Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 38 
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äußerlichen 2luffaffung ber Bergprebigt Witten bie ©ibeSfreißeit ge» 
währt ift, fo aueß ben 2ltßeifien um it;reö Unglaubens willen'baffelbe 
IRed)t gu Sßeil werben. 
2lber Betreffs ber 2(rt itnb 2Beife geigen ftcB> gwei 2ßege,Tber 
eine ßöcßft gefährlich, ber anbere unbebenflicß. 2)er Antrag Baum« 
garten will Sebent, ber erflärt, ber ©ib bei ©ott gehe gegen feine 
religiöfe Itebergeugung, ben ftrengen ©ib erlaffen: bieS wäre eine 
Prämürung ber ©ottlofigfeit unb eine SouOeränetätSerflärung ber 
inbitnbueUen 2Sillfür. Laster, 9Jiarquarbtfen unb Sd) röter 
wollen beseitigen, welche feiner SfteligionSgemetnfcßaft angeboren, 
ben ©ioiteib geftattet wiffen. 2)iefen 2luSweg tonnen wir Billigen. 
SBer ben ©ib nid)t fcßwören will, weil er an ©ott nicßt glaubt, 
ber trete förmltcß auS ber Kirche, unb gebe oor ©ericßt eine 23er« 
fid)erung, bereu Unwahrheit wie SEMneib Beftraft wirb. 23ermeiben 
läßt fieß biefe ©inrtdftmtg bod) nid)t mehr. 2Senn eS erft einmal 
Saufenbe oon Unconfirmirten giebt, bie feinen ^Religionsunterricht, 
feine Unterweifung über ben ©tb empfangen haben, fo wirb cS ja 
unmöglich fern, oon biefen einen ©ib gu forbern. 2)enn ber Oleli- 
gioitömtterridft ift bie BafiS beS ©ibeS. — Sn btefer 2Beife erle* 
bigett fuß alle geredften 23ebenfen unb, fo fdjmerglid) eS bleibt, baff 
ein Sßeil beS beutfchen 2SolteS mit bem ©ib Bremen will, fo md§ 
bod) gerabe hier ber Uebcrgettgmtg ttacßgegeben werben, oßne baß eS 
barnrn nötßig ift, bem gläubigen beutfchen 23olfe eine Formel beS 
Unglaubens aufgugwiitgen. ftftatt mache ben ©tb feltener unb feier 
licher; man ftrafe ben Pleineib ftrenger unb ftempele bie Lüge oor 
©eridft gu einem ftrafwürbigen 23ergehen, man geftatte beneit, bie 
fid; als 9ltheiften erflären unb aus ber Kird)e förmlich ausgetreten 
fiitb, ben ©iotleib, unb bie Sad;e ber 25aßrßeit wirb babei ge« 
Winnen. — 
11« 5tatifiik t>er kirdjUdjen .ftkte in tttr ctmmjcüfdjnt 
^anb«sktrdje $)rcujjens für iraa 3d)r 1875. 
