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bliothek an die Landesbibliothek
übergeht. Direktor Schnurre läuft
herum wie ein Gespenst und be
hauptet, sein ganzes Lebenswerk
sei vernichtet” (30).
Bereits im Haushaltsantrag 1943/
44 des Bezirksverbandes für die
Landesbibliothek wurden daher
entsprechende zusätzliche Plan
stellen geschaffen und auch der Er
werbungsetat von bisher 22.000
RM auf 40.000 RM angehoben. Die
Erhöhung des Etats der Landesbi
bliothek entsprach genau der Sum
me, die bis dahin die Stadt Kassel
für die Murhardsche Bibliothek der
Stadt Kassel aufgewendet hatte.
So gesehen war der Beginn der
Arbeitsgemeinschaft sehr gut vor
bereitet. Die Verwirklichung des
Zusammenschlusses hatte vom Fi
nanziellen, vom Baulichen und von
den Mitarbeitern her gesehen eine
Chance. Die Absprachen berück
sichtigten die Interessen der Be
nutzer ; die neue Organisation war
ökonomisch. Der große Bomben
angriff auf die Stadt Kassel am 22.
Oktober 1943, der auch das Mur
hardsche Bibliotheksgebäude in
großen Teilen beschädigte und 60
Prozent des Buchbestandes der
Murhardschen Bibliothek der Stadt
Kassel vernichtete, war auslösen
des Moment für die spätere Tren
nung.
Für das Zusammenfinden beider
Bibliotheken war, räumlich gese
hen, seit dem 22. Oktober 1943 die
Voraussetzung nicht mehr gege
ben. Es stand nun außer dem Di
rektorzimmer nur ein Arbeitsraum
für die Mitarbeiter beider Biblio
theken (Murhardbibliothek 4, Lan
desbibliothek 8) zur Verfügung.
Fenster und Türen waren notdürf
tig abgedichtet. Infolge des fehlen
den Daches - ein Notdach konnte
erst Mitte März 1944 in Angriff ge
nommen werden - drangen Regen
und Schnee durch die Decke, und
an Regentagen stand im Arbeits
raum Wasser. Einzelne Arbeitsplät
ze waren daher nicht benutzbar.
Ein geregelter Fortgang der Arbei
ten war unter diesen Umständen
unmöglich.
Ausgehend von dieser neuen Si
tuation lehnte der Landeshaupt
mann eine Übernahme der Mitar
beiter der Murhardschen Biblio
thek ab. Die Bücherverluste gerade
in den Hauptfachgebieten der Mur
hardschen Bibliothek, den Staats
wissenschaften, nahm er außerdem
zum Anlaß, eine neue Schätzung
des Wertes der Restbuchbestände
zu fordern mit dem Ziel, bei der
Übernahme der Murhardschen Bi
bliothek nur noch diese Bücher der
Stadt Kassel abzukaufen.
Direktor Schnurre hatte als Lei
ter sowohl der Murhardschen Bi
bliothek der Stadt Kassel wie der
Landesbibliothek bereits Januar
1944 wieder getrennte Arbeitsweise
der verschiedenen Bibliotheksbe
reiche eingeführt. Den Haushalts
antrag der Landesbibliothek für
1944 reichte er unter Hinweis auf
die noch sehr langwierigen Ver
handlungen in Sachen Vereinigung
nur für den Bereich „Landesbiblio
thek im Zustand von vor 1943”
beim Landeshauptmann ein (31).
Die Mehrzahl der Bücher der Mur
hardschen Bibliothek der Stadt
Kassel wurden ab Januar 1944 in die
Klosterkirche Haina und das Gut
Malsberg ausgelagert.
Aufgrund eines Berichtes des
Landeshauptmannes vom 28.
Januar 1944 verfügte der Gauleiter
im Juli 1944 die als notwendig er
kannte und von ihm unterstützte
Zusammenlegung der Murhardbi
bliothek mit der Landesbibliothek
zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Danach kam es zu einer schnellen
Einigung gemäß den Vorstellungen
des Landeshauptmannes vom 12.
August 1944. Die Zustimmungser
klärung der Stadt Kassel datiert
vom 18. August 1944.
Die Arbeitsgemeinschaft hörte
offiziell am 14. September 1944 auf.
Der eigentliche Vertrag mit Wir
kung ab 15. September 1944 wurde
jedoch nicht mehr abgeschlossen.
Der Landesbibliothek Kassel wur
den ab 15. September 1944 im Mur
hardschen Bibliotheksgebäude ne
ben einem Kellerraum im wesentli
chen das Erdgeschoß des Vorder-
und Zwischenhauses vermietet.
Die Zusammenlegung der bei
den Bibliotheken war jedoch nur ei
ne äußerliche. Im Grunde hatte je
de Seite im langen Hin und Her
sich darauf eingerichtet, ihren Weg
allein zu gehen. Den ersten Schritt
machte die Stadt Kassel, indem sie
das von der städtischen Bezirksver
waltung auch nicht mehr benötigte
Personal der Murhardschen Biblio
thek bis Kriegsende zu Mitarbei-