© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 48
*- tzerauFgcgeüen von Friedrich Recht
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Über die Nun fr in England
von Derinan Delferich
Ihre Entwicklung und ihr jetziger Stund —— — —
Die zweite Phase*)
as würde eine Ungerechtigkeit bedeuten, wenn man,
was der „großen Schule" folgt und der Bewegung
der „Präraffaeliten" vorangeht, gering anschlagen wollte.
Ihre Vorgänger haben Verdienste. Den zunächstgehenden
Vorgängern ist sogar eigen, was auch die englische Fa-
milienlitteratur anziehend macht, die liebevolle Kleinmalerei,
die Versenkung in die Ausgestaltung der Fabel, der novelli
stische Reichtum. Ihr Irrtum besteht nur darin, daß sich
diese liebenswürdigen Gaben für die Novelle und den
Roman, für humoristische Litteratur und für Memoiren
besser bewähren als für die Malerei.
Diese Litteraturmaler finden ihren Stammvater in
Hogarth. Wenigstens ihre Fehler hat er schon zu seiner
Zeit besessen: die Sucht nach Pointen, die häufig un
künstlerische, gar zu ätzende Schärfe des Moralisten.
Von ihren Verdiensten ist er zum Teil frei, denn
wenn ihr bester Reiz ein behagliches Anteilnehmen an
der Welt ist, die sie zur Darstellung bringen, so stellt
sich Hogarth kalt und feindlich zu derselben und fühlt sich
von den Fehlern der Menschheit, die er malt, fern. Er
bleibt unberührt, er ist erhaben über die Personen seiner Welt,
und lacht nicht mit, wenn er Witze macht, um durch Anti
thesen ihre Schlechtigkeiten auszudrücken; er erfreut sich nicht
künstlerisch daran, er ist künstlerisch einfach ein entrüsteter
Mensch, der London nur einen Nutzen zu bringen wünscht.
Er ist, und man muß es bedauern, kein Jan Steen. Sein
Geist ist arm an Behagen; er ist ein bürgerlicher Pol
terer, dem die harte Jugend, die er durchmachen gemußt,
für sein ganzes Leben die Lust an der Welt und ihren
Dingen geraubt und dem sie die Kunst dergestalt vergällt
hat, daß er ihr trübe Bestimmungen zuwies, für die sie
zu gut ist. Sein Witz erweckt kein gesundes breites Echo
und Hogarth ist nie das gewesen, was inan einen durch seine
*) Die erste Phase (Reynolds und Gainsborough) ist in
Heft 10 des vorigen Jahrgangs geschildert worden.
Die Kunst für Alle IV
Der St. Markusplatz in Venedig, von R. f>. Bonington
Freiheit großen Künstler nennen kaun. Seine Theorien
sind absurd, seine Praxis läßt ihn als einen talentvollen
„Vaudevillisten" erscheinen. Man hat ihn in Deutschland
allzeit weit über seine Verdienste geschätzt und das ist
vielleicht charakteristisch für Deutschland, daß man gerade
ihn so bewundert hat. Nichts ist bezeichnender dafür, daß
seiner wenig artistischen, aber tendenziösen Kunst die Arme
und Beine fehlten, als der Umstand, daß der mit Recht
gerühmte Text Lichtenbergs zu Hogarths Stichen wirk
samer als diese Stiche selbst ist. Und gar als die Ge
mälde ! Nur in wenigen der Gemälde, etwa jenem Bilde
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