28
Jacob Grimm
abhängig scheint, das sanskrit kennt keine allein von kurzem a gebildete
Wurzel, wogegen kurzes i als Wurzel für den begrif gehn (die auch im latei
nischen i 9 welches aber lang ist, blos läge) und kurzes u als wurzel für tö
nen angenommen wird; ihnen beiden könnten aber consonanten abgefallen
sein. Unter den mit consonant und vocal gebildeten scheinen die consonan-
tisch anlautenden den consonantisch auslautenden im alter voranzugehn, weil
auch den vocalisch auslautenden ein zweiter consonant allmälieh zuzutreten
pflegt, nicht den vocalisch anlautenden vorzutreten, z. b. neben der wurzel
mä ergibt sich eine zweite wurzel mad, welche dem lat. metiri, unserm
messen entspricht, etwas anders ist, dafs die wehenden anlaute v h und s
vor liquiden bald vorzutreten bald abzufallen pflegen, was man nun für das
ältere halte: das vortreten, denke ich.
Welchen vocal und welchen consonant der erfinder für ein verbum
nehmen wollte, lag abgesehn von der natürlich vorbrechenden und sich
geltend machenden organischen gewalt des lautes meist in seiner willkür,
die gar nicht statt gefunden hätte, wäre sie von jenem einflufs immer und
völlig abhängend, selbst aber mit feinerem oder gröberem gefühl geübt wer
den konnte, in diesen einfachsten bildungsgesetzen sehn wir also auch hier
nothwendigkeit und freiheit einander durchdringen. Wenn z. b. im sanskrit
die wurzel pä, gr. ttiziv, sl. piti ausdrückt, so hindert nichts, dafs ein andrer
spracherfinder dafür auch kä oder tä ergriffen hätte, ein grofser theil der
indogermanischen wurzeln hat blofs sein historisches urrecht, dem nur or
ganische bestimmungen zutreten können. Doch instinctmäfsig ist vorgesehn,
dafs in der einzelnen spräche wenig oder keine gleichlautige wurzeln für ver-
verschiedene Vorstellungen statt haben, d. h. von den erfindern nicht mehr
mals dieselben laute für grundverschiedne Vorstellungen gewählt wurden,
was unabsehbar verwirren müste. zu unterscheiden hiervon ist aber sorg
sam die uns oft noch unerkannte und dunkle Verwandtschaft mehrfacher
sinnlicher und abgezogner begriffe, die aus den buchstaben einer und der
selben wurzel erwachsen.
Ob und wie viel wurzeln, die auf doppelten stummen consonant an
und auslauten, man im ersten Zeitraum gestatten dürfe, lassen die bisherigen
Untersuchungen noch unentschieden.
An jedem verbum können im zweiten Zeitraum personen, numerus,
tempus, modus und genus bezeichnet werden, die personen durch angefügte