Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Äls-. »44.
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Die Schule im neuen deutschen Reich.
II.
>Q Berlin, Ende August.
Was die pädagogischen Neigungen des Reichs-Militaris
mus, von denen im vorigen Artikel die Rede war, betrifft,
so dürsten nur die Grenzen noch überall zu finden und fest
zustellen sein. Daß in den betreffenden Kreisen das reichs
militärische Interesse an der Schule bereits eifrig erwogen
wird, läßt sich kaum bezweifeln und eben so wenig, daß die
Wünsche unerhört weit gehen — nach zivilen Ansichten we
nigstens. Wie gar so weit — das wird am klarsten ein
Beispiel zeigen.
A. v. Rhüden, ein ehemaliger hannöver'scher Offizier,
hat sich vor Kurzem in einer eigenen Schrift über „Armee
und Schule" eingehend und mit erschrecklicher Deutlichkeit
ausgesprochen. Er wirft einen alten, für die gedankenlose
Menge aber noch immer sehr gefährlichen Köder aus: er
tritt ein für die Beschränkung der Militär-Dienstzeit und
des Militär-Budgets. Beides kann und soll durch eine voll
ständige Umgestaltung des ganzen BolkSschulwesenS leicht und
sicher erreicht werden. Zu diesem Zweck wird ein ganzer
Plan entwickelt und einige Abschnitte desselben lasten klar
die Richtung erkennen, welche unserer Aufmerksamkeit nicht
entgehen darf.
„Die Seminare" — sagt der Offizier A. v. Rhöden —
„werden nach dem Vorbilde der Unteroffizier-Schulen orga-
nifirt, nur mit der Modifikation, daß die genügende Zeit
dem Unterricht zum Zwecke der Ausbildung von Seminari
sten bleibt und nicht durch die militärische Ausbildung ver-
kürzt wird. Die Seminaristen tragen Uniform — das Le
ben in den Seminaren ist ein militärisches —, die Leitung
ist eine militärische. Der Unterricht wird von einem Pä
dagogen, nicht Theologen, gegeben und überwacht. Die
Gegenstände des Unterrichtes sind dieselben wie bisher, nur
werde in der Religion das Memoriren möglichst auSge>
schloffen; dagegen werden die Seminaristen fleißig geübt im
Erklären und Erzählen der biblischen Geschichte . . . Da?
Hauptgewicht im Unterricht wird auf eine gründliche Aus
bildung in der deutschen und preußischen Geschichte
gelegt. Die Seminaristen müssen im Stande sein, der Ju
gend die Geschichte so vorzutragen, daß sie mit warmer Liebe
zum Vaterlande und mit tiefer Da kbarkeit zum Hause
Hohenzollern, den Wiederaufrichtern des gefallenen Deutsch
lands, beseelt werden. Durch die militärische Erziehung
wird den Seminaristen Pünktlichkeit, Ordnung, ein adrettes,
rasches Wesen, die Fähigkeit, seine Gedanken zusammen zu
haben und rasch gebrauchen zu lernen, zur zweiten Natur
gemacht.
Die Seminaristen treten nach ihrer Entlastung aus dem
Seminar in die Armee ein und zwar in solche Garnisonen,
in denen sie Gelegenheit zum Probeunterricht und zum Or-
gelspielcn haben. Nach mSxflrchst kurzer DlruflzrU avur -
ciren sie zum Unterossicier. Nachdem sie 4 Jahre tadellos
gedient haben, werden sie zur Uebernahme einer Schule als
Unteroffizier abkommandirt. Sie machen 3 Jahre die Prü-
* fung durch, ob sie wirklich die Befähigung und die Lust zu
diesem Berufe haben — wenn nicht, so treten sie in du
Armee zurück und haben Berechtigung aus Civilanstrllung
— die 3 Jahre in der Schule werden ihnen als Dienstzeit
angerechnet. Im andern Falle, wenn sie also in der Schule
bleiben, treten sie aus der aktiven Armee ans und in du
Landwehr über, — sie können sich dann ohne weitere Er
laubniß verheirathen. Die Schullehrer aber bleiben immer
Soldaten, auch tragen sie Uniform und avanciren bis zu den
höchsten Unterosfiziersgraden — Der Staat zahlt die Gage..
Die Gemeinde liefert nur Bauplatz uud Gartenland unent
geltlich. Der Staat baut oder kauft also das Schulhaus,
und errichtet ein kleines Exerzier- und TurnhauS dabei.
