fließenden Ablaufbach des kleineren, aber noch wil
deren, kreisrunden, von kraterartigen fast senkrech
ten, teils waldigen, teils kahlen Felswänden um
gebenen Obersees an. Einige ebenfalls erschienene
„Talschleichen" betasteten schleunigst mein vereistes
vchneestück, das unter diesem verstärkten Tau-
ivetter noch schneller als Butter an der Sonne da-
tjinfchmolz, um sagen zu können, sie seien im Funi
bis an den Firnschnee gekommen. Die richtigen
Alpinisten unterscheiden nämlich sehr deutlich die
eigentlichen „Bergkraxler" und „Hochgebirgs-Gipfel-
bcsteiger" von den „Fochfinken", die nur die Ge-
birgskämme bewandern und den „Talschleichen", die
auf dem breiten Wege des Tales ihre Straße
ziehen. Seitdem man allerdings die 4000 Meter
hohe „Jungfrau" im Berner Oberland in der
Schweiz bequem mit der Zahnradbahn auf 3600
Meter besteigen kann, ist auch dieser Nimbus etwas
geschwunden. Solche Berge werden dann von den
Bergkraxlern mit Verachtung gemieden und über
lassen sie deren „Besteigung" den „Salontyrolern".
- Neuerdings kann auch die deutsche fast 3000 Me
ter hohe Zugspitze mit Seilbahn von Tyrol aus
Biegen werden; außerdem mit Zahnradbahn von
Bayern aus. — Von einer kleinen Baumgruppe mit
Bank aus betrachteten wir die erhabene Größe die
ser stillen Bergwelt am Obersee und traten dann
dm Rückweg an, der wegen der Länge des Was
serweges auf dem Königssee mehrere Stunden Ru
derzeit in Anspruch nahm. Das war ja der große
Borzug dieser motorlosen Fahrten, daß man in viel
größerer Ruhe die mächtige Natur dieser Berg-
einsamkeit auf sich wirken lassen konnte. Außer
dem waren durch diese Bootfahrten zahlreiche ur-
loüchsig-freundliche Berg-Bewohner nutzbringend be
schäftigt und die Gäste hatten viel mehr Zeit auch
siir den Besuch der Gaststätten, deren Vorzüge sie in
stiller Beschaulichkeit genießen konnten; denn das
gehört auch zur Kunst des Reifens, daß nach Auf
rahme so vieler Eindrücke noch unter der unmittel
baren Einwirkung des Gesehenen bleibende Erinne
rungen geschaffen werden. Wir kehrten dann nach
Salzburg zurück und bewunderten erst wieder seine
äußeren Schönheiten, die auch von dem nahen 1286
Meter hohen, durch Bergbahn zu erreichenden Gais-
berg übersichtlich zu betrachten sind.
Der nächste Ausflug galt dem so vielgestaltigen
österreichischen Salzuammergut mit seinen wunder
schönen Seen, deren nächster der Mondsee ist, dann
ber Attersee, der Traunsee mit dem Schloß des
bis 1866 letzten einstigen Kronprinzen von Han
nover, Herzogs von Kumberland, in Gmunden, und
ber liebliche Sankt Wolfgangsee unter dem Schaf
berg, wo blaue deutsche Älpenveilchen wild wachsen.
3n Sankt Wolfgang spielte das damals in Berlin
viel aufgeführte Lustspiel „Fm weißen Rößl" von
Blumenthal und Kadelburg, dessen Hauptpersonen
„die dralle Wirtin" Iosepha Vogelhuber, derZahl-
bellner Leopold, der Privatgelehrte mit seinem lis
pelnden Töchterchen Klärchen, der bei jedem Ein-
ivurf eines Zehnernickels in die Sparbüchse sagte:
„Wieder ein Kilometer, ja das ist der Reisezauber",
und der Berliner Fabrikant Gieseke, der sogleich
nach dem Verlassen des Sankt Wolfgang-Dampfer-
chms als erstes fragte: „Hamse Aale?", grade als
wenn er eben in Schildhorn an der Havel ange
kommen wäre, und das alles in der gemütlich
österreichischen und witzig berlinischen Mundart mit
köstlichem Humor, lebendig vorgebracht, mir noch
in deutlicher Erinnerung sind. Nach der sehr natur
getreuen Bühnenausstattung erkannte ich die Land
schaft sofort wieder, als wir von Sankt Gilgen
aus bis Strobl am See entlang kamen, und in
dem berühmten Salzbad Ischl an der Traun, einem
Lieblingsaufenthalt des Kaisers Franz Joseph I.
