über den Ursprung der spräche.
11
pronaque quum spectent animalia caetera terram,
os homini sublime dedit caelumque tueri
jussit, et erectos ad sidera tollere vultus. (*)
Die nothwendige reihe und das mafs dieser laute und schalle ist natür
lich bedingt wie die tonleiter in der musik oder die folge und abstufung
der färben, ihrem gesetz kann nichts hinzu gethan w r erden. denn aufser den
sieben grundfarben, die unendliche mischung dargeben, sind keine andern
denkbar, und eben so wenig läfst sich den drei vocalen a i u, aus welchen
e und o, samt allen übrigen diphthongen und deren Verdichtung zur blofsen
länge entspringen, das geringste zufügen, noch die Ordnung der halbvocale
und consonanten, die sich in zahlloser manigfaltigkeit der Verbindungen er
zeigen, dem gründe nach erweitern. Diese urlaute sind uns angeboren, da
sie durch Organe unseres leibs bedingt entweder aus voller brust und kehle
gestofsen und gehaucht, oder mit hilfe des gaumens, der zunge, zähne und lip-
pen hervor gebracht werden, einige ihrer bedingungen sind auch so greif oder
fafsbar, dafs es nicht völlig mislingen konnte, sie durch künstliche mechani
sche Vorrichtungen bis auf einen gewissen grad nachzuahmen und scheinbar
darzustellen. Da nun aber die leibesorgane mehrerer thierarten den mensch
lichen gleichen, so darf nicht befremden, dafs gerade unter den vögeln,
deren sonstiger bau weiter als der säugethiere von uns absteht, die uns aber
in aufrechter haltung des halses näher kommen, darum auch wollautige ge
sangstimmen haben, dafs vorzugsweise papageien, raben, stare, elstern,
spechte ( 2 ) im stände sind menschliche Wörter fast vollkommen zu erfassen
und nachzusprechen. Von den säugethieren dagegen vermag das kein einzi
ges, zumal nicht die in andern stücken uns zum erschrecken ähnlichen affen,
welche, obgleich sie uns manche gebärden abzusehn suchen, nie darauf ver
fallen unsere spräche nachzuäffen, man sollte denken, den affenarten,
welche aufrecht zu gehn lernen, müste es gelingen vocale, zungen und zahn-
laute zu erreichen, wenn ihnen auch lippenlaute, weil ihre zähne blecken,
unmöglich fielen; aber keine spur, dafs sie sich Sprechens unterfangen.
(*) Ovid. met. 1, 84.
( 2 ) der specht (wörtlich der spähende, weissagende vogel) hiefs darum gleich
dem menschen, und in altrömischer wie in altdeutscher sage verweben sich Picus und
Bienenwolf mit heldengeschlechtern. bemerkenswert!! scheint, dafs papageien und raben
auch die höhe des menschenlebensalters erlangen.
G