über den Ursprung der spräche.
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Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Dr 205
gedächtnis aufgefafst und dann von geschlecht zu geschlecht fortgepflanzt und
ausgebreitet worden sei, mit allem Wechsel und aller Verderbnis, die sie un
ter des menschen hand habe erfahren müssen. Jene göttliche mittheilung
oder Offenbarung der spräche, vergleichbar der eines göttlichen gesetzes,
müste dennoch früher als dieses fast alsogleich nach vollbrachter Schöpfung
des ersten menschenpaares eingetreten sein, weil ein solches der spräche
beinahe keinen augenbliek hätte entrathen können, und mit der schöpferi
schen allmacht unvereinbar schiene, dafs ihrer fertigen, edelsten creatur im
anfang gebrochen habe was ihr später zu theil werden sollte.
Diese auffassung würde von der ihr im verfolg entgegen zu setzenden
eines menschlichen Ursprungs der spräche sich zwar in der grundlage we
sentlich, in bezug auf die fortpflanzung einer so kostbaren gäbe scheinbar
wenig unterscheiden, eine solche fortpflanzung erfolgt von geschlecht auf
geschlecht, da niemals alle menschen zugleich sterben, wie sie allmälich
zur weit kommen, folglich die überlebenden den nachlebenden hinterlassen
was sie selbst von ihren Vorfahren empfangen hatten, gleichviel ob eine von
gott offenbarte oder von den ersten menschen frei erworbene spräche w r eiter
getragen worden sei. die Offenbarung brauchte nur einmal erfolgt zu sein,
voraus gesetzt, dafs sie nie wieder ganz erloschen war, sondern ihren schein
immer, wenn auch schwächer von sich geworfen hätte; die menschenerfin-
dung könnte sich öfter wiederholt haben, im fall der offenbarten spräche
wäre gleichwol anzunehmen, dafs die ersten ihr näher gestandnen menschen
gegenüber den späteren von der göttlichen macht bevorzugt, jene nachthei
liger gestellt worden seien, was gottes gerechtigkeit widerstritte.
Die Vorstellung einer offenbarten spräche, dünkt mich, mufs denen
willkommen sein, welche in den anfang aller menschlichen geschichte einen
stand paradisischer Unschuld setzen, hernach durch den sündenfall die edel
sten gaben und fähigkeiten des menschen zerrüttet werden, folglich auch die
gottähnliche spräche von ihrem gipfel herabsinken und dann nur geschwächt
den nachkommen zustehn lassen mögen. Diese ansicht könnte Zusagen,
und halt gewinnen, weil die ganze geschichte der spräche, so weit wir in
sie gedrungen sind, in der that ihren abfall von einer vollendeten gestalt zur
minder vollkomnen zu verrathen, somit anzudeuten scheint, dafs auch für
die spräche wie für die gesamte menschliche natur eine herstellung und
erlösung eintreten und nach dem verlornen zustand anfänglicher vollkom-
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