Die Lehrer werden controlirt durch Organe der Regie
rung, welche den Unterricht, dann durch Offiziere der aktiven
Armee, welche die körperliche und geistige Erziehung über-
wachen, so weit es sich pm die richtige Vorbereitung für den
Dienst im Heere handelt.
Dem Pfarrer wird jede unberechtigte Einwirkung aus die
Schule genommen... Die Organe der Regierung sind ein
mal Schulräthe — Pädagogen, nicht Theologen, — die
Schulinspektoren, welche in genügender Anzahl von der Re
gierung den unter Gymnasiallehrern, gebildeten Patronen,
Grmeindemitgliedern, auch denn Pfarrern gewählt werden.
Die Pfarrer jedoch nur, wenn die Gemeinde damit einver-
standen — und wenn sie in der Armee gedient, weil dann
angenommen werden kann, daß sie vielseitigere, klarere An
schauungen haben, um in der Richtung und dem Geiste der
militärisch organisirten Elementarschule zu wirken.
Die Controle beschränkt sich auf genaues Innehalten der
Regulative oder vielmehr des Schulreglcments. Letzteren Aus-
Ei« wirdrraufgefundcnes Meisterwerk
Holbein's.
in.
Die Erklärung der dem Niemand gegenüberliegenden
Figur, des Krämers, dem die Affen seinen Tragkorb leeren,
verdanke ich ebenfalls der Freundlichkeit Professor Kinkel's.
Er hat mich auf folgende Stelle in Van Mauders Schilder-
Boeck aufmerksam gemacht: Im Leben des Hcrri de Bles
(Ausgabe von 1618, Folio 141) sagt der Kunsthistoriker:
„Bei Martin Popenbroek in der WarmoeS - Straße ist
von ihm eine sehr schöne Landschaft. Ein Krämer liegt unter
einem Baume eingeschlafen. Unterdeffen kommen eine Menge
Affen herbei, zerren seine Waaren aus' der Bütte, hängen
sie an den Bäumen aus und treiben viel Schabernack mit
denselben. Einige legten das als ein Spottbild gegen den
Papst aus. Die Affen sollten die Martinisten oder Luthe
raner sein, die das Papstthum eine Krambude nannten,
und es (mit höhnischen Geberden) aufdeckten. Doch mögen
sie das falsch deuten. Vielleicht hatte Henrik nie an solches
gedacht, denn die Kunst soll keine Satire sein."
Dieses Bild ist, wenigstens in einer Kopie, auf uns ge
kommen. Unter Nr. 715 hängt in der Dresdener Gemälde
sammlung ein Gemälde, das Michiels in seiner vorzüglichen
Uistioiro äs 1a psmtnrs ^lamunäs IV. p. 418 folgender-
maßen beschreibt:
„Unter einem hundertjährigen Baume ist ein Juwelier
eingeschlafen, und die Affen haben die Gelegenheit seines
Schlafes benützt, um ihm seine Kleinodien zu stehlen und sie
aus die Aeste zu tragen. In der Mitte des Bildes kommt
eine Person herbeigelaufen, die beim Anblick dieses tollen
Streiches sich die Haare ausrauft — ohne Zweifel der Ge
nosse dcs Kaufmanns. Der Hintergrund erinnert an Bou-
vigne, den Bayardsfelsen, daS Schloß Crsvecoeur, die Lieb
lingsgegenden des Malers. Aber dieser Grund ist zu blaß,
schlecht in der Perspektive und ohne Harmonie im Ganzen.
Die Farbe zu schwarz in den Zweigen des Vordergrundes,
bildet einen harten Contrast mit dem Uebrigen. Fast Nichts
druck wählen wir lieber, weil er militärische Kürze und
Klarheit bezeichnet und grade deswegen eine verschiedene Aus
legung des Inhalts nicht zuläßt. Ein kurzes klares Schul
reglement und richtig erzogen, streng controlirte Lehrer, eines
Weiteren bedarf es nicht, um größere Resultate zu erzielen,
als mit den jetzigen Regulativen und Organisationen."
