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Exekutoren Valdassar Turini und Giov. Bat. Branconio
von Aquila, im Pantheon setzen ließ und die Einkünfte
der Kapellanei aus eigenen Mitteln vermehrte („dotem
quoque Iiiiius sacelli sua pecunia auxit“). Er starb am
4. November 1527.
Es ist ein Zweifel darüber erhoben worden, ob Ra
phaels Testament schriftlich abgefaßt oder bloß auf münd
licher Erklärung beruhend gewesen sey. 2« darauf be
züglichen Schriften ist nirgend von einem Notariatsakt,
sondern nur von Vollziehern die Rede. Freilich findet
sich in dem Kirchenbuch der Rotunde, das Testament
sey durch den Appocelli aufgesetzt worden („sno tesia-
menlo die si dice rogato 1’aimo 1520 per gli atti dell>
Appocelli,“ vgl. Passavant a. a. O. 560), indeß hat
sich unter den Akten dieses Notars keine Spur von einem
solchen entdecken lassen. Für die Vermuthung, daß die
Letztwillensverfügungen bloß mündlich gewesen, scheint
Äberdieß ein Dokument zu reden, welches vor einigen
Jahren von P. E. Visconti, gegenwärtig C-ommissar
der Alterthümer, aufgefunden und in der von ihm mit
Don Pietro Odeöcalchi herausgegebenen Schrift:
Istoria del ritrovamento delle spoglie mortali de Ilaf-
faello Sanzio da Urbino, Rom 1833, gedruckt worden
ist. Es ist eine unter dem 19. December 1520 zwischen
B a l d a s fa r Turini und G. B. B r a n c o n i o 'als Te
staments -Erekutoren und den Verwandten Raphaels
getroffene Uedereinkunft, nach welcher letztere für ihre
Ansprüche an die Erbschaft mit einer Summe von tau
send Dukaten abgefunden werden. Dies Dokument scheint
wenig bekannt worden zu seyn. Passava nt, wo er
von dem Testament Raphaels redet (a. a. O. 412 ff.),
erwähnt dessen gar nicht. Der dabei betheiligten Per
sonen wegen, und da Alles, was sich auf den größten
Künstler der neuern Zeit bezieht, Beachtung verdient,
sollte es aber nicht übersehen werden, und so möge es
hier in einer Uebersetzung folgen. Die Ueberschrift des
Originals ist: „Concordia inter 1). lialdasarem Data-
riiun et hfereduiti (sic) quondam D. Raphaelis de Urbino.“
Der Inhalt ist wie folgt:
..Da die wohlachtbaren Männer, die Herren Ago-
stino di Batista de Ciarla, Ridolfo di Giovantuca und
Giov. Batista di Simone de Ciarla, weltlichen Standes,
so wie die ehrbaren Frauen, Frau Maddalena, Tochter
des verstorbenen Batista Ciarla und Gattin des Fran
cesco di Giovantuca aus Urbino, Costanza, Tochter des
genannten Francesco, und Lucia, Wittwe, Tochter des
nämlichen Batista Ciarla, theils anwesend, theils abwe
send, alle aus Urbino oder dessen Gebiet und verschwä
gerte oder Blutsverwandte oder sonstige Angehörige des
seligen Raphael von Urbino, berühmten Malers, der
neulich in der Stadt Rom verblichen, Recht und An
sprüche auf den Nachlaß und die Güter des genannten
Raphael zu haben behaupteten, und die ehrwürdigen
Väter D. Valdassare von Pescia und Giov. Bat. Bran
conio von Aquila, Unseres heiligen Herrn des Papstes
geheimen Kämmerer, als Testaments-Exekutoren des
genannten Raphael, als welche sie sich erklären, oder
gegenwärtige Besitzer des gedachten Nachlasses desselben,
wegen besagter Güter und Erbschaft belästigen und vor
Gericht ziehen wollten, so haben die erwähnten Herren
Testamentsvollzieher und die Verwandten u. s. w. zur
Vermeidung eines Rechtsstreites, der daraus entstehen
könnte, und um den aus einem solchen erwachsenden
Unkosten zu entgehen, unter Vermittelung verschiedener
redlichen Männer und gemeinsamen Freunde das nach
stehende Abkommen und freundschaftliche Verständniß
eingegangen: A
„Nämlich daß die genannten Herren Testaments
vollzieher die Summe von tausend Dukaten von Kam
mergold zur Vertheilung unter bemeldeten Bluts- und
andern Verwandten erlegen und auszahlen, und letztere
dagegen zu Gunsten der Herren Vollzieher alle und jede
Rechte und Ansprüche auf bezeichneten Nachlaß abtreten
sollten. Zu diesem Zweck haben die achtbaren und ehr
würdigen Herren Don Livio de' Guidalotti, Sohn des
Arztes Maestro Giulio, Kleriker und Kämmerer Sr.
