Full text: Zeitungsausschnitte über Raphael

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 43 
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die Expedition der Allg. Preufi. 
Leitung: 
Friedrichsstrasie Kr. 72. 
Berlin, Montag den l pen Dezember 
1845. 
JUS 333. 
Inhalt. 
Amtlicher Theil. 
Inland. Berlin. 
Deutsche Bundesstaaten. Königreich Sachsen. Landtags-Ver- 
handlungen. — Großherzogthum Baden. Die erste Sitzung der 
zweiten Kammer. — Schnee im Schwarzwalde. — Freie Stadt 
Bremen. Die hanseatischen Schiffe in britischen Hafen. — Schreiben 
aus Ebersdorf. (Ordens-Verleihung.) 
Frankreich. Paris. Hofnachrichten. — Marquis von Dreux-Brez«f. 
— Maßregeln gegen den Sklavenhandel. — Schiffe für den La Plata. — 
Frankreichs nächster Zweck in China. — Die bevorstehende Versammlung 
der Conseils für Ackerbau, Gewerbe und Handel. — Zustände des Lan 
des. — Salvandy's Rede im Kongreß der Aerzte. — Diskonto-Frage. — 
Preßprozeß. — Vermischtes. 
Großbritanien und Irland. London. Hof-Nachrichten. — Nach 
richten vom Cap und aus Sydney. — Vernichtung der Seeräuber auf 
Borneo. — Vermischtes. — Schreiben aus London. (Die Aussichten 
für die nächste Parlaments - Session; Streit mit Amerika um das 
Oregon-Gebiet.) 
Niederlande. Aus dem Haag. Ankunft des Gouverneurs vom nie 
derländischen Indien in Batavia. 
Belgien. Brüssel: Jahresfeier der brüsseler Universität. — Die Na 
turalisationsfrage. — Vermischtes. 
Dänemark. Kopenhagen. Ausbruch des Hekla. 
Italien. Rom. Die Unterhandlungen mit Spanien. — Bevorstehendes 
geheimes Konsistorium. — Wechsel der Garnisonen. 
Konzert von Henry Litolff. — Zum Leben Naphael's von Urbino. (Erster 
Artikel. Fortsetzung.) — Zur landwirthschaftlichen Literatur. — Jahrbuch 
des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. —Berliner Kalender 
1846. 
Beilage. 
Amtlicher Theil. 
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht: 
Dem praktischen Arzt vr. Sauerhering in Berlin die Ret 
tungs-Medaille am Bande zu verleihen; so wie 
Den seitherigen Kammergerichts-Assessor und Divisions-Auditeur 
W ei gelt in Magdeburg und die seitherigen Regierungs-Assessoren 
Wenzel in Köln, Lüdemann in Berlin, von Terpitz inOppeln, 
von Merckel in Breslau, Ratt in Stettin, Ascher in Minden, 
von Bodelschwingh ebendaselbst, Dreßler in Gumbinnen, 
Heindorff ebendaselbst und von Stromb eck in Magdeburg zu 
Regierungs-Räthen zu ernennen. 
