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14. Mai. DEUTSCHE LITTERATURZEITUNG 1898. Nr. 19.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 32
der Höhe der übrigen englischen Publikationen
durch die Arbeit des Hrsg.s, die musterhafte
Sorgfalt in der Beschaffung des Materials, der
Vorlegung der Urkunde, der Aufhellung ihrer
Geschichte, der Durcharbeitung des wissenschaft
lichen Problems das sie aufgiebt. Adrian Turne
bus hat, hauptsächlich in den Adversaria, eine
Anzahl von Lesarten zu 9 Stücken des Plautus
aus einer alten Hs. mitgetheilt, deren hervor
ragenden Werth für die Kritik Ritschl erkannt
hat. Lindsays Fund ist eine Kollation dieser
Hs. für Poenulus, Persa, die erste Hälfte des
Rudens, die zweite des Pseudolus, Theile der
Bacchides, eingetragen in ein jetzt der Bodleian
Library gehöriges Exemplar der Ausgabe des
Gryphius von 1540 durch F. Duaren (f 1559).
Die Kollation ist nicht der Hs. selbst entnommen,
sondern wahrscheinlich nach dem Exemplar des
Turnebus kopirt. Die Hs. ist zu Anfang der
Eintragungen bezeichnet: Ex fragmentis monast.
S. Cohtmnae Senon. urbis Adriani Tornebi, sie
ist wahrscheinlich i. J. 1567 im Brande des Bene
diktinerklosters von Sens s. Yonne untergegangen.
Von der Kollation des Turnebus hat auch Lam-
binus, wie L. 8. 13 ff. nachweist, eine eigne
Kopie besessen und für seinen Kommentar be
nutzt; ein gleichfalls sehr wichtiges Resultat.
Scaliger dagegen hat wahrscheinlich die uns nun
vorliegende Abschrift Duarens benutzt (L. S. 18 ff.),
L. giebt ein photographisches Faksimile der ge
summten Urkunde, deren Benutzung er erleichtert,
vielmehr ermöglicht durch die vorausgehenden
Untersuchungen und die nachfolgenden Noten;
diese (S. 25 ff.) geben vor allem die Mittheilun
gen des Lambinus, die ergänzenden Bemerkungen
des Turnebus, die Schreibungen einer in Paris
befindlichen Kopie von Duarens Marginalien, end
lich die Kollation einer Hs. des British Mus. (Burney
228), aus der, gleichfalls nach L.s Nachweis (S.
3 ff.), Duarens übrige, den Gebrauch seines Exem
plars wesentlich erschwerende Randnoten stammen.
L. formulirt das Resultat seiner Unter
suchung über das Verhältnis der neuerschlosse
nen Textquelle zur übrigen Ueberlieferung des
Plautus auf S. 9: der Senonensis stammte nicht
aus der Vorlage von BCD selbst, aber aus dem
Archetypus dieser Vorlage; er stellt also, wo er
vorhanden ist, einen selbständigen Zeugen die
ser Ueberlieferung dar. Das Resultat ist ohne
Zweifel richtig; die von mir (Plautus I S. V) aus
gesprochene Ansicht, dass das Fragment des
Turnebus einer zwischen A und P stehenden
Ueberlieferung angehört habe, war aus einer
zu hohen Schätzung des Alters der Hs. hervor
gegangen. Auf die einzelnen Lesarten und den
der Kritik des Plautus aus L.s Funde erwach
senden Gewinn einzugehen ist hier nicht der
Ort; die wichtigsten Punkte hat L. selbst in
vorläufigen Mittheilungen hervorgehoben.
Göttingen. Friedrich Leo.
Jacob Grimm, Deutsche Grammatik. 4. Theil.
Neuer vermehrter Abdruck, 1. Hälfte (Bogen 1—43).
Besorgt durch Gustav Roethe und Edward
Schröder. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1897.
680 S. 8°. M. 12.
Der neue Abdruck der Deutschen Grammatik
geht seinem Abschluss entgegen. Ganz beson
ders willkommen ist dieser Syntax-Band, der
durch seine Gesichtspunkte, namentlich aber durch
sein Quellenmaterial am lebendigsten unter allen
Theilen des grossen Werkes fortwirkt und durch
keine neuere Arbeit ersetzt ist. Und das neu
Hinzugekommene ist so umfangreich, dass, wer
den vierten Band um seines syntaktischen Stoffes
willen aufschlägt, fortan den neuen Abdruck an
Stelle der ersten Auflage wird benützen müssen:
deren 586 Seiten stehen hier 680 entgegen (und
an und für sich schon enthält eine Seite der
zweiten etwas mehr Satz als eine der ersten).
Eintheilung, Gesichtspunkte, Gedankengang
des ersten Drucks sind grösstentheils unverändert
geblieben; die Vermehrung bezieht sich vornehm
lich auf die Belegsammlungen: nur wenige Strecken
sind dabei leer ausgegangen. Ich hebe insbe
sondere hervor die Zusätze zur Umschreibung
des Praesens durch das Partie. Praes. 8. 67,
zu den Verben mit passivischem Infinitiv 66,
zum aktiven Infinitiv mit passivischem von 67,
zum nhd. Partie. Praes. passivischen Sinnes 7 0,
zu den nhd. Gebrauchsweisen des Konjunktivs
82 f., des Infinitivs 99; die reichen Zusätze zu
den Beispielen des ‘gnomischen’ Praeteritums
204 f., des präpositioneilen Infinitivs 128, des
Acc. c. Inf. im Mhd. und älteren Nhd. 134 ff.
(dazu vgl. S. 141); die Participien 144 ff. um
fassen jetzt etwa zehn Seiten gegen sechs der
ersten Ausgabe; vermehrt wurden die Belege zu
den Ellipsen 154 ff., zur Fügung fich habe ihn
fischen sehen’ u. ä. 196 f., zum Numerusgebrauch
224 ff.; für die Kapitel von den Impersonalien,
vom Gebrauch der Fürwörter in Anredeformen
hat Grimm die Vorliebe bewahrt, mit der er sie
schon in der ersten Ausgabe bearbeitet hatte;
man vergleiche ferner die Reihen von Beispielen
zum Genus des Nomens, insbesondere den langen
und reichen Zusatz am Schluss dieses Kapitels
333 ff., wo man auch mehreres Stilistische und
zur Bedeutungslehre Gehörige finden wird. Ich
nenne endlich die Abschnitte über den Numerus
des Nomens, das persönliche Pronomen, .den fast
sechs Seiten umfassenden Zusatz (403), der Be
obachtungen über Form, Stellung, Bedeutung des
Possessivums nachträgt, die Zusätze zu Form,
Stellung, Verwendung des Artikels, zum Frage
pronomen 532 f., zum Indefinitum 540f., die Ver
mehrung der Beispiele in der Lehre von Flexion
und Stellung des Adjektivs.
Mannichfache neue Beobachtungen sind in das
alte Gefüge eingeschoben, vgl. die Beispiele der
Umschreibung des nhd. Praet. durch Inf. mit