Omn erften 3Ral ift burch eine amtlidje 23eröffeutltd)ung aus 
bem 23üreau bcS ©oangeltftßeu Dber*Kird)cn«fRatßö für ein oolleS 
Saßr baS ©rgebniß ber ftatiftifdjen ©rmittlungen über bae 1 2 3 4 23er« 
ßältniß ber fird)lid)en 2lfte gu ben ©ioilaften in unferer Laubes« 
firdje feftgefteüt. 3)te Slufgabe war aus meßrfad)en ©rünben nicht 
leicht. S)ie betreffenben Eingaben werben einerfeitS üon ben Stan- 
besamtem, anbrerfeitS oon ben Pfarrämtern geliefert, jene non bem 
ftatiftifchen 23üreau, biefe Oon ben ©onfiftorien gufatmnengefiellt; unb 
bie beibcn letztgenannten 23ehörben fielen außer jeber amtlidjen 
23erbinbung. 2)agu fouuut, öaß bie bürgerlichen unb fircblichen 
^anbiungen nad) Seit unb Drt nidft gufaumienfatlen; Kinber, bie 
in einem Saßre geboren finb, werben in einem anbern getauft, 
©ßen werben an oerfdftebenen Drten bürgerlich gefcßlofjen unb ein* 
gefegnet. ©emifcßte ©onfeffionSOerßältniffe bereiten neue Sd)wterig- 
feiten, ba bie SJiitarbeit fatholifdjer ©eiftlicßer nid)t gu erwarten 
unb beßßalb unterblieben ift. 5Ran hat nun bei ben allgemeinen 
Sahlen für bie Saufen unb Srauungen in gemilchten 2Serhältniffen 
jeber ©onfeffion bie Hälfte angenommen; Id fann eS fomrnen, baß 
Z- 23. im SRünfier’fcßen, wo in rein eoangelifcßen gamilien feine 
einige Saufe unterblieben ift, baS ftatifiifd)e 23erßältniß fcß im 
SlUgemeinen ungünftig [teilt, weil oiele Kinber aus gemifd)ten ©he« 
fatholifd) getauft finb. ©benfo in $oßettzoUetn. 2ln anbern Dr- 
ten wieberum überfteigt bie allgemeine 3aßl ber Saufen bie ber 
©eburten, weil hier mehr als bie $älfte ber Kinber aus 3Tcifd)el)en 
eoangelifcß getauft ift. 2lber eS begreift fid) leid)t, baß biefe fah 
len ftd) um fo mehr auSgleichen, je größer ber Kreis ift, über ben 
fie fich crftrecfen. Snbem man nämlich »ad) fixeren 23ere<hnungen 
bie 3al)I ber bei fülifcßeßen ber eoangelifcßen Kird)e oerloren ge 
gangenen Saufen unb Stauungen auf 9,25 Proc. beredjnet, fommt 
man ber 2ßal)rheit gang nahe, ferner ift es wichtig, bei ber 23e« 
recßnung ber Saufen bie in bem erften 9DRonat eingetretenen SobeS« 
fälle ber ^inber abgujiehen; bieS macht 7 Proc. Oon allen, unb 
ungefähr 2 Proc. oon biefen ftnb getauft. Stuf biefe SCBeife gewinnt 
bann bie ©rhebung burch bi c ungemeine Sorgfalt, mit welcher fee 
gefdjehen ift, ben ©harafter einer unzweifelhaften Sicherheit. 5)ie 
0iefultate, welche ftch barauS ergeben, finb folgenbe. 
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Sramtngen 
Saufen 
ttneßel. Ktnb. 2 ) rein eogel. 
gentifeßt 
Proc. 
Proc. 
Proc. 
Proc. 
Prootng Pontmern 
96,24 
9,95 
90,08 
30,48 
Sftßetnprooing 
95,82 
2,79 
95,33 
97,10 
proo. Pofett 
94,21 
6,77 
92,64 
114,66 3 ) 
„ Preußen 
94,16 
9,58 
89,71 
71,52 
„ Scßlcften 
94,13 
10,15 
88,67 
89,46 
„ SCBcftfalen 
94,09 
2,65 
97,10 
61,72 
„ Sacßfen 
92,58 
9,12 
78,01 
49,50 
„ Branbenburg 
92,25 
9,16 
84,17 
54,96 
(oßne Berlin) Berlin 
12,91 
27,25 
16,56 
^oßengollern 
71,269 
2,50 
80 4 ) 
17,41 
Sür einige ber großen Stäbte [teilt 
fieß baS 23erßältniß fo: 
Saufen 
Stauungen 
Proc. 
Proc. 
Sortnmnb 
98,74 
88,32 
Pofen 
89,88 
102,30 
Königsberg 
83,69 
64,76 
©öln 
75,36 
91,33 
Stettin 
73,38 
32,31 
9)tagbeburg 
72,65 
32,91 
Berlin 
65,79 
26,45 5 ) 
£>od) finb hier bie früh beworbenen Ätnber außer 23erechnung 
geblieben. 