Heiligkeit, Francesco di Giovantuca, Gatte der genann
ten Donna Maddalena und Bevollmächtigter der Donna
Costanza, endlich Giov. Bat. de' Baldi, weltlichen Stan
des, alle aus Urbino, Spezial- und Generalbevollmäch
tigte der Bluts- und andern Verwandten des verstorbe
nen Raphael und mit der Schlichtung der gegenwärtigen
Angelegenheit von denselben beauftragt, welche Mühe
waltung sie aus freien Stücken übernommen, wie mir
unterzeichnetem Notar aus ihrem durch D. Matteo di
Geri di Ventura degli Accomani zu Urbino, aus dem
Bisthnmsviertel, durch kaiserl. Autorität Notar, unter
dem 12. November laufenden Jahres, Vlll. Jndiktion,
aufgesetzten Mandat ersichtlich, vor dem genannten ehr
würdigen Herrn Datar und in meiner, als öffentlichen
Notars und der unterzeichneten Zeugen Gegenwart per
sönlich erschienen, so rechtlich und gewissenhaft sie es
vermochten und sonder Trug und List, freiwillig und
einfach erklärt, daß sie die stipulirte Summe von tau
send Dukaten von den genannten Testamentsvollziehern
D. Valdassare und D. Giov. Batista, aus den Händen
des wohlachtbaren Herrn Filippo de' Nidolsi, florentini-
schen Handelsmanns und in Rom ansässig, empfangen
und entgegen genommen haben. Ueber welche tausend
Dukaten die bemeldeten Bevollmächtigten für die in
Rede stehenden Bluts- und andern Verwandten Ra
phaels von Urbino und deren sämmtliche Erben und
Nachkommen den genannten Herren Testamentsvollzie
hern eine förmliche Schlußquittung ausgestellt haben,
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mit der Zusage, auf gedachte Erbschaft keine fernere An
sprüche zu machen und auf allen Besitz, Auszahlung
und Empfang ein für allemal zu verzichten. Indem
obige Herren Bevollmächtigte über den Empfang der
Summe von tausend Dukaten, die ihnen durch die Herren
Testamentsvollzieher ausgezahlt worden, bescheinigen und
quittiren, annulliren sie zugleich alle und jede Akte,
Briefe und Schriften, aus denen gedeutet werden könnte,
als wären die genannten Herren Testamentsvollzieher
oder gegenwärtige Besitzer vorbemeldeten Nachlasses ihnen
in vergangener Zeit irgend eine Summe schuldig oder
sonst irgendwie verpflichtet gewesen oder noch schuldig
und verpflichtet, wobei sie erklären, daß solche Schriften
keinerlei Kraft noch Gültigkeit haben sollen. Ueberdieß
haben mehrgenannte Herren Bevollmächtigte auf sämmt
liche Ansprüche und Rechte, reale, persönliche u. s. w.,
welche die Bluts- und andern Verwandten des verstor
benen Raphael gegen die bemeldeten Herren Testaments
vollzieher n. s. w. wegen dieser Güter und Erbschaft, so
wohl aus dem Erb- wie Institutionsrecht u. s. w., haben
oder zu haben glauben, in meinen Händen, als denen
eines Notars und öffentlichen Beamten, zu Gunsten der
bezeichneten Herren Testamentsvollzieher oder des Nach
lasses gegenwärtiger Besitzer und ihrer Erben und Nach
kommen Verzicht geleistet u. s. w. und versprechen, auf
in Rede stehenden Nachlaß weder selber noch durch An
dere, unter keinem Vorwände, weder direkt noch indi
rekt, Ansprüche zu machen oder machen zu lassen, und
zu keiner Zeit genannte Herren Testamentsvollzieher
u. s. w. zu beunruhigen und belästigen oder beunruhigen
und belästigen zu lassen. Auch haben die Herren Be
vollmächtigten gewollt und mir unterzeichnetem Notar,
der ich diesen Akt stipulire, zugesagt, daß für den Fall,
wo andere Bluts- oder sonstige Verwandte des verstor
benen Raphael, außer den obenbezeichneten Agostino,
