Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Jacob und Wilhelm Grimm

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Magazin für die Literatur des Auslandes. 
No. 50. 
— Gtto Spaniens WeihnachtsBibliothek. Wie in jedem 
Jahre, bietet auch diesmal wieder der Spamer'sche Verlag eine 
Fülle von Jugendschriften, die ebenso durch ihren belehrenden 
und anziehenden Inhalt, wie durch ihre künstlerische Ausstattung, 
für den Weihnachtstisch gebildeter Familien sich empfehlen. Wir 
nennen vor Allem den „Kosmos für die Jugend", der ein Ge- 
sammtbild der Natur und des Menschen zu liefern versucht. 
Es zerfällt dieser „Kosmos" in zwei Gruppen, deren erste die 
Hauptsormen des vielgestaltigen Lebens der Natur in's Auge 
saßt. In I. Rey's „Himmel und Erde" wird die erhabenste 
aller Wissenschaften, die Astronomie, in allgemein verständlicher 
Weise abgehandelt, während das Bändchen: „Die Schöpfung 
der Erde" von E. Hintze, in lebendigen Schilderungen das 
schwerverständliche Gebiet der Geognosie durch Beschreibung 
der einzelnen bedeutenden Gebirge zum besseren Verständniß 
und die auseinander folgenden Schöpfungs-Epochen zur An 
schauung bringt. Der Verfasser des Buches: „ Räthselhaste 
Dinge", Rich. Röhr ich, fuhrt den Leser leicht und ansprechend 
zur Erkenntniß der Naturgesetze und ihrer Wirkungen, wobei er 
aus interessante Weise an die geheimnißvolle Bewegung der 
Steine anknüpft. In den „Seltsamen Geschichten" bietet M. O. 
Mohl durch Seefahrten und Wanderungen aus dem Festlande 
eine Darstellung vom Kreislauf des Wassers vom Quell bis 
zum Meere, und H. Pösche führt in zwei Bändchen: „Unsere 
lieben Hausfreunde in Heimat und Fremde" im bunten Wechsel das 
Leben der dem Menschen nahestehenden Thiere vor. Von der 
zweiten Gruppe des „Kosmos", die sich mit dem Menschen 
beschäftigt, wurden bis jetzt drei Bändchen ausgegeben. L. Thomas: 
„Das Buch denkwürdiger Erfindungen" hat bereits vielseitige 
— -- * «cm» So« Verfassers: „Buch der denk- 
(die älteren Land- und Seereisen bis zur Auffindung oer L-eewege 
nach Amerika und Indien) vorliegt, hat sich durch drei Auslagen 
ebenfalls bereits Bahn gebrochen. Die vorliegende, gänzlich um 
gearbeitete vierte Auslage schildert, wie der Mensch sich durch 
seinen Trieb nach Erweiterung des irdischen Gesichtskreises, durch 
seinen Forschungseifer und Fortschrittsdrang zum Herrn des Erd 
balls gemacht hat. 
Einen andern Cyklus bildet die „Welt der Jugend", heraus 
gegeben von H. E. Stötzner, eine wahre Bildergalerie der 
Zeitgeschichte, mit Gedenkblättern an den deutsch - französischen 
Krieg, an die deutsche Kaiser - Huldigung in Versailles und an 
den 18. Januar 1871, an die Belagerung von Paris, an die 
Nordpolsahrten älterer und neuerer Zeit, an die Passtonsspiele 
im Oberammergau k. rc. 
Endlich sind auch noch der zweite Theil des „Neuen vater 
ländischen Ehrenbuches" von FranzOtto und Oscar Höcker, 
und die historischen Erzählungen aus der Zeit des großen Kur- 
sürsten („Der alte Derslinger und sein Dragoner" von Georg 
Hiltl) und aus der Zeit des Königs Friedrich Wilhelm!. (Das 
Tabaks-Collegium und die Zopfzeit) mit vortrefflichen Zeichnungen 
von H. Luders, W. Heine und A. Kretschmer ausgestattet, zu 
Literarischer Sprechsaal. 
Jacob Grimm's.kleineren Schriften eine Auswahl 
ude von 372 Oktavseiten erschienen, die ein Ge- 
n dieses deutschen Sprach- und Schrift-Meisters 
nennen. 
Leben und Wirken liefert, wird gewiß Vielen willkommen sein, 
die für das bevorstehende Fest ein würdiges literarisches Geschenk 
ftir einen wissenschaftlich strebsamen Sohn, für einen ernsten, 
Gegenwart und Vergangenheit Deutschlands gern vergleichenden 
Freund zu haben wünschen. Eine geschickte Hand hat hier aus 
den fünf Bänden der größeren Ausgabe dasjenige zusammen 
gestellt, was gerade in diesem Moment, in welchem Deutschland 
an einem neuen, großen Wendepunkte seiner Kulturgeschichte an 
gelangt ist, den Blick zu schärfen, das Verständniß zu fördern, 
das Urtheil zu vertiefen vermag. Hier strömt uns eine Fülle 
von Gedanken zu, die nach allen Seiten der Forschung, auf dem 
Gebiete der Geschichte und der Wissenschaftslehre, wie auf dem 
der Mythologie, Sittenkunde, Sprache, Grammatik und Lite 
ratur, die Wege ebnet und die Ziele uns näher rückt. Wie viele 
ftuchttragende Keime sind z. B. nicht in dem akademischen Vor 
trag über Schule, Universität und Akademie allein ent 
halten? 
„Wir Deutschen", heißt es in diesem Vortrage aus dem 
Reactions-Jahre 1849,*) „wir Deutschen, denen, zu heiß drückender 
Schmach, das ersehnteste Recht eines freien Volkes, das feiner 
ungehemmten Einheit, bisher noch vorenthalten wird, erblicken 
einem solchen Gebrechen gegenüber zwar geringfügigen, an sich 
dennoch großen Ersatz oder Trost dafür in dem anerkannten Rufe, 
daß Alles, was auf die Wissenschaft und deren Förderung be 
zogen werden kann, bei uns fast in höherem Grade vorhanden 
ist, als bei den mächtigsten, einsichtigsten Völkern der Gegen 
wart Und vermag der Geist einen hinfälligen Leib aufrecht 
zu erhalten und zu friste«, so kann ohne Ruhmredigkeit behauptet 
werden, daß unsere Wissenschaft und Literatur, das untilgbare 
Gefühl für Sprache und Poesie es gewesen sind, die in Zeiten 
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tergang, — den sonst nichts hätte aufhalten mögen — uns be 
wahrt haben Franzosen und Engländer, ihren Blick theil- 
nahmlos und ungläubig von unserm politischen Ringen abwen 
dend, wo nicht gar es höhnend, erkennen auf dem Felde der 
Wissenschaft uns als ihnen ebenbürtig und selbst überlegen an; 
sie sind längst bestrebt, unsere Leistungen und Anstalten kennen 
zu lernen und vielleicht nachzuahmen. Was aber, auch in ihren 
Augen und mit verzehnfachtem Selbstgefühle, würden wir 
ausgerichtet haben, hätte aller unserer Wissenschaft, d. h. 
der Erhebung des Geistes, auch ein stolzes Bewußt 
sein der Stärke und der Macht des Vaterlandes, als 
eines Bodens, von dem der Geist sich schwingen, auf 
den er weilend sich nieder lassen kann, zum Grunde 
gelegen? Oder welch' unerfülltes, glänzenderes Ge 
schick ruht für uns auffetzt noch unnahbaren Knieen 
der Götter?" 
Villeicht wird dieses Compendium Grimm'scher Weisheits 
Lehren vielen Lesern auch dadurch noch willkommener sein, daß 
darin dessen eigenthümliche, dem deutschen Volke ftemd und un 
zusagend gebliebene Orthographie gegen die gewohnte, dem Auge 
und Verständniß mehr entgegenkommende Schreibung, und daß 
die vornehme Antiqua-Schrift, in welche sonst alle Bücher Grimm's 
gekleidet sind, gegen die bürgerlich einfache, uns deutsch anhei 
melnde Fractur-Schrift vertauscht ist. 
*) Am 3. Nov. 1849 gehalten, aber erst später, „nachdem unsere 
öffentliche Lage noch schlimmer und düsterer geworden," durchgesehen 
und in Druck gegeben.
	        
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