2)as Schlitßergebniß ift nun fo, baß, alle Umfiänbe erwogen, 
in ber £anbeSfird)e 2,39 Proc. Äinbcr ungetauft, 18,55 proc. ©l)en 
ungefegnet geblieben finb. „gür 23erlin" — fo fd)ließt fd)mergli<h 
genug ber 23erid)t —, muß als feftgeftellte Shatfad)e angefehen wer 
ben, baß im SählungSjahre jebeS oiertc j?inb ungetauft geblieben 
ijt unb beinahe brei 2SterteI fämmtlicher !ird)ltd)er ©hefchließuugen 
bie 2EBcihe ber Kirche nicht empfangen haben." £)ier ftehen wir oor 
bem factum, baß, obwohl im ©anjen ber Umfang beS fird)lichen 
SlbfaüS in Sejug auf bie Saufen gering, in Sejug auf bie Stau 
ungen jwar groß aber hoch geringer ift als man glaubte, in ben 
großen Stäbten, befonberS in ÜJiagbcburg, Stettin unb 23erlin 
erfchrecfenbe Suftänbe finb. Unb wir oerweifen biejenigen, welche 
fragen, was gefd)ef)en foil, auf ben 23ortrag oon Pfarrer pan! f 
ber auf bem ©ongreß gu ©angig bie ^erjen fo tief ergriff unb 
neben ben bunflen Schatten and) mand;eS Sid)t unb ©runb gut 
Hoffnung geigte. !Diefer Vertrag ift je^t gebrueft 6 ) unb geftattet nun 
ein tlrtheil über bie mancherlei ©inwürfe, bie befonberS oom SfUjetn- 
lanb her gegen feine Sahlenftatifti! gemad)t finb. Paftor Panf 
hat, wie er berichtet, in 2)angig auSbrücftich betont, baß baS 23er- 
hältniß ber ÜJlifdjehen fowohl in 5Begug auf Saufen wie Stauungen 
mandjeS 3rrefül)renbe mit fich bringe, was inbeß für bte oor» 
liegenbe 2lufgabe oon geringerem ©ewichte fei. 9^i^tS beflo weni 
ger hält Paftor pan! auf ©runb ber amtlidjen Statifti! feine 
Angaben feft, baß SDntSburg nur 58,93 Proc., ©refelb nur 71,23 
Proc. eingefegneter rein eoangelifcher ©hen barbieten. @S ift 
alfo wünfchenSwerth, baß biefe ©emeinben oermittelft amtlicher 
5Reoifton jene 3aI)Ien bejireiten, falls fte nod) immer barauf be 
gehen, baß biefelben falfdh finb. 7 ) — 
Unfere Hoffnung aber ift, baß bie 3unal)mc an Saufen, welche 
in ber lebten Seit in ben großen Stäbten unleugbar ftattfinbet, 
fcon S«h^ ju 3ahr wachfen möge, barnit fünftige Statifiiten ein 
fchönereS 23ilb gewähren als biejenige beS 1875. — 
1 ) wegen ber SJtifchehen ift btefeS 23erl)ältmß fo ungünftig. 
2 ) oon benfelben finb 81 proc. getauft, 10 proc. weniger als oon 
ben ehelichen. 
3 ) alfo mehr als bie Hälfte eoangelifä) getraut. 
4) oon 5 eoangelifcßen ©hen finb 4 eingefegnet. 
5 ) SDte eoangelifhen nnb gemifchten Stauungen jufantmen. 
6 ) ©ie großen Stabte unb baS ©oangelium. Vertrag auf bem 
18. ©ongreß für innere 9ftiffton in Sanjig am 7. September 1876. 
Hamburg. Agentur beS Otaußen Kaufes. 
7 ) Sffiir bemerfen jeboep im 23orauS, baß wir biefe Settmtg für 
bie geeignete Stelle betrachten tonnen, an welcher biefer Streitpuntt gum 
SluStrag gebraut werben fann. 
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gu laffen uttb ben Segen ber Kirche gu erhalten. 3« Sutler wirb 
ber greife SJlarcuS geführt, bamtt unter feinem Machtwort ber alte 
£aß ftch löfe unb er bitrd) baS 23efenntniS ber eigenen Scßulb 
oerföhnt fterbe. Luther’S ©cwalt über bte ©emüther ber Seit 3 
genoffen wirb freilich baburd) gegeießnet, aber hier tritt er faßt wie 
ein deus ex maebina auf unb fatecßiftrt glei^fant baS ©nbe her 
bei. 2)ic Hoffnung, welcßc allein tröfteub unb milberttb wirfen 
tonnte, baß 2llbred)t’S Sßat bod) ber Anfang für bie 23erwitflichuitg 
ber großen Lebensaufgabe beS fJJlarcuS war, bürfte er itt ißnt uießt 
wachrufen- So bleibt an ber 23crföhnung etwas wie ein ntd)t auf* 
geßenber 9teft ßaften. 
