Full text: Amtlicher Kalender für das Kurfürstenthum Hessen // Amtlicher Kalender für Kurhessen // Amtlicher Kalender für den Regierungsbezirk Cassel (1860-1873)

84 
S 
Grund zum Raupenfraß rc. legte. In Südeuropa, 
wohin unsere Zugvögel im Spätjahre flüchten müssen, 
ist der Vogelfang seit ein Paar Jahrtausenden eine 
fast allgemeine Liebhaberei, die mit der sich mehrenden 
Einwovnerzahl noch zunimmt. Neuerlich hat aller 
dings bei uns wenigstens der gewerbsmäßige Betrieb 
dieses gröblichen Unfuges gegen die weisesten Ein 
richtungen der Natur sehr bedeutend abgenommen. 
Leider ist dies jedoch nur deshalb geschehen, weil die 
Menge der Vögel allmählich so sehr abgenommen 
hat, daß nur der professicnirte Vogelfang (dieses 
gemeinschädlichste aller Mitteldinge zwischen Thätig 
keit und Müssiggang) als besonderes „Geschäft" zu 
wenig einbringt. Näher besehen, ist damit aber die 
Lage der Dinge nicht blos nickt besser, sondern offen 
bar noch schlimmer geworden als früher. Das 
liegt, bei der immer wachsenden Menschenzahl, an 
dem bisherigen Mangel eines durchgreifenden, allge- 
meiüen Verbots gegen das Vögelfangen überhaupt. 
Denn auf dem Lande kann man durchschnittlich auf 
je 2-Häuser wenigstens 1 Knaben rechnen, der jähr 
lich, besonders im Herbste, ein halbes Dutzend und 
häufig mehr als ein ganzes Dutzend Rvthkehlchen, 
Meisen, Zaunkönige, Rothschwänzchen u. dgl. weg 
fängt, um sie nach kurzer Gefangenschaft umkommen 
zu sehen. Thun cs doch sogar viele Erwachsene; 
ganz abgesehen von der Unzahl beraubter und muth- 
willig zerstörter 'Nester. Im ganzen wird man da 
her wahrscheinlich sehr unbedeutend hinter der Wahrheit 
zurückbleiben, wenn man annimmt, daß etwa halb so 
viel dergleichen Vögel weggefangen werden, wie eine 
Gegend Einwohner zählt. Deren hat ganz Deutsch 
land gegen 50 Millionen: demnach würden wir 
mindestens 20 bis 25 Millionen hingeopferter Jn- 
sectenvögel zu rechnen haben. Dabei würde es nun 
zwar lächerlich sein, zu sagen: mit jedem von ihnen, 
der so verloren geht, sei für das nächste Jahr einer 
Zahl von l 0,000 schädlichen Jnsecten das Leben ge 
rettet. („Lächerlich", denn es kämen dann auf jeden 
Tag nur etwa 25 Stück von einer, dem Vogel an 
gemessenen Größe! Die aber verzehrt er bereits zum 
Frühstücke. Was hätte er da also, zumal im Sommer, 
für den ganzen übrigen Tag? Dennoch würde auch 
bei dieser lächerlich geringen Berechnung immeri schon 
eine Summe von 10 Tausend mal 20 Millionen, 
also von 200,000 Millionen oder 200 Milliarden 
Ungeziefer herauskommen, die nun unvertilgt blieben, 
Und zwar ist die Menge wiederum noch der verhältnis 
mäßig kleinste Theil des Ganzen. Denn weit größer 
wird, namentlich bei einer dem Ungeziefer günstigen 
Witterung, die ganz unberechenbare Menge sein, z« 
welcher sich dasselbe nun um so ungehinderter ver 
mehren kann, weil mit den hingeopferten Vögeln st 
zugleich im Voraus auch die sämmtlichen Jungen 
dieser verloren sind, welche sie andernfalls erzeugt 
baden würden. ... So komme man denn end 
lich wenigstens jetzt, nach jahrhundertlangcr Umkehrung 
der Dinge, von der unbedachtsamen und leichtsinnigen 
Verfolgung nützlicher Thiere zu ihrer Schonung, 
also von dem Naturwidrigen zu dem Naturgemäßen, 
oder, mit einem Worte, von der Thorheit wieder zur 
Vernunft zurück! Dann wird es mit Ungezieferschäden, 
Mäusefraß u. dgl. sehr bald wieder besser werden. 
Denn glücklicher Weise ist ja die Welt von höherer 
Hand seit Uranfang her so eingerichtet, daß auch i» 
dieser Bestehung ein Jahr Vernunft, wenn man sü 
! endlich wiederkehren läßt, mehr wieder gut machen 
' wird, als was ein Jahrzehnt menschlicher Thor- 
i heit verdorben hat." 
( Gtadelnrann's Zeitschrift.) 
Buntes 
Die Zabl 4 wird von den Kabbalistikern den 
mystischen beigezählt, weil das Wort Gott fast in 
ollen bekannten Sprachen nur vier Buchstaben ent 
hält, nämlich: 
die ^riechen nenn. ihn Zeit«, 
„ Römer 
„ Spanier 
„ Franzosen 
„ Dalmatier 
„ Türken 
Deus, 
Deos, 
Dien, 
Vogi, 
Alla, 
die Egypter nenn. ihn Tand, 
„ Perser „ „ Zuri, 
„ Indier „ „ Zuri, 
„ Hebräer „ „ Eloa 
„ Deutschen „ „ Gott.' 
Saphir sagt von den Deutschen: Es ist ein närrisches 
Völkchen; während sie „ich" und „sie" klein schreiben, 
wird Ochse und Esel von ihnen groß geschrieben. 
Allerlei. 
Ein Fürst ohne Gerechtigkeit ist wie ein Fluk 
ohne Wasser; — ein Armer ohne Geduld ist ®' e 
eine Lampe ohne Oel; — eine Frau ohne Zucht ist 
wie eine Brühe ohne Salz; — ein Reisender ohb* 
Wissenschaften gleicht einem Vogel ohne Federn. 
Nach Ernennung Napoleons zum Consul auf Lebens 
zeit ließ der General St. Hilaire seine Solvaten 
aufmarschiren und rief: „Soldaten, Ihr habt ein* 
freie Meinung; ich möchte Euch nicht überreden 
Doch den ersten unter Euch, der sich gegen den Constu 
entscheidet, lasse ich vor der Fronte des Regimen^ 
todtschießen I"
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.