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liebten Vaters zurückläßt.“ Nachdem der junge Kaiser sich
rücksichtslos von Bismarck und seiner Politik getrennt hatte
und eine eigene, unruhige Zickzackpolitik zu führen begann, als
gleichzeitig ein gewaltiger wirtschaftlicher Rufschwung im Deut
schen Reiche einsetzte und die wirtschaftlichen Erfolge das
Rusland neidisch aufsehen machten, gleichzeitig aber auch das
deutsche Vorwärtsdrängen immer sprunghafter und hastender
sich gestaltete, da spitzten sich die Verhältnisse allmählich so
zu, daß sie mit Notwendigkeit zum europäischen Weltkrieg
drängten. „Hoc volo, sic jubeo“, so schrieb der Kaiser ins
Münchner Stadtbuch, ohne vielleicht daran zu denken, woher
der Rusdruck stamme. Er findet sich in der 6. Satire Juvenals,
Vers 219: Eine Frau verlangt von ihrem Mann, er solle einen
Sklaven kreuzigen lassen. Dieser fragt, womit er die Todesstrafe
verdient habe, wenn es sich um ein Menschenleben handle,
könne man doch nicht lange genug zögern, worauf die liebens
würdige Vertreterin des zarten Geschlechts entgegnete: Du
Duselkopp! der Sklave soll ein Mensch sein? Mag er auch
nichts verbrochen haben — hoc volo, sic jubeo, sit pro ratione
voluntas. Der Kaiser wollte wohl im Bewußtsein höchsten Qottes-
gnadentums zum Rusdruck bringen, daß sein Wille allein ent
scheidend sei. Ein Beispiel, welches diese Rnsicht belegt, findet
sich in den Denkwürdigkeiten des langjährigen Ministers
v. Lucius. Danach hatte der Kaiser als Wunsch geäußert, daß
alle jüdischen Journalisten aus den Redaktionen der Zeitungen
entfernt werden sollten. Rls der Minister ihm vorhielt, daß dies
der Gewerbeordnung entgegenstehe, entgegnete er sehr einfach:
Dann müssen wir die Gewerbeordnung aufheben.
Ich möchte hier weiter an den starken Ministerverbrauch
erinnern, der zur Folge hatte, daß immer weniger erfahrene
Staatsmänner zur Verfügung standen, wenn neue Posten zu be
setzen waren, und daß schließlich Männer, die auf ihre persön
liche Ehre etwas gaben, grundsätzlich ablehnten, lieber 20 Jahre
hat das Deutsche Reich unrichtig ausgelesene, völlig unzuläng
liche Reichskanzler an der Spitze gehabt und ruhig geduldet,
daß Fehler über Fehler von ihnen gemacht wurden, während