-rJ\r\
1 \.
D e r
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
Berliner Helden Ehrentag.
Beschreibung
btt Erstattung unterer Tobten
a m
. März 1848.
1
i
• ^"|4l
Der glorreiche Kampf für größe, heilige Volksrechte" ist geschlagen! — Wie das fruchtbringende Gewitter, che
seine Segen spendende Wirkung sich äußert, oft hier und dort am Einzelnen erst zerstörend wüthet: — so mußten
auch der heiligen Sache, der großen Zukunft Opfer fallen. — Theure, liebe Opfer! Kostbares Bürgerblut mußte
verspritzt werdet, es besiegelte die große Urkunde, welche die Weltgeschichte dem deutschen Volke ausstellen wird,
und iu der mit Flackmenzrigen zu lesen ist:
Die Deutsche« sind ein ^starkes, mächtiges Volk? stark und mächtig durch Einigkeit,
durch hohes, ^gewaltige- Streben nach Freiheit, jener Freiheit, welche in ^Ordnung
und Gesetz ihre sichere Grundlage sucht und findet!
Weihen wir dem! den rüstigen Kämpfern, welche uns diese Urkunde erstritten, ein ehrendes Gedächtniß
<. immerdar! — Die feierliche Bestattung, welche die Liebe ihrer Mitbürger, und die Anerkennung ihres aufopfernden
Muthes ihnen bereitete, soll nicht die letzte Ehre sein, welche ihueu erwiesen wird! Von Enkel zu Enkel werde
i)r Andenken fortgepflanzt in den Herzen Aller, die da fiihlen, welcher unermeßlich großen Sache der heilige Kampf
gegolten hat! — Von Enkel zu Enkel sollen ihnen im Geiste Lorbeerkränze geflochten werden, wie wir jetzt ihre
Särge mit Blumen und Lorbeer geschmückt! —
Wie ganz unser Volk verstanden bat, welche Ehre ihnen gebührt, die freudig ihr Blut der Freiheit der
Brüder weihten, davon zeugt die, iu ihrer unermeßlichen Große vielleicht ei»,zig dastehende Leichenfeier des 22. März.
Vor der neuen Kirche am Gensd'armenmarkte war ein ungeheures Trauergerüst errichtet, entsprechend mit
schwarzem Tuch und Flor dekorirt, auf welchem die Särge, über einhundert und achtzig an der Zahl, aufge
stellt waren. Man hatte sie mit Blumen, Kränzen und Guirlanden geschmückt, zu welchem Zweck das Königliche
Hvfmarschall-Amt bereitwillig die erforderlichen Blumen aus den Königlichen Gärten geliefert, und zwölf Arbeiter
unter Leitung eines Ober-Gärtners zur Anfertigung des Blumeuschnruckes angewiesen hatte, welche während der
ganzen Nacht im Schauspielhause damit thätig waren. Die Ordnung auf dem Platze vor dem Trauergerüst wurde
durch eine Abtheilung der bewaffneten Bürgerwehr musterhaft aufrecht erhalten, und trotz des gewaltigen Andranges
von Seiten derer, welche die Theilnahme an dem Schicksal ihrer Brüder hierherzog, fiel keine Störung vor. Die
zweite Stunde des Nachmittags war für das Leichenbegängnis; festgesetzt. Früh um 7 Uhr wurde in allen Kirchen
der Stadt Gottesdienst gehalten, da derselbe am vorhergegangenen Sonntage, an welchem der gewaltige Kampf
erst zur Entscheidung gekommen, iu den meisten Kirchen hatte ausgesetzt werden müssen. Vom frühen Morgen gab
sich in der ganzen Stadt eine große Bewegung kund. Die verschiedenen Gewerke zogen mit ihren Fahnen und Em
blemen nach ihren Sammelplätzen, die Kaufmannschaft fand sich an der Börse, die Studenten an der Universität,
der Handwerkerverein auf dem Posthofe iu der Oranienburger Straße zusammen. Alles trug an den Hüten oder
Armen Trauerzeichcn; vom Königlichen Schlosse, von allen Staats- und vielen Privat-Gebäuden wehten neben der
deutschen schwarze Trauerfahnen; die Standbilder der Helden Blücher, Bülow und Scharnhorst waren mit der deut
schen Fahne geschmückt; die Bürgerwehr trug großen Theils Flor an den Waffen, die meisten Damen erschienen
schwarz gekleidet in den Straßen, oder trugen wenigstens an den Hauben und Hüten Flor und schwarze Bänder.
Ucberall sprach sich die Trauer um die gefallenen Brüder aus.
Das herrlichste Wetter begünstigte die Feier, hell und freundlich schien die Sonne auf ernste, trauernde Ge
sichter herab. Um l Uhr setzten sich die Züge der Gewerke u. s. w. nach dem Gensd'armenmarkte iu Bewegung.
Hier hatten sich die Geistlichen sämmtlicher Confessionen und die Leidtragenden versammelt. Eine Abtheilung des
Handwerker-Vereins bildete von der Charlottenstraße bis zum Schlosse ein Spalier, an welches sich weiterhin die
Bürgerwehr anschloß. Die Leidtragenden, nächste Angehörige der Gefallenen, wurden iu die Kirche geführt, wo sich
unter Führung des Bischofs Dr. Neander die evangelische Geistlichkeit vor dem Altare aufgestellt hatte, während
katholische und jüdische Geistliche an den Kirchthüren standen. Unter Orgelbegleitung wurde der Choral „Jesus
meine Zuversicht" gesungen, worauf die Leidtragenden wieder hinausgeführt wurden. Nachdem unter dem Geläute
der Glocken von dem Prediger Sydow, dem Ober-Caplan der katholischen Kirche, Ruland, und dem Rabbiner
Dr. Sachs kurze Weihereden gehalten worden, wurden die Särge auf die Bahren gehoben, auf welchen sämmtliche
Leichen getragen wurden. Um halb vier Uhr setzte sich der Zug durch die Charlottensiraße nach den Linden in
Bewegung.
Zuerst eine Abtheilung bewaffneter junger Leute, Mitglieder des Handwerker-Vereins und Gymnasiasten;
sodann eine Abtheilung Bürgerwehr, welcher der bekannte Urban, der sich bei dem Freiheitskampfe rühmlich her
vorgethan, die deutschen Farben vorantrug; berittene Bürger, ein Musik- und Sängerchor, Banner, die Berliner
Schützengilde, der sich zahlreiche Deputationen der Gilden anderer Städte angeschlossen hatten; dann folgten in
doppelter Reihe getragen 3l Särge, gefolgt von schwarzgekleideten Mädchen, welche auf Sammetkissm Kränze tru
gen; Abtheilungen der Bürgcrwehr, dreifarbige Fahnen, wieder ein Zug von 6 Särgen, zwischen denen einzelne
Leidtragende folgten, Trauermarschälle, Bewaffnete, ein Mußkchor, einige über 30 Särge, 4 Schützen in Uniform,
mehrere Gewerke mit Fahnen und Bannern, l0 Särge, eine Bürger-Abtheilung, 4 Särge, ein Musikchor von