Ridolfo, Giov. Batista, Maddalena, Costanza, Lucia,
sich finden und auftreten sollten, welche an bemeldeter
Erbschaft und Nachlaß, sey es durch Testament oder ab
intestato oder auf irgend eine andere Weise, Ansprüche
zu haben vorgeben und die mehrgenannten Testaments
vollzieher u. s. w. belästigen oder belangen dürften, die
vbbemeldeten Agostino, Ridolfo u. s. w. insgesammt und
jeder auf ihre Kosten und ohne Auslagen und Lasten
von Seiten der Herren Testamentsvollzieher u. s. w. ver
anlassen wollen, daß solche Bluts-und andere Verwandte
von dergleichen Belästigungen, Ansprüchen und Rechts
streit abstehen, die genannten Herren Testamentsvoll
zieher u. f. w. in ruhigem Genuß des Nachlasses und
der Erbschaft des verstorbenen Raphael lassen u. s. w.,
und die ihnen dadurch etwa verursachten Kosten wieder
erstatten, ohne Abzug, Weigerung oder Zögerung. Für
alles dies haben die gedachten Herren Bevollmächtigten
ihre Mandatare Agostino, Ridolfo u. s. w. alle und jeden
solidarisch und nach der strengen Form der apostolischen
Kammer verpflichtet und der Jurisdiktion und Autorität
des Gerichtshofs der Kammer und sonstiger geistlichen
oder weltlichen Gerichte unterworfen u. s. w. mit den
gewöhnlichen Klauseln u. s. w.
„So geschehen zu Nom im apostolischen Palast in
der gewöhnlichen Wohnung des genannten Datars D.
Valdassare, in Gegenwart der wohlachtbaren Männer
D. Vernardo Bini, Handelsmannes aus Florenz, Gi-
rolamo degli Staccoli aus Urbino und Fabriano Bran
conio aus Aquila, apostolischen Schreibers, als Zeugen.
Ippolito de' Cesi, Notar."
Durch dies Dokument, welches den, Raphaels
natürlichen Erben von dessen Nachlaß zugefallenen An
theil bestimmt, wird die mehrmals wiederholte Aussage
Vasari's, wonach der größere Theil der Erbschaft den
Lieblingsschülern desselben und dem Vagnini (dessen
Name sich nicht unter den Neklamirenden findet) zukam,
bestätigt, gegen Pungileoui's u. A. Zweifel.
Zweier im Leben des großen Urbinaten mehrfach ge
nannten Personen möge hier noch gedacht werden. Die
eine ist die Fornarina, über die so viel gefabelt wor
den und über die man so wenig weiß. In einem mit
vielen und zum Theil wichtigen handschriftlichen Anmer
kungen versehenen Exemplar der Giuntina des Vasari^
welches sich in Rom im Besitz eines Rechtsgelehrten be^
findet, und von welchem Visconti (a. a. O. S. 91) Re
chenschaft giebt, wird diese Geliebte Raphaels in zwei
Randglossen Margarita genannt. Der Postillator, der
zu Ende des 16. Jahrhunderts lebte, war ein Römer
oder wohnte wenigstens in Rom, wo die Tradition sich
bis dahin erhalten zn haben scheint. — Sodann ist
Giov. Bat. Branconio zu erwähnen, minder be
kannt als andere einflußreiche Freunde des Künstlers,
aber wie ihm im Leben ergeben (Raphael malte für ihn
die Heimsuchung, die jetzt im Escurial, und zeichnete
die Fayade seiner beim Bau der Colonnaden des Peters
platzes niedergerissenen Wohnung), so auch nach seinem
Tode seine nachgelassenen Aufträge sorgsam erfüllend.
Er wurde zum Prolegaten in Avignon ernannt, bevor
der Kardinal Franyois de Clermont Legat daselbst ward,
aber der Tod überraschte ihn im I. 1525.
(Schluß folgt.)
Nachrichten vom Januar.
Alterthümer und Ausgrabungen.
Neuß. Der König von Preußen hat dem hiesigen um
die MterthumSkunde der Stadt und Umgegend von Neuß
verdienten Negimentsarzte, Dr. Jager, eine namhafte Summe
zur Fortsetzung dieser Bestrebungen überwiesen. Nach den