Das 37ste Stück der Gesetz-Sammlung, welches heute aus 
gegeben wird, enthält unter 
Nr. 2635. den Vertrag zwischen Preußen, Braunschweig und den 
übrigen Staaten des Zoll-Vereins einerseits und Han 
nover und den übrigen Staaten des Steuer-Vereins 
andererseits, wegen Beförderung der gegenseitigen Ver 
kehrs-Verhältnisse; vom 16. Oktober d. I.; 
» 2636. die I. Uebereinkunft zwischen denselben bezeichneten Staa 
ten wegen Unterdrückung des Schleichhandels; 
-» 2637. die II. Uebereinkunft zwischen den Staaten des Zoll- 
Vereins einerseits, und Hannover andererseits, wegen 
des Anschlusses verschiedener Theile des Königreichs Han 
nover an den Zoll-Verein; 
» 2638. die HI. Uebereinkunft zwischen Hannover und Braun 
schweig, wegen der Besteuerung innerer Erzeugnisse in 
den nach der Uebereinkunft II. dem Zoll-Vereine an 
geschlossenen hannoverschen Gebietstheilen; ferner 
» 2639. die IV. Uebereinkunft zwischen Hannover und den übri 
gen Staaten des Steuer-Vereins einerseits, und Braun 
schweig andererseits, wegen des Anschlusses verschiedener 
braunschweigscher Gebietstheile an den Steuer-Verein; 
» 2640. die V. Uebereinkunft zwischen Hannover und Braun 
schweig, die in den Kommunion-Besitzungen zu erheben 
den indirekten Abgaben betreffend; und 
» 2641, die VI. Uebereinkunft zwischen Preußen, Braunschweig 
und den übrigen Staaten des Zoll-Vereins einerseits, 
und Hannover und den übrigen Staaten des Steuer- 
Vereins andererseits, wegen Erleichterung des gegensei 
tigen Verkehrs; sämmtlich gleichfalls vom 16. Oktober 
d. I.; endlich 
» 2642. die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 8. November d. I., 
betreffend die altmärkischen Bauerlehne. 
Berlin, den 1. Dezember 1845. 
Debits-Comtoir der Gesetz-Sammlung. 
Nichtamtlicher Theit. 
Inland. 
Berlin, 30. Nov. Se. Majestät der König haben Allergnä 
digst geruht: dem Steuermann Brerhals zu Berg-Genthin, im 
Regierungs-Bezirk Magdeburg, die Anlegung der von dem Senat 
der freien Stadt Hamburg ihm verliehenen, zur Erinnerung an den 
Brand im Mai 1842 gestifteten Medaille zu gestatten. 
Deutsche Bundesstaaten. 
Königreich Sachse». Die erste Kammer beendigte in 
ihrer Sitzung vom 27. November die Berathung des Gewerbe- und 
Personalsteuer-Gesetzes. Bei §. 71 wurde auf Antrag Sr. Königl. 
Hoheit des Prinzen Johann einstimmig beschlossen/daß die Ver 
bindlichkeit zur Entrichtung nicht der „verwirkten" (wie im Entwürfe 
steht), sondern nur der „zuerkannten" Geldstrafen auf die Erben des 
Steuerpflichtigen übergehen solle. Bei der Abstimmung durch NamenS- 
Aufruf erfolgte einhellige Annahme des Gesetzes. Demnächst stand 
auf der Tagesordnung der Bericht der vierten Deputation über die 
Beschwerde mehrerer dresdener Weinhändler wegen des Weinhandels 
der dresdener Domanialkellerei. Die Beschwerdeführer hatten bei dem 
Finanz-Ministerium wiederholt darauf angetragen, daß bei der fiska 
lischen Kuffenhauskellerei zu Dresden der Ein- und Verkauf auf fis 
kalischen Weinbergen nicht erzeugter, so wie ausländischer Weine gänz 
lich eingestellt werden möge, waren jedoch damit abgewiesen worden, 
und hatten nun ein gleiches Gesuch an die Stände-Versammlung 
gerichtet. Die Regierung hat in einer an die Deputation gelangten 
Mittheilung ausführlich nachgewiesen, daß das Anführen, als ob der 
