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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
der Leitung Polizians die beiden Gemälde zu Stande
brachte. Der Dichter sagte ihm, welche Figuren
in eine Reihe gebracht werden sollten, und der
Maler verfuhr nach Vorschrift.
Schön wäre es, wenn W. unternehmen wollte,
was er für die beiden Gemälde Botticellis
gethan, auf die vornehmsten Arbeiten der ge-
sammten toscanisch-römischen Kunst auszudehnen.
Eine Fülle von Beobachtungen würde sich er-
schliessen. Bei Raphael ist in dieser Rücksicht
ebenfalls noch viel zu thun, der, wie Botticelli,
seine Motive zuweilen den Worten des Dichters
entnahm. Ich erinnere, da W. sich besonders für
Darstellungen einer »Flucht« interessirt, an die
fliehende Mutter auf dem Burgbrande, Inferno
XXIII, 37:
Lo Duca mio di subito mi prese,
Come la madre, ch’al romore e desta,
E vede presso a se le flamme accese,
Che prende il figlio, e fugge, e non s’arresta
Avendo piu di lui che di se cura,
Tanto che solo una camisia vesta.
Und auch an die Flucht der Galatea sei er
innert, die Raphael dem Gedichte Sannazars ent
nahm, den Moment darstellend, wo die Nymphe
von Polyphem eingeholt und geküsst wird. (L. R
1886. 451. Anm.)
Berlin.
Herman Grimm.
aus : Deutsche Litteraturzeitung, Nr. 24,
1893, Jun.17,S.751-752
meinen Familienschicksalen zu den
da
1. Gabriele von Bülow, Tochter Wilhelm von
Humboldts. Ein Lebensbild. Aus den Familien
papieren Wilhelm von Humboldts und seiner Kinder
1791 —1887. Berlin, E. S. Mittler u. Sohn, 1893.
572 S. gr. 8° mit 12 Bildnissen. M. 10.
2. Guillaume de Humboldt et Caroline de Hum
boldt (nee de Dacheröden). Lettres ä Geoffroi
Schweighäuser traduites et annotees surlesoriginaux
inedits par A. Laquiante. Paris u. Nancy, Berger-
Levrault et Cie., 1893. 225 S. gr. 8°.
1. Es war meine Absicht, dieses schöne
Buch ausführlich anzuzeigen, allein zwei Um
stände hindern mich. Der erste, dass es
nach zuviel Seiten Anknüpfungen bietet; der
andere, dass es zu den Werken zu gehören
scheint, deren Leserkreis sich rasch vermehren
wird, so dass zu einer Empfehlung kaum etwas
Besonderes noch zu sagen wäre. Das anziehende
umfangreiche Material ist auf das Passendste zu
sammengefügt und der die Briefe, welche räum
lich vorherrschen, verbindende Text lebendig
und mit derjenigen vornehmen Bescheidenheit
verfasst worden, die ein so freundliches Licht
über das Ganze ausbreitet. Die Geschichte der
um das Humboldtsche Ehepaar aufblühenden
Kinder hat etwas allgemein Typisches. Ihre
frühesten Aeusserungen, ihre Charakterzüge leuchten
uns sofort als gleichsam gemeingültig ein. Die
Schilderungen der Existenz in fremden Ländern,
der überall die Familie H. umgebenden geistigen
Bewegung, das allmälige Heranwachsen der Heldin
dieses Buches, der Uebergang von den allge-
eignen,
sich um sie selbst nun eine Familie bildet, die
Ausbreitung dieser neuen Generation und endlich
das Alter der edlen Frau, die wir als kleines Kind
kennen lernten: all das fliesst uns durch die Seele
und erfüllt uns mit reinster Theilnahme. Dieses Buch
ist eine Bereicherung der deutschen Litteratur.
Die dem Buche beigegebenen vereinten Kinder
bildnisse Gabrielens und ihrer älteren Schwester
Caroline, in Rom von Schick gemalt, bieten einen
lieblichen Anblick. Schick und Rauch standen
der Familie nah und das über Rauch hier Be
richtete lässt ihn uns besonders warm und an
ziehend entgegentreten.
2. Schweighäuser war Lehrer in der Familie
Humboldt und blieb ihr lebenslänglich befreundet
und verbunden. Man liest diese Briefe mit Ver
gnügen, deren erster, von der Hand Wilhelms
v. H., das Datum des 23. messidor an VII
(11. Juli 1 799) trägt und in Paris geschrieben wurde.
Carolinens eingehende und farbenreiche Mit
theilungen bilden die Hauptmasse und sind will
kommene Ergänzungen zu Gabriele v. H.’s Lebens
beschreibung. Wer das eine Buch kennt, wird
das andere gern hinzunehmen.
Beigegeben sind vorn in drei Photographien
die Bildnisse des H.'sehen Ehepaares, sowie das
Schw.’s, dessen Lebensbeschreibung wir in den
Anmerkungen zugleich empfangen. Das Buch ist
vom Herausg. mit der Htterarischen Sicherheit
zusammengebracht worden, welche die Franzosen
von jeher in Arbeiten dieser Art ausgezeichnet
hat. Herr Laquiante kennt die betreffende Litte
ratur genau, hat auch das nicht streng Hierher
gehörige in kurzen und passenden Zusätzen heran
gezogen und damit seiner Publikation einen an
genehmen Schein von Vollständigkeit verliehen.
Die am Schlüsse gegebene photographische
Reproduktion eines der deutschen Originalbriefe
Wilhelm von Humboldts lässt uns einen Blick auf
die Papiere thun, welche der Uebersetzung zu
Grunde liegen.
Berlin.
Herman Grimm.