SDiarcttS ^öntg ftirbt auf ber 23efte Coburg, am Sßale beS 
SßibacheS. 9Jiit ißnt ift baS ©efd)Icd)t gtt feiner uralten £>eitnathS* 
ftätte gurücfgefeßrt. 23tr hoffen, baß ber 2)id)ter oon ben ©ntelu 
biefeS ©efd)led)ts uns nod) meßr evgäßle, unb wünfeßett, baß bagu 
feine .^raft ftd) tßm ft arte unb ermjue. — 
(öoetl)c. 
23orlefungen^gfßaltcn an ber Unioerfttät gu 23erlitt. 23oit .^ermann 
:) , ' ,©rimm. 3wct ©änbe. ©cvlin. 2B. «fberß. 
..^hfchon über ©oetßc fd)on fo üiel gefagt worben ift, baß 
man meinen möd)te, eS fönnc nichts meßr gefagt werben, finb na« 
mentlid) bie lebten Saßve an Publicationen über ißn ungemein 
reich gewefen. 3)te ©rfläruttg bafür bietet bie 21 rt feiner bid)teri* 
feßett Sßätigfeit. Sein S)td)teu ift eine llebertraguug feines Le 
bens in bicßterifd)e ^orm, ein fortgeßenbeS 23e!ettntniß über fieß 
felbft; bie äußeren ©tlebniffe werben ißut gu ©lementen feiner 5)id)- 
tungen, jebeS feiner 2Ber!e ßat feine eigene ©ntwicfliutgSgefd)id)te, 
eingelne laffen ftd) burd) alle Stabien berfelben 001t ißrer erften 
©onception an oerfolgen. 3n biefer innigen 23erfcßmelguitg oon 
©0etpe’S Leben unb 2)id)ten rußt bte 23ered5tigttiig ber 3)etail- 
forfdtung über ißn, für weldie bie Äenutniß jeber Stuube feines 
LebettS oon 2Bicßttg!eit wirb, weil fie einen 23eitrag für baS 23er- 
ftänbntß feines ©icßtenS enthalten tarnt. Sie barf baßer aud) io 
lange uießt abgefcßloffcn gelten, als bie 2ötöglid)?eit ttoeß Oorhattbeit 
ift, burd) neues SQßaterial neue 2luffd)lüffe gu gewinnen; baß gange 
©orrefpottbengen nod) auf bie 23eröffentlid)ung warten, baß ber 
9tad)laß ©oetße’S, oon feinen ©rben unter 23erfcßluß geßalteit, 
nod) ungugätiglid) bleibt, ift befannt genug. ©leicßwoßl fann man 
uießt behaupten, baß bte Slrbeiten biefer gorfdjung einen ptaß im 
23orbergrttnbe beS allgemeinen SntercffeS gu beanfprud)en hätten; 
bagu finb fte gu weitfeßtehtig geworben, baß eine oollftänbtge Dri» 
entirung nur wenigen nod) möglid) ift, tßetlweife aueß in Jcletntg- 
feiten üerfunfen unb in ©ontrooerfen oerwicfelt, Oon bereu leiben- 
fcßaftlicßer, geßäfftger 23eßanblung man fid) gern abmenbet; oft 
träufeln fte aud) nur an ben SBolfen, hinter betten ber Sftonb gute 
9ftuße ßat, ttub laffen oon ber 2lrt beS ©eifteS, ben ©eift anguregen, 
wenig fpürett. 
