sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 49
Lübecker Bürgerfreund.
M 40.
Freitag den 1 Oktober.
1847.
Der Preis dieser Wochenschrift ist, in Lübeck bei der Exvedizion, auswärts bei den resp. Kommissionären 1 # 8 st pr. Quartal.
Übersicht des Inhalts.
Gruß an Lübeck und Travemünde. — Das Freiheitsfest in Florenz. —
Prozeß Praslin. — Lübeck, den 30. Sept. Die Versammlung der Ger-
hiksdM^KWtdunglück.' Polizeirälle. — Marktpreise. — Getrei^e^clse.
Von
Gruß an Travemünde und Lübeck.
einem Mitgliede der Kieler Versammlung
deutscher Land-und Fvrstwirthe.
Gesegnet war die Ernte! — den Erntekranz
Sahn an der Ostsee schönem Gestade wir.
Und in der Holsten biedern Reigen
Reichte die Bruderhand sich der Landwirth.
Der Fremdling eilt zur Heimath! der Herbststurm braust
Durch Flur und Forst, gewaltiger schlägt das Meer
An seine Ufer und die Boote
Schaukeln auf schäumender Meereswoge.
Der Schiffer naht dem Ufer, der Leuchtthurm wirft
Sein leitend Licht, der Loorse mit hellem Blick
Und sichrer Hand durchschneidet,
Prüfend die Wogen — und fährt zum Hafen.
Ein neues Leben siebt hier der Landwirth, der
Im Binnenland nur bräunliche Furchen sah,
Er sieht, wie äuch des Meeres Wogen
Segnende Ernten dem Schiffer spenden, —
Siebt hier des Kaufherrn rüstige Thätigkeit,
Siebt, daß der Deutsche nlcht äuf den Pflug allein
Beschränkt, auch auf des Meeres
Wogen das Ruder zu führen wisse.
Er grüßt mit Stolz und Freude sein Vaterland,
Und höher schlägt und stolzer des Deutschen Herz,
Wenn von der Trave Mündung
Lübeck dir freudig den ersten Gruß bringt!
Du Fürstin deutscher Städte, du Führerin
Des Städle-Bundes, welcher die Bürgerkrasr,
Das Bürgerglück, den Bürgerwohlstand
Unter der Flagge der Hansa zeugte;
Du brachst den Frevel dräuender Herrschsucht, gabst
Dem Meer Gesetze, bautest der Tempel Pracht,
, Warst Gott getreu und beugtest
Doch nicht deinen Nacken dem Hierarchen!
Denn Sittenreinheit war Dein Palladium,
Im Rarb der Väter, wie in dem Bürgerhause,
Und in der Sittenreinheit wuchsen
Wohlstand und Freiheit in Stadt und Hause.
Vom fernen Norden grüßten die Flaggen dich.
Du trugst zum fernen Norden der Bildung Licht,
Und Wissenschaft und Künste gaben
Deinen Gewerben Kraft, Muth und Würde!
So stand'st d u groß und berrlich, — Jahrhunderte
Flvh'n in dem Strom der Zeiten; der Städte-Bund
Lebt nur allein noch der Erinnerung,
Neuen Geschlechtern ward neue Sendung;
Es ist der Waffen glänzender Schmuck nicht mehr,
Der Festigkeit den wachsenden Städten gibt,
Im Schutze des Gesetzes blühn sie
Frischer im Lichte der Bürgertugend!!
Und diese blieb Dir herrliches Lübeck treu,
Sie leite Dich durch späte Jahrhunderte
Und in der deutschen Städte Krone
Bist du ein Demant des reinsten Wassers!
Das Freiheitsfest in Florenz.
Bon dem Taumel, der die italienischen Bevölkerungen ergriffen
har und der sich zunächst an die Gewährung der Bürgergarde,
als eines allgemeinen Volksinstituts knüpft, das sich von dem
Kirchenstaat auf die Nachbarstaaten verpflanzt, möge folgendes
Schreiben aus Florenz vom 5. Septbr. in den „Berliner Nach
richten" Zeugniß gebest, mit dem Bemerken, daß sich ähnliche
Szenen überall wiederholt haben.
„Wir haben die Nazional-Garde! Wir gingen einer gram
lichen Revoluzion entgegen. Die Gefahr wuchs: Jung und Alt,
Mann und Weib verlangten die Bürgergarde, um kräftig gegen
fremde Einmischung zu sein. Die Polizei harre keine Macht,
um dem Volke Stillschweigen aufzulegen. Mir der Unruhe im
Lande wuchs die Gefahr, unter dem Vorwände, Ordnung zu
machen, die Oesterreicher einrücken zu sehen. Wer sollte
widerstehen? Eine Truppe, die nur dem Namen nach existirt?
Vom Ersten bis zum Letzten war Alles eines Wunsches, die
Bauern selbst kauften Flinten und andere Waffen, um dem,
wenn auch imaginären, Feinde die Spitze zu bieten, die In-
dignazion war auf das höchste gestiegen, man wollte eine Bürger-
garde, und wollte sie einig und stark. Unruhen in allen Städten
und Flecken, Deputazionen von allen Seiten, alle Abend Volks-
aufläuft vor den Wachen und vor dem Palast Pitti, wo Alles
schrie: vivan i carabinieri; viva la linea; viva Leoj.oldo
secondo! um zu beweisen, daß kein Haß gegen die Truppen,
wie man höheren Orts glaubte, im Spiele sei, und immer wie
der: 8i vuole la guardia civica! dazu das (offenbar unbe
gründete) Gerücht, daß österreichische Emissäre für ganz andere
Zwecke die Unruhen zu vermehren strebten. Man wußte, daß
der Staatsrath erst heute zusammenberufen war, um die große
Frage zu entscheiden, aber man wußte eben so bestimmt, daß
die Masse nur bis gestern um 12 Uhr auf diese Entscheidung
warten wolle, und daß um diese Stunde eine Revoluzion aus
brechen würde, indem alle Glocken zum Aufruhr läuteten und
dann das Volk aus der ganzen Umgegend zusammenlaufen würde,
um die Bürgergarde auf eigene Hand zu organisiren.
Der gute Großherzog war schon seit einiger Zeit von der
Nothwendigkeit überzeugt, die 6uardia zu bilden, aber das
Ministerium war noch nicht einig, als mit einem Male am
Sonnabend den 4. Abends folgendes Notu proprio an den
Straßen-Ecken angeheftet wurde: „Stets von der beständigsten
Liebe für das allgemeine Wohlsein von ganz Toskana beseelt,