REDE ÜBER DAS ALTER.
Wer hat nicht Cicero de senectute gelesen? sich
nicht erhoben gefühlt durch alles was hier zu des alters
gunsten, gegen dessen verkennung oder herabsetzung
gesagt wird? traun es sind lauter ernste, männliche ge-
danken, in gefüger gliederung fortschreitend und sich
entfaltend, von triftigen beispielen und bildern belebt,
mit einer freien, niemand aufgenöthigten aussicht auf die
fortdauer der seele nach dem leben ruhig geschlossen.
gleich die an die spitze gestellten ennischen verse:
o Tite, si quid ego adjuero curamve levasso,
quae nunc te coquit et versat in pectore fixa,
ecquid erit praemi?
spreiten einen wolthuenden, anhaltenden schimmer über
die ganze schrift, welche fortan mit diesen anfangswor-
ten ‘o Tite’ jedem deutlich bezeichnet werden durfte *),
wie sie Cicero auf seinen bewährten freund Atticus, den
er mit traulichem vornamen anzureden pflegte, schlagend
anwendet. nur in dieser vorrede aber tritt er redend
auf, das buch selbst ist in einen dialog zwischen Cato
major, Scipio und Laelius eingekleidet, wo jedoch, nach-
dem einige reden gewechselt sind, der erstere bald al-
Jein das wort führt, und desto schärfer ausfallen musz
der eindruck hier gesprochner lehren und mahnungen,
als sie in eines der gröszten Römer mund gelegt wer-
den, der zur zeit wo Cicero sein buch niederschrieb be-
*) epist. ad Att. 16, 3 und 11.