3u guter Stunbe ßat baßer £ er mann ©titttm eS unter 
nommen, ttnS baS ©efammtbilb ©oetße’S wiebet oor 2lugcn gu 
jteUen oßne abgießenbeS unb oerwirrenbeS ©ingeßen auf baS ÜDetail, 
aber auf bem ©rttnbe umfaffenber ^emitniß beffelbett fein Leben 
unb ©ießten itt einer ©inßeit gleicßfam wie aus einem ©uffe gu 
fcßilbern. ©oebefe ßat in feinem forgfanten unb fleißigen 
23ud)e bie Summe bet ©rgebniffe attS ber bisherigen gorfeßung 
gegogen unb in leßrreidjer 2Beife baS gufammengejtellt, was wir 
üon ißm wiffen. ©rtmrn fteßt auf einem ßößeren Stanbpunct 
ber Betrachtung: oon bem 23oben ber ©egenwart, weld)e eine neue 
©poeße beutf^en LebettS eröffnet ßat, feßaut er auf bte Perfon unb 
baS Scßaffen beS 2)id)terS, auf ben ©tnfluß, ben er auf SDRit- unb 
3ßad)welt geübt ßat; feinem burd) bie ©rfaßrungen unferer Sage 
gefcßärften 23ltcEe, ftetlen fteß bie ©tlebniffe unb $Did)tungen 
©oetße’S in organifeßem Sufammeußauge bar; in mufterßafter 
3)arftellung, welcße bureß ißre grifeße unb Lebenbigfeit ißre urfprüng- 
ließe 23eftimmung für ben münblicßen 23ortrag empftnben läßt, ent 
wirft er uns fein 23ilb unb bringt eS bem bureß fteigenbeS Snter- 
effe gefeffelten Lefet gu leidster Slnfcßauung. SBentg über ein Saßr- 
ßunbert ift feit ©oetße’S erftem 2luftreten oergangen, noeß fein 
ßalbeS feit feinem Sobe: bie 5Jiöglt^feit einer wahrhaft ßiftorifeßen 
©rfaffung feiner ©eftalt beweift uns ©rimm’S geiftoolleS 23ud). 
2)te 5)arftellung fd)ließt fieß ben natürlichen Slbfcßnitten beS 
Lebens unb ber fortfd)reitenben Sßätigfeit ©oetße’S an. Snerft 
bie Sugenb bis gum ©intritt in 2Beimar, bie granffurter Seit; fte 
wirb mit einer gewiffeit 23orltebe in geßn 23orlefungen beßanbelt; 
fte breitet fieß aber aueß am flarften oor unfern 23Ucfen attS, ßat 
fie bod) ©octße felbft in „S)tcßtung unb SLahrßeit" gefcßilbert. 
3n wie ßoßem 5DRaße eS ©rimnt gelungen ift, ben fünftlerifdjen 
unb gefcßtcßtlicßen 2Bertß tiefes 2ßerfcS gu witrbigen, baS mad)t ber 
unübertrefflid) fd)öne 2lbfd)nitt über grieberife oon Scfenßeim 
flar. 2lttt längften oerweilt er, wie billig, bei @ö& uttb bei 25er« 
tß er, beren ©ntfteßen unb 2ßerben tut ©eifte beS 2)id)terS unter 
bem ©inflitß feiner ©rlebniffe er mit einbriugeuber Sd)ärfe barlegt. 
Sßoßl ift eS nteift 23efanntcS, was er uns oorfüßrt; aber er über- 
rafeßt unb erfreut unS uid)t nur burd) manchen einzelnen 3ug ; ber 
fieß feinem forfeßenben 2luge bargeboten ßat, foitbent er übt au^ 
baburd) auf ben Lefer einen etgentßümlidjcn 9ieig, baß er ißnt baS 
23efatmte itt neuem Liebte geigt, weil in fteter 23egicßttng gu 
©oetße felbft unb gtt ber ißn umgebenben 2Belt. BefonberS 
müffen wir bie Äunft ßeroorßeben, mit meld)cr er baS ©ingehte 
burd) feine Slnfnüpfung an baS 2lllgemeine in bie red)te 23eleud)- 
tuitg gu ftetlen oerfteßt: eS finb oft nur furge aber anicßaulicße 
.©ßaracteriftifen wie bie ber alten freien 9icid)Sftabt, weld)e bureß 
ißre engen unb eingerofteten 23erßältniffe bem auffirebcitben 3)id)« 
tevgeift gu einer unerträglidjen geffd werben mußte, ober bie ber 
tlnioerfitäten unb Stabte Leipgig uttb Straßburg, ober ber s J3iän- 
tter, welcße für ©oetße bebeutenb geworben finb, wie Berber’s 
— bem er woßl, wie wtr fürcßteit, uießt oöllig gerecht geworben ift 
— Laoater’S, Jacobi’S; oft nur fnappe aber inßaltmd)C lieber* 
fid)tcit wie bie über bie ©efd)i<ßte beS mobernen SßeatcrS uttb 9io- 
manS, nnb nod) meßr an einer fpäteren Stelle über bie SBeltftellung 
9RomS in brei Saßrtaufettben: aber immer erreid)t er feinen 3wecf, 
bas Bilb ©oetßc’S itt ftßärferen Umriffett gu ffiggtren unb baS 
23er[tänbntß feiner ©ntwicflung unb feines Sd)affenS gu ocrtiefeit. 