Fiskus schlechterdings nur das Erzeugniß der Staatöweinberge zu 
verkaufen berechtigt sei, aller geschichtlichen und rechtlichen Begründung 
ermangele, daß Billigkeitsgründe den Beschwerdeführern nicht zur Seite 
ständen, und daß ihrem bloßen Sonderinteresse das überwiegende 
Interesse der Staatswirthschaft, so wie des produzirenden und kon- 
sumirenden Publikums entgegenstehe. In faktischer Hinsicht war be 
merkt, daß durch Verminderung der fiskalischen Weinberge und Kelle 
reien, durch Wegfall der Deputate, des ausländischen Weinverkaufs, 
des Detailverkaufs und Ausschanks inländischer Weine an und für sich 
schon sämmtlichen Weinhändlern ein viel größerer und freierer Spiel 
raum gewährt worden sei. Die Deputation beantragte aus diesen 
Gründen, denen sie vollkommen beipflichtete, die Beschwerde als un 
begründet zurückzuweisen. Herr Staats-Minister von Zeschau: 
„Es habe niemals in der Absicht des Finanz-Ministeriums gelegen, 
sich mit seinen Einrichtungen in den Geschäftsbetrieb der Gewerbe 
treibenden zu mischen. Noch weniger könne dies jetzt beabsichtigt 
werden, wo der Gewerbsbetrieb mit so manchen Schwierigkeiten zu 
kämpfen habe. Es habe dies mehrfach bewiesen, z. B. eine mehr als 
Muster errichtete lithographische Anstalt wieder eingehen lassen, als 
Klagen der Lithographen darüber eingelaufen. Auch her der fiskalischen 
Kellerei sei deshalb seit 1831 der Detail-Verkauf und Ausschank auf 
gehoben worden. Aber die Prätensionen der Gewerbtreibenden gin 
gen oft zu weit. So hätten sich z. B. jetzt die dresdener Apotheker 
darüber beschwert, daß man die in einem schlechten Lokal befindliche 
Hof-Apotheke in ein besseres Lokal verlegen wolle, und zugleich 
eine Beschänkung ihres Vertriebs verlangt. Für die Staatswirthschaft 
sei der Besitz der Weinberge sehr wichtig, ihre Kultur diene als 
Muster für die übrigen. Eine Bewirthschastung, ein Nutzen 
derselben sei aber ohne Kellerei nicht denkbar. Die Kelle 
rei brauche aber zum ordentlichen Betriebe jährlich ein re- 
Konzert von Henry Litolff. 
Unter Direction des Königl. Konzertmeisters Herrn Leop. Ganz und 
Mitwirkung der Königlichen Kapelle gab am 29. November Herr Henry 
Litolff im Saale der Sing-Akademie sein erstes Konzert. 
Herr Henry Litolff, ein junger Künstler, der aus England zu uns 
herübergekommen, ist zwar nicht mehr Fremdling in unseren Mauern und 
wußte sich seit seiner Ankunft hier im Laufe des Sommers bereits in enge 
ren Kreisen, wo er sich hören ließ, den Ruf eines ausgezeichneten Klavier- 
Virtuosen zu begründen, doch trat er hier zum erstenmale mit seinen Lei 
stungen vor die Oeffentlichkeit, und zwar nicht nur als Virtuos, sondern 
auch als Komponist. Diese letztere Eigenschaft Pflegen sich freilich gegen 
wärtig die meisten Virtuosen beizulegen, allein Herr Litolff hat uns in 
seinem Konzert dargethan, daß er sie nicht durch einige „Fantaisies, Sou 
venirs ä oder Rcminisccnces de etc.“ für sich usnrpirt sondern daß er im 
Stande ist, nicht nur größere Formen, sondern auch die größeren Mittel 
eines Orchesters zu beherrschen und kunstgemäß zu verwenden — eine in der 
That höchst erfreuliche Erscheinung in einer Zeit eitler Finger-Prahlerei, wo 
man so vielfältig über dem Mittel den Zweck vergessen sieht. 