Genug. Die Ansichten dcs Herrn v. Rhöden bezeichnen
vielleicht die äußerste Grenze, bis zu welcher sich die Wünsche
des Militarismus versteigen. Aber man würde sich einer
schweren Täuschung hingeben, wollte man sie nur als eine
literarische Curiosität behandeln. Ein Schulorganismus, wie
ihn dieser Offizier für uns wünscht, ist durchaus keine Un
möglichkeit und besteht bis auf den heutigen Tag in der
österreichischen Miliiärgrenze. Unsere Schulbehörde.. sind
ähnlichen Einrichtungen durchaus nicht abgeneigt und Men
eine große Vorliebe für militärfcomme Lehrer. Auch ist
schon wiederholt der Gedanke laut geworden, dem Mangel
an Lehrern durch Einstellung von Unteroffizieren abzuhelfen,
und vielleicht wäre es längst geschehen, wenn diese nicht jede
andere Civilversorgung dem armseligen Einkommen einer
Schule vorzögen.
Endlich ist nicht zu übersehen, wie die neue Reichsregie-
rung bereits thatsächlich gezeigt, daß in unserem Schulwesen
militärische Gründe vorzugsweise maßgebend seien, und darum
sie die oberste, die entscheidende Unterrichts-Behörde wäre.
Und zwar zuerst in Preußen selbst. Das Schulcollegium in
Kassel wollte die Berechtigung einer höheren jüdischen Schule,
gültige Zeugnisse zum Einjährigendienst auch an ihre christ
lichen Schüler ertheilen zu dürfen, nicht anerkennen. Als die
Sache im Reichstage zur Sprache gebracht wurde, erklärte
Minister Delbrück in sehr entschiedenem Tone, daß der
Reichsverfaffung auch der Schulbehörde gegenüber und zwar
von Seiten der Reichsregierung volle Geltung verschafft wer
den solle. Noch bedeutsamer ist ein anderer Fall. Die städti
schen Behörden Berlins tragen sich schon seit anderthalb
Jahren mit dem Plane, unter dem Nam n Mittelschulen
solche Unterrichtsanstalten zu errichten, welche nach den ihnen
gesetzten Zielen zwischen den Volksschulen und den höheren
Schulen stehen, aber doch die „Ausbildungs-Berechtigung"
zum Einjährigendienst haben sollen. Von gut unterrichtete»
Seite wird jetzt mitgetheilt, daß dieser Plan nur geringe
Aussicht auf Verwirklichung habe, und zwar weil die Mi
litär-Behörden demftlben ihre Zustimmung versagen.
Daraus läßt sich wohl folgern, daß in ähnlichen Fällen die
Reichsmilitär-Brhörde in demselben Sinne entscheidend mit
wirken werde.
So ergibt sich denn, daß die ganze Schulgesetzgebung
in Deutschland an einen sehr bedeutsamen Wendepunkt ge
langt ist. Offenbar handelt es sich um eine der schwierig
sten und vrrhängnißvollsten Auseinadersetzungen zwischen dcr
Gewalt des Reiches und der einzelnen Staaten. Es ist da-
rum sehr wahrscheinlich, daß in der nächsten Zeit die Schu!-
gesetzgebung nirgends einen Schritt vorwärts thun werde. Ja
in Preußen haben die Offiziösen bereits Ordre erhalte^
kund und zu wissen zu thun, es werde Minister v. Mü'e;
dem nächsten £ u ; vV/?-
wvtft « richtig ist daß ln Preußen durch Gesetze das Sü/Ki
wesen nicht in eine haltbare Form gebracht werden könne,
ohne unsere veraltete, vollkommen unzureichende Gemeinde-
Verfassung nicht bloß zu resormiren, sondern einfach durch
eine völlig neue zu ersetzen: so ist doch schwer einzusehen,
wie gerade jetzt dieser Umstand auf den Unterrichtsministet
bestimmend eingewirkt haben solle. Da? weiß er schon seil
vielen Jahren. Allen seinen Vorgängern und auch ihm ist'r
wiederholt bewiesen worden, z. B. von Harkort und dem
verstorbenen Waldeck. In den vielen Berathungen über die
verfehlten Unterrichtsgesetz-Entwürfe ist man bei dieser fun
damentalen Frage stets rathlos stehen geblieben, und die
Unterrichtsminister haben die Achseln gezuckt. Jetzt auf ein
mal soll v. Mühler anderen Sinnes geworden sein? Dar
würde seinem Kopfe wenig Ehre machen. Also der Grünt
muß anderswo liegen, und es wäre sehr wunderbar, wenn
man im Reichskanzleramte darüber nicht Bescheid zu geben
wüßte.