•©egenüber beut 3ftobe geworbenen Streben, in Spinoga ben £n;bel 
gu preifen, welker bie ^teroett unferer Literatur auf bte .£)ößT ißrer 
25eltan|d)auung erßobett ßabe, geießnet ftd) ©rintm bureß bte Be* 
fonneußeit attS, mit welcßer er über ©oetße’S 23erßältniß gu bie- 
fern 2)enfer urtßeilt. 25ir erfemten eS aueß gern an, baß er fieß 
über feine Stellung gum ©ßriftcntßitm uießt itt ben üblichen bana 
len Pßrafen auSläßt, fonbern baS reltgiöfe Bebürfniß mit fftaeß- 
bruef betont, welcßeS aueß itt ©oetße mächtig genug gewefen ift, 
um nteßt ben ©lauben an ben perfönlicßen ©ott unb an bie inbioi« 
buelle Unfterblicßfeit über Borb gu werfen: baS ßat er freilich uießt 
erwiefen, baß mit biefen beiben „©IanbenSartifelit", welcße „in bie 
gunbamentc feines ©afeinS eingemauert waren", bem religiöfett 
Bebürfniß überhaupt genug getßan werbe. Steffenb ftnb bie Be- 
mertuttgen, weld)e er über bie ©ultnroölfer, bie ©riedjen, ftiorna- 
nett, ©ermatten uttb Semiten rnaeßt, „auS beren untrennbar gufam- 
menwirfenber Strbeit ttnfere ©ultur, ber geiftige 3«fianb ( innerhalb 
beffen wir leben unb arbeiten, ßeroorgegangen ift uttb immer noeß 
ßeroorgeßt"; eS mag aueß fein, baß unter ißren fttepräfentanten 
Corner, Sfiapßael, SßafeSfpeare unb Sptnoga für ©oetße bte 
erften piajje einneßmen: aber was er auS ber ißtt umgebenben 
cßriftlicßen 2ltntofpßäre eingeatßmet ßat, barüber follte man bei ißnt 
unb anbern uießt als felbftoerftänblid) ßinweggeßen. — 
^e fieben 23orIefungen beßanbeln barauf bie erften geßn Saßre 
in 25eimar mit ber italiänifdjen Sieife unb bie Icjjte anSgebeßnte 
LebenSpertobe bis gu feinem Sobe, innerhalb beren fein Sufammen- 
wtrfen mit Scßiller fieß abßebt uttb eingeßenb gewürbigt wirb, 
fftur ©ingelneS fönnen wir auS biefem Sßetle ßeroorßeben. föltt 
großer 3artßeit wirb auf baS oielberufene 23erßältniß gu ©ßar» 
lotte 0. Stein eingegangen; naeß ben jüngften Berßanblungen 
barüber füßlt man bet btefer SDarfieUuttg, welcße mit feinem Sinne 
baS Olätßfel pfpcßologifcß gu löfen fueßt, fieß wie oon einem SDrucfe 
befreit. 2lucß auf feine Stellung gum £ergog, beren ©ntwicflung 
einer Betrad)tung untergogen wirb, fäüt mancßeS neue Streifli^t. 
2)ie ©langpunfte aber erf^ßeinen uns bie Befprecßung über
	        
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