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Reno's mit Frau von Dahlheim so gut als geschlossen
zu betrachten sei.
Lange hing Fuchs allen diesen Gedanken nach,
und vor sich hinbrütend starrte er in die flackernde
Flamme des Lichtes. Das Weiße seines Auges schien
von Minute zu Minute immer mehr von Blut unter
laufen, und der immer unheimlicher werdende Blick
verlor seinen menschlichen Ausdruck und nahm etwas
Wildes, etwas Dämonisches an. Plötzlich krallten sich
seine Hände aus, als wollte er etwas erfassen und mit
Gewalt an sich ziehen. — „Das Vermögen muß bis
auf den letzten Heller unser sein!" schnarrte seine ton
lose Stimme, als er aufsprang und mit hastigen Schritten
die Stube durchmaß. „Dem Passus im Testament muß
Gültigkeit verschafft werden — ich werde sie ihm ver
schaffen !" —
Die angeborene Leidenschaft nach Besitz, der selbst
in den Händen seines Geschäftes Wollust für ihn war,
hatte den Vorsatz zur bösen That in ihm geboren.
Zähe, wie er alle seine Geschäftsoperationen verfolgte,
hing er von nun an nur dem Gedanken nach, wie
er am raschesten und sichersten sein Ziel erreichen
könne.
Kaltblütig, als säße er über den Ziffern des Kassa
buchs in seinem Comptoir, warf er sich wieder auf das
Kanape und calculirte über sein Vorhaben nach. Tiefe
Stille herrschte im ganzen Hause, nur das Geräusch,
welches das Schneegeriesel — von dem Wind an die
Fensterscheiben getrieben — verursachte, war vernehm
bar. Da wurde jenseits des dunkelen Ganges eine
Thür heftig in das Schloß geworfen. Wie electrisirt
fuhr der Procurist zusammen, denn der Schall der zu
geworfenen Thüre hatte einen mächtigen Widerhall in
der Seele des Sinnenden geweckt.
Jene Thüre — er erkannte sie an dem Geräusch,
das ihr Zuschlagen verursachte — vermittelte den Ein
gang zu dem Laboratorium des Wunderdoctors. Oft
mals schon hatte er dem mediciuischen Bönhase Gesell
schaft geleistet, wenn er seine Kräuterträukchen braute,
er kannte fast alle seine Büchsen, Flaschen und Fläschchen,
auch jenes, dessen Etikette durch den daraus gemalten
Todtenkopf den Inhalt als Gift bezeichnete. „Einige
Tropfen davon", so hatte der alte Bram ihm gesagt,
„in eine Schaale mit Thee oder in ein Glas Wasser
gethan, genügen, bei dem sie Genießenden fast augen
blicklichen Tod herbeizuführen." Bram hatte ihn öfters
in dem Laboratorium allein gelassen; — wie, wenn er
die Gelegenheit jetzt suchte und sich von dem Inhalte
des Fläschchens versicherte. Wie leickt wäre es nicht,
die Gewohnheiten deö reichen Erben auszukundschaften,
man müßte sich unerkannt an ihn zu attachiren suchen
und — — —
Da er selbstverständlich am heutigen Abend nichts
Näheres über den ehemaligen Sonnenbruder erfahren konnte,
und es schon spät geworden war, so putzte er seine
Cigarre aus, suchte sein Lager auf, und bald schwelgte
seine Phantasie im Vorgenusse der Freude, welche der
Erwerb des ansehnlichen Vermögens für die Firma ihm
bieten würde.
Der erste Gedanke bei seinem Erwachen am an
deren Morgen war der, energisch dahinter zu sein, um
die Gewohnheiten Ronneberg's auszukundschaften, um
rasch und sicher sein Vorhaben ausführen zu können.
Ein Zufall sollte das unnöthig machen und gleichzeitig
seinen Plan fördern.
Als Fuchs am folgenden Tage an seine Beschäf
tigung gehen wollte und den Hausflur passiOe, ries ihn
aus dem offenen Magazin der Besitzer an: „Herr Fuchs,
ein Wort! Wie gefällt Ihnen dieses Don Carloscostüm
ä In Löwe?" *)
Fuchs betrat das Local, auf dessen Dombank der
geschäftige Hauswirth das Gewand selbstgefällig aus
breitete. Bei dem Anblick des Costüms durchschoß den
Procuristen ein Gedanken, und vor seinem Blicke stand
der junge Alaun, den er gestern Abend m Unterhal
tung mit Herrn König im Magazin gewahrt hatte.
Die angelaufene und theilweisc gefrorene Fensterscheibe
hatte ein genaues Erkennen unmöglich gemacht. In dem
Augenblicke jedoch, da er über die Schwelle des Ma
gazins trat, durchbebte es ihn wie eine Ahnung, daß
der Kunde der reiche Erbe gewesen sein müsse. Wenn
das Glück Dir wohl wollte? jubilirte das Herz dem
Procuristen in der Brust, und doch that er höchst gleich
gültig, als er den Stoff des Gewandes betastete, und
seine Worte klangen kalt, als er sagte: „Sie wissen,
Herr König, wie wenig ich mich je um dergleichen
Alfanzereien bekümmert habe; dem Stoff nach zu ur
theilen, muß es jedoch ein werthvolles Stück sein, denn
der Sammt scheint ächt. Der Manu muß es machen
können, welcher sich um einer flüchtigen Nacht willen
in die Kosten seiner Beschaffung steckt."
*) Löwe war der gewöhnliche Darsteller des Don Carlos
auf der Nordener Hofbnhne, welcher in jenen Tagen ihr au-
gustisches Alter blühte. Er starb am 7. März d. I. zu Wien.