Jugend
will fliegen
Von Hellmut Schwatlo
er-ver Jugend fliegerisches Seh-
nen und Wollen ist Jahr
tausende alt. Wer weiß, vielleicht
irrte der gefangene Dädalus noch
heute durch die Falschpfade und
Sackgassen im Labyrinth zu Kreta,
wenn nicht sein Sohn Ikarus, der
jugendliche Stürmer und Dränger,
immer wieder zur Flucht gemahnt
hätte — zur Flucht durch die Luft,
wolkenwärts. Und Dädalus, der
Künstler und Techniker, hätte nie
die Flügel erdacht und erschaffen,
die dann beide vogelgleich be
schwingten. Sicherlich, der junge
Ikarus vergaß dann im fliegerisch
fliehenden Siegen, im Vollgefühl
der Freiheit, alle Grenzen; er
wollte zu hoch hinaus, der Sonne
entgegen, fort von aller Erdennähe
und Erdenschwere, wollte sich
immer höher und höher erheben
über den Alltag. Das Jkarische
Meer — Mahnung und Warnung
— kündet noch heute all denen, die
im Höhenflug die Grenze mensch
licher Möglichkeiten überschreiten
wollen, vom frühen Ende des jun
gen griechischen Sagenhelden. Es
kündet — von der Sage her —
aber auch von der Macht des Wol-
lens und der Fertigkeit der Tech
nik, der Fertigkeit, die jugendlicher
Leichtsinn gefährdete.
Unser Zeitalter könnte leicht
Dädalus und Ikarus Narren
Bild unten:
Die Arbeiten in der Werkstatt erfordern
große Sorgfalt; ein kleiner Konstruktions
fehler — und der Modellvogel hält sich
nicht in der Luft.
Der Start. Haltung und Gesichtsausdruck des jungen Modell
bauers spiegeln Energie, Schaffensdrang und Hoffnung aus Erfolg.
schelten; es ist durchweht vom Wind der Luft
schraube, erfüllt vom Brausen mächtiger Flugmo-
tore. Die Jugend dieser Tage lacht über Feder
flügel, die mit Wachs gesichert sind; sie weiß vom
technischen Geheimnis der Lufteroberung, kennt die
Gesetze der irdischen Schwerkraft und die ihrer
Ueberwindung. Auf die Frage: „Was wollt ihr wer
den?", wissen all die Zehn- und Zwölfjährigen, die
Schulentwachsenen, die Gymnasiasten und Mittel
schüler nur eine Antwort, kennen sie alle nur eine
Sehnsucht: als Flieger die Erdgebundenheit zu be
siegen.
Aber die Jungen begnügen sich nicht damit,
Eltern oder Onkel zu quälen, die Sparbüchsen zu