Wenn nun zugegeben werden muß, daß die Regierung
deS geeinigten deutschen Reichs einen maßgebenden Einfluß
auf die Volksbildung und also auch auf die gesetzliche Re
gelung des gesummten deutschen Schulwesens wünscht und
erstrebt, dann kann auch nicht in Abrede gestellt werden, daß
wir dieses Verhältniß ohne Säumen in's Auge zu fassen
haben. Die alte, in den vierziger Jahren in Gebrauch ge
kommene Schablone sollte schon lange aufgegeben sein. Wir
Habens ja schon erlebt, z. B. in Oesterreich, daß die nach
den alten Programmen geformten Gesetze den Anforderungen
der Gegenwart nicht zu entsprechen vermögen. Denn heute
hat „die Trennung der Schule von der Kirche" einen ande
ren Sinn als vor 20 Jahren, und die „Consessionslosigkeil
der Seminare" ist ein leeres Wort, so lange nicht entschie
den, ob irgend welcher Religionsunterricht in der öffentliche.
Schule ertheilt werden solle oder nicht. Zahlreiche Versuche
haben gelehrt, daß eine höhere Bildung der Lehrer, also
ist dem Auge angenehm aus diesem Bilde, das man als eine
Kopie des von Van Mander citirten betrachtn muß. In
einem Loch des großen Baumes, unter dem der Colporteur
schläft, sieht man die Nachteule, die dem Künstler als Mo
nogramm dient. Ein Affe paßt einem anderen Uhu auf, der
sich unter einen Stein geflüchtet. Aber man wird diese
Thiere wie die übrige Composition copirt haben."
Das Urtheil über den künstlerischen Werth oder Unwerth
des Dresdener Bildes wird uns auch von anderer Seite be
stätigt. Wir werden dasselbe einer genauen Prüfung unter
ziehen. Für sitzt läßt sich wohl nur Folgendes feststellen:
Lovrx mot äs Llss, Heinrich mit der Zoddel, sogenannt
nach einem alleinstehenden Haarbüschel auf der Stirne, bei
den Italienern nach seinem Malerzeichen, dem Käuzchen,
Civetta, war um 1480 geboren. Alle bestimmten Angaben
sind ungegründet. Ueber d e Priorität der beiden Bilder
läßt sich also a priori Nichts bestimmen. Doch ergibt sich
mit Wahrscheinlichkeit, daß sie unabhängig von einander ent-
stunden und — wie der Nemo — aus einen populären Schwank
zurückgehen. Diesen ausfindig zu machen, ist noch Sache
der Forschung. Unser eTasel aber, 1515 ent
standen, wie wir gleich sehen werden, beweist, daß
die Auslegung aus den Papst eine nach
trägliche, dem ursprünglichen Gedanken
ganz fremde ist. (Das Thatsächliche, was man über
llsnrzr inst äs LIss weiß — nicht nur behauptet —
ist zusammengestellt bei Michiels lV. 374 und VII 465.)
Wenn somit die beiden Vorstellungen des inneren Kreises
auf Zeitvorstellungen, populäre Spässe zurückgehen, so hat
dagegen Holbein in dem äußeren Rahmen seiner eigenen
Phantasie den Spielraum gelassen. Die Jagd-, Vogel-, Fisch
fang-, Tournier- und andere Scenen stehen weder unter sich,
noch mit den Mittelbildern in erweisbarem Zusammenhang.
Vielleicht gehören einzelne, in den äußeren Bilderkreis herein
ragende Figuren noch zum Niemand — genauere Untersuchung
muß das feststellen - im Ganzen haben wir sicher freie
Spiele der künstlerischen Produktion vor uns. Als gemein
same Idee, wenn eine solche aufgefunden werden soll, ließe
sich allenfalls das Fangen oder Erwischen angeben.
auch der Präparanden nicht gehofft und gefordert werden
kann, so lange die Besoldungsfrage der Lehrer nicht zu einem
befriedigenden Austrag gebracht worden, und man hat sie
überall in der Schwebe gelaffen, weil man sich scheute, das
Verhältniß der Gemeinde zum Staat neu zu ordnen, d. h.
den Gemeinden eine größere Selbstständigkeit, als sie bisher
genossen, zu gewähren und zwar auf Grund rein demokra
tischer Verfassungen. Der rechte Anfang einer Schulreform
ist allein — zumal in Preußen — die Umgestaltung der
Gemeinde-Verfassung. Hier sind die ersten und kräftigsten
Hebel anzusetzen. Und gerade wenn man zu den alten
Schwierigkeiten die Ansprüche mit heranzieht, welche die
neue Reichsregierung höchst wahrscheinlich an die Volksbil
dung stellen wird: dann wird man sich um so weniger der
Ueberzeugung verschließen können, daß einer gewissen Ver
gewaltigung der Schule nur begegnet werden kann, wenn
die Nächstbetheiligten, also die Gemeinden, alle diejenigen
Reformen selbstständig ausführen, welche als sichere Posi
tionen gegen Militarismus und Kirchenthum und Minister-
Allgewalt betrachtet werden dürfen.
