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raten war, herauszubringen. Er war aber noch nicht 24 Stunden
in Berlin, als er erkennen mußte, daß seine gute Absicht voll
kommen undurchführbar sei. In seinem Tagebuch berichtet er
hierüber: „Der König hält die Direktion der ganzen auswär
tigen Politik seines Königreichs in der eigenen Hand. Baron
Manteuffel und andere Offiziere und nichtoffizielle Würdenträger
werden emporgehoben, beiseite geschoben, unterstützt und ver
leugnet, so wie es der König wünscht. Es gibt niemand in
Preußen, der genügend Unabhängigkeit besitzt, um die Art zu
bedauern, oder ihm direkt zu widersprechen. Es scheint des
Königs Lieblingsgedanke zu sein, sich von irgendeiner Partei
im gegenwärtigen Krieg fcrnzuhalten. Er hat keine Vorliebe für
Rußland und keine Sympathien mit dem Kriegsgrund, den die
Alliierten hochhalten.“
In ganz ähnlicher Weise berichtet der letzte sächsische Ge
sandte in London, Graf Vitzthum, in seinen Denkwürdigkeiten
über ein Gespräch, welches er mit einem Beamten des Londoner
Auswärtigen Amtes hatte. Dieser versicherte ihm: „Es gibt
keinen Staat, der uns wärmere Sympathien, keinen unter den
Großmächten, der uns geringeres Vertrauen einflößt, als Preußen.
Es ist in den letzten 20 Jahren auch nicht eine europäische
Frage aufgetaucht, in welcher das Berliner Kabinett eine prak
tisch greifbare Politik befolgt hätte. Bei dem aufrichtigsten
Wunsche, mit dieser Macht zu gehen, haben wir es nie dahin
gebracht, darüber klar zu werden, was Preußen eigentlich will.
Bald war es der König, bald die Kriegspartei, bald die ganz
widersinnige Furcht vor Rußland, bald die Eifersucht auf Oester
reich, bald der Bundestag, was weiß ich, immer gab es einen
Grund, einen Vorwand, eine Entschuldigung für die Untätigkeit
und die Politik des Zuwartens. Die fortwährenden Besorgnisse,
es mit dem oder jenem zu verderben, hat zur Folge gehabt,
daß Preußen, aus Furcht, sich Feinde zu machen, die Freund
schaft seiner Freunde verscherzt hat. Sogar die Frage der
Donaufürstentümer, welche durchaus kein preußisches Interesse
berührte, ist dank der preußischen Unschlüssigkeit ungelöst ge
blieben.“