Full text: Rede auf Lachmann

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gende Schwierigkeit zu beseitigen. Die erwartung ist höher gespannt, der 
gewinn unabsehbar, wenn das forschen, auf die urkunde des textes gerichtet, 
langsam und sicher vorschreitet, wenn der text fortwährend mehr gilt, als 
was oft nur winziges an ihm geschehn kann. Dem autor, welchen Lach- 
raann studierte, wollte er nichts hinzubringen, sondern alles aus ihm lernen, 
nicht flach mit ihm experimentieren, aber seine echte gestalt von dem 
schmutz und Verderbnis, die sich daran gesetzt hatten, reinigen. Weitge 
hende combinationsgabe war ihm entweder unverliehen, oder er übte sie 
nicht und verschmähte sie widerwillig, weil ihm alles ungenaue und halbe 
fruchtlos schien und vergeblich. 
Selbst grammatische entdeckungen und erörterungen, welchen er an 
sah, dafs sie in seine textcritik nicht einschlagen würden, berührten ihn fast 
nicht mehr. Der vergleichenden Sprachwissenschaft hat er sich eher abhold 
als hold erzeigt, weil ihre ergebnisse ihm zu fern, d. h. ferner giengen als 
ein herausgeber classischer werke sie zu wissen nöthig hat. er schritt nicht 
gern über den kreis der deutschen, lateinischen und griechischen spräche, 
die ihm genau bekannt waren und immer vertrauter wurden, um der Wörter 
letzte gründe war er unbekümmert, nur nicht um ihre bestimmte gestalt, 
kraft und Wirkung für die zeit der behandelten quelle, die er mit dem sel 
tensten talent und der glücklichsten kühnheit erspähte: wo drei oder vier 
um die rechte lesart verlegen waren, fand er sie auf der stelle und hat un- 
zähligemal immer den nagel auf den köpf getroffen. 
Unter den texten waren ihm am liebsten die schwersten und die dem 
critiker die vielseitigsten handhaben darböten, zwar fesselten ihn auch pro- 
sadenkmäler, deren text grofsen und eigentümlichen, von ihm mutig über- 
wundnen hindernissen unterliegt, wie des N. T., wofür ihn ohne zweifei 
Schleiermacher gewonnen hatte, oder die wiederholte durchsicht des Gajus, 
den vieler äugen nicht fertig lasen, und der agrimensoren oft unheilbare Ver 
worrenheit. Seiner ganzen natur am meisten zusagend waren aber gedichte 
und eben die metrik in ihrer tiefe und höhe zu erforschen ihm das angele 
genste. Auch die prosa hat ihre gesetze, der allgemeine Sprachgebrauch und 
umgedreht die an sich unberechenbare eigenheit eines jeden einzelnen Schrift 
stellers lassen der critik weiten Spielraum; in der poesie aber wird die na- 
turgabe oder nachlässigkeit eines Verfassers noch durch waltende metrische
	        
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