Um diese Positionen handelt es sich heute vor allen
Dingen und in erster Reihe. Trügen nicht alle Anzeichen,
dann werden wir dieselben schon in nächster Zeit höchst nö
thig haben. In jedem Kampfe um die Freiheit und den
Fortschritt ist die wohleingerichtete, für ihre Zwecke gut aus
gestattete, von Gunst und Laune irgend welcher Herren un
abhängige Schule das stärkste Bollwerk. Ihre Reform ist
darum unsere wichtigste Angelegenheit, wichtiger als sie je-
mals gewesen, vielleicht die einzige, in welcher die Gemein
den heute noch mit einiger Selbstständigkeit vorgehen können.
Schon in kurzer Zeit kann's anders sein. Denn die Pläne
der Reichsregierung sind dunkel und der Militarismus hat
Eile.
Deutsches Reich.
* Berlin, 30. Aug. Ueber die Ga st einer Con ferenz
schreibt man der „N. ft. Pr." von hier: .So lange der Kaiser
und Fürst Bismarck in Gastein weilen, darf man sich darauf ge
faßt machen, täglich neue Wunder über den Verlauf der dortigen
Badecur zu vernehmen; inzwischen ist das Ding so arg getrieben
worden, daß alle Wett den wunderlichen Mittheilungen gegenüber
ungläubig bleibt. Die Eingeweihten machen aber so vergnügte Ge
sichter und zwar in gesteigertem Maße nach jeder neu eingehenden
Post, daß die Versicherungen von der Zufriedenheit mit den dort
erzielten Resultaten völlig glaubhaft erscheinen. Ja, diese Zufrie-
denhcit erstreckt sich jetzt selbst bis in das russische Gesandtschafts
hotel, und man gibt jetzt dort zu, daß es sich in Gastein doch
nicht blos um Acte der Höflichkeit gehandelt habe. Das, was
darüber in die russischen Kreise gedrungen ist, muß also dort auch
wohl befriedigt haben. Für die Befestigung des Friedens und der
guten Beziehungen der Großmächte in Europa konnte nicht mehr
geschehen, als in Gastein erreicht worden ist, so lautet jetzt das
Stichwort in diplomatischen Kreisen ; ob man fich viel dabei denkt,
ist freilich eine andere Frage."
Am Montag Nachmittag haben 1783..krisß1tnMl«,.^y^M,
sächlich nach Hamburg, Schleswig und Stettin gewendet. Ein
großer Theil, circa 700, nahm unter Begleitung zurückbleibender
stellender Collegen seinen Weg durch die Linden nach Charlotten
burg zu und erregte großes Aufsehen.
Die Bevölkerung von Charlottenburg befindet sich ge
genwärtig in großer Aufregung. Am Montag fand eine fast den
ganzen Tag hindurch dauernde Schlägerei unter den Maurern
statt, die noch erhöht wurde, als eine Menge aus Berlin auswan-
Lernder Tischlergesellcn hinzukam. Viele Fenster u. s. w. wurden
zertrümmert, es erfolgten sieben Verhaftungen.
Köln, 30. August. Gestern Nachmittag wurde vor dem
Zuchtpolizeigerichte in erster Instanz wegen des Artikels * Berlin,
21. Juni (Nach den Einzugsfeierlichkeiten) gegen die „Rheinisch e
Zeitung" verhandelt. Die Anklage war auf speziellen Antrag
des Kriegsministers erhoben; der incriminirte Artikel enthielt die
ganz kurze und nur objektive Mittheilung, daß den Strapazen bei
den Einzugsfeierlichkeiten 18 Mann erlegen seien. Nachdem die
Untersuchung auf Grund der §§ 131 und 186 des Strafgesetzbuches
begonnen hatte, ließ die Nathskammer den erstgenannten Paragra
phen fallen und hielt die Anklage nur noch auf Grund des letzteren
aufrecht, die nun dahin lautete, daß „in Beziehung auf die Mili
tärbehörde unwahre Thatsachen behauptet und verbreitet seien, welche
dieselbe verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herab
zusetzen geeignet wären." Der Vertheidiger, Hr. Adv.-Anw. Schnei
der führte zunächst ouS, daß der § 186 unbedingt eine Person
oder eine Corporation verlange, die verächtlich gemacht oder in der
öffentlichen Meinung herabgewürdigt werde. Die Militärbehörde
könne aber hier nicht als solche Person aufgdsaßt werden ; Militär
behörde sei ein abstrakter Begriff, der eine Behörde bezeichne, die
wieder in eine ganze Menge von Behörden zerfalle. Abgesehen aber
davon liege dem inkriminirten Referate die Absicht zu beleidigen
gar nicht zu Grunde Es sei eine kurze objektive Mittheilung wie
über sonstige gewöhnliche Unglücksfälle. ES werde übrigens vom
Kriegsministerium die Thatsache, daß Soldaten in Folge der Stra
pazen bei den Einzugsfeierlichkeiten gestorben seien, gar nicht in
Abrede gestellt, nur handle eS sich um die Z a h l der Gestorbenen.
