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Worauf der Prinz endlich nachgab und lächelnd
erwiderte: „Nun. ja, Ditfurth! Er hat Recht,
ich will ja gehen. Sei er aber nur nicht gleich so
grob!" Jedoch schon war das Feld ringsumher von
feindlichen Reitern bedeckt, so daß der Prinz und
seine beiden Begleiter (von Ditfurth und ein
hannoverscher Ordonnanz-Dragoner) sich durch die
selben mehrmals förmlich durchschlagen mußten, wo
bei dem Prinzen einmal von einem französischen
Officier der Hut vom Kopfe gehauen, der Rittmeister
von Ditfurth aber am Arm verwundet u. kampf
unfähig gemacht wurde. Somit würde der Prinz
schwerlich entkommen sein, wenn ihm nicht unverhofft
weitere Hülfe zu Teil geworden wäre.
Zn Speier auf der Stabswache befand sich
nämlich am Tage des Treffens bei Speierbach unter
andern Arrestaten auch ein Unterofficier des hanno
verschen Regiments Schnlenburg-Dragoner, Namens
Gabriel Braun. Er war in Haft, weil er im
Streit einen hessischen Unterofficier erstochen hatte,
deswegen zum Tote verurteilt war und am andern
Tage hingerichtet werden sollte. Als nun in Folge
der am Speierbache erlittenen Niederlage Haufen
des Nassau -Weiibnrgschen Corps in wilder Unord
nung durch Speier hin die Flucht nahmen, war auch
der zur Bewachung der Arrestaten in der Stabswache
commandirte Posten auf und davon gegangen, ohne
sich um den im einsamen Gefängnisse sitzenden
Gabriel Braun weiter zu bekümmern. Dieser,
da er bemerkte, daß er unbewacht war, verließ sein
Arrestlocal, raffte einige der überall umher gestreuten
Waffen auf, fing sich ein tüchtiges Roß ein und
sprengte hinaus auf das «Schlachtfeld, um sich ent
weder Pardon zu erstreiten oder einen ehrlichen Tod
zu finden. Dort traf er in eben dem Augenblicke
zu dem Erbprinzen Friedrich, als dieser und seine
Begleiter abermals durch einen Schwarm der immer
hitziger verfolgenden Feinde auf das äußerste bedrängt
wurden. Den Prinzen erkennen und zu seinem
Beistände herbeieilen, war für Braun das Werk
eines Augenblicks. Gut beritten, ein treffticher Reiter
und Fechter, überdies von riesiger Körperkraft, wie
er es war, teilte er nach rechts und links so mächtige
Schwerthicbe aus, daß die den Prinzen bedrängenden
Feinde, von Entsetzen ergriffen, eiligst nach allen
Seiten hin in wilder Flucht aus einander stoben,
worauf der Prinz glücklich das Hauptcorps erreichte.
Für diesen dem Prinzen in höchster Not geleisteten
Beistand ward Braun von demselben nicht nur
vollständig begnadigt und durch ein Geschenk von
20 Louisd'or begabt, sondern der Prinz nahm ihn
auch, nachdem nähere Erkundigungen ergeben hatte,
daß nur Jähzorn ihn zu jener schlimmen Tat ver
leitet hatte, wegen deren er zum Tode verurteilt
war, daß er aber außerdem eine ehrliche, treue Seele
sei, als Marställer in seine Dienste, in denen er
dann auch alle Zeit sich wacker gehalten hat und
hochbejahrt gestorben ist.
Wie gnädig der Prinz, der überhaupt ein gar
edler Herr war, jenes ihm von Gabriel Braun
geleisteten Dienstes immerdar eingedenk blieb, läßt
sich auch noch aus Folgendem entnehmen. Als nach
vielen Jahren, da der Prinz schon längst Landgraf
von Hessen und König von Schweden und bereits
ein hochbetagter Herr geworden war, eine Rundreise
in Schweden machte, und der Bürgermeister einer
kleinen Stadt in seiner Bewillkommnuugsrede unter
Anderem den Wunsch aussprach, „daß ihrer Majestät
allewege in allen Nöten der Erzengel Gabriel mit
dem Flammenschwerte schützend und schirmend zur
Seite stehen möge;« entgegnete der König-Landgraf
in der ihm eigenen, alle Herzen gewinnenden, heiteren
und scherzhaften Weise: »Er dürfe als ein sündiges
Menschenkind dieses wol nicht erwarten; jedoch sei er
dem lieben Gott schon von ganzem Herzen dankbar,
wenn ihm, so er in Not wäre, stets solche Hülfe zu
Teil werde, wie sie einst sein alter treuer Erzbengel
Gabriel dahinten» (wobei er auf seinen im Gefolge
befindlichen Marställer Gabriel Braun hinwies)
»am Speierbache geleistet habe.«
Wie groß die Sonne ist.
Der Kalenderschreiber erzält gern von den Wundern
des Weltalls, von den ungeheuren Entfernungen cer
goldnen Gestirne am Himmelsgewölbe, von den
Geheimnissen des Firmaments, an deren Ergründung
sich seit Jahrtausenden die scharfsinnigsten Menschen
abgemähet haben. Solche Dinge zu betrachten und
darüber zu sinnen ist für Jedermann heilsam. Denn
an der Größe der Wunder Gottes lernen wir die
eigene Kleinheit ermessen und das ist dem Menschen,
dem sich in Kopf und Herzen so gern der Hochmut
bläht, ein gar gesundes Recheuexcmpel. Wenn uns
aber solchermaßen auf der einen Seite die Betrach
tung der Schöpfung in ihren großartigsten Berhält-
nissen lehren mag demüchigen Sinnes zu werben,
so vermag dieselbe Betrachtung auf der anderen
Seite uns auch mit erhebender Freude das Herz
zu füllen, darüber, daß es dem rastlosen Fleiß und
dem unermüdlichen, ja auch von Gott stammende»,
menschlichen Wissenstriebe gelungen ist, einzudringen
in die unermeßlichen Fernen des Weltalls und den
leuchtenden Himmeisrätseln der Nacht einen Teil
ihrer Geheimnisse abzulauschen.