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Sind wir vereint zur guten Stunde,
Wir starker deutscher Männerchor,
So dringt aus jedem frohen Munde
Die Seele zum Gebet hervor;
Denn wir sind hier in ernsten Dingen,
Mit hehrem, heiligen Gefühl;
Drum muß die volle Brust erklingen
Ein volles Helles Saitenspiel.
( Achtundvierzig Jahre alt nahm Arndt zum zweiten
Mal ein Weib, eine treue Gefährtin, die Schwester des
berühmten Gottesgelehrten Schleiermacher. 1818
wurde der fahrende Mann ansäßig. Er erhielt eine
Professorsstelle an der neugegriindeten Universität
Bonn, deren fünfzigjährige Jubelfeier im vorigen
Jahre (1868) begangen worden ist. Arndt blieb
von da an am Rhein wohnhaft. Er hat auch der
odlen Gottesgabe des Weines, der ans den Neben
Millt, die auf den Hügeln den grünen Strom ent
lang so herrlich gedeihen, feurige Loblieder gesungen;
Venn er hielt es mit Martin Luthers Wort: „Wer
nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr
sein Leben lang."
Bald aber kam böse Zeit über den herrlichen
Mann. Damals war die berüchtigte Demagogen
viecherei bei den deutschen Regierungen in Schwang
gekommen. Wer ein mannhaftes, freimüthiges Wort
öffentlich sprach oder schrieb, sollte ein Fürstenfeind
und Leuteverderber sein, und die Herren Minister,
bie damals am grünen Tisch in Berlin über Preußen
regierten, entblödeten sich nicht, auch den getreuen,
frommen Arndt, den Mann, der für Zucht und
Ordnung, Wahrheit, Recht und Gottesfurcht all
sein Leben hindurch mit Wort und That gezeugt und
gestritten hatte, als einen vaterlandsgefährlichen
Umstürzler, Jugendverführer und Störenfried anzu
nagen, ihm seine Papiere und Briefschaften wegzu
nehmen, ihn in seinem Amte stille zu stellen und ihn
sogar, freilich nur auf einen halben Tag, in Haft
iu thun. Bolle einundzwanzig Jahre ist Arndt
ohne Richterspruch amtlos geblieben, bis Friedrich
Wilhelm der Vierte, sogleich nachdem erden preußischen
Thron bestiegen, ihn wieder in Amt und Ehren ein-
wtzte. Zwei mächtige Verbündete, schrieb Arndt
hachmals, mein Gott und mein Gewissen, haben mir
ll ) jenen Tagen das Schwerste tragen helfen. Zu
Diesem Schwersten gehörte auch, daß ihm ein lieber
Sohn, Willibald geheißen, ein schöner Knabe von
vfun Jahren, in welchem des Vaters Fenergeist
wiedergeboren war, im Sommer 1884 beim Baden
rrtrank. Das war ein schweres Opfer, welches des
Alten Lieblingsstrom, den er so hoch im Liede ge
priesen, von ihm forderte und nahm.
Als im Jahre 1848 in Frankfurt das erste
deutsche Parlament zusammen trat, wurde Arndt
in nicht weniger als vier Wahlkreisen zum Vertreter
gekürt. In der Paulskirche empfing den greisen
Patrioten, da er zum ersten Mal die Rednerbühne
betrat, (er wolle, sagte er, in der Versammlung
gleichsam wie ein „gutes altes deutsches Gewissen"
sitzen) ungeheurer Jubelsturm der Anwesenden.
Noch elf Jahre nach dem Beginne der Revolu
tionszeit hielt die gewaltige Leibes- und Geisteskraft
Arndts aus. Er war bis zu seinem Ende frisch
und gesund. Zwei Monate, ehe er seinen neunzigsten
Geburtstag feierte (an welchem Tage ihm aus allen
Gegenden Deutschlands Grüße, Glückwünsche und
Ehrenbezeugungen aller Art zukamen), hat ihn der
Schreiber dieser Zeilen in Bonn besucht und einen
schönen Abend bei ihm verbracht. Er fand den alten
Kämpen über einem Buche, in dem er ohne Brille
bei Lampenlicht las, und der Kalendererzähler wird
die feurigen jugendfreudigen Worte nimmer vergeßen,
die Vater Arndt damals in unermüdlichem, stunden
langem Gespräche über des deutschen Vaterlandes
Gegenwart und Zukunft zu ihm geredet hat.
Am 29. Januar 1860 drückte der Todesengel
milde und sanft dem Greise die Augen zu. An
seiner Gruft sang ein Männerchor einige Strophen
aus dem Grablied, welches Arndt für sich selbst
viele Jahre vor seinem Ende gedichtet hatte:
Geht nun hin und grabt mein Grab;
Denn ich bin des Manderns müde;
Bon der Erde scheid' ich ab;
Denn mir ruft des Himmels Friede;
Denn mir ruft die süße Ruh
Von den Engeln droben zu.
Ein Schlaukopf.
Der vorletzte König von Hannover hatte unter
seinen Adjutanten einen Mann, der bei ihm in be
sonderer Gunst stand, und welcher besser als alle
anderen Leute am Hofe verstand, Seiner Majestät
oft wunderliche Launen zu sänftigen. Freiherr von
S., so hieß der General-Adjutant, war eine Art
leibhaftiger Blitzableiter, und wenn es in den aller
höchsten Regionen von Hannover wetterte und donnerte
(was keine Seltenheit war), hatte der Freiherr die
Geschicklichkeit, die Schläge überaus klug aufzufangen
und in Richtungen abzulenken, wo sie nur „kalt"