Aus dieser irrthümlichen Zahlenangabe werde aber doch gewiß
Niemand eine Beleidigung oder Berläumdung herleiten können. Er
sei daher fest überzeugt, daß daS Gericht nur auf Freisprechung er
kennen könne. — Der Vertreter des öffentlichen Ministeriums hielt
dem entgegen die Anklage vollständig aufrecht, indem er fich be
mühte, auseinander zu setzen, daß der Tendenz der „Rheinischen
Zeitung" entsprechend, die schon oft Bekanntschaft mit dem Zucht
polizeigerichte gemacht, der Inhalt deS inkriminirten Artikels den
animus injariandi vollständig enthalte. Sein Antrag lautete auf
50 Thlr. Geldbuße und Bekanntmachung des Urtheils durch die
Presse. — DaS Gericht schloß sich aber nach einer kurzen Replik
zwischen dem Vertreter deS öffentlichen Ministeriums und dem Ver
theidiger den Ausführungen deS Letzteren an und sprach den R e-
dakteur von Strafe und Kosten frei.
, (Nach der Rh. Ztg.)
Saarlouls, 28. August. Eine Petition mit ca. 80 Un-
terschttften hiesiger Bürger ist an den Reichskanzler Fürsten Bis
marck abgesandt wordcki. Die Petenten der Saarfestung und deS
nächsten Umkreises bitten um Entschädigung für die durch den
Krieg erlittene Zerstörung ihrer Gartenanlagen, wirthschaft-
licher nnd gewerblicher Etablissements, sowie für die zur Zeit un
tersagte Benutzung einiger Gewerbseinnchtungen; insbesondere wird
gebeten um vorschußweise Auszahlung der ermittelten Beträge aus
den bereitesten Mitteln der preußischen Staatskasse auf Rechnung
des Reiches an die Betheiligten. (Kobl. Tagbl.)
* AuS Nassau, Ende August. Ein aus dem Obertaunus
kreise der „Mrh. Ztg." zugehende Correspondenz beschwert fich über
die ungerechtfertigte Verzögerung, welche sich betreffs der Aus
zahlung der Pen s i o n e n an die Kriegsinvaliden zum
empfindlichen Nachtheile derselben geltend macht. „Die Gesetz
gebung, sagt das fortschrittliche Organ, hat ihre Pflicht in dieser
Hinsicht erfüllt, daS Jnvalidengesetz, das der Reichstag beschlossen
hat, sorgt, wenn auch nicht allzu reichlich für diese bedauernswer-
then Opfer des Krieges. Auch an der nöthigen Beschleunigung bei
dem Zustandebringen deS Gesetzes hat es. der Reichstag nicht fehlen
lassen, denn doppelt gibt wer rasch gibt; hat er sich doch durch
die Nothwendigkeit deS raschen Gebens bestimmen lasten, nicht
auf der Trennung deS FriehenSpenfionS-GesetzeSvon
dem Jnvaliden-Gesetze zu beharren. Wie kommt eS nun,
baß man vielfach solch' armen Invaliden begegnet, welche auS den
Lazarethen entlasten, in ihren HeimathSorten ein kümmerliches
Dasein fristen und mit Noth und Entbehrung aller Art zu kämpfen
haben, weil fie' weder ihren Sold noch irgend eine Pension be
ziehen und unkundig des Geschäftsganges, nicht wissen, an wen sie
fich dieserhalb zu wenden haben? Wenden sie sich an den Bürger
meister ihres Dorfes, so zuckt der die Achseln und weiß oft eben
so wenig den Geschäftsgang als der Invalide, und so zieht sich die
Sache hinaus, der Mann wird muihlos und ungehalten, aber er
muß inzwischen darben oder betteln (!!). Es sind nicht Wenige,
denen cs so geht, wie wir e« hier beschrieben haben, und es wäre
wirklich an der Zeit, daß diesem Uebelstande Abhülfe geschafft und
das Reich diesen Braven gerecht würde." Ja, wenn „dieseBraven"
Generäle wären!
