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vielleicht, du habest gestohlen und deine Freunde müssen
sich deinetwegen schämen. Sprichst du aber, du wollest
es nicht ausrichten, so lässet er dich dennoch tödten,
und weil sein Herz voll bösen Willens ist, so ist's
doch um deine gnädige Frau geschehen, sie muß sterben.
So trug er sich mit diesen Gedanken Tag und Nacht
.in großen Sorgen. Eine Zeit lang hatte er den
Willen zur That, dann aber besann er sich wieder
eines andern, und so trieb er dies wol an 14 Tage.
Als es aber dem Landgrafen vorkam, als zögere der
Knecht, seinen Auftrag zu vollziehen, so drang er
mit Ernst in ihn, zu thun, was er ihm befohlen.
Da dachte der Knecht, du kannst nicht länger verziehen,
kam des Nachts zu Margarethe und fiel ihr auf die
Decke und sprach: Liebe, gnädige Frau, gebt mir
Gnade, doch habe ich nichts gethan. Ei, antwortete
sie, warum fliehst du zu mir und bittest uin Gnade.
Ja, sprach der Knecht, ich soll es noch thun. Sie
aber entgegnete: Bist du trunken oder rasend? Wie
dem auch sei, erwiderte der Knecht, gebt mir Gnade
und höret mir freundlich und geduldig zu, sonst müssen
wir beide sterben. Mein Herr hat mich geheißen,
euch zu tödten, aber das will ich und mag ich nicht,
ich will lieber mit euch sterben. Hierauf berieth sich
die Landgräfin mit ihrem Schenken, und nach seinem
Rath sollte sie von Kleidern, Geld und Kleinoden
zu sich nehmen, was sie hätte, und er wollte dann
ihr zur heimlichen Flucht aus der Wartburg behilflich
sein, das wäre das Beste. Nun gedachte die unglück
liche Mutter ihrer Kinder, ohne Abschied konnte sie
doch unmöglich von ihnen gehen. Darum begab sie
sich in das Gemach, wo ihre beiden Knaben, der
eine von anderthalb, der andere von drei Jahren in
der Wiege lagen, bog sich über den ältesten mit großem
Jammer herab und biß ihn in den Backen, daß es
deinahe durchging, und wollte dem anderen auch also
lhun. Allein das wehrete ihr der Schenke, und sie
sprach: "Ich will sie zeichnen, daß sie an dies Scheiden
sollen gedenken, so lange sie leben.«
Hiernach wurde die Landgräfin am Seile zum
Fenster hinaus und einen hohen Felsen hinabgelassen.
Sie schritt mit ihren Begleitern in die Nacht hinaus
und wanderte mit großer Betrübniß fürbaß bis zum
Morgen. Da nahm sie der Amtmann des Abts von
Hersfeld in Empfang und führte sie nach Fulda, und
der Abt von Fulda gab ihr das Geleit bis gen Frank-
surt. Daselbst empfiengen sie die Bürger mit vielen
Ehren, weil sie des Kaisers Tochter war und bei ihnen
Freundschaft und Zuflucht suchte. Sie gaben ihr ein
eigenes Haus ein und versorgten sie in allen Stücken
gebührlich und recht. Allein ihr Herz war stets
betrübt; schon im folgenden Jahr starb sie vor Kummer
und ward allda begraben. Also beschloß Margarethe,
verstoßen von ihrem Gemahle, getrennt von ihren
Kindern, fern von ihrer Heimat ihr einsames Leben,
und erfüllte so das Geschick ihres Hauses mit, das,
nachdem es einst kräftig aufgeblüht war, in Kraft
und Macht geherrscht und in langem Kampfe nach
einem hohen und festen Ziele gerungen hatte, zuletzt
in Schmach und Traurigkeit erlosch.
Merke: Glück und Heil wohnt nicht immer bei
Kronen und auf Thronen, nur ein frommes und gott
ergebenes Herz hat den rechten Frieden, und wenn
es auch unter dem Kittel schlägt oder nur ein Dach
kämmerlein sein eigen nennt.
Item: die Vergangenheit hilft uns die Gegenwart
verstehen, wenn du auch manchmal klagest, daß du
in der Welt übel geplaget werdest; blicke zurück, die
Hohen und Gewaltigen haben's oft nicht besser als
du gehabt, du möchtest in vielen Fällen nicht mit
ihnen tauschen.
Eine neue Warnung für Auswanderer.
Wieder und wieder hat man die Auswanderungs-
lustigen gewarnt, sich bei einer Uebersiedelung nach
fernen Welttheilen vor Privatcontracten zu hüten,
die hier in Deutschland abgeschlossen werden, indem
sie die Folgen derselben gar nicht übersehen können,
weil ihnen eben die Verhältnisse jener fernen Länder
so vollkommen unbekannt sind.
Wir haben es aber da wieder mit dem ewigen
Jammer in Deutschland zu thun, daß der geringe
Mann nichts liest, als was ihm in die Hand gestopft
wird; und wie damals sämmtliche nach Peru ange
worbene Emigranten fortzogen und nicht einen Artikel
von all den hunderten gelesen hatten, in denen sie
vor einer derartigen Uebersiedelung gewarnt waren,
so ist mir neulich erst wieder ein ganz ähnlicher und
noch mehr schlagender Beweis vor Augen gekommen,
wie vollkommen willen- und rathlos der Bauer und
Arbeiter auf dem Lande den Verlockungen zur Aus
wanderung gegenüber steht, trotz allem, was dagegen
gesagt und geschrieben ist.
Ich will den Fall hier einfach erzählen, um die
Leute doch wenigstens in etwas auf die Gefahren
aufmerksam zu machen, denen sie sich aussetzen, wenn
sie eben toll und blind in die Welt hinein rennen.
Zufällig durch eine Verwandte Eines der Auswan
derungslustigen, die zu mir kam, um sich in der Sache