Meisterlin Gemeindeordnung von 1834
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besser als sein Hanauer Landsmann Hassenpflug, die Stände für sich zu
gewinnen. Aber durch seine Vermittelungspolitik geriet er in eine schiefe
Lage, da er ohne Zustimmung seiner Kollegen den Ständen Konzessionen
machen wollte. Er wurde zum Direktor der Oberfinanzkammer ernannt,
und Motz übernahm wieder das Finanzministerium, indem er das
Justizwesen an Hassenpflug zurückgab, der so wieder zwei Departements
in seiner Hand vereinigte.
Als auf dem vorigen Landtag die Gemeindeordnung gescheitert
war, z. T. am Widerspruch der Standesherrn und Ritter, die sich ihren
demokratischen Grundsätzen nicht unterwerfen mochten, da hatte Hassen
pflug den Regierungsdirektor Eggena mit der Ausarbeitung eines
neuen Entwurfs betraut. Der Verfasser der Zunftordnung von 1816
war dazu der geeignete Mann, zugleich gab der ehrenvolle Auftrag
Hassenpflug die erwünschte Gelegenheit, seinen ehrgeizigen Vorgänger im
Ministerium von der Ständekammer fern zu halten, wo er ihm hätte
unbequem werden können. Eggenas Werk erhielt nun endlich am
29. September 1834 die Zustimmung der Stände, nachdem die liberalen
Wortführer anfangs heftig gegen die darin enthaltene Wahlbestätigung
der Ortsvorstände durch die Regierung opponiert hatten, und am
23. Oktober auch die Unterschrift des Regenten. Die Gemeindeordnung
bedeutete einen starken Schritt zur freiesten Selbstverwaltung der Ge
meinden. Sie verwischte zwar den Unterschied zwischen Stadt und Land
fast völlig, was indessen bei dem dörflichen Charakter der meisten kleinen
hessischen Städte nicht so ins Gewicht fiel. Daß damals die alte Be
zeichnung der Greben und Schultheiße verschwand und auch die bäuer
lichen Ortsvorstände den Titel Bürgermeister erhielten, war freilich eine
unnötige Konzession an den traditionslosen, schablonisierenden Liberalismus.
64 Jahre lang haben die Einrichtungen der Gemeindeordnung im Hessen
lande Bestand gehabt und sich bewährt, bis auch diese berechtigte Eigen
tümlichkeit der neuzeitlichen Gleichmacherei zum Opfer fiel.
Während der stattliche Bau des neuen Ständehauses nach den
Plänen Julius Ruhls, des begabteil Schülers Jusiows, rüstig fortschritt,
blieb das von dem Kurprinzen geplante Palais der Gräfin Schaumburg
ein unausgeführtes Projekt. Dem Prinzen fehlten die Mitte! dazu.
Friedrich Wilhelm mußte mit der Hälfte des Einkommens seines
Vorgängers die ganze Hofhaltung bestreiten, als vorsorglicher Vater und
noch mehr als Mann seiner Frau zugleich darauf bedacht sein, für die
Zukunft seiner zusehends wachsenden Famiiie zu sorgen. Das hinderte
ihn, der von Natur keineswegs karg war, daran, Ausgaben zu machen,
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