von Oesterreich, im Gasthof zum Ochsen Wohnung
nahmen. Dieser idyllische Ort ist wirklich zu län
gerem Aufenthalt geeignet, aber das war ja nicht
der Zweck der Reise. Nachdem wir die Anlagen
besucht hatten, benutzten wir die folgenden Tage
zu einer Wanderung traunaufwärts über Laufen,
Goisern und Steg zu dem am Fuße des mit Eis
feldern bedeckten rund 3000 Meter hohen Dachsteins
ruhenden Hallstättersees. Hallstatt, außer seiner
blendenden Lage, bekannt durch die vorgeschichtliche
Periode der Hallstatter Zeit mit dem Hallstatter
Menschen und der Dachstein durch das Steierer
Volkslied „Hoch vom Dachstein an, wo der Aar
noch haust, bis zum Wendenland am Bett der Sav",
volkstümlich, übten eine große Anziehungskraft auf
mich aus. Am Ortseingang, nachdem wir an der
Gofaumühle eine vom Gosaubach herabgewälzte, aus
großen vom Wildwasser rundgeschliffenen Blöcken
bestehende wüste Geröllmasse überschritten halten,
bot sich ein prachtvoller Blick von einem Brunnen
aus auf das seitwärts vom See aus am Steilhang
aufsteigende Hallstatt, das mit dem schlanken Turm
der neueren evangelischen Kirche auf dem Seevor
land, dem wuchtigen Bau der alten Kirche mit
kleinem Türmchen, am Hang den Ort überragend
und dem über die steilen Felsen herabstürzenden
Mühlbachfall einen ganz entzückenden Eindruck
macht. Wir gingen zum Gasthof Seeauer am Ge
stade, wo wir Rast machten und den wundervollen
Blick über den weiten See genossen. Die Um
gebung bietet auch sehr viel, in einem Seitentälchen
ist der Waldbachstrub und seitwärts vom Dachstein
geht es nach Aussee und dem vordersten Teil der
grün-weißen Steiermark mit dem Grundlsee. —
Wir fuhren mit einem Boot über den herrlichen
Hallstattersee, wobei wir eine wundervolle Rund
sicht hatten und traten dann die Rückreise nach
Ischl an. besuchten nochmals Salzburg, um dann
auf bayrischen Boden zurückzukehren. Mein nächstes
Ziel war der Chiemsee, wo ich grade am Todestage
des Königs Ludwig II., dieses so unglücklichen,
kunstbegeisterten Romantikers auf Bayerns Thron,
am 13. Juni eintraf (er starb 1886). An diesem
Tage waren alle bayrischen Königsschlösser für
Besichtigungen geschlossen und ich blieb daher auf
der äußerst malerischen Insel Frauenwörth im Gast
hof, wo ich eine Künstlerklause fand und nach
einer schönen Bootsfahrt bei Wetterleuchten auf dem
fischreichen See zu der als Gemüsegarten dienen
den Krautinsel, einen unerwartet schönen Abend in
angenehmster Gesellschaft verbrachte, die sich auch
am anderen Tage zu meiner Freude nochmals ein
fand. Die Insel trägt ein kleines Fischerdörfchen
und aus Herzog Tassilos Zeiten ein Frauenkloster,
in dessen Kirche ich am folgenden Fronleichnamstag
dem Gottesdienst der zahlreichen Klosterfrauen bei
wohnte. Am Portal beim kleinen Friedhof fielen
mir noch die mit Löwenköpfen gezierten verwitterten
Steinpfeiler der ersten Gründung (766) auf; danach
umwanderte ich die langgestreckte Insel, sah bei den
einzelnen Häuschen ausgespannte Fischnetze und
fuhr dann zur größeren Insel Herrenwörth hinüber,
die außer dem alten Schloß mit Gasthof und