Die Eröffnung des Konzerts machte nicht, wie angezeigt, die Ouvertüre 
zur Oper Don Juan, sondern die zu Fidelio von Beethoven, welche unter 
der Leitung des Herrn Konzertmeister Ganz von der Königlichen Kapelle 
sehr gelungen ausgeführt wurde. Darauf folgte Gesang; „Ode an den 
Ocean", komponirt vonH. Litolff, vorgetragen von HerrnGraziani. Zur 
Würdigung eines Gesangstückes ist cs nöthig, daß man den Text mit der 
Composition vergleichen könne; doch diesmal mußten wir uns begnügen, in 
Beziehung auf ersteren nur in so weit inS Kläre zu kommen, daß er in 
französischer Sprache sei. Die Composition an sich zeigte eine frische Er 
findung und geistvolle Durchführung. Einem bewegteren stürmischen Satz 
folgte ein anderer, in welchem sich eine sanftere Empfindung aussprach, und 
das ganze Gedicht erschien so eingerichtet, daß es sich unter die wiederholte 
Aufemandersolge dieser beiden Sätze grnppirte. Eine Anrufung des Oceans 
schloß sich, wie ein Refrain, jedesmal an den ersten derselbenjund machte, irren 
wir nicht, auch den Schluß des Ganzen. Die Klavierbegleitung, sehr charak 
teristisch gehalten, wurde sauber und diskret ausgeführt. Herr Graziani 
entwickelte große Lebendigkeit im Vortrage und ein angenehmes Organ; auch 
schien die Composition ganz geeignet, dasselbe zur Geltung zu bringen, und 
der Komponist, der hierauf erschien, um sein größeres Werk „Zweite Konzert- 
Sinfonie für Piano und Orchester" selbst vorzuführen, wurde mit leb 
haftem Beifall empfangen. 
Daß er für dieselbe nicht die sonst gebräuchliche Benennung „Klavier- 
Konzert" wählte, findet wohl darin seine Begründung'und Rechtfertigung, 
daß hier dem Orchester neben dem konzertirenden Instrument wirklich eine 
weit größere Geltung und Selbständigkeit eingeräumt ist, als die» sonst der 
Fall zu sein pflegt. Die breite Instrumental-Einleitung bildet für sich schon 
j ein selbständiges, interessant durchgeführtes Ganze, und das Pianoforte tritt 
alsdann, offenbar aber weit weniger im Sinne eines konzertirenden Jnstru- 
j mcnteS, als viel mehr in dem Bestreben hinzu, feine Effekte und Klang- 
f ärben mit denen dcS Orchesters möglichst zu vereinigen und sich mehr als 
heil denn als Beherrscher des Ganzen geltend zu machen. Dies ist 
besonders im Scherzo der Fall, wo der Eindruck des Komischen vortrefflich 
auS dem Charakter der einzelnen Instrumente hervorgeholt ist. DaS Ada 
gio, welches viele melodische Schönheiten und einige ganz eigenthümliche 
Instrumental-Effekte zeigt, läuft, obgleich an sich gehörig ausgebreitet und 
vollständig gesättigt, ohne besonderen Absatz in das Finale aus, welches 
sich in vollkommen gleichem Werth mit den übrigen Sätzen des Werkes 
behauptet und einen würdigen Schluß des Ganzen bildet. 
Ein besonders für unsere Zeit so auszeichnender Hauptvorzug dieses 
Ganzen besteht darin, daß der darin bestimmt und klar ausgesprochene 
Stoff überall eine angemessen künstlerische Form gewinnt. Daher nirgends 
ermüdende Längen, aber auch eben so wenig irgendwo ein leichtsinniges 
Abfertigen deS Gedankens. Alle Theile sind ebenmäßig unter sich ausge 
bildet, und die einzelnen Sätze erscheinen nicht willkürlich an einander ge 
reiht, sondern eine gewisse innere Uebereinstimmung charakterisirt sie als alle 
einem größeren Ganzen angehörig. Dieses Alles, so wie die geistvolle, ge 
wandte, oft glänzende Handhabung der Orchester-Mittel, setzt ein so ernstes 
Studium voraus, wie dessen wohl wenige unserer modernen Klavier-Vir 
tuosen sich rühmen können. 
