Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Jacob und Wilhelm Grimm

No. 50. 
Magazin für die Literatur des Auslandes. 
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solchem Falle gehe nicht leichtfertig in dem Gedanken darüber 
hinweg, es sei ein bloß physisches tagtägliches Vorkommnis; 
prüfe vielmehr dich und deine Umgebung auf Medium und be 
denke, daß das, was an deinem Körper herum zwickt, sticht oder 
klopft, der Geist eines Verstorbenen sein kann, welcher Ver 
langen trägt, sich dir mitzutheilen. Bist du so glücklich, in dir 
selbst oder, was nach amerikanischen Erfahrungen regelmäßiger 
ist, in einer nahen, jungen, schönen Dame, ein Medium zu ent 
decken, so überlasse zunächst dem Geiste ruhig das Weitere; sei 
überzeugt, er wird sich lauter bemerkbar machen. Habe nur Acht 
auf deine Möbeln. Denn es geschieht dann plötzlich, daß irgend 
ein Tisch, und sei es der größte, plumpste und schwerste, sich ohne 
die geringste äußere Anregung in Bewegung setzt, in den Zim 
mern einherpromenirt, sich links und rechts vor dir neigt, sich mit 
allen Vieren in die Luft erhebt und, wenn du dreist bist, allen 
deinen billigen Wünschen wie ein vernünftiges Wesen nach 
kommt. Du wirft daraus zum Mindesten ersehen, daß der Tisch 
seit deinem letzten mißglückten Versuche, ihn durch das Auflegen 
von sechs oder zehn Paar befreundeter Hände ein wenig verrückt 
zu machen, sich sehr vervollkommnet hat. 
Hat auf solche energische Weise der Geist seine Anwesenheit 
gezeigt, so ist nichts natürlicher, als der Wunsch, mit ihm in 
vertraulichere Beziehung zu treten. Zu diesem Zwecke hat Hare 
die vortrefflichsten Mittel erfunden. Es sind von ihm wunder 
schöne Apparate mit Ketten und Kugeln, Uhrzeigern und Ziffer 
blättern, Drehscheiben und Haken, Hebeln und Schrauben con- 
struirt worden, mit welchen er den Geistern in wirksamster Weise 
zu Leibe gegangen ist und von ihnen, Goethe's bekanntem Worte 
zum Trotz, die schönsten Geheimnisse der überirdischen Regionen 
herausgepreßt hat. 
Dr. Bell, ein ebenfalls eifriger amerikanischer Spiritist, 
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viel mitzutheilen vermögen, als diese selbst wissen, 
und daß ihre Antworten jedesmal falsch waren, wenn darüber 
hinaus gefragt wurde. Diese Theorie ist nach Hare ganz un 
haltbar. Hare's eigene Beobachtungen und „Thatsachen" gehen 
viel weiter. 
So lange Hare bloße Prüfungs-Bedingungen an 
wandte, waren die Antworten der Geister allerdings sehr ele 
mentar; sie theilten mit, daß der Geist des Vaters, eines Freundes, 
einer Schwester u. s. w. anwesend sei; sie buchstabirten Namen, 
gaben Familiennachrichten mehr oder weniger genau, oder die nach 
dem Muster delphischer Orakclsprüche redigirt waren. Aus eine 
selbständigere Thätigkeit der Geister ließ eine später entdeckte beach- 
tenswerthe „Thatsache" schließen. Man hatte in einem „Cirkel", in 
welchem Hare als Fremder erschien, unter einen Teppich ein 
Blättchen Papier und einen Bleistift gelegt. Als man das 
Papier nach einiger Zeit aufhob, fand man den Namen unseres 
Spiritisten darauf gekritzelt. Ein Geist hatte den Bleistift 
zu dieser wunderbaren That benutzt! Ferner weiß man jetzt, daß 
liebenswürdige und gefällige Geister sich den Sterblichen geradezu 
nützlich machen können. So wurdeHare, als er einst eine Schriftrolle 
verloren hatte, von dem Geiste seines Vaters korrekt benachrichtigt, 
wo er dieselbe wiederfinden würde. Noch dienstfertiger war 
der Geist seiner Schwester, welcher überhaupt unsern endlich 
selbst zum Medium gewordenen Chemiker treu überallhin zu be 
gleiten pflegte. „Es ist Thatsache, erzählt Hare, daß der Geist 
meiner Schwester um l Uhr Mittags am 3. Juli 1855 es über 
nahm, vom Atlantic Hotel auf Cape May Island eine Bot 
schaft an Mrs. Gourlay in Philadelphia zu überbringen, wodurch 
ich sie bat, daß sie den Dr. Gourlay veranlassen möchte, nach der 
Philadelphia-Bank zu gehen, um die Zeit zu ermitteln, wann 
ein Hand-Wechsel fällig sein würde, und mir um halb drei 
Uhr Bericht zu erstatten; daß sie mir zur bestimmten Zeit 
Bericht erstattete; daß bei meiner Rückkehr nach Philadelphia 
Mrs. Gourlay behauptete, selbst die Botschaft erhalten zu 
haben, und daß in Folge derselben ihr Mann und Bruder 
nach der Bank gingen. Mit der von der Bank erhaltenen Nach 
richt stimmte meiner Schwester Bericht überein. Alles dies be 
weist, daß ein Geist dabei thätig gewesen sein muß, da sonst 
nichts den Vorgang zu erklären vermag." 
Das ist jedenfalls sehr verlockend, sich ebenfalls solche Geister 
boten anzuschaffen. Indessen ist Vorsicht geboten. Einmal 
in Betreff des Mediums. Die Medien sind verschieden. 
Ihre Kraft und Wirksamkeit beruht nämlich auf der Nerv- 
Aura oder dem Dunstkreise, der jedes Medium umgiebt. Je 
weiter dieser Kreis sich erstreckt, desto kräftiger ist das Medium. 
Zuweilen versagen die Medien, zumal die weiblichen, den Dienst, 
und es ist schon für alle Fälle am besten, sich selbst eine medin- 
mistische Kraft beizulegen. Was sodann die Geister betrifft, so 
machen sie sich nur dem Gläubigen dienstbar. Spöttereien können 
sie nicht vertragen. Es giebt auch, man sollte es gar nicht glau 
ben, wie schlecht selbst die überirdische Welt geworden ist, trüge 
rische Geister, die sich mit den neugierigen Fragern auf der 
Erde gar böse Scherze machen. 
Wer bürgt uns denn nun dafür, daß nicht Alles, was 
Herr Hare aus der Geisterwelt erfahren hat, von solchen trüge 
rischen Geistern herrührt, und das alte Blendwerk der Hölle 
ist?! Indeß, vertrauen wir Herrn Hare mnd seiner Geschicklichkeit! 
Der Geist seines Vaters ist gewiß ehrlich: lassen wir uns von 
ihm informircn. 
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dern von den Geistern ausgegangen sei, welche das Bedürfniß 
fühlten, ihre irdischen Verbindungen wieder anzuknüpfen; sie 
seien ftoh, nun endlich die Schranke, die der Tod aufgerichtet, 
durchbrochen zu haben. Was das Tischbewegen, das Klopfen rc. 
betreffe, so habe das keinen weiteren Zweck, als die Menschen 
auf der Geister Anwesenheit aufmerksam zu machen und auf 
größere Dinge vorzubereiten. Es geschehe durch eine Art geistiger 
Elektricität, d. h. dadurch, daß durch den bloßen Willen der 
Geister und die Vermittelung des Mediums die vis inertiae des 
Tisches aufgehoben werde. Die Geister haben das Vermögen, 
sich augenblicklich unsichtbar an die Seite ihrer irdischen Ange 
hörigen zu versetzen und so, doch immer nur durch Medien, mit 
ihnen zu verkehren rc. 
Dies Letztere stimmt nicht ganz mit den Nachrichten, die der 
selbe Geist brieflich über die Zustände nach dem Tode gegeben hat. 
Diese Nachrichten sind jedenfalls das Wunderbarste, was der 
Spiritismus, diese positive Wissenschaft, zu Tage gefördert hat. 
Das Folgende ist etwa der wesentliche Inhalt des langen Geister 
briefes. 
Die Geister leben in sieben Sphären, welche die Erde und 
ebenso jeden anderen Weltkörper umgeben. Sie leben da in einer 
Welt, welche von den schönsten Landschaften, Seen, Bergen, 
Strömen, Wäldern und Gärten ausgefüllt ist, die man sich nur 
denken kann. Eine geistige Sonne erwärmt den Aufenthalt in 
ewig gleichmäßiger, wonniger Weise. Mit aller Schönheit, Lieb 
lichkeit und Lebhaftigkeit der Jugend begabt, sind die Geister 
mit fluthenden Gewändern von leuchtender Natur bekleidet. Die 
Beschäftigung ist mannigfach. Wissenschaftliche Forschungen und
	        
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