Full text: Meine Kasseler Zeit (Band 1)

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und Eichen ,die in den Porsten des Sachsenwaldes besonders vorherrsche: 
lag Rauhreif .Wie mühsam man auch durch den Schnee stapfend ,den Wald ' 
durchschritt ,immer war man gefesselt und überwältigt von der Märchen— 
pracht ,die der ganze in Schnee und Eis verwandelte^Wald enthüllte 
fenn das grelle Sonnenlicht im Schnee glitzerte oder die Strahlen der 
Sonne die Eiskristallgewandung <Jer in prachtvoller Struktur sich dar 
bietenden Bäume beleuchtete ,dachte man unwillkürlich an Stimmungen ,w: 
sie in so poetischer und anschaulicher Weise Andersen in seinen Märchen 
von der Eisjungfrau geschildert $at . las im Sachsenwald reichlich vor! 
hünden« Wild ,Kehe , Hirsche ,Füchse ,die sonst kaum zu erblicken warer 
wurden vom Hunger in die Nähe der Menschen getrieben . Zutraulich äugte 
es uns an ,ehe es schliesslich flüchtig ging . las gab der unvergessli 
chen ’ Änderung noch erhöhten Reiz . In der Nähe der Aumühle erblickte 
man in nicht allzugrosser Sntfernung,neben seinem Oberförster auf einer 
zasispännigen Wagen sitzend und in einen Pelz eingehüllt ,den Herrn des 
Waldes ,den getreuen Ekkehard des deutschen Reiches »den greisen Hecker 
Bismarck ,den auch das schöne Winterwetter in den Weid gelockt hatte. 
Mitglieder der Bismarck’sehen Familie traf ich auf meinen Streifzügen 
durch den Sachsenwald ziemlich häufig ,insbesondere seine Enkelsöhne, 
die d ra f e n Rantzau ,die meist in Begleitung ihres Erziehers ,damals Jur 
gern: im Alter von 8 - 1o Jahren sich im Walde viel he rum tummelten .. 1er 
Zufall wollte es ,dass in späterer Zeit ich den einen der Grafen Rant 
zau ,einen liebenswürdigen kunstsinnigen Herrn »der in Kassel als Recht 
anwalt lebt ,persönlich kennen lernte 0 Nach Freidrichsruhe ,zu Lebzei 
ten Bismarcks ,ein wahrer 'Wallfahrtsort für Tausend*. von Deutschen und 
Ausländer bin ich noch vor meiner Übersiedlung nach Reinbeck gekommen. 
Ausserlich sieht das Herrenhaus ,in dem Bismarck seinen Ruhesitz auf- 
geschlagen hatte ,recht schlicht und einfach aus ._ Ohne grosse Verände 
rungen ist es aus einem ehemaligen Gatthause ,das ira Volksmunde die 
Fresskate hiess,entstanden »aber auch die innere Einrichtung soll nach 
dein Berichte der vielen Besucher recht bescheiden gewesen sein ,wie es 
auch dem einfachen und jedem Prunke abholden Sinne Bismarcks_entsprach. 
An Bismarcks Geburtstag ,am 1 . April , veranstaltetebtets oie .amourge 
ger Kaufmannschaft , bei der Bismarck in hohen Ehren stand und die ihm , 
nachdem die kaiserliche Gneöensonne ihm nicht mehr leuchtete »ihre Ver 
ehrung ostentativ bekundete , einen Fackelzug . 1er Liebenswürdigkeit 
sines m»iaer Chefs verdankte ich die Einladung zu einem dieser Fackel- 
2ü,:e ,der wohl im Jahre 1891 oder 9? stattgefunden haben mag . In mei 
ner damaligen politischen Unreife »der_ ürteilslosigkei^hatte^c^ ^ - 
nicht 
Persönli 
P Bismarck •- 
Hand gehabfheben soll ggjä ^ äu 3 Neugierde und 
Sensafionsbedürfnis als au. einer innerlich empfundenen Begeisterung^ 
heraus . Aber welchen ^U'T^ntan in mir'hervor 
heruus . aucj. 
persönliche Berührung mit diesem gross 
Obwohl nun schon mehr als 45 Bahre seit 
- - Ti n '.rm 1 h 
Obwohl nun schon mehr ais -cauo diesem -^age vergangen sind, 
stehen mir noch alle Einzelheiten des für mich damals so bedeutungsvol 
len Ereignisses in frischer Erinnerung . Gegen Abend traf der Extrazug 
von Hamburg in Friedrichsruhe ein . Sofort wurden dem Programme gemäß 
auf dem ^ahnhofe die ff ekeln verteilt und der Zug * •*—>«■< .»t -dass 
immer zwei daier drei %»nn zusammen marschierten 
■> -.«.Unin liiipri 
so formiert ,das; 
rei %inn zusammen msrscnierbvu . Zunächst sollte der 
Zug am Thore des Herrenhauses Vorbeigehen »dann nahm er den Weg um den 
dicht dabeiliegenden ,von grossen Bäumen umstandenen Schlossteich he3?u 
rum ,als dann wieder in einiger Entfernung vom Herrenhause vorbeiund 
endlich zurück zum Bahnhof . Auf dem Hinwege stand Bismarck am Thore, 
neben ihm. auf Jer einen Seite sein Sohn Graf Herbert und auf der ar)d«i 
ren Seite der geheimrat Schwenninger ,sein Leibarzt .Jeder ,der an 
Bismarck vorbefging »gab ihm die Hand . Mir war das Glück beschieden ) 
ruf der Seite zu marschieren »wo Bismarck stand ,was mir den Vorzug 
verschaffte , ihm im Vorbeigehen auch die Ai and zu reichen«
	        
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