Schon als Komponist verdiente also Herr Litolff die vollste Aner 
kennung; und doch nimmt er dieselbe in eben so hohem Grade als Virtuos 
für sich in Anspruch. Während er einerseits die höchsten technischen Schwie 
rigkeiten mit großer Leichtigkeit und Sicherheit überwindet, übt er anderer 
seits auch über die verschiedensten Niiancirungen des TonS die vollkom 
menste Gewalt aus, und eS versteht sich bei einer anderweitig so bedeuten 
den Begabung von selbst, daß er diese nicht zu leerer Effekthascherei, son 
dern im Dienst der künstlerischen Idee handhabt. Der lebhafteste Beifall 
folgte der Konzert-Symphonie, und dieser galt sowohl dem Inhalt, als 
auch der vortrefflichen Ausführung derselben. 
Der zweite Theil des Konzerts '-gann mit der Ouvertüre zum Som 
mernachtstraum, von Felix Mendelssohn-Bartholdy, daran schloß sich eine 
Caprice pour le piano sur des tliemes de l’op6ra: Lucrece Borgia, 
komponirt und vorgetragen vom Konzcrtgeber, — ein brillantes Klavierstück, 
worin, wie in dem folgenden: „Invitation ä la Polka“ und „Tarantella 
du diable“, der Komponist mehr dem modernen Kunstgeschmack eine Huldi 
gung darzubringen schien. Nach der Caprice ertönte vielfaches Dacapo- 
Rufen, doch der Künstler gab statt einer Wiederholung ein anderes Musik 
stück, daS wir nicht näher bezeichnen können. 
In der Jntroduction zur Invitation ä la Polka, schien der Komponist 
dieselbe Intention zu haben, wie sie in der Jntroduction zur „Aufforderung 
zum Tanz" von C. M. von Weber angesprochen ist, nämlich die eines 
Zwiegesprächs — eine Uebereinstimmung, die sich aus der Sache selbst cr- 
giebt! — Daß die Ausführung aller dieser Sachen in höchster Vollendung 
war, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Der Applaus steigerte 
sich bei jeder Piece und war zuletzt wahrhaft enthusiastisch. Noch ist einer 
jungen Sängerin zu erwähnen, die mit dem Vortrag der „Gnaden-Arie" 
aus Robert dem Teufel hervortrat, deren Name jedoch auf dem Programm 
nicht angegeben war. 
Herr Litolff wird hoffentlich durch ein baldiges wiederholtes Auf 
treten zu einer genaueren Würdigung, namentlich seines schöpferischen Ta 
lents, Gelegenheit geben, als dies gleich nach einem einzigen Mal Anhören 
solcher Produktionen möglich ist. 15. 
Zum Leben Raphaels von Urbino. 
Erster Artikel. 
(Fortsetzung. Vergl. Allg. Pr. Z. Nr. 331.) 
Durch seine Werke und sein liebevolles Wesen erwirbt sich Raphael die 
Achtung und Freundschaft der hervorragendsten Geister seiner Zeit, die nicht 
arm an Größen jeder Art war. Der ungestüme, feurige, großartige Julius II. 
und der sanftere MäcenaS Leo X., der seinem Jahrhundert den Namen ge 
geben, obgleich der erstere Papst mehr der Ausdruck und der Schöpfer alles 
Großen in demselben war, liebten und ehrten ihn. Der Kardinal, Staats- 
Secretair Leo's, Bernardo Dovizio von Bibiena, Verfasser der Ca- 
landra, der ersten italienischen Komödie noch vor Macchiavcllt, drängt den 
Maler, die Tochter seines Bruders Antonio, Maria Dovizio, zu h«rathen, 
und Raphael weicht dieser Verbindung aus, weil ihm nach der Erzählung des 
Vasari (die wohl nicht ohne Grund ist) der Papst selbst die Würde eines 
Kardinals in Aussicht stellt. Kurz vor seinem Hinscheiden verlobt er sich 
jedoch mit Marien, die noch vor ihm stirbt, und er läßt ihre Hülle in dem 
Grabmal, das er für sich selbst im Pantheon des Agrippa erbaut, beisetzen. 
