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Der Christbaum.
Ich kenne ein Bäumchen wunderhold,
Das glänzet, wie lauteres Sonnengold,
Wie Sternenschein in Winternacht,
Wie Demantfunkeln im Erdenschacht. —
Geboren hat es ein deutscher Wald,
Gezogen es schön und wohlgestalt't,
Und wo der Deutsche hinlenket den Schritt,
Da wandert das wunderholde auch mit.
' Zum Strand, wo der Britte die Segel hißt,
Das ewige Eis am Nordpol ist;
Das Gold der Ealifornier gräbt;
Und die Eordilliere zum Himmel strebt.
Und wo es grünet und duftet und blüht,
Da lebt gewiß auch ein deutsches Gemüth,
Da leuchtet deutsche Wissenschaft,
Bringt goldene Früchte die deutsche Kraft. —
Und wo es grünet und duftet und blüht,
Der Traum der Heimath es auch umzieht,
Der schöne, wunderselige Traum
Der Weihnachtsfrende am Weihnachtsbaum. —
Da jubeln auch deutsche Kinder laut;
Da deutet's der deutsche Jüngling der Braut;
Da wird der deutsche Mann wieder jung,
Ein Kind in seliger Erinnerung.
Das ist der Christbaum so wnnderhold,
Mit Demantfunkeln und Sonnengold,
Und predigt in seinem gold'nen Schein:
„O glücklich, o selig ein Volk zu sein!" —
Ludwig Mohr.
Buntes Allerlei.
» Redacteur-Taktik. Im Jahre 1855 am Vorabende
des Geburtstags des letzten Kurfürsten erschien in der Redaction
der Casseler Zeitung ein Soldat mit einem Gedichte. Dasselbe
hatte die Form eines Gebets und war keineswegs eine Speichel
leckerei, wie derartige Producte zu sein pflegen, auch schien der
Verfasser nichts weniger als ein Freund des damaligen Regi
ments, das durch den Minister Hassenpflug repräsentirt wurde.
Der zweite Vers dieser Widmung flehte vom Himmel:
„Gib i h m (dem Kurfürst) Räthe hochbegeistert
Für die Freiheit und das Recht,
Die sein Wohl im Auge haben
Und das alte Landesrecht.
Einen solchen Vers konnte Dr. Pinhas, der Redacteur
des officiellen Journals, selbstverständig nicht passiren lassen.
Derselbe brachte ihn jedoch auch nicht in Verlegenheit, er strich
zwei Worte, setzte ein unscheinbares anderes dafür hin und
hatte somit das ganze Machwerk ans den Kopf gestellt. Am
zwanzigsten August las man:
»Seine Räthe, hochbegeistert
Für die Freiheit und das Recht,
Die sein Wohl im Auge haben
Und das alte Landesrecht"
und sagte: „der Verfasser ist auch einer, welcher sich ein „rothes
Röckchen" verdienen will." Etwas Weiteres über die Gewand-
heit des Redacteurs und die Blasphemie ans die Wahrheit zu
sagen, halten wir für überflüssig. -
Literatur, Kunst und Theater.
Neu erschienen:
Mathilde Paar: Deutschland's Fürbitter. Ein
vaterländisches Gedicht. Der Ertrag ist zum Besten der Hinter
bliebenen der im Felde gefallenen deutschen Krieger gewidmet.
Preis 2'/- Sgr. Luckhardt'sche Verlagshandlung (F. Lnckhardt).
Die Verfasserin beschreibt in einnndsiebenzig Versen ein
Traumgesicht. Allvater thront in seiner Götterbnrg Walhalla
und Deutschlands Helden : Hermann der Cherusker, Karl der
Große, Otto der Erste, Friedrich Barbarossa, der junge Kon-
radin und sein edeler Freund, der ritterliche Maximilian, Luther,
der gewaltige Geisteskämpe, der große Kurfürst, der alte Fritz,
Prinz Louis Ferdinand, Erzherzog Karl von Oesterreich, der
Sieger von Aspern und Eßlingen, der alte Haudegen Blücher
und Deutschlands Genius, die Königin Lonije, treten ans und
legen ihre — sie gleichzeitig charactrisirenden — Fürbitten,
welche sämmtlich ihren Culminationspunkt in dem Worte
Einigkeit haben, zu den Füßen Allvaters nieder. Wodan neigt
sein Haupt und in nebelgrauer Ferne tauchen die blutgetränk
ten Höhen von Weißenburg aus. Das ist der Inhalt dieses
dichterischen Versuchs, mit welchem die Verfasserin zum ersten
Male vor der Oeffentlichkeit debütirt. Der leitende Gedanke
ist nicht übel durchgeführt, wenn die Ausführung auch etwas
weniger breit hätte sein können, dagegen ist die Diction wie
derum nicht ohne poetischen Schwung. Wir wünschen schon
um des Zweckes Willen dem Büchelchen einen recht lncrativen
Erfolg —
' Heinrich König, der bekannte Dichter der: „die hohe
Braut", „die Clubisten in Mainz", „die Waldenser", „Williams
Dichten und Trachten", „Regina",»Veronica", „König Jerome's
Carneval", „Täuschungen", „Seltsame Geschichten" wird von
seiner Vaterstadt Fulda in Kürze eine Votivtafel gewidmet
erhalten. Dieselbe soll an seinem Geburtshause in der Schul
straße angebracht werden. Als den Tag, an welchem dieses
geschehen soll, bezeichnet man den 19. März 1871, den kom
menden Geburtstag des Verewigten.
Nachdruck und Nclu'rsctmngsrccht vorbehalten.
Herausgeber: E. Landsiedel und L. Mohr. — Druck von E. Landsiedel in Cassel. — Expedition: Steinweg Nr. 24.
Verlag der L u ck h a r d t'schen Buchhandlung (Fr. Lnckhardt) in Cassel.