II
Lebensbeschreibung.
Alter zu der Schwermüthigkeit gebracht, daß alle
philosophische Heilsmittel, die er andern so emsig
angepriesen, an ihm ihre Kraft verlohren, und zu
Schanden worden.
VI.) Macht man sich über seine Weisheitö- und
Sittenlehren selbst her, und wirft ihm vor, daß,
wie dieselben ohnedem zum theil auf stoische und
epicurische Grundregeln gebauet, selbige vielfälti
ger weise wider die Hauöhaltungsklugheit, ja wi
der bessere Erfahrung und unserm merklichen
Nutzen offenbar streiten; * überdem auch wegen
öfterer Wiederholung derselben fast immer einerley
Leyer sey, als wodurch das noch darin steckende Gu
te gar zu seicht und trocken würde. Und was
wolte man für eine Moral von einem Menschen
erwarten, der ein Arzt ** für andere zu werden
suchte, sich selbst aber in keinem Stücke zu helfen
wüste? Der sich***von herrschenden Leidenschaf
ten hinreisten liesse, und seine sonst gute Lehrsätze
selbst nicht in Uebung zu bringen vermögte? Die
Sendschreiben wären zwar ein Entwurf von einem
sittlichen Lehrgebäude, es hiengen die Sachen drin
aber wie Stricke von Sand zusammen; mithin
wäre nicht abzusehen, wie einer, der ordentlich und
regelmässig wolte denken lernen, sich ein System
daraus zu machen, im Stande sey. Wie könnte
man es ihm auch vergeben, daß seine Sittenlehre
ihm gestattet, den Leuten Sachen von sich weiß
zu machen, die offenbar wider sein Naturel liefen,
und
*** L, 5. Epod, 11. r. 57. L,2.
Sat.7. v.2; - 27, L,i,Epist.
2,p,t. Epist, 17. V.2.Z.
*L, 2, Epist, 2. V. i;8. sqq.
** L, 2, Epist, 1. V, ii 4. ii 5.
E, i, Epist, 17. v. 3. 4*