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hatten in dem Jahr die Saaten zerstört und alle
Aussicht aus eine auch nur erträgliche Ernte zu
nichte gemacht. Gleich im Anfang des Winters war
schon bei den meisten jedes Plätzchen leer, und es
war noch gar lange bis dahin, wo man in Scheune
und Keller wieder etwas finden durfte. Wenn auch
einige Bauern, die eine ausgedehnte Feldwirthschaft
besaßen oder deren Aecker hoch gelegen und vor dem
Wasser geschützt gewesen waren, für sich und die
Ihrigen genug und auch noch darüber hatten, so
war doch bei den ärmeren und geringeren Leuten
Roth und Mangel der tägliche Gast; kommt es einem
schon sauer an, von der Hand in den Mund zu leben,
so ist es aber doch eine über die Maßen schwere
und harte Prüfung, Hunger zu haben und nichts
dazu, um ihn zu stillen.
"Ja, ja," rief jetzt der Bachkaspar, der ein ge
ringer Mann war und mit Kühen fuhr, »in dem
Jahr hat mancher von unseren großen Bauern sein
Schäfchen geschoren. Sie sind in Wohlstand ge
kommen, ohne zu wissen, wje. Dem Eckenbauer
regltdten ja die Thaler ins Haus; ich weiß, er hatte
das Geld in seiner Kammer in Metzen stehen.
»Und von wem hatten die Großen damals ihren
Mammon?« entgegnete mit Eifernder Bienjakob;
»Von den Kleinen und Armen! Das Blut unter
den Nägeln haben sie denen ausgepreßt; den letzten
Heller, ja das Bett unter dem Leibe mußten diese
hergeben, und dabei litten sie doch nur Hunger und
Kummer. Ein Stück Brot kam schon lange nicht
mehr in den Schrank, Und wenn einer Salz und
Kartoffeln hatte, so war es ihm eine reichliche Mahl
zeit. Das Geld ja, ist eine schöne Sache, aber wenn
der Schweiß und die Thränen der Armuth daran
kleben, dann ist's Blutgeld! Mög's solchen Unbarm
herzigen Gott dereinst ver— «
»Still, sprecht das Wort nicht aus, Jakob!« fiel
ihm der Schusterkonrad in die Rede. »Ueberlaßt's
dem, der da spricht: die Rache ist mein, ich will
vergelten! Freilich soll ja keiner den Ertrag seiner
Aecker umsonst hergeben, muß doch jeder gar viel
sorgen, ringen und sich abarbeiten, bis er die Gaben
des Feldes in Sicherheit hat; aber unverantwortlich
ist's und geradezu Sünde wider das achte Gebot,
wenn einer sich die Noth seiner Mitmenschen zu
Nutze macht und die Preise zu einer Höhe setzt, wo
sie der Arme nicht mehr bezahlen kann. Ist's denn
für jemanden, der überhin genug hat, so etwas
Großes, zur Zeit des Mangels mal in seinen Schatz
zu greifen und nur die Liebe walten zu lassen und
für das, was er den Armen Gutes thut, nichts
weiter zu nehmen als ein: Gott vergelt's! Vergesse
ich aber das Wort unseres Heilands: Ich bin
hungrig gewesen und ihr habt mich nicht gespeiset,
dann vergißt er mich auch, und seine Gnade hat
keinen Raum für mich: denn er will, daß die große
Kluft zwischen Arm und Reich durch die barmherzige
und gebende Liebe ausgefüllt werden soll. Und wenn
auch die Zahl der fröhlichen Geber noch nicht aus
gegangen ist auf Erden, so gibt's doch daneben noch
gar so viele, die in den Stricken der Habsucht und
des Geizes liegen. Denn der Glanz des Goldes ist
zu mächtig, er blendet und verführt, und die sich
haben leiten und fangen lassen, was haben sie für
Gewinn? Nur daß das Geld ihre Herzen hart
macht und vor dem darbenden Bruder zuschließt!
Ich habe mal gelesen — und das hat mir einge
leuchtet — das Herz des Geizigen gleicht dem Meere,
das alles, was in seine Nähe kommt, erfaßt und
verschlingt, das nichts aus sejner Tiefe wieder zurück
gibt und doch nimmer satt wird. Bei all den
Schätzen_ aber wohnt kein Frieden in der Seele des
Habsüchtigen, der Geiz martert und quält ihn täglich
und stündlich, und doch sagt er ihm den Dienst nicht
auf; das bittende Menschenwort, wie das mahnende
heilige Gotteswort kommt wieder leer von ihm zurück-
Und was ist das Ende? Allermeist ein Ende mit
Schrecken. Davon gerade kann ich ein' redendes
Beispiel anführen. Die Geschichte ist zwar nicht hier
passirt, sondern drüben im Heilbacher Grunde, aber
ich habe sie mir damals gemerkt und sie steht jetzt
noch so vor meiner Seele, als wäre sie erst gestern
geschehen.«
»Theilt uns die Geschichte mit, Konrad!« riefen
die andern, »wir wollen eure dankbaren Zuhörer
sein.«
»Also drüben im Heilbacher Grund,« begann der
Schusterkonrad seine Erzählung, »lebte zur Zeit des
Mißwachses anno 1817 ein Drechsler Namens
Roppery. Er arbeitete rechtschaffen, machte Weifen,
Spinnräder, Schwingstöcke und allerhand sonstiges
Hausgeräts, und hatte sein tägliches Brot. Als
aber die Theuerung drückte, legte er sich manchen
Abend schlafen, ohne zu wissen, wovon er am anderen
Morgen für sich und die Seinigen den Tisch decken
sollte. Das Korn war schon längst aufgezehrt, und
die Kinder mußten doch einmal wieder ein Stück
Brot haben. Da dachte er: du gehst drüben zu
deinem Nachbar, der hat noch den Boden voll; ihm
ist es ein Kleines, dir einen Scheffel abzulassen;