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Jetzt läßt's nach. Gott sei Lob und Dank für alle seine Gaben!
Wenn's nur allerwegen hingekommen ist! Hab' ich doch gehört, daß in
einigen Gegenden das Korn wegen der Dürre recht verkommen sein soll.
Sollte mir von Herzen leid thun; doch ist's vielleicht nicht so arg, wie
man's macht. Bei uns steht noch alles fröhlich in Hoffnung. Unser
Herrgott beschere uns eine gesegnete Ernte!
Leb wohl! Wenn Du meinst, daß mein Brief diesmal das Postgeld
nicht wert sei, so hast Du Dich auch noch nicht von ganzem Herzen über
einen Regen gefreut. Dein getreuer Vetter
Gottlieb Schulze. Jahn.
60. Die Schlacht im Teutoburger Walde (9 n. Chr.).
Die römischen Feldherren Drusus und Tiberius waren mit
ihren Heeren bis tief in das Innere von Deutschland vorgedrungen,
und schon glaubte Kaiser Augustus, das überrheinische Land als
Provinz einrichten zu können. Quinctilius Varus war als Statthalter
in diese Gegenden gesandt worden; er sollte römisches Gerichtswesen und
römische Besteuerung unter den Germanen einführen, wo bis dahin der freie
Mann an niemand Steuern gezahlt und kein anderes Gericht als das der
Gemeinden gekannt hatte. Mit den Steckenbündeln seiner Liktoren, von
römischen Juristen und Schreibern umgeben, zog Varus in das Land und
schlug an der Lippe und Weser seinen Richterstuhl auf. Anfangs wagte
kein Stamm, ihm den Gehorsam zu verweigern; — aber mit welcher
Erbitterung mußte es der deutsche Mann sehen, daß ein fremder Gewalt
haber nach einem Rechte, das er nicht verstand, über ihn richtete; daß
er selbst für leichte Vergehen die knechtische Strafe körperlicher Züchtigung
erlitt; daß über Leben uud Tod der Machtspruch eines einzelnen entschied,
und daß er, dem bisher nur seine Knechte zinsbar waren, steuern sollte!
Was der Römer von ihm verlangte, setzte ihn nach seinen Begriffen dem
Knechte gleich und griff den innersten Kern seines Lebens au. Die
Erbitterung gegen Varus und Rom wuchs mit jedem Tage; mit ihr der
Rachedurst und das glühende Verlangen, sich dem Joche der Fremdherr
schaft zu entwinden.
Mittel und Wege fand der kühne und scharfe Geist eines jungen
Cheruskers. Armin, aus einem adligen Geschlechte seines Volkes entsprossen,
war früh, wie andere seines Hauses, in den römischen Kriegsdienst getreten;
durch Tapferkeit hatte er sich ausgezeichnet, hatte das römische Bürgerrecht
erlangt und war zum Ritter erhoben worden. Unter Tiberius hatte er
gegen sein Vaterland gedient und unter solchem Führer vor allem gelernt,
wie man der List mit List begegnet, und wie nur durch vereinte Kraft
und strenge Zucht große Dinge zum Ziele zu führen sind. Als er in die
Heimat zurückkehrte, um sich sah und erkannte, daß die von den Vätern
ererbte Freiheit nicht ohne einen mutigen Kampf zu retten sei, daß für
des Vaterlandes heiliges Recht und für die heimatlichen Götter Schild
und Speer von jedem freien Manne ergriffen werden müsse, da wußte er
die Fäden einer Verschwörung so fein und so geheim zu schürzen, daß
der Römer, obschon gewarnt, doch in sein Netz ging. Armin verstand
die zwiespältigen Stämme zu einem großen Unternehmen zu einigen, und