Die Geschichte dieser Vermählung mit der Nichte deS Kardinals von Santa 
Maria in Portico ist dunkel, und man weiß nicht, ob Mangel an Liebe, 
Ehrgeiz oder Neigung zur Kunst und Unabhängigkeit ihn davon abhielt. 
Unter den Papieren des letzten Herzogs von Urbino, Francesco Maria della 
Rovere II., f 1631, fand sich ein Schreiben Naphael's an seinen Onkel Simone 
Ciarla vom I.Juli 1514, worin er schon sein noch früher entstandenes Ver 
hältniß zu Maria und ihrem Onkel erwähnt. Im Eingänge desselben 
wünscht er sich Glück, daß er eine ihm vom Onkel in Urbino vorgeschlagene 
Braut nicht genommen. Dann beschreibt er seine glänzende Stelle in Rom, 
besonders als Baumeister von St. Peter, und wie der Papst ihn und Fra 
Gioconda von Verona täglich rufen lasse, um über diese ihm theure An 
gelegenheit zu sprechen. Nun fügt er hinzu, wie der Onkel wohl wisse, 
daß der Kardinal ihn dränge, seine Nichte zu heirathen, und wie er nun 
nicht mehr ausweichen könne. „Non posso rnancar di iede, e semo piü 
die mai alle streite", worin ein Versprechen und eine Abneigung gegen 
diese Verbindung beinahe ausgesprochen ist. Und weiter: Wenn Francesco 
Buffa (in Urbino) noch Partiten für mich hat, so habe ich auch welche, denn 
ich habe in Rom ein schönes Mädchen gefunden, una Mamola belln, vom 
besten Rufe sie und die Ihrigen, die mir 3000 Scudi d'oro mitbringt, und 
sie besitzen ein HauS hier, wo 100 Dukaten mehr gelten, als 200 bei uns. 
Er schließt, indem er seinen Onkel bittet, zu dem Herzog und der Herzogin 
zu gehen, die es gern hören würden, daß einer ihrer Diener sich Ehre mache, 
und unterschreibt sich: Euer Raphael, Maler in Rom. Das Haupthinderniß 
dieser und anderer für ihn beabsichtigten Verbindungen ist wohl seine Liebe 
zu Margherita la Fornarina gewesen, die er schon bei seinen Arbeiten in 
der Farnesina gegen 1511 kannte, und die bis zu seinen letzten Tagen, wo 
harte Priester sie von seinem Sterbelager entfernten, seine treue Gefährtin 
war. Diese besaß ihn, den licbewürdigen Menschen und großen Künstler, 
sein Herz und sein Vertrauen, und die Verwandte des mächtigsten Mannes 
nach dem Papste ist vielleicht am gebrochenen Herzen gestorben. Die erste 
Bestimmung im Testamente Naphael's war ein Jahrgchalt für seine Ge 
liebte, von dem sie anständig leben konnte. Ihr Ende ist spurlos geblieben, 
aber'in unserem Andenken schmiegt sich noch immer daS liebliche Bäcker 
mädchen Margarethe an die hehre Gestalt Raphael'S. 
Mit den ersten Dichtern und Gelehrten dcS goldenen cinque-cento 
steht Raphael in persönlicher Verbindung, und sein Mentor ist ein alter stoi 
scher Weiser, Marco. Fabio Calvi von Ravenna, den er in seinem Hause 
pflegt und ernährt, ihn wie einen Vater ehrt und bei allen Dingen um 
Rath bittet, wie Celio Calcagnini berichtet. Dieser übersetzt den Vitruv 
sür die lingua volgarc, wovon die köstliche Handschrift in der Bibliothek 
zu München ist, auch ist er bet den Vermessungen deS alten Roms, wovon 
der schöne Bericht Raphael'S an Leo X. noch vorhanden, dessen Gehülfe 
gewesen. Er starb ein Opfer des scheußlichen Saceo di Roma 1527, der
	        
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