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bei und nach der Arbeit auszugleichen. Das erstere geschieht
staatlicherseits durch die Gewerbeordnung und Gewerbeaufsicht,
die über Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit, über die
Ruhepausen, über die Staubbeseitigung in Werkstätten und über
die Lüftung der Arbeitsräume, über die Beschäftigung jugend
licher Personen in besonders gefährdeten Berufen und dergl.
Bestimmungen trifft. Auch die Arbeitgeber lassen es nicht an
Vorschriften und Einrichtungen fehlen, um die Gefahren der
einzelnen Berufs,pveige für die Arbeitnehmer nach Möglich
keit auszuschalten. Immer aber wird es von dem Arbeiter
selbst abhängen, ob er bei seiner Berufstätigkeit mehr oder
weniger Schaden an seiner Gesundheit nimmt. Denn die besten
Einrichtungen für Lüftung und Staubabführung nützen der
Allgemeinheit und dem einzelnen nichts, wenn sie überhaupt nicht
oder nicht vorschriftsmäßig bedient und benutzt werden.
Alle Verbote und Strafandrohungen, die sich auf das Beschmutzen
der Fußböden mit Lungenanswurf beziehen, bleiben tote Buch
staben, wenn nicht die in Räumen beschäftigten Mitarbeiter selbst
Kontrolle ausüben und den Schuldigen zur Anzeige bringen.
Jeder, der einmal eine schwere Erkrankung an Typhus, Fürsorge für
Lungenentzündung, Scharlach, Influenza durchgemacht hat, weiß Genesende,
aus eigener Erfahrung, daß seine körperliche Leistungsfähigkeit
und Widerstandskraft gegen äußere Einflüsse oft noch Wochen
lang nach der bereits üb erstand enen Krankheit herabgesetzt war.
In solchem Erschöpfungszustände bildet der menschliche Körper
den denkbar besten Nähr- und Ansiedelnngsboden für die
Tuberkelbazillen. Jetzt braucht nicht wie in gesunden Tagen
eine länger dauernde Gelegenheit vorhanden zu sein, immer
wieder die Bazillen in sich aufzunehmen; es genügt meist
eine einzige Gelegenheit zur Ansteckung. Wie viele
schwindsüchtige Eisenbahner müssen heute ihr Leiden auf eine
Lungenentzündung oder Influenza zurückführen, weil sie nach
Ablauf derselben der Lunge keine Zeit ließen, sich wieder zu
kräftigen und völlig widerstandsfähig zu werden! Wir werden
daher begreifen, daß Genesende nicht gleich wieder ihren
Arbeitsplatz aufsuchen dürfen, daß eben gesundete Frauen nicht
gleich wieder alle Hansfrauensorgen und -Arbeiten übernehmen
dürfen, daß noch geschwächte Kinder nicht gleich wieder die
Schule besuchen dürfen. Die Arbeit an sich schädigt weniger
als das, was bei der Arbeit entsteht: der Staub und die
schlechte Luft und in diesen der Tuberkelbazillus. Wir
werden vielmehr raten, daß solche in Genesung befindliche
Personen bei kräftiger Ernährung die stärkende Luft nüchst-
gelegener Waldungen aufsuchen (Walderholungsstütten), oder daß