft von den größten Heerführern und
Feldherren öffentlich und feierlich zuerkannt worden.
So kam im 30jährigen Kriege der gewaltige Kriegs
held, der kaiserliche General Tillh, mit seinen Scharen
nach Hessen (wo man ihn freilich nicht gern sah),
und nachdem er sich einige Wochen da umgesehen und
seinen Soldaten in den Scheuern und Kellern und
Geldkasten der hessischen Bauern auch ein wenig
Umsehens verstattet hatte, sagteer: Er habe hiebevor
gehört, im Land zu Hessen gebe es große Schüsseln
und wenig zu fressen (denn dies war eben auch eins
von den Stücklein, mit denen man die Hessen utzte),
allein er sehe, daß es ein edles und köstliches Land
sei; wenn seine Armee ruiniert sei, wünsche er keinen
bessern Rekrutenplatz, als das Land zu Hessen.
Die Hessen sind von jeher Soldaten wie von
Natur, und ihr ganzes Leben hindurch mit Freuden
Soldaten gewesen, gleich als müsse das so sein, ohne
sich um das zu kümmern, was man in der Welt Be
lohnung oder militärische Auszeichnung nennt. Ein
braver Gefreiter von Landgraf Carl, welcher sich
durch einen ganzen Haufen Franzosen durchgeschlagen
und seinen bereits nebst mehreren Musketieren gefan
genen Lieutenant befreit hatte, bekam dafür den eisernen
Helm. Als er vor der Front das Kreuz angeheftet
bekam und der Regiments-Commandeur ihn fragte,
ob er sich auch recht über die Ehre freue? antwortete
er: zwei Carolin wären ihm lieber gewesen. Darüber
kam er zwar alsbald mit sammt seinem Orden in
Arrest, aber der Mann hatte sich bei dieser ehrlichen
ungeschickten Antwort nichts Arges gedacht; es war
eben gedacht und gesprochen wie ein — Hesse, der
seine Schuldigkeit thut und dafür wohl eine Vergü
tung annimmt, die ihm sein dürftiges Leben fristen
hilft, aber sonst an weiter nichts denkt, am wenigsten
an äußerlich glänzende Ehre. — Im brabantischen
Feldzuge hatte sich auch ein Musketier ganz besonders
brav gehalten und die Aufmerksamkeit des Befehls
habers der Brigade, eines preußischen Prinzen, auf