O Fulda, 30. August. Wie als bestimmt verlautet,
soll noch im Lauft dieses Jahres in Folge einer von mehreren
österreichischen Bischöfen ergangenen Einladung eine Synode
der deutschen, österreichischen rrnd ungarischen Kirchensürst-n
in Salzburg oder Innsbruck stattfinden. Als Zweck
derselben bezeichnet man die Beschlußfassung über verschiedene
auf dem Gebiete der kirchlichen Verwaltung vorzunehmenden
Revisionen namentlich die Etweiterung der Competenz der
Domkapitel.
ZZ7 Stuttgart, 30. Aug. Seit ich Ihnen neulich
Schrift'okk' „H sia j j e n) $fi e g c 1" hier mit Be-
schlap belegt und angeklagt sei, hat sich unser Staatsanwalt,
mit Namen Lenz, den Scherz gemacht, meiner Mittheilung
im hiesigen „Beobachter", der von derselben Notiz genom
men hatte, eins jener wunderlichen Dementi's angedeihen zu
lassen, wie sie gewissen amtlichen Regionen so geläufig sind.
Herr Lenz versichert, daß „von hier aus eine solche Anklage
nicht erhoben, noch auch die Beschlagnahme jener Schrift
veranlaßt worden ist". Sie haben ohne Zweifel dieses De
menti gelesen, aber auch Recht gethan, daß Sie keine Notiz
davon nahmen. DaS Factum der Beschlagnahme steht fest.
Es waren etwa 1500 Exemplare, die man bei der Beschlag
nahme erwischte. Die Anklage zielt nicht nur gegen den Ver
leger, sondern auch gegen den Verfasser, Herrn von Corvin,
und zweckt anscheinend darauf ab, das Büchlein, das über
die U n sitt lichkeit der P fassen seine unerbittliche
Geißel schwingt und das dem sittlichen Bewußtsein des k.
sächsischen Censors von ehedem keinen Anstoß erregte, als
unfitllich verurtheilen zu lassen. Wie ich
höre, wird Dr. Becher als Vertheidiger bei
der Angeklagten fungiren. Wenn also der Staats
anwalt Lenz in der vorerwähnten Weise dementirt,
so hat sein Dementi entweder gar keinen Sinn oder es hat
den Sinn, den unser „Beobachter" vermuthet; aus dem
„von hier aus" liegt der Accent und e8 soll damit an
gedeutet werden,daß eine andere fremde Hand zu uns
herübergelangt habe, um den „Pfaffenspiegel" zu belangen
und zu fassen. Ob das möglich ist ohne Mitwirkung hiesiger
Behörden und was das für eine fremde Hand sein mag,
will ich nicht w iter untersuchen — genug, mit der Beschlag
nahme und mit dem Prozesse hat es seine Richtigkeit.
* AuS Bayern, 30. August. Die ultramontanen
Preß-Organe sind die ersten von den Landesblättern, welche
sich über den neuen Erlaß deS Kultusministeriums über
das neue Dogma äußern. Wenn die entschiedensten unter
denselben hiervon Veranlassung nehmen, um, wie daS „Vaterland"
der Regierung offene Fehde seitens der Kirche anzukündigen, so sin
Gehen wir nun aus den Styl und die künstlerische
Charakteristik des Bildes über, so müssen wir zum Voraus
gestehen, daß bei der jetzigen Beschaffenheit der Tafel, wo
das Einzelne mit Mühe aus dem allgemeinen Dunkel heräus-
buchstabirt werden muß, ein abschließendes Urtheil sehr schwie
rig ist und von uns nicht in Anspruch genommen wird.
Einige allgemeine Züge lassen sich immerhin feststellen.
Die Zeichnung ist ungemein flott und sicher. Nir
gends ist einer schwierigen Stellung aus dem Wege gegan
gen, nirgends aber auch eine solche absichtlich gewählt wor
den. Mit vollkommener Sicherheit handhabt der Künstler
die menschliche Figur, die Thierwelt, alle Verkürzungen und
die Perspective. Einzelnes ist geradezu einzig gedacht und
prägt fich durch seine Naturwahrheit unvergeßlich ein. An
deres ist ziemlich nach bekannten Bildern der Zeit. Am
schwächsten schienen mir in der Zeichnung die nackten Kinder.
Die Extremitäten erlauben kaum ein Urtheil über die Aus
bildung des Künstlers. Sie liegen zmn Theil zu sehr im
Dunkeln, theils sind sie mehr andeutend gehalten. Jeden
falls war das zur Zeit nicht die Specialität des Malers.
Die Malerei kann man kaum mit einem der bekann
ten und anerkannten Werke Holbein's vergleichen. Die meiste
Ähnlichkeit bietet noch die Passion. Beidemale leuchtende,
iiesgesättigte Farben in äußerst brillanter Zusammenstellung.
Das Altarblatt ist darin noch reicher und mannigfacher,
das Tischblatt einfacher, aber harmonischer. Gold ist aus
dem Tischblatt außer bei den Wappen in der Mitte sehr
selten angewandt, dagegen helle brillante Lichter fast bei allen
Personen und den meisten Gegenständen. ES läßt sich nicht
mehr entscheiden, ob diese Lichter das Ganze nicht etwas un
ruhig machten.
Das für Halbem Charakteristische tritt unS eigentlich erst
in der Composition entgegen, hier aber voll und ganz.
Die Composition erhebt sich zum höchsten Reichthum, geht
stellenweise sehr in die Breite und verräth überall eine Fülle
innerer Anschauung. Alles scheint im Geist des Muters,
Nichts erst aus der Leinwand sich zusammengefunden zu ha-
ben. Die möglichst vollkommene Raumersüllung über
rascht im höchsten Maße. Unter diesem Gesichtspunkt ist die
Tafel ein Meisterwerk ersten RangeS. Einzig in den Ecken
zwischen dem dem Rahmen parallel lausenden äußern Bil-
derkreiS und dem elliptischen innern sind einige Figuren
mehr aushülssweise angebracht.
Endlich der Reichthum der Erfindung ist so
einzigartig, wie ihn kein Künstler außer Holbrin besessen.
Im äußern wie im innern Bilderkreis dieselbe unerschöpfliche
Quelle, aus der sich spielend eins um daS andere ergießt.
Wie muß dieser Reichthum nicht erst gewirkt haben, als noch
alles Einzelne hell und bestimmt vom Grunde sich abhob,
während er jetzt mit Mühe herausgesucht werden muß.
Fasten wir diese Punkte zusammen, so ergibt sich die
Schwierigkeit, unsere Tafel in Holbein's bekannte Entwick
lung einzureihen. Dazu kommen nun noch einige Einzeln-
heiten, die entschieden auf den Anfang seiner Entwicklung
hinweisen. Von Ornamenten ist auf der gan
zen Tafel nur Eines vorhanden und dieses
Eine ist ein gothisch gezacktes Blatt. Von ei
ner architektonischen Disposition, die Holbein
später nie, auch bei kleinen Skizzen nicht sich entgehen
ließ, gerade hier, wo sie so besonders nahe lag, keine Spur.
Endlich die . angedeuteten Schwächen, die gerade bei Holbein
später nie mehr vorkommen — das Alles stellt unser Blatt
als Ausgangspunkt von Holbein's Kunst hin, woraus
sich denn das von seiner sonstigen Malweise Abweichende hin
länglich erklären dürfte.
Es ist freilich eine eigenthümliche Zumuthung, ein sol
ches Werk einem sftbenzehnjährigen jungen Manne zuzuschrei
ben, und wir selbst haben unS Anfangs gegen diesen Ge
danken gesträubt. Allein immer und immer wieder kamen wir
zu diesem Schluß, zu dem — wie wir gleich sehen werden
—, auch noch ein äußerer Umstand drängt. Und wer in
aller Welt würde denn die Illustrationen zum Lob der Narr
heit einem Siebenzehnjährigen beimessen, wenn wir hier das
Datum nicht urkundlich hätten? Dieser die ganze Welt nach
ihrer Lächerlichkeit auffassende Scharfblick, diese Skala vor«
Humor, Ironie, Spott, Hohn, verbunden mit der Gabe der
schärfsten Charakteristik — das sind sonst nicht gerade die
Eigenschaften von Leuten, die selbst mitten in den Flegel-
jahren stehen. Und doch hat Holbein dieses Werk männ
licher Reife in seinem siebenzehnten Jahre gemacht. Und nach