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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 G
565 — 1870. —- Literarisches
Sache, dah hiemit die Revision des Textes eher begonnen als
abgeschlossen ist. Die erste Emendation des Herausgebers 1,4
rnerces deposita statt der Vulg. posita must, wenn man die
stehende Redensart praerniurn ponere vergleicht, eine Verschlimm-
besserung genannt merden, mogegen die Ausmerzung des ersten
Glossemes 1, 7 [diuturnae et dum] evident und durch die vor-
angehende Zeile motiviert ist. Auch die fruheren Kritiker mus-
sen, wenn jedem sein Recht gewahrt werden soll, noch sorgfaltiger
zu Rathe gezogen werden, wie z. B. 4, 12 Alcimus nicht Emen
dation des Herausgebers ist. Dah derselbe so Vieles zu bessern
gefunden, und auch wirklich gebessert hat, das verdankt er sowohl
seiner eigenen Erfahrung, als auch dem unkritischen Sinne seines
Vorgangers Hildebrand. W.
P. Terenti Comoediae. Edidit et apparatu critico instruxit
Franc. Umpfenbach. Berlin, 1870. Weidraann. (LXXX1X,
510 S. gr. 8.) 3 Thlr. 10 Sgr.
Endlich wird durch die vorliegende Ausgabe eines der drin-
gendsten philologischen Bedurfnisfe unserer Tage erfullt: wir er-
halten eine aus der breitesten und zuverlassigsten diplomatischen
Grundlage be'ruhende Ausgabe des Terenz. Die Codices, deren
vom Herausgeber angefertigte und theils von ihm selbst, theils
von kundigen Freunden revidierte Collationen diese Grundlage
bilden, find der Bembinus in der Vaticana, der Victorianus in der
Laurentiana, der sogenannte Decurtatus in der Vaticana, ein
unvollstàndiger Wiener, ein Pariser, ein Vaticanus, ein im Ar-
chiv der Peterskirche und ein ehemals im Kloster zu S. Marco,
jetzt in der biblioteca Riccardiana in Florenz befindlicher. Hier-
zu kommen die vom Vers, mit grostem Fleihe zusammengesuchten
zahllosen Zeugnisse der Grammatiker und die ebenso genau
durchgearbeiteten Besserungsversuche neuerer Kritiker. Das Prin-
cip der Ausgabe konnte nur das sein, moglichst getreu' an den
Bembinus sich anzuschliesten, die gegenuberstehende, durch die
andern Handschriften vertretene Recension des Calliopius nur
da zu Rathe zu ziehen, wo jener nicht Geniige thut. Die ausge-
wàhlten Handschriften reichen vollstàndig aus, wenn auch nicht
geleugnet werden kann, dah einzelne Kleinigkeiten aus andern
noch der Beachtung werth find, wie zum Beispiel was Bondam
(Variae lectiones p. 315) aus enter in Franecker befindlichen
anfiihrt: Eunuch. 349 nestin' quis sit (nostin quae sit in
den andern) besonders, da im Victorianus us in que in Rasur
steht. Bondam vergleicht passend Run. 678, wo quisquarn durch
das Zeugnih der Handschriften und des Priscian feststeht. Noch
weniger freilich als diese Handschrift wird man andere hin und
wieder erwàhnte vermissen, wie die Wesseling gehorige, von der
H. Bolt spricht (Silua critica, p. 24 und 56). — Wenn.Ref.
in Betreff des kritischen Verfahrens, welches er im Grosien und
Ganzen vollstàndig billigt, einzelne Ausstellungen zu machen hat,
so wurden sich dieselben meistens darauf beziehen, dah dem Bem
binus manchmal nicht genau genug gefolgt ist. Z. B. Adelpli. 302
tot res repente circumuallant, unde emergi non potest: so
steht in den Handschriften der Recension des Calliopius und die
Neuern, auch Bentley, haben es beibehalten, aber der Bembinus
(auch Donat hat ebenso gelesen) hat circumuallant se vollig un-
tadelig und uber jeden Zweifel erhaben. Noch falfcher freilich
als die Vulgata ist Klette's Vorsck)lag (8vmbolae pbilolog. Bon-
nens. p. 844): circumuallant me. Recht dagegen hat Klette,
wenn er gleich darauf in Vers 344 peiore res loco non potis
est esse quam in quo nunc sita est, aus der ursprunglichen
Lesart des Bembinus 8IE8T macht siet, denn das ubergeschrie-
bene ta (noch dazu von funger Hand) ist doch offenbar Emen
dation von etwas unverstandenem. — Solchen und andern Aus
stellungen kann der Herausgeber in der von ihm vorbereiteten
(Uraefatio p.BXXVIII) Textausgabe, in welcher er auribus fa
stidiosi mehr concedieren will, gerecht werden. — Druck und
Papier dieser durchaus ruhmenswerthen Ausgabe find vortreff-
Centralblatt. — JJS20. Mai 7. — 566
lich. Mochte doch endlich Plautus uns in dhnlicher Gestalt voll-
standig geboten werden. Wenn man nur einmal erfuhre, was
die Handschriften desselben bieten, wollte man fa gern auf einen
guten Theil der unendlichen und jedes Jahr mehr anschwellenden
Plautusliteratur verzichten.
Piau-Thomery, Eug., franzosische Sprachlehre zum Ge-
brauchc siir Deutsche. Mit besonderer Riicksicht auf den
Unterricht der franzosischen Sprache an den offentlichen Schu-
len. 1. Theil. 1. Lief. Wien, 1870. Braumuller. (VI, 101 8. gr.8.)
15 Sgr.
Wenn man in der Vorrede zu dieser auf mehrere Bande be-
rechneten Grammatik die Nachricht liest, dah die Regierung des
Landes, „von dem Bewusitsein geleitet, dah auch die allgemeine
Kenntnih der franzosischen Sprache jeden Tag nothwendiger wird,
nunmehr erfreulicher Weise beschlossen hat, das Studium dieser
Sprache in den Schulen obligat einzufuhren", so traut man set-
nen Aug en nicht und fuhlt sich versucht, auf das Titelblatt zu
blicken, ob man nicht aus Versehen ein Buch aus den ersten Jah-
ren dieses Jahrhunderts in die Hands bekommen habe. Aber da
besinnt man sich: es ist fa von Oesterreich die Rede — und man
ist sofort au fait. Man must sich eben um mehr als ein halbes
Jahrhundert zuruckversetzen, und das must man auch, wenn man
die vorliegende Grammatik nicht ungerecht beurtheilen will. In
einem Lande, wo man sich erst im Jahre 1870 von der Noth-
wendigkeit einer allgemeinen Kenntnist des Franzosischen zu iiber-
zeugen anfàngt und den franzosischen Unterricht in den Schulen
jetzt erst obligat macht, da kann man auch mit Grammatiken be-
ginnen, wie sie im civilisierten Theile Deutschlands vor 60 Jah-
ren gebraud)lich waren. Eine solche ist eben die vorliegende, d. h.
sie ist sowohl in der Darstellung der Regeln, wie in der Wahl
der Beispiele in hohem Grade primitiv und naiv. Damit soll
nicht geleugnet werden, dast diese erste Lieferuug, welche das Un-
entbehrlichste uber den Artikel und das Substantiv enthàlt, die
Lehre von der Aussprache dagegen grundsàtzlich ganz ausschliestt,
fleihig und sorgfàltig gearbeitet ist und daher fur den allerersten
Unterricht brauchbar sein mag. Autzerhalb Oesterreichs durfte
sie sich jedoch schwerlich ein Publicum erobern. B.
^ Lunstgeschichte.
1) Scott, W., Albert Durer: his life and works. Including
autobiographical papers and complete catalogues. London,
1869. Longmans, Green and Co. (324 S. 8.)
2) Heaton, Mrs. Charles, the history of the life of Albrecht
Diirer of Nurnbcrg. With a translation of his letters and
journal, and some account of his works. London, 1870.
Macmillan and Co. (340 8. 8.)
Beide Arbeiten entstandenunabhangig von einander. Scott's
Vorrede endet: „Jch schlieste mit einer Petition an den kritischen
Leser, um deren Berucksidftigung ich bitten must. Ein Kunstler,
der sick) nur zufàllig in die Schriftstellerei heineinbegiebt, ist in
doppelter Beziehung im Nachtheile: einmal weil er sich auf einem
ungewohnten Gebiete bewegt, und zweitens weil ihm die Zeit
nur knapp zugemessen ist" rc. Wer auf diese Petition eingehen
will, wird an dem Bud)e wenig zu tadeln finden. Von der in der
Vorrede aufgefuhrten Durerliteratur scheinen nur Heller, v. Eye
und Narrey benutzt zu sein. Die Uebersetzung der Venetianischen
Briefe Durers wimmelt von Mistverstandnissen, die Anmerkungen
dazu find von Narrey (Gaz. des Beaux-Arts XIX, 105 sqq.) ab-
geschrieben. Den auf dem Britischen Museum gefundenen, zu
dieser Serie gehorigen neunten Brief kennt Verf. gar nicht. Die bei-
gegebenen Radierungen haben keinen Werth. Ein einigermasten
geiibter Blick wird bei einem Vergleiche des Titelkupfers mit einer
Photographic der Zeichnung der Albertina, wonach es radiert
worden ist, die Zeichenfehler sofort herauserkennen. Uebrigens