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über Staatswissenschaft ausgeführt: „Dasselbe Vernunftgebot,
das die in einem Dorfe zusammenlebenden Menschen einigt, das
Rechtsgesetz unter sich anzuerkennen, dasselbe Vernunftgebot,
das verschiedene Dorfgemeinden im Kanton, verschiedene Kantone
in der Eidgenossenschaft vereinigt, dasselbe Vernunftgebol, welches
in Amerika eine Menge Staaten, die an Flächengehalt Europa
übertreffen, unter dem Rechtsgesetz verbindet — dasselbe Ver-
nunftgebot fordert mit Notwendigkeit, daß dereinst alle Völker
Europas das Rechtsgesetz unter sich anerkennen, und zwar
sobald sic zu dem Grade von Aufklärung gekommen sein werden,
um einzusehen, daß alle einzelnen und also die ganze Mensch
heit ihrem Zweck in eben demjenigen Grade näherkomme, in
welchem das Rechtsgesetz in größeren Kreisen zur Herrschaft
gelangt, um einzusehen, daß gegenseitige Befeindung in militä
rischer und merkantilistischcr Hinsicht ihre moralischen und
materiellen Kräfte gegenseitig schwächt, und daß ein Kamp!
zwischen hunderttausenden vernünftigen Menschen dem Sitten
gesetz ebensovielmal mehr zuwidcrlaufe, als. ein Kampf zwischen
zweien.“ Auch andere hervorragende deutsche, französische und
englische Volkswirte haben schon um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts die Schaffung eines europäischen Staatenbundes
warm befürwortet. Sia sagten sich ganz richtig, daß ein solcher
Zusammenschluß nur im Falle des Ausbruchs eines großen
europäischen Krieges möglich sein könnte, weil nur ein solcher
die dazu nötigen Umgestaltungen der politischen Karte des
europäischen Kontinents mit sich bringen würde.
Um die Sache in die Wege zu leiten, trug sich der Prinz
gemahl Albert von England mit dem Plan, zunächst eine poli
tische Allianz zwischen England und Deutschland herzustellen.
Seine Bestrebungen sind, wie man aus einem vom damaligen
englischen Premierminister Lord Palmerston eingehend begrün
deten Memorandum erkennen kann, prinzipiell gebilligt worden.
U. a. führte Palmerston aus: „Geographische Gründe hindern
England und ethnographische Deutschland, eine Landvergrößerung
anzustreben. Keines von beiden Ländern hat deswegen den
Wunsch, einen ihrer Nachbarn